Twins of Evil

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Story: Nach dem Tod ihrer Eltern kommen die Zwillinge Maria (Mary Collinson) und Frieda (Madeleine Collinson) Gellhorn in die Obhut ihres Onkels Gustav Weil (Peter Cushing) nach Österreich. Bei diesem handelt es sich um einen gestrengen Puritaner, der überall Teufelswerk wittert. Besonders der hedonistische Graf Karnstein (Damien Thomas) ist ihm ein Dorn im Auge. Und tatsächlich liegt Gustav Weil in diesem Kontext gar nicht so falsch. Mithilfe eines schwarzmagischen Rituals ruft der Graf Mircalla Karnstein (Katya Wyeth) aus dem Grab und wird von ihr in einen Vampir verwandelt. Als Opfer hat er bereits die neuangekommenen Zwillinge auserkoren…

Kritik: „Twins of Evil“, der dritte Teil von Hammers nur sehr lose zusammenhängender Karnstein-Trilogie, kam 1971, nur einige Monate nach dem Vorgänger, „Lust for a Vampire“ ins Kino. Während dieses Mal John Hough Regie führte, verfasste Tudor Gates wieder das Drehbuch und abermals basiert der Film zumindest in der Theorie auf Motiven aus Joseph Sheridan LeFanus „Carmilla“, wie bei „Lust for a Vampire“ ist aber kaum etwas von dieser essentiellen Vampir-Novelle geblieben. Der zweite und dritte Teil der Karnstein-Trilogie gleichen sich in vielerlei Hinsicht; beide verwenden für ihre Vampire den Namen Karnstein, ohne sich dabei aber inhaltlich oder thematisch auf „Carmilla“ zu beziehen. Oder, um es plakativ auszudrücken: Für einen Film, der mit „Carmilla“ in Verbindung steht, ist „Twins of Evil“ wirklich verdammt hetero. Mircalla Karnstein, dieses Mal gespielt von Katya Wyeth (Ingrid Pitt wurde die Rolle angeboten, sie lehnte jedoch ab), taucht nur in einer kurzen Szene auf, der primäre Schurke ist Graf Karnstein, der den Genre-Konventionen folgt und ausschließlich junge Frauen als Opfer auserkoren hat. Verabschiedet man sich allerdings mental von der Carmilla-Verknüpfung, ist „Twins of Evil“ deutlich unterhaltsamer und gelungener als „Lust for a Vampire“, auch wenn man noch über einige andere Aspekte hinwegsehen muss. Während Graf Karnstein dem Archetyp des europäischen, adeligen Blutsaugers entspricht, der seinerzeit von John William Polidori für „The Vampyre“ geschaffen und von Stokers „Dracula“ zementiert wurde, mutet die Präsenz puritanischer Hexenjäger im Österreich des 17. Jahrhunderts eher merkwürdig an. Aber bei einem Hammer-Film sollte diese Kombination vielleicht nicht unbedingt überraschen…

Sowohl atmosphärisch als auch und vor allem darstellerisch ist „Twins of Evil“ eine deutliche Verbesserung gegenüber „Lust for a Vampire“, was nicht zuletzt an Damien Thomas und natürlich an Peter Cushing liegt. Ersterer hat sichtlich Spaß daran, seinen Grafen Karnstein sehr unsympathisch und diabolisch anzulegen, wobei er eine bessere Figur macht und über deutlich mehr Charisma verfügt als Mike Raven, sein „Vorgänger“ in dieser Rolle. Peter Cushing darf abermals als Vampirjäger vom Dienst fungieren, wobei seine Rolle deutlich zwiespältiger angelegt ist als Van Helsing in den diversen Dracula-Filmen oder Baron Spielsdorf in „The Vampire Lovers“. Während diese eindeutig positiv konnotiert sind, ist Gustav Weil übermäßig streng, bigott und schreckt vor körperlicher Züchtigung nicht zurück. Dass er in Bezug auf Graf Karnstein richtig liegt, wirkt eher wie ein Zufall, ganz nach dem Motto „Auch ein blindes Huhn findet mal ein Korn“. Es ist nicht unbedingt verwunderlich, dass der Film gegen Ende mit Gustav Weil nicht mehr allzu viel anzufangen weiß, aber zumindest der Ansatz ist interessant und Peter Cushings Spiel natürlich über jeden Zweifel erhaben.

Die titelgebenden Zwillinge Maria und Frieda Gellhorn sind dagegen eher vorhanden, um ein männliches Publikum anzulocken und weniger wegen ihrer darstellerischen Fähigkeiten. Tatsächlich waren Mary und Madeleine Collinson die ersten identischen Zwillinge, die es auf das Cover des Playboy schafften. Ihre Entwicklung gestaltet sich dann auch dementsprechend klischeehaft: Natürlich ist ein Zwilling böse und der andere gut, natürlich tauschen sie die Plätze und am Ende bleibt nur eine der beiden übrig. Ein Handlungselement, das sich samt unangenehmer Implikation aus dem letzten Film wiederholt, ist ein Lehrer, Anton Hoffer (David Warbeck), der sich in eine seiner Schülerinnen verliebt. Anton Hoffer fungiert in der Theorie als eigentlicher Protagonist, der sowohl gegen den Grafen Karnstein als auch gegen Gustav Weils Bigotterie kämpft, in der Praxis ist er allerdings ziemlich uninteressant und unmarkant. An dieser Stelle noch eine Anmerkung zum deutschen Titel: Dieser lautet „Draculas Hexenjagd“. Hier scheint sich der deutsche Verleih an „The Brides of Dracula“ orientiert zu haben, denn natürlich spielt Dracula keine Rolle und wird nicht einmal erwähnt. Wahrscheinlich dachte man sich: Vampirfilm mit Peter Cushing, das kann nur zu Dracula gehören.

Fazit: „Twins of Evil“ hat mit “Carmilla” nun wirklich so gut wie gar nichts mehr zu tun, als kurzweiliger Hammer-Vampirfilm ist er, dank Peter Cushing und Damien Thomas, dann aber doch deutlich unterhaltsamer als der Vorgänger.

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Trailer

Siehe auch:
Geschichte der Vampire: Carmilla
Art of Adaptation: The Vampire Lovers
Lust for a Vampire
Geschichte der Vampire: Dracula – Hammers Graf
First Kill – Staffel 1

Guardians of the Galaxy Vol. 3

GUARDIANS OF THE GALAXY VOL. 3

Story: Nach dem Angriff des mysteriösen goldenen Kriegers Adam Warlock (Will Poulter) auf die Basis der Guardians of the Galaxy schwebt Rocket (Bradley Cooper) in Lebensgefahr. Unglücklicherweise gibt es Komplikationen: Um ihr Teammitglied retten zu können, benötigen sie einen speziellen Code der Firma Orgocorp, die mit Rockets „Veränderungen“ zusammenhängt. Also machen sich Peter Quill (Chris Pratt), Nebula (Karen Gillan), Drax (Dave Bautista), Mantis (Pom Klementieff) und Groot (Vin Diesel) auf, um in das Orgocorp-Hauptquartier einzudringen. Dazu benötigen sie allerdings die Hilfe von Gamora (Zoe Saldaña) – doch diese Gamora ist nicht mehr die, die einst selbst Mitglied der Guardians war. Derweil versucht der High Evolutionary (Chukwudi Iwuji), der für die Experimente an Rocket verantwortlich ist, diesen wieder in seinen Besitz zu bringen…

Kritik: Nachdem James Gunn aufgrund alter Tweets erst von Marvel bzw. Disney gefeuert und dann wieder angeheuert wurde, anschließend mit „The Suicide Squad“ und „Peacemaker“ zwei DC-Projekte verwirklichte und schließlich zum neuen Boss der Filmsparte des Marvel-Rivalen wurde, lässt sich sein letzter Abstecher ins MCU nun endlich im Kino ansehen. „Guardians of the Galaxy Vol. 3“ ist bereits der zweite Film der fünften Phase des MCU, das in den letzten Jahren ein wenig strauchelte. Während sich „Spider-Man: No Way Home“ noch als massiver Erfolg entpuppte, blieben viele andere Filme und Serien bezüglich der Rezeption oder des Einspielergebnisses hinter den Erwartungen zurück – exemplarisch erwähnt sei hier „Ant-Man and the Wasp: Quantumania“, das als furioser Start von Phase 5 fürchterlich versagte.

„Guardians of the Galaxy Vol. 3” hingegen scheint eindeutig wieder an alte Erfolge anknüpfen zu können, sowohl bezüglich der Rezeption als auch finanziell. Und man erkennt unschwer, weshalb: Während sich die typische MCU-Formel mit ihren Tie-Ins, ihrer Gleichförmigkeit und ihrem entschärfenden Humor inzwischen ziemlich abgenutzt hat, ist der dritte Guardians-Streifen in erster Linie ein James-Gunn-Film. Das bedeutet zwar, dass Gunns anarchischer Humor allgegenwärtig ist, zugleich aber das typische Bathos-Problem des MCU erfolgreich vermieden wird. Der selbstreferentielle Humor, der authentische Emotionalität oft unmöglich macht, hat vor allem „Thor: Love and Thunder“ viele Probleme bereitet. Diverse MCU-Filme der letzten Jahre bemühten sich zumindest in Teilen um eine Abkehr, sowohl der bereits erwähnte „Spider-Man: No Way Home“ als auch „Doctor Strange in the Multiverse of Madness“ und „Black Panther: Wakanda Forever“ versuchten, ein größeres Ausmaß an besagter authentischer Emotionalität zu erreichen, aber ich denke, „Guardians of the Galaxy Vol. 3“ feiert diesbezüglich den größten Erfolg. Hier gilt, was ich bereits zu „The Suicide Squad“ schrieb: Was auch immer man diesem Film vorwerfen kann, er hat definitiv Herz.

Dass James Gunn wohl relativ freie Hand hatte, merkt man sowohl im Guten als auch im Schlechten. Vielleicht wäre es tatsächlich von Vorteil gewesen, „Guardians of the Galaxy Vol. 3“ hier und da ein wenig zu trimmen, die Kanten abzuschleifen und vor allem etwas schneller zum Ende kommen zu lassen. Auf der positiven Seite lässt sich vermerken, dass Gunn zwar nicht völlig frei seiner Handlungsführung ist – selbstverständlich muss er auf die Entwicklungen aus „Avengers: Infinity War“ und „Avengers: Endgame“ Rücksicht nehmen, es finden sich allerdings keine Tie-Ins zum aktuell laufenden Multiversums-Metaplot oder Rückgriffe auf den Auftritt der Guardians in „Thor: Love and Thunder“. Das „The Guardians of the Galaxy Holiday Special“, exklusiv auf Disney Plus und ebenfalls von Gunn, spielt allerdings durchaus eine Rolle; primär wegen der dort stattfindenden Enthüllung gewisser familiärer Verhältnisse. Zudem reizt Gunn das PG13-Rating hier, ähnlich wie schon Raimi in „Doctor Strange in the Multiverse of Madness“, deutlich weiter aus, als das sonst bei den Filmen der Marvel Studios der Fall ist, gerade in Bezug auf Brutalität, Körpersäfte und sonstige bizarre Elemente (Stichwort: Orgocorp-Hauptquartier). Selbst eine F-Bombe wurde genehmigt.

Darüber hinaus besticht „Guardians Vol. 3“ vor allem durch die exzellente Charakterarbeit. Rocket ist zweifellos das emotionale Herzstück des Films. Zwar ist er während der ersten zwei Akte handlungsunfähig, aufgrund der Flashbacks, die seinen Hintergrund beleuchten, bleibt er dennoch stets präsent – dieser narrative Kniff hilft, die Dringlichkeit der Mission zu verdeutlichen. Auch die Handlungsbögen der restlichen Guardians bringt Gunn zu einem befriedigenden Ende. Gerade in Bezug auf Quill und Gamora ist die Situation ja durchaus komplex: In „Avengers: Infinity War“ stirbt Gamora, in „Avengers: Endgame“ kehrt sie zurück – aber als Version aus einer parallelen Zeitlinie ohne Erinnerungen an die gemeinsamen Abenteuer. Es wäre nun allzu leicht gewesen, die Romanze zwischen ihr und Quill einfach neu aufzurollen, aber erfreulicherweise wählt Gunn einen deutlich angemesseneren Weg. Gamora verliebt sich nicht erneut in Quill, lernt aber, die Guardians zu respektieren. Ihr tatsächliche „Zweitfamilie“ sind und bleiben aber die Ravagers. Ganz amüsant ist zudem der Rollentausch: Zuvor war Gamora „die nette Schwester“ und Nebula „die Gemeine“, in „Guardians Vol. 3“ ist es nun genau umgekehrt. Während Gamora oft selbstsüchtig oder amoralisch handelt, hat Nebula zwar mit ihren eigenen Konflikten zu kämpfen, ihre Loyalität zu den Guardians steht aber außer Frage.

Auf der Schurken-Seite darf dieses Mal der von Chukwudi Iwuji gespielte High Evolutionary agieren, der zwar weder besonders komplex noch sympathisch ist, aber exzellent als Hassobjekt fungiert, quasi die Dolores Umbridge des MCU. Gunn geht hier nicht unbedingt subtil vor, aber wer niedlich Tiere foltert, an ihnen Experimente durchführt und sie dann ohne Gewissensbisse liquidieren lässt, fällt beim Publikum schnell durch. Iwuji jedenfalls brilliert darin, den High Evolutionary als widerwärtigen Soziopathen darzustellen. Ayesha (Elizabeth Debicki) und Adam Warlock (Will Poulter) sind kaum mehr als ein Nachgedanke. Hier wirkt es, als wolle Gunn noch auf Teufel komm raus alle losen Fäden der Vorgänger miteinander verknüpfen. Die Idee, die Sovereign als Schöpfung des High Evolutionary darzustellen, wirkt arg konstruiert und Adam Warlock als Figur ziemlich austauschbar. Das hat einer der zentralen kosmischen Helden Marvels nun wirklich nicht verdient, da wäre es besser gewesen, ihn für einen späteren Film aufzuheben. Das alles bleibt allerdings Kritik auf hohem Niveau: Mich persönlich hat „Guardians of the Galaxy Vol. 3“ besser unterhalten als jeder Film aus Phase 4 des MCU.

Score: Bereits bei „The Suicide Squad” ersetzte Gunn seinen Stammkomponisten Tyler Bates, der u.a. die Musik für die ersten beiden Guardians-Filme komponierte, durch John Murphy, der seither Gunns neuer Stammkomponist zu sein scheint. Gerade in Bezug auf „Guardians of the Galaxy Vol. 3“ finde ich das äußerst schade, nicht nur aus Gründen der musikalischen Kontinuität, sondern auch, weil Bates für die beiden MCU-Filme die unterhaltsamsten Scores seiner Karriere schrieb. Die Scores der Guardians-Filme hatten schon immer gewisse Probleme damit, mit den prominent platzierten Songs zu konkurrieren. Vor allem in der ersten Hälfte von „Guardians Vol. 3“ geht Murphys Arbeit dementsprechend auch gnadenlos unter, nicht zuletzt, weil sie deutlich anonymer und weniger markant daherkommt als Bates‘ Musik für die ersten beiden Filme. Zwar bedient sich Murphy durchaus einiger Leitmotive, diese stechen aber kaum hervor. Es fehlt eine starke thematische Identität, wie sie Bates‘ Guardians-Thema lieferte. Dieses wird zwar referenziert, Murphy beschränkt sich allerdings auf drei, vier Einsätze im Finale, eher Pflichtübung denn Willen zur Integration. Davon abgesehen wissen vor allem einige beeindruckende Choreinsätze zu gefallen, die Action-Musik fällt ansonsten leider eher generisch und uninteressant aus.

Fazit: „Guardians of the Galaxy Vol. 3” ist in meinen Augen zwar der schwächste der drei Guardians-Filme, nicht zuletzt, weil er ein wenig vollgestopft und überlang daherkommt, aber alles in allem handelt es sich um ein gelungenes und würdiges Finale, das die Handlungsbögen dieser Figuren auf befriedigende Weise zu Ende führt. Zweifelsohne der beste MCU-Film seit „Avengers: Endgame“.

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Bildquelle (© 2023 Disney/Marvel. All Rights Reserved.)

Siehe auch:
Guardians of the Galaxy
Guardians of the Galaxy Vol. 2
The Suicide Squad
Avengers: Infinity War – Ausführliche Rezension
Avengers: Endgame – Ausführliche Rezension
Spider-Man: No Way Home – Ausführliche Rezension
Doctor Strange in the Multiverse of Madness – Ausführliche Rezension
Thor: Love and Thunder

Star Trek: The Motion Picture

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Story: Einige Jahre nach den ursprünglichen Abenteuern des Raumschiffs Enterprise zerstört eine merkwürdige Wolke mehrere Klingonenschiffe und droht nun auch, die Erde zu vernichten. Um diesen Vorfall zu untersuchen, gibt die Sternenflotte James T. Kirk (William Shatner), inzwischen Admiral, wieder das Kommando über die Enterprise, was ihrem aktuellen Captain, Willard Decker (Stephen Collins) nicht unbedingt zusagt. Auf Vulcan wird derweil auch Spock (Leonard Nimoy) auf die Anomalie aufmerksam und stößt bald ebenfalls zur Crew der Enterprise, sodass nun das alte Team wieder versammelt ist. Die Anomalie entpuppt sich als Wesen namens V’ger, das auf der Suche nach seinem Schöpfer ist…

Kritik: Anders als Star Wars gehört Star Trek nicht unbedingt zu meinen Kernkompetenzen. Während ich als Kind sicher die eine oder andere TOS- oder TNG-Episode gesehen habe, fand ich meinen Zugang zum Franchise erst über J. J. Abrams‘ Reboot von 2009, und selbst danach beschränkte sich dieser Zugang auf die Abrams-Filme, popkulturelle Osmose und natürlich die legendären Scores von Jerry Goldsmith und James Horner. Nachdem ich vor nicht allzu langer Zeit jedoch alle drei Staffeln von „The Orville“ durchgearbeitet habe und zudem gerade an „Star Trek: Lower Decks“ viel Gefallen finde, denke ich, dass es an der Zeit ist, mich den Klassikern des Franchise zuzuwenden. Ob die Filme diesbezüglich tatsächlich repräsentativ sind, ist freilich diskutabel, allerdings habe ich weder Zeit noch Lust, mich durch unzählige Staffeln zu arbeiten, weshalb sie genügen müssen.

„Star Trek: The Motion Picture“ hat eine recht bewegte Geschichte hinter sich. Das Skript von Harold Livingston, basierend auf einer Geschichte von Alan Dean Foster, war ursprünglich für die Pilotfolge einer neuen, angedachten Star-Trek-Serie namens „Star Trek: Phase II“ verfasst worden. Nachdem sich aber der erste Star-Wars-Film und „Close Encounters of the Third Kind“ als Hits an den Kinokassen erwiesen, entschloss man sich bei Paramount, die Revitalisierung von Star Trek lieber in Form von Filmen durchzuführen. Als Regisseur gewannen Paramount und Serienschöpfer Gene Roddenberry Robert Wise, während die Crew der klassischen Serie um William Shatner, Leonard Nimoy, Nichelle Nichols, DeForest Kelley, James Doohan, Walter Koenig und George Takei wieder komplett versammelt werden konnte, auch wenn die meisten von ihnen im Film nicht allzu viel zu tun haben.

Bei der Konzeption wollte man sich bewusst vom frisch etablierten Star-Wars-Stil abgrenzen und wählte einen deutlich philosophischeren Ansatz, explizites Vorbild war Kubricks „2001: A Space Odyssey“. Unglücklicherweise geht dieser Ansatz allerdings bestenfalls bedingt auf, denn man merkt dem Drehbuch sehr, sehr deutlich an, dass es eben ein aufgeblähtes Skript einer Fernsehfolge ist, das die Laufzeit von über zwei Stunden einfach nicht rechtfertigt. Zudem erfolgte das Aufblähen nicht durch neue Szenen, sondern durch schlichte Verlängerung – legendär ist inzwischen der sechsminütige Flug zur Enterprise, bei dem einfach nichts passiert. Dabei sind die Ideen, die Livingston und Foster zur Grundlage ihres Films machen, durchaus interessant: Das künstliche Bewusstsein V’ger, ursprünglich von irdischer Herkunft, das nach seinem Schöpfer sucht, gedacht natürlich als Metapher für unsere eigene Suche nach einem Schöpfer, so denn einer existiert. Interessanterweise wurde der Handlungsstrang um V‘ger im Franchise, zumindest soweit ich herausfinden konnte, nie wieder aufgegriffen, was in Hinblick auf die hochentwickelte Maschinenzivilisation, die für V’gers Entwicklung verantwortlich ist, durchaus merkwürdig anmutet. Vielleicht sind es ja, wie eine, je nach dem, wen man fragt, mehr oder weniger beliebte Fantheorie postuliert, tatsächlich die Borg…

Die philosophische Dimension, die Star Trek ausmacht, ist zweifellos vorhanden, und auf eine Stunde eingedampft hätte das sicher eine brauchbare Episode abgegeben. Für einen Kinofilm hingegen fehlt hier schlicht die charakterliche Substanz, von Suspense oder Grandeur abseits der Spezialeffekte gar nicht erst zu sprechen. Obwohl theoretisch die Erde bedroht wird, kommt nie ein Gefühl der Dringlichkeit auf. Figurenentwicklung und -interaktion ist zudem eine eher theoretische Angelegenheit. Auch diesbezüglich sind zweifellos Ansätze vorhanden, etwa der Konflikt zwischen Kirk und Decker, sowie Kirks beginnende Mid-Life-Crisis, in letzter Konsequenz fühlt sich das alles aber steril und statisch an. Das trifft auch auf die Kostüme und Kulissen zu, die zweifellos gegenüber der ursprünglichen Serie eine Aufwertung darstellen, aber zugleich ähnlich leblos wirken wie die Figurendynamik. Die Effekte sind ebenfalls sehr ansehnlich (und verschlangen eine Menge Geld), verkommen aber oftmals fast zum Selbstzweck, wenn sie genutzt werden, um die Laufzeit noch weiter auszudehnen.

Score: Wenn es einen Aspekt dieses Films gibt, bei dem wirklich alles richtig gemacht wurde, dann ist es der phänomenale Score von Altmeister Jerry Goldsmith. Während „Star Trek: The Motion Picture“ visuell und inhaltlich oftmals eher als ungeliebtes Stiefkind der Filmreihe wahrgenommen wird und stattdessen „Star Trek II: The Wrath of Khan“ zum Vorbild wurde, dem man nacheifert, setzte Goldsmith die musikalische Messlatte sehr hoch und schuf den wohl einflussreichsten Score der Filmserie. Neben Alexander Courages Intro-Thema der Originalserie sind es Goldsmiths Melodien, die auch noch in den neuesten Inkarnationen des Franchise erklingen, sei es in „Star Trek: Lower Decks“ oder „Star Trek: Picard“.

Auch bezüglich der Musik entschloss man sich zu einer Distanzierung von Star Wars. Vor allem mit seinem Hauptthema, das die Enterprise und die Sternenflotte repräsentiert, wollte Goldsmith ein Gefühl der Seefahrerromantik erwecken, was ihm zweifelsohne gelungen ist. Tatsächlich haben die ausgedehnten Szenen auf die Musik eine sehr positive Wirkung, da Goldsmith hier den Raum bekommt, sie wirklich atmen zu lassen. So ewig der Flug zur Enterprise auch dauert, so grandios ist die getragene Variation des Hauptthemas. Es fällt nicht besonders schwer zu verstehen, weshalb man dieses Thema als Intro-Musik für „Star Trek: The Next Generation“ wählte. Neben diesem zentralen Thema finden sich noch eine Reihe weiterer Leitmotive. Das Klingonenthema bekommt nur einen kleinen Auftritt, Goldsmith erhielt in „Star Trek V: The Final Frontier“ allerdings die Gelegenheit, dieses Motiv weiterzuentwickeln. Für die von Persis Khambatta gespielte Ilia, die später von V’ger, sagen wir, assimiliert wird, komponierte Goldsmith ein außergewöhnlich lyrisches und schönes Thema, das als Ouvertüre des Films fungiert und später, nach der Assimilation, mit subtilen Dissonanzen versehen wird. Für V’ger selbst ist ein deutlich fremdartigeres Konstrukt zu hören, eher Soundesign denn Musik; hierfür verwendete Goldsmith den „Blaster Beam“, einen im Jahr 1978 neuartigen Synthesizer, der auch danach immer wieder in der Filmmusik zum Einsatz kam. Auch das klassische Star-Trek-Thema von Alexander Courage findet Verwendung, allerdings bediente sich Goldsmith nicht, wie in den späteren Filmen üblich, der dem eigenen Thema vorangestellten Fanfare, sondern einer eher düsteren Variation der eigentlichen Melodie, die Kirks Logbucheinträge untermalt. Das Arrangement stammt von Courage selbst, der am Score von „Star Trek: The Motion Picture“ als Orchestrierer arbeitete.

Fazit: Wie man es auch dreht und wendet, „Star Trek: The Motion Picture“ ist leider kein besonders guter Einstieg ins Franchise. Der erste Star-Trek-Film repräsentiert zwar die philosophischen Ansichten und Intentionen Gene Roddenberrys recht gut, zieht sich aber ungemein und ist über weite Strecken schlicht langweilig und langatmig. Wer die ursprüngliche Crew der Enterprise kennenlernen will, ist mit „Star Trek II: The Wrath of Khan“ sicher besser bedient. Für Fans von Jerry Goldsmith ist „The Motion Picture“ allerdings Pflichtprogramm, schließlich komponierte der Altmeister hierfür einen seiner besten Scores.

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Hellraiser (2022)

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Story:
Riley (Odessa A‘zion), eine ehemalige Drogensüchtige auf dem Weg der Besserung, lebt bei ihrem Bruder Matt (Brandon Flynn) und dessen Freund Colin (Adam Faison). Zusammen mit ihrem Freund Trevor (Drew Starkey) stiehlt sie eine mysteriöse Puzzle-Box. Als sie nach einem Streit mit Matt die Box bearbeitet, kann sie verhindern, sich an der herausfahrenden Klinge zu schneiden, woraufhin bizarre Kreaturen, die Cenobiten, erscheinen und Opfer verlangen. Unfreiwillig wird Matt das erste Opfer der Box. Doch das ist erst der Anfang: Immer mehr verstricken sich Riley und ihre Angehörigen in die Machenschaften des finsteren Millionärs Roland Voight (Goran Višnjić) und der enigmatischen Anführerin der dämonischen Cenobiten (Jamie Clayton)…

Kritik: Da sind wir also nun beim elften Hellraiser-Film angekommen, dem dritten ohne Doug Bradleys Mitwirken und dem ersten seit gefühlt einer Ewigkeit, der wieder so etwas wie ein Budget zu haben scheint und nicht nur gedreht wurde, damit ein gieriges Studio die Rechte behalten kann. Zudem handelt es sich hierbei offiziell um einen Reboot – auch wenn Kontinuität niemals die Stärke der bisherigen Filmreihe war. Tatsächlich wagen Regisseur David Bruckner und seine Drehbuchautoren Ben Collins und Luke Piotrowski (basierend auf einer Idee von David S. Goyer) durchaus einige Neuerungen und Änderungen, berufen sich aber zugleich auf viele Werte und Elemente der frühen Einträge im Franchise.

Dieser Reboot, der den schlichten Titel „Hellraiser“ trägt, lässt sich unter zwei Gesichtspunkten betrachten. Da wäre zum einen „Hellraiser“ als Horrorfilm – in dieser Hinsicht haben wir es eher mit solidem Mittelmaß zu tun, Bruckner und Co. erfinden das Rad definitiv nicht neu. Zudem wird vor allem die erste Hälfte von einigen Problemen geplagt, dazu gehören primär sehr unmarkante Nebenfiguren, die einander ständig anpöbeln und ein gewisses Mäandern der Handlung; es passiert einfach nicht viel im ersten Akt und das, was passiert, wird nicht unbedingt interessant inszeniert. Mit einer Laufzeit von zwei Stunden ist Bruckners Film für einen Eintrag in diesem Franchise tatsächlich ziemlich lang – zu lang. Wer Jump-Scares erwartet, ist hier natürlich ohnehin an der falschen Stelle, das ist etwas, dass dieses Franchise weder anbieten kann noch möchte. Auch der Blutzoll bleibt verhältnismäßig niedrig und in Bezug auf kreative Todesarten ist definitiv noch Luft nach oben. Horrorfans, die keine spezielle Neigung zur Hellraiser-Reihe haben, können durchaus ihr Vergnügen mit diesem Film haben, werden ihn aber wohl kaum als wirklich besonders oder bahnbrechend empfinden.

Im Kontext des Franchise sieht die Sache natürlich noch einmal ein wenig anders aus, hier kommt Bruckners Reboot deutlich besser weg, was nicht zuletzt an der unterirdischen Qualität der diversen Direct-to-DVD-Streifen liegt, die diesem hier vorangingen. Tatsächlich katapultiert allein die solide Machart und der Umstand, dass es sich hierbei nicht um ein Skript handelt, in das kurzfristig die Lemarchand-Konfiguration und ein paar Cenobiten integriert wurden, diesen Film relativ weit nach vorne im Hellraiser-Gesamtranking. Hinzu kommen einige durchaus interessante Idee, die zwar nicht immer völlig aufgehen, aber dennoch eine willkommene Abwechslung bieten. Thematisch versuchen Bruckner und Co., die Puzzle-Box und ihre Effekte als Metapher für Sucht darzustellen. Dieser Umstand ist durch die Konzeption der Hauptfigur nicht unbedingt besonders subtil und funktioniert auch nur eingeschränkt, aber ein interessanter Ansatz ist es zweifelsohne. Ein Aspekt, der dabei aber leider größtenteils verloren geht, ist die Dualität von Lust und Schmerz, die in Barkers ursprünglicher Novelle eine so zentrale Rolle spielt. Während die Cenobiten definitiv auf altbekannte Art und Weise foltern, fehlen doch Figuren, die selbstzerstörerische Erotik so repräsentierten wie Frank und Julia. Zugegebenermaßen gelingt es aber keinem Hellraiser-Film außer dem ersten, wirklich gut mit dieser Thematik zu arbeiten.

Inhaltlich erzählen Bruckner, Collins und Piotrowski zwar definitiv eine neue Geschichte, lassen sich aber von Elementen der ersten beiden Filme und natürlich Clive Barkers Novelle „The Hellbound Heart“ inspirieren. Mit Riley fungiert erneut eine junge Frau als Protagonistin, die allerdings verhältnismäßig wenig mit Kirsty gemein hat. Roland Voight hingegen vereint Charakterzüge sowohl von Frank Cotton als auch von Dr. Channard aus „Hellbound: Hellraiser II“. Am interessantesten sind jedoch die Darstellung der Cenobiten und Pinheads. Nach zehn Filmen hat man sich so sehr an die schwarze Lederoptik gewöhnt, dass eine wie auch immer geartete Neuinterpretation, die Barkers eher vage Beschreibungen allerdings durchaus zulassen, erst einmal merkwürdig erscheint. Tatsächlich verzichtet der Reboot komplett sowohl auf die S/M- als auch die katholischen Einflüsse im Design der Cenobiten, stattdessen sind es nun kunstvolle Entstellungen und Hautlappen, die als Kleidungsersatz fungieren. Der Reboot verfügt über eine ganze Reihe von Cenobiten, die meisten tun allerdings nicht mehr, als bedrohlich im Hintergrund herumzustehen. Am dominantesten sind zweifelsohne die Neuinterpretation des Chatterers (Jason Liles) – kaum ein Hellraiser-Film kommt ohne eine Variation dieser Figur aus – und „The Gasp“ (Selina Lo), die in Konzeption und Design Elemente des „Female Cenobite“ aus den ersten beiden Teilen und von Angelique aus „Hellraiser: Bloodline“ vereint. Und dann wäre da natürlich noch Pinhead – offiziell hier die Höllenpriesterin, aber den von Clive Barker gehassten Spitznamen wird diese Figur nun einfach nicht mehr los. Auch hier orientierte man sich stärker an „The Hellbound Heart“, in welchem ein geschlechtlich nicht eindeutig zuordenbarer, aber doch eher weiblicher Proto-Pinhead auftauchte. Die Rolle als Wortführer der Cenobiten erhielt er freilich erst in der Filmadaption von 1987. Wie dem auch sei, die von Jamie Clayton dargestellte Version der Figur lässt die billigen Kopien aus „Hellraiser: Revelations“ und „Hellraiser: Judgement“ jedenfalls mühelos hinter sich. Doug Bradley wird für mich (und die meisten anderen sicher auch) immer das ungeschlagene Original bleiben, aber dennoch gefällt mir die neue Pinhead ausnehmend gut, gerade weil Clayton nicht einfach nur einen Abklatsch darstellt, sondern die Figur deutlich anders interpretiert. Wo Bradleys Pinhead sich durch markanten Stoizismus auszeichnete und nur selten emotionale Regungen zeigte (mit Ausnahme von „Hellraiser III: Hell on Earth“, versteht sich), verleiht Clayton ihrer Version der Figur eine, man möchte fast sagen, kindlich-amüsierte Neugier. Und ja, Jamie Clayton darf Doug Bradley das eine oder andere Mal zitieren: „We have such sights to show you.“

Auch darüber hinaus zeigt sich der Reboot der in den ersten beiden Hellraiser-Filmen etablierten Mythologie gegenüber sehr respektvoll – deutlich respektvoller als alle Teile der Filmreihe ab „Hellraiser III: Hell on Earth“. Während in den späteren Filmen die Cenobiten zunehmend christlich als tatsächliche Dämonen ausgelegt wurden, sind sie hier wieder in deutlich größerem Ausmaß amoralische Wesen mit einem sehr extremen Verständnis von Vergnügen. Mehr noch, Leviathan, der „Gott“ der Cenobiten, darf sich zum ersten Mal seit „Hellbound: Hellraiser II“ wieder zeigen (diverse Auftritte in Comics natürlich nicht mitgerechnet). Ein Detail, das mir besonders gefallen hat, war die langsame Verwandlung von Voights Anwesen und Umgebung in das Labyrinth, eine visuell beeindruckende Hommage an das erste Hellraiser-Sequel. Nicht ganz so gelungen fand ich persönlich hingegen die Neuinterpretation der Puzzle-Box. Diese hat nun einer Reihe diverser Konfigurationen, die mir ein wenig zu statisch und formalisiert erscheinen, frei nach folgendem Pinhead-Zitat aus „Hellraiser: Bloodline“: „Hell is more ordered since your time, princess, and much less amusing.“ Was mich allerdings in deutlich größerem Ausmaß stört, ist die „Opferwahl“: In früheren Filmen spielte beim Lösen der Lemarchand-Konfiguration Verlangen eine wichtige Rolle. Wir erinnern uns, wie Pinhead seine Cenobiten in „Hellbound: Hellraiser II“ davon abhält, Tiffany anzugreifen, weil sie das Puzzle aus einem mentalen Zwang heraus gelöst hat, nicht aus eigenem Willen: „It is not hands that call us. It is desire.“ Hier hingegen wird zum Opfer der Cenobiten, wer sich an der Klinge der Box schneidet und sie mit Blut „füttert“. Ja, Blut spielt stets eine wichtige Rolle, aber dieser Neuerung ist mir persönlich zu zufällig und unpersönlich.

Und schließlich hätten wir da noch Ben Lovetts Score. Musik ist ein essentielles Element der Hellraiser-Filme, die ersten beiden Teile verfügen über phänomenale Scores von Christopher Young und die Komponisten des dritten und vierten Teils, Randy Miller und Daniel Licht, konnten zwar nicht ganz an die Qualität von Youngs Arbeit anknüpfen, bemühten sich aber um stilistische Anleihen und leitmotivische Kontinuität. Lovett knüpft an diese Vorgehensweise an, zumindest teilweise. Seine Hellraiser-Musik fällt deutlich moderner und elektronischer aus als Youngs, mehr den aktuellen Konventionen des Genres folgend, zugleich macht Lovett aber auch ausgiebig Gebrauch von Youngs Motiven und Melodien, primär natürlich in der zweiten Hälfte des Films. Im direkten Vergleich mit den Originalen können Lovetts Neuinterpretationen der Themen nicht mithalten, ihnen fehlt die schiere, orchestrale Wucht, nur allzu oft wirkt die Darbietung zu elektronisch und steril, aber im Kontext des Films funktionieren sie tatsächlich sehr gut und verbreiten ordentlich Hellraiser-Feeling.

Fazit: David Bruckners Hellraiser-Reboot ist zwar kein Meisterwerk des Genres, aber endlich einmal wieder ein solider, handwerklich gut gemachter Hellraiser-Film mit einigen interessanten Ideen. Das Potential wird zwar bei weitem nicht ausgeschöpft und auch dramaturgisch gibt es einige Probleme, aber die gelungene Pinhead-Neuinterpretation und die offensichtliche Liebe zum Franchise sorgen dafür, dass dieser Reboot der beste Hellraiser-Film seit langer, langer Zeit ist.

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Trailer

Siehe auch:
Art of Adaptation: The Hellbound Heart
The Scarlet Gospels
Hellbound Hearts
Sherlock Holmes and the Servants of Hell
Hellraiser: The Toll
Hellraiser: Jugdment
Das Soundtrack-Jahr 2022
Hemators Empfehlungen: Horror-Soundtracks

Dungeons & Dragons: Honour Among Thieves

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Story: Nach zwei Jahren in Gefangenschaft brechen die beiden Diebe Edgin Darvis (Chris Pine) und Holga Kilgore (Michelle Rodriguez) aus dem Gefängnis aus. Bei ihrem letzten Coup versuchten sie, die Tafel der Wiedererweckung zu stehlen, mit deren Hilfe Edgin seine verstorbene Ehefrau Zia (Georgia Landers) wiedererwecken wollte. Seine Tochter ließ Edgin in der Obhut seines Kumpanen Forge Fitzwilliam (Hugh Grant). Dieser ist inzwischen zum Lord der Stadt Neverwinter aufgestiegen. Als Edgin und Holga ihn allerdings in Neverwinter aufsuchen, stellt sich heraus, dass er sie betrogen, Edgins Tochter Kira (Chloe Coleman) mit Lügen gefüttert und sich mit der gefährlichen roten Magierin Sofina (Daisy Head) verbündet hat. Nach einer weiteren erfolgreichen Flucht stellen Edgin und Holga ein neues Team zusammen, um sich an Forge zu rächen und Kira und die Tafel der Wiedererweckung zurückzubekommen. Zu den Außerwählten gehören der nicht ganz kompetente Zauberer Simon Aumar (Justice Smith) sowie die wandlungsfähige Druidin Doric (Sophia Lillis). Um die mächtigen Zauber zu brechen, die Forges Verließe beschützen, wird allerdings ein besonderer Helm benötigt, an den die Truppe nur mit der Hilfe des Paladins Xenk Yendar (Regé-Jean Page) gelangen kann…

Kritik: „Dungeons & Dragons“ war schon immer das Vorzeigerollenspiel schlechthin, erlebte aber durch eine verstärkte Medienpräsenz in den letzten fünfzehn bis zwanzig Jahren noch einen zusätzlichen Bekanntheitsschub – sei es durch die Thematisierung in Serien wie „Community“, „The Big Bang Theory“ und „Stranger Things“, Rollenspielsitzungen auf Youtube oder die Quasi-D&D-Animationsserie „The Legend of Vox Machina“, um nur einige Beispiele zu nennen. Was tatsächliche Adaptionen angeht, hatte das Pen&Paper Rollenspiel bislang abseits von Videospielen wie „Baldur’s Gate“, „Icewind Dale“ oder „Neverwinter Nights“ allerdings weniger Glück. Die Animationsserie aus den 80ern dürfte größtenteils in Vergessenheit geraten sein und der Kinofilm aus dem Jahr 2000, in welchem Jeremy Irons neue Dimensionen des Overacting erreicht, sowie dessen beide Direct-to-DVD-Sequels sollten besser in Vergessenheit geraten.

„Dungeons & Dragons: Honour Among Thieves“ ist nun ein erneuter Versuch, das Rollenspiel für die große Leinwand umzusetzen – und es freut mich sagen zu können, dass die Umsetzung den beiden Regisseuren Jonathan Goldstein und John Francis Daley, die unter Mitwirken von Michael Gilio auch das Drehbuch verfassten, weitaus besser gelungen ist als Courtney Solomon vor 23 Jahren. Das beginnt bereits beim Ansatz des Films. Anders als seine Vorgänger versucht dieser nicht nur die Konzepte oder Inhalte des Rollenspiels zu adaptieren, sondern tatsächlich die Stimmung einer D&D-Partie zu vermitteln. Dieser Umstand erstreckt sich auf die Handlungsführung und auch die Aktionen der Figuren, die mitunter wirken, als hätte man den Ausgang ausgewürfelt… Auch Elemente wir der Portalstab wirken wie Dinge, die ein Dungeonmaster aus dem Ärmel zaubert, um seinen Spielern weiterzuhelfen. Am deutlichsten wird dies bei dem Paladin Xenk, der quasi als typischer (und extrem kompetener) Dungeonmaster-NPC wirkt, der die Spielergruppe eine gewisse Zeit lang begleitet. Was in den meisten anderen Filmen nicht funktionieren und als schlechte Drehbuchschreibe anmuten würde, ist hier bewusst gewählt und dürfte jeden, der schon einmal an einer Pen&Paper-Runde teilgenommen hat, mehrmals zum Schmunzeln bringen. Auch die Stimmung des Films unterstützt diesen Ansatz. „Dungeons & Dragons: Honour Among Thieves“ ist ein sehr lockerer, lustiger und spaßiger Film, bemüht sich aber zugleich, selbstironische Brechungen á la Marvel Cinematic Universe zu vermeiden.

Bezüglich des Settings entschied man sich, abermals im Unterschied zum 2000er-Film, der sich zwar der bekannten Konzepte und Wesen bediente, aber mit dem magischen Reich Izmir einen neuen Hintergrund schuf, auf Altbewährtes zurückzugreifen und die Handlung in den „Forgotten Realms“ anzusiedeln. Bei „Forgotten Realms“ bzw. dem Kontinent Faerûn auf dem Planeten Abeir-Toril handelt es sich wohl um die mit Abstand beliebteste der vielen Dungeons & Dragons-Welten, seit der fünften Edition fungiert Faerûn als Standard-Setting und sowohl die bereits erwähnten Videospiele als auch R. A. Salvatores Romane um den Dunkelelfen Drizzt Do’Urden, wahrscheinlich die beliebtesten D&D-Begleitromane, sind dort angesiedelt. Zugleich vermied es das Regisseur-Duo allerdings, den Film allzu Tolkien-artig zu gestalten und Zwerge, Elfen, Halblinge oder Orks zu sehr in den Mittelpunkt zu rücken, stattdessen werden diverse andere Wesen und Kreaturen des Rollenspiels in den Fokus genommen. Selbst der obligatorische Drache wurde mit einem erfrischenden Twist versehen. Ebenso widerstand man der Versuchung, populären Figuren wie Drizzt Do’Urden einen Gastauftritt zu spendieren. Stattdessen sind es die Lokalitäten der Schwertküste, primär Neverwinter, die prominent in Szene gesetzt werden. Völlig ohne Cameos muss „Dungeons & Dragons: Honour Among Thieves“ dennoch nicht auskommen, die Heldentruppe der bereits erwähnten Zeichentrickserie taucht in der Arena auf und sowohl der Lich Szass Tam (Ian Hanmore) als auch der eigentliche Herrscher von Neverwinter, Dagult Neverember (Richard Croxford) entstammen dem Quellenmaterial.

Sehr gut repräsentiert werden neben dem Spielgefühl auch die diversen Klassen, sodass mit Magier, Barde, Barbarin, Druidin, Paladin und Schurke ein ordentliches Spektrum abgedeckt wird. Erfreulicherweise werden die Figuren aber nicht ausschließlich auf ihre Klasse reduziert, sondern handeln als eigenständige Charaktere, nicht als bloße Vertreter. Die Figuren und ihre Darsteller sind dabei eine der größten Stärken des Films. Zwar kann man nicht wirklich von sehr tiefgründigen Charakteren sprechen, sie alle sind aber mit ihren Stärken, Schwächen, Fähigkeiten und Motivationen sehr gut definiert und, mehr noch, höchst sympathisch. Die Chemie zwischen den Darstellern stimmt einfach, weshalb jede Interaktion zwischen ihnen, egal ob freundlich oder feindlich, einfach verdammt unterhaltsam ist. Besonders hervorstechend sind hierbei Chris Pines Edgin und Michelle Rodriguez‘ Holga, die immer für gute Stimmung sorgen, und natürlich Hugh Grants ebenso schleimiger wie charismatisch-einnehmender Forge. Sowohl Doric als auch Sofina kommen im Vergleich zu den anderen vielleicht ein wenig zu kurz und bleiben ein wenig blasser, aber der Film hat eben auch nur eine bestimmte Laufzeit zur Verfügung.

Handwerklich gibt es ebenfalls wenig zu meckern: Die Effekte, egal ob praktisch oder digital, sind mit ein, zwei Ausnahmen ziemlich gut gelungen, vor allem die visuelle Darstellung der Magie weiß zu überzeugen. Die Action fällt immer unterhaltsam und abwechslungsreich, aber niemals dröge aus, egal ob Drachenhatz, wilde Druidenverwandlung oder Arena-Labyrinth, die meisten Gags funktionieren exzellent (mein persönliches Highlight: die Edgin-Illusion) und auch dramaturgisch kann „Dungeons & Dragons: Honour Among Thieves“ überzeugen. Trotz einer Laufzeit von 134 Minuten kommt niemals Langeweile auf, der Film ist immer im Fluss, ohne dabei hektisch oder überlastet zu wirken.

Nicht unerwähnt bleiben sollte der Score, den Zimmer-Zögling Lorne Balfe und sein Team komponierten. Trotz einer ganzen Reihe von Themen, die für eine gewisse narrative Kohärenz sorgen, handelt es sich bei diesem Soundtrack um eine relativ wilde Stilmischung, durchaus vergleichbar mit Balfes „The Lego Batman Movie“: Traditionellere orchestrale und chorale Wucht treffen auf keltische Instrumentierung á la „How to Train Your Dragon“, mittelalterlich anmutende Passagen sowie modernes Action-Scoring. Das Ganze kommt zwar als recht uneinheitliches, wenn auch unterhaltsames Hörerlebnis daher, passt jedoch abermals ausgezeichnet zum Konzept des Films, da eine Musikauswahl des Dungeonmasters wahrscheinlich genauso klingen würde. Eine ausführliche Rezension findet sich hier.

Fazit: „Dungeons & Dragons: Honour Among Thieves” ist nicht nur ein verdammt unterhaltsamer Fantasy- und Abenteuerfilm mit sympathischen Figuren, viel Humor und Herz, sondern fängt auch das Gefühl und die Stimmung einer D&D-Partie auf exzellente Art und Weise ein. Gerne mehr davon.

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Lust for a Vampire

Lustforvampire
Story:
Um für sein neues Buch zu recherchieren, begibt sich der Autor Richard LeStrange (Michael Johnson) nach Österreich und hört dort von der Familie Karnstein, deren Mitglieder angeblich Vampire sein sollen. Da diese Thematik gut zu seinem Buch passt, stattet er dem verfallenen Anwesen der Familie einen Besuch ab und wird dort von mehreren jungen Frauen überrascht. Bei diesen handelt es sich allerdings nicht um Vampire, sondern um Schülerinnen eines nahegelegenen Internats. Da LeStrange die Schülerinnen sehr ansprechend findet, bewirbt er sich als Lehrer und wird prompt akzeptiert. Zeitgleich taucht zudem eine neue Schülerin auf, die den Namen Mircalla (Yutte Stensgaard) trägt. Während LeStrange feststellt, dass er sich in Mircalla verliebt, beginnen Schülerinnen des Internats zu verschwinden. Vielleicht ist an den Geschichten um die Vampirfamilie Karnstein ja doch etwas dran…

Kritik: „Lust for a Vampire“ ist der zweite Film in Hammers Karnstein-Trilogie. In der Theorie sind sowohl „The Vampire Lovers“ als auch „Lust for a Vampire“ und „Twins of Evil“ von Joseph Sheridan LeFanus Novelle „Carmilla” inspiriert, aber während „The Vampire Lovers“ definitiv noch als Adaption gelten kann, ist der Grad an Inspiration bei dieser Pseudo-Fortsetzung bereits sehr gering bzw., abseits einiger Namen, kaum mehr vorhanden. Schon bei „The Vampir Lovers“ war eine gewisse „Draculaifizierung“ zu beobachten. Drehbuchautor Tudor Gates, der auch das Skript des Nachfolgers schrieb, verpasste LeFanus Geschichte eine Reihe von Elementen, die sie inhaltlich und inszenatorisch in die Nähe der Dracula-Filme mit Christopher Lee bewegte. Diese Tendenz setzt sich in „Lust for a Vampire“ nahtlos fort. Der Film beginnt mit einer Szene, in der Graf und Gräfin Karnstein ihre Tochter Carmilla per Ritual von den Toten wiedererwecken, ganz so, wie es mehrfach mit Lees Dracula gemacht wurde. Mehr noch, der von Mike Raven gespielte Graf Karnstein wirkt wie eine Low-Budget-Version von Christopher Lee.

Der Name der Vampirfamilie Karnstein ist ebenso geblieben wie das Anagrammspiel um Carmillas/Mircallas Namen, davon abgesehen gibt es aber nicht mehr viel, das an „Carmilla“ erinnert. Wie schon „The Vampire Lovers“ ist „Lust for a Vampire“ in Sachen nackte Haut expliziter als die Dracula-Filme des Studios, kommt dabei aber deutlich zahmer daher. Der beunruhigendste Aspekt des Films sind dabei wahrscheinlich weniger die Vampire als viel mehr der Protagonist, der sich als Lehrer einstellen lässt, um seinen Schülerinnen nachzustellen. Darüber hinaus entwickelt sich „Lust for a Vampire“, wie man das von einem typischen Hammer-Film erwarten würde, ohne irgendwelche Akzente zu setzen. Gerade schauspielerisch wird die Präsenz eines Christopher Lee, Peter Chushing oder selbst einer Ingrid Pitt schmerzlich vermisst. Auch atmosphärische und inszenatorisch bleibt die Arbeit, die Regisseur Jimmy Sangster hier abliefert, weit hinter dem zurück, was Roy Ward Baker für „The Vampire Lovers“ an den Start brachte.

Selbst die nicht unproblematische Fetischisierung des lesbischen Vampirs wurde auf eine Art und Weise zurückgefahren, die nicht minder problematisch ist. In der Theorie hat es auch diese Version von Carmilla/Mircalla (ob es, trotz anderer Darstellerin, dieselbe sein soll wie in „The Vampire Lovers“ ist absolut nicht offensichtlich) auf weibliche Opfer abgesehen, dieser Aspekt bekommt im Film jedoch kaum Raum. Die eine, lange und ausgedehnte Liebesszene findet zwischen Mircalla und LeStrange statt – für einen Film, der zumindest formal auf „Carmilla“ basiert, ist das ein absolutes Armutszeugnis. Immerhin besteht die Möglichkeit, dass die Idee dieses Films, die Carmilla-Geschichte in einem Internats-Setting umzusetzen, die Webserie inspiriert hat, die immerhin eine sehr grob vergleichbare Ausgangssituation hat. In jedem Fall ist besagte Serie eine deutliche lohnenswertere Umsetzung der Thematik als dieser doch sehr unterwältigende Film.

Fazit: „Lust for a Vampire“ ist kaum mehr als ein minderer Abklatsch von „The Vampire Lovers“ und nur für Komplettisten in irgend einer Form lohnenswert. Von Sheridan LeFanus „Carmilla“ ist kaum mehr etwas geblieben.

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Siehe auch:
Geschichte der Vampire: Carmilla
Art of Adaptation: The Vampire Lovers
Geschichte der Vampire: Dracula – Hammers Graf
Scars of Dracula
First Kill – Staffel 1

Art of Adaptation: The Vampire Lovers

Ich werde nicht müde zu betonen, wie essentiell Sheridan Le Fanus Novelle „Carmilla“ für das Vampir-Genre ist, sei es direkt oder indirekt. Wie „Dracula“ wurde auch „Carmilla“ einige Male adaptiert, wenn auch bei Weitem nicht so häufig und so medienwirksam wie Stokers Graf. Dennoch finden sich einige Adaptionen, die nicht nur den Vergleich mit der Vorlage lohnen, sondern zugleich auch zeigen, wie sich der Umgang mit der Thematik von Le Fanus Novelle und die Darstellung des Stereotyps „lesbischer Vampir“ geändert hat. Die wohl prominenteste Adaption von „Carmilla“ stammt von Hammer Film Productions, dem Studio, das uns mehr Dracula-Filme als jedes andere beschert hat. Eine Umsetzung der Novelle, die Stoker massiv beeinflusst hat, schein da sehr logisch zu sein. Das Ergebnis trägt den Titel „The Vampire Lovers“ und erschien 1970. Basierend auf dem Erfolg des Films drehte Hammer zwei Pseudofortsetzungen, die zwar relativ wenig mit „Carmilla“ zu tun haben, aber zumindest die Thematik weiterführen und in denen zudem Vampire der Karnstein-Familie vorkommen. Aus diesem Grund bilden „The Vampire Lovers“, „Lust for a Vampire“ (1971) und „Twins of Evil” (ebenfalls 1971) die Karnstein-Trilogie.

Struktur
Ähnlich wie „Dracula“ ist auch „Carmilla“ als tagebuchartiger Erlebnisbericht konzipiert, dabei aber an nur eine Perspektive gebunden, nämlich die von Laura, Carmillas Opfer. Le Fanu bemüht sich um einen langsamen und subtilen Spannungsaufbau: Carmilla kommt als Gast auf das Schloss von Lauras Vater, die beiden jungen Frauen schließen Freundschaft und dann häufen sich langsam die merkwürdigen Ereignisse, primär Lauras Träume von einer großen, schwarzen Katze und ihre beginnende Anämie. Selbst wenn man mit der Handlung von „Carmilla“ nicht bereits vertraut ist, ist es, nicht zuletzt wegen der vielfach wiederholten Genrekonventionen, ziemlich einfach zu erraten, woran man als Leser ist. Die Enthüllung kommt allerdings erst gegen Ende, als General Spielsdorf, ein Bekannter von Lauras Vater, von den Umständen des Todes seiner Nichte Bertha berichtet, die den Erlebnissen Lauras stark gleichen. Auf diese Weise schildert „Carmilla“ das Schicksal zweier Vampiropfer, bleibt dabei aber stets Lauras Perspektive verhaftet: Als Leser erfährt man erst, was Bertha wiederfahren ist, als es Laura auch erfährt. Nicht so im Film: Regisseur Roy Ward Baker, der im Verlauf seiner Karriere eine Reihe von Filmen für Hammer inszenierte, darunter auch „Scars of Dracula“, und Drehbuchautor Tudor Gates, nehmen eine ganze Reihe struktureller Änderungen vor: The Vampire Lovers“ zeigt die Leidensgeschichte beider Vampiropfer in chronologischer Reihenfolge. Außerdem erfolgt ein an die Dracula-Filme erinnernder, relativ grundlosen Namenswechsels. Die Nichte von Genereal Spielsdorf (Peter Cushing) ist wie in der Novelle das erste Opfer, heißt hier jedoch Laura (Pippa Steel) und nicht Bertha. Die eigentliche weