Art of Adaptation: Bride of Frankenstein

Halloween 2023

Viele Horror-Sequels von Universal und Hammer, gerade im Bereich „Frankenstein“ und „Dracula“, haben die Tendenz, mit dem Quellenmaterial nicht mehr allzu viel zu tun zu haben. „Bride of Frankenstein“ zählt diesbezüglich zu den Ausnahmen. Vier Jahre sollte es dauern, bis James Whales „Frankenstein“ eine Fortsetzung erhielt – eine Fortsetzung, bei der sowohl Whale als auch die Hauptdarsteller des Vorgängers, Boris Karloff und Colin Clive, zurückkehrten. Und nicht nur das, viele Elemente aus Mary Shelleys Roman, die in „Frankenstein“ von 1931 ausgespart wurden, finden Eingang in die Fortsetzung, weshalb man hier nach wie vor von einer Adaption sprechen kann.

Handlung
Die Handlung von „Bride of Frankenstein“ schließt direkt an die des Vorgängers an. Nachdem das von Henry Frankenstein (Colin Clive) geschaffene Monster (Boris Karloff) scheinbar durch die einstürzende Mühle ums Leben gekommen ist, will Hans (Reginald Barlow), der Vater des Mädchens, das vom Monster ertränkt wurde, auch sichergehen – in den Trümmern muss er allerdings herausfinden, dass die Kreatur keinesfalls tot, sondern noch sehr lebendig ist. Auch Henry Frankenstein selbst hat überlebt und wird von seiner Verlobten Elizabeth (Valerie Hobson) gesund gepflegt. Trotz der traumatischen Erlebnisse hält Frankenstein nach wie vor seinen Überzeugungen fest und wird sogar noch befeuert: Henrys ehemaliger Lehrer Doktor Pretorius (Ernest Thesiger) nimmt Kontakt mit ihm auf und hegt ähnliche Absichten. Auch ihm ist es gelungen, Leben zu schaffen, allerdings nur in Form puppengroßer Homunkuli.

Frankensteins Schöpfung erfährt derweil etwas völlig Neues: Freundschaft und Zuneigung. Die Kreatur findet im Haus eines blinden alten Mannes (O. P. Heggie) Zuflucht. Aufgrund seiner Blindheit wird dieser nicht vom Äußeren des Monsters abgeschreckt und erkennt nur eine arme Seele, der er mit Güte begegnet. So lernt das Monster immerhin in Ansätzen die menschliche Sprache, bis es wieder vertrieben wird, denn die Dorfbewohner sind immer noch auf der Jagd. Schließlich gerät das Monster an Pretorius, der plant, einen weiblichen künstlichen Menschen zu schaffen, ein Vorhaben, das auch die Kreatur befürwortet, da sie sich nach Kameradschaft sehnt. Doch dazu benötigen sie Frankensteins Hilfe. Dieser ist, nachdem er Elizabeth geheiratet hat, jedoch nicht gewillt, bei der Erschaffung einer weiteren Kreatur behilflich zu sein. Erst, als das Monster Elizabeth kidnappt, kann Frankenstein „überredet“ werden, Pretorius zu helfen. Und tatsächlich, das Vorhaben gelingt. Doch „Frankensteins Braut“ (Elsa Lanchester), wie Pretorius sie theatralisch nennt, schreit entsetzt auf, als sie Frankensteins Erstschöpfung sieht. Voller Schmerz und Enttäuschung ermöglicht das Monster Frankenstein und Elizabeth die Flucht und brennt anschließend das Labor samt ihm selbst, Pretorius und der „Braut“ nieder.

Was von Mary Shelley übrig ist…
Tatsächlich eine ganze Menge. „Bride of Frankenstein“ lässt die Autorin, ebenfalls gespielt von Elsa Lanchester, sogar in einem Prolog auftreten, zusammen mit Percy Bysshe Shelley (Douglas Walton) and Lord Byron (Gavin Gordon), die sich in einem Schloss über ihren Roman unterhalten. Von den ursprünglichen Gästen, die in der Villa Diodati bei der Genesis des Romans „Frankenstein“ zugegen waren, fehlen nur Claire Clairmont und John William Polidori. Dieser Meta-Prolog darf durchaus als Indikator dafür gelten, dass James Whale und Drehbuchautor William Hurlbut sich im Verlauf des Films gerade in Bezug auf die Charakterisierung der Kreatur stärker auf Shelley beziehen. Zudem basiert die gesamte Handlung auf einem Konzept des Romans: Die Schaffung einer Frau für die Kreatur. Im Roman ist es die Kreatur selbst, die von Frankenstein möchte, dass er ihr eine Gefährtin schafft, doch kurz bevor diese vollendet ist, bricht Frankenstein den Prozess ab. Im Gegensatz dazu wird er im Film freilich erfolgreich durchgeführt, nur um gleichermaßen tragisch für die Kreatur zu enden.

