The Hunger Games: The Ballad of Songbirds and Snakes

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Story: Der Krieg des Kapitols gegen die Distrikte ist seit zehn Jahren vorüber; während die Distrikte geknechtet werden und jedes Jahr zwei Jugendliche opfern müssen, die in den Hungerspielen antreten, gibt es auch im Kapitol nicht nur Gewinner. Zu den Verlierern gehört die einstmals reiche, nun aber verarmte Familie Snow. Der jugendliche Coriolanus Snow (Tom Blyth) wittert seine Chance auf einen sozialen Aufstieg, als Schüler der Akademie, die er besucht, erstmalig zu Mentoren der Tribute aus den Distrikten werden – diese Maßnahme wird von der obersten Spielemacherin Volumnia Gaul (Viola Davis) ergriffen, in der Hoffnung, dass diese Spiele für die Einwohner des Kapitols interessanter werden. Doch Coriolanus wird ausgerechnet der weibliche Tribut aus Distrikt 13 zugeteilt, ein Mädchen namens Lucy Gray Baird (Rachel Zegler). Gewöhnlich haben Tribute aus Distrikt 13 keine Chance auf einen Sieg, doch Lucy Gray hinterlässt von Anfang an Eindruck. Bietet sie vielleicht die Chance, die Coriolanus braucht? Und was geschieht, wenn romantische Gefühle mitmischen?

Kritik: „The Hunger Games: The Ballad of Songbrids and Snakes” scheint zu jenen Franchise-Filmen zu gehören, die zum falschen Zeitpunkt starten: Zu spät, um noch vom ursprünglichen Momentum zu profitieren, aber zu früh für Nostalgie. Zwar war das Prequel zur Filmreihe um das totalitäre Panem finanziell kein Flop, scheint aber auch nur wenige wirklich vom Hocker gerissen zu haben und wurde unter Fans und Publikum eher gemischt aufgenommen. Ein wenig fühlt man sich an „Fantastic Beasts and Where to Find Them” erinnert, vor allem unter dem Gesichtspunkt, dass der Regisseur, der die ursprüngliche Reihe beendete, auch das Prequel umsetzt. Anders als bei „Fantastic Beasts“ gab es allerdings eine von Suzanne Collins verfasste Romanvorlage, die es jedoch nicht unbedingt schaffte, ihren eigenen, hohen Ansprüchen gerecht zu werden. Die Filmadaption ist diesbezüglich leider keine Aufwertung. Während es der ursprünglichen Filmreihe gelang, eine etwas merkwürdige Wechselwirkung zur Vorlage aufzubauen, sodass sich Romane und Filme gegenseitig aufwerteten, wirkt Lawrence‘ Umsetzung von „The Ballad of Songbirds and Snakes“ oftmals wie ein bloßes Abfilmen.

Schon der Roman wollte, trotz der Tatsache, dass es sich um das längste Buch der Serie handelt, zu viel auf zu wenig Seiten erreichen – entweder hätte Collins ein noch deutlich umfangreicheres Werk schreiben oder das Ganze als mehrbändige Reihe anlegen müssen. Der Film leidet unter diesem Problem in noch weit größerem Ausmaß. Man wäre vielleicht sogar geneigt gewesen, eine filmische Zweiteilung gutzuheißen, vor allem, da sich der Roman in zwei recht autarke Hälften teilen lässt. Nach den Erfahrungen, die Lawrence mit „Mockingjay Part 1“ und „Mockingjay Part 2“ gemacht hatte, nahm er von dieser Idee allerdings Abstand. Das Ergebnis ist ein ziemlich gehetzt wirkender Film, der selbst den gelungenen Passagen (sprich: grob der ersten Hälfte) nicht die Aufmerksamkeit widmet, die sie verdienen. Das ist vor allem deshalb schade, weil der Cast wirklich gelungen ist: Tom Blyth nimmt man sehr gut einen jungen Donald Sutherland ab und vor allem Peter Dinklage und Viola Davis machen aus zu wenig Leinwandzeit sehr viel. Rachel Zegler funktioniert als Lucy Gray Baird ebenfalls ganz gut, auch wenn sie nicht immer die beste Chemie mit Blyth hat. Immerhin: Singen kann sie definitiv. Andere talentierte Darsteller, etwa Hunter Schafer, Burn Gorman oder Jason Schwartzman, gehen hingegen eher unter. Auch die Ausstattung weiß durchaus zu gefallen. Anders als in den ursprünglichen Filmen hält sich die absolute Dekadenz des Kapitols noch in Grenzen, wir sehen eher die Ruinen einstiger Größe. Die Ausgestaltung der erzählten Welt erinnert stark an eine futuristische Version Nachkriegszeit, sprich: später 40er, früher 50er, und sorgt für eine gelungene Atmosphäre. Auf der Handlungsebene gelingt es Lawrence und seinen Drehbuchautoren Michael Lesslie und Michael Arndt allerdings nur selten, diesen Nachkriegszustand effektiv zu vermitteln – zu sehr sind sie damit zu beschäftigt, alle Figuren zu etablieren und sich durch die Handlung zu arbeiten.

Wie schon in den ursprünglichen drei Romanen sind wir als Leser an die Perspektive des Protagonisten gebunden und wie in den ursprünglichen Filmen verlässt Lawrence auch hier diese Perspektive hin und wieder. Was die Hunger-Games-Quadrologie allerding bereicherte, ist in „The Ballad of Songbirds and Snakes“ hinderlich. Es ist durchaus verständlich, dass diese frühe Inkarnation der Hungerspiele auch tatsächlich gezeigt wird, schließlich möchte man in seiner YA-Adaption auch ein wenig Action, aus erzählerischer Sicht funktioniert die Herangehensweise des Romans jedoch deutlich besser. Hier werden die Spiele nur aus Coriolanus‘ Sicht gezeigt, der sie primär am Bildschirm verfolgt und nur einmal selbst in die Arena muss. Dieser Kniff hätte in meinen Augen für deutlich mehr Suspense gesorgt und es zudem ermöglicht, den Hinter-den-Kulissen-Aspekten noch mehr Platz einzuräumen. Gerade im Vergleich zu den extravaganten Arenen der ersten beiden Filme ist die hier gezeigte Ruine visuell einfach nicht besonders interessant. Das ist inhaltlich und thematisch natürlich passend, aber dennoch nicht zu leugnen. So gehen viele der scheinbar sekundären, aber doch essentiellen Elemente der Vorlage verloren oder werden zumindest stark reduziert – die Rede ist von der Genesis der Hungerspiele, wie man sie aus den ursprünglichen Filmen kennt.

Der in Distrikt 12 spielende Teil des Films ist noch einmal gehetzter als sowohl das Romangegenstück als auch die erste Hälfte, sodass sich die Ereignisse regelrecht überschlagen. Zudem fällt das Fehlen von Coriolanus‘ Gedanken, die im Roman stets präsent sind, gerade hier äußerst negativ ins Gewicht. Damit meine ich nicht, dass man das als Stimme aus dem Off explizit hätte einbinden sollen, aber es wäre doch machbar gewesen, diese Inhalte visuell zu vermitteln. Das hat zudem zur Folge, dass Coriolanus im Film über lange Zeit deutlich positiver charakterisiert wird, schlicht deshalb, weil seine Motivation und die Gründe für sein Handeln nicht anständig vermittelt werden. So springt Coriolanus gegen Ende gewissermaßen von seiner ursprünglichen Charakterisierung in diesem Film zur Donald-Sutherland-Version ohne allzu große Zwischentöne.

Score: Musikalisch riskiert „The Hunger Games: The Ballad of Songbirds and Snakes” keine Experimente. Wie schon bei den vorherigen Filmen schwingt James Newton Howard den Taktstock und knüpft nahtlos an den etablierten Sound an. Howards Musik für dieses Franchise ist zwar stets funktional und passend, lässt aber wirklich herausragende Highlights und markante Themen oft vermissen. Die beiden einprägsamsten Stücke, die Kapitol-Hymne Horn of Plenty und The Hanging Tree, das zum Lied des Widerstands wird, sind beides diegetische Stücke aus der Feder anderer Komponisten, die Howard zwar im Score hin und wieder aufgreift, in meinen Augen aber keinesfalls ausreichend. Das trifft auch auf „The Ballad of Songbirds and Snakes” zu, und das obwohl The Hanging Tree ein durchaus wichtiger Teil der Handlung ist. Horn of Plenty wird auf einen kleinen, diegetischen Cameo-Auftritt reduziert, stattdessen findet sich mit Anthem: Gem of Panem eine neue, weniger einprägsame Kapitols-Hymne. Die bereits zuvor etablierten Themen referenziert Howard immer wieder und auch durchaus zufriedenstellend, während das stärkste neue Leitmotiv Lucy Gray gilt. Stilistisch finden sich auch einige Parallelen zu Howards Musik für die Fantastic-Beasts-Reihe, wobei diese zumeist etwas markanter ausfällt. Wer also Fan des Komponisten oder der Musik der Filmreihe ist, kann bedenkenlos zugreifen. Sollte man es allerdings nur auf die Crème de la Crème der Panem-Scores abgesehen haben, ist man mit „Mockingjay Part 1“ nach wie vor am besten bedient.

Fazit: In meiner Rezension zum Roman „The Ballad of Songbirds and Snakes” stellte ich die Frage, ob der Film es wohl schafft, die Vorlage aufzuwerten oder ob er an ihren Schwächen scheitert. Die Antwort ist eindeutig, Letzteres ist der Fall, zusätzlich zu weiteren filmexklusiven Schwächen. „The Hunger Games: The Ballad of Songbirds and Snakes“ ist bei Weitem keine katastrophale Adaption, bleibt aber eindeutig sowohl hinter den Möglichkeiten als auch der ohnehin schon nicht optimal konstruierten Vorlage zurück.

Trailer

Bildquelle

Siehe auch:
The Ballad of Songbirds and Snakes
The Hunger Games
Catching Fire
Mockingjay Part 1
Mockingjay Part 2
The Hunger Games: Horn of Plenty vs. The Hanging Tree