The Mandalorian Staffel 3

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Die Entwicklung von Star Wars von einem Film- zu einem Serien-zentrierten Franchise ist ein durchaus faszinierendes Phänomen, bei dem es zweifelsohne eine Reihe von ineinandergreifenden Faktoren gab. Die Rezeption von „Solo: A Star Wars Story“ und der Sequel-Trilogie abseits von „The Force Awakens“ spielten sicher eine Rolle, aber auch die Pandemie dürfte ihren Teil dazu beigetragen haben. Erst jüngst verkündeten Kathleen Kennedy und andere Vertreter von Lucasfilm, man wolle sich bezüglich der Kinofilme eher am aktuellen James-Bond-Modell orientieren, sich ordentlich Zeit lassen und die Filme dafür zum Event machen, anstatt alle zwei Jahre ein Projekt rauszuhauen. Es wird sich zeigen, ob es den drei aktuell angekündigten Projekten besser ergeht als den diversen angedachten Filmen zuvor. Gegenwärtig sind das ein Film über die Ursprünge der Jedi von James Mangold (der Legends-Fan denkt da sofort an die Comicserie „Dawn of the Jedi“), ein Film von Dave Filoni, der als Avengers-artige Kulmination des „Filoniverse“ angedacht zu sein scheint, sowie eine Art Fortsetzung zur Sequel-Trilogie, in welcher Rey einen neuen Jedi-Orden aufbaut, inszeniert von Sharmeen Obaid-Chinoy. Aber zurück zu den Realserien: Mit der dritten Staffel von „The Mandalorian“ sind wir bei insgesamt sechs abgeschlossenen Staffeln angekommen und inzwischen zeichnet sich ein recht zwiespältiges Bild. In vielerlei Hinsicht ist die dritte Staffel von „The Mandalorian“ exemplarisch für die Dinge, die in Disney SW-Serienuniversum noch funktionieren und die, die nicht mehr funktionieren.

Handlung und Struktur
Den ersten beiden Staffeln von „The Mandalorian“ gelang eine relativ gute Balance zwischen für sich stehenden, abgeschlossenen Folgen (hin und wieder auch mit einem Zwei- oder Dreiteiler) und einem übergreifenden Handlungsstrang. Letzterer war die Mission, Grogu zu seinen Angehörigen, also den Jedi, zu bringen; im Rahmen dieser übergeordneten Mission mussten sich Din Djarin (Pedro Pascal, Lateef Crowder) und sein Schützling mit diversen Gegebenheiten und Widersachern auseinandersetzen, die eher an einem „Monster of the Week“-Format erinnern. Jeweils gegen Staffelende sorgt dann Moff Gideon (Giancarlo Esposito) dafür, dass sich die Handlung verdichtet. Auf gewisse Weise folgt auch die dritte Staffel diesem groben Muster, aber auf deutlich chaotischerer Art und Weise, weit weniger sauber strukturiert.

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Din Djarin (Pedro Pascal) und Grogu

Nun, da Din Djarin sowohl im Besitz des Darksabers ist als auch seinen Schützling wieder an seiner Seite hat, trachtet er danach, sich in den Augen seines Kults, der „Children of the Watch“, angeführt von der mysteriösen Schmiedin (Emily Swallow), zu rehabilitieren, nachdem er Grogu sein Gesicht zeigte und damit gegen die Regeln dieses Kults verstieß. Um dies zu erreichen, muss er in den mythischen Wassern von Mandalore baden, unglücklicherweise gilt der Heimatplanet der Mandalorianer allerdings als verflucht und verseucht. Mit der Hilfe Bo Katans (Katee Sackhoff), die von ihren Leuten im Stich gelassen wurde, gelingt es Din Djarin tatsächlich, sein Vorhaben durchzuführen. Mehr oder weniger zufällig hat sich nicht nur Din, sondern auch Bo Katan nun in den Augen der „Children of the Watch“ rehabilitiert, sodass sie und die Schmiedin nun die Gelegenheit sehen, die verschiedenen mandalorianischen Fraktionen wieder miteinander zu vereinen und Mandalore zurückzuerobern.

Knapp zusammengefasst klingt der übergeordnete Handlungsstrang relativ zielgerichtet, in ihrer Narrative ist diese Staffel allerdings äußerst holprig und inkohärent. Gerade zu Beginn wird diesem übergeordneten Plot eine größere Wichtigkeit eingeräumt, als es in den bisherigen Staffeln der Fall war, nur um ihn dann plötzlich auf ziemlich unelegante Weise zu unterbrechen und Nebenschauplätze zu eröffnen. Prinzipiell ist das nichts schlechtes, gerade im Kontext dieses erzählerischen Konstrukts wirkt es allerdings oft ungelenk und merkwürdig. Hinzu kommt ein noch größeres Ausmaß an Logiklöchern und Plot Convinience. Mit beidem muss man bei einer Star-Wars-Serie durchaus ein Stück weit rechnen, aber es kommt immer auf das Ausmaß an: Stört es die Suspension of Disbelief? Wirklich ärgerlich ist, dass oftmals nur ein paar erklärende Dialoge nötig gewesen wären, um die Probleme zumindest oberflächlich zu beheben. Warum etwa bleiben die „Children of the Watch“ auf einem Planeten, auf dem sie ständig von Flugsauriern attackiert werden, ohne etwas dagegen zu tun? Irgendwelche obskuren Kultregeln hätten da schon als Erklärung ausgereicht, vielleicht sind der Planet und/oder die Kreaturen heilig – so wirken die „Children“ allerdings nur extrem naiv, blauäugig und lernunfähig. In vielerlei Hinsicht wirkt es, als habe es bei der Produktion der dritten Staffel diverse Schwierigkeiten hinter den Kulissen gegeben, hastige Änderungen, Einmischungen der Produzenten etc., die zu wenig durchdachten Lösungen führen. Das zeigt sich auch und vor allem in der finalen Episode, die nicht nur Logik- sondern Handlungslöcher aufweist.

Between a Rock and a Hard Place
Die narrative Gesamtkonzeption der dritten Mandalorian-Staffel ist ein weiterer Grund, weshalb ich davon ausgehe, dass es hinter den Kulissen Schwierigkeiten gab. Es handelt es sich bislang nur um eine Vermutung, aber ich persönlich danke, dass der ursprüngliche Plan vorsah, in der ersten Hälfte dieser Staffel auf eine Wiedervereinigung von Din und Grogu hinzuarbeiten und in der zweiten die Rückeroberung Mandalores zu thematisieren – Letzteres ist dann ja auch das handlungstreibende Element. Dann aber waren wohl die Produzenten bei Disney der Meinung, dass es Zeit sparen würde, wenn man Din und Grogu bereits in „The Book of Boba Fett“ wiedervereinen würde, schließlich will das Publikum die beiden vereint sehen, nicht wahr? Diese Entscheidung, aus „The Book of Boba Fett“ „The Mandalorian” Staffel 2,5 zu machen, hat in meinen Augen sehr viel zerstört; dazu gehört die Integrität der Boba-Fett-Serie, in der die Titelfigur in der zweiten Hälfte zum Nebencharakter verkommt, aber auch die Minderung der emotionalen Wucht des Finales der zweiten Mandalorian-Staffel und, zu allem Überfluss, auch die dritte Staffel als Ganzes, denn so, wie sie ist, wirkt sie extrem unfokussiert und inkonsequent.

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Bo Katan (Katee Sackhoff)

Besonders zwei Episoden stechen heraus, Folge 3, „The Convert“ sowie Folge 6, „Guns for Hire“. Beide wurden im Fandom recht kontrovers aufgenommen, weil sie, im Guten wie im Schlechten, entweder inhaltlich oder tonal (oder beides) als Ausreißer wahrgenommen wurden. Beide sind meinem Empfinden nach keine schlechten Episoden, wirken aber im Gesamtkontext deplatziert. „The Convert“ ist wahrscheinlich die erzählerisch am besten strukturierte Episode der Staffel, der Plot um Din Djarin, Bo Katan und die Mandalorianer fungiert als Rahmen, während die Haupthandlung dieser Folge den Zuschauer nach Coruscant führt und erzählt, was mit Dr. Pershing (Omid Abtahi) und Elia Kane (Katy O’Brian) geschieht. Inszenatorisch fühlt sich diese Episode beinahe an wie eine Hommage an „Andor“ und wirft durchaus einige interessante Fragen auf, auch wenn ich mit der Darstellung der Neuen Republik als praktisch völlig inkompetent nicht wirklich zufrieden bin. Schon in früheren Legends-Werken findet sich oft eine Dichotomie zwischen Totalitarismus oder inkompetenter bzw. korrupter Demokratie ohne Abstufungen bzw. positiver Zeichnung eines demokratischen Systems, im Disney-Kanon ist diese Tendenz nun noch einmal stärker – das aber nur am Rande. Deutlich schwerer fällt ins Gewicht, dass der Aufbau, den „The Convert“ leistet, in dieser Staffel fast völlig ins Leere läuft. Es mag sein, dass er in „Ahsoka“ oder einem anderen späteren Projekt noch eine Rolle spielt, aber dennoch wäre ein wenig Pay-off in DIESER Staffel schön gewesen.

„Guns for Hire“ sorgte primär wegen der diversen Gastauftritte für Schlagzeilen: Lizzo, Jack Black und Christopher Lloyd reißen diese Episode fast schon an sich. Hinzu kommt ein sehr lockerer und komödiantischer Ton und eine zentrale Handlung, die vom übergeordneten Plot völlig losgelöst ist und sich eher nach einer Folge aus „The Clone Wars“ anfühlt, nicht zuletzt wegen der Präsenz vieler KUS-Kampfdroiden. Auch hier: Ich habe nichts per se gegen die Episode, so kurz vor dem Finale wirkt sie aber ziemlich deplatziert und nimmt den Fokus vom eigentlich wichtigen Charaktermoment: Bo Katan gewinnt die Gefolgschaft ihrer Leute zurück. Dieser Umstand ist hier aber fast schon ein Nachgedanke und wird in den letzten paar Minuten abgehandelt. Eine Episode wie diese hätte sich zu Anfang der Staffel deutlich besser gemacht, was zudem meinen Verdacht verstärkt. Es wirkt als habe man wegen „The Book of Boba Fett“ einen Teil der eigentlich geplanten Handlung verloren und nun relativ wild die Pläne durcheinandergeworfen. Grogu selbst spielt in „Guns for Hire“ keine Rolle und wird während der Mission bei Lizzo geparkt. In einer theoretischen dritten Staffel, in der Din in der ersten Hälfte von ihm getrennt ist und gemeinsam mit Bo Katan auf Missionen geht, hätte eine Episode wie diese deutlich mehr Sinn ergeben.

Auch das Finale ist in dieser Hinsicht ein interessantes Biest, abseits von den offensichtlichen, technischen Schwächen. „The Return“ verweigert sich gewissermaßen den Erwartungen und nimmt den geraden Weg von Punkt A nach Punkt B, es gibt keine großen Enthüllungen, keine Twists und keine weiteren Hinweise auf „Ahsoka“ oder andere kommende Projekte. Zumindest eine Art Teaser liefert immerhin die Eröffnungsszene der siebten Folge, „The Spies“, mit der Versammlung des imperialen Schattenrats. Hier sehen wir nicht nur Brendol Hux, den Vater von Armitage Hux aus der Sequel-Trilogie, der interessanterweise von Domnhall Gleesons Bruder Brian Gleeson gespielt wird, sondern auch Fanliebling Gilad Palleon (Xander Berkeley); Großadmiral Thrawn wird immerhin erwähnt. Auch diesbezüglich lässt Staffel 3 die Zuschauer allerdings hängen, es gibt keine Post-Credits-Szene, in der Thrawn seine Rückkehr ankündigt oder ähnliches. Auch sonst finden sich keine Cameos; lange wurde vermutet, Temuera Morrison könne als Boba Fett vorbeischauen, dem ist allerdings nicht der Fall. Viele andere Vermutungen und Theorien werden ebenfalls (zumindest temporär) widerlegt. Sehr bliebt war etwa die Vermutung, die Schmiedin arbeite entweder für Gideon oder für Thrawn und werde Din Djarin und Bo Katan im Finale verraten, aber nichts dergleichen geschieht: Die Mandalorianer erobern ihre Heimat zurück, während Din und sein Ziehsohn ein ziemlich eindeutiges Happy End bekommen. Einerseits ist es fast schon erfrischend, dass sich „The Mandalorian“ hier den aktuellen, vom MCU geprägten erzählerischen Konventionen nicht beugt – kein Reveal, kein Teaser am Ende, die Handlung wird gradlinig zuende geführt; ich brauche kein Cameo von Boba Fett, Thrawn, Snoke oder sonst jemandem. Dennoch fühlt sich das Ende wegen der vielen offenen Handlungsfäden unbefriedigend an. Vielleicht betrachten Favreau und Filoni ihre Serien tatsächlich als Teile einer großen Erzählung – vieles deutet inzwischen darauf hin, nicht zuletzt der angekündigte Filoni-Film. Dennoch wäre es auch innerhalb dieses konzeptionellen Konstrukts möglich, die einzelnen Staffeln zu funktionierenden erzählerischen Einheiten zu machen. So bleibt „The Mandalorian“ Staffel 3 kaum mehr als ein Zwischenschritt.

Is This the Way?: Figuren und ihre Entwicklung
Neben der narrativen Struktur hat die dritte Mandalorian-Staffel auch einige massive Probleme mit der Charakterisierung und Entwicklung der Figuren. Dieser Aspekt war in den bisherigen Staffel nie allzu komplex, aber doch funktional und nachvollziehbar. Ich wiederhole mich, aber auch hier erweist sich die Wiedervereinigung von Din und Grogu als Hauptproblem. Über weite Strecken wirken die Autoren der Serie, als wüssten sie nicht, was sie mit den beiden tun sollen. Dins Hauptanliegen zu Beginn der Staffel ist ebenfalls ein Aspekt, der bereits in „The Book of Boba Fett“ angerissen wurde: Um wieder Teil der „Children of the Watch“ zu werden, muss Din in den Lebenden Wassern von Mandalore baden – dieses Ziel erreicht er aber schon in der zweiten Folge, die restliche Zeit über reagiert er eher, als dass er eine wie auch immer geartete Agenda verfolgt. Bo Katan ist die Figur der dritten Staffel, die am ehesten einen funktionierenden Handlungsbogen hat, von der Einzelgängerin zur neuen Anführerin einer geeinten Mandalorianerfraktion. Aufgrund der bereits dargelegten narrativen Probleme funktioniert das alles nur bedingt, nicht zuletzt durch den Fokus; ich erwähnte bereits die Episode „Guns for Hire“, die hierfür exemplarisch ist. Hinzu kommt eine generelle, merkwürdige Tendenz in dieser Staffel, den Stoizismus den Mandalorianer auf ein neues Level zu heben; Figuren reagieren auf scheinbar einschneidende Ereignisse praktisch überhaupt nicht. Generell wird zudem die Chance auf ordentliche Charakterarbeit vertan, gerade in Bezug auf die Mandalorianer. Das Bündnis der beiden Fraktion hätte sehr schön genutzt werden können, um die Unterschiede in ihren Philosophien zu beleuchten, aber abseits von ein, zwei Ansätzen geschieht hier sehr wenig. Das hängt auch mit dem Umstand zusammen, dass wir nach drei Staffeln immer noch erstaunlich wenig über die „Children of the Watch“, ihre Weltsicht, ihr Helm-Dogma etc. wissen.

Dementsprechend wirkt das Finale bzw. das Happy End gewissermaßen unverdient, aufgrund all dieser Umstände war zumindest ich emotional nicht allzu involviert – etwa ganz im Gegensatz zum Finale von Staffel 2. Hier haben die Macher genau verstanden, welche Saiten sie anschlagen müssen, um die maximale Wirkung zu erzielen. In Staffel 3 hingegen: Din hat Grogu nun offiziell adoptiert, aber allzu viel bedeutet das nicht, schließlich ist ihre Vater-Sohn-Beziehung bereits fest etabliert. Mandalores Rückeroberung hinterlässt ebenfalls einen faden Nachgeschmack, da die kulturelle Bedeutung nicht ausreichend thematisiert wird. Wir wissen DASS, aber wir wissen nicht WESHALB.

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Moff Gideon (Giancarlo Esposito)

Und schließlich ist da noch die Gegenseite, die ebenfalls Teil des Problems ist. Moff Gideon war nie ein besonders komplexer oder gut geschriebener Schurke, vor allem seine Pläne wirkten zumeist nicht besonders gut durchdacht. Anstatt wirklich etwas auf die Beine zu stellen, schüttelt er zumeist nur ein weiteres Ass aus dem Ärmel und hofft, damit unsere Protagonisten zu besiegen. In Staffel 2 waren es die Dark Trooper, in Staffel 3 sind es die neuen Imperialen Kommandotruppen mit Jet-Pack und Beskar-Rüstung und natürlich die Praetorianer. Gideon profitiert ungemein von Giancarlo Espositos Charisma und Präsenz, weshalb er bislang als Widersacher eigentlich recht gut funktionierte. Pro Auftritt mutiert er allerdings mehr und mehr zum überdrehten Cartoon-Schurken, weshalb ich hoffe, dass er nun endgültig tot ist und wir mit Thrawn einen besseren Anführer des Restimperiums bekommen.

Fazit
Das alles mag nun etwas negativer klingen, als es gedacht ist. Die dritte Mandalorian-Staffel ist mit Abstand die schwächste der Serie, dennoch hat sie nach wie vor gut zu unterhalten gewusst und mehr als ordentliche Schauwerte geboten. Man ist doch immer wieder beeindruckt, was inzwischen in einer Serie alles möglich ist. Dennoch sind die narrativen Unebenheiten unendlich frustrierend, gerade weil man das Gefühl nicht loswird, dass das alles nicht hätte sein müssen und wir mit „Andor“ wirklich gesehen haben, was narrativ in einer Star-Wars-Serie möglich ist. Damit will ich nicht ausdrücken, dass „The Mandalorian“ sich stilistisch an „Andor“ angleichen sollte, aber es wäre doch schön gewesen, hätte Staffel 3 das Niveau der ersten beiden halten können.

Trailer

Bildquelle (© 2023 Lucasfilm Ltd. & ™. All Rights Reserved.)
Bildquelle Bo Katan
Bildquelle Gideon

Siehe auch:
The Mandalorian Staffel 1 & 2
The Book of Boba Fett
Obi-Wan Kenobi

Stück der Woche: The Emperor’s Play

Seit seinem großen, wenn auch nicht unbedingt gelungenen Auftritt in „The Rise of Skywalker“ bediente sich Disney des Imperators eher spärlich, aber dennoch kontinuierlich. Bislang summiert sich das zu drei Auftritten: In der animierten Miniserie „Tales of the Jedi“ erleben wir einen Gastauftritt des Prä-Klonkriege Darth Sidious, in der zweiten Staffel von „The Bad Batch“ steht Palpatine am Anfang seiner Herrschaft und im Finale von „Obi-Wan Kenobi“ hat er bereits einige Jahr als Imperator auf dem Buckel. Zwei Dinge haben diese Auftritte gemeinsam: Zum einen wurde erfreulicherweise jedes Mal Ian McDiarmid reaktiviert, entweder als Sprecher oder tatsächlich in voller Maske und Kutte. Und zum anderen waren die zuständigen Komponisten, Kevin Kiner und William Ross, recht zurückhaltend mit dem Thema des Imperators. In „Obi-Wan Kenobi“ findet sich keine Spur besagten Themas, lediglich der Imperiale Marsch erklingt, als Vader seinem Meister erklärt, er diene nur ihm. In „Tales of the Jedi“ erleben wir ein Zwiegespräch Sidious‘ mit einem seiner früheren Schüler, einem noch verhältnismäßig jungen und dunkelhaarigen Count Dooku. Auch hier scheint Kevin Kiner, seines Zeichens auch Komponist von „The Clone Wars“, „Rebels“ und „The Bad Batch“, davon abzusehen, Palpatines klassisches Leitmotiv zu verwenden. Die Soundkulisse, mit der er das Treffen der beiden Sith-Lords im Track Flight Into Darkness unterlegt, erinnert mit den getragenen Synth-Klängen interessanterweise eher an Vangelis‘ „Blade Runner“ als an den typischen Star-Wars-Sound. Kiner scheint hier den Fokus auf die surreale Atmosphäre zu legen, und natürlich war „Blade Runner“ eine wichtige Inspiration für Coruscant im Allgmeinen und die Hüttenstadt im Besonderen. Menschliche Stimmen spielen im entsprechenden Track ebenfalls eine Rolle, aber es ist die Stimme einer Frau und nicht der gewohnte Männerchor. Dies wirkt wie ein Echo der entsprechenden Szene in „Attack of the Clones“. Auch bei diesem zehn Jahre später stattfindenden Treffen wird die Unterhaltung der beiden Dunklen Lords von enigmatischem Frauengesang untermalt. Das Stück Padmé’s Ruminations aus „Revenge of the Sith“ weist ebenfalls gewisse Ähnlichkeiten zu besagter Soundkulisse auf.

Die interessanteste musikalische Untermalung Palpatines findet sich allerdings bei seinem Auftritt in „Truth and Consequences“, der achten Folge von „The Bad Batch“ Staffel 2. Hierbei handelt es sich um eine von Palpatines seltenen Reden vor dem Imperialen Senat. In bester Prequel- und Clone-Wars-Manier erleben wir hier, wie eine von Sidious‘ Intrigen aufgeht, sodass er am Ende genau das bekommt, was er will. Für diesen siegreichen Moment greift Kiner tatsächlich auf das ursprünglich von John Williams komponierte Thema für den Erzschurken zurück, liefert aber eine dekonstruierte und verfremdete Variation. Im entsprechenden Track, The Emperor’s Play, wird Palpatines Auftauchen durch zwei Trommelschläge kurz nach der Zweiminutenmarke angekündigt. Der Männerchor ist vorhanden, wird aber in die Begleitung verbannt, das eigentlich Thema wird, sehr getragen, von einer Frau gesungen, womit Kiner hier auf seine Komposition aus „Tales of the Jedi“ verweist. Ab 2:32 übernehmen finstere Streicher, die während Palpatines Rede zu seinem Thema ansetzen und es auch, sehr langsam, vollenden. Nun ist es die Frauenstimme, die in die Begleitung verbannt wird. Abermals entschließt sich Kiner, vor allem die enigmatische Natur Palpatines zu betonen, was angesichts des Blickwinkels der Protagonisten gar nicht so verkehrt scheint: Von Bail Organa (und natürlich Mad Amedda) einmal abgesehen weiß niemand der Anwesenden, dass Palpatine ein Sith-Lord ist, für sie bleibt er eine ebenso furchterregende und mächtige wie schwer einzuschätzende Figur. Die Verkündigung des Sturmtruppenprogramms wird nicht, wie man vielleicht erwarten könnte, mit dem Imperialen Marsch untermalt, sondern mit einem melodischen Fragment aus dem Track Anakin’s Dark Deeds (u.a. bei 0:44 und 1:44) – hiermit verweist Kiner direkt auf die entsprechende Szene aus „Revenge of the Sith“, in der Palpatine ebenfalls vor dem Senat spricht und die Republik zum Imperium umgestaltet. Definitiv eine interessante Neuinterpretation eines altbekannten Themas.

Siehe auch:
Star Wars Episode IX: The Rise of Skywalker – Soundtrack
Darth Sidious – Karriere eines Imperators

Obi-Wan Kenobi

Spoiler!
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Die Idee, Ewan McGregor als Obi-Wan Kenobi zurückkehren zu lassen und mit ihm eine wie auch immer geartete Geschichte zwischen „Revenge of the Sith“ und „A New Hope“ zu erzählen, geistert im Grunde bereits seit der Disney-Übernahme durch das Fandom. Erst dachte man an einen Spin-off-Film im Stil von „Rogue One“, nach dem Erfolg von „The Mandalorian“ und der gewaltigen Serienexpansion wurde es dann jedoch schließlich eine sechs Episoden umfassende Miniserie (die eventuell eine zweite Staffel erhält, da Kritiker und Fans zwar gespalten sind, aber die Zuschauerzahlen stimmen). Von Drehbuchautor Stuart Beattie wissen wir inzwischen, dass in der Tat ursprünglich ein Film (bzw. sogar eine Trilogie) angedacht war, für die Beattie den Entwurf verfasste. Nachdem „Solo“ jedoch hinter den Erwartungen zurückblieb, entschied man sich bei Lucasfilm, das Format zu wechseln und Beatties Geschichte – mit massiven Änderungen, versteht sich – im Rahmen einer Serie zu erzählen. Die kanadische Regisseurin Deborah Chow, die bereits zwei Episoden von „The Mandalorian“ inszeniert hatte, wurde als Regisseurin aller sechs Episoden verpflichtet. Besondere Anziehungskraft auf Prequel-Fans entwickelte die Serie, als man verkündete, nicht nur Ewan McGregor, sondern auch Anakin-Darsteller Hayden Christensen zurückbringen zu wollen.

Handlung
Der ehemalige Jedi-Meister Obi-Wan Kenobi (Ewan McGregor) lebt nach dem Fall des Ordens unter dem Namen Ben im Exil auf Tatooine, um über Luke Skywalker (Grant Feely) zu wachen. Die Monotonie seines Alltags wird erst unterbrochen, als Inquisitoren des Imperiums auftauchen, um einen weiteren Ex-Jedi aufzuspüren, der sich auf dem Planeten verbirgt. Obi-Wan kann den Agenten des Imperators zwar entgehen, doch noch mehr Unheil braut sich zusammen: Prinzessin Leia (Vivien Lyra Blair), Ziehtochter von Obi-Wans altem Verbündetem Bail Organa (Jimmy Smits) wird entführt, woraufhin Bail sich persönlich nach Tatooine begibt, um Obi-Wan um Hilfe zu bitten. Der ehemalige Jedi zögert zuerst, erklärt sich dann jedoch bereit, Leia ausfindig zu machen. Das Mädchen wird auf dem Planeten Daiyu gefangen gehalten. Obi-Wan gelingt es, die dortige imperiale Festung zu infiltrieren und Leia zu befreien, dabei findet er jedoch heraus, dass die Entführung spezifisch dazu inszeniert wurde, um ihn aus dem Versteckt zu locken. Eine Inquisitorin, Reva alias die Dritte Schwester (Moses Ingram), scheint nicht nur besonderes Interesse an Obi-Wan zu haben, sie eröffnet ihm auch, dass sein ehemaliger Schüler Anakin Skywalker (Hayden Christensen) noch am Leben ist. Dieser terrorisiert als Darth Vader (Stimme: James Earl Jones) die Galaxis und hat natürlich seinerseits enormes Interesse daran, seinen ehemaligen Meister endlich zu vernichten. Obi-Wan und Leia gelingt derweil die Flucht nach Mapuzo, wo sie von der abtrünnigen imperialen Offizierin Tala Durith (Indira Varma) unerwartet Hilfe erhalten. Doch Vader kann nichts aufhalten: Während es zu einer weiteren Konfrontation zwischen ihm und Obi-Wan kommt, gelingt es Reva, Leia erneut gefangen zu nehmen und sie nach Nur zum Hauptquartier der Inquisitoren zu bringen. Obi-Wan und Tala suchen auf Jabiim derweil die Hilfe einer Rebellenzelle, um Leia aus den Klauen des Imperiums zu befreien…

Konzeption und Struktur
In meiner Rezension zu „The Book of Boba Fett” schrieb ich, dass sich diese Serie anfühlt, als basiere sie weniger auf einem soliden erzählerischen Konzept und mehr auf einer fixen Idee mit mangelhafter Ausarbeitung – bei „Obi-Wan Kenobi“ verhält es sich meinem Empfinden nach relativ ähnlich. Die Idee lautet: „Obi-Wan und Vader: Rematch“. Um dieses Konzept sowie einige Elemente, die damit einhergehen ist die Serie aufgebaut. Tatsächlich finden sich zwei Begegnungen zwischen Obi-Wan und Vader, die die Serie relativ symmetrisch Strukturieren: Das erste findet in Episode 3, quasi als Mid-Season-Finale statt, das zweite natürlich in der finalen Episode 6. Das erste Duell markiert dabei den Tiefpunkt unseres Protagonisten, das zweite die endgültige Rückkehr zur alten Form. Soweit, so gut – das primäre Problem der Miniserie ist allerdings das ganze Drumherum, will heißen: die eigentliche Story, die oft so wirkt, als sei sie nicht aus sich selbst heraus erzählenswert, sondern diene eben dazu, die Figuren in bestimmte, angestrebte Situationen zu bringen. Dementsprechend ist Plot Convinience ein massives Problem. Star Wars hat diesbezüglich eine lange Tradition, aber gerade hier fällt es zumindest mir extrem unangenehm auf: Diverse Figuren werden zum Teil mehrfach erstochen, ohne dass es größere Konsequenzen gäbe, tauchen plötzlich an Orten auf, die sie eigentlich nicht hätten erreichen dürfen, tun die naheliegendsten Dinge nicht oder kommen, im Gegenteil, Plotelementen durch extrem weitgeholte Kombination auf die Schliche. Besonders Reva scheint immer wieder Opfer der schlechten Drehbücher zu sein: Nicht nur wird sie zwei Mal erstochen, ihre finale Aktion auf Tatooine ergibt keinerlei Sinn.

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Obi-Wan Kenobi (Ewan McGregor)

Auf mich wirkt das Format, das man letztendlich für diese Serie gewählt hat, in jeder Hinsicht falsch. Entweder hätte Lucasfilm diese Geschichte tatsächlich als sauber strukturierten Film erzählen müssen, oder aber eine deutlich längere Serie machen, die die angerissenen Themen wie das Vermächtnis der Jedi in der Galaxis oder Obi-Wans Trauma tatsächlich ausarbeitet – mit sechs Episoden wirkt die Miniserie wie nichts Halbes und nichts Ganzes. „Obi-Wan Kenobi“ ist langsam und holprig erzählt und wirkt, trotz inhaltlicher und struktureller Anpassungen, eben wie das Drehbuch eines Films, das auf sechs Episoden ausgedehnt wurde. Vieles ist redundant, unnötig in die Länge gezogen oder schlicht doppelt: Dass Obi-Wan Leia aus imperialer Gefangenschaft rettet, ist ja in Ordnung, aber gleich zwei Mal? Mit dieser Ansicht bin ich alles andere als alleine: Ähnlich wie bei den Hobbit-Filmen und einigen anderen größeren Franchise-Projekten hat „Obi-Wan Kenobi“ bereits einige Hobby-Editoren dazu veranlasst, die Miniserie zu einem Film umzuschneiden, Einblicke finden sich beispielsweise hier und hier.

Nicht unbedingt hilfreich ist, dass „Obi-Wan Kenobi“ auch im Bereich Regieführung einige Probleme aufweist, wobei ich oft nicht einmal wirklich genau den Finger darauf legen kann, was genau stört – manches wirkt einfach leicht daneben, merkwürdig in Szene gesetzt oder steif inszeniert. Mitunter könnte man auch auf den Gedanken kommen, dass Deborah Chow mit der Volume-Technologie nicht völlig zurechtkommt und sie zu vollem Effekt zu nutzen weiß, ich kann mich allerdings nicht daran erinnern, dass es bei den von ihr inszenierten Folgen von „The Mandalorian“ ähnliche Probleme gegeben hätte. Das betrifft oft auch Action: Wie viel wurde bereits über die beiden missglückten und schlecht inszenierten Verfolgungsjagden gesagt und geschrieben, und auch der Angriff des Imperiums auf die Rebellenfestung lässt zu wünschen übrig.

Gerade bezüglich der Effekte und Schauwerte ist „Obi-Wan Kenobi“ zudem ein deutlicher Schritt zurück, gerade im Vergleich zur zweiten Mandalorian-Staffel oder „The Book of Boba Fett“. Man kann über letztere Serie sagen, was man möchte, aber mit Schauwerten wurde nicht gegeizt, seien es die beeindruckenden Panoramen von Mos Espa oder die fantastisch umgesetzte Ringwelt. Die Planeten, die wir in „Obi-Wan Kenobi“ besuchen, sind im Vergleich dazu deutlich uninteressanter, ja geradezu langweilig – und das, obwohl „Obi-Wan Kenobi“ noch einmal ein deutlich höheres Budget hatte als die vorherigen Serien. Gab es Probleme hinter den Kulissen? Wahrscheinlich. Waren Ewan McGregor und Hayden Christensen so teuer? Sehr gut möglich. Generell wissen die Special Effects leider nur teilweise zu überzeugen und nie zu beeindrucken.

Anakin vs. Obi-Wan?
Interessanterweise liegt die größte Stärke von „Obi-Wan Kenobi“ bei der Charakterisierung und Umsetzung der Hauptfigur. Ein Großteil davon ist natürlich Ewan McGregor zu verdanken. Trotz der negativen Rezeption der Prequels gehörte McGregors Darstellung des klassischen Jedi-Meisters zu den Aspekten, die fast durchgehend gelobt wurden – in „Obi-Wan Kenobi“ zeigt sich ein weiteres Mal, weshalb. McGregor kehrt mühelos in seine Paraderolle zurück und wirkt in jeder Minute überzeugend. Zu Beginn der Serie erleben wir einen Obi-Wan, der ganz unten angekommen ist, gefangen in der Routine seines Exils und konstant mit seinem Trauma hadernd. Auf Luke aufzupassen ist das Einzige, das seinem Leben noch Sinn gibt. Ganz im Sinne der klassischen Heldenreise-Thematik muss er von Bail Organa regelrecht gezwungen werden, sich auf die Leia-Rettungsmission zu begeben. Und selbst hier im Einsatz ist er weit von seinem alten Selbst entfernt, ähnlich wie Luke in „The Last Jedi“ scheint sich Obi-Wan zumindest partiell von der Macht abgekapselt zu haben. Dementsprechend gravierend fällt dann auch seine erste Niederlage gegen Vader aus. Erst danach gelingt es ihm, zu alter Form zurückzukehren und Vader bei der zweiten Begegnung sogar zu besiegen. Prinzipiell ist das keine schlechte Charakterentwicklung und sie funktioniert vor allem immer dann, wenn Ewan McGregor die Gelegenheit bekommt, ihr Potential in den ruhigeren Charaktermomenten auszuschöpfen. Leider wirkt die holprige Erzählweise der Serie dem manchmal entgegen und nur allzu oft wird die Aufmerksamkeit durch redundante Erzählstränge von Obi-Wan abgelenkt.

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Darth Vader (Hayden Christensen/James Earl Jones)

Hayden Christensens Rückkehr als Anakin/Darth Vader ist freilich das andere große Verkaufsargument dieser Serie. Tatsächlich finde ich persönlich es sehr schön, wie Christensen nun, genau zwanzig Jahre nach seinem Debüt als Anakin, auf diese Weise vom Fandom akzeptiert wird, nachdem er zu den Schauspielern gehört, die in der Rezeption der Prequels absolut nicht gut wegkamen. Zwar steckt Christensen in „Obi-Wan Kenobi“ auch unter Vaders Maske, bekommt hier aber kaum die Chance, sein Talent zu zeigen, nicht zuletzt weil die Stimme immer noch James Earl Jones gehört, wenn auch nachbearbeitet. Tatsächlich bediente man sich wohl derselben Technologie, mit der auch die Stimme des jungen Luke in „The Mandalorian“ und „The Book of Boba Fett“ rekonstruiert wurde, allerdings scheint sie inzwischen noch ausgereifter zu sein, denn Vader klingt tatsächlich fast genauso wie in der OT. Das aber nur am Rande – Christensen bekommt in der fünften Episode die Gelegenheit, noch einmal in die Rolle des Padawan Anakin Skywalker zu schlüpfen. Dieses Mal entschied man sich, die Verjüngungsmaßnahmen auf ein absolutes Minimum zu reduzieren – während Ewan McGregor wirklich kaum zu altern scheint, wirkt Anakin doch deutlich älter als 19 – zugleich entsteht so aber auch kein unangenehmer Uncanny-Valley-Effekt. Und man kann es nicht leugnen, Christensen gelingt es trotz allem, die jugendliche Energie seine Rolle zu vermitteln. Nicht minder kraftvoll ist seine Performance im finalen Duell, in welchem er mit zerstörter Maske als „Anakin/Vader-Mischling“ auftreten darf – diese Szene wäre allerdings deutlich kraftvoller gewesen, hätte es nicht beinahe dieselbe bereits in „Star Wars Rebels“ gegeben.

Senatoren, Inquisitoren und andere Unruhestifter
Neben Obi-Wan und Anakin finden sich noch eine Reihe weiterer Rückkehrer aus den Prequels, primär Joel Edgerton und Bonnie Piesse als Owen und Beru Lars, Jimmy Smits als Bail Organa und, in kleinen Cameo-Auftritten, Temuera Morrison als Klon der 501. Legion, Ian McDiarmid als Darth Sidious und Liam Neeson als Qui-Gon Jinn. Dazu gesellen sich neue Darsteller in bekannten Rollen, primär Vivien Lyra Blair als zehnjährige Prinzessin Leia und Rupert Friend als der aus „Star Wars Rebels“ bekannte Großinquisitor. Weitere essentielle Neuzugänge sind Moses Ingram als Reva, Indira Varma als Tala Durith und Kumail Nanjiani als „Fake-Jedi“ Haja Estree. Im Großen und Ganzen sind zumindest die bekannten Figuren, mit einer Ausnahme, ziemlich gut umgesetzt, die Gastauftritte fügen sich logisch und sinnvoll in die Handlungskonstruktion ein, gerade Temuera Morrisons kleiner Auftritt ist ein wirklich kraftvoller Moment, von Ian McDiarmid und Liam Neeson hätte ich gerne mehr gesehen. Vivien Lyra Blair, die bereits in dem Netflix-Film „Birdbox“ ihr Debüt feierte, liefert eine wirklich gute Performance ab. Das eine oder andere Mal klingen ihre Dialoge vielleicht ein wenig zu erwachsen, aber dafür kann die Schauspielerin natürlich nichts. Man könnte kritisieren, dass die Handlunskonzeption diesbezüglich manchmal vielleicht etwas zu sehr an „The Mandalorian“ erinnert, schon wieder haben wir einen Einzelgänger, der sich (widerwillig) um ein Kind kümmern muss, aber zugleich sind Grogu und Leia als Figuren verschieden genug, dass das nicht allzu sehr ins Gewicht fällt. Zugegebenermaßen hätte ich mir gewünscht, dass nicht unbedingt Leia der Auslöser für Obi-Wans kurzzeitige Rückkehr auf die Bühne der Galaxis ist, aber nun ja…

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Reva (Moses Ingram)

Im Gegensatz dazu funktioniert der Großinquisitor für mich in dieser Inkarnation überhaupt nicht. Das liegt zum einen daran, dass er für meinen Geschmack deutlich zu menschlich aussieht, das Make-up erinnert eher an hochwertiges Cosplay, die Pau’aner in „Revenge of the Sith“ sahen da deutlich beeindruckender aus. Zum anderen kann ich mich auch mit Rupert Friends Darstellung nicht wirklich anfreunden – zu pompös, zu aufgesetzt. Wäre es nach mir gegangen, hätte man den Großinquisitor mit Jason Isaacs besetzt, der der Figur in „Star Wars Rebels“ ihre Stimme verlieh und nochmal ein ganz anderes Level an Gravitas mitgebracht hätte. Insgesamt sind die Inquisitoren nicht allzu gelungen – bereits in „Rebels“ waren sie nicht besonders furchterregende oder ernstzunehmende, aber hier wirken sie noch einmal inkompetenter. Reva alias die Dritte Schwester hat sich diesbezüglich besonders mal wieder zu einer Figur entwickelt, die das Fandom enerviert – und wie üblich zeigt es sich dabei von seiner hässlichsten Seite. Es ist völlig in Ordnung, eine schauspielerische Leistung oder die Konzeption einer Figur sachlich zu kritisieren, entsprechende Schauspielerin dann aber auf Social Media mit rassistischen Kommentaren niederzumachen absolut nicht. Ich bin zugegebenermaßen nicht der größte von Fan Reva, aber Moses Ingram trägt dafür nun wirklich nicht die Verantwortung. Auf mich wirkt sie konzeptionell ähnlich wie Kylo Ren, gewissermaßen eine unwillige Anhängerin der Dunklen Seite, allerdings mit deutlich handfesterer Motivation: Infiltrieren der Inquisition, um an Vader heranzukommen. In diesem Kontext ist auch Ingrams etwas überdrehtes Spiel in den frühen Episoden verständlich: Reva kompensiert. Aber auch hier schadet die suboptimale Erzählstruktur und die ungeschickte Inszenierung der Serie dem Handlungsbogen – vor allem, was die Auflösung angeht. Es ist auf konzeptioneller und thematischer Ebene gut verständlich, weshalb Reva Luke töten möchte, da es sehr gut die Order-66-Flashbacks widerspiegelt: Reva ist genau zu dem geworden, was sie eigentlich vernichten wollte. Handlungslogisch ergibt dieser Abstecher allerdings keinerlei Sinn und lenkt nur vom eigentlich Kern und der Obi-Wan/Vader-Begegnung ab.

Verordnung im Franchise
Die Einordnung von „Obi-Wan Kenobi“ im Franchise ist in mehr als einer Hinsicht eine recht interessante Angelegenheit, sowohl im Bezug auf die Filme, als auch auf frühere Legends-Werke. In Episode IV erhalten wir einige mehr oder weniger nebulöse Angaben zur Vorgeschichte: „When I left you I was but the learner. Now I am the master.“ Diese Aussage impliziert eine Niederlage Vaders gegen Obi-Wan; bisher wurde sie primär auf „Revenge of the Sith“ bezogen, „Obi-Wan Kenobi“ rekontextualisiert dies (und vieles andere) aber nun natürlich. Und irgendwann muss Obi-Wan natürlich auch erfahren haben, dass Anakin ihr Duell überlebt hat, denn in „A New Hope“ ist er sich dessen sehr bewusst. In wie fern das alles, auch in Hinblick auf die Beziehung zwischen Obi-Wan und Leia, passend ist, ist diskutabel, das war es aber auch schon bei „Revenge of the Sith“. Der Wortwechsel zwischen Vader und Obi-Wan in der sechsten Episode der Serie bemüht sich jedenfalls sehr, die Fronten zu klären: Vader legt dar, dass nicht Obi-Wan versagt hat, sondern dass er, Vader, Anakin getötet habe, woraufhin Obi-Wan beginnt, ihn „Darth“ zu nennen, wie er es auch in Episode IV tut.

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Owen Lars (Joel Edgerton)

„Obi-Wan Kenobi“ ist auch insofern interessant, da es im Legends-Bereich quasi direkte Gegenstücke gibt – zumindest im Bezug auf Star-Wars-Serien durchaus ein Novum. Zwar findet kein Rematch zwischen dem Ex-Jedi und seinem Padawan statt, aber es finden sich einige konzeptionell ähnliche Romane. Primär wären das John Jackson Millers „Kenobi“ und die Kinderbuchreihe „The Last of the Jedi“ von Jude Watson. In Ersterem macht Obi-Wan eine ähnliche Charakterentwicklung durch und lernt, mit den Ereignissen aus „Revenge of the Sith“ umzugehen, allerdings ohne dabei Tatooine zu verlassen. „Kenobi“ ist eine sehr begrenzte, „kleine“ Geschichte, in der es, neben Obi-Wans Trauma, primär um einen Konflikt zwischen Feuchtfarmern und Tusken geht. Im Gegensatz dazu verlässt Obi-Wan in „The Last of the Jedi“ sein Exil, verbündet sich mit einem anderen Order-66-Überlebenden namens Ferus Olin und bekommt es auch mit Inquisitoren zu tun – das Konzept dieser Jedi-Jäger stammt ursprünglich aus den Legends-Werken, auch wenn sie sich von ihren Disney-Gegenstücken durchaus unterscheiden. Dass Anakin/Vader überlebt hat und als Cyborg durch die Gegend marschiert, erfährt Obi-Wan zudem in James Lucenos „Dark Lord: The Rise of Darth Vader“ – in diesem Roman nimmt auch Qui-Gon Jinns Machtgeist zum ersten Mal mit ihm Kontakt auf. Es sei zudem zu erwähnen, dass sich Qui-Gon in Legends nie körperlich manifestieren konnte, er war immer nur zu hören. Neben dem Rematch findet sich der größte Unterschied zwischen Kanon und Legends in dem Umstand, dass alle dieser Obi-Wan-Geschichten relativ kurz nach „Revenge of the Sith“ spielen, während zwischen Film und Serie zehn Jahre liegen.

Zudem baut „Obi-Wan Kenobi“ eine ganze Reihe an Verweisen zum Disney-Kanon und sogar zu diversen Legends-Werken ein. Die Basis der Inquisitoren stammt beispielsweise aus „Jedi: Fallen Order“ – tatsächlich wirkt die vierte Episode fast wie die Verfilmung einer Mission dieses Spiels. Die Legends-Anspielungen sind zumeist etwas subtiler, die Serie etabliert, dass Quinlan Vos, wie in Legends, Order 66 überlebt hat und etabliert zudem mehr oder weniger die Existenz des Post-Endor-Jedi-Ritters Corran Horn. Der Planet Jabiim, auf dem die Handlung der fünften Episode stattfindet, hat in den Republic-Comics der frühen 2000er zudem eine besondere Bedeutung, dort kämpft Anakin in einer ihn stark prägenden Schlacht, während Obi-Wan von den Separatisten gefangengenommen und an Asajj Ventress ausgeliefert wird. Die Serie benutzt allerdings nur diesen Namen.

Soundtrack

Wie bei vielen anderen Aspekten von „Obi-Wan Kenobi“ gab es auch bei der Musik einige Probleme hinter den Kulissen. Als Komponistin wurde Natalie Holt ausgewählt, die sich mit dem ebenso gelungenen wie kreativen Score der MCU-Serie „Loki“ einen Namen machen konnte. Deutlich später wurde dann verkündet, John Williams höchstpersönlich werde, wie schon bei „Solo“, ein Thema für die Hauptfigur beisteuern. Holt hatte zu diesem Zeitpunkt bereits einen großen Teil der Musik für die Serie komponiert. Auf Williams Empfehlung (oder Anweisung) hin zog man William Ross, einen langjährigen Williams-Mitarbeiter hinzu, der beispielsweise bereits bei „Harry Potter and the Chamber of Secrets“ ausgeholfen hatte, um Williams‘ neues Thema für die entsprechenden Szenen zu adaptieren. Zusätzlich oblag es Ross, einige der klassischen Star-Wars-Leitmotive unterzubringen. Wie aus einem Interview mit Holt hervorgeht, wussten sowohl sie als auch Deborah Chow lange nicht, ob die ikonischen Themen überhaupt verwendet werden durften, weshalb Holt auf die verzichtete. Auch hier war es anscheinend Williams selbst, der anregte (oder verlangte), sie auf ein Minimum bzw. auf die letzte Folge zu beschränken. So sehr ich Williams auch als Komponisten und musikalischen Geschichtenerzähler schätze, diese Entscheidung halte ich für völlig verkehrt.

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Der Großinquisitor (Rupert Friend)

Aber betrachten wir zuerst das neue Obi-Wan-Thema. Entgegen anderslautender Behauptungen hatte Obi-Wan in „A New Hope“ tatsächlich ein eigenes Leitmotiv – nur dass dieses Leitmotiv sehr schnell zum Thema der Macht insgesamt „mutierte“ und diese auch heute noch repräsentiert – in der ursprünglichen Partitur wird es jedoch als „Ben’s Theme“ bezeichnet. Das neue Williams-Thema passt sich hervorragend in das leitmotivische Netz des Franchise ein, ähnlich wie bei Reys Thema gibt es viele Anknüpfungspunkte zu anderen Themen der Saga, primär natürlich dem Machtthema. Darüber hinaus verströmt es ein gewisses wagnerianisches Flair, mich persönlich erinnerte es beim ersten hören an Siegfrieds Thema aus dem „Ring des Nibelungen“ (am besten zu hören in Siegfrieds Trauermarsch), allerdings weniger heroisch und eher traurig und introspektiv.

Bei den Stücken, die auf dem offiziellen Album zu finden sind, wird eindeutig zugeordnet, welche von Holt und welche von Ross stammen – wie zu erwarten war, taucht das Williams-Thema nur in den Ross-Tracks auf. Diese klingen insgesamt auch in deutlich stärkerem Ausmaß nach Williams, während sich Holt eher modernerer Stilmittel bedient – sowohl Synth-Elemente als auch exotische Instrumentierung zur Repräsentation verschiedener Schauplätze spielen hier eine deutlich größere Rolle. Das sorgt dafür, dass beide Teile des Scores stilistisch nie so recht zusammenfinden wollen. Holts Musik ist keinesfalls schlecht, für meinen Geschmack allerdings teilweise etwas unpassend: Es ist durchaus angemessen, dass Serien wie „The Mandalorian“ oder „The Book of Boba Fett“ in einem individuellen, moderneren Stil komponiert sind, gerade bei dieser Serie, die so von den Prequels abhängig ist, wäre es in meinen Augen wichtig gewesen, diesen Umstand durch die Musik auszudrücken.

Und damit wären wir auch schon bei der Verwendung der altbekannten Themen: Wie essentiell diese sind, wird erst so richtig klar, wenn sie fehlen. Dieser Umstand trägt zumindest für mich oft zu der Wahrnehmung bei, dass bei der Inszenierung einfach etwas nicht stimmt. Holt liefert durchaus neue Themen für bekannte Figuren, etwa für Leia oder Vader (letzteres Motiv ist irgendwo zwischen dem Rhythmus des Imperialen Marsches und des ursprünglichen Vader-Motivs aus Episode IV), zusätzlich zu dem einen oder anderen völlig neuen Motiv, etwa für die Inquisitoren. Diese sind allerdings selten mehr als funktional. Hin und wieder finden sich subtile Andeutungen, Vaders neues Thema scheint sich im Verlauf des Scores immer weiter dem Imperialen Marsch zu nähern, sehr gut vernehmbar in Empire Arrival, gegen Ende von No Further Use taucht bereits eine kurzen Andeutung des Imperialen Marsches auf (an die ich mich in der Serie selbst aber nicht erinnern kann) und in First Rescue baut Ross einen kurzen Hinweis auf den Main Title ein.

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Tala Durith (Indira Varma)

Tatsächliche, volle Statements der ikonischen Themen finden sich am Ende von Overcoming the Past (Imperialer Marsch) und Saying Goodbye (Machtthema und Leias Thema). Ich verstehe die Idee, sich die „großen Themen“ bis ganz zum Schluss aufzuheben, das kann durchaus gut funktionieren, ein Beispiel wäre etwa David Arnolds „Casino Royale“. Da der Imperiale Marsch aber bereits zuvor in den Prequels Verwendung fand, überzeugt mich die Argumentation, Vader müsse sich sein ikonisches Leitmotiv erst verdienen, absolut nicht. Vor allem ist „Obi-Wan Kenobi“ für mich eine verpasste Chance: Während die Themen der OT in den Sequels ausgiebig (und mal mehr, mal weniger gelungen) verarbeitet wurden, zeigte man sich in den Disney-Produktionen gegenüber den Prequel-Themen zumeist sehr stiefmütterlich, der kurze Einsatz von Duel of the Fates in „Solo“ war praktisch das höchste der Gefühle. Anakins oder Qui-Gons Thema hätten sich wirklich ideal angeboten und der Umstand, dass im großen Duell zwischen Vader und Obi-Wan keine neue Variation von Battle of the Heroes erklingt, ist fast schon kriminell. Man merkt, dass Ross im entsprechenden Stück, I Will Do What I Must, versuchte, etwas an Duel of the Fates oder Battle of the Heroes erinnerndes zu schreiben, aber es wirkt eben doch wie eine bloße Nachahmung.

Fazit: „Obi-Wan Kenobi“ ist eine ebenso zwiespältige wie frustrierende Erfahrung. Einerseits ist viel Potential vorhanden und zudem bietet die Serie vor allem eine grandiose Rückkehr von Ewan McGregor und anderen Prequel-Darstellern wie Jimmy Smits, Joel Edgerton oder Hayden Christensen. Andererseits geht aber viel durch suboptimale Inszenierung, holprige Erzählweise, Mangel an Fokus und schlichte Redundanz verloren. Irgendwo in dieser aufgeblähten Miniserie steckt ein guter Film, wie einige kreative Fans bereits bewiesen haben…

Trailer

Bildquelle (© 2022 Lucasfilm Ltd. & ™. All Rights Reserved.)

Siehe auch:
The Mandalorian Staffel 1 & 2
The Book of Boba Fett
Kenobi

The Book of Boba Fett

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Boba Fett ist zweifellos eine der beliebtesten Nebenfiguren des Franchise, bereits in „The Empire Strikes Back“ wusste der enigmatische Kopfgeldjäger viele Fans von sich einzunehmen. Über die Jahre hinweg versorgten Romane und Comics das Fandom mit mehr Fett, u.a. wurde in der Comicserie „Dark Empire“, verfasst vom kürzlich verstorbenen Tom Veitch und bebildert von Cam Kennedy, enthüllt, dass Boba seinen eher unrühmlichen Tod in „Return of the Jedi“ überlebt hatte. Mit „Attack of the Clones“ verpasste ihm George Lucas schließlich einen Hintergrund, der sich sehr von dem unterschied, was diverse EU-Autoren zuvor über seine Vergangenheit berichtet hatten. Dass Disney sich Boba Fetts Popularität nicht entgehen lassen würde, war von Anfang an ziemlich klar. Lange wurde spekuliert, bei dem Anthologie-Film, bei dem Josh Trank Regie führen sollte, handle es sich um einen Boba-Fett-Film. Sein Live-Action-Debüt in einem Disney-Projekt feierte Boba schließlich in der zweiten Staffel von „The Mandalorian“, gespielt von Jango-Fett-Darsteller Temuera Morrison. Dieselbe Staffel teaserte am Ende auch die zweite Star-Wars-Realserie „The Book of Boba Fett“ an. Und hier sind wir also: Die komplette erste Staffel (ob es eine zweite geben wird steht aktuell noch nicht fest) ist komplett auf Disney+ anschaubar und umfasst sieben Episoden.

Handlung
Nachdem Boba Fett (Temuera Morrison) seine Rüstung zurückbekommen hat, kehrt er zusammen mit Fennec Shand (Ming-Na Wen) nach Tatooine zurück und übernimmt Jabbas altes Territorium. Damit ist es aber nicht getan, als neuer Daimyo muss er sich erst einmal einen Namen machen und Verbündete finden, denn nur mit Fennec und Jabbas altem Folterdroiden 8D8 (Matt Berry) wird er nicht allzu weit kommen. Während einige einflussreiche Einwohner der nahe gelegenen Stadt Mos Espa, etwa die Cantinabesitzerin Garsa Fwip (Jennifer Beals) Bobas Anspruch akzeptieren, sind andere wie beispielsweise der Bürgermeister Mok Shaiz (Robert Rodriguez) und sein Twi’lek-Handlanger (David Pasquesi) weit weniger einsichtig. Zudem haben diverse Parteien ein gesteigertes Interesse an Tatooine, darunter die Spice schmuggelnden Pykes und die Zwillinge, zwei Hutts aus Jabbas Verwandtschaft. Verbündete findet Boba in zwei Gamorreanern, die zuvor für Jabba und Bib Fortuna arbeiteten, dem Wookiee Black Krrsantan (Carey Jones) und den Mitgliedern einer Cyborg-Gang.

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Boba Fett (Temuera Morrison)

Während sich Boba Fetts Syndikat und die Pykes für den Krieg gegeneinander rüsten, erfahren wir in Rückblicken, was sich in der Zeit zwischen „Return of the Jedi“ und Bobas Auftauchen in der zweiten Mandalorian-Staffel ereignet hat: Nachdem er sich aus dem Sarlacc retten kann, wird Boba von einer Gruppe Tusken gefangen genommen, deren Respekt er nach und nach erringt und der er hilft, gegen die Agenten der Pykes zu kämpfen. So wird Boba Teil des Stammes, doch die Zugehörigkeit hält nicht lange an, denn die Tusken werden augelöscht. So muss Boba nun eine neue Bestimmung finden. Nachdem er Fennec Shand davor rettet, in der Wüste zu sterben, beginnt sich ein Plan zu formen: Warum nicht Jabbas altes Imperium übernehmen?

Konzeption und Struktur
Mehr noch als „The Mandalorian“ arbeitet „The Book of Boba Fett” die Western-Elemente von Star Wars heraus, zusätzlich hat die zweite Star-Wars-Serie allerdings auch einen deutlich erhöhten Pulp-Faktor, der sich auf diese Weise im etwas geerdeteren „The Mandalorian“ nicht findet. Rückblickend betrachtet scheint es mir aber besonders eine Inspirationsquelle zu geben, die in der Rezeption allerdings eher selten erwähnt wird (Ming-Na Wen selbst verwies in einem Interview allerdings auf die Parallelen): Francis Ford Coppolas „The Godfather“ und „The Godfather Part II“ scheinen in mehr als einer Hinsicht (Achtung, schlechtes Wortspiel) Pate gestanden zu haben – und das nicht nur, weil Boba sich hier als Gangster statt als Kopfgeldjäger versucht. Gerade die Flashback-Struktur, derer sich die ersten vier Episoden bedienen, erinnert stark an „The Godfather Part II“, die Beziehung zwischen Boba und Fennec Shand hat Parallelen zu der zwischen Vito Corleone und Luca Brasi und letztendlich ist Vito Corleone das, was Boba Fett am Ende werden will bzw. werden soll: Der Gangsterboss, der mit Respekt herrscht. Wenn Boba in der finalen Szene durch die Straßen Mos Espas schlendert und von alle begrüßt wird, erinnert das unweigerlich sowohl an Don Fanucci als auch an Vito Corleone in den Rückblicken in „The Godfather Part II“.

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Fennec Shand (Ming-Na Wen)

Leider funktioniert diese Herangehensweise hier nicht wirklich. Man verstehe mich nicht falsch: Ich habe es durchaus genossen, „The Book of Boba Fett“ anzusehen, ich habe mich nicht gelangweilt und hatte meinen Spaß mit der Serie, da sie viele coole Elemente und sehenswerte Bestandteile hat. Letztendlich ist „The Book of Boba Fett“ aber ein Werk, das nie über die Summe seiner Einzelteile hinauswächst und, anders als „The Mandalorian“, nie wirklich zusammenfindet. Mir erscheint es fast ein wenig, als wäre das Konzept dieser Serie als fixe Idee im Writers‘ Room entstanden: „Wäre es nicht cool, aus Boba Fett Vito Corleone zu machen?“, hätte dann aber nicht die entsprechenden Anpassungen erhalten. Das beginnt bereits bei der Ausführung dieser Idee, da nie völlig klar wird, wie Boba sein Vorhaben eigentlich wirklich durchzuführen gedenkt bzw. wie die kriminelle Unterwelt von Tatooine diesbezüglich funktioniert. Zu Beginn besteht Bobas „Organisation“ nur aus Fennec Shand und Jabbas altem Folterdroiden (was für eine Verschwendung des komödiantischen Talents von Matt Berry) – hat er Anspruch auf Jabbes altes Imperium, nur weil er Bib Fortuna getötet und sich im Palast breitgemacht hat? Immerhin erkennen ja einige der Bewohner von Mos Espa Bobas Autorität an, nur, weshalb?

Hinzu kommen einige massive erzählerische Probleme. Ich kann verstehen, weshalb man die Flashback-Struktur für die ersten vier Folgen wählte: Einerseits wollte man direkt an die Mid-Credits-Szene aus der zweiten Mandalorian-Staffel anknüpfen, andererseits aber auch erzählen, was zwischen „Return of the Jedi“ und „The Mandalorian“ geschehen ist. Aber auch hier will alles nicht so recht zusammenfinden, nicht zuletzt, weil es den Flashbacks nicht wirklich gelingt, zu vermitteln, dass sie eine Zeit von fünf Jahren abdecken – die Einteilung bleibt relativ schwammig, es gibt keinen Indikator dafür, wie lange Boba beispielsweise bei den Tusken war. Zudem haftet der Strukturierung der Flashbacks eine gewisse Willkür an. Das Idealbeispiel für eine derartige Struktur ist neben „The Godfather Part II“ für mich immer „Batman Begins“ wo die Rückblicke stets Fragen beantworten, die in der Gegenwartshandlung zuvor aufgeworfen werden.

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Garsa Fwip (Jennifer Beals)

Und dann ist da natürlich noch der Umstand, dass „The Book of Boba Fett“ nach vier Folgen und dem Abschluss der Flashback-Handlung temporär jegliches Interesse am Protagonisten und seinem Wirken verliert und uns stattdessen gefühlt zwei Folgen aus der dritten Staffel von „The Mandalorian“ zeigt; in der fünften Folge kommt Boba überhaupt nicht vor, in der sechsten hat er das, was man gerne als „non speaking cameo“ bezeichnet – und das in seiner eigenen Serie. Die finale siebte Folge schließlich, in der die Schlacht um Mos Espa gezeigt wird, zeigt die Probleme der Serie noch einmal kondensiert: Wie die gesamte Staffel hat auch diese Abschlussfolge viele coole Ideen, seien es die Scorpenek-Droiden oder der Rancor in Aktion, in letzter Konsequenz will aber alles nicht so recht zusammenfinden, was zum Teil auch an der Regieführung liegt – hier schwankt die Serie mitunter stark. Gerade die inszenatorischen Schwächen der siebten Folge, die den Titel „In the Name of Honor“ trägt, hat mal wieder zu Übersprungshandlungen bei Star-Wars-Fans geführt, die per Petition erreichen wollten, dass Robert Rodriguez nie wieder im Franchise aktiv wird. So idiotisch ich derartige Reaktionen auch finde, Rodriguez‘ Folgen (eins, drei und sieben) waren definitiv die schwächeren dieser Staffel, und auch der sehr unfokussierten sechsten Folge, „From the Desert Comes a Stranger“, merkt man an, dass Dave Filoni im Regie-Bereich noch das eine oder andere lernen muss. Die diesbezüglich stärksten Folgen waren zweifelsohne Kapitel 2, „The Tribes of Tatooine“ von Steph Green und Kapitel 5, „Return of the Mandalorian“ von Bryce Dallas Howard. Letztere hat auch in den beiden Mandalorian-Staffeln sehr gute Arbeit geleistet und ein gewisses Händchen für die weit, weit entfernte Galaxis bewiesen; vielleicht wäre sie eine gute Kandidatin für einen wie auch immer gearteten Star-Wars-Film.

Boba und das Ensemble
Boba Fetts Charakterisierung war über die verschiedenen Medien hinweg nie besonders kohärent. Die Figur, wie sie in Episode V und VI auftaucht, gibt einem als Autor, der den Kopfgeldjäger weiterentwickeln soll, auch nicht allzu viel an die Hand. Selbst vor Episode II war seine Persönlichkeit über das Badasstum hinaus nicht unbedingt konsistent, mitunter wurden ihm sogar zolibatäre Tendenzen angedichtet. Nach „Attack of the Clones“ konzentrierte man sich in den Legends-Romanen und -Comics stärker auf Boba als Träger des mandalorianischen Vermächtnisses von Jango, er erhielt nicht nur eine Jugendbuchserie, die schildert, wie er mit dem Tod seines Vater umgeht und die Klonkriege erlebt, in der Buchreihe „Legacy of the Force“ macht ihn Autorin Karen Traviss gar auf seine alten Tage zum neuen Mandalore. „The Book of Boba Fett“ möchte uns nun einen Boba zeigen, der nach dem Ausflug in den Sarlacc endgültig genug davon hat, sich als Kopfgeldjäger seine Brötchen zu verdienen. Von seinem Tusken-Stamm lernt er den Wert der Gemeinschaft, um anschließend als ehrbarer Gangsterboss Mos Espa bzw. Tatooine (wie groß genau sein Einflussgebiet nun ist, wird nicht definiert) zu kontrollieren. Ob diese Entwicklung konzeptionell zu dem rücksichtslosen Kopfgeldjäger, den wir in Episode V kennen lernen, oder den vorherigen Darstellungen passt, ist sicher diskutabel, aber selbst wenn wir davon ausgehen, scheitert „The Book of Boba Fett“ letztendlich an der Umsetzung. Für mich persönlich ist Bobas Entwicklung einerseits zu plakativ und andererseits nicht unbedingt nachvollziehbar, was primär an der unsauberen Erzählweise liegt. In welche Richtung das gehen soll, zeigt sich bereits in Kapitel 2, und allein von dieser Folge ausgehend hätte das auch funktionieren können, hätte man nicht beschlossen, in den Schnellvorlauf zu gehen und die Tusken gleich in der nächsten Episode offscreen niederzumetzeln. Vielleicht wäre es besser gewesen, den Stamm stattdessen zur Grundlage von Bobas kriminellem Imperium zu machen. Erschwerend hinzu kommt Bobas schiere Naivität und Blauäugigkeit in der Gegenwartshandlung: Wie genau hat er sich seinen Weg zur Macht eigentlich vorgestellt? Selbst nachdem er zwei Gamorreaner auf seine Seite gebracht hat, ist er allen anderen Fraktionen nach wie vor gnadenlos unterlegen, ein erstes Attentat überlebt er durch schieres Glück. Boba scheint einfach nicht das zu haben, was man als Gangsterboss braucht, sowohl im Bezug auf Verstand als auch auf Rücksichtslosigkeit. Ich denke, hier liegt ein Problem vor, dass viele Geschichten haben, die vorgeben, einen Antihelden oder Schurken als Protagonisten zu haben: Die kreativen Köpfe haben Angst davor, zu weit zu gehen und ihr Publikum zu entfremden. Egal ob Maleficent im nach ihr benannten Film oder Dracula in „Dracula Untold“, beide Filme haben dasselbe Problem wie „The Book of Boba Fett“. Selbst die rücksichtslose Brutalität, mit der Boba in der zweiten Mandalorian-Staffel gegen die Sturmtruppen vorging, findet sich hier nicht. So ungern ich das sage, Boba Fett ist in seiner eigenen Serie einfach zu nett. Erschwerend hinzu kommt der Umstand, dass wir keinen wirklich Einblick in Bobas Charakter vor dem Sturz in den Sarlacc erhalten und so nicht einmal ein wirkungsvoller Kontrast etabliert wird – die Serie verlässt sich fast ausschließlich auf seinen im Fandom vorherrschenden Ruf.

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Black Krrsantan (Carey Jones)

Die Charakterisierung der anderen Figuren lässt leider ebenfalls zu wünschen übrig. Wie bereits erwähnt stellt „The Book of Boba Fett“, gerade im Figurenbereich, eine Reihe wirklich cooler Konzepte vor, arbeitet sie dann aber kaum aus. Dafür, dass Fennec Shand beispielsweise neben Boba eigentlich die zentrale Figur der Serie ist, erfahren wir kaum mehr über sie, als wir aus ihren Auftritten in „The Mandalorian“ ohnehin schon wissen. Zudem bleibt ihre Beziehung zu Boba merkwürdig undefiniert. Mina-Na Wen tut mit dem Material, das sie bekommt, was sie kann, aber es ist einfach nicht besonders viel. Mit dem Wookiee Black Krrsantan, den Cyborg-Bikern oder dem von Danny Trejo gespielten Rancor-Trainer verhält es sich sehr ähnlich. Überall wäre sehr viel Potential vorhanden, aber Dave Filoni, Jon Favreau und Robert Rodriguez belassen es bei einer sehr oberflächlichen Ausarbeitung.

Noch schwerer wiegt der Mangel an wirklich eindringlichen Antagonisten – Bobas Feinde bleiben über weite Strecken undefiniert und gesichtslos. Zu Beginn scheinen die beiden Hutt-Zwillinge die primären Antagonisten zu sein, das hat sich aber nach ihrem zweiten Auftritt bereits wieder erledigt. Die Pykes, die wir bereits aus „The Clone Wars“ und „Solo“ kennen, rücken schließlich als die Unterweltfraktion an, die das größte Interesse an Tatooine hat, liefern aber kein wirkliches Gesicht mit: Weder der Bürgermeister von Mos Espa, noch der Sprecher des Syndikats eignen sich wirklich als funktionierender Antagonist. Natürlich ist da noch Cad Bane (Corey Burton), doch dieser taucht viel zu spät und zu wenig auf, um in dieser Rolle funktionieren zu können. Durch diese Gesichtslosigkeit verliert Bobas Sieg am Ende an Bedeutung. Es hätten ja nicht gleich Qi’ra und Crimson Dawn sein müssen, die sich viele Fans in dieser Rolle gewünscht haben, aber irgendjemand, der frühzeitig als funktionierender Antagonist aufgebaut worden wäre, hätte der Serie gut getan.

Mandalorian Staffel 2,5? Verordnung im Franchise
Manchmal könnte man fast den Eindruck bekommen, Filoni, Favreau und Rodriguez ging es weniger darum, tatsächlich eine Geschichte mit Boba Fett zu erzählen, sondern stattdessen eine ganze Menge an Vorarbeit für künftige Serien zu leisten. Die visuell extrem beeindruckende Ringwelt Glavis etwa wirkt für ihr kurzes Vorkommen in der fünften Folge beispielsweise zu aufwendig, weshalb wohl davon auszugehen ist, dass sie auch in zukünftigen Projekten wieder auftauchen wird. Neben derartiger Vorarbeit finden sich auch viele Rückbezüge. Im Guten wie im Schlechten ist „The Book of Boba Fett“ stark im Franchise verwurzelt. Prinzipiell ist das erst einmal positiv, gerade im Vergleich zur Sequel-Trilogie, wo man konstant versuchte, das Rad neu zu erfinden, anstatt sich existierender Ressourcen zu bedienen. Dass die Macher der Disney-Serien sehr wohl sowohl mit dem alten als auch dem neuen Kanon vertraut sind und keine Hemmungen haben, sich daraus zu bedienen, zeigt sich immer wieder, von subtilen Verweisen auf Comics aus den frühen 2000ern, etwa „Jango Fett: Open Season“ in „The Mandalorian“ Staffel 2 oder hier nun „Outlander“, bis hin zur Umsetzung von Figuren, die bislang nur in Romanen, Comics oder Animation auftauchten. Cobb Vanth (aus Chuck Wendigs Aftermath-Trilogie, gespielt von Timothy Olyphant) und Ahsoka (aus „The Clone Wars“ und „Rebels“, gespielt von Rosario Dawson) tauchten beide bereits in „The Mandalorian“ auf und dürfen auch in „The Book of Boba Fett“ vorbeischauen, zusätzlich gesellen sich nun Black Krrsantan (aus diversen Comics) und Cad Bane („The Clone Wars“) dazu – und ich bin sicher, dass wir beide nicht zum letzten Mal gesehen haben. Auch darüber hinaus ist die Liebe zum Detail wirklich beeindruckend. So taucht in der zweiten Episode beispielsweise die in Episode IV erwähnte Tosche Station auf, bei der es sich tatsächlich um eine exakte Nachbildung des Sets handelt, das in einer geschnittenen Szene aus „A New Hope“ zu sehen ist. Das nenne ich Hingabe.

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Cad Bane (Corey Burton)

Leider kompensiert das nicht den Bruch nach den ersten vier Folgen. Man verstehe mich nicht falsch, die fünfte Folge, „Return of the Mandalorian“, ist zusammen mit der zweiten die beste der Staffel und besticht durch wirklich gelungene Regiearbeit von Bryce Dallas Howard und vielleicht eine Spur zu viel Fanservice (andererseits: viel Prequel-Liebe), aber in einer Serie mit dem Titel „The Book of Boba Fett“ ist eine Folge, die wunderbar als Auftakt für die dritte Mandalorian-Staffel hätte fungieren können, irgendwie fehl am Platz. Und wenn dann die darauffolgende Episode nochmal ihren Fokus auf Din Djarin (Pedro Pascal) legt und es zudem Auftritte von Grogu, Luke Skywalker (mit verbessertem, aber noch nicht optimalem CGI-Gesicht) und Ahsoka gibt, während der eigentliche Protagonist auf ein stummes Cameo reduziert wird, dann stimmt etwas ganz und gar nicht. Spätestens hier wird man den Eindruck nicht los, dass „The Book of Boba Fett“ letztendlich „The Mandalorian“ Staffel 2,5 ist und in erster Linie dazu dient, Dinge für Kommendes vorzubereiten. Offenbar wollte man zum Auftakt der tatsächlichen dritten Staffel Din und Grogu bereits wieder als Duo zeigen, weshalb ihre Wiedervereinigung als B-Plot ins Finale gepackt wird. All das lenkt nicht nur die Aufmerksamkeit von Boba Fett ab, sondern sorgt gleichzeitig dafür, dass auch die Mandalorian-Aspekte nicht ausreichend gewürdigt und eher „nebenbei“ abgearbeitet werden. Gerade das Auftauchen von Luke, Ahsoka und Grogu halte ich hier für höchst kontraproduktiv, da ihre Auftritte automatisch alles überschatten.

Soundtrack

Beim Soundtrack haben wir eine ähnliche Situation wie bei „Solo: A Star Wars Story“: Ludwig Göransson, der die Scores der beiden Mandalorian-Staffeln komponierte, steuerte ein Thema für die Titelfigur bei, während ein anderer Komponist, in diesem Fall der mir bislang unbekannte Joseph Shirley, der wohl vor allem als „Score Programmer“ (was auch immer das sein mag) an diversen Göransson-Scores mitarbeitete und dort auch zusätzliche Musik lieferte, die Ausgestaltung übernahm. Das Ergebnis ist leider bei weitem nicht so überzeugend wie John Powells Solo-Score: Wie nicht anders zu erwarten orientiert sich Shirley sehr stark am von Göransson kreierten Mandalorian-Sound, lieferte aber eine, man möchte fast sagen, verwässerte Version davon – im Guten wie im Schlechten weniger experimentell, aber auch weniger markant, zumindest abseits des Hauptthemas, das ein ziemlich eingängiger Ohrwurm ist, auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob es wirklich zu Boba Fett passt. Göranssons Mandalorian-Thema taucht zusammen mit Din Djarin natürlich ebenfalls auf und zudem dürfen zwei Williams-Themen in der sechsten Episode Gastauftritte absolvieren, während Grogus Training erklingen sowohl Yodas Thema als auch das Machtthema. Ohnehin rückt die Musik, die wir während des Aufenthalts auf Lukes bislang namenlosem Akademie-Planeten hören, stilistisch deutlich näher an Williams heran. Es ist allerdings schade, dass Williams‘ ursprüngliches Boba-Fett-Motiv aus „The Empire Strikes Back“ nicht ein einziges Mal erklingt, das wäre wirklich ein nettes musikalisches Easter Egg gewesen.

Fazit: Während „The Book of Boba Fett” viele coole Elemente, Figuren und Ideen hat, kommt das alles doch nie zu einem großen Ganzen zusammen. Strukturelle und erzählerische Probleme sowie die unausgegorene Entwicklung der Titelfigur und zwei Episoden, die eher aus „The Mandalorian“ Staffel 3 zu stammen scheinen, sorgen schließlich dafür, dass die Soloserie des allseits beliebten Kopfgeldjägers zu einer äußerst unrunden Angelegenheit mit sehr viel verpasstem Potential wird und deutlich hinter den beiden Mandalorian-Staffeln zurückbleibt.

Trailer

Bildquelle (© 2021 Lucasfilm Ltd. & ™. All Rights Reserved.)
Bildquelle Black Krrsantan
Bildquelle Cad Bane

Siehe auch:
The Mandalorian – Staffel 1 & 2
Jango Fett: Open Season
Outlander

Outlander

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Erst vor wenigen Tagen endete die erste Staffel der zweiten Star-Wars-Realserie. „The Book of Boba Fett“ verdient natürlich einen eigenen, ausführlichen Artikel, zuvor gilt es allerdings, ein deutlich älteres Werk aus dem Bereich Star Wars Legends zu besprechen, das „The Book of Boba Fett“ durchaus beeinflusst haben könnte, jedenfalls gibt es einige inhaltliche und thematische Parallelen. Es handelt sich dabei um „Outlander“, den zweiten Handlungsbogen der 1998 gestarteten Star-Wars-Comicserie, die später den Beinamen Republic erhalten sollte und Geschichten aus der Prequel-Ära erzählt. Diese Story füllte die Hefte 7 bis 12 besagter Serie und lief von Juni bis November 1999. Wie schon im ersten Handlungsbogen mit dem Titel „Prelude ot Rebellion“ fungiert der cereanische Jedi Ki-Adi-Mundi als Protagonist.

Die Story des von Timothy Truman geschriebenen und von einer Reihe verschiedener Zeichner umgesetzten Handlungsbogens konzentriert sich ganz auf Tatooine und die Tusken. Kurz nach den Ereignissen von „The Phantom Menace“ verhalten sich die Sandleute gegenüber den Feuchtfarmern und Siedlern der Wüstenwelt mit einem Mal deutlich feindseliger: Ihre Stämme haben sich unter einem Kriegsherrn vereint und führen gezielte, gut koordinierte Angriffe aus. Für die Jedi besonders beunruhigend ist der Umstand, dass besagter Kriegsherr ein Lichtschwert trägt. Und es ist nicht irgendein Lichtschwert, sondern die Waffe des legendären Ritters Sharad Hett, der seit vielen Jahren als tot gilt. Um dem nachzugehen, schickt der Jedi-Rat Ki-Adi-Mundi. Dieser soll auf Tatooine mit dem Hutten Jabba Desilijic Tiure Kontakt aufnehmen, wird von dem Gangster jedoch hintergangen und während eines Sandsturms in der Wüste zurückgelassen. In einer Höhle findet er Unterschlupf, diese gehört jedoch unglücklicherweise einem Kraytdrachen. Allerdings findet Sharad Hett Mundi hier und hilft ihm, zusammen mit seinem Sohn A’Sharad, die Bestie zu besiegen. Von Hett erfährt Mundi, dass der Konflikt zwischen den Farmern und den Tusken von Jabba provoziert wurde, damit dieser veraltete Blaster zu Höchstpreisen verkaufen kann. Auch Jabbas Rivalin Gardulla Besadii hat ihre Finger im Spiel, da beide Hutts die Vorherrschaft auf Tatooine erringen wollen. Ein finaler Konflikt zwischen den Tusken und den Streitkräften der Hutts scheint unausweichlich…

Während Jan Strnad bei „Prelude to Rebellion” das Problem hatte, nur auf sehr begrenzte Informationen bezüglich der Episode-I-Inhalte zurückgreifen zu können, da die ersten Ausgaben fast ein halbes Jahr vor Kinostart erschien, konnte Timothy Truman da deutlich mehr Inhalte, Designs und Figuren integrieren. Truman knüpft an die Charakterisierung Ki-Adi-Mundis durchaus an, verlagert aber den inhaltlichen Fokus: Die Geschichte, die in „Prelude to Rebellion“ erzählt wurde, war, da es sich um die Heimatwelt und Familie des Protagonisten drehte, deutlich persönlicher. Stattdessen erfahren wir bei „Outlander“, dass Ki-Adi-Mundi vom Jedi-Rat für diese Mission ausgewählt wurde, weil er gerade keine persönliche Beziehung zu Sharad Hett hatte. Ein wenig schwingen die Ereignisse von „Prelude to Rebellion“ dennoch nach, da Mundi auch hier Tatooine besuchte und noch eine offene Rechnung mit Jabba hat – letztendlich einer der Gründe, weshalb er von dem Hutt verraten wird. Obwohl „Outlander“ für den Protagonisten weniger persönlich ist und Ki-Adi-Mundi sich als Figur nicht wirklich weiterentwickelt, finde ich persönlich diesen zweiten Handlungsbogen doch um einiges spannender und unterhaltsamer als den ersten, er ist wendungsreicher, in seinen Actionszenen deutlich dynamischer und fühlt sich, aufgrund des oben erwähnten Umstandes, deutlich besser mit dem größeren Star-Wars-Universum verknüpft.

Inhaltlich stellt Truman hier die Tusken und ihre Kultur stärker in den Fokus, als das zuvor geschah, zumindest soweit ich weiß. Vor allem in Episode IV und I bleiben die Sandleute relativ typische, undifferenzierte „Wilde“. In „Outlander“ erfahren wir deutlich mehr über ihre Gebräuche, Traditionen und auch, dass ihnen vor allem von den Hutts mitunter sehr übel mitgespielt wurde. Ähnliche Bemühungen unternehmen auch die zweite Staffel von „The Mandalorian“ sowie „The Book of Boba Fett“. Obwohl „Outlander“ und „The Book of Boba Fett“ in zwei völlig unterschiedlichen SW-Ären spielen, gibt es doch einige Parallelen zwischen Sharad Hett und Boba Fett, die über die drei identischen Buchstaben im Nachnamen hinausgehen. Beide landen allein und auf sich gestellt in der Wüste Tatooines und werden schließlich von einem Tusken-Stamm „adoptiert“, lernen die Bedeutung ihrer Gemeinschaft kennen und steuern zugleich eine „Außenseitsicht“ bei. Und in beiden Fällen wird der Tusken-Stamm in letzter Konsequenz von kriminellen Elementen vernichtet. In „Outlander“ wird natürlich auch die Frage gestellt, ob die Philosophie der Jedi mit der Sichtweise der Tusken kompatibel ist. Obwohl Ki-Adi-Mundi die Figur ist, der wir folgen, ist Sharad Hett mindestens in gleichem Ausmaß Protagonist der Geschichte und hier auch die deutlich komplexere Figur, deren Hintergründe in einem ausführlichen Flashback geschildert werden. Natürlich könnte man sich beschweren, dass hier schon wieder Tatooine in den Mittelpunkt gerückt wird, aber immerhin dient „Outlander“ tatsächlich dazu, diesen essentiellen Star-Wars-Schauplatz besser kennenzulernen und ausführlicher zu erforschen. Im Kontext der Disney-Serien ist zudem das Auftauchen des Krayt-Drachen interessant, der hier deutlich mehr nach klassischem Drachen als nach übergroßem Sandwurm aussieht. Aber auch in „Outlander“ spielt die Kraytdrachenperle für die Tusken eine wichtige Rolle.

Timothy Truman erweist sich als relativ geschickt darin, diverse Elemente sowohl aus „Prelude to Rebellion“ als auch aus „The Phantom Menace“ aufzugreifen, so finden sich mehrere Verweise zu den Ereignissen der ersten Star-Wars-Episode, die durchaus sinnvoll sind die Motivationen der Jedi in dieser Angelegenheit passend erklären. Besonders bemerkenswert ist „Outlander“ als erster Comic-Auftritt der Kopfgeldjägerin Aurra Sing. Diese tauchte in „The Phantom Menace“ kurz während des Podrennens auf, gespielt von Michonne Bourriague – nach bester Star-Wars-Tradition musste sie eine ausführliche Hintergrundgeschichte bekommen, die hier ihren Anfang nimmt. So erfahren wir, dass Aurra Sing nicht einfach nur eine Kopfgeldjägerin, sondern eine ehemalige Padawan ist und zudem noch von An’ya Kuro, der Jedi, die Ki-Adi-Mundi von Cerea holte, ausgebildet wurde. Aurra Sing entwickelte sich jedoch zur Jedi-Killerin – in „Outlander“ hat sie es, im Auftrag Gardullas, auf Sharad Hett abgesehen. Aurra Sing sollte noch ein einigen Comics dieser Reihe auftreten und später auch in „The Clone Wars“ auftauchen, gesprochen von Jaime King. In „The Clone Wars“ und im Disney-Kanon scheint Aurra Sing allerdings keine ehemalige Jedi zu sein und auch kein Lichtschwert zu führen.

Apropos Lichtschwert: Diesbzüglich gibt es in den vor Episode II erschienen Comics noch einige interessante Anekdoten. In dieser Zeit waren Lichtschwertfarben eine relativ willkürliche Angelegenheit – erst im Zuge von „Attack of the Clones“ wurde festgelegt, dass Jedi, mit einigen wenigen Ausnahmen, ausschließlich grüne und blaue Lichtschwerter führen, von den späteren Entwicklungen in „The Clone Wars“ und im Disney-Kanon gar nicht erst zu sprechen. Dementsprechend werden in „Outlander“ und den vor 2002 erschienene Comics die Farben relativ wild verteilt, Ki-Adi-Mundi führt ein violettes Lichtschwert und Sharad Hett, A’Sharad Hett und Aurra Sing bedienen sich roter Waffen, obwohl sie allesamt keine Sith sind. Die Assoziation der roten Klinge mit der Dunklen Seite war sicher Absicht, bleibt aber letzten Endes genau das, eine Assoziation und kein Statement bezüglich der Zugehörigkeit. Nach Episode II wurden Lichtschwertfarben deutlich restriktiver gehandhabt und selbst Figuren wie A’Sharad Hett und Aurra Sing hatten ab diesem Zeitpunkt nur noch blaue oder grüne Schwerter. Man kann wohl in diesem Kontext von einem rückwirkenden Farbgebungsfehler ausgehen und annehmen, dass diese Lichtschwerter auch schon zu Episode-I-Zeiten blau oder grün waren.

Grafisch ist „Outlander“ relativ divers geraten, nicht zuletzt, da mit Tom Raney (Ausgabe 7), Rod Pereira (Ausgabe 7 und 9), Rick Leonardi (Ausgabe 8 und 10) und Al Rio (Ausgabe 11 und 12) vier verschiedene Zeichner beteiligt waren, zum Teil mit Wechseln im selben Heft. Mir persönlich sagen Al Rios Zeichnungen am meisten zu, da sie äußerst detailliert ausfallen und die Dynamik der finalen Schlacht relativ gut einfangen. Aufgrund der vielen Zeichner kommt es jedoch zu dem einen oder anderen Kontinuitätsfehler. Sowohl bei Al Rio als auch bei all seinen späteren Auftritten fällt beispielsweise A’Sharad Hett besonders durch seinen langen schwarzen Zopf auf, dieser fehlt bei seinem ersten, von Rick Leonardi gezeichneten Auftritt jedoch.

Fazit: „Outlander“ ist gerade im Kontext von „The Book of Boba Fett“ eine äußerst faszinierende Story, da hier diverse Entwicklungen bezüglich der Tusken über zwanzig Jahre zuvor vorweggenommen werden. Auch im Kontext der Prequels ist Ki-Adi-Mundis zweites Abenteuer eine deutlich lohnenswertere und spannendere Lektüre als der Vorgänger „Prelude to Rebellion“.

Bildquelle

Siehe auch:
Prelude to Rebellion
Darth Maul
Jango Fett: Open Season

Hemators Empfehlungen: Podcasts

Mein Hörpensum ist in etwa so umfangreich wie mein Lesepensum – dazu gehören neben Hörbüchern über Hörbücher auch diverse Podcasts. Die hier aufgeführten sind nicht alle, die ich regelmäßig oder sporadisch höre, sondern nur einige meiner Favoriten, in relativ willkürlicher Anordnung. Ich denke, die thematische Ausrichtung dürfte nicht allzu sehr überraschen.

Radio Tatooine/Weltenfunk (Deutsch)
Bei „Radio Tatooine“ handelt es sich nicht nur um den ersten deutschen Star-Wars-Podcast, sondern auch um den ersten Podcast, den ich regelmäßig hörte (und nach wie vor höre, auch wenn ich aktuell ein paar Folgen zurückliege). Ins Leben gerufen wurde „Radio Tatooine“ von Ben und Tim, die inzwischen eine Anzahl regelmäßig wiederkehrender Gäste um sich geschart haben, um (sehr, wirklich sehr) ausführlich, dabei aber auch extrem sympathisch über Star Wars zu diskutieren. Zwischenzeitlich etablierte Tim das Spin-off „Der Buchclub“, in dem SW-Literatur nicht minder ausführlich besprochen wird. „Radio Tatooine“ wird von einer recht sporadischen Veröffentlichungsrate geplagt, zeitweise ist monatelange gar nichts passiert, zum Ausgleich fallen die Folgen dann allerdings mitunter auch wirklich extrem umfangreich aus. Inzwischen läuft „Radio Tatooine“ als Abteilung des übergeordneten Podcast-Senders „Weltenfunk“, in dessen Rahmen durchaus auch über „Matrix“ oder „Dune“ diskutiert wird – die meisten Folgen beschäftigen sich aber nach wie vor mit der weit, weit entfernten Galaxis. Aktuell ist die Veröffentlichungsrate tatsächlich ziemlich ordentlich, u.a. durch einen Rewatch und einer damit verbundenen, folgenweisen Besprechung der ersten Staffel von „The Mandalorian“ sowie einer mehrteiligen Diskussion der SW-Anime-Serie „Star Wars Visions“ und einer fünfstündigen(!) Auseinandersetzung mit dem Trailer zu „The Book of Boba Fett“.
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BatCast (Deutsch)
Der BatCast gehört zur deutschen Batman-Infoseite batmannews.de und wurde dementsprechend vom Seitenbetreiber Bernd alias Batcomputer ins Leben gerufen. Inzwischen konnte eine ganze Reihe von Mitstreitern gewonnen werden, die im Rahmen des BatCast auch eigene Projekte verfolgen. Natürlich dreht sich in letzter Konsequenz alles um den Dunklen Ritter, insgesamt ist das Angebot thematisch aber äußerst vielseitig. Ausführliche Comic- und Filmbesprechungen (auch zu Bat-verwandten Filmen wie „The Suicide Squad“ oder „Zack Snyder’s Justice League“) werden ebenso offeriert wie News-Folgen, nostalgische Rückblicke oder Special-Interest-Gespräche, etwa zum Thema Fan-Sammlungen oder Crossover. Aktuell arbeitet sich das Team beispielsweise durch den Klassiker „Batman: The Long Halloween“, wobei zum jeweils passenden US-Feiertag eine Ausgabe besprochen wird. Die Diskussionen fallen dabei stets fundiert und sachlich kompetent aus, driften mitunter aber auch in nerdige Details ab (wobei ich wirklich der letzte bin, den das stört). Mit anderen Worten: Volle Empfehlung für alle Fans des Dunklen Ritters.
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Sideshow Sound Theatre (Englisch)
Sideshow Sound Theatre ist einer der ersten Filmmusik-Podcasts, die ich für mich entdeckte. Von den Komponisten Will und Wendell ins Leben gerufen, inzwischen aber moderiert von einem deutlich größeren Team, bietet Sideshow Sound Theatre eine ganze Reihe an unterschiedlichen Formten, darunter „Score Guide“, hier werden einzelne Scores ausführliche besprochen, umfassendere Episoden, beispielsweise zu Franchises wie „Assassin’s Creed“ oder der Dark-Knight-Trilogie, zu spezifischen Themen, etwa Schurken oder Filmmusik zum Training, oder „In Defence of“, in welchem Filme mit einem schlechten Ruf verteidigt werden. Die Frequenz der Veröffentlichungen ist generell etwas unregelmäßig, sodass zwischen den Episoden mitunter recht viel Zeit vergehen kann. Seit diesem Sommer ist allerdings Blogger-Kollege Lasse Vogt von Score Geek fester Bestandteil des Teams, nachdem er zuvor immer mal wieder als Gast mit dabei war, und betreut sein eigenes Format: „Track Swap“. Hier tauscht er mit einem Gast ein bis zwei Tracks aus mitunter eher unbekannten, aber gerade deshalb interessanten Soundtracks und spricht zwanzig bis dreißig Minuten mit dem jeweiligen Gast darüber. Auf diese Weise hat er in den letzten Monaten für regelmäßigen Output gesorgt – zudem sind diese kürzeren Segmente ideal geeignet, wenn man nach einer längeren Radio-Tatooine-Besprechung etwas kurzweilige Filmmusik-Abwechslung braucht. Besonders zu empfehlen sind die Episoden mit Podcast-Legende Erik Woods. Lasses eigener Podcast „Fans about Films“ sollte natürlich auch nicht unerwähnt bleiben.
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Tapcaf Transmissions (Englisch)
Bei „Tapcaf Transmission“ handelt es sich um ein Projekt der beiden Star-Wars-Youtuber Justin (Eckharts Ladder) und Corey (Corey’s Datapad), die hier primär über Literatur aus dem SW-Legends-Bereich sprechen, was mich natürlich besonders anspricht. Dabei arbeiten sie sich primär durch die Post-Endor-Timeline, allerdings mit Auslassungen und Abschweifungen, so haben sie unter anderem bereits die Darth-Bane-Trilogie und „Darth Plagueis“ besprochen, die deutlich vor den Filmen spielen. Zudem mischen sie immer wieder Inhalte aus dem Disney-Kanon mit ein und beschränken sich nicht nur auf die Literatur, so finden sich etwa auch Episoden zu einigen der High-Republic-Werken, „The Bad Batch“ und „Star Wars Visions“.
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Arkham Insiders (Deutsch)
Ein Podcast zu den Werken H. P. Lovecrafts darf hier natürlich nicht fehlen. Mirko und Axel sprechen bereits seit 2013 über Leben und Werk des Schriftstellers aus Providence haben es inzwischen auf stolze 173 Episoden gebracht, in denen sie sich ausführlich mit der Biografie und den Geschichten Lovecrafts beschäftigt haben. Zugegeben, die biografischen Episoden habe ich nur teilweise gehört, da Biografien von Autoren haben nie wirklich brennend interessiert haben – die zweibändige Lovecraft-Biografie von S. T. Joshi steht auch schon eine ganze Weile ungelesen im Regal. Aber irgendwann… Wie dem auch sei, Mirko und Axel liefern sehr schöne Besprechungen der einzelnen Storys, für längere wie „The Case of Charles Dexter Ward“ gibt es auch schon mal Doppelfolgen. Inzwischen haben sie die regulären Geschichten, die sich in den diversen Komplettausgaben finden, durchgearbeitet, aktuell besprechen sie die diversen Kollaborationen mit anderen Autoren bzw. die Storys, die Lovecraft als Ghostwriter betreut hat. Zusätzlich finden sich auch immer wieder Sonderfolgen, Interviews u.ä.
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Art of the Score (Englisch)
Noch mehr Filmmusik – „Art of the Score” ist bezüglich der Konzeption, ähnlich wie „Sideshow Sound Theatre“, ein Podcast von Komponisten, die über ihre Liebe zu Filmmusik sprechen, Scores analysieren und mitunter mehrmonatige Pausen zwischen den Episoden einlegen. Der Unterschied ist, dass besagte Komponisten Andrew, Dan und Nicholas Australier sind. „Art of the Score“ ist nicht ganz so vielseitig wie „Sideshow Sound Theatre“, geht bzgl. der Besprechungen aber oft noch ein wenig mehr in die Tiefe. Der Großteil der (noch recht überschaubaren) Episoden setzt sich mit einzelnen Soundtracks auseinander, es finden sich aber auch Sammelbesprechungen, etwa die sehr gelungenen dreiteilige zur Musik der James-Bond-Serie, die bei meiner eigenen Erforschung der Musik dieses Franchise von unschätzbarem Wert war. Zudem offeriert das Trio auch die eine oder andere thematische Episode, in den beiden neuesten sprechen die drei beispielsweise ausführlich über Studiofanfaren.
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25 Years of Vampire the Masquerade (Englisch)
Als das Pen&Paper-Rollenspiel „Vampire: The Masquerade“ 2016 seinen 25. Geburtstag feierte, begannen Nate und Bob damit, sich chronologisch durch die Veröffentlichungen des White-Wolf-Verlages durchzuarbeiten und alle Quellenbände zum Rollenspiel ausgiebig zu besprechen und ihre Hörer zudem auch an ihrer jahrelangen Erfahrung als Spieler und Spielleiter teilhaben zu lassen. Selbst unter dieser speziellen Auflistung an Podcasts ist das noch einmal ein besonderes Nischenthema, aber dennoch kann ich jedem, der sich für „Vampire: The Masquerade“ interessiert, diesen Podcast nur wärmstens ans Herz legen. Angefangen von der ersten Edition bis hin zur aktuellen fünften werden wirklich alle Quellenbände durchgearbeitet. Nachdem sie damit fertig waren, wandten sie sich umgehend dem Spin-Off „Vampire: The Dark Ages“ (bzw. „Dark Ages Vampire“) zu. Aus privaten Gründen musste Nate 2020 den Podcast leider verlassen, sodass Bob nun mit einem Team weitermacht, zugegeben ist es aber seither nicht mehr ganz dasselbe. Da „Masquerade“ und „Dark Ages“ inzwischen komplett abgearbeitet sind, fährt der Podcast zweigleisig und bespricht sowohl das verwandte Spiel „Werewolf: The Apocalypse“ als auch den Nachfolger „Vampire: The Requiem“.
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Dragons in Genesis (Englisch)
Der Außenseiter unter den Podcasts dieser Auflistung: In „Dragons in Genesis“ setzt sich Jason mit der Bibel und ihren mythologischen und historischen Hintergründen auseinander. Obwohl ich selbst absolut nicht gläubig bin, interessieren und faszinieren mich Religionen und Mythologien enorm – für eine historisch-kritische Herangehensweise an die Texte des Alten und Neuen Testaments eignet sich „Dragons in Genesis“ wunderbar. Manche Episoden sind vielleicht ein wenig überladen mit Informationen, speziell diejenigen, die sich mit den apokryphen Enoch-Büchern auseinandersetzen, aber generell werden die Inhalte gut vermittelt – mit einer Länge von 20 Minuten bis einer Stunde sind die einzelnen Folgen auch gut zu verarbeiten. Hier allerdings noch ein Wort der Warnung: Man merkt, dass Jason ein vom Glauben abgefallener Evangelikaler ist, dementsprechend spricht er sich sehr massiv gegen die wörtliche Auslegung der Bibel, Kreationismus und allgemein fundamentalistische Strömungen aus, die in den USA deutlich weiterverbreitet sind als in Deutschland. Auch bezieht er immer wieder historische „Randhypothesen“ ein, etwa das Konzept der „Temple Theology“, das von Margaret Baker etabliert wurde, oder die Hypothese des mythischen Jesus, der zufolge es nie einen historischen Jesus gab; diese wird von Bibelforschern wie Richard Carrier oder Robert M. Price vertreten.
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Echo 3 an Echo 7 (Deutsch)
Der neueste Podcast dieser Auflistung mit Max und Michael als Gastgeber, eng verknüpft mit dem deutschen SW-Wiki jedipedia.net – dementsprechend liegt der Fokus natürlich auf Star Wars, es werden aber auch andere „Nerd-Themen“ besprochen, etwa das MCU, „The Witcher“ und viele weitere. Zugegebenermaßen habe ich „Echo 3 an Echo 7“ bislang eher sporadisch gehört, schlicht weil meine Zu-Hören-Liste ebenso üppig ist wie meine Zu-Lesen-Liste. Ich möchte den Podcast dennoch wärmstens empfehlen, auch weil hier private Verknüpfungen bestehen und zudem in Folge 6 der Administrator des SW-Forenrollenspiels, in dem ich mitspiele (und bei dessen Hochzeit ich auch ganz zufällig Trauzeuge war) zu Gast war. Und da ich auch noch indirekt erwähnt wurde, möchte ich meinerseits ein wenig die Werbetrommel rühren.
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Story der Woche: The Tenebrous Way

Spoiler!

Ich habe schon das eine oder andere Mal Anthologien mit Kurzgeschichten besprochen, fand das in meinem bewährten Format allerdings stets ein wenig unbefriedigend: Entweder der entsprechende Artikel wird gewaltig, oder man muss die Einzelgeschichten sehr knapp abhandeln. Aus diesem Grund möchte ich ein neues Format ausprobieren, analog zum „Stück der Woche“: die „Story der Woche“, in deren Rahmen eine kurze Prosa- oder Comic-Geschichte ausführlicher besprochen werden kann, als das im Rahmen eines Sammelband-Artikels möglich ist. Beginnen möchte ich mit „The Tenebrous Way“, einer Star-Wars-Legends-Kurzgeschichte.

Verfasst wurde „The Tenebrous Way“ von Matthew Stover, dem es gelang, sich mit nur vier Romanen („Traitor“, „Shatterpoint“, „Revenge of the Sith“, „Luke Skywalker and the Shadows of Mindor”) als mein liebster Star-Wars-Autor zu etablieren. Bei dieser Kurzgeschichte handelt es sich bis dato um Stovers letztes Star-Wars-Werk (was ist da los, Disney?). Erstmals zu lesen war „The Tenebrous Way“ im Dezember 2011 auf den Seiten des Magazins „Star Wars Insider“ und diente praktisch als Prolog des im folgenden Monat erschienenen Romans „Darth Plagueis“ von James Luceno. Erst dieses Jahr wurde die Story, zusammen mit einer ganzen Reihe andere Star-Wars-Insider-Kurzgeschichten im Rahmen des großformatigen, illustrierten Hardcover-Sammelbandes „Star Wars Insider: The Fiction Collection“ neu aufgelegt – ein wirklich schönes Stück, das nur ein Manko hat: Hier werden Legends- und Kanon-Geschichten gemischt.

In Lucenos Roman erleben wir als Leser den nach bester Sith-Tradition begangenen Mord Plagueis‘ an seinem Meister Darth Tenebrous aus der Sicht des Mörders, in der Kurzgeschichte hingegen schildert Stover dasselbe Ereignis aus der Perspektive des Opfers – und so erfahren wir, dass das alles zu Tenebrous‘ Plan gehört. Wie so viele andere seines Schlages hat auch der zur Spezies der Bith (macht ihn das zu einem „Bith-Lord“?) gehörende Tenebrous einen Plan, die Unsterblichkeit zu erlangen und eine recht eigene Sichtweise auf die Macht und den Orden der Sith. Die Bith, deren bekannteste Vertreter in den Filmen die Mitglieder der Cantina-Band „Figrin D’an and the Modal Nodes“ aus „A New Hope“ sind, sind eine Spezies, die sich vor allem als Mathematiker hervortun. Dementsprechend versucht Tenebrous, seine Ziele über die Kombination aus der Dunklen Seite der Macht und der Mathematik der Bith zu erreichen, beispielsweise, indem er nicht einfach nur die Macht nutzt, um in die Zukunft zu blicken, sondern indem er sie kalkuliert. Bei diesen Kalkulationen macht Tenebrous einen Schatten aus, der die Galaxis zu verschlingen droht. Zudem sieht er, dass es in der Zukunft nur „Einen Sith“ geben wird. Das Problem dabei ist: Tenebrous sieht auch seinen eignen Tod durch Plagueis‘ Hand – und es gefällt ihm überhaupt nicht, dass er nicht selbst der „Eine Sith“ sein wird.

Also schmiedet Tenebrous einen Plan, um doch überleben zu können, wobei er sich, wie sein Schüler, der Manipulation der Midi-Chlorianer bedient. Tenebrous lässt seinen eigenen Midi-Chlorianer mithilfe eines Retrovirus mutieren und erschafft auf diese Weise „Maxi-Chlorianer“, mit deren Hilfe er sein Bewusstsein erhalten kann und versucht, in Plagueis Körper zu immigrieren, um von dort aus schließlich in den Körper des prophezeiten Auserwählten, der die große Dunkelheit bringen wird, springen zu können. Sobald er nach seinem Tod auf diese Weise allerdings Zugriff auf Plagueis eigene präkognitive Fähigkeiten erhält, muss er feststellen, dass dieser Plan zum Scheitern verurteilt ist, weil Plagueis scheitert und von seinem eigenen Schüler niedergestreckt wird. Letztendlich hat sich Tenebrous das selbst zuzuschreiben, da es seine Maxi-Chlorianer sind, die von nun an Plagueis Fähigkeiten, die Zukunft vorherzusehen, blockieren. Panisch verlässt Tenebrous Plagueis‘ Körper und ist von nun an gezwungen, die letzten Momente seines Lebens immer wieder zu durchleben.

Stovers Ziel mit „The Tenebrous Way” war es, eine besondere Horror-Geschichte im Star-Wars-Universum zu schreiben. Dieses Unterfangen mit einem Sith als Protagonisten ist freilich eine besondere Herausforderung, eignen sich die Dunklen Lords in diesem Kontext doch eher als die Monster. Deshalb ist Tenebrous hier auch sein eigener Gegner, seine Machenschaften sind es, die zu seinem fürchterlichen Schicksal führen. Wie üblich ist Stover dabei sehr an den metaphysischen Elementen der Macht interessiert und geht, wie der „zugehörige“ Roman „Darth Plagueis“ stark auf die Midi-Chlorianer-Thematik ein. Diese hat im Fandom bekanntermaßen einen ziemlich schlechten Ruf, der in meinen Augen nicht ganz gerechtfertigt ist. Die Midi-Chlorianer wurden oft als Erklärung für die Macht missverstanden, sie sind aber lediglich biologische Spuren und dienen zur Kommunikation mit der Macht, sie sind nicht mit ihr identisch und auch nicht der finale Schlüssel zu ihrer Interpretation – sowohl „Darth Plagueis“ als auch spätere Folgen der Serie „The Clone Wars“ haben das überaus deutlich gemacht. Die Idee der Maxi-Chlorianer ist in diesem Kontext ein typisches Stover-Produkt, das einerseits einer gewissen Logik nicht entbehrt, andererseits aber auch nicht ganz ernst zu nehmen ist, mit dem typischen, Stover’schen Augenzwinkern präsentiert wird und sowohl die inhaltliche Konzeption als auch die Fanreaktion ein wenig auf den Arm nimmt.

Rein auf der Handlungsebene passiert hier tatsächlich nicht allzu viel, Stover schildert lediglich Tenebrous‘ Gedanken bei seinem Tod, dabei gelingt es ihm aber, diesen Sith-Lord auf ebenso knappe wie effektive Weise zu charakterisieren und zugleich seine größten Schwäche offenbaren. Wie so viele andere Sith auch glaubt Tenebrous geradezu dogmatisch, den einen Schlüssel zum Sieg und zur Entschlüsselung der Macht gefunden zu haben. Genau wie sein Schüler Darth Plagueis stolpert er dabei letztendlich über seine eigenen losen Enden und Unzulänglichkeiten. Auf gewisse Weise bekommt er, was er angestrebt hat: Die Unsterblichkeit. Aber unglücklicherweise ist er dabei in einer mentalen Zeitschleife gefangen. Wie für Stover üblich finden sich außerdem diverse weitere Legends-Anspielungen, in der Zukunft nimmt Tenebrous beispielsweise „Einen Sith“ wahr und interpretiert das als eine singuläre Person, während der Kenner des „Expanded Universe“ hinter dieser Vision natürlich Darth Krayt und seinen Orden der „Einen Sith“ (viele Sith, die als Kollektiv einem Willen folgen) erkennt, der aus der in der fernen Zukunft spielenden Comicserie „Legacy“ kommt. Über diesen Kniff vermittelt Stover, wie fehlbar Tenebrous Kalkulationen der Zukunft tatsächlich sind.

Fazit: Mit „The Tenebrous Way” verfasste Mattthew Stover nicht nur eine exzellente Begleitgeschichte zu James Lucenos „Darth Plagueis“, sondern auch eine der besten Star-Wars-Kurzgeschichten überhaupt. Wer Stovers Stil und seine Macht-philosophischen Einschübe zu schätzen weiß, sollte sich „The Tenebrous Way“ nicht entgehen lassen. Die oben eingebettete Fan-Lesung ist eine gute Gelegenheit.

Siehe auch:
Revenge of the Sith
Darth Plagueis

The Mandalorian: Staffel 1 & 2

Spoiler für beide Staffeln!
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Während die Sequels die Star-Wars-Fangemeinde zutiefst gespalten zurückgelassen haben, scheinen die beiden Staffeln von „The Mandalorian“ exakt das Gegenteil bewirkt zu haben – im Großen und Ganzen hat diese erste Live-Action-Serie von Jon Favreau und Dave Filoni verschiedene Fraktionen des Fandoms wieder zusammengebracht. Eine Betrachtung dieser Serie meinerseits ist im Grunde lang überfällig, deshalb halten wir uns gar nicht erst lange mit Vorgeplänkel auf, sondern starten direkt durch.

„This is the Way“: Handlung und Struktur von Staffel 1
Ende der 90er erschien bei Dark Horse die Miniserie „Crimson Empire“ – nachdem ich die erste Staffel von „The Mandalorian“ gesehen hatte, empfand ich sie gewissermaßen als Disney-Gegenstück, wenn auch eher auf konzeptioneller denn inhaltlicher Ebene. In beiden Fällen nahm man sich einen Aspekt, der in der OT nicht allzu ausgiebig erforscht wurde – in „Crimson Empire“ die Rotgardisten des Imperators, in „The Mandalorian“ die Mandalorianer, und schuf eine größtenteils eigenständige und in sich geschlossene Geschichte mit einem neuen Protagonisten und nur marginalen Verbindungen zu den Filmen. Im Falle von „The Mandalorian“ ist das Din Djarin (Pedro Pascal), ein enigmatischer mandalorianischer Kopfgeldjäger, der fünf Jahre nach der Schlacht um Endor im Auftrag eines mit dem Restimperium verbündeten Klienten (Werner Herzog) auf Arvala-7 ein besonders „Gut“ sicherstellen soll. Bei diesem Gut handelt es sich um das 50 Jahre alte Kleinkind einer sehr langlebigen Spezies, die Din Djarin zwar unbekannt ist, den Zuschauern jedoch sehr vertraut sein dürfte – und das nicht nur, weil „The Child“ alias Baby Yoda alias Grogu seit dem Start der ersten Staffel praktisch allgegenwärtig war. Din Djarin liefert den liebenswerten kleinen Kerl wie vereinbart ab, bekommt dann allerdings Zweifel, da ziemlich klar ist, dass das Imperium nicht unbedingt an seinem Wohlergehen interessiert ist. Nachdem es ihm gelungen ist, mit Hilfe einiger mandalorianischer Kameraden mit dem Kind zu entkommen, beginnt eine Odyssee, die ihn zu mehreren Outer-Rim-Planeten führt. Während er eine Antwort auf die Frage sucht, was denn nun mit seinem Schützling zu tun ist, trifft der Mandalorianer neue Verbündete wie die ehemalige Rebellenoffizieren Cara Dune (Gina Carano), aber auch Gegner wie die Attentäterin Fennec Shand (Ming-Na Wen). Sein Weg führt ihn schließlich zurück zum Ursprung des Auftrags, denn der imperiale Moff Gideon (Giancarlo Esposito), der letztendlich hinter der Suche nach dem Kind steckt, ist immer noch erpicht darauf, seinen Preis zu erhalten.

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Din Djarin (Pedro Pascal) und Grogu

Serien haben meistens entweder einen durchgehenden Handlungsstrang mit „offenen“ Episoden wie etwa „Game of Thrones“ oder sie gehen nach einem bestimmten Schema vor – am deutlichsten bei Krimiserien zu beobachten: Neue Folge, neuer Fall, der innerhalb einer Episode (manchmal auch zwei) abgeschlossen ist. Aber selbstverständlich finden sich auch alle möglichen Mischformen – in diese Kategorie kann man auch „The Mandalorian“ einordnen. Es gibt einen übergeordneten Handlungsstrang, aber vor allem in der Mitte der ersten Staffel sind die einzelnen Folgen relativ in sich geschlossen. Vor allem die Episoden 4 bis 6 könnte man relativ mühelos untereinander austauschen. Strukturell erinnern diese mitunter an die Quests eines Spiels: Um auf seinem Weg weiterzukommen, muss Din Djarin das Problem einer anderen Person lösen – dieses Element wird vor allem in Staffel 2 noch deutlich stärker, da hier das Ziel des Mandalorianers eindeutiger ist.

Was die erste Staffel darüber hinaus auszeichnet, ist ihr sehr gemäßigtes und ausgeglichenes Erzähltempo. Das fällt besonders im Vergleich mit der fast zeitgleich erschienenen neunten Episode der Skywalker-Saga auf, bei der genau das Gegenteil der Fall war. Hier hatte man stets das Gefühl, J. J. Abrams wolle einen partout nicht zur Ruhe kommen lassen – man könnte ja über das gerade gesehene nachdenken. „The Mandalorian“ dagegen wählt genau den entgegengesetzten Ansatz, nimmt sich Zeit, lässt Figuren und Setting atmen. Das führt in letzter Konsequenz dazu, dass die erste Staffel strukturell sehr gut ausbalanciert ist, gerade weil sie sich die nötige Zeit nimmt: In den ersten drei Folgen wird der Status Quo (Mando und Kind als ungleiches Duo) etabliert, in den zweiten drei beibehalten, aber immer wieder auf die Probe gestellt und in den letzten beiden schließlich ernsthaft gefährdet.

„You are a clan of two“: Figuren und Setting
Wie bereits erwähnt arbeitet zumindest die erste Staffel ausschließlich mit neuen Figuren, die jedoch an die bekannte Ikonographie geknüpft sind. Die Sturmtruppen als Repräsentanten eines (stark geschwächten) Imperiums sind selbst dem „Casual Fan“ des Franchise ebenso vertraut wie der ikonische mandalorianische Helm. Wie üblich bei Star Wars spielen Archetypen eine wichtige Rolle. Aus dem wilden SW-Genre-Gemisch legen Favreau und Filoni ihren Fokus auf den Western – passend dazu entspricht Din Djarin dem Archetypen des wortkargen und mysteriösen Revolverhelden, der oft genug von Clint Eastwood dargestellt wurde. „The Mandalorian“ geht allerdings noch mehr ins Extrem, indem das Gesicht des Protagonisten nie gezeigt wird – bzw. erst in der letzten Episode der ersten Staffel. Es ist durchaus ein Risiko, wenn die Hauptfigur nicht nur relativ unnahbar, sondern auch konstant maskiert ist.

Grogu/Baby Yoda ist vor allem aus Marketing-Sicht ein Geniestreich, wie sich immer wieder zeigt, die Dynamik zwischen ihm und Din Djarin funktioniert allerdings auch in der Serie ziemlich gut. Die Charakterisierung unseres Protagonisten ist zwar zurückhaltend, aber wirkungsvoll. Bei einer Figur wie dem Mando besteht die Gefahr, dass er auf sein „Badasstum“ reduziert wird, was hier aber erfreulicherweise nicht der Fall ist. Din Djarin ist zwar kompetent, aber keinesfalls hyperkompetent und gerät immer wieder in knifflige Situationen, in denen er Hilfe braucht oder an denen er schlicht scheitert. Obwohl er zumindest zu Beginn keine eigene Agenda verfolgt, sondern nur Aufträge erfüllt und insgesamt ein relativ passiver Protagonist ist, ist sein Wachstum und die Entwicklung seines Charakters doch deutlich spürbar. Pedro Pascal holt mit Stimme und Körpersprache sehr viel aus einem sehr minimalistischen Charakter heraus, dessen Gesicht zudem fast nie zu sehen ist. Trotzdem, oder gerade deshalb, fungiert der Mando als Fenster in diesen Teil der Star-Wars-Galaxis; da er ein Einzelgänger ist, lernen wir zusammen mit ihm all die neuen, von einem exzellenten Cast dargestellten Figuren kennen, ohne dass es überfordernd wäre oder allzu künstlich daherkommt. Auch was diesen betrifft, erinnerten sich Favreau und Filoni an eine alte SW-Tugend: Die Nebenfiguren sollten markant sein. Die tiefgründigsten sind sie nun nicht unbedingt, vor allem, weil der Fokus eben auf Mando und Grogu liegt und kaum eine in mehr als zwei oder drei Episoden auftaucht, aber sie sind einprägsam und bleiben im Gedächtnis, egal ob Carl Weathers als Greef Karga, Gina Carano als Cara Dune, Bill Burr als Migs Mayfeld oder Taika Waitit als IG-11.

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Cara Dune (Gina Carano) und Greef Karga (Carl Weathers)

Auf dieselbe Art gelingt es Favreau und Filoni auch sehr gut, den aktuellen Status Quo zu vermitteln: Das Imperium ist auf dem Rückzug, die Neue Republik aber noch nicht stark genug, um im Outer Rim wirklich für Ordnung zu sorgen – aus diesem Grund geht es recht gesetzlos zu. Zusätzlich erforschen wir die mandalorianische Kultur. In meiner Rezension zur Legends-Miniserie „Jango Fett: Open Seasons“ habe ich bereits einen kurzen Abriss über die Geschichte der Mandalorianer im Franchise gegeben, weshalb ich das hier nicht noch einmal tun werde. Ohnehin würde ich besagte Miniserie durchaus als ansprechende Lektüre für Fans von „The Mandalorian“ empfehlen, allerdings kommt man an die gedruckte Ausgabe in der Zwischenzeit ziemlich schwer heran. Wie dem auch sei, in Staffel 1 erfahren wir, dass die Mandalorianer ihre Helme nie abnehmen und ein praktisch religiöses Verhältnis zu ihrer Ausrüstung haben – zumindest Ersteres widerspricht dem bisher im Disney-Kanon (und auch in Legends) Etablierten, diese Diskrepanz wird aber in Staffel 2 aufgeklärt, da Din Djarin zu einer besonderen, extremistischen Gruppierung gehört. Alles in Allem war ich mit der bisherigen Darstellung der Mandalorianer in „The Clone Wars“ und „Rebels“ nicht allzu zufrieden, „The Mandalorian“ rückt sie allerdings, zumindest empfindungsmäßig, wieder näher an die Legends-Interpretation.

Auch sonst ist „The Mandalorian“ erfreulicherweise sehr geerdet. Zwar verfügte man über ein verhältnismäßig hohes Budget, aber eben doch nicht ganz auf der Höhe eines Star-Wars-Kinofilms. Zudem muss natürlich für weniger Geld mehr Material entstehen. Wie schon George Lucas bei der OT mussten Filoni und Favreau deshalb öfter kreativ werden und das Maximum aus dem ihnen zur Verfügung stehenden Material herausholen und nebenbei auch gleich noch in bester SW-Tradition die Effekttechnik vorantreiben. Die Planeten etwa sind nicht unbedingt die kreativsten (und zudem wieder sehr wüstenlastig, nicht zuletzt bedingt durch die Genre-Ausrichtung), aber „The Mandalorian“ holt deutlich mehr aus seinen Welten heraus als beispielsweise die Sequels – man bekommt ein Gespür für die Planeten, kann sie tatsächlich erforschen und erfährt, wie es sich dort lebt. Auf handwerklicher Ebene funktioniert ebenfalls alles ziemlich gut, in beiden Staffeln haben Filoni und Favreau ein sehr gutes Gespür dafür, wann sie in die Vollen gehen können und wann sie sich besser zurückhalten sollten. Besonders die Action wirkt handgemacht und bodenständig und trägt viel zur Atmosphäre bei. Der Humor ist angemessen und funktioniert ebenso gut – meistens ist ohnehin Grogu derjenige, der für die humoristischen Momente zuständig ist.

„A friendly piece of advice, assume that I know everything”: Staffel 2 – Gemeinsamkeiten und Unterschiede
In Staffel 2 gibt es einige massive Änderungen bezüglich des erzählerischen Konzepts der Serie, die sich aber sehr langsam und schleichend etablieren. Genau genommen beginnt er bereits mit dem kurzen Gastauftritt des aus „The Clone Wars“ und „Rebels“ bekannten Darksabers am Ende des Finales von Staffel 1. Ab diesem Zeitpunkt finden immer mehr Inhalte und Figuren aus anderen Ecken des SW-Universums ihren Weg in die Serie. Din Djarin sucht praktisch die gesamte Staffel nach einem sicheren Ort für Grogu bzw. nach seinen Angehörigen, findet sich in noch mehr Quid-pro-Quo-Situationen wieder und muss sich natürlich abermals mit alten Feinden auseinandersetzen – findet aber auch neue Verbündete, die manch einem Zuschauer durchaus vertraut sein dürften. Los geht es direkt in Folge 1 der zweiten Staffel mit Cobb Vanth (Timothy Olyphant), der nicht nur eine allzu bekannte Rüstung trägt, sondern seinerseits der Aftermath-Reihe, einer Romantrilogie von Chuck Wendig, entstammt. Gerade diese Verwendung eines bislang äußerst obskuren Charakters zeigt den Kontrast in der Herangehensweise von Favreau und Filoni auf der einen und den Regisseuren und Autoren der Sequels auf der anderen: Hier geschah eine intensive Beschäftigung mit der Materie, die sich bereits in Staffel 1 andeutete und in Staffel 2 praktisch überdeutlich ist. „The Mandalorian“ versucht nicht, zu rekreieren oder zu unterlaufen, sondern greift auf alles verfügbare Material, sei es OT, PT, aktuelles EU oder Legends, zurück, um seine eigene Geschichte zu erzählen. Fans freuen sich über die Anspielungen und Querverweise, gleichzeitig gelingt es Favreau und Filoni aber auch, das Ganze so zu gestalten, dass man als Neuling nicht das Gefühl hat, zum Verständnis müsse man erst eine SW-Enzyklopädie wälzen. Stattdessen fühlen sich die „neuen alten Figuren“ eher an wie eine natürliche Fortführung der Charaktere, die bereits in Staffel 1 vorgestellt wurden und größtenteils auch wieder mit von der Partie sind.

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Din Djarin (Pedro Pascal) und Boba Fett (Temura Morrison)

Zugegebenermaßen ist das Argument, dass es in Staffel 2 mit der Rückkehr bzw. Realwerdung diverser Figuren aus Filmen, Animationsserien und der Literatur vielleicht etwas übertrieben wurde, nicht völlig von der Hand zu weisen. Zu Cobb Vanth gesellen sich die Clone-Wars- und Rebels-Veteraninnen Bo-Katan Kryze (Katee Sackhoff, die der animierten Version der Figur auch ihre Stimme lieh) und Ahsoka Tano (Rosario Dawson), Legends-Inhalte wie die Dark Trooper und der Planet Tython und natürlich die Filmschwergewichte Boba Fett (Temura Morrison), Luke Skywalker (Mark Hamill?) und R2D2 (as himself). Im Großen und Ganzen denke ich jedoch, dass Favreau und Filoni die Balance gerade noch halten können, eben weil sie sich in Staffel 1 auf die neuen Figuren konzentrierten, diese anständig etablierten und nie den Kern aus den Augen verlieren. Bei einem Luke Skywalker besteht natürlich immer die Gefahr, dass er alles überschattet, das emotionale Highlight der Folge ist aber dennoch unzweifelhaft der Abschied von Din und Grogu. Die bereits in anderen Medien etablierten Figuren übernehmen nie das Ruder oder usurpieren die Geschichte.

Deutlich schwerer wiegen in meinen Augen einige strukturelle Mängel in Staffel 2, die alles in allem deutlich weniger ausgewogen und balanciert wirkt als Staffel 1. Besonders die ersten beiden Folgen nehmen sich noch reichlich Zeit für, in Ermangelung eines besseren Wortes, „Nebensächlichkeiten“ (wobei diese durchaus zur Charakterentwicklung beitragen), während spätere Folgen geradezu gehetzt wirken – zumindest im Vergleich zur Erzählweise von Staffel 1. Am schwächsten fällt für mich hier „The Tragedy“, die sechste Folge der zweiten Staffel aus, bei der immerhin Robert Rodriguez Regie führte. Diese markiert Boba Fetts großen Auftritt und weiß ihn auch durchaus cool zu inszenieren, aber das ganze Drumherum will einfach nicht so recht passen, von der Ineffektivität der Sturmtruppen (dazu später mehr) über die Inszenierung der Action bis hin zum Planeten Tython selbst. Gerade in Bezug auf die effektive Gestaltung der Planeten ist ausgerechnet Tython, die legendäre Heimatwelt der Jedi, die Ausnahme, die gezeigte Welt ist sehr ernüchternd und schlicht langweilig ausgefallen.

„I’m a simple man making his way through the galaxy, like my father before me”: Alte Freunde
Werfen wir doch noch einen ausführlicheren Blick auf die Figuren, die entweder zurückkehren oder sogar ihr Live-Action-Debüt feiern. Cobb Vanth stammt, wie bereits erwähnt, aus Chuck Wendigs Aftermath-Trilogie. Interessanterweise erlangt er dort Boba Fetts Rüstung ein wenig anders, als er es in der Folge „The Marshal“ selbst erzählt, wobei es sich dabei sowohl um einen Retcon als auch um eine Lüge der Figur handeln könnte. Ansonsten gibt es nicht allzu viel über ihn zu sagen, bereits in der Aftermath-Trilogie war er eine eher unwichtige Nebenfigur, die wohl platziert wurde, um Boba Fetts Rückkehr in die Wege zu leiten (wenn auch nicht unbedingt spezifisch in dieser Serie), was dann ja auch umgesetzt wurde. Es bleibt noch zu erwähnen, dass die Besetzung der Figur mit Timothy Olyphant ein netter Casting-Gag für Fans der HBO-Serie „Deadwood“ ist.

Bo-Katan Kryze hat da schon eine deutlich längere Geschichte hinter sich, sie trat erstmals in der vierten Staffel der Animationsserie „The Clone Wars“ auf, zuerst als Teil der Death Watch, einer Gruppe radikaler Mandalorianer, die sich der pazifistischen Ideologie von Bo-Katans Schwester Satine, der Herzogin von Mandalore, nicht unterwerfen will. Als jedoch der wiederauferstandene Darth Maul die Macht auf Mandalore übernimmt, verbündet sie sich widerwillig mit den Jedi, um Maul aufzuhalten. In „Rebels“ kämpft sie schließlich gegen den Einfluss des Imperiums und möchte ihrem Volk die Freiheit von imperialer Knechtschaft bringen. Dort erringt sie auch das Darksaber, das als mandalorianisches Herrschaftssymbol fungiert. Dieses wird ihr jedoch zwischen dem Ende von „Rebels“ und dem Beginn von „The Mandalorian“ von Moff Gideon abgenommen. Bo-Katan wird hier als Vertreterin der „gemäßigten“ Mandalorianer verwendet, im Gegensatz zu Din Djarin und seinen Kameraden aus der ersten Staffel, den sog. „Children of the Watch“. Nach wie vor möchte sie das Beste für ihr Volk und hat deshalb auch eine offene Rechnung mit Moff Gideon. Sie zeigt unserem Protagonisten, dass der häufig erwähnte „Weg“, den die „Children of the Watch“ immer wieder verbal beschwören, eben nicht alternativlos ist.

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Grogu und Ahsoka Tano (Rosario Dawson)

Ahsoka Tano dürfte noch einmal deutlich bekannter und populärer sein als Bo-Katan, auch sie stammt aus „The Clone Wars“, beginnt dort als Anakin Skywalkers Padawan, tritt dann jedoch noch vor Ende des Krieges aus dem Jedi-Orden aus, bekämpft zusammen mit Bo-Katan auf Mandalore Maul und überlebt Order 66, um sich später den Rebellen anzuschließen. Hier treffen gewissermaßen zwei Handlungsstränge aufeinander, denn Ahsoka sucht offensichtlich Großadmiral Thrawn, der sich bereits in „Rebels“ als Problem erwies. Ahsoka ist die erste (mehr oder weniger) ausgebildete Jedi, die in der Serie auftaucht. Angesichts der Tatsache, dass sie weiße Lichtschwerter führt, die einen schönen Kontrast zur dunklen Klinge des Darksabers abgegeben hätten, wurde eifrig spekuliert, ob sie wohl am Finale beteiligt sein würde, letztendlich entschied man sich aber, den mandalorianischen Aspekt zu betonen und Boba Fett und Bo-Katan bei der Rettung Grogus assistieren zu lassen. Ahsoka weist nur den Weg nach Tython, schafft aber auch eine tiefere Verbindung zwischen Grogu und Din, unter anderem, indem sie seinen Namen und etwas von seiner Vergangenheit enthüllt und die Kommunikation erleichtert. Ich persönlich war nie der größte Ahsoka-Fan, zu Beginn von TCW fand ich sie ziemlich unausstehlich. Sie hat sich zweifelsohne entwickelt, ist aber nach wie vor keine Figur, an der ich besonders hänge. Allerdings kann ich gut verstehen, dass ein Live-Action-Auftritt Ahsokas etwas Besonderes darstellt, wenn man mit ihr aufgewachsen ist. Anders als bei Bo-Katan bediente man sich hier nicht der Sprecherin der Serien (das wäre Ashley Eckstein gewesen), sondern wählte mit Rosario Dawson eine Darstellerin, die deutlich bekannter ist, ihre Sache aber sehr gut macht.

Temura Morrison ist ein Sonderfall: Er ist der erste Darsteller der Filme, der in dieser Serie auftaucht, das allerdings in einer Rolle, die er bisher noch nicht gespielt hat (sofern wir das Nachsychronisieren einiger Sätze in der Special Edition der OT ignorieren). Natürlich gilt aber: Wenn Boba Fetts Gesicht zu sehen sein soll, muss Temura Morrison unter der Maske stecken. Boba Fett ist eine der beliebtesten SW-Nebenfiguren, der ganze Hype um ihn war mir allerdings stets ein wenig suspekt, selbst unter Einbeziehung des Legends-Materials – ich empfand tatsächlich Jango immer als den Interessanteren der beiden. Aber „The Mandalorian“ hat es in nur wenigen Episoden geschafft, mir die Figur näher zu bringen. Obwohl ich „seine“ Episode als die schwächste der Staffel empfinde, hat Rodriguez es zumindest geschafft, ihn wirklich ansprechend zu inszenieren, was in den folgenden Episoden fortgesetzt wird. Nebenbei wurde Jango nun auch im Disney-Kanon wieder offiziell zu einem „echten“ Mandalorianer erklärt, nachdem „The Clone Wars“ das in Zweifel gezogen hatte. Alles in allem wirklich ein exzellenter Auftritt mit einer Seismischen Bombe als Sahnehäubchen, der zeigt, wie gut und wirkungsvoll sich Prequel-Material in die Post-Endor-Ära integrieren lässt, wenn man es nur ordentlich anstellt. „The Mandalorian“ hat es tatsächlich geschafft, mich für die angekündigte Serie „The Book of Boba Fett“ zu begeistern.

Und schließlich: Luke Skywalker. Ist sein Auftauchen eine logische Entwicklung aus der Handlung? Oder ein Versuch, von „The Last Jedi“ enttäuschte Fans der Figur zurückzugewinnen? Wahrscheinlich eine Mischung aus beidem. Ich möchte hier das Fass „Luke in den Sequels“ gar nicht erst groß aufmachen, da ich mit Lukes Zustand in Episode VIII verhältnismäßig wenig Probleme hatte, zumindest im Vergleich zu vielen anderen, ich fand nur seinen Weg zu diesem Zustand absolut nicht überzeugend. Lukes Auftauchen ist tatsächlich eine logische Handlungsentwicklung aus dem Ruf, den Grogu auf Tython ausgesandt hat, denn wer hätte auch sonst kommen sollen? Ezra Bridger? Cal Kestis? Fanservice ist sein Auftauchen zweifelsohne, aber funktionierender Fanservice, der sich logisch aus der Geschichte ergibt. Nicht ganz so gut funktioniert die auf Lukes Gesicht angewandte Technik, was in der Rezeption der entsprechenden Szene aber interessanterweise nur eine untergeordnete Rolle spielte. Und auch ich kann nicht behaupten, dass ich die Rückkehr des auf der Höhe seiner Kräfte stehenden Luke nicht genossen hätte.

„They all hate you, Mando. Because you’re a legend!”: Die größte Schwäche
Neben der einen oder anderen Struktur- bzw. Balanceschwäche in Staffel 2 ist es vor allem die Darstellung der Imperialen, die Anlass zur Kritik gibt. Die Zielgenauigkeit der Sturmtruppen (oder besser: ihr Mangel an derselben) ist ja bereits seit Jahrzehnten Sujet diverser Witze, sodass man sich inzwischen fragt, ob Obi-Wans Ausspruch in „A New Hope“ als zynischer Scherz gemeint war und er sich wundert, dass sie überhaupt etwas getroffen haben: „Only imperial stormtroopers are so precise.“ Unter Disney erreichte die Unfähigkeit imperialer Soldaten allerdings noch mal ein ganz anderes Level, besonders in „Rebels“ kennt ihre Inkompetenz keine Grenze, und leider knüpft „The Mandalorian“ daran an, vor allem in Staffel 2. Das finde ich besonders schade, weil es der Serie ansonsten gelingt, mit begrenzten Mitteln sehr viel zu erreichen – in Staffel 1 gab es da durchaus entgegengesetzte Tendenzen. In Episode 4, „Sanctuary“, gelang es Regisseurin Bryce Dallas Howard etwa sehr gut, einen einzelnen AT-ST als große Bedrohung zu inszenieren. „The Mandalorian“ hätte die Chance gehabt, die Sturmtruppen auf dieselbe Art wieder zu ernstzunehmenden Gegnern zu machen. Vor allem die dritte Episode der zweiten Staffel, „The Heiress“, (ironischerweise ebenfalls von Bryce Dallas Howard inszeniert) zeigt die Soldaten des Restimperiums als extrem inkompetent.

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Moff Gideon (Giancarlo Esposito)

Leider erstreckt sich das auch auf die Kommandoriege. Giancarlo Esposito ist ein hervorragender Schauspieler, Moff Gideon profitiert ungemein von seiner Besetzung und wirkt primär deshalb als ernstzunehmender Gegner, betrachtet man allerdings seinen „Masterplan“ in Staffel 2, steckt da leider nicht allzu viel dahinter. Die Serie versucht zu vermitteln, dass er im Finale zuerst die Trümpfe in der Hand hat, aber leider agiert er im Grunde relativ sinn- und kopflos, ohne Alternativplan, sollten die Dark Trooper versagen. Diese sind die wirkliche Gefahr, die vom Imperium ausgeht, werden dann aber ihrerseits von Luke ziemlich schnell niedergemacht – auch hier fragt man sich, ob es nicht erzählerisch besser gewesen wäre, hätten sie dem Jedi-Meister zumindest etwas mehr entgegenzusetzen gehabt. In diesem Kontext ist der Umstand, dass Gideons tatsächliche Pläne bezüglich Grogu völlig nebulös sind, auch nicht unbedingt hilfreich. An dieser Stelle wollte man sich wahrscheinlich noch alle Möglichkeiten offen halten: Arbeitet Gideon autonom oder dient er einem Meister wie Thrawn, Snoke oder gar Palpatine ? Und was ist sein langfristiges Ziel? Das Mysterium in allen Ehren, aber hier wären etwas handfestere Absichten zur wirkungsvollen Definition des Charakters bessere gewesen.

Die interessanteste (zumindest im weitesten Sinne) imperiale Figur ist der von Bill Burr gespielte Migs Mayfeld, der als Ex-Imperialer zumindest einiges von dem Potential ausschöpft, das bei Finn in den Sequels vorhanden gewesen wäre. Leider vermisst man im Disney-Kanon außerhalb der Literatur bislang Figuren wie beispielsweise Gilad Pellaeon, die als aufrechte, prinzipientreue „ehrbare“ Imperiale einen Gegenstück zu den sadistischen und/oder inkompetenten Fanatikern bilden. Von dieser Sorte bietet „The Mandalorian“ mehr als genug, beispielsweise Rick Famuyiwa als Valian Hess (sehr sprechender Name) in der siebten Folge der zweiten Staffel. Was ich mir wünsche, wäre ein imperiales Gegenstück zu „Rogue One“; dieses erste Spin-off zeigte die dunkleren Seiten der Rebellen und half dabei, der Fraktion zusätzliche Facetten zu verleihen. Für das Imperium wäre eine differenziertere Darstellung in den bewegten Medien überfällig.

„Do the magic hand thing“: Ludwig Görannsons Score

Das musikalische Vermächtnis des Franchise ist immer ein Thema für sich, John Williams‘ Klänge sind essentiell für Star Wars. Bislang traute man sich bei Disney noch nicht, sich allzu weit davon zu entfernen. Dass Williams selbst die Sequels vertonen würde, stand nie in Frage, und auch die Komponisten anderer Projekte, sei es Kevin Kiner („Rebels“), Michael Giacchino („Rogue One“), John Powell („Solo“) oder Gordy Haab (die meisten Spiele, darunter auch „Jedi: Fallen Order“) blieben sowohl stilistisch als auch leitmotivisch sehr nah an Williams. Für „The Mandalorian“ wandten sich Favreau und Filoni an den schwedischen Komponisten Ludwig Göransson, der in vielen seiner Scores eine modernere Sensibilität an den Tag legt und darüber hinaus auch in der Popmusik aktiv ist, unter anderem als Produzent von Jung-Lando-Darsteller Donald Glover alias Childish Gambino. Göranssons Scores zeichnen sich zumeist durch interessante Stil-Mischungen aus – gute Beispiele sind etwa seine Musik für die beiden Creed-Filme sowie „Black Panther“, für den er den Oscar gewann. Oft mischt Göransson traditionelles Orchester mit Hip-Hop-, R&B- oder Electronica-Elementen und, im Fall von „Black Panther“, auch mit afrikanischen Percussions.

Die Musik von „The Mandalorian“ spiegelt die Handlungsentwicklung sehr gut wider. Die Scores der ersten Staffel sind stilistisch recht weit von traditioneller Star-Wars-Musik entfernt. Das Orchester spielt zwar durchaus eine zentrale Rolle und hin und wieder findet sich auch eine stilistische Williams-Anleihe, aber mindestens ebenso stark ist der Einfluss der Western-Soundtracks von Ennio Morricone. Alles in allem funktioniert das ziemlich gut, Göransson etabliert sofort ein eigenes Klangspektrum für die Serie und liefert dazu noch ein ziemlich eingängiges Titelthema sowie eine ganz Reihe anderer Leitmotive, die allerdings zu Beginn eher schwer herauszuhören sind. In manchen Fällen übertreibt er es allerdings mit dem elektronischen Ambiente und den Effekten und Verzerrungen, zumindest für meinen Geschmack. Gerade die Repräsentation der Dark Trooper durch Dubstep fand ich etwas zu viel.

Mit Ausnahme von ein, zwei extrem subtilen Andeutungen des Machtthemas (wenn überhaupt nur die ersten zwei, drei Noten) taucht in der ersten Staffel kein bereits existierendes leitmotivisches Material auf. Das ändert sich erst mit der zweiten Folge der zweiten Staffel, „The Passenger“: Das erste Williams-Thema, das zu hören ist, ist ausgerechnet der Marsch des Widerstands aus den Sequels. Dieses Thema ist in einer recht modernisierten Version am Ende der Episode zu hören, als sich Din Djarin mit den beiden Piloten der Neuen Republik unterhält. Außerdem taucht der Marsch auch in der Folge „The Siege“ während Cara Dunes Konsversation mit dem Republik-Piloten auf. In der zweiten Hälfte der Staffel nimmt die Anzahl an leitmotivischen Verweisen dann deutlich zu. Nicht nur findet sich im Score der Episode „The Jedi“ ein Hinweis auf Yodas Thema, Keviner Kiners Leitmotiv für Ahsoka aus „The Clone Wars“ wird sogar ziemlich ausgiebig verwendet und im Finale erklingt schließlich ein volles Statement des Machtthemas. Ich persönlich finde es sehr schön, dass die musikalische Welt der Serie mit der von Williams etablierten langsam zusammenwächst, ohne dabei jedoch ihre Individualität zu opfern.

Fazit
Nach den spaltenden Episoden VIII und IX dürfte „The Mandalorian“ genau das sein, was das Franchise nötig hatte: Eine Serie, die das Fandom wieder vereinigen kann und die fast jedem etwas zu bieten hat. Natürlich ist auch „The Mandalorian“ nicht perfekt, kleine Schwächen und Schönheitsfehler finden sich schließlich überall, aber im Großen und Ganzen weiß die Serie nicht nur zu überzeugen, sie dürfte, vielleicht zusammen mit „Rogue One“, das bislang beste Produkt der Disney-SW-Ära sein. Und wie es aussieht hat man sich bei Disney bereits ausgiebig Notizen gemacht, denn die zweite Staffel dient als Sprungbrett für diverse neue Serien, darunter „Rangers of the New Republic“, „Ahsoka“ und „The Book of Boba Fett“. Ob diese Serien das halten können, was „The Mandalorian“ verspricht, wird sich erst noch zeigen, aber wenn sie qualitativ überzeugen können, wäre es möglich, dass sie und nicht die Sequels zum dominierenden Faktor dieser Ära des Franchise werden.

Trailer Staffel 1
Trailer Staffel 2

Bildquelle
Bildquelle Ahsoka

Siehe auch:
Jango Fett: Open Seasons
Star Wars: Das ultimative Ranking

Jango Fett: Open Seasons

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Meine lang überfällige Rezension zu den ersten beiden Staffeln von „The Mandalorian“ wird definitiv irgendwann in diesem Jahr kommen, vorher gilt es allerdings, noch etwas Vorarbeit zu leisten und die Mandalorianer ein wenig genauer unter die Lupe zu nehmen. Exemplarisch soll dies anhand der vierteiligen Dark-Horse-Miniserie „Jango Fett: Open Seasons“ (ursprünglich 2002 erschienen) geschehen, da diese, obwohl im Fan-Bewusstsein nicht allzu präsent, viele Grundlagen schuf. Die Mandalorianer als solche gehen weit zurück, Boba Fett feierte bekanntermaßen im Zeichentrick-Segment des „Star Wars Holiday Specials“ sein Debüt, bevor er einem weit größeren Publikum in „The Empire Strikes Back“ vorgestellt wurde. Die meines Wissens nach erste Erwähnung der Mandalorianer als Gruppe taucht in Dondald F. Gluts Romanfassung von Episode V auf, in welcher Boba Fetts Rüstung (aber nicht unbedingt Fett selbst) als mandalorianisch identifiziert wird und die Mandalorianer wiederum als Gruppe böser Krieger, die von den Jedi besiegt wurden, charakterisiert werden. Im weiteren Verlauf des EU tauchten Fett und die Mandalorianer immer mal wieder sporadisch auf, in den alten Marvel-Comics wurden beispielsweise mandalorianische Supercommandos erwähnt, die in den Klonkriegen kämpften. In der von Kevin J. Anderson verfassten Miniserie „Tales of the Jedi – The Sith War“, die knapp 4000 Jahre vor „A New Hope“ spielt, gab sich schließlich Mandalore der Unbezähmbare, der erste in einer langen Reihe mandalorianischer Anführer, die Ehre. Anderson enthüllte außerdem, dass es sich bei den Mandalorianern zumindest ursprünglich nicht um Menschen, sondern um „Taung“, Angehörige einer grauhätuigen, nichtmenschlichen Spezies handelte. Diesen Handlungsstrang griffen die beiden Knights-of-the-Old-Republic-Spiele sowie die gleichnamige Comicserie von John Jackson Miller auf und erläuterten, wie sich die Mandalorianer als Gruppe entwickeln, als Armee die Republik bedrohen und wie es schließlich zum Demografiewandel innerhalb des Volkes kommt. Auch Boba Fetts Hintergründe wurden in frühem Legends-Material erläutert, in der Kurzgeschichte „The Last One Standing: The Tale of Boba Fett“ von Daniel Keys Moran, erschienen in der Anthologie „Tales of the Bounty Hunters“, wurde er als Jaster Mereel identifiziert, was „Attack of the Clones“ natürlich gehörig über den Haufen warf. Dort sorgte George Lucas persönlich für einen neuen Hintergrund für den gefürchtesten Kopfgeldjäger der Galaxis und machte aus ihm einen unveränderten Klon des Kopfgeldjägers Jango Fett, der von diesem als Sohn großgezogen wird. Wie später der Junior ist natürlich auch Jango Fett in mandalorianischer Rüstung unterwegs. Ob es sich bei Jango und Boba Fett tatsächlich um Mandalorianer handelt, wird in Episode II allerdings nicht weiter erörtert. Hier knüpft „Jango Fett: Open Seasons“ an.

Inhaltlich setzt die von Haden Blackman geschriebene und von Ramón F. Bachs gezeichnete Miniserie kurz nach „The Phantom Menace“ an: Count Dooku, bereits der neue Sith-Schüler von Darth Sidious, hat den Kopfgeldjäger Jango Fett als Vorlage für die zu erschaffende Klonarmee, die im kommenden Krieg kämpfen soll, ausgewählt. Nun bemüht er sich, die Hintergründe Fetts zusammenzusetzen. Von einem ehemaligen Kameraden Fetts erfährt Dooku, dass dieser auf dem Planeten Concord Dawn geboren wurde und auf einer Farm mit seiner Familie aufwuchs. Besagte Familie gerät unverhofft in einen Konflikt zwischen mandalorianischen Söldnern unter Führung von Jaster Mereel und einer Gruppe abtrünniger Mandalorianer, die sich als „Death Watch“ bezeichnet und von einem gewissen Tor Vizsla kommandiert wird. Nur Jango überlebt und wird fortan Protegé von Jaster. Einige Jahre später stirbt Jaster in einer weiteren Konfrontation mit Death Watch und Jango übernimmt die Führung der Mandalorianer, nur um Vizsla auf Galidraan in die Falle zu gehen: Durch eine Intrige gelingt es ihm, die Jedi auf die Mandalorianer aufmerksam zu machen – hier begegnen sich Dooku, zu diesem Zeitpunkt noch ein Meister des Ordens, und Jango zum ersten Mal. Jango überlebt als einziger und gerät in Gefangenschaft. Wie er entkommt, seine neue Rüstung erhält und schließlich Tor Vizsla tötet, erfährt Dooku von Jango selbst, der nun in der Rahmenhandlung auftaucht, um mit Dooku über die Bedingungen des Vertrags zu verhandeln.

„Jango Fett: Open Seasons“ zählt nicht unbedingt zur Crème de la Crème der Legends-Comics, im Gesamtkontext ist die Miniserie zwar kurzweilig und unterhaltsam, aber nicht herausragend. Gerade die Charakterisierung der Figuren bleibt eher funktional – vier Hefte sind nun einmal relativ wenig Raum für mehrere Jahrzehnte. Gerade dem Zerwürfnis bzw. dem ideologischen Konflikt zwischen Jaster Mereel und Tor Vizsla wird recht wenig Platz eingeräumt, sodass Vizsla nur ein recht brutaler und eindeutig böser, aber nicht wirklich interessanter Charakter ist. Auch viele andere Figuren bleiben ziemlich oberflächlich, wobei Jango, als Fokus der Geschichte, noch am besten wegkommt. Ein besonderes Highlight ist hierbei die Dialogszene zwischen Jango und Dooku, in welcher der Kopfgeldjäger zeigt, dass er einem Machtnutzer durchaus ebenbürtig sein kann, ohne dass es zum Kampf kommt. Natürlich handelt es sich bei „Open Seasons“ auch nicht um eine tiefgreifende Erforschung mandalorianischer Kultur – primär etabliert Blackman hier die „guten“ Mandalorianer, die einem Kodex folgen, und die „bösen“ Mandalorianer in Gestalt von Death Watch. Die ausgiebige Auseinandersetzung mit dieser Kultur erfolgt erst in den Werken von Karen Traviss, primär den Republic-Commando-Romanen und ihren Beiträgen zur Buchreihe „Legacy of the Force“. Traviss war es auch, die die mandalorianische Sprache entwickelte – zugleich sind ihre Romane mitunter allerdings auch von einer gewissen Bevorzugung der mandalorianischen Charaktere und ihrer Lebensweise geprägt. Deutlich interessanter ist „Open Seasons“ im Hinblick auf die weitere Entwicklung der Mandalorianer.

Zum einen greift Blackman Boba Fetts ursprüngliche Identität als Jaster Mereel auf und macht daraus eine eigenständige Figur, die zum Mentor von Bobas Vater Jango wird. Und zum anderen handelt es sich bei „Open Seasons“ um eine der ersten positiven Darstellungen der Mandalorianer. Die beiden Fetts werden in den Filmen primär als relativ rücksichtslose Kopfgeldjäger und eindeutige Widersacher der Helden dargestellt, und auch in früheren Ledgends-Werken, primär den „Tales of the Jedi“, kommen sie nicht besonders gut weg. Der Einfluss, den die Miniserie auf weitere Werke hatte, ist nicht zu unterschätzen, da sie die Grundlage für die Mandalorianer der Prequel-Ära lieferte und somit quasi das Fundament für das legte, was Karen Traviss später in ihren Republic-Commando-Romanen weiter ausbaute. Mehr noch, auch die Darstellung der Mandalorianer in „The Clone Wars“ verdankt „Open Seasons“ einiges. Während Traviss‘ Ideen und Konzepte für die Animationsserie weitestgehend ignoriert wurden, griffen Dave Filoni und George Lucas einige Elemente aus der Miniserie auf, primär die terroristische Mandalorianer-Gruppierung Death Watch, die auch in der Serie von einem Vizsla angeführt wird – allerdings Pre Vizsla und nicht Tor. Seither haben sich die Mandalorianer im Disney-Kanon in diverse Richtungen entwickelt, sei es in späteren Clone-Wars-Staffeln, in „Star Wars: Rebels“ oder natürlich in „The Mandalorian“, welches, nebenbei bemerkt, „Open Seaons“ inhaltlich in sehr groben Zügen als Jangos Kanon-Vorgeschichte neue Gültigkeit verleiht.

Zum Schluss noch ein paar Worte zu Ramón F. Bachs, dessen prominenteste Star-Wars-Arbeiten neben „Open Seasons“ wohl „Jedi vs. Sith“ und der Republic-Handlungsbogen „Infinity’s End“ sind. Bachs Zeichnungen passen ganz gut zum „funktionalen“ Charakter dieser Miniserie; für mich persönlich gehört er weder zu den stärksten, noch zu den schwächsten Star-Wars-Comickünstlern. Gerade seine Actionszenen sind äußerst dynamisch, seine Gesichter hingegen wirken für meinen Geschmack immer ein wenig zu kantig.

Fazit: Für sich allein betrachtet ist „Jango Fett: Open Seaons“ ein actionreicher und kurzweiliger, aber nicht besonders in die Tiefe gehender Origin-Comic für die Titelfigur, im Kontext der Entwicklung der Mandalorianer, gerade auch im Hinblick auf „The Clone Wars“ und den Disney-Kanon, aber essentielle Lektüre.

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Darth Sidious: Karriere eines Imperators


Bis 1999 kannten ihn die meisten nur als „den Imperator“: Obwohl Star-Wars-Fans, die sich mit der Materie etwas intensiver auseinandersetzten, schon lange wussten, dass der Herrscher des Imperiums den Namen Palpatine trägt, war er für die meisten Kinozuschauer viele Jahre lang nur unter seinem Titel bekannt, eine entmenschlichte Verkörperung des Bösen, beschränkt auf die Funktion als übler Diktator. Die Prequels sorgten schließlich dafür, dass er als Palpatine bekannt wurde und gaben ihm zugleich einen neuen Namen, der in meinen Augen der Name seine wahren Selbst ist: Darth Sidious. Senator, Kanzler, Imperator, Sith-Lord: Palpatine hat als fiktive Figur eine höchst interessante Karriere hinter sich, die näher zu beleuchten ein ebenso umfangreiches wie lohnenswertes Unterfangen ist; eines, das ich schon seit langem Plane. Oder, um es in seinen Worten zu sagen: „The time has come.“ Dieser Artikel erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, es soll nicht jeder einzelne Auftritt von Palpatine thematisiert oder erwähnt werden, viel mehr möchte ich die Entwicklung aufzeigen, die diese, meine Lieblingsfigur aus Star Wars, seit ihrer Entstehung durchlaufen ist.

„Before the Dark Times, Before the Empire”: Proto-Palpatine
Eine Imperator-Figur findet sich bereits in diversen frühen Treatments und Drehbuchentwürfen von George Lucas, wenn auch mit diversen unterschiedlichen Namen und noch ziemlich weit vom späteren Palpatine entfernt. Bereits in dem 1973 entstandenen, vermutlich frühesten Entwurf wird ein „Emperor Ford Xerxes XII“ erwähnt, benannt natürlich nach dem allseits bekannten und beliebten persischen Monarchen. Mit Abstand am ergiebigsten ist der Entwurf aus dem Jahr 1974 mit dem Titel „The Star Wars“, der Jahrzehnte später, nämlich 2013/14, von J. W. Rinzler als Comic umgesetzt wurde – immer ein lohnendes Studienobjekt, wie Star Wars auch hätte ausfallen können. In diesem Entwurf bzw. diesem Comic tritt ein Imperator namens Cos Dashit auf, der sowohl bezüglich des Aussehens als auch der Persönlichkeit eher an Tarkin als an Palpatine erinnert – wie sein Nachfolger initiierte er allerdings ebenfalls eine Jedi-Säuberung. In einem erweiterten Entwurf trug diese Figur zwischenzeitlich den Namen Son Hhat, war ansonsten aber identisch.

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Cos Dashit, Palpatines „Vorgänger“

„A New Hope“ bietet nicht viele Informationen über den Herrscher des Imperiums, er wird nur einmal erwähnt, während der Besprechung auf dem Todesstern erklärt Tarkin, der Senat werde keinen Ärger mehr machen, da der Imperator dieses letzte Überbleibsel der Alten Republik aufgelöst habe. In der deutschen Synchronisation ist an dieser Stelle noch vom „Kaiser“ die Rede, was theoretisch auch die korrekte Übersetzung des Wortes „emperor“ wäre. Der lateinische „imperator“ ist formal gesehen ein Befehlshaber, jemand, der ein „imperium“, also eine Befehlsgewalt innehat. Gemeinhin wurden Feldherren in der Schlacht von ihren Truppen zum Imperator ausgerufen und durften anschließend nach siegreicher Heimkehr in Rom einen Triumphzug abhalten. Dementsprechend gab es gerade zur Zeit der Römischen Republik viele Imperatoren, so gut wie alle großen Feldherren, von Lucullus über Pompeius bis Caesar, schmückten sich zum einen oder anderen Zeitpunkt mit diesem Titel. Augustus adaptierte den Titel schließlich als Teil seines Namens (Imperator Caesar Divi Filius Augustus), was ihm spätere Kaiser nachmachten, bis Imperator irgendwann zum festen Bestandteil der Kaisertitulatur wurde, was auch spätere Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation übernahmen. Und natürlich wurde „Imperator“ zur Grundlage des Wortes für Kaiser in Englisch und den romanischen Sprachen, während der deutsche „Kaiser“ und der russische „Zar“ auf „Caesar“ zurückzuführen sind. Lange Rede, kurzer Sinn, auf Deutsch ist „Imperator“ als Synonym für „Kaiser“ zumindest fragwürdig – da es sich bei Star Wars aber in letzter Konsequenz um Space-Fantasy handelt, passt es eigentlich ziemlich gut, gerade im Hinblick auf Fantasie-Ränge wie „Moff“ (der in früheren Romanen gerne fälschlicherweise mit „Mufti“ übersetzt wurde) und unter Einbeziehung der Ränge, die sich tatsächliche Diktatoren oft gaben (bspw. „Führer“). Gerade im Deutschen hätte der Kaiser-Titel für den Herrscher des Imperiums vielleicht ungewollte Assoziationen geweckt. Wahrscheinlich war aus diesem Grund ab Episode V in der deutschen Version nur noch vom „Imperator“ die Rede.

Etwas ergiebiger als der Film ist die Romanadaption, verfasst von Alan Dean Foster unter George Lucas‘ Namen, die bereits im November 1976, ein halbes Jahr vor Kinostart erschien. Diese enthält einen Prolog, der gewissermaßen ein erstes Treatment der Prequel-Trilogie ist und, wenn auch sehr knapp, einige Hintergründe erläutert. In zwei Absätzen wird erzählt, wie der ehrgeizige Senator Palpatine zum „Präsidenten der Republik“ gewählt wird und verspricht, den alten Ruhm wieder herzustellen. Sobald er sicher im Amt ist, ernennt er sich zum Imperator und die Verwalter, Bürokraten und Speichellecker übernehmen praktisch die Macht. Hier wird impliziert, dass es sich bei Palpatine um einen schwachen Diktator handelt, der von Beratern wie Tarkin oder Vader kontrolliert wird. Mehr noch, im Roman wird nicht einmal eindeutig geklärt, ob der amtierende Imperator immer noch der erwähnte Palpatine ist oder ob inzwischen ein anderer seinen Rang innehat. Der schier allmächtige Sith-Lord, der alles und jeden manipuliert und mit Blitzen um sich wirft, war zu diesem Zeitpunkt noch weit entfernt.

In „The Empire Strikes Back“ sieht man den Imperator dann zum ersten Mal – wenn auch nur als Hologramm. Während in der entsprechenden Szene seit der DVD-Veröffentlichung der OT 2004 Ian McDiarmid zu sehen ist, erblickten die Kinozuschauer 1980 einen etwas anderen Imperator. Zu diesem Zeitpunkt war sich George Lucas bereits im Klaren darüber, dass der Imperator sowohl ein Machtnutzer als auch der tatsächliche Herrscher des Imperiums sein und nicht nur als Marionette korrupter Berater fungieren sollte. Doch wie stellt man den ebenso finsteren wie mysteriösen Herrscher dar? Lucas, Regisseur Irvin Kershner und die restlichen Verantwortlichen kreierten schließlich so etwas wie Frankensteins Monster: Die Grundlage bzw. das Gesicht lieferte die damals bereits auf die 80 zugehende Schauspielerin Marjorie Eaton, wohl am besten bekannt für ihre Rolle als Miss Persimmon in Disneys „Mary Poppins“. Um den Imperator fremdartiger aussehen zu lassen, verpasste man ihm in der Postproduktion Schimpansenaugen, während Clive Revill die Stimme lieferte. In diesem kurzen Dialog zwischen Vader und dem Imperator erfährt der Zuschauer, dass Vaders Meister Luke Skywalker durchaus für eine Gefahr hält. Die beiden fassen schließlich den Plan, ihn zur Dunklen Seite zu bekehren.

„The Emperor Is Not as Forgiving as I Am”: Ian McDiarmids Debüt
Für „Return of the Jedi” beschlossen Lucas und Regisseur Richard Marquand, nicht mehr auf einen Frankenstein-Imperator zurückzugreifen, sondern Darth Vaders Meister in Person auftreten zu lassen, dargestellt von einem Schauspieler. Die erste Wahl fiel auf den Shakespeare-Darsteller Alan Webb, der jedoch kurz vor Beginn der Dreharbeiten krank wurde und ein Jahr, bevor „Return of the Jedi“ in die Kinos kam, verschied. Unter anderem wurde auch Ben Kingsley in Erwägung gezogen, doch letzten Endes ging die Rolle glücklicherweise an Ian McDiarmid – ich denke, es gibt keinen Star-Wars-Fan, der sich jemals über diese Besetzung beschwert hat.

Vor seinem Auftritt als Palpatine war der 1944 geborene Ian McDiarmid – zum Zeitpunkt der Dreharbeiten war er also gerade einmal 37 Jahre alt – primär als Theaterschauspieler tätig, hatte aber auch schon in dem einen oder anderen Film mitgewirkt, etwa „Dragonslayer“ aus dem Jahr 1980. Visuell orientierte man sich durchaus an der Darstellung aus „Empire“, McDiarmid wurde mit aufwändigem Make-up und gelben Kontaktlinsen bedacht, die aus ihm einen dämonischen alten Mann machten. Die dunklen Roben fungieren als bewusste Parallele zu Obi-Wans Jedi-Roben und als visuelle Anspielung auf den Tod in Ingmar Bergmanns „Das siebente Siegel“. Ursprünglich wurde McDiarmid auch dazu aufgefordert, Clive Revills Sprachduktus aus „Empire“ zu kopieren, doch McDiarmid schlug stattdessen vor, den Imperator mit einer tieferen, krächzenderen und vor Hass triefenden Stimme sprechen zu lassen. Jedes Wort spuckt Palpatine regelrecht aus – eine weitere, inspirierte Wahl.

Vor allem die OT ist eine Filmreihe der Archetypen; Palpatine entspricht hier ganz dem Vorbild des bösen Zauberers, ebenso wie Darth Vader der dunkle Ritter ist. Im Film selbst erfahren wir nicht allzu viel über den Imperator, nicht einmal sein Name wird genannt. Es wird lediglich erklärt, dass er praktisch die Quelle alles Bösen ist und natürlich derjenige, der Anakin Skywalker zur Dunklen Seite verführte und mit Luke nun dasselbe vorhat. Wo er herkommt und weshalb er die Macht nutzen kann, wird im Film nicht erläutert – von einer möglichen Sith-Identität ganz zu schweigen. Lediglich James Kahns Romanadpation von „Return of the Jedi“ gibt einen minimalen Einblick und bestätigt, dass dieser Imperator tatsächlich der Palpatine ist, der im Prolog des Episode-IV-Romans erwähnt wird. In sehr groben Zügen wird noch einmal der Fall der Republik und der Aufstieg des Imperiums erläutert, mit dem Unterschied, dass Palpatine dieses Mal in deutlich stärkerem Maß der Initiator ist, während er in Fosters Roman noch als Marionette daherkommt. Neben dem bereits erwähnten Archetyp des bösen Zauberers war Lucas‘ primäres Vorbild für Palpatine wohl nicht Hitler, trotz der offensichtlichen visuellen Parallelen des Imperiums zu Nazi-Deutschland, sondern Richard Nixon. In gewissem Sinne ist Palpatine das, was Nixon in Lucas Augen hätte werden können, wäre ihm Watergate nicht dazwischengekommen.

„I Have Died Before”: Palpatine in frühen Legends-Werken
In den frühen Werken der Legends-Kontinuität – damals noch als „Expanded Universe“ bekannt – war Palpatine, mit einer großen Ausnahme, verhältnismäßig unterrepräsentiert, auch wenn sein Vermächtnis natürlich immer wieder eine Rolle spielte. In Timothy Zahns Thrawn-Trilogie, bestehend aus den Romanen „Heir to the Empire” (1991), „Dark Force Rising” (1992) und „The Last Command”(1993) etwa kämpft vor allem Mara Jade, ihres Zeichens ehemalige Attentäterin des Imperators, mit dem stetig über ihr schwebenden letzten Befehl ihres Herrn, Luke Skywalker zu töten, während die Schatzkammer des Imperators auf dem Planeten Wayland (sowie ihr Wächter) vor allem in „Heir to the Empire“ eine wichtige Rolle spielt. In der Comic-Miniserie „Mara Jade – By the Emperor’s Hand“ (1998/99) arbeitete Zahn zudem Mara Jades Beziehung zum Imperator zusammen mit Co-Autor Michael A. Stackpole und Zeichner Carlos Ezquerra weiter aus.

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Palpatine in „Dark Empire“

Bei der bereits erwähnten Ausnahme handelt es sich um die Comic-Miniserie „Dark Empire“ (1991/92) von Autor Tom Veitch und den Zeichner Cam Kennedy sowie deren beide Fortsetzungen „Dark Empire II“ (1994/95) und „Empire’s End“ (1995, Zeichnungen von Jim Baikie). In diesen kehrt Palpatine in einem Klonkörper seiner selbst zurück und offenbart, dass er auf dem Zweiten Todesstern nicht zum ersten Mal gestorben ist, da weder sein ursprünglicher Körper, noch die diversen Klone mit seiner gewaltigen dunklen Macht zurechtkommen, weshalb er von Körper zu Körper springt. Dies wurde später durch einen Retcon allerdings wieder rückgängig gemacht, sodass der Imperator, der in Episode VI auftaucht, das Original ist. In „Dark Empire“ ist Palpatine noch einmal deutlich mächtiger als die Version, die man in „Return of the Jedi“ sieht – so kann er unter anderem gewaltige Machtstürme entfesseln und ganze Flotten vernichten – aber auch deutlich labiler. Von seiner geheimen Thronwelt Byss aus versucht Palpatine erneut, die Galaxis zu erobern (abermals mit Hilfe von Superwaffen), nimmt Luke Skywalker kurzzeitig als Schüler an, beschäftigt noch eine ganze Reihe weiterer dunkler Jedi und versucht schließlich, seinen Geist in den Körper von Han und Leias neugeborenem Sohn Anakin Solo zu verpflanzen, was letztendlich allerdings aufgrund der Einmischung des Jedi-Meisters Empatojayos Brand misslingt. Während Timothy Zahn in seinen Romanen versuchte, die Science-Fiction-Aspekte von Star Wars stärker zu betonen, legte Veitch mehr Wert auf die Pulp-Elemente á la „Flash Gordon“, weshalb sein Palpatine noch plakativ böser ist als selbst der Episode-VI-Imperator. Das hat zur Folge, dass „Dark Empire“ und besonders die beiden Sequels mitunter äußerst trashig anmuten und ihr Palpatine mit dem Mastermind der Prequels kaum mehr zu vereinbaren ist. Ein interessantes Detail: In „Empire’s End“ besucht Palpatine Korriban, um sich Rat von den Geistern toter Sith-Lords zu holen; hierbei wird ausdrücklich erklärt, dass nur Vader, aber nicht Palpatine ein Sith ist. Besagte Geister bieten Palpatine Vaders Platz unter ihnen an, was im Kontext der Prequels freilich reichlich merkwürdig wirkt – aber das konnte Veitch nicht im Voraus wissen. Erwähnenswert sind die englischen Hörspielumsetzungen der Dark-Empire-Comics – in allen drei wird Palpatine von Nick Jameson gesprochen, der dem Imperator auch noch bei vielen weiteren Gelegenheiten, etwa diversen Spielen oder der ersten Clone-Wars-Serie, seine Stimme lieh. Wer einen Eindruck sowohl von „Dark Empire“ als auch den Hörspielen möchte, kann sich die ersten beiden Folgen dieses Fanprojekts zu Gemüte führen, das u.a. mit den Aufnahmen des Hörspiels arbeitet.

Ansonsten finden sich hier und da einige Gastauftritte des Imperators in Post-Endor-Werken – in einer Rückblende des Romans „Darksaber“ (1995) von Kevin J. Anderson erfahren wir zum Beispiel, dass Palpatine nicht nur seinen Geist in Klone transferiert, sondern das auch mit Untergebenen tut, die er töten möchte, die aber zu nützlich sind. In diesem Kontext ist das Bevel Lemelisk, der Konstrukteur des Todessterns. In der Miniserie „Crimson Empire“ (1997/98), die relativ direkt an „Empire’s End“ anschließt und vom Schicksal des ehemaligen Rotgardisten Kir Kanos erzählt, taucht der Imperator ebenfalls in Flashbacks auf und in der Jugendbuchreihe „Young Jedi Knights“ (1995 bis 98) von Kevin J. Anderson und Rebecca Moesta konstruieren vier weitere ehemalige Gardisten eine Art Deep-Fake-Palpatine aus alten Aufnahmen, mit dem sie versuchen, eine radikale Splittergruppe des Imperiums zu kontrollieren. Der Fokus des Prä-Episode-I-EU lag primär auf der Zeit nach Endor, aber in Werken wie Steve Perrys „Shadows of the Empire“ (1997), einem Roman, der die Lücke zwischen Episode V und VI schließt, konnte Palpatine natürlich außerhalb von Flashbacks auftauchen. Hier tritt seine manipulative Seite noch einmal deutlicher zutage, Perry lässt ihn Vader und dessen Rivalen Prinz Xizor gegeneinander ausspielen.

„Once More the Sith Will Rule the Galaxy”: Palpatine in den Prequels
Generell war die Zeit vor Episode IV (sofern es sich nicht um Ereignisse handelte, die tausende von Jahren vor den Filmen spielten) für die EU-Autoren tabu – das betraf besonders die Klonkriege, den Fall der Jedi, den Aufstieg des Imperiums und natürlich die Vorgeschichte diverser Figuren. Ab 1999 brachten die Prequels schließlich Licht ins Dunkel, gerade in Bezug auf Palpatine. Wer mit dem Namen „Palpatine“ jedoch nicht vertraut war (und wer von „normalen“ Kinogängern war das schon?), dem dürfte der eigentliche junge Imperator zuerst gar nicht aufgefallen sein. George Lucas schuf hier ein amüsantes und eigentlich offensichtliches Verwirrspiel, das offenbar dennoch funktionierte. Auf der einen Seite haben wir Senator Palpatine, der den Namen des Imperators trägt, aber scheinbar freundlich und wohlgesonnen ist, und auf der anderen Darth Sidious, der sich kleidet wie der Imperator, klingt wie der Imperator und mit demselben, unheilschwangeren Chorthema untermalt wird. Trotz der eigentlichen Offensichtlichkeit scheint die Angelegenheit genug Zuschauer getäuscht oder zumindest verunsichert zu haben. In der deutschen Version kommt der Umstand hinzu, dass Palpatine und Sidious in Episode I unterschiedliche Synchronsprecher haben; Ersterer wird von Friedhelm Ptok gesprochen, Letzterer von Wolfgang Dehler. Ab „Attack of the Clones“ synchronisierte Ptok Palpatine/Sidious allerdings durchgehend in fast allen Inkarnationen, seien es Auftritte in Spielen wie „The Force Unleashed“, Serien wie „The Clone Wars“ oder Hörspiele wie „Labyrinth des Bösen“.

Damit war nun allerdings auch endgültig geklärt, ob es sich bei Palpatine um einen Sith handelt, was bisher, wie erwähnt, zumeist verneint wurde; in „Dark Empire“ und anderen EU-Werken wurde er, trotz der Entwicklung der Sith als Gegenstück der Jedi in Comics wie den „Tales of the Jedi“, „nur“ als extrem mächtiger Nutzer der Dunklen Seite dargestellt. Mit „The Phantom Menace“ gewährte Lucas dem zukünftigen Imperator nun auch einen Sith-Titel und dazu eine ganze Reihe neuer Facetten. Palpatine war schon immer DAS Gesicht des Bösen in Star Wars, in den Prequels, besonders in Episode III, tritt Palpatine nun allerdings primär als Verführer und nicht nur als böser Zauberer auf, was ihn als Star-Wars-Äquivalent zu Satan gewissermaßen komplett macht. Palpatine war nie ein „komplexer“ Schurke im eigentlich Sinn, seine Motivation war nie nachvollziehbar, er hatte keine tragischen Aspekte, stattdessen war er stets mit größtem Vergnügen die Verkörperung des Bösen. Interessanterweise ist der Darth Sidious, den wir primär in Episode I und II erleben, noch nicht der finale Imperator. In seinen Konversationen mit Nute Gunray oder Count Dooku zeigt Sidious noch nicht das sadistische Amusement, das er auf dem Zweiten Todesstern an den Tag legt. Er ist barscher, zielgerichteter und (besonders im Umgang mit den Neimoidianern) von seinen Gesprächspartnern ziemlich genervt. Als Senator und Kanzler tritt er hingegen stets fürsorglich und väterlich auf – besonders im Dialog mit Anakin Skywalker. Palpatines Stimme ist im Vergleich zu der von Darth Sidious beruhigend, weich und einschmeichelnd. Obwohl die Fassade bereits in der ersten Hälfte von Episode III Risse bekommt und die Stimme des Imperators hin und wieder durchscheint (Stichwort: „Do it“), dauert es bis zur Konfrontation mit Mace Windu, bis der „wahre“ Imperator zutage tritt – dann aber richtig. Besonders im Duell mit Yoda scheint Sidious die Zeit seines Lebens zu haben und wirkt einfach froh, endlich sein wahres Gesicht zeigen zu können: „I’ve waited a long time for this moment.“ Apropos wahres Gesicht: Auch hier wurde und wird diskutiert – sind die zurückgeworfenen Machtblitze tatsächlich für Palpatines entstelltes Gesicht verantwortlich oder offenbaren sie nur sein wahres Aussehen? Für Letzteres spricht vor allem, dass Machtblitze auf andere (Luke, Mace Windu, Anakin) nie eine entstellende Wirkung hatten. Ich persönlich denke, Lucas wollte Palpatine dieses Aussehen „natürlich“ annehmen lassen (weshalb Ian McDiarmid in Episode II älter aussieht als in Episode III), entschloss sich dann aber, das ikonische Aussehen auf einen Schlag in „Revenge of the Sith“ zu etablieren. Es gibt in diesem Kontext eine Theorie von Gary M. Sarli, der ich sehr zugetan bin, derzufolge Sidious durch die Nutzung der Dunklen Seite immer schneller verfällt. Um dem entgegenzuwirken bedient er sich einer Sith-Technik, der „Maske“, die jedoch durch die zurückgeworfenen Machtblitze zerstört wird – so entsteht das Gesicht des Imperators, das wir alle kennen und lieben.

Die Prequels zeichnen Palpatine zudem als Meistermanipulator, der jede Seite bis zuletzt gnadenlos manipuliert und ausgenutzt hat. In früheren Zusammenfassungen seines Aufstiegs wird zumeist nur beschrieben, dass er sich Konflikte zunutze macht, Lucas geht nun aber einen Schritt weiter und lässt ihn sämtliche Konflikte, angefangen mit der Belagerung Naboos bis hin zu den Klonkriegen, auslösen und kontrollieren. Außerdem gesellen sich noch einige weitere historische Vorbilder hinzu. Hitler und der Fall der Weimarer Republik spielten bei der Konzeption der Prequels sicher eine Rolle, aber es wäre falsch, die Inspiration darauf zu reduzieren, denn auch Napoleon, Caesar und Augustus lieferten Ideen für den Fall der Republik und den Aufstieg Palpatines, ebenso wie der amerikanische Bürgerkrieg: Was wäre, wenn Lincoln seine Sondervollmachten nicht wieder abgegeben hätte?

„Have You Ever Heard the Tragedy of Darth Plagueis the Wise?” Palpatine in späten Legends-Werken
Die Prequels ermöglichten eine erweiterte Auseinandersetzung mit Palpatine – vorerst ging man allerdings relativ zögerlich vor. Obwohl es, wie bereits erwähnt, eigentlich ziemlich offensichtlich war, dass es sich bei Palpatine und Darth Sidious um ein und dieselbe Figur handelte, wurde das öffentlich vor Episode III nie bestätigt – dementsprechend behandelten ihn die Roman- und Comicautoren wie zwei unterschiedliche Figuren und bemühten sich um Zurückhaltung. Darth Sidious trat vor allem in diversen Comics wie den Miniserien „Jedi Council: Acts of War” (Randy Stradley, Davidé Fabbri, 2000) oder „Darth Maul” (Ron Marz, Jan Duursema, 2000) sowie der einen oder anderen Ausgabe der aktuell laufenden Star-Wars-Serie Republic (1998 bis 2006) auf und wurde verwendet wie in „The Phantom Menace“ und „Attack of the Clones“ – als mysteriöser Strippenzieher im Hintergrund. Besonders zwei Romane – „Darth Maul: Shadow Hunter“ (2001) von Michael Reaves und „Cloak of Deception“ (2001) von James Luceno – beschäftigen sich stärker mit Palpatine und Darth Sidious. Reaves gibt Einblick in die Meister-Schüler-Beziehung von Sidious und Maul und verrät quasi das offensichtliche Geheimnis, indem er einen wichtigen Datenträger, der die Sith hätte auffliegen lassen können, in Palpatines Hände gibt. „Cloak of Deception“ setzt sich en detail mit den politischen Hintergründen von Episode I auseinander und zeigt, wie Sidious auf der politischen Ebene agiert (und wie er sich die Handelsföderation gefügig macht).

In den diversen Klonkriegsmedien, die zwischen 2002 und 2005 erschienen, setzte man Palpatine eher sparsam, aber wirkungsvoll ein. Besonders erwähnenswert ist die 54. Ausgabe der Republic-Serie mit dem Titel „Bloodlines“ (2004), verfasst von John Ostrander und gezeichnet von Brandon Badeaux, die einmal mehr zeigt, wie heimtückisch Palpatine auf dem politischen Parkett zu agieren weiß und wie geschickt er sich Kontrahenten, hier Finis Valorum, sein Vorgänger als Oberster Kanzler, zu entledigen weiß. Größere Rollen spielte der Imperator in spee in Genndy Tartakovskys Zeichentrickserie „Star Wars: Clone Wars“ (2003 bis 2005, nicht zu verwechseln mit der späteren Serie) und in James Lucenos „Labyrinth of Evil“ (2005) – beide führen direkt zu „Revenge of the Sith“ und beide beinhalten Grievous‘ Angriff auf Coruscant. Während Sidious bei Tartakovsky seinem üblichen Selbst entspricht, wird Palpatine als Kontrast ziemlich überzeichnet und fast schon als Comic Relief genutzt. „Labyrinth of Evil“ sagt mir persönlich deutlich mehr zu und ist auch die Version der Ereignisse, die ich persönlich bevorzuge. Nach „Cloak of Deception“ zeigt sich hier abermals, dass Luceno schlicht ein Händchen dafür hat, Palpatine zu schreiben. In dieser direkten Vorgeschichte zu „Revenge of the Sith“ schildert Luceno primär, wie Palpatine immer mehr politische Macht ansammelt und zeigt, dass er zu diesem Zeitpunkt bereits fast die Machtbefugnisse eines Alleinherrschers hat. Zusätzlich sind die Jedi Darth Sidious hier allerdings auf der Spur, womit Luceno zumindest in der Legends-Kontinuität etabliert, dass sie nicht ganz so verblendet und tatenlos sind, wie sie in Episode III erscheinen. An diese Elemente knüpft Matthew Stover in seiner Romanadaption von „Revenge of the Sith“ erfolgreich an – als Umsetzung des definitiven Palpatine-Films natürlich ein unverzichtbares Werk. Stover untermauert und ergänzt Ian McDiarmids Performance im Film und arbeitet seine metaphorische Stellung im Franchise als luziferische Verkörperung des Bösen noch einmal deutlich hervor. Der Roman ist ohnehin geprägt von einer sehr ausschweifenden, aber nichts desto trotz in diesem Kontext exzellent funktionierenden Metaphorik, dementsprechend wird Sidious hier, gerade im entscheidenden Duell mit Mace Windu, gerne als „the Shadow“ bezeichnet und zum Endpunkt der Evolution des Sith-Ordens stilisiert. Gerade bei Stover wird Sidious, und nicht Vader, zu DEM Sith-Lord schlechthin.

Nachdem in Episode III offiziell offengelegt wurde, dass es sich bei Sidious und Palpatine um dieselbe Person handelt, konnten die EU-Autoren von nun an auch anders mit ihm umgehen. Den Anfang machte James Luceno in „Dark Lord: The Rise of Darth Vader”, in welchem er den Anfang des Meister-Schüler-Verhältnisses von Sidious und Vader sowie die Anfangszeit Palpatines als Imperator schildert. Thematisch ähnlich gingen auch die Republic-Nachfolgeserie Dark Times (2006 bis 2013) sowie die Jugendbuchreihe „The Last of the Jedi“ (2005 bis 2008) vor. Eine besondere Erwähnung verdient in jedem Fall noch das Spiel „The Force Unleashed“. Hier tritt man als Vaders geheimer Schüler Starkiller/Galen Marek gegen Horden von Sturmtruppen und dunklen Jedi an. Auf Anraten von George Lucas persönlich gab man Palpatine eine relativ große Rolle und machte ihn zum Strippenzieher und Endgegner (zumindest wenn der Spieler sich für die Helle Seite entscheidet). Bezüglich des Plots versuchte man gewissermaßen, Palpatines Prequel-Pläne auf die Zeit kurz vor Episode IV zu übertragen und die Rebellion zu einer gescheiterten Intrige zu machen, um Feinde des Imperiums aus der Deckung zu locken – eine Idee, die mir nicht sonderlich gefällt und die der Rebellenallianz ihre Komplexität raubt. Die Stimme bekam Palpatine dieses Mal von Sam Witwer, der auch Starkiller sprach und ihm sein Gesicht verlieh. Für meinen Geschmack übertreibt es Witwer als Palpatine immer ein wenig, seine Version der Figur kommt oft zu erzwungen rüber und kratzt an der Grenze zur Parodie.

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Ein junger Palpatine trainiert unter Darth Plagueis, von Chris Trevas

Anders als beispielsweise Vader oder Maul (oder EU-Sith wie Bane oder Revan) wurde Darth Sidious nie ein eigener Roman gewährt, dessen Titel er zieren durfte. Dennoch findet sich in den Weiten des Expanded Universe ein Roman, der ohne Zweifel als DER Sidious-Roman schlechthin gewertet werden darf, auch wenn er nach dem Lehrer des Imperators benannt ist: „Darth Plagueis“ (2012), verfasst von James Luceno (wer auch sonst?). Plagueis selbst wurde immer wieder angeteasert, am prominentesten natürlich in der Opernszene in „Revenge of the Sith“, aber auch in „Labyrinth of Evil“, „Dark Lord: The Rise of Darth Vader“ und „Jedi vs. Sith: The Essential Guide to the Force“ (2007) – Letzteres enthielt auch erstmals ein Bild des enigmatischen Sith-Lords und bestätigte ihn als Muun. Ansonsten beantwortet „Darth Plagueis“ fast ausnahmslos alle Fragen, die man über Palpatines Vergangenheit und Jugend gehabt haben könnte. Den Werdegang einer Figur wie Palpatine zu schildern ist natürlich ein riskantes Unterfangen; stellt man es falsch an, wird die Figur entmystifiziert und verwässert. Beispielsweise war im Rahme der geplanten, aber nie verwirklichten Realserie „Star Wars Underworld“ vorgesehen, Palpatine eine tragische Vergangenheit zu verpassen. Der Spieleentwickelt Cory Barlog (God-of-War-Serie) bekam einige der Drehbücher zu lesen, als er bei LucasArts arbeitete und erklärte in einem Interview: „They made the Emperor a sympathetic figure who was wronged by this fucking heartless woman. She’s this hardcore gangster, and she just totally destroyed him as a person. I almost cried while reading this.“ (Quelle). Mir hingegen will diese Richtung überhaupt nicht zusagen, ich denke nicht, dass sich Palpatine als tragische Figur eignet, besonders nicht mit diesem Hintergrund. Luceno zeichnet Sidious hingegen als Psychopathen mit einem ganz natürlichen Hang zur Dunklen Seite. Nicht jeder Schurke muss auf dieselbe Weise komplex sein oder einen tragischen Hintergrund besitzen, ich denke, Sidious funktioniert am besten als eindeutig böser, nicht unbedingt komplexer, aber doch facettenreicher und interessanter Schurke, wie Luceno ihn zeichnet, am besten. Nebenbei ordnet Luceno auch gleich noch fast sämtliche der Prä-Episode-I-Geschichten in den Masterplan der Sith ein. „Darth Plagueis“ mag nicht das letzte Wort in Bezug auf Palpatine sein, aber praktisch das definitive – zumindest im Star-Wars-Legends-Bereich. Von einer größeren Rolle in „Maul: Lockdown“ (2014), einem Roman von Joe Schreiber, der mehr oder weniger auf „Darth Plagueis“ aufbaut, einmal abgesehen, taucht Sidious bis zur Disney-Übernahme und dem Ende des alten Expanded Universe nicht mehr wirklich auf.

„There Is No Mercy“: Palpatine in „The Clone Wars”
Da „Star Wars: The Clone Wars“ neben den sechs Episoden der einzige Bestandteil des Franchise ist, der von Disney für die neue Kontinuität übernommen wurde, und auch schon vorher nicht wirklich zum Expanded Universe gehörte (obwohl es technisch gesehen Legends-Kanon ist und die Kontinuitätsexperten vor einige Herausforderungen stellte), soll Palpatines Auftauchen in dieser Animationsserie separat behandelt werden. Man griff für Palpatines Stimme, anders als in „Star Wars: Clone Wars“ allerdings nicht mehr auf Nick Jameson zurück und wandte sich auch nicht Ian McDiarmid selbst (leider) oder Sam Witwer (zum Glück), sondern verpflichtete Ian Abercrombie, einen anerkannten Film- und Fernsehdarsteller, der sich als exzellente Wahl erwies (und das nicht nur, weil er ein weiterer Ian ist). Abercrombie zeigte im Verlauf der ersten fünf Staffeln, dass er sowohl mit Palpatine als auch mit Sidious sehr gut umzugehen weiß. Stimmlich glich er sich McDiarmid durchaus an, ließ die Imitation allerdings nie zur Parodie verkommen und ist, nach McDiarmid, versteht sich, der zweitbeste Imperator. Leider verstarb Ian Abercrombie am 26. Januar 2012, mitten in den Aufnahmen für die fünfte Staffel – in der Folge „The Lawless“, Episode 16 der fünften Staffel, ist er zum letzten Mal zu hören; diese Sidious-lastige Folge ist ihm auch gewidmet. Ab diesem Zeitpunkt übernahm Tim Curry, bekannt als Frank-N-Furter und Pennywise, die Aufgabe, dem zukünftigen Imperator seine Stimme zu leihen. Als Sidious funktioniert Curry tatsächlich ziemlich gut, als Palpatine nicht ganz so sehr. Insgesamt bewegt sich Curry etwas weiter von McDiarmid weg, was auch damit zusammenhängen mag, dass sich die Stimmen der beiden Ians relativ ähnlich sind, während Currys Sprachduktus und Tonlage doch sehr speziell ist.

Vor allem zu Anfang der Serie scheint man sich am Prä-Episode-III-EU orientiert und Sidious und Palpatine eher wie unterschiedliche Figuren behandelt zu haben – vielleicht mit dem Gedanken im Hinterkopf, zukünftige Generationen von Star-Wars-Fans könnten die Prequels und TCW in chronologischer Reihenfolge anschauen. Spätestens in Staffel 5 wird allerdings mehr oder weniger offen eingestanden, dass Palpatine und Sidious dieselbe Person sind. Bezüglich des Verhaltens erinnert der TCW-Sidious bereits stärker an den späteren Imperator, zwar zeigt er auch den barschen Stoizismus, der in Episode I und II die Figur dominiert, neigt aber des Öfteren auch dazu, in böses Lachen auszubrechen. Das Sidious-Highlight der Serie ist zweifelsohne die bereits erwähnte Episode „The Lawless“, die den Sith-Lord in Aktion zeigt. Hier wischt er mit Savage Opress und Darth Maul, die ihrerseits zuvor als formidable Kämpfer inszeniert wurden, regelrecht den Boden auf. In „Sacrifice“, der 13. Episode der sechsten Staffel, erleben wir zudem, wie sich Sidious der Sith-Magie bedient (etwas, das er zuvor nur im Legends-Material getan hat) und sich in einer etwas zu offensichtlichen Version mit Yoda misst. Ansonsten tut Sidious in beiden Identitäten, was er auch in allen anderen Medien tut: Als Palpatine sammelt er weitere Sondervollmachten und spielt den harmlosen, aber bestimmten Politiker und als Sidious kommuniziert er bevorzugt per Hologramm mit seinen Untergebenen.

„Look What You Have Made”: Palpatine unter Disney
Nach der Übernahme hatte Disney erst einmal kein besonderes Interesse an Palpatine, stattdessen wurde der Fokus stark auf Vader gelegt: Der asthmatische Sith-Lord bekam seine eigene Comicserie (2015 bis 2016), verfasst von Kieron Gillen, die zwischen Episode IV und V spielt (und in der Darth Sidious immerhin das eine oder andere Mal auftaucht), sein Vermächtnis wurde zum Dreh- und Angelpunkt von „The Force Awakens“ und in „Star Wars Rebels“ und „Rogue One: A Star Wars Story“ hatte er eindrucksvolle Auftritte. Am prominentesten war Palpatine wohl in den Romanen „Tarkin“ (2014) von James Luceno und „Lords of the Sith“ (2015) von Paul S. Kemp vertreten, in Ersterem spielt er jedoch lediglich eine Nebenrolle, auch wenn Luceno nebenbei gleich diverse Legends-Inhalte aus „Darth Plagueis“ in die Disney-Kontinuität rettete. In diesem Roman wurde außerdem Palpatines Vorname, der angeblich von George Lucas persönlich stammt, erstmals genannt: Sheev. Noch in „Darth Plagueis“ hatte Luceno diesbezüglich etabliert, dass Palpatine seinen Vornamen offiziell abgelegt hat. Dieser Vorname wurde nie erwähnt, Luceno impliziert jedoch, dass es der Name des Vaters von Palpatine, Cosinga, gewesen ist. In „Lords of the Sith“ ist Sidious zumindest formal gesehen zusammen mit Vader die Hauptfigur, Kemps Roman schafft es jedoch nicht, dem Imperator eine neue Facette abzugewinnen; trotz des kürzeren Auftritts in „Tarkin“ wird ein weiteres Mal klar, dass kein Autor (mit Ausnahme Matthew Stovers) Luceno bezüglich Palpatine das Wasser reichen kann. Eine weitere größere Rolle durfte der Sith Meister in Marvels zweiter Vader-Serie von Charles Soule (2017 bis 2018) spielen, die direkt an Episode III anknüpft und inhaltlich und thematisch einen ähnlichen Bereich abdeckt wie „Dark Lord: The Rise of Darth Vader“ und die Republic-Nachfolgeserie Dark Times. Eine ziemlich tragende Rolle spielt Sidious außerdem in der vierteiligen Miniserie „Darth Maul: Son of Dathomir“ (2014), die die Lücke zwischen Mauls Niederlage in Staffel 5 von „The Clone Wars“ und seinem erneuten Auftauchen in Staffel 7 schließt. Hier darf er sich mit der Nachtschwester Mutter Talzin messen und ein Mal mehr zeigen, dass er der fieseste Nutzer der Dunklen Seite ist. In Timothy Zahns imperiumszentrischer neuer Thrawn-Trilogie, bestehend aus „Thrawn“ (2017), „Thrawn: Alliances“ (2018) und „Thrawn: Treason“ (2019) ist Palpatine als Thrawns Herr und Meister natürlich ebenfalls recht prominent vertreten.

Palpatines großer Auftritt unter Disney findet natürlich in „The Rise of Skywalker“ statt, und bekanntermaßen bin ich kein Fan von der Umsetzung. Prinzipiell habe ich tatsächlich kein Problem damit, Palpatine in den Sequels zurückzubringen, es bietet sich an, ihn zum großen, übergreifenden Widersacher der Skywalker-Saga zu machen. Aber wenn man so vorgeht, dann sollte man das doch bitte von Anfang an sauber planen und Darth Sidious nicht als letzte Rettung zurückbringen, weil einem auffällt, dass sich Kylo Ren nicht unbedingt als finaler Oberschurke für diese Trilogie eignet und man den anderen Kandidaten bereits zweigeteilt hat. Wie dem auch sei, Ian McDiarmid durfte für „The Rise of Skywalker“ noch einmal in die ikonische Robe schlüpfen. Zu Beginn des Films befindet sich Palpatine in einem recht desolaten Zustand. Auch wenn der Film es nie erläutert, befindet sich der Geist des Originals in einem fehlerhaften Klonkörper, was der Grund ist, weshalb er zwar reichlich untot aussieht, die Entstellung in seinem Gesicht allerdings fehlt. Weshalb die Entstellung später zurückkehrt, als Palpatine Ben Solo und Rey Lebenskraft entzieht, ist in diesem Kontext höchst merkwürdig. In jedem Fall „enthüllt“ Episode IX, dass Palpatine auch in den Sequels hinter allem steckt, auch wenn sein Masterplan dieses Mal deutlich mehr Löcher hat als in den Prequels. Letztendlich trachtet er wohl danach, seinen Geist (und den aller Sith?) in Reys Körper zu übertragen und so über die Galaxis zu herrschen. Letztendlich bleibt es bei dem, was ich schon in meiner Episode-IX-Rezension schrieb: J. J. Abrams weiß nicht so recht, was er mit Palpatine tun soll, weswegen der Imperator die meiste Zeit buchstäblich nur rumhängt. Ian McDiarmid hingegen gibt sein Ein und Alles – es ist, als hätte es keine vierzehnjährige Pause gegeben; er schlüpft völlig mühelos in seine Paraderolle und hat sichtlich Spaß dabei, noch einmal so richtig schurkisch sein zu dürfen. Nebenbei sorgt er auch noch dafür, dass die nicht gerade gelungenen Dialogzeilen, die Abrams und Chris Terrio ihm in den Mund legen, halbwegs funktionieren.

Umso tragischer ist dies alles angesichts der Tatsache, dass es Disney durchaus gelungen ist, Palpatine äußerst wirkungsvoll zu inszenieren – wenn auch im Animationsbereich. Ich bin wirklich kein Fan von „Star Wars Rebels“ (2015 bis 2018), aber Palpatines Auftritt in der vierten Staffel hat mir ausnehmend gut gefallen. Der Imperator kam bereits kurz im Pilotfilm der zweiten Staffel vor, in der ursprünglichen Ausstrahlung noch von Sam Witwer gesprochen, später dann neu vertont von Ian McDiarmid persönlich, der Sidious auch in den drei Folgen „Wolves and a Door“, „A Fool’s Hope“ und „Family Reunion – and Farewell“ (Folge 12, 14 und 15 der vierten Rebels-Staffel) seine Stimme leiht. Der interessante dieser drei Auftritte findet sich zweifelsohne in „Family Reunion – and Farewell“. Während er in den anderen beiden Folgen nur mit seinem Untergebenen Hydan, gesprochen von Malcolm McDowell, kommuniziert und Ezra und Ahsoka in der Welt zwischen den Welten angreift, bekommt er hier die Gelegenheit, als Hologramm seine Kanzlerpersönlichkeit noch einmal auszupacken und Ezra ernsthaft in Versuchung zu führen, was in meinen Augen deutlich interessanter (und besser geschrieben) ist als alles, was man in „The Rise of Skywalker“ mit dem Imperator anstellte.

Fazit und Ausblick
Ohne Zweifel ist Darth Sidious DIE Verkörperung des Bösen in Star Wars – eine Stellung, die auch Disney durch „The Rise of Skywalker“ noch einmal untermauert hat, auf stümperhafte Weise zwar, aber nichts desto trotz. Obwohl er selten im Fokus steht, ist Palpatine zwar keine tiefgründige oder komplexe, aber doch enorm facettenreiche Figur, was nicht zuletzt auch Ian McDiarmid zu verdanken ist, der den Imperator immer passend und perfekt spielt, entweder ruhig und nuanciert oder völlig over the top, aber immer der Situation angemessen. Bei all den Parodien und Memes ist Palpatine bereits ohnehin einer der beliebtesten und unvergesslichsten Star-Wars-Charaktere, seine Zukunft ist zum jetzigen Zeitpunkt allerdings relativ ungewiss. Auch wenn ich bezweifle, dass es in absehbarer Zeit einen Palpatine-zentrischen Roman wie „Darth Plagueis“ geben wird, wird er wohl fraglos weiterhin in Comics und Romanen auftauchen. Momentan stehen seine Chancen, noch einmal in bewegter Form aufzutauchen, allerdings fast besser denn je zuvor. Nach „The Rise of Skywalker“ wissen wir, dass er auch nach „Return of the Jedi“ irgendwo da draußen ist und finstere Pläne auf Exegol schmiedet – ein Auftritt in „The Mandalorian“ wäre sicher nicht allzu weit hergeholt, besonders gemessen an all den Figuren, die in der zweiten Staffel Gastauftritte absolvierten. Und da Disney nun eine ganze Reihe weiterer Serien angekündigt hat, ist die Wahrscheinlichkeit, Sidious wiederzusehen, noch weiter gestiegen, sei es in einer der Post-Endor-Serien oder, noch wahrscheinlicher, in der Kenobi-Serie. Immerhin, im Trailer des Clone-Wars-Nachfolgers „The Bad Batch“ durfte er kurz sein Gesicht zeigen…

Siehe auch:
Star Wars Episode IX: The Rise of Skywalker – Ausführliche Rezension
Revenge of the Sith
Darth Plagueis

Bildquelle:
Cos Dashit
Dark Empire
Palpatine/Plagueis