Vor allem das Monster kommt in seiner Charakterisierung dem Romangegenstück deutlich näher als im Vorgänger – primär deshalb, weil man im Film von 1931 kaum von einer tatsächlichen Persönlichkeit sprechen kann. Die Kreatur in „Bride of Frankenstein“ ist quasi ein Kompromiss zwischen Roman- und Film-Version, zwar immer noch weit entfernt von dem eloquenten und hochintelligenten künstlichen Menschen, den Shelley beschreibt, aber doch in der Lage, immerhin in Ansätzen zu sprechen und eine eigene Agenda zu haben – und zwar dieselbe wie das Buchgegenstück. Zentrale Szene diesbezüglich ist das Gespräch mit dem blinden, alten Mann, das ziemlich direkt von Shelley kommt; natürlich angepasst an die Gegebenheiten des Films. Hier erfährt Frankensteins Schöpfung zum ersten Mal Güte und Zuneigung, die seine restliche Motivation bestimmen. Das zeigt sich auch am Ende, in dem sich Shelleys Ausgang der Geschichte doch zumindest spiegelt. In beiden Versionen macht das Monster auf seine Art seinen Frieden mit seinem Schöpfer, wobei dieser Frieden im Film sogar positiver ausfällt als im Roman, ermöglicht die Kreatur ihrem Schöpfer und seiner Frau doch die Flucht und das Überleben, was eine Vergebung doch zumindest impliziert.

Henry Frankenstein hingegen entfernt sich hier weiter von Victor Frankenstein, indem er in der Adaption eine deutlich passivere Figur ist. Während es in Mary Shelleys Roman entweder er selbst oder die Kreatur sind, die die Handlung vorantreiben, ist es in „Bride of Frankenstein“ eine neue Figur, die zum Motor des Plots wird: der rücksichtslose Doktor Pretorius. Dieser fungiert als eindeutiger Schurke des Films und greift in gewissem Sinne den getriebenen, gnadenlosen Frankenstein vor, den Peter Cushing später in der Hammer-Filmreihe spielen sollte. Zudem entspricht er in stärkerem Maße dem Archetypen des verrückten Wissenschaftlers. Pretorius bringt zudem mehr Humor in die Geschichte, denn seine Versuche, künstliche Menschen zu schaffen, resultieren in puppengroßen Homunkuli, die für die wahrscheinlich komischste und absurdeste Szene des Films sorgen.

Deutung und Wirkung
Aufgrund von James Whales eigener Homosexualität landen viele Kritiker schnell bei einer queeren Lesart des Films, was sich problemlos nachvollziehen lässt, angefangen beim Außenseiterstatus des Monsters über seine Suche nach Liebe und Anerkennung bis hin zum Gebaren von Doktor Pretotius. Noch eindeutiger als im ersten Film wird das Monster als sympathisch und missverstanden dargestellt. Mehr noch, trotz der titelgebenden Braut sind fast alle essentiellen Beziehungen des Films zwischen Männern. Während Frankensteins und Elizabeths Ehe verhältnismäßig wenig Gewicht bekommt, sind es Doktor Pretorius und Frankenstein bzw. Doktor Pretorius und die Kreatur, die gemeinsam neues Leben erschaffen wollen. Whale bemüht sich allerdings auch um christliche Symbolik, die Szene, in der das Monster vom Mob quasi gekreuzigt wird, ist nicht unbedingt subtil. Zudem opfert sich die Kreatur am Ende – zwar nicht für die Menschheit, sondern für ihren Schöpfer, aber immerhin…

Was die Wirkung angeht, erwies sich „Bride of Frankenstein“ als nur marginal weniger einflussreich als der Erstling und gilt unter Universal-Fans sogar als der bessere Film. Während „Frankenstein“ eine sehr reduzierte Version der Geschichte erzählte, ist es „Bride of Frankenstein“ möglich, die Thematik ausführlicher zu bearbeiten und dem Monster eine anständigen Handlungsstrang zu geben. Ebenso wie Frankensteins Schöpfung selbst fand auch die Braut mit ihrem ikonischen Design Eingang in das popkulturelle Verständnis von „Frankenstein“. Ihre Präsenz in der Geschichte wird mehr oder weniger erwartet und selbst ein Film wie „Mary Shelley’s Frankenstein“ von Kenneth Branagh, der immerhin den Namen der Autorin im Titel trägt, konnte es nicht beim abgebrochenen Versuch belassen und integrierte das Ende von „Bride of Frankenstein“ mehr oder weniger in die Handlung des Romans. Und nicht nur das, im Jahr 1985 erhielt die Braut mit dem angemessenen betitelten Film „The Bride“ von Franc Roddam mit Jennifer Beals in der Titelrolle ihren eignen Film. Auch in Crossover-Filmen und Serien ist Frankensteins Braut ein gern gesehener Gast.

Halloween 2023:
Art of Adaptation: The Silence of the Lambs

Siehe auch:
Art of Adaptation: Frankenstein – Mary Shelleys Roman
Art of Adaptation: Universals Frankenstein
Art of Adaptation: Georges Bess’ Frankenstein
Geschichte der Vampire: Universals Graf

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