The Hunger Games: The Ballad of Songbirds and Snakes

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Story: Der Krieg des Kapitols gegen die Distrikte ist seit zehn Jahren vorüber; während die Distrikte geknechtet werden und jedes Jahr zwei Jugendliche opfern müssen, die in den Hungerspielen antreten, gibt es auch im Kapitol nicht nur Gewinner. Zu den Verlierern gehört die einstmals reiche, nun aber verarmte Familie Snow. Der jugendliche Coriolanus Snow (Tom Blyth) wittert seine Chance auf einen sozialen Aufstieg, als Schüler der Akademie, die er besucht, erstmalig zu Mentoren der Tribute aus den Distrikten werden – diese Maßnahme wird von der obersten Spielemacherin Volumnia Gaul (Viola Davis) ergriffen, in der Hoffnung, dass diese Spiele für die Einwohner des Kapitols interessanter werden. Doch Coriolanus wird ausgerechnet der weibliche Tribut aus Distrikt 13 zugeteilt, ein Mädchen namens Lucy Gray Baird (Rachel Zegler). Gewöhnlich haben Tribute aus Distrikt 13 keine Chance auf einen Sieg, doch Lucy Gray hinterlässt von Anfang an Eindruck. Bietet sie vielleicht die Chance, die Coriolanus braucht? Und was geschieht, wenn romantische Gefühle mitmischen?

Kritik: „The Hunger Games: The Ballad of Songbrids and Snakes” scheint zu jenen Franchise-Filmen zu gehören, die zum falschen Zeitpunkt starten: Zu spät, um noch vom ursprünglichen Momentum zu profitieren, aber zu früh für Nostalgie. Zwar war das Prequel zur Filmreihe um das totalitäre Panem finanziell kein Flop, scheint aber auch nur wenige wirklich vom Hocker gerissen zu haben und wurde unter Fans und Publikum eher gemischt aufgenommen. Ein wenig fühlt man sich an „Fantastic Beasts and Where to Find Them” erinnert, vor allem unter dem Gesichtspunkt, dass der Regisseur, der die ursprüngliche Reihe beendete, auch das Prequel umsetzt. Anders als bei „Fantastic Beasts“ gab es allerdings eine von Suzanne Collins verfasste Romanvorlage, die es jedoch nicht unbedingt schaffte, ihren eigenen, hohen Ansprüchen gerecht zu werden. Die Filmadaption ist diesbezüglich leider keine Aufwertung. Während es der ursprünglichen Filmreihe gelang, eine etwas merkwürdige Wechselwirkung zur Vorlage aufzubauen, sodass sich Romane und Filme gegenseitig aufwerteten, wirkt Lawrence‘ Umsetzung von „The Ballad of Songbirds and Snakes“ oftmals wie ein bloßes Abfilmen.

Schon der Roman wollte, trotz der Tatsache, dass es sich um das längste Buch der Serie handelt, zu viel auf zu wenig Seiten erreichen – entweder hätte Collins ein noch deutlich umfangreicheres Werk schreiben oder das Ganze als mehrbändige Reihe anlegen müssen. Der Film leidet unter diesem Problem in noch weit größerem Ausmaß. Man wäre vielleicht sogar geneigt gewesen, eine filmische Zweiteilung gutzuheißen, vor allem, da sich der Roman in zwei recht autarke Hälften teilen lässt. Nach den Erfahrungen, die Lawrence mit „Mockingjay Part 1“ und „Mockingjay Part 2“ gemacht hatte, nahm er von dieser Idee allerdings Abstand. Das Ergebnis ist ein ziemlich gehetzt wirkender Film, der selbst den gelungenen Passagen (sprich: grob der ersten Hälfte) nicht die Aufmerksamkeit widmet, die sie verdienen. Das ist vor allem deshalb schade, weil der Cast wirklich gelungen ist: Tom Blyth nimmt man sehr gut einen jungen Donald Sutherland ab und vor allem Peter Dinklage und Viola Davis machen aus zu wenig Leinwandzeit sehr viel. Rachel Zegler funktioniert als Lucy Gray Baird ebenfalls ganz gut, auch wenn sie nicht immer die beste Chemie mit Blyth hat. Immerhin: Singen kann sie definitiv. Andere talentierte Darsteller, etwa Hunter Schafer, Burn Gorman oder Jason Schwartzman, gehen hingegen eher unter. Auch die Ausstattung weiß durchaus zu gefallen. Anders als in den ursprünglichen Filmen hält sich die absolute Dekadenz des Kapitols noch in Grenzen, wir sehen eher die Ruinen einstiger Größe. Die Ausgestaltung der erzählten Welt erinnert stark an eine futuristische Version Nachkriegszeit, sprich: später 40er, früher 50er, und sorgt für eine gelungene Atmosphäre. Auf der Handlungsebene gelingt es Lawrence und seinen Drehbuchautoren Michael Lesslie und Michael Arndt allerdings nur selten, diesen Nachkriegszustand effektiv zu vermitteln – zu sehr sind sie damit zu beschäftigt, alle Figuren zu etablieren und sich durch die Handlung zu arbeiten.

Wie schon in den ursprünglichen drei Romanen sind wir als Leser an die Perspektive des Protagonisten gebunden und wie in den ursprünglichen Filmen verlässt Lawrence auch hier diese Perspektive hin und wieder. Was die Hunger-Games-Quadrologie allerding bereicherte, ist in „The Ballad of Songbirds and Snakes“ hinderlich. Es ist durchaus verständlich, dass diese frühe Inkarnation der Hungerspiele auch tatsächlich gezeigt wird, schließlich möchte man in seiner YA-Adaption auch ein wenig Action, aus erzählerischer Sicht funktioniert die Herangehensweise des Romans jedoch deutlich besser. Hier werden die Spiele nur aus Coriolanus‘ Sicht gezeigt, der sie primär am Bildschirm verfolgt und nur einmal selbst in die Arena muss. Dieser Kniff hätte in meinen Augen für deutlich mehr Suspense gesorgt und es zudem ermöglicht, den Hinter-den-Kulissen-Aspekten noch mehr Platz einzuräumen. Gerade im Vergleich zu den extravaganten Arenen der ersten beiden Filme ist die hier gezeigte Ruine visuell einfach nicht besonders interessant. Das ist inhaltlich und thematisch natürlich passend, aber dennoch nicht zu leugnen. So gehen viele der scheinbar sekundären, aber doch essentiellen Elemente der Vorlage verloren oder werden zumindest stark reduziert – die Rede ist von der Genesis der Hungerspiele, wie man sie aus den ursprünglichen Filmen kennt.

Der in Distrikt 12 spielende Teil des Films ist noch einmal gehetzter als sowohl das Romangegenstück als auch die erste Hälfte, sodass sich die Ereignisse regelrecht überschlagen. Zudem fällt das Fehlen von Coriolanus‘ Gedanken, die im Roman stets präsent sind, gerade hier äußerst negativ ins Gewicht. Damit meine ich nicht, dass man das als Stimme aus dem Off explizit hätte einbinden sollen, aber es wäre doch machbar gewesen, diese Inhalte visuell zu vermitteln. Das hat zudem zur Folge, dass Coriolanus im Film über lange Zeit deutlich positiver charakterisiert wird, schlicht deshalb, weil seine Motivation und die Gründe für sein Handeln nicht anständig vermittelt werden. So springt Coriolanus gegen Ende gewissermaßen von seiner ursprünglichen Charakterisierung in diesem Film zur Donald-Sutherland-Version ohne allzu große Zwischentöne.

Score: Musikalisch riskiert „The Hunger Games: The Ballad of Songbirds and Snakes” keine Experimente. Wie schon bei den vorherigen Filmen schwingt James Newton Howard den Taktstock und knüpft nahtlos an den etablierten Sound an. Howards Musik für dieses Franchise ist zwar stets funktional und passend, lässt aber wirklich herausragende Highlights und markante Themen oft vermissen. Die beiden einprägsamsten Stücke, die Kapitol-Hymne Horn of Plenty und The Hanging Tree, das zum Lied des Widerstands wird, sind beides diegetische Stücke aus der Feder anderer Komponisten, die Howard zwar im Score hin und wieder aufgreift, in meinen Augen aber keinesfalls ausreichend. Das trifft auch auf „The Ballad of Songbirds and Snakes” zu, und das obwohl The Hanging Tree ein durchaus wichtiger Teil der Handlung ist. Horn of Plenty wird auf einen kleinen, diegetischen Cameo-Auftritt reduziert, stattdessen findet sich mit Anthem: Gem of Panem eine neue, weniger einprägsame Kapitols-Hymne. Die bereits zuvor etablierten Themen referenziert Howard immer wieder und auch durchaus zufriedenstellend, während das stärkste neue Leitmotiv Lucy Gray gilt. Stilistisch finden sich auch einige Parallelen zu Howards Musik für die Fantastic-Beasts-Reihe, wobei diese zumeist etwas markanter ausfällt. Wer also Fan des Komponisten oder der Musik der Filmreihe ist, kann bedenkenlos zugreifen. Sollte man es allerdings nur auf die Crème de la Crème der Panem-Scores abgesehen haben, ist man mit „Mockingjay Part 1“ nach wie vor am besten bedient.

Fazit: In meiner Rezension zum Roman „The Ballad of Songbirds and Snakes” stellte ich die Frage, ob der Film es wohl schafft, die Vorlage aufzuwerten oder ob er an ihren Schwächen scheitert. Die Antwort ist eindeutig, Letzteres ist der Fall, zusätzlich zu weiteren filmexklusiven Schwächen. „The Hunger Games: The Ballad of Songbirds and Snakes“ ist bei Weitem keine katastrophale Adaption, bleibt aber eindeutig sowohl hinter den Möglichkeiten als auch der ohnehin schon nicht optimal konstruierten Vorlage zurück.

Trailer

Bildquelle

Siehe auch:
The Ballad of Songbirds and Snakes
The Hunger Games
Catching Fire
Mockingjay Part 1
Mockingjay Part 2
The Hunger Games: Horn of Plenty vs. The Hanging Tree

Dracula the Undead

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Werke, die „Dracula“ in irgendeiner Form fortsetzen gibt es viele, vor allem in Form günstig produzierter Filme, solche, die sich direkt auf Stokers Geschichte beziehen, sind dagegen deutlich seltener. Das hängt natürlich damit zusammen, dass Stokers Roman relativ eindeutig endet: Der Graf ist endgültig tot und die Helden haben triumphiert. Besonders notorische Fortsetzungen sind die diversen Hammer-Filme: Durch irgendeinen Kniff kehrt der Graf zurück und sucht sich neue Opfer, bis er schließlich wieder getötet wird. Universals „Dracula’s Daughter“ und Hammers „The Brides of Dracula“ fallen da ein wenig aus dem Rahmen, denn in beiden Fällen ist es der Vampirjäger Van Helsing, der sich mit einer neuen vampirischen Bedrohung auseinandersetzen muss, sei es Gräfin Marya Zaleska oder Baron Meinster. Fortsetzungen, die sich tatsächlich des kompletten Personals aus Bram Stokers Roman bedienen, sind da weitaus seltener. Am bekanntesten ist wohl der von Dacre Stoker, seines Zeichens Urgroßneffe von Bram Stoker, und Ian Holt verfasste Roman „Dracula: The Un-Dead“, erschienen 2009; mit diesem werde ich mich zu gegebener Zeit befassen. Es existiert allerdings ein Roman mit fast demselben Titel, „Dracula the Undead“ von Freda Warrington, publiziert bereits im Jahr 1997, der zuerst eine Besprechung verdient.

„Dracula the Undead“ beginnt genau dort, wo Bram Stokers Roman endet, sieben Jahre nach der eigentlichen Handlung besuchen die Überlebenden Transsylvanien, um die Ereignisse aufzuarbeiten. Warrington orientiert sich sowohl stilistisch als auch strukturell stark am Vorbild, abermals lesen wir die Tagebucheinträge der verschiedenen Figuren. Auch der inhaltliche Aufbau erinnert stark „Dracula“ mit dem Anfang in Transsylvanien, dem Mittelteil in England und dem Finale wieder in Osteuropa. Während sich Abraham Van Helsing, Jonathan und Mina Harker, John Seward und Arthur Holmwood noch mit ihrer Vergangenheit auseinandersetzen, stellt Warrington die beiden wichtigsten neuen Figuren des Romans vor: André Kovacs, ein alter Freund Van Helsings, und seine Nichte Elena, eine junge Frau aus restriktivem Elternhaus, die es nach Freiheit gelüstet und die in Mina ein Vorbild findet. Kaum, dass Stokers Figuren Osteuropa verlassen haben, werden Kovacs und Elena mit mysteriösen Ereignissen konfrontiert. Ersterer ist auf der Suche nach der Schule der Scholomanten. Diese mysteriöse magische Schule aus osteuropäischen Sagen erwähnte Stoker eher beiläufig in „Dracula“ als möglichen Ursprung des Vampirismus, in Filmen oder sonstigen Verarbeitungen des Stoffes wird dieses Element allerdings selten aufgegriffen. Warrington hingegen macht es, erfreulicherweise, zu einem zentralen Teil ihrer Narrative. Während Kovavcs nach dieser „Schule des Teufels“ sucht und sie zu seinem Unglück auch findet, bekommt Elena Gesellschaft von einem „dunkeln Gefährten“, der ihr dabei hilft, sich ihres tyrannischen Vaters zu entledigen und sie dazu bringt, nach London zu reisen. Dort wird sie zum Kindermädchen des jungen und recht kränklichen Quincey Harker. Dass Elenas dunkler Gefährte ein auf Rache sinnender Dracula ist, der seine ursprüngliche, untote Existenz wiederherstellen möchte, muss wohl nicht extra erwähnt werden…

Bei der Lektüre von „Dracula the Undead“ merkt man durchaus, wie viel Respekt Freda Warrington vor Bram Stokers Roman hat. Da dies der einzige ihrer Romane ist, den ich gelesen habe, weiß ich nicht, wie sie sonst schreibt, aber hier hat sie ihren Stil definitiv an Stokers Prosa und die Stilmittel des späten 19. Jahrhunderts angepasst, sei es in der Redeweise der Figuren oder den doch eher blumig ausfallenden Beschreibungen. Die Handlungs- und Denkweise der Figuren fühlt sich dabei durchaus wie eine kohärente Fortführung von „Dracula“ an. Allerdings sind 100 Jahre an Adaptionen und sonstigen Verarbeitungen der Geschichte nicht spurlos vorbeigegangen: Auch Warrington interpretiert den Grafen etwas positiver als Stoker dies tat, etwas romantischer und nachvollziehbarer. Warringtons Graf ist nach wie vor böse, wir haben es also nicht mit einer kompletten Umdeutung zu tun, aber gerade sein Verhältnis zu Mina wächst über die reine Täter/Opfer-Dynamik hinaus – auch das gehört mittlerweile fast schon zum guten Ton und wird erwartet.

Ganz ähnlich wie bei „Dracula“ ist auch die erste Hälfte von „Dracula the Undead“ die deutlich stärkere und spannendere. Gerade die Bemühungen, den Grafen ins Unleben zurückzuholen und die wachsende Suspense, während seine Widersacher noch ahnungslos sind – all das sorgt für die ansprechendsten Passagen des Romans. In der zweiten Hälfte agiert Dracula dann aber, anders als bei Stoker, sehr viel direkter mit unseren Helden, was einfach nicht ganz so gut funktioniert. Mit Elene hat Warrington allerdings eine äußerst interessante Figur geschaffen, die gewissermaßen den Platz Renfields einnimmt. Man fühlt sich in mancher Hinsicht an den Renfield aus Universals „Dracula“ erinnert, der den Grafen nicht einfach nur in England erwartet, während er Insekten schnabuliert (Letzteres tut Elena allerdings nicht), sondern ihn aktiv von Transsylvanien nach England bringt. Elena beginnt als sympathische Figur, die verständlicherweise aus ihrem restriktiven Umfeld ausbrechen möchte, dafür aber gewissermaßen einen Deal mit dem Teufel eingeht. Über den Verlauf der Geschichte wird sie jedoch konsequent labiler, was wir als Leser direkt mitbekommen, gehört sie doch zu den Tagebuchschreibern. Irgendwann ist schließlich der Punkt erreich, an dem sie sich sowohl in Dracula als auch in Mina verliebt zu haben scheint und gleichzeitig auf beide eifersüchtig ist.

Die bereits erwähnte Idee, die Schule der Scholomanten hier miteinzubeziehen finde ich durchaus gelungen, gerade weil es ein so wenig beachteter Aspekt des ursprünglichen Romans ist, allerdings schöpft Warrington das Potential nicht völlig aus und benutzt die Schule vor allem, um noch einen zweiten Vampir in der Geschichte unterzubringen, der als noch üblerer Kontrast zu Dracula selbst und als finaler Antagonist fungiert. Gerade das Finale, inklusive der Andeutung, Dracula und nicht Jonathan könne Quinceys Vater sein, finde ich nicht allzu gelungen, zumindest im Kontext des restlichen Romans. Es wirkt etwas zu plump, so als wäre es Warrington nicht gelungen, ein wirklich passendes Ende zu ihrem sonst sehr gut konstruierten Roman zu finden.

Fazit: Freda Warringtons inoffizielle und größtenteils vergessene Fortsetzung zu „Dracula“ kann durchaus als Geheimtipp für Fans des Grafen bewertet werden. Auch wenn das Finale nicht völlig zu überzeugen weiß, gelingt es Warrington doch, eine stimmige und relativ kohärente Fortsetzung zu einem der einflussreichsten Romane der Literaturgeschichte abzuliefern.

Bildquelle

Siehe auch:
Geschichte der Vampire: Dracula – Bram Stokers Roman
Geschichte der Vampire: Dracula – Universals Graf
Geschichte der Vampire: Secret Origin
The Brides of Dracula
The Dracula Tape
Dracula: Sense & Nonsense
‘Salem’s Lot

Die Insel der Tausend Leuchttürme

Grobe Spoiler ohne Details!
Die Insel der Tausend Leuchttuerme von Walter Moers
Im Herbst 2023 veröffentlichte Walter Moers seinen zehnten Zamonien-Roman (die beiden kürzeren Werke „Weihnachten auf der Lindwurmfeste“ und „Der Bücherdrache“ miteingerechnet). Während die erste Hälfte, von „Die 13 ½ Leben des Käpt’n Blaubär“ bis „Der Schrecksenmeister“ wirklich herausragend ist, ist die zweite deutlich durchwachsener, vor allem „Das Labyrinth der träumenden Bücher“, „Prinzessin Insomnia und der alptraumfarbene Nachtmahr“ und „Weihnachten auf der Lindwurmfeste“ erwiesen sich als ziemliche Enttäuschungen. Es freut mich allerdings berichten zu können, dass Moers mit „Die Insel der 1000 Leuchttürme“ definitiv an die alten Qualitäten anknüpft, auch wenn sein neuester Streich definitiv hinter „Die Stadt der träumenden Bücher“ oder „Rumo & die Wunder im Dunkeln“ zurückbleibt. Ein weiteres Mal haben wir es mit einem autobiographischen Werk des zamonischen Monumentalschriftstellers Hildegunst von Mythenmetz zu tun, das sich in der Konzeption allerdings etwas von den bisherigen unterscheidet. Abermals arbeitet Moers mit der „Übersetzerfiktion“, geht bzgl. seiner eigenen Rolle dieses Mal aber noch einen Schritt weiter. Bisher „übersetzte“ (und kürzte) Moers Mythenmetzwerke, die auch in Zamonien publiziert wurden. Dieses Mal handelt es sich jedoch um Briefe an den aus „Die Stadt der träumenden Bücher“ bekannten Eydeeten Hachmed Ben Kibitzer, die Moers selbst „kompilierte“. Einen Vorgeschmack auf dieses Konzept gewährte er bereits in „Weihnachten auf der Lindwurmfeste“.

Die Handlung besteht primär aus Hildegunst von Mythenmetz‘ Erkundung der Insel Eydernorn (ein Anagramm, das nicht allzu schwer zu entschlüsseln ist) und der Erkundung der dortigen Kultur, Flora und Fauna. Ursprünglich als Kuraufenthalt geplant (zumindest in Ansätzen erinnert der Roman an eine phantastisch-skurrile Variation auf Thomas Manns „Der Zauberberg“), stellt Zamoniens größter Schriftsteller schon bald fest, dass er für die Lokalsportart „Krakenfieken“ ein enormes Talent hat und dass Eydernorn viele Gehemnisse bietet. Primär erforscht Hildegunst die Geheimnisse der Leuchttürme, schließlich trägt Eydernorn den Beinamen „die Insel der Tausend Leuchttürme“, auch wenn es in Wahrheit nur 111 sind. Wer sich von „Die Insel der Tausend Leuchttürme“ ein ähnliches Ausmaß an Suspense oder Handlungsdichte wie einige der Vorgänger erhofft, den muss ich leider sofort enttäuschen. Gewisse Moers-Tendenzen der letzten Jahre treten hier noch stärker zutage: Der zehnte Zamonien-Roman ist primär ein Reisebericht, der sehr lange ohne tatsächlichen Plot auskommt, als Leser begleiten wir Hildegunst von Mythenmetz schlicht bei der Erforschung der Insel, lernen skurrile neue Figuren kennen und erleben, wie Moers mit viel Liebe zum Detail einen weiteren zamonischen Handlungsort aufbaut. Der folgende Vergleich schmerzt mich sehr, aber ich erkennen da gewisse Parallelen zu Stephenie Meyers Twilight-Romanen: Wir haben sehr lange wenig Plot und viel „Ambiente“, bis im letzten Drittel der Plot dann relativ rasant und überstürzt doch noch sein Haupt erhebt und die Ereignisse sich überschlagen. Natürlich ist es auch nicht das erste Mal, dass Moers diese Tendenz zeigt, in „Das Labyrinth der träumenden Bücher“ war das noch einmal deutlicher und frustrierender, was allerdings auch damit zusammenhing, dass sich große Teile des Romans wie ein bloßes „Aufwärmen“ des Vorgängers anfühlten. „Die Insel der Tausend Leuchttürme“ ist immerhin eine in sich abgeschlossene Geschichte, während „Das Labyrinth der träumenden Bücher“ seinen eigentlichen Plot bis zum heutigen Tage nicht enthüllt hat. Dass Moers natürlich als Autor deutlich begabter ist als Stephenie Meyer muss ich wohl nicht extra hinzufügen…

Interessanterweise hängt mein eigentlicher Hauptkritikpunkt damit zwar zusammen, ist aber nicht, dass ich gerne früher mehr Plot gehabt hätte. Im Finale lebt Moers wieder eine andere Tendenz aus, nämlich die, seine sorgsam konstruierten Handlungsorte einer apokalpytischen Zerstörung zu unterziehen oder sie auf andere Art zu „entfernen“. Das betrifft sowohl Atlantis in „Die 13 ½ Leben des Käpt’n Blaubär“ als auch Untenwelt in „Rumo & die Wunder im Dunkeln“ und Buchhaim in „Die Stadt der träumenden Bücher“ (Letzteres wurde zugegebenermaßen wieder aufgebaut). Abermals taucht eine fast Lovecraft’sche Entität auf, zwar nicht völlig aus dem Nichts, aber doch recht unvermittelt – zudem meint man, gewisse Anklänge an „Alien“ herauslesen zu können. Wie dem auch sei, ich persönlich denke, Moers hätte besser das Reiseberichtkonzept des Romans konsequent durchgezogen. Vielleicht hatte er Angst, dass die Rezeption ähnlich ausgefallen wäre wie bei „Das Labyrinth der träumenden Bücher“ und hat deshalb versucht, dem Ganzen noch ein möglichst spektakuläres Finale zu verpassen. Gerade dieses will aber nicht so recht zum Tonfall des Romans passen, ein intimerer, persönlicherer Abschluss wäre in meinen Augen weitaus gelungener gewesen.

Ansonsten bietet „Die Insel der Tausend Leuchttürme“ definitiv, was Zamonien-Fans so an Moers als Autor schätzen: Ein mit viel Liebe zum Detail ausgearbeiteter Handlungsort, sehr viel schräger und absurder Humor (allein das Krakenfieken und alles was damit zu tun hat ist herrlich) und nicht minder skurrile Charaktere, von den De-Bong-Drillingen über die diversen Leuchtturmwächter bis hin zu den sonstigen Einwohnern Eydernorns. Besonders interessant ist dieser zehnte Zamonien-Roman auch wegen der Verknüpfung zu den seinen Vorgängern. Mit der Kontinuität hält Moers es ja bekanntlich nicht allzu genau: Wie schon in „Das Labyrinth der träumenden Bücher“ wechselt Hildegunst von Mythenmetz sein Schuppenkleid, von rot zu violett. Das will aber nicht so recht zum „Labyrinth“ passen, das chronologisch nach der „Insel“ spielt, in welchem er sein rotes Schuppenkleid aber erst bekommt. Natürlich wissen wir aus „Ensel und Krete“, dass Mythenmetz ein Meister darin ist, seine eigene Biographie zu fälschen und zu verschleiern, insofern passt das tatsächlich ganz gut. Insgesamt ist „Die Insel der Tausend Leuchttürme“ eine deutliche besser Fortsetzung zu „Die Stadt der träumenden Bücher“ als das „Labyrinth“, nicht zuletzt, da es konzeptionell besser zu den frühen Zamonien-Romanen passt, die oftmals einen Subplot, eine Nebenfigur oder ein ähnlich untergeordnetes Element des Vorgängers ausarbeiteten. So auch hier: In „Die Stadt der träumenden Bücher“ gehört Gryphius von Odenhobler, Autor des „Ritter Hempel“, zu den ersten fiktiven Autoren Zamoniens, die wir kennenlernen. In „Die Insel der Tausend Leuchttürme“ taucht er nun als essentielle Figur auf. Generell haben die vorangegangenen Ereignisse ihre Spuren bei Hildegunst hinterlassen, sodass sich seine Entwicklung wie eine natürliche Weiterführung anfühlt.

Fazit: Mit „Die Insel der Tausend Leuchttürme“ kommt Moers zwar nicht ganz an seine Meisterwerke heran, zeigt aber, dass „Der Bücherdrache“ kein positiver Ausrutscher, sondern Wegbereiter einer Tendenz war. Der zehnte Zamonien-Roman hat zwar ein paar Probleme in der Handlungsentwicklung und der Gestaltung des Finales, weiß aber ansonsten dank seines gelungenen, skurrilen und liebevoll ausgearbeiteten Handlungsortes zu überzeugen. Es muss allerdings gesagt werden, dass „Die Insel der Tausend Leuchttürme“, abseits des letzten Drittels, deutlich weniger abenteuerlich und spannend ist als beispielsweise „Die Stadt der träumenden Bücher“ und eher als Reisebericht in Form eines Briefromans konzipiert ist.

Bildquelle (Copyright: Penguin Random House)

Siehe auch:
Die 13 ½ Leben des Käpt’n Blaubär
Ensel und Krete
Rumo & die Wunder im Dunkeln
Der Bücherdrache

Art of Adaptation: Junji Itos Frankenstein

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Junji Ito gibt sich nicht allzu viel Mühe, die diversen Einflüsse auf seine Mangas, von klassischen japanischen Geistergeschichten bis hin zu den Werken Lovecrafts, zu verschleiern – meines Wissens nach adaptiert er allerdings selten direkt Werke anderer Autoren. Eine der Ausnahmen ist ausgerechnet Mary Shelleys Roman „Frankenstein“, den Ito zumindest vergleichsweise vorlagengetreu umsetzte – jedenfalls deutlich vorlagengetreuer als die meisten Filme es tun. 2019 erhielt für dieses Werk sogar einen Eisner Award. Gerade im Hinblick auf Junji Itos restliches Œuvre ist sein „Frankenstein“ ein relativ interessanter Ausreißer, gerade wegen der Werktreue. Es wäre sicher möglich gewesen, Shelleys Geschichte stärker an die Sensibilitäten des Mangakas anzugleichen. Für gewöhnlich spielen Itos Geschichten im modernen Japan, was schon zu einer deutlichen Diskrepanz führt, denn Ito behält Zeit und Ort des Romans bei, sprich: Europa im frühen 19. Jahrhundert. Eine weitere Diskrepanz findet sich in der Konzeption: Junji Itos Protagonisten sind zumeist sehr passiv und haben selten eine Agenda, ihnen passieren Dinge. Victor Frankenstein hingegen ist alleiniger Auslöser der Ereignisse, sein Drang, Leben zu erschaffen, setzt sämtliche Begebenheiten in Gang.

Im Großen und Ganzen folgt Ito Mary Shelleys Geschichte ziemlich genau und beginnt ebenfalls mit der Rahmenhandlung auf Captain Waltons Schiff. Frankenstein wird halbtot gefunden und erzählt dem Captain seine Geschichte, angefangen bei der Kindheit in Genf über den Tod der Mutter, die Beziehung zu Elisabeth, Henry Clerval, Justine Moritz und William bis hin zum Studium in Ingolstadt unter Professor Waldman. Es folgt das Bedürfnis, Leben zu erschaffen, der tatsächliche Vorgang und das Erwachen der Kreatur. Anschließend folgen wir, ganz wie gewohnt, Frankenstein in die Heimat, wo sein Bruder William ermordet und Justine Moritz beschuldigt wurde. Es kommt zur Konfrontation mit dem eigentlichen Mörder, der Kreatur, und schließlich zur Einwilligung Frankensteins, eine Frau für seine Schöpfung zu basteln. Das Ganze geht schief, das Monster tötet Frankensteins Braut Elisabeth und wird anschließend bis in den Polarkreis gejagt, wo dann die Rahmenhandlung einsetzt. So weit, so gewohnt, wie üblich liegt der Teufel in den Details. Die vielleicht größte Abweichung findet sich bei der Gefährtin für die Kreatur. Im Roman wie im Manga machen sich Victor und Henry Clerval gemeinsam auf die Reise nach Großbritannien, trennen sich dann aber und Victor beginnt alleine, an besagter zweiter Kreatur zu arbeiten, vollendet die Arbeit aber nicht und vernichtet sie, woraufhin die erzürnte Kreatur Henry tötet, der jedoch komplett unwissend bleibt. Im Manga hingegen kommt Henry seinem Freund auf die Spur, als dieser Leichenteile stiehlt. Victor gesteht ihm alles was geschehen ist, woraufhin Henry ihm sogar dabei hilft, sein Werk zu vollenden. Der Prozess gelingt – offenbar konnte auch Junji Ito sich der Sogwirkung des Universal-Klassikers „Bride of Frankenstein“ nicht entziehen, denn auch er lässt die „Braut“ erwachen und das ursprüngliche Monster zurückweisen, ganz so, wie es im Film geschieht. Es kommt zum Desaster, anders als die Boris-Karloff-Version der Figur gibt die Kreatur Frankenstein die Schuld, Henry Clerval stirbt ebenfalls und Ito kehrt quasi wieder zur Handlung des Romans zurück.

Generell interpretiert Ito die Kreatur deutlich negativer als die meisten anderen Adaptionen – oder gar der Roman selbst. Das beginnt bei der visuellen Gestaltung, denn hier lebt er sein Faible für grotesken Body-Horror aus. Itos Kreatur hat wirklich kaum Ähnlichkeit mit Boris Karloff und seinem viereckigen Schädel, aber auch die Beschreibung des Romans will nicht so recht mit seinem Design übereinstimmen. Zum einen ist die Kreatur wirklich absurd groß und zum anderen geprägt von den vielen verstörenden und ekligen Details, die Ito zu einem großartigen Horror-Künstler machen. Oft sind es bei seinen Wesen die Augen, die für den Terror verantwortlich sind – so auch hier. Die Handlungsänderung bei der Erschaffung der Braut sorgt zusätzlich dafür, dass die Kreatur an Sympathie verliert. Wo ihr Zorn im Roman durchaus als berechtigt wahrgenommen werden mag – schließlich bricht Frankenstein sein Versprechen – tötet sie hier die „Braut“ selbst, weil diese sie zurückweist, um anschließend Frankenstein die Schuld zu geben. Zudem ist der Umstand, dass die Kreatur Justine Moritz‘ Kopf zur Vollendung der „Braut“ beisteuert, eine zusätzliche Grausamkeit.

Eine weitere subtile Änderung findet sich am Ende: Als Frankenstein im Roman stirbt, kommt die Kreatur an Bord, schnappt sich den Leichnam und verschwindet mit ihm. Junji Ito lässt die die Kreatur hingegen nur aus der Ferne klagen, dass ihr Schöpfer nun von ihr gegangen ist. Wo im Roman ein gewisses Maß an Vergebung und sogar Kameradschaft impliziert wird, wirkt die Kreatur im Manga eher anklagend und geht ihrem finalen Schicksal schließlich alleine entgegen. Visuell ist Junji Itos „Frankenstein“ nach seinen Maßstäben relativ konventionell aufgebaut, sieht man von den oben beschriebenen Diskrepanzen ab. Itos filigraner Stil passt aber auch durchaus gut zu einer im Europa des 19. Jahrhunderts angesiedelten Geschichte. Und obwohl Frankenstein hier durchweg sehr jung erscheint, könnte man doch hin und wieder meinen, eine Spur Peter Cushings in seinen Zügen zu erkennen.

Fazit: Junji Ito kann auch „europäischen“ Horror. Seine Adaption von Mary Shelleys Frankenstein entspricht den hohen Qualitätsstandard des Mangaka und fällt im Großen und Ganzen auch ziemlich vorlagengetreu aus. Allerdings ist Itos Version von Frankensteins Monster nicht nur eine der furchterregendsten, sondern auch eine der negativsten Interpretationen.

Bildquelle

Siehe auch:
Uzumaki: Spiral Into Horror
Hellstar Remina
Art of Adaptation: Frankenstein – Mary Shelleys Roman
Art of Adaptation: Universals Frankenstein
Art of Adaptation: Bride of Frankenstein
Art of Adaptation: Georges Bess’ Frankenstein

Poor Things

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Story: Max McCandles (Ramy Youssef) wird zum neuen Assistenten des exzentrischen Wissenschaftlers Godwin Baxter (Willem Dafoe) und lernt dabei auch sein Mündel Bella (Emma Stone) kennen. Bella besitzt zwar den Körper einer jungen Frau, scheint mental jedoch eher einem Kleinkind zu entsprechen. Schon bald findet Max heraus weshalb: Godwin Baxter hat das Gehirn eines Kleinkindes in den Körper seiner toten Mutter verpflanzt. Trotzdem fühlt sich Max zu Bella hingezogen, diese macht sich allerdings lieber mit dem Lebemann Duncan Wedderburn (Mark Ruffalo) auf, die Welt und sich selbst zu erforschen…

Kritik: Unglaublich, aber wahr: „Poor Things“ ist mein erster Film von Yorgos Lanthimos, ein Film, den ich leider im Kino verpasst habe, nicht zuletzt deshalb, weil O-Ton-Aufführungen recht rar waren. Aber im Streaming-Zeitalter ist das selten lange ein Hindernis – wie so häufig dauerte es nicht lange, bis „Poor Things“ auf einem der einschlägigen Dienste ganz bequem anschaubar war bzw. immer noch ist. Und natürlich gewann Emma Stone in der Zwischenzeit exakt für diesen Film den Oscar als beste Hauptdarstellerin, was noch für ein zusätzliches Medienecho sorgte. Wie dem auch sei, „Poor Things“ ist zutiefst verstörend, bizarr, absurd und verdammt komisch, ein Film, von dem ich vorher nicht wusste, dass ich ihn brauche, dessen Nötigkeit aber völlig außer Frage steht.

Die Prämisse des Films basiert auf „Frankenstein“, ein Umstand, aus dem Yorgos Lanthimos und Drehbuchautor Tony McNamara kein Geheimnis machen; stattdessen bauen sie immer wieder ebenso offensichtliche wie humorvolle Anspielungen ein. So ist der Anfang des Films in schwarzweiß gehalten und erinnert an die Optik der guten alten Universal-Filme. Und natürlich ist da der von Willem Dafoe grandios dargestellten Wissenschaftler Godwin Baxter, der zwar einerseits das Victor-Frankenstein-Substitut dieses Films ist, andererseits aber visuell mit dem vage eckigen Schädel und den Narben eher an Boris Karloffs Monster erinnert. Die Idee der Selbstbestimmung, die „Poor Things“ dominiert, ist freilich bereits ein zentraler Aspekt von Mary Shelleys Roman und etwas, das auch Frankensteins Kreatur stets anstrebt. Während dieses Element in der ursprünglichen Adaption eher verloren geht, nicht zuletzt durch den Umstand, dass die Kreatur in James Whales Film kaum zur Sprache, geschweige denn zu komplexen Gedanken fähig ist, kehrt es doch in „Bride of Frankenstein“ zurück. Gewissermaßen beginnt „Poor Things“ dort, wo „Bride for Frankenstein“ endet: Die titelgebende „Braut“ sagt sich von ihren Schöpfern bzw. den Männern, die ihr Schicksal bestimmen wollen, los. Ähnlich handelt auch Bella, die sich weder von Godwin Baxter, noch Max McCandles kontrollieren lassen möchte. Auch Duncan Wedderburn muss das bald feststellen. Während allerdings die beiden Erstgenannten in der Lage sind, dazuzulernen, verzweifelt Duncan an ihrer Selbstbestimmtheit.

Stilistisch erschafft Yorgos Lanthimos hier eine ähnlich artifizielle und überhöhte Welt wie Wes Anderson, allerdings weniger geprägt von Symmetrie und Puppenhausästhetik. Stattdessen aalt sich „Poor Things“ in seiner Bizarrheit. Die Ästhetik des Films spiegelt zugleich auch stets Bellas aktuelle Entwicklung, von den Frankenstein-artigen Ursprüngen über ihre Zeit mit Duncan bis hin zur Arbeit im Bordell, verbunden mit der Entdeckung des Sozialismus. Bella steht eindeutig im Vordergrund, auch wenn der Film seinen Zuschauern kurz vorgaukelt, dass Max der Protagonist ist. Durch seine Augen lernen wir Bella kennen und erfahren, was es mit ihr auf sich hat. Danach tritt er allerdings rasch in den Hintergrund. Gerade schauspielerisch weiß „Poor Things“ zudem vollauf zu überzeugen – der Oscar für Emma Stone ist vollauf gerechtfertigt, bringt sie hier doch wirklich vollen Einsatz, ist sich für nichts zu schade und beweist auch noch exzellentes komödiantisches Timing. Kaum weniger lässt sich über die anderen Darsteller sagen. Vor allem herausragend ist Mark Ruffalo, der erfolgreich gegen seine Bruce-Banner-Rolle anspielt und dessen langsamer Verfall vom eloquenten Lebemann zum mental zerrütteten Wrack absolut überzeugend ist. Mein nicht so heimlicher Favorit ist allerdings Willem Dafoes Godwin Baxter, der über den Verlauf des Films immer wieder ebenso verstörende wie zum Schreien komische Details aus seiner Vergangenheit enthüllt. An dieser Stelle noch eine Warnung: „Poor Things“ verfügt nicht nur über einige sehr explizite Sexszenen, die schon allein aufgrund von Bellas Zustand als problematisch wahrgenommen werden könnten, sondern auch über einen sehr speziellen, absurden, tiefschwarzen und bizarren Humor, der sicher nicht für alle geeignet ist.

Fazit: „Poor Things“ ist definitive eines der filmischen Highlights des Jahres 2024, eine bizarre und urkomische Variation auf „Frankenstein“ mit einem belendend aufgelegten Cast, die sich mir dem Thema weibliche Selbstbestimmung befasst.

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Trailer

Siehe auch:
Art of Adaptation: Frankenstein – Mary Shelleys Roman
Art of Adaptation: Universals Frankenstein
Art of Adaptation: Bride of Frankenstein

‘Salem’s Lot

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Stephen King ist einer der, wenn nicht gar DER größte Namen im literarischen Horror-Genre. Da verwundert es kaum, dass sich der chronische Vielschreiber bereits mehrfach und auf unterschiedlichste Art und Weise dem Vampir angenommen hat. Nicht nur spielen untote Blutsauger in seiner Dark-Tower-Saga eine wichtige Rolle, auch in der Fortsetzung von „The Shining“, „Doctor Sleep“, haben die enigmatischen Antagonisten definitiv vampirhafte Züge, wenn auch eher im weiteren Sinne. Seine vampirische Genesis feierte King allerdings bereits 1975 mit seinem zweiten Roman, „‘Salem’s Lot“. Diesen Roman als „Stephen King’s Dracula“ zu bezeichnen geht vielleicht einen Schritt zu weit, aber die Grundprämisse ist durchaus von Stokers Roman abgeleitet: King stellte sich die Frage: „Was wäre, wenn Dracula in der Moderne im kleinstädtischen Amerika auftauchen würde?“ Gerade der literarische Vampir befand sich in den 70ern in einer Ära des Umbruchs, der filmische sollte bald folgen. Im selben Jahr wie „‘Salem’s Lot“ erschien Fred Saberhagens „The Dracula Tape“, nur ein Jahr später ging Anne Rice‘ „Interview with the Vampire“ an den Start – beide sind als Pioniere des sympathischen Vampirs in der Protagonistenrolle zu werten. King hingegen bedient sich des Vampirs als klassisch-böser Antagonist und orientiert sich zumindest in dieser Hinsicht an Stoker. Dennoch ist sein Ansatz deutlich moderner, man ist beinahe gewillt, „‘Salem’s Lot“ als Wegbereiter solcher Filme wie „Fright Night“ oder „The Lost Boys“ zu betrachten: Es geht nicht nur darum, dass Vampir sich in einem modernen, kleinstädtischen Milieu ausbreitet, sondern auch um die Auswirkungen, die das hat. Im Gegensatz dazu beschäftigt sich „Dracula“ nur bedingt oder höchst indirekt mit weiterreichenden, gesellschaftlichen Effekten. Während seines Aufenthalts in England gelingt es dem Grafen lediglich, ein Opfer zu verwandeln, bevor er von seinen Gegnern zum Rückzug gezwungen wird. Alles spielt sich auf der persönlichen Ebene ab. Die Kleinstadt Jerusalem‘s Lot, die als Schauplatz und Namensgeberin von Kings Roman fungiert, wird hingegen vom einfallenden Vampir nachhaltig verändert.

Viele der Elemente, die inzwischen als King-Stereotypen wahrgenommen werden, finden sich bereits in „‘Salem’s Lot“, vor allem das detailliert ausgearbeitete Kleinstadtsetting mit einer Vielzahl an Charakteren. Rückblickend betrachtet wirkt Jerusalem‘s Lot fast wie ein Prototyp für Derry aus „It“. Zwar verfügt „‘Salem’s Lot“, wie so viele King-Romane, über ein breites Panorama an verschiedenen Figuren, Protagonist ist allerdings Ben Mears, der zu Anfang des Romans in seine frühere Heimatstadt zurückkehrt. Auch Ben Mears erweist sich im Kontext von Kings Oeuvre als relativ typisch, besitzt er doch einige Charakterzüge seines Autors, hier primär das Schriftstellertum. Der Umstand, dass Ben Mears zwar mit Jerusalem‘s Lot vertraut, aber zugleich auch ein Neuankömmling ist, sorgt für eine erzählerisch interessante Ausgangslage, denn er macht Mears zu einem Spiegel der antagonistischen Macht, die zeitgleich ankommt. Die Geschichte entfaltet sich dabei sehr langsam: Ben Mears beginnt, sich in seiner alten Heimatstadt wieder einzuleben und plant, ein Buch über das alte Marsten House zu schreiben, das ihn als Kind ziemlich traumatisiert hat. Zu den Einwohnern, die er kennenlernt, gehört unter anderem Susan Norton, mit der er eine Beziehung beginnt. Die ominösen Ereignisse beginnen, als der Antiquitätenhändler Kurt Barlow und sein Geschäftspartner Richard Straker sich in der Stadt niederlassen, um ein Antiquitätengeschäft zu eröffnen. Straker regelt alle geschäftlichen Angelegenheiten, Barlow hingegen sieht man nie. Schon bald beginnen Einwohner der Stadt zu verschwinden, darunter auch Kinder. Hierbei handelt es sich freilich nur um eine extrem knappe Zusammenfassung, da King sich um einen sehr langsamen Spannungsaufbau bemüht und zuerst Einblicke in die Leben der diversen Kleinstadtbewohner gibt, darunter vor allem Mark Petrie, der örtliche Priester Father Callahan und diverse andere. Ähnlich wie Stoker hält auch King seinen Vampir, Kurt Barlow, für lange Zeit aus der Handlung heraus, sodass wir ihn nur durch sein Wirken erleben. Anders als bei Stoker dürfen wir ihn allerdings nicht zu Beginn der Geschichte kennenlernen, so etwas wie Jonathan Harkers Ausflug nach Transsylvanien findet sich hier nicht.

Strukturell erinnert „‘Salem’s Lort“ tatsächlich eher an die ursprüngliche Fassung des Bühnenstücks „Dracula“ von John L. Balderston und Hamilton Deane, das später zur Vorlage des Bela-Lugosi-Filmes werden sollte. Wie in besagtem Stück kommt der Vampir zusammen mit seinem Diener an und trifft auf eine völlig nichtsahnende, örtliche Bevölkerung. Es sei allerdings erwähnt, dass Straker und Renfield abseits ihrer Funktion wenig gemein haben – tatsächlich ist es Straker, der finanziellen Angelegenheiten seines Meisters regelt und zusieht, dass das Marsten House erworben werden kann. Für Insekten hat er nichts übrig. Barlow selbst hingegen ist Dracula sehr ähnlich, wenn auch deutlich älter. Wie bei Stokers Graf handelt es sich auch bei Barlow um einen äußerst bösen Vampir ohne jegliches Element der Tragik. Und ähnlich wie Dracula ist Barlow auch der einzige Vampir der Geschichte, der wirklich selbstständig handeln und Pläne schmieden kann. Seine komplette Nachkommenschaft wird ausschließlich vom Hunger nach Blut angetrieben, was noch an Persönlichkeit vorhanden ist, sind bloße Echos der Menschen, die sie einmal waren – ganz so, wie man es bei Lucy Westenra beobachten kann. In späteren Werken der Dark-Tower-Reihe sollte King an „‘Salem’s Lot“ anknüpfen, Kurt Barlow erneut auftreten lassen und Klassifikationen für seine Vampire einrichten, davon findet sich in diesem Roman allerdings kaum etwas. Barlow und die von ihm verwandelten sind sehr klassische konzipierte Vampire; ganz wie Dracula selbst wird Barlow über den Verlauf des Romans jünger.

Auch darüber hinaus finden sich im Text immer wieder subtile Anspielungen auf „Dracula“, und damit meine ich nicht den Umstand, dass Mark Petrie mit der Bela-Lugosi-Verfilmung vertraut ist oder ähnlich offensichtliche Anspielungen. Oft sind es textliche Parallelen oder Beschreibungen, etwa wenn Ben Mears gezwungen ist, seine geliebte Susan zu pfählen, fühlt man sich stark an Arthur Holmwood und Lucy Westenra in einer ähnlichen Situation erinnert. Thematisch ist „‘Salem’s Lot“ allerdings deutlich anders gelagert. Anhand der Vampire schildert King den langsamen, stetigen Verfall der amerikanischen Kleinstadt, symbolisiert durch die Vampirwerdung so vieler Bewohner. Der Vampir ist dabei nicht einfach nur der Eindringling von außen, das pervertierende Fremde, wie es Dracula war, stattdessen sind die Zeichen des Verfalls bereits zuvor vorhanden – vielleicht sind sie es, die Barlow überhaupt erst nach „‘Salem’s Lot“ ziehen. King nimmt sich hier auf jeden Fall sehr viel Zeit, baut die vielen Charaktere langsam auf. „‘Salem’s Lot“ fühlt sich vor allem zu Anfang nicht unbedingt wie ein Horrorroman an. Man muss durchaus Ausdauer mitbringen. Wie so oft gelingt King der langsame Aufbau allerdings sehr gut, und sofern man nicht von den üblichen Handlungselementen und Stilmitteln genervt ist (dass Mark Petrie in der Schule gemobbt wird, dürfte wohl niemanden verwunden), sind die Charakterisierung und Figureninteraktionen sehr gelungen und arbeiten schön auf den tatsächlichen Horror hin. Mehr noch, King gelingt es, den Schrecken der Vampire anschaulich zu vermitteln, ohne dass es einerseits zu klischeehaft ausfällt, sich andererseits aber auch nicht zu weit vom Kernkonzept entfernt. Das Marsten-House verbreitet zudem klassische Haunted-House-Vibes, die nicht nur sehr willkommen sind, sondern auch einen guten Ersatz für das klassische Vampirschloss bieten, das in „‘Salem’s Lot“ natürlich fehlt. Wenn es einen zentralen Kritikpunkt, dann vielleicht den, dass Frauenfiguren in letzter Konsequenz ausschließlich in die Opferrolle gedrängt werden. Um „Dracula“ zu Vergleichszwecken noch einmal heranzuziehen: Zwar wird Mina nicht zur Actionheldin, ist aber involviert und teil der finalen Operation. Betrachtet man Susan Norton als Gegenstück zu Lucy, dann fehlt ein Mina-Counterpart völlig.

Fazit: Wer eine klassische Vampirgeschichte in modernerem Gewand sucht und kein Problem mit einem langsameren Spannungsaufbau und detaillierter Charakterarbeit hat, sollte „‘Salem’s Lot“ definitiv eine Chance geben. Für King-Fans ist der Roman zweifelsohne Pflichtlektüre, beinhaltet er doch die Genesis vieler Handlungselemente und Stilmittel, die er im Verlauf seiner Karriere immer wieder verwenden sollte.

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Siehe auch:
Lovecrafts Vermächtnis: Revival
IT
Gerald‘s Game
In the Tall Grass
Geschichte der Vampire: Dracula – Bram Stokers Roman
Geschichte der Vampire: Dracula – Universals Graf
The Dracula Tape

The Legend of the 7 Golden Vampires

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Story: Im Jahr 1804 wird Dracula (John Forbes-Robertson) wird von dem taoistischen Mönch Kah (Chan Shen) aus seinem Schlaf erweckt. Dieser bittet den Grafen, den legendären sieben goldenen Vampiren in seiner chinesischen Heimat zu neuer Macht zu verhelfen. Dracula stimmt zu, nimmt zu diesem Zweck allerdings Kahs Körper in Besitz. 100 Jahre später wird Professor Van Helsing (Peter Cushing), der in Chongqing gerade eine Vorlesung hält, auf die Angelegenheit aufmerksam. Zusammen mit Hsi Ching (David Chiang), dessen Vater es gelungen ist, einen der goldenen Vampire zu töten, sowie dessen Geschwistern begibt sich Van Helsing auf die Suche nach den Blutsaugern…

Kritik: Während die Hammer Studios in den 60ern ihre größten Erfolge feierten, ging es in den 70ern schnell bergab, nicht zuletzt bedingt durch die Konkurrenz. Filme wie „The Exorcist“ (1973) oder „The Texas Chainsaw Massacre“ (1974) etablierten neue Formen des Horrors, gegen die die Hammer-Filme mit ihrem Fokus auf klassische Filmmonster oft altbacken wirkten. Hammer versuchte immer wieder, die Formel zu revitalisieren und frisch zu halten, zumeist aber mit wenig Erfolg – ein Blick auf die letzten drei Dracula-Filme des britischen Studios ist hier sehr aufschlussreich. „Dracula A.D. 1972“ ist noch ein relativ klassischer Hammer-Film, der einfach nur in der Moderne spielt, während „The Satanic Rites of Dracula“ sich eher wie ein (ziemlich langweiliger) Agententhriller anfühlt. Mit „The Legend of the 7 Golden Vampires“ versuchte Hammer, sich die aktuelle Beliebtheit von Martial-Arts-Filmen zunutze zu machen. Also schicken Hammer-Veteran Roy Ward Baker und Chang Cheh, der sich um die Action-Szenen kümmerte, den Grafen nach China. Dass Christopher Lee für dieses Unterfangen nicht gewonnen werden konnte, dürfte wohl kaum überraschen, besonders, da er bereits für „The Satanic Rites of Dracula“ kein gutes Wort übrig hatte. An seiner statt spielt John Forbes-Robertson den Grafen – da Dracula die meiste Zeit jedoch im Körper des chinesischen Mönchs Kah unterwegs ist, hat Forbes-Robertson kaum Gelegenheit, mehr als eine schlechte Lee-Imitation mit deutlich zu viel Make-up abzuliefern. Immerhin gelang es Hammer, Peter Cushing ein letztes Mal als Draculas Nemesis Van Helsing zu gewinnen. Wie üblich ist Cushing mit vollem Einsatz dabei und zudem der primäre Grund, sich diesen Film überhaupt anzusehen.

Trotz der Präsenz Van Helsings hat „The Legend of the 7 Golden Vampires“ so gut wie nichts mit den vorherigen Dracula-Filmen des Studios zu tun und passt weder zur ursprünglichen Reihe, noch zu der mit „Dracula A.D. 1972“ neugestarteten zweiten Kontinuität. Nicht mal auf die interne Kontinuität achtet Drehbuchautor Don Houghton: 1804 begibt sich Dracula nach China und bleibt dort 100 Jahre, noch dazu im Körper eines anderen, aber trotzdem hatte Van Helsing irgendwann vor Beginn des Films eine Auseinandersetzung mit dem Grafen in Transsylvanien – das will nicht so recht zusammenpassen. Die titelgebenden sieben goldenen Vampire sind leider weit davon entfernt, in irgendeiner Form interessante Charaktere zu sein; oder überhaupt Charaktere. Sie sind lediglich entstellte, stumme und blutsaugende Kampfmaschinen mit goldenen Masken und eher zweifelhaftem Make-up, die primär als Grund für diverse, ausgedehnte Martial-Arts-Szenen fungieren. Dracula selbst wird am Ende verhältnismäßig unspektakulär durch simples Aufspießen abserviert. Welch ein Kontrast zum ersten Dracula-Film von Hammer mit seiner aufregenden Verfolgungsjagd durch das Schloss des Grafen.

Dennoch muss man „The Legend of the 7 Golden Vampires” wohl zugute halten, dass er immerhin nicht so langweilig ist wie „The Satanic Rites of Dracula“. Zugleich gelingt es diesem letzten Hammer-Dracula allerdings auch selten, wirkliche Atmosphäre zu entfalten, der typische Hammer-Stil will einfach nicht wirklich zu Martial Arts passen. Zudem ist das Fehlen der grandiosen Dynamik zwischen Lee und Cushing überdeutlich spürbar. Nach so vielen Filmen mit Lee als Hammers Vampirgraf – in immerhin drei davon konnte er sich mit Cushings Van Helsing messen – ist sein Fehlen ein Manko, das sich einfach nicht ausgleichen lässt. Immerhin Komponist James Bernard tut was er kann, um John Forbes-Robertson bzw. Chan Shen als Dracula zu etablieren, indem er Gebrauch von seinem klassischen Dracula-Motiv aus dem Film von 1958 macht.

Fazit: „The Legend of the 7 Golden Vampires” ist ein geradezu tragischer Abschluss der umfangreichsten Dracula-Serie der Filmgeschichte. Trotz der Präsenz Peter Cushings und James Bernards gelingt es dem Film weder, an alte Erfolge anzuknüpfen, noch wirklich neue Akzente zu setzen, auch wenn er sich verzweifelt darum bemüht.

Trailer

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Siehe auch:
Geschichte der Vampire: Dracula – Hammers Graf
The Brides of Dracula
Dracula: Prince of Darkness
Dracula Has Risen from the Grave
Taste the Blood of Dracula
Scars of Dracula
Dracula A.D. 1972
The Satanic Rites of Dracula

Dune: Part Two – Ausführliche Rezension

Spoiler!

Wir sind zurück in der Wüste. Während „Dune: Part One“ unter verhältnismäßig schlechten Vorzeichen startete (Pandemie, gleichzeitige Veröffentlichung auf HBO Max etc.), trifft das auf „Dune: Part Two“ nicht zu. Und siehe da, bereits am ersten Wochenende hat das Sequel doppelt so viel eingespielt wie der Vorgänger im selben Zeitraum, Tendenz steigend. Auch die Kritiken überschlagen sich regelrecht. Ist „Dune: Part Two“ das „Empire Strikes Back“ dieser Filmreihe, wie Chris Nolan meint? Könnte eine potentielle Dune-Trilogie DAS filmische Epos der 2020er werden, wie es die LotR-Trilogie in den Nuller-Jahren war? Mal schauen, ob wir darauf eine Antwort finden…

Handlung
Nachdem die Harkonnen Arrakeen, die Hauptstadt des Wüstenplaneten Arrakis, erfolgreich erobert haben, mussten Paul Atreides (Timothée Chalamet) und seine Mutter Lady Jessica (Rebecca Ferguson) in die Wüste fliehen, wo sie nun von den Fremen zumindest vorläufig akzeptiert werden. Während Paul der jungen Fremen Chani (Zendaya), die er bereits auf Caladan in Visionen sah, näherkommt, beginnen immer mehr Fremen, in Paul den Lisan al-Gaib, ihren Messias zu sehen. Besonders Stilgar (Javier Bardem) scheint diesem Glauben anzuhängen. Ihm gelingt es außerdem, Lady Jessica dazu zu überreden, die neue „Ehrwürdige Mutter“ der Fremen zu werden, da die ihre Vorgängerin im Sterben liegt. Jessica trinkt das Wasser des Lebens, was zur Folge hat, dass ihre ungeborene Tochter bereits im Mutterleib zu vollem Bewusstsein gelangt. Paul will derweil nicht allzu viel von seiner potentiellen Bestimmung als Messias wissen, hat er doch in Visionen gesehen, dass er einen gewaltigen Krieg mit unzähligen Toten entfesseln wird. Stattdessen will er „nur“ an der Seite der Fremen gegen die Harkonnen kämpfen und ihre Lebensart erlernen. Und tatsächlich führen Paul und die Fremen erfolgreiche Angriffe auf und bringen die Spice-Produktion in Verzug. Das hat Folgen für Glossu Rabban (Dave Bautista), Neffe des Baron Harkonnen (Stellan Skarsgård) und aktueller Verwalter von Arrakis: An seiner Statt soll nun Feyd-Rautha (Austin Butler), Rabbans jüngerer Bruder, die Dinge auf Arrakis richten. Paul und die Fremen gehen in ihrer Offensive derweil immer weiter, Paul schickt gar eine Nachricht an den Imperator (Christopher Walken), um diesen nach Arrakis zu locken. Nachdem er auch er das Wasser des Lebens getrunken hat, beginnt er sich in seine messianische Rolle zu fügen und bereitet sich mit seinem Gefolge auf den finalen Angriff vor…

Art of Adaptation
An der Handlungszusammenfassung zeigt sich: Denis Villeneuve und Jon Spaihts, der mit Villeneuve zusammen das Drehbuch verfasste, machen keine Gefangenen. Zwar ist Prinzessin Irulan (Florence Pugh) am Anfang des Films so freundlich, einige Elemente des ersten Teils kurz zusammenzufassen, aber davon abgesehen geht Villeneuve davon aus, dass sein Publikum den ersten Film nicht nur gesehen, sondern fast schon verinnerlicht hat, denn allzu viel erklärt wird nicht mehr. Zugegeben, wer sich einen „Part Two“ anschaut, ohne „Part One“ gesehen zu haben, ist selbst schuld. Gerade das Worldbuilding, die Erschaffung der Welt Frank Herberts, war schließlich einer der Gründe, weshalb sich Villeneuve dafür entschied, den Roman in zwei Teilen zu verfilmen. Nachdem die Exposition, die Etablierung der Fraktionen etc. in Teil 1 abgehandelt wurde, kann er sich voll auf die Handlung, die Figuren und die Themen konzentrieren. Dass trotz der Zweiteilung gewisse Abstriche gemacht werden müssen, sollte trotzdem klar sein. Im Roman erforscht Herbert die Kultur der Fremen beispielsweise in noch deutlich größerem Ausmaß, während der Film diesbezüglich verhältnismäßig oberflächlich bleibt – derartige Auslassungen waren durchaus zu erwarten und überraschen nicht. Einig der anderen Änderungen stellen allerdings durchaus tiefergehende Einschnitte dar. Am markantesten fällt die zeitliche Abweichung aus. Bei Herbert leben Paul und Jessica gut zwei Jahre bei den Fremen, nicht nur kommt Pauls Schwester Alia in dieser Zeit zur Welt, um im Finale den Baron höchstpersönlich zu töten, Paul selbst hat einen Sohn mit Chani, der das Ende des Romans allerdings nicht überlebt. Im Film hingegen sind es weniger als neun Monate, da sich Alia am Ende des Films nach wie vor im Mutterleib befindet. Dementsprechend fällt auch Pauls Sohn der Schere zum Opfer.

Auch im Figurenbereich finden sich einige Änderungen, manche davon bereits in „Part One“ etabliert. Generell scheint mir, dass Denis Villeneuve für die Antagonisten der Geschichte nicht allzu viel übrig hat. Gerade Vladimir Harkonnen ist im Roman sowohl deutlich präsenter als auch extrovertierter mit einer Vorliebe für große Ansprachen; zudem gibt er sich bei all seiner Grausamkeit und seinem Sadismus sehr jovial. Villeneuve und Darsteller Stellan Skarsgård gestalten „ihren“ Baron hingegen deutlich mysteriöser, enigmatischer und wortkarger – explizites Vorbild ist Colonel Kurtz aus „Apocalpyse Now“. Zudem kürzen sie des Barons unangenehme Tendenz zur Pädophilie, ließen aber auch seine Motivation größtenteils im Dunkeln. Feyd-Rautha wurde im ersten Film völlig ausgespart, bekommt nun aber etwas mehr Zeit gewidmet als sein Onkel, nicht zuletzt bedingt durch seine Einführung in der Gladiatorenarena von Giedi Prime. Allerdings beschleicht mich der Verdacht, dass es Villeneuve hier weniger um den Charakter als vielmehr um die Optik geht, was man ihm allerdings kaum verübeln kann, ist besagte Szene doch visuell eine der imposantesten des Films. Feyd-Rautha ist in jedem Fall der prominenteste Harkonnen-Charakter und fungiert, ganz wie im Roman, als finsteres Spiegelbild Pauls – auch er ist Ergebnis des Bene-Gesserit-Zuchtprogramms, auch er muss sich dem Gom-Jabbar-Test unterziehen und zudem plant Baron Harkonnen, ihn mit Prinzessin Irulan zu verheiraten. Immerhin ist die Filminkarnation trotz ihres psychotischen Verhaltens etwas ehrenvoller als das Buchgegenstück und weiß einen guten und fairen Kampf zu schätzen. Eine amüsante Beobachtung nebenbei: Sowohl in David Lynchs Versions der Geschichte als auch in den beiden Villeneuve-Filmen haben die Harkonnen immer einheitliche Frisuren, bei Lynch sind sie alle rothaarig und bei Villeneuve kahl. Ironischerweise ist Feyd-Rautha der Einzige der Harkonnen, dessen Haare im Roman beschrieben werden, dort ist er weder ein Rotschopf noch ein Glatzkopf, sondern dunkelhaarig.

Ganz ähnlich wie den Harkonnen ergeht es auch dem Padishah-Imperator Shaddam Corrino IV. Der von Christopher Walken gespielte Herrscher des bekannten Universums bekommt kaum Leinwandzeit, um als Charakter definiert zu werden und agiert quasi ausschließlich als zu beseitigende Instanz. Zudem finde ich, dass Villeneuve sich hier so ziemlich den einzigen Patzer beim Casting erlaubt hat. Nichts gegen Christopher Walken, aber in dieser Rolle funktioniert er für mich einfach nicht. Es sollte vielleicht noch erwähnt werden, dass der Imperator zwar ähnlich alt wie Walken ist, aber durch Spice-Konsum deutlich jünger aussieht. Auch Shaddams Tochter Irulan wird in ihrer Rolle reduziert, zwar kommt sie im Roman ähnlich häufig vor wie im Film, allerdings ist fast jedem Kapitel ein Zitat ihres Geschichtswerks vorangestellt, sodass sie von Anfang an eine gewisse Präsenz erhält, lange bevor man sie als Leser tatsächlich „trifft“. An ihrer statt darf, vor allem zu Beginn des ersten Films, Chani die Rolle der Erzählerin einnehmen. Und damit wären wir auch schon bei der größten Charakteränderung, denn im Roman kommt von Chani keine Opposition bezüglich Pauls Rolle als Messias und sie macht sich am Ende auch nicht auf eigene Faust auf den Weg. Nebenbei bemerkt: Das könnte Zendayas bisher beste Performance sein. Ebenso ist die Teilung in nördliche und südliche Fremen, wobei Letztere äußerst fundamentalistisch sind, ein Element, das sich bei Herbert nicht findet.

Totale Immersion
Immersion in die erzählte Welt von „Dune“ scheint Denis Villeneuves oberstes Ziel zu sein. Man ist fast geneigt, Richard Wagners Begriff des „Gesamtkunstwerks“ heranzuziehen. Diese Immersionsbestrebungen lassen sich in jedem von Villeneuves Sci-Fi-Filmen feststellen und erfahren von Film zu Film eine Steigerung. Bei „Dune: Part Two“ haben sie ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht. Jeder Aspekt, vom Produktionsdesign, den Kostümen, den Sets, den visuellen Effekten, dem Sounddesign und natürlich der Musik (hierzu später mehr) arbeiten auf dieses Zielt hin. Ein besonders essentieller Aspekt dabei ist die Gestaltung der Planeten. Die beiden Dune-Filme zeigen, etwa im Vergleich zum typischen Star-Wars-Film, relativ wenig unterschiedliche Planeten, neben dem titelgebenden Wüstenplaneten sind das primär Caladan im ersten Film und Giedi Prime, aber diese sind derart distinktiv, dass man augenblicklich weiß, wo man sich befindet. Gerade Star Wars könnte sich diesbezüglich eine ordentliche Scheibe abschneiden. In „Ahsoka“ wird erstmals mit Peridea ein außergalaktischer Planet gezeigt, der aber alles in allem ziemlich langweilig ausfällt und sich kaum von Planeten in der regulären Star-Wars-Galaxie unterscheidet. Im Vergleich dazu wirkt Giedi Prime, von dem es im ersten Film nur einen sehr flüchtigen Eindruck gab, mit der durch die andersartige Sonne des Planeten ausgelösten Schwarz-Weiß-Optik fremdartig und verstörend. Zudem dient die Optik ihrer Welt dazu, den Baron und die Seinen weiter zu charakterisieren. Der Planet ist zugleich Spiegelung als auch Ursache des mentalen Zustands der Harkonnen.

Dennoch verkommt „Dune: Part Two“ nie zu „style over substance“, da die visuellen Aspekte und die Immersionsbemühungen stets dazu dienen, die Geschichte zu erzählen und die Themen zu verdeutlichen. Die von Frank Herbert geschilderte Welt ist komplex und voller fremdartiger, erklärungsbedürftiger Konzepte. In „Dune: Part One“ spürte man ein wenig, wie der Regisseur damit haderte, einerseits die Welt des Films zu erklären, das Ganze aber andererseits nicht zu expositionslastig zu gestalten. Nachdem „Part One“ die Vorarbeit geleistet hat, kann Villeneuve viele dieser Elemente auf die visuelle Ebene verschieben. Das fällt oftmals nicht allzu subtil aus – der immer restriktiver werdende Kopfschmuck von Prinzessin Irulan zeigt relativ eindeutig, dass sie eine Gefangene ihrer Stellung ist, ohne dass das im Dialog breitgetreten werden müsste. In der finalen Szene des Films trägt sie gar etwas, das an eine filigrane und sehr teure Version der Hannibal-Lecter-Maske erinnert, was einen Ausblick auf ihre Zukunft als Ehefrau von Paul Atreides gibt. Dennoch: Es funktioniert und befreit Villeneuve, der ohnehin kein Freund von Dialogen ist, davon, noch mehr zu erklären als unbedingt nötig ist.

Der Erfolg dieses Konzepts – der Erfolg von „Dune: Part Two“ – untermauert nur noch einmal die aktuell überdeutliche Tendenz: Das Kinopublikum ist wählerisch geworden und lässt sich nicht mehr von Filmen überzeugen, die von Komitees glattgebügelt und auf den kleinsten gemeinsamen Nenner reduziert wurden. Die großen erfolgreichen Filme dieses und des letzten Jahres wie „Barbie“, „Oppenheimer“ oder eben „Dune: Part Two“ sind Filme, die von der Handschrift des Regisseurs geprägt sind und die einer Vision folgen. Der eine MCU-Film des Jahres 2023, der nicht floppte, war „Guardians of the Galaxy Vol. 3“, bei dem James Gunn mehr oder weniger machen konnte, was er wollte und der aus diesem Grund von den Manierismen des Regisseurs noch deutlicher geprägt ist als die ersten beiden Guardians-Filme. Derweil erleiden Filme, die von Studio- und Produzenteneinmischung nachhaltig geprägt sind oder nur aus Lizenzgründen gedreht wurden, massiv Schiffbruch – Sonys „Madame Web“ ist nur das jüngste Beispiel. Ich persönliche begrüße diesen Trend und hoffe, dass die Studios endlich einmal die richtige Lehre aus den Flops der letzten Jahre ziehen.

The Chosen One
Es soll Menschen geben, die Paul Verhoevens „Starship Troopers“ immer noch für faschistische Propaganda statt für eine subversive Satire halten. Ebenso gibt es Leser und Zuschauer, die glauben, bei Paul Atreides handle es sich um eine typische Außererwählten-Erzählung, die die Stationen der Campbell’schen Heldenreise brav abarbeitet. Diese Auslegung seines Romans machte bereits Herbert ziemlich wütend und ist der primäre Grund dafür, weshalb er überhaupt die Fortsetzung „Dune Messiah“ schrieb, in der er, für alle, denen der erste Dune-Roman zu subtil war, überdeutlich machte, dass der Kwisatz Haderach eben kein strahlender Held, sondern ein Antiheld ist, der das Blut von Milliarden an den Händen hat. Charismatischen Anführern im Allgemeinen und dem Messias-Konzept im Besonderen stand Herbert sehr kritisch, wenn nicht gar ablehnend gegenüber. Dieser Aspekt war in „Dune: Part One“ definitiv schon vorhanden, Villeneuve arbeitet ihn im Sequel allerdings noch einmal weitaus deutlicher hervor und bringt bereits diverse Elemente aus „Dune Messiah“ mit ein, nicht zuletzt durch die Veränderung von Chanis Charakter. Aber auch die Art und Weise, wie Paul sich den Glauben bzw. den Fundamentalismus der Fremen zu nutze macht und ihn weiter anstachelt, spricht eine eindeutige Sprache. „Dune: Part Two“ zeigt, nicht zuletzt dank Timothée Chalamets exzellentem Spiel, die faszinierende Charakterentwicklung eines jungen Mannes vom unwilligen Messias zum rücksichtslosen Kriegsführer und Herrscher.

Die eng mit der Außerwählten-Thematik verknüpften religiösen Elemente in „Dune“ sprechen diesbezüglich ebenfalls eine relativ eindeutige Sprache. Allgemein spielt Religion eine sehr wichtige Rolle, wobei es weniger um tatsächlich Theologie, Mythologie oder sonstige religiöse Inhalte geht. Stattdessen findet die Auseinandersetzung auf einer stärker abstrahierten, systemischen Ebene ab. Aus dem ersten Dune-Roman, speziell einem der Anhänge, erfahren wir, dass sich diverse Glaubenssysteme der Erde wild miteinander vermischt und dann wieder aufgespalten haben, Beispiele sind etwa der Buddislam oder das Navachristentum. Der zentrale religiöse Text des Imperiums ist die Orange-Katholische Bibel, die eine weitere Vermischung impliziert: In Irland ist Orange die Farbe der Protestanten, also handelt es sich theoretisch hierbei um eine protestantisch-katholische Bibel. Das alles ist aber verhältnismäßig irrelevant und eher Dekoration, weshalb Villeneuve sich damit gar nicht groß befasst. Viel wichtiger ist die Art und Weise, wie Religion als Machtinstrument benutzt wird. Die Bene Gesserit sind die Hauptverantwortlichen, schleusen ihre Agentinnen überall ein, verheiraten sie mit mächtigen und einflussreichen Adeligen und schmieden weitere Ehebündnisse, um mit einem Jahrhunderte andauernden Zuchtprogramm ihren Messias, den Kwisatz Haderach, zu erschaffen. Zudem beeinflussen die Bene Gesserit diverse planetare Kulturen, ihre Agentinnen arbeiten überall daran, Messias-Mythen zu verbreiten, etwa das Kommen des Lisan al-Gaib auf Arrakis. Dabei handelt es sich oft um eine Art Notfallplan, auf den die Bene Gesserit zurückgreifen können, sollten sie in Bedrängnis geraten – und genau das ist es ja auch, was Jessica und Paul letzten Endes auf Arrakis tun.

Angesichts der Thematik, Frank Herberts eigener Einstellung und den Änderungen am Finale – von der Rezeption und dem Einspielergebnis gar nicht erst zu sprechen – lautet die Frage nicht, ob ein dritter Film kommt, sondern eher wann. Tatsächlich denke ich, dass diese Anpassungen, die Villeneuve und Spaihts vorgenommen haben, bereits einen Eindruck davon geben, wie sie „Dune Messiah“ adaptieren werden. Der zweite Roman der Reihe (und neben dem Erstling der einzige, den ich bislang gelesen bzw. als Hörbuch konsumiert habe) ist zwar der kürzeste, gilt vielen Fans allerdings auch als der schwächste, mitunter gerade weil er sich eher liest wie eine Art Epilog des Vorgängers. Zudem besteht „Dune Messiah“ gefühlt primär aus Erbfolgekonferenzen, offiziellen wie inoffiziellen, und ist mitunter äußerst trocken. Nach „Dune“ macht die Handlung einen Sprung in die Zukunft, zwölf Jahre, nachdem Paul Muad’Dib die Herrschaft über das Imperium übernommen hat, hat der Dschihad (ein Wort, das die beiden Filme tunlichst vermeiden) der Fremen im Namen des Lisan al-Gaib viele Welten überrannt und viele Milliarden Leben gekostet. Die genauen Abläufe, die Gegner der Fremen etc. bleiben eher vage, allerdings gehören die Sardauker, sich widersetzende große Häuser, übrigbleibende Corrino-Loyalisten sowie sonstige Rebellen und religiöse Abweichler dazu. Am Ende von „Dune: Part Two“ zeichnet sich dieser Krieg bereits ab, zwar hat Paul Shaddam zur Abdankung gezwungen, die großen Häuser wurden vom Baron Harkonnen allerdings hinzugerufen und sind nicht bereit, sich dem Usurpator zu unterwerfen. Diese unmittelbare Bedrohung nach der Thronbesteigung fehlt bei Herbert. Nebenbei bemerkt, neben dem Casting Christopher Walkens und dem antagonistischen Mangel ist mein zweiter Hauptkritikpunkt an diesem Film, dass die finale Schlacht ein wenig zu schnell und einfach abgehandelt wird und sich der Sieg über die Harkonnen- und Corrino-Streitkräfte doch ein wenig zu gefällig anfühlt. Wie dem auch sei, ich denke, Villeneuve wird hier wahrscheinlich abermals einen größeren Zeitsprung vermeiden und den Krieg der Fremen gegen die großen Häuser deutlich aktiver zeigen, als das in „Dune Messiah“ der Fall ist. Dadurch wird die eigentliche Botschaft wahrscheinlich besser vermittelt als durch die Erbfolgekonferenzen des Romans, die bezüglich Visualität und Spektakel einfach nicht allzu viel hergeben.

Wüstenklänge

Der Score von Hans Zimmer und seinem Team spielt bei der immersiven Natur des Films eine wichtige Rolle, lässt mich persönlich aber äußerst zwiegespalten zurück. Es dürfte kaum verwundern, dass Zimmer nahtlos an den Vorgänger anknüpft. Das traditionelle Orchester ist so gut wie völlig abwesend, stattdessen bedient er sich vieler elektronischer und synthetischer Elemente, kombiniert mit diversen, oft ethnischen Soloinstrumenten wie dem Duduk, Frauenchören und, interessanterweise, einer erhöhten Präsenz der E-Gitarre. Ähnlich wie Chris Nolan gehört auch Denis Villeneuve zu den Regisseuren, die es bevorzugen, wenn die Filmmusik nicht allzu musikalisch klingt, sondern oft mit dem Sounddesign verschmilzt, was hier zweifellos der Fall ist. Wie schon „Dune: Part One“ verfügt auch „Dune: Part Two“ über eine völlig einnehmende Soundpalette, die einen mit tiefen Bässen regelrecht in den Kinosessel presst und die Immersion so fast perfektioniert. Allerdings ist der Score meinem Empfinden nach deutlich weniger innovativ, als viele ihn wahrnehmen. In vielerlei Hinsicht entspricht er genau der musikalischen Ästhetik, die Zimmer in den 2010er-Jahren immer weiter ausgebaut hat. Wie schon im ersten Teil finden sich auch hier einige wirklich aggressive, an Selbstparodie grenzende Zimmerismen, die die Immersion zumindest für mich dann wieder mindert. Einige der interessantesten Elemente des ersten Teils sind größtenteils verschwunden, dazu gehören unter anderem die aggressiv bellenden Bene-Gesserit-Chöre (weibliche Stimmen sind allerdings nach wie vor ein essentieller Bestandteil) sowie die diegetischen Dudelsäcke des Hauses Atreides. In mancher Hinsicht ist „Dune: Part Two“ allerdings bekömmlicher als sein Vorgänger, was nicht zuletzt am zumindest verhältnismäßig lyrischen und melodischen Paul/Chain-Liebesthema liegt, dass sich über den Verlauf entwickelt. Ebenfalls ordentlich entwickelt wird ein zentrales Motiv, das für mich immer das Kwisatz-Haderach-Thema war, oft aber auch als „Fremen War Cry“ bezeichnet wird. Nicht nur ist es äußerst präsent und gewinnt konstant an Kraft, zum Ende hin mutiert es sogar zum ziemlich rockigen E-Gitarren-Riff. Leider finden sich auch weiterhin längere Passagen, die einfach nur vor sich hindröhnen und schlicht keinen Mehrwert bieten. Lange Rede, kurze Sinn: Der Score von „Dune: Part Two“ fällt in etwa so aus, wie ich erwartet hatte. Im Film ist er meistens sehr effektiv, mitunter etwas nervig, losgelöst von den Bildern aber nicht zu empfehlen und für mich persönlich einfach nicht die Art von Filmscoring, die mich anspricht.

Fazit
Um zur eingangs gestellten Frage zurückzukehren: Ein endgültiges Urteil möchte ich noch nicht fällen, aber die Tendenz geht eindeutig in diese Richtung. Denis Villeneuve zeigte sich sehr geschmeichelt angesichts der Empire-Analogie, ich fühle mich gegenwärtig allerdings eher an „Batman Begins“ und „The Dark Knight“ erinnert. Während der erste Star-Wars-Film ein absoluter Publikumserfolg war, wurde „Batman Begins“ zuerst verhaltener aufgenommen, erst mit „The Dark Knight“ brach der Damm. Das scheint gerade ähnlich zu sein. Ich bin sicher, dass absolute Fans der Vorlage und Herbert-Puristen einiges an „Dune: Part Two“ auszusetzen finden, gerade bezüglich der Änderungen und Auslassungen, mich persönlich haben diese allerdings kaum gestört. „Dune: Part Two“ ist eine beeindruckende Errungenschaft, einer der immersivsten Filme der letzten Jahre, der seinen Vorgänger noch übertrifft, aber seine volle Wirkung nur mit diesem zusammen entfaltet. Den Widersachern der Atreides hätte etwas mehr Leinwandzeit gutgetan, Christopher Walken will als Imperator nicht so recht funktionieren und der Ausgang der finalen Schlacht ist ein wenig zu einfach geraten, aber das alles ist Kritik auf allerhöchstem Niveau. Jeder andere Aspekt der Produktion ist vollauf gelungen. Dieser Film sollte unbedingt im Kino erlebt werden.

Siehe auch:
Dune: Part One
Arrival
Blade Runner 2049 – Ausführliche Rezension

Das Soundtrack-Jahr 2023

Wie üblich bin ich weit davon entfernt, auch nur einen angemessenen Bruchteil von dem gehört zu haben, was das Soundtrack-Jahr 2023 in petto hatte. Also geht es wie üblich nach den Komponisten, die mir am meisten zusagen, den Filmen oder Serien, die ich gesehen habe oder der einen oder anderen Zufallsentdeckung. Anders als beim letztjährigen Artikel, als sich Bear McCrearys „The Rings of Power“ schon sehr früh an die Spitze der Liste setzte, war die Reihenfolge dieses Mal weit weniger klar. Wer sich Platz 1 zudem anschaut, wird sich vielleicht wundern, was mit den Star-Wars-Veröffentlichungen geschehen ist, von denen es ja schließlich eine ganze Menge gab – im letzten Jahre wären wohl besonders Kevin Kiners „Ahsoka“, Gordy Haabs „Jedi: Survivor“ oder die dritte Staffel von „The Mandalorian“ (inzwischen mit „Book of Boba Fett“-Komponisten Joseph Shirley am Taktstock, aber natürlich unter Verwendung der Themen von Ludwig Göransson) nennenswert. Nun habe ich an Star-Wars-Musik geringfügig höhere Ansprüche als an andere Scores, und kaum einer der erwähnten hat es geschafft, meine Aufmerksamkeit in dem Maße zu fesseln, wie es selbst bei den Williams-, Giacchino- und Powell-Scores der Disney-Ära der Fall war. Zudem sind die Spiele- und Serien-Scores der letzten Jahre wirklich äußerst umfangreich, was die intensivere Beschäftigung umso aufwändiger macht. Darum habe ich beschlossen (bzw. es hat sich so ergeben), diese Scores vorerst einmal auszuklammern und ihnen vielleicht einen zukünftigen Artikel zu widmen. Das Thema des „Überflusses“ ist eines, das diese Liste ohnehin dominiert: Gerade im Serien- oder Spielebereich werden oft sehr lange oder gar mehrteilige Alben veröffentlicht, was mich durchaus zwiegespalten hinterlässt: Einerseits ist es besser, viel oder gar alles an Musik zu bekommen, statt auf Highlights verzichten zu müssen (man erinnere sich nur an die ursprünglichen LotR-Veröffentlichungen) und die Alben anschließend für den Hörgenuss zu kuratieren, andererseits kostet das enorm viel Zeit – es ist durchaus eine Kunst, ein kompaktes und gut strukturiertes Album zusammenzustellen.

Platz 12: The Fall of the House of Usher (The Newton Brothers)

John Andrew Grush und Taylor Newton Stewart arbeiten regelmäßig mit Mike Flanagan zusammen – so auch an seiner jüngsten Netflix Miniserie „The Fall of the House of Usher“, bei der es sich nicht nur um eine sehr lose Adaption der titelgebenden Geschichte von Edgar Allan Poe handelt – diese fungiert quasi als Rahmen, in dem viele weitere Poe-Storys (abermals sehr lose) umgesetzt werden. Von „The Masque of the Red Death“ über „Goldbug“ bis hin zu „The Pit and the Pendulum“ sind viele der bekannten Geschichten Poes in der einen oder anderen Form vorhanden. Die Musik der Newton Brothers hat bislang eigentlich kaum meine Aufmerksamkeit erweckt, aber für Flanagans Liebeserklärung an Edgar Allan Poe komponierten die beiden, trotz des modernen Settings, einen sehr klassischen, gotischen Score mit einer Extraportion finsterem Grandeur. Und wer meinen Musikgeschmack, speziell meinen Horrorfilm-Musikgeschmack kennt, weiß, dass man mich mit gotisch-opulenten Klängen immer gewinnen kann. Tatsächlich ist „The Fall of the House of Usher“ der erste von drei Scores, die ich dem Subgenre „Gothic Horror“ zuordnen würde. Finster, aber zugleich romantisch, manchmal von lyrischer Schönheit, dann wieder äußerst brutal und wuchtig – what’s not to like?

Platz 11: Avatar: Frontiers of Pandora (Pinar Toprak)

Es ist immer eine interessante Situation, wenn Komponisten in ein Franchise einsteigen, aber nicht die etablierten Themen verwenden dürfen: Drehen sie ihr ganz eigenes Ding oder gleichen sie sich an den Sound des Franchise an? Für das Spiel „Avatar: Frontiers of Pandora“ stand Pinar Toprak vor genau dieser Herausforderung. Und ganz ähnlich wie Richard Jaques bei dem James-Bond-Spiel „Blood Stone“ meisterte sie diese Aufgabe mit Bravour. „Frontiers of Pandora“ ist ganz eindeutig in der von James Horner geschaffenen, klanglichen Welt von „Avatar“ verwurzelt und kommt, ehrlich gesagt, auch ganz gut ohne die von Horner komponierten Themen aus. „Frontiers of Pandora“ ist in keinster Weise schwächer als Simon Frangelns Score zu „Avatar: The Way of Water“ (wobei Franglen den Luxus hatte, die Horner-Themen auch tatsächlich verwenden zu dürfen). Toprak gelingt es ebenfalls, den Score nicht zur reinen Pastiche verkommen zu lassen, sondern dem Sound durchaus einen eigenen Touch zu verleihen. Wer also nicht genug vom Stil von „Avatar“ bekommen kann, erhält auf dem üppigen Album noch einmal zusätzliche zwei Stunden.

Platz 10: Migration (John Powell)

John Powell im extrovertierten Animationsmodus ist immer unterhaltsam – „Migration“ ist da keine Ausnahme. Die üblichen Stilmittel finden sich auch hier: instrumentale Kreativität, Komplexität, ein ebenso hohes wie frenetisches Tempo und natürlich eingängiges melodisches Material. Zweifelsohne ist „Migration“ nicht auf demselben Level wie die „How to Train Your Dragon“-Scores, die man problemlos als Powells Opus Magnum betrachten kann, und wer mit Powells Animationsstil nichts anfangen kann, wird hierdurch sicher auch nicht überzeugt. Für Fans des britischen Komponisten ist „Migration“ allerdings absolut lohnenswert – ein kurzweiliger Gute-Laune-Score, ebenso so spaßig wie unterhaltsam. Während ich den Film selbst nicht gesehen habe und den Trailer nicht unbedingt ansprechend fand, werde ich mir „Migration“ sicher dennoch irgendwann zu Gemüte führen, und sei es nur, um Powells Musik im Kontext erleben zu können.

Platz 9: The Last Voyage of the Demeter (Bear McCreary)

Und der zweite Gothic-Horror-Score der Liste, der zudem noch ein sehr kurzes Album hat, im Gegensatz zu den meisten anderen Einträgen dieses Rankings. Ich schrieb es bereits in meiner Rezension zum Film: Der Soundtrack besticht primär durch ein wirklich eindringliches Hauptthema, das für den zugehörigen Film beinahe zu wuchtig wirkt und eher anmutet, als habe McCreary die vielleicht einmalige Gelegenheit genutzt, dem Fürst der Vampire ein passendes Leitmotiv zu komponieren. Im Score erweist sich das Thema allerdings als äußerst wandelbar und auch für Suspense sehr gut geeignet. Abseits davon finden sich viele von Bear McCrearys typischen Stilmitteln wieder, wenn auch zum Teil deutlich düsterer und dissonanter, als man es vielleicht gewohnt ist. Das Dracula-Thema hat definitiv Potential, sodass zu hoffen ist, dass McCreary doch noch die Gelegenheit bekommt, den Vampirgrafen noch einmal zu vertonen.
Film-Review
Soundtrack-Review

Platz 8: Indiana Jones and the Dial of Destiny (John Williams)

Inzwischen ist John Williams 92 Jahre alt – gemessen daran ist sein Output wirklich beeindruckend, auch und vor allem qualitativ. „Indiana Jones and the Dial of Destiny“ ist sicher kein Score, der zu den absoluten Klassikern des Maestro gehört oder sich ins kollektive Gedächtnis der Filmmusik-Fans einarbeiten wird, aber es ist eine würdige Fortsetzung dieses Franchise, besonders wenn man berücksichtig, dass eigentlich niemand diesen Film wollte. Selbst in diesem hohen Alter hat Williams nichts von seiner absoluten Beherrschung jeder Facette des Orchesters verloren. Interessanterweise hat er für „Indiana Jones and the Dial of Destiny“ die Komplexität, die viele Kompositionen seines „Alterswerks“ auszeichnet, etwas zurückgefahren, sodass der Score noch mehr wie ein Rückgriff auf den John Williams vergangener Zeiten wirkt. Phrasen wie „Vintage-Williams“ machten in einschlägigen Kreisen bereits die Runde. Wie nicht anders zu erwarten kehren diverse Themen, die mit der Filmreihe eng verknüpft sind, mit Bravour zurück, darunter neben dem Raiders-Marsch auch Marion Ravenwoods Leitmotiv. Angereichert werden diese durch neue Nazi-Motive sowie ein Thema für Indys Patentochter Helena, das vage an Reys Thema aus „The Force Awakens“ erinnert. Für Fans des Maestro ist „Indiana Jones and the Dial of Destiny“ ein Wohlfühl-Score – und zudem der beste Ersatz für einen zweiten Tintin-Soundtrack, den wir leider nie bekommen haben.

Platz 7: The Marvels (Laura Karpman)

Laura Karpman entwickelt sich langsam zu einer Marvel-Hauskomponistin. Nachdem sie bislang für die Serien „What If…?“ und „Miss Marvel“ die Musik lieferte, ist „The Marvels“ ihr erster MCU-Leinwandausflug – und was für einer. In Zeiten gleichförmiger, übermäßiger prozessierter und von der Zimmer-Methodologie geprägter Superheldenmusik besticht „The Marvels“ durch Kreativität und durchaus anspruchsvolle und komplexe Kompositionen. Mein größter Kritikpunkt ist der Umstand, dass Karpman ihrem eigenen Miss-Marvel-Thema nur ein kurzes Cameo gewährt und Pinar Topraks Captain-Marvel-Thema überhaupt nicht berücksichtigt. Dreh- und Angelpunkt ist stattdessen das Thema dieser „Marvel-Familie“, das Karpman bereits in der finalen Episode von „Miss Marvel“ anteaserte und das hier nun voll zur Geltung kommt. Stilistisch fügt es sich wunderbar in den Marvel-Kanon ein und weckt vage Erinnerungen an Alan Silvestris Avengers-Thema. Aber auch abseits dieses zentralen Themas weiß „The Marvels“ mit interessanten und kreativen Einfällen zu gefallen, etwa dem überaus beeindruckenden Choreinsatz. Karpmans Score verfügt über ein erstaunliches Ausmaß an komplexer Dissonanz – in manchen Passagen fühlt man sich gar an Elliot Goldenthals Musik erinnert und hin und wieder schwingt auch ein wenig Don Davis mit. Unabhängig vom Misserfolg des Films an den Kinokassen hoffe ich, dass Karpman dem MCU auch in Zukunft erhalten bleibt und an diesen Soundtrack qualitativ und inhaltlich anknüpfen kann.

Platz 6: Doctor Jekyll (Blair Mowat)

Eine Zufallsentdeckung kurz vor der Schlusslinie: „Doctor Jekyll“ ist der dritte Gothic-Horror-Score, und nach dazu die Musik eines Films der revitalisierten Hammer Film Productions. Blair Mowat ist ein Komponist aus Großbritannien, mit dem ich absolut nicht vertraut bin, den man aber definitiv im Auge behalten sollte. Nicht von ungefähr erinnert Mowats Musik, besonders sein Hauptthema mit seiner Mischung aus gotischem Grandeur und Verspieltheit, an Danny Elfmans Musik für diverse Tim-Burton-Filme. „Doctor Jekyll“ ist ein Score, der ordentlich austeilen kann – wenn er loslegt, legt er richtig los. Zugleich wissen aber auch die ruhigeren, lyrischen Momente zu überzeugen – Mowat verlieht seiner Musik ein beeindruckendes Ausmaß an Subtilität und Intimität, vor allem im Mittelteil des Albums. Hinzu kommen ein eingängiges, marschartiges Hauptthema und einige wirklich beeindruckende chorale Ausbrüche. Es ist jedoch die bereits erwähnte Verspieltheit in Kombination mit diesen Elementen, die „Doctor Jekyll“ in meinem Ranking so weit nach oben katapultiert hat.

Platz 5: Dungeons & Dragons: Honour Among Thieves (Lorne Balfe)

Mit Sicherheit einer der vielseitigsten, unterhaltsamsten, aber auch erratischsten Scores dieses Jahres. „Dungeons & Dragons: Honour Among Thieves“ folgt gewissermaßen einem Playlist-Konzept, das ideal zu diesem Film passt, denn der Score erinnert in seinem Aufbau an die Musikauswahl, die ein Spielleiter für eine Pen&Paper-Partie zusammenstellen würde. Dementsprechend finden sich hier moderne Passagen mit dem typischen Remote-Control-Fokus auf tiefe Bässe ebenso wie solche, die an klassische Fantasy á la Howard Shore erinnern, zusätzlich zum liberalen Einsatz keltischer Instrumente, sodass Lorne Balfes Score streckenweise an „How to Train Your Dragon“ erinnert. Die Themen, die Balfe und sein Team für die diversen Figuren geschrieben haben, sind durchaus angemessen und besitzen einen überaus lyrischen Charakter. Die Action-Musik ist in den meisten Fällen ebenfalls sehr unterhaltsam, hin und wieder übertreiben Balfe und Co. es allerdings mit der nachträglichen Manipulation und dem Einsatz von Elektronik. Dennoch ist „Dungeons & Dragons: Honour Among Thieves“ ein klassischer Gute-Laune-Score, der mit seiner Vielseitigkeit und seinem hohen Tempo stets zu unterhalten weiß.
Film-Review
Soundtrack-Review

Platz 4: Creation of the Gods I: Kingdom of Storms (Gordy Haab)

Wenn chinesische Filmstudios große Fantasy- oder Historien-Epen drehen, kommt es immer wieder vor, dass sie sich dafür einen Hollywood-Komponisten arrangieren. So vertonte Christopher Young etwa die beiden „Monkey King“-Filme und Ramin Djawadi komponierte den Soundtrack für „The Great Wall“. „Creation of the Gods I: Kingdom of Storms“ ist der nächste Film dieser illusteren Riege. Für die Musik verantwortlich ist der amerikanische Komponist Gordy Haab – nicht ganz so profiliert wie Young oder Djawadi, aber zumindest im Star-Wars- oder Game-Bereich definitiv kein Unbekannter. Tatsächlich wirkte Haab an den meisten SW-Spielen der Disney-Ära mit, seien es die beiden Battlefront-Spiele, „Star Wars: Squadrons“ oder „Jedi: Fallen Order“ und „Jedi: Survivor“ und bewies im Rahmen dieser Spiele, dass er wirklich sehr gut darin ist, den Williams-Sound einzufangen. Mit „Creation of the Gods I: Kingdom of Storms“ bekommt er nun die Gelegenheit, sich stärker von Williams und den SW-Klängen zu emanzipieren und sein eigenes Epos zu liefern – eine Aufgabe, die er mit Bravour erledigt. Haabs Score scheint in mancher Hinsicht wie auf mich zugeschnitten, nicht nur ist er groß, vielschichtig und bombastisch, der Thematik angemessen vermischt Haab klassisches, westliches Orchester mit chinesischer Instrumentierung, wofür ich bekanntermaßen eine besondere Schwäche habe. Streckenweise klingt der Soundtrack gar wie ein biblisches Epos, das eben in China statt in Israel spielt. Ob ich den zugehörigen Film je ansehen werde weiß ich nicht, aber ich hoffe trotzdem, dass ein „Creation of the Gods II“ kommt, und sei es nur, damit Haab auf der hier geschaffenen Grundlage weiter aufbauen kann.

Platz 3: The Flash (Benjamin Wallfisch)

Es gibt nur wenige Elemente in „The Flash“, die funktionieren, aber Benjamin Wallfischs Score ist definitiv eines davon und passt zudem ideal als „Companion Piece“ zu Danny Elfmans „Justice League“ – bekanntermaßen gehöre ich zu den wenigen, die diesen Soundtrack zu schätzen wissen. Ähnlich wie Elfmans Arbeit für die verachtete Kinofassung ist auch Wallfischs Score eine Art Brückenschlag zwischen klassischer Superheldenmusik á la John Williams und den moderneren Klängen eines Hans Zimmer. Benjamin Wallfisch hat schon häufiger bewiesen, dass er stilistisch äußerst vielseitig ist, nicht nur arbeitete er bereits mehrfach mit Zimmer zusammen, er zeigte mit „Shazam!“ auch, dass er wunderbar in der Lage ist, Old-School-Superheldenmusik zu schreiben. Das alles kulminiert in „The Flash“ – vor allem im ersten Drittel hört man häufig von Zimmer inspirierte und von Ostinati dominierte, wummernde Action-Musik, genauso oft suhlt sich Wallfisch aber auch in heroischen Fanfaren und Blechbläserfiguren, die nicht nur an Williams, sondern z.T. auch an Don Davis erinnern. Natürlich spielt Elfmans Batman-Thema eine überaus wichtige Rolle, wobei sich Wallfisch bemüht, diesem Klassiker stets neue Seiten abzugewinnen. „The Flash“ strotzt nur so vor stilistischen und leitmotivischen Anspielungen – lediglich das eigentliche Flash-Thema ist etwas unterwältigend. Anders als den Film habe ich den Score überaus genossen – nicht nur wegen der Rückkehr des Elfman-Themas, denn auch sonst wird hier gelungene, unterhaltsame und stilistisch vielseitige Superheldenmusik geboten.
Film-Review

Platz 2: One Piece (Sonya Belousova, Giona Ostinelli)

Ich habe in meiner Jugend durchaus hin und wieder „One Piece“ angeschaut, im Gegensatz zu, sagen wir „Dragon Ball Z“ allerdings nur sehr sporadisch. Während ich mich an die generelle Prämisse, diverse Figuren und die Atmosphäre zumindest halbwegs erinnern kann, trifft das auf die Musik nicht zu. Wie dem auch sei, die Netflix-Serie fand ich überaus gelungen und unterhaltsam, nicht zuletzt, weil ihr Tonfall durchaus mit den Erinnerungsfetzen korrespondiert und sie zudem auch ohne Vorwissen wunderbar genießbar ist. Für den Score wandte man sich an Sonya Belousova und Giona Ostinelli, die schon bei der ersten Staffel von „The Witcher“ gute Arbeit leisteten und auch für „One Piece“ ein wirklich ausgezeichnetes Werk lieferten. Der Score besticht durch eine beeindruckende stilistische wie instrumentale Vielfalt sowie eine Reihe von verschiedenen, gut eingesetzten Themen. Hier haben wir abermals ein Album, das um die vier Stunden lang ist, aufgrund der erwähnten Vielseitigkeit aber doch nicht langweilige wird und auch nur wenig Durchhänger hat. Die ebenso durchgeknallte wie vielseitige und liebenswerte Welt der Serie wird durch die Musik exzellent repräsentiert – sogar die Melodie des ursprünglichen Anime Intros We Are wird hin und wieder zitiert. Der eigentliche Grund, weshalb ich „One Piece“ so weit oben auf dieser Liste eingeordnet habe, ist allerdings das Hauptthema, das Monkey D. Luffy gilt, dieses verflucht eingängige Hauptthema, das man tagelang nicht mehr aus dem Kopf bekommt, wenn man es einmal gehört hat. Belousova und Ostinelli machen ausgiebigen Gebrauch von ihrer zentralen musikalischen Idee, führen zu Beginn eine invertierte Version als Leitmotiv für Gold Roger ein und jagen die Melodie im Verlauf der Serie durch alle möglichen Inkarnationen und Instrumentierungen.

Platz 1: Star Trek: Picard Staffel 3 (Frederik Wiedmann und Stephen Barton)

Wenn es so etwas wie einen musikalischen Architekten der aktuellen Inkarnation des Star-Trek-Universums gibt, dann ist es Jeff Russo. Nicht nur schrieb er die Musik für „Star Trek Discovery“, die erste der „New Trek“-Serien, er komponierte auch für die ersten beiden Staffeln der TNG-Fortsetzung „Star Trek Picard“. Und um ehrlich zu sein, ich bin kein allzu großer Fan von Russos Star-Trek-Musik. Für meinen Geschmack beinhaltet sie zu viele Merkmale modernen Action-Scorings wie gleichförmige Ostinati und pulsierende elektronische Effekte und insgesamt ist die Instrumentierung zu „dünn“ und das Orchester einfach zu schwachbrüstig. Ganz anders hingegen die Musik der dritten Staffel, für die Frederik Wiedmann und Stephen Barton übernahmen. Ihr Score ist gefüllt mit Referenzen an die musikalische Historie des Franchise, die sich nicht nur auf das gelegentliche Zitieren der Fanfare von Alexander Courage oder des TMP/TNG-Themas von Jerry Goldsmith beschränkt (auch wenn beide natürlich zu hören sind). Viel mehr handelt es sich um ein handwerklich gelungenes und liebesvolles Rekapitulieren der Arbeit, die Dennis McCarthy, James Horner und Jerry Goldsmith in vielen Jahrzehnten abgeliefert haben – und das betrifft nicht nur die Themen, sondern auch die Orchestrierung und musikalischen Stilmittel. Hauptreferenzpunkt ist Goldsmith, dessen Themen auch am häufigsten erklingen – auch hier fühlt sich die Verwendung einfach richtig an. Wie Goldsmith verwenden Wiedmann und Barton beispielsweise das ursprünglich in „Star Trek: The Motion Picture“ etablierte Klingonen-Thema als Leitmotiv für Worf. Die beiden Komponisten belassen es aber keineswegs bei einer reinen Remineszenz, sondern erweitern den Sound und die leitmotivische Palette, nicht zuletzt durch ihr enorm gelungenes Thema für die USS Titan. Dieser Score hat es geschafft, mich nostalgisch werden zu lassen für etwas, das ich in der Kindheit und Jugend überhaupt nicht gesehen bzw. gehört habe, und das ist eine beeindruckende Leistung, die den ersten Platz verdient hat.

Siehe auch:
Das Soundtrack-Jahr 2022

Dark Empire I

Darkempirei
Ende der 80er war Star Wars als Franchise so gut wie tot. Nach Episode VI ging es noch ein paar Jahre weiter, zumindest jüngere Fans des Franchise konnten sich an den beiden Ewok-Filmen, der Ewok-Animationsserie oder der Droids-Serie, die die Abenteuer von R2-D2 und C-3PO vor „A New Hope“ zeigte, erfreuen. Auch die mit Episode IV gestartete Comicserie von Marvel lief noch ein einige Zeit weiter. Aber spätestens 1986 war Schluss und die weit, weit entfernte Galaxis verschwand aus dem Bewusstsein. Lediglich der Verlag West End Games lieferte noch neues Material in Form von Pen&Paper-Regelwerken, aber diese waren, wer hätte es gedacht, weit vom Mainstream entfernt. Erst Anfang der 90er kehrte Star Wars ins Bewusstsein zurück, bedingt durch zwei Werke, die parallel zueinander entstanden. Bantam Books schnappte sich die Buchlizenz und beauftragte Timothy Zahn damit, eine Fortsetzung zu verfassen, die schließlich den Titel „Heir to the Empire“ tragen und 1991 erscheinen sollte. Dark Horse nahm sich derweil der brachliegenden Comiclizenz an und gab eine eigene Fortsetzung in Auftrag (bzw. übernahm ein Projekt, das sich bereits für Marvel in Planung befand): „Dark Empire“, verfasst von Tom Veitch, mit Zeichnungen von Cam Kennedy, erschienen von Dezember 1991 bis Oktober 1992. Anders als „Heir to the Empire“ und die beiden Folgebände „Dark Force Rising“ (1992) und „The Last Command“ (1993), die im Fandom einen exzellenten Ruf haben, wurde „Dark Empire“ ursprünglich zwar ebenfalls recht positiv aufgenommen, bekam aber bald einen relativ schlechte Reputation.

Zentrales Handlungselement der sechsteiligen Miniserie ist die Rückkehr Palpatines – was auch die primäre Kontroverse auslöste. Sechs Jahre nach der Zerstörung des zweiten Todessterns befindet sich die Galaxie im Aufruhr, die zur Neuen Republik gewordene Rebellenallianz befindet sich erneut auf dem Rückzug und das Imperium erringt Erfolg um Erfolg – bis ein Bürgerkrieg unter den imperialen Machthabern ausbricht. Han, Leia und Chewbacca machen sich auf, Lando und Luke, die sich noch im Imperialen Zentrum befinden, aus dem Chaos zu retten. Just als sie Luke und Lando finden, reißt ein Machtsturm Luke davon. Der Jedi erwacht an Bord eines Schiffes, das ihn nach Byss, der neuen Hauptwelt des Imperiums bringt. Dort erwartet ihn ein mysteriöser neuer Machthaber, der dabei ist, die sich einander bekriegenden imperialen Kriegsherren unter seine Kontrolle zu bringen. Erschrocken muss Luke erkennen, dass es sich bei diesem Machthaber um niemand geringeren als Palpatine selbst handelt, der seinen Geist in einen Klonkörper seines früheren Selbst verpflanzt hat. Luke glaubt, dieses neue, Dunkle Imperium nur von innen heraus zerstören zu können und schließt sich zumindest zum Schein dem wiederauferstandenen Imperator an. Während Palpatine beginnt, Allianz-Welten wie Mon Calamari zu verwüsten, erhält Leia eine Vision von Luke auf der Dunklen Seite. Gemeinsam mit Han und Chewie begibt sie sich auf den Schmugglermond Nar Shaddaa, um der Spur dieser Vision zu folgen…

Da „Dark Empire“ und „Heir to the Empire” etwa zeitgleich entstanden, finden sich zwischen beiden Geschichten einige interessante Diskrepanzen, nicht zuletzt, weil Timothy Zahn von der Idee, Palpatine zurückzubringen, nicht allzu begeistert war und sich weigerte, in irgendeiner Form Rücksicht darauf zu nehmen. Ursprünglich war geplant, „Heir to the Empire“ nach „Dark Empire“ spielen zu lassen, aber aufgrund von Zahns Einstellung entschied man sich dagegen. Zu den erwähnten Diskrepanzen gehört beispielsweise der Umstand, dass die Neue Republik in der Thrawn-Trilogie relativ fest im Sattel sitzt, sich zu Beginn von „Dark Empire“ aber plötzlich auf dem Rückzug befindet, während ein imperialer Bürgerkrieg auf Coruscant tobt, das im Comic stets nur als „Imperiales Zentrum“ bezeichnet wird (Zahn etablierte den Namen Coruscant). Diese Elemente wurden später in Rollenspielbänden und sonstigen Kompendien wie der „Essential Chronolgy“ oder dem „Essential Guide to Warfare“ erläutert. Noch deutlicher fallen allerdings die tonalen Diskrepanzen aus. Timothy Zahns Star Wars betont eher die Science-Fiction-Elemente des Franchise, während Cam Kennedy seinen Fokus auf die Pulp-Elemente legt: Während Großadmiral Thrawn mit verhältnismäßig bescheidenen Mitteln auskommen und sich primär auf sein taktisches Genie verlassen muss, schüttelt der wiedergeborene Palpatine gefühlt eine Superwaffe nach der nächsten aus dem Ärmel, von Weltenvernichtern über das Galaxis-Geschütz bis hin zum Eclipse-Klasse-Supersternenzerstörer. Auch was die Machtfähigkeiten angeht, ist Palpatine potenter denn je, wenn auch mental und körperlich ziemlich labil. Das alles sind durchaus berechtigte Kritikpunkte und ob es tatsächlich eine gute Idee ist, Palpatine zurückzubringen und Luke auf die Dunkle Seite wechseln zu lassen, ist ebenfalls diskutabel. Davon abgesehen ist „Dark Empire“, im Gegensatz zu seinen beiden Sequels, allerdings gar keine so üble Story und wirft durchaus einige interessante Fragen bzgl. der Dunklen Seite der Macht auf. Diese werden vielleicht etwas zu oberflächlich abgearbeitet – eine Eigenschaft, die viele Star-Wars-Comics der 90er teilen. Gerade im Hinblick auf die Balance der Geschichte funktioniert „Dark Empire“ ziemlich gut und hat gewisse Parallelen zu „Return of the Jedi“. Als Gegengewicht zur Lukes Auseinandersetzung mit der Dunklen Seite funktioniert der eher klassische Abenteuer-Subplot aus Nar Shaddaa ziemlich gut und gegen Ende laufen die Fäden schön zusammen – Palpatine wird, zumindest vorläufig, durch eine thematisch angebrachte Gemeinschaftsaktion von Luke und Leia besiegt.

Die Optik von „Dark Empire“ ist kaum weniger umstritten als die Handlung: Cam Kennedys Zeichnungen, vor allem in Kombination mit der Farbgebung, muten doch sehr ungewöhnlich an. Teilweise sind seine Zeichnungen erstaunlich detailliert, dann wieder eher skizzenhaft, manchmal ähneln die Figuren ihren Schauspielern, dann wieder überhaupt nicht. Die Kolorierung schließlich mutet sehr surreal an, da sie fast ausschließlich aus dem flächigen Einsatz von Sekundärfarben besteht, dominiert von Lila oder Grün, hin und wieder durchbrochen von Blau oder Rot. Die Farbgebung funktioniert hier nicht als Wiedergabe einer natürlichen Welt, sondern wird ausschließlich bestimmt von der Atmosphäre einer Szene. Gerade im Zusammenspiel mit den Zeichnungen funktioniert diese Herangehensweise mal besser, mal schlechter. Man muss Cam Kennedy jedoch definitiv eines lasse: „Dark Empire“ ist visuell distinktiv und unterscheidet sich fundamental von den meisten anderen Star-Wars-Comics. Letzten Endes ist es eine reine Geschmacksfrage: Kennedys Ansatz ist einer, den ich durchaus respektieren kann, der mich persönlich aber nicht allzu sehr anspricht.

Besonders faszinierend ist „Dark Empire“ im Hinblick auf die späteren Entwicklungen. Die sechsteilige Miniserie erwies sich dabei als kaum weniger einflussreich als „Heir to the Empire“, auch wenn viele Autoren des EU sich später eher von ihr distanzierten. Nicht nur durfte der als Handlungsort sehr beliebte Schmugglermond Nar Shaddaa sein Debüt feiern, auch Boba Fetts Überleben des Sarlacc hat seinen Ursprung in „Dark Empire“. Und mehr noch, Tom Veitch legt hier die erste Saat für das, was später zu den „Tales of the Jedi“, „Knights of the Old Republic“ und „The Old Republic“ erwachsen sollte. Nur in Andeutungen und Erwähnungen schafft er die Grundlage für eine epische und bewegte Vergangenheit des Jedi-Ordens. Und schließlich hätten wir da noch „The Rise of Skywalker“, das durchaus als verkappte Adaption von „Dark Empire“ verstanden werden kann. Der Film selbst erläutert Palpatines Rückkehr zwar nicht, aber die Romanadaption von Rae Carson klärt auf, dass sich Darth Sidious‘ Rückkehr im Disney-Kanon durchaus ähnlich abgespielt hat wie im alten Expanded Universe: per Klonkörper und Essenztransfer. Zudem sind diverse andere Elemente zumindest sehr ähnlich, Exegol fungiert als Substitut für Byss, die Sith Eternal und Ritter von Ren ersetzen Palpatines „Elite der Dunklen Seite“ und wie in „Dark Empire“ verfügt der zurückgekehrte Imperator über Sternenzerstörer mit Todessternlaser. Und natürlich versucht Palpatine Rey ebenso auf seine Seite zu ziehen wie Luke – vielleicht ist aber auch Kylo Ren das bessere Substitut für Luke, während Rey ihn, ähnlich wie Leia, ins Licht zurückbringt.

Fazit: „Dark Empire“ zwar definitiv nicht zu meinen Favoriten unter den Legends-Comics, ist aber doch deutlich besser als sein Ruf, eines der einflussreichsten Star-Wars-Werke und weit unterhaltsamer als die eine ähnliche Prämisse umsetzende Episode IX.

Bildquelle

Siehe auch:
Star Wars Episode IX: The Rise of Skywalker – Ausführliche Rezension
The Rise of Skywalker – Expanded Edition
Darth Sidious – Karriere eines Imperators
Darth Plagueis
Darth Maul: Shadow Hunter
Darth Maul