The Last Voyage of the Demeter

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Story: An Bord des russischen Schoners Demeter spielen sich seltsame Dinge ab, seit die Besatzung in Varna Kisten mit Erde an Bord genommen hat, die nach England transportiert werden sollen. Erst taucht eine junge Frau namens Anna (Aisling Franciosi) auf, die als blinde Passagierin an Bord gekommen ist, und dann werden Crewmitglieder von einer merkwürdigen Kreatur angegriffen. Clemens (Corey Hawkins), der auf der Demeter angeheuert hat, sieht sich als Mann der Vernunft und Wissenschaft, wird nun aber mit dem Übernatürlichen konfrontiert, während Eliot (Liam Cunningham), der Kapitän, alles tut, um die Crew zusammenzuhalten.

Kritik: Die Idee, die Demeter-Episode aus Bram Stokers „Dracula“ in irgendeiner Form auszugliedern, ist nicht wirklich neu und wurde in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren immer wieder bemüht. Tatsächlich handelt es sich hierbei um eine sehr atmosphärische Geschichte in der Geschichte – Draculas Überfahrt von Osteuropa nach England verläuft natürlich nicht unblutig, ist aber separiert vom Schicksal aller anderen Figuren. Die Idee, mit diesem Teil des Romans auf besondere Art und Weise zu verfahren, ist also durchaus naheliegend. In der BBC/Netflix-Adaption widmeten Mark Gatiss und Steven Moffat der Thematik beispielsweise eine von drei Episoden, machten aus der Demeter allerdings ein Passagier- und kein Frachtschiff, sodass das Ganze kaum mehr etwas mit Stoker zu tun hat. Näher dran ist da schon die Hörspieladaption des Labels Holy Horror. Auch hier nimmt die Demeter-Episode eine ganze Folge ein. Und schließlich hätten wir noch „Bram Stoker’s Death Ship“ von Autor Gary Gerani und Zeichner Stuart Sayger, ein Comic, der im Grunde dieselbe Prämisse hat wie „The Last Voyage of the Demeter“. Tatsächlich geistert „The Last Voyage of the Demeter“ in der einen oder anderen Form schon ziemlich lange durch Hollywood, zeitweise waren Namen wie Noomi Rapace, Jude Law oder Viggo Mortensen mit dem Konzept verknüpft. 2019 nahm sich Regisseur André Øvredal („The Autopsy of Jane Doe“, „Scary Stories to Tell in the Dark“) schließlich des Drehbuchs von Bragi Schut Jr. und Zak Olkewicz an. Das finale Produkt ist einer von zwei Dracula-Filmen ohne den Namen des Vampirs im Titel, die Universal 2023 in die Kinos brachte – leider war weder „The Last Voyage of the Demeter“ noch „Renfield“ Erfolg beschieden.

Qualitativ, vor allem auf handwerklicher und darstellerischer Ebene, ist „The Last Voyage of the Demeter“ in meinen Augen der deutlich gelungenere der beiden. Vor allem David Dastmalchian und Liam Cunningham liefern eine sehr überzeugende Performance ab. Auch die Atmosphäre und Klaustrophobie wird sehr gut vermittelt – immerhin ist hier eine kleine Gruppe von Menschen mit einem Monster gefangen. Etwas problematischer wird es hingegen, wenn man „The Last Voyage of the Demeter“ im Kontext von Stokers Roman betrachtet; der Film leidet unter einigen derselben Schwächen, die auch schon „Bram Stoker’s Death Ship“ ausmachten. Zweifelsohne wollen Øvredal und Co. von Dracula und dem „mythologischen Fortsatz“, der ihm anhaftet, profitieren. Isoliert man die Demeter-Episode allerdings vom Rest, gelingt das nur sehr schwer. Wie schon „Bram Stoker’s Death Ship“ ist auch „The Last Voyage of the Demeter” im Grunde eine Variation von Ridley Scotts „Alien“, nur dass ein Segelschiff das Raumschiff ersetzt und ein Vampir das Xenomorph. Das hat allerdings auch zur Folge, dass Dracula als Charakter weder definiert wird noch abseits der Morde tatsächlich agiert. Da stellt sich die Frage: Warum dann überhaupt Dracula bemühen? Das Design des Vampirs ist eindeutig von Graf Orlok aus Murnaus „Nosferatu: Eine Sinfonie des Grauens“ beeinflusst, gepaart mit der Werfledermaus aus „Bram Stoker’s Dracula“. Es finden sich ein, zwei Szenen, in denen Øvredal und Co. dann doch versuchen, den Grafen zumindest minimal zu charakterisieren, etwa, indem sie ihn bösartig lächeln oder sogar ein paar Worte sprechen lassen, das untergräbt allerdings die vorherige Inszenierung als unberechenbares Monster und wirkt eher merkwürdig denn furchteinflößend.

Selbst wenn man Dracula selbst ausklammert, hat „The Last Voyage of the Demeter“ mit Stokers Roman relativ wenig gemein – im Grunde handelt es sich um eine konzeptionelle und keine inhaltliche Adaption. Die Figuren, ihre Motivationen und Beziehungen zueinander haben mit dem, was sich in der Demeter-Episode des Romans findet, im Grunde nichts mehr zu tun. Selbst das eindrücklichste Bild, der Kapitän, der sich aus Trotz an das Steuerrad fesselt, um die Demeter doch noch irgendwie ans Ziel zu bringen, wird zwar referenziert, aber nicht wirklich integriert. Und dann wäre da noch der Epilog, der wirkt, als arbeite man auf eine Fortsetzung hin, der aber wiederum zu Stokers Geschichte überhaupt nicht passen mag. Sehr gelungen, wenn im Film auch zu unscheinbar abgemischt, ist hingegen Bear McCrearys Soundtrack. Man könnte den Eindruck gewinnen, McCrearys nahm diesen Film als seine vielleicht einzige Gelegenheit wahr, ein Thema für den legendärsten aller Vampire zu komponieren und versuchte, weniger dem Film an sich, als vielmehr dem Vermächtnis des Charakters ein Leitmotiv zu schreiben. Dementsprechend ist das Dracula-Thema des Films äußerst pompös, massiv unterhaltsam und für diesen Film beinahe zu wuchtig und eindringlich. Eine ausführliche Besprechung findet sich hier.

Fazit: Als reiner Horror- bzw. Monsterfilm ist „The Last Voyage of the Demeter“ durchaus gelungen, vor allem auf handwerklicher Ebene, als Teiladaption von „Dracula“ hingegen weniger. Zu sehr arbeitet die Inszenierung als „Alien“-artiger, klaustrophobischer Film gegen das übergroße Vermächtnis der Figur des Vampirgrafen.

Trailer

Bildquelle

Siehe auch:
Geschichte der Vampire: Dracula – Bram Stokers Roman
Geschichte der Vampire: Dracula – Der gezeichnete Graf
Dracula (BBC/Netflix)
Art of Adaptation: Dracula (Holy Horror)
Renfield

2 Gedanken zu “The Last Voyage of the Demeter

    1. Immer gerne. Wobei das alles ja kein wirklich negatives Urteil ist, von den drei Pseudo-Dracula-Filmen der letzten beiden Jahre (wenn wir „The Invitation“ noch miteinrechnen) war „Demeter“ definitiv der beste. An die Verwendung von Dracula habe ich halt dann doch noch besondere Ansprüche 😉 Mal schauen, wie „Abigail“ in diesem Kontext ausfällt…

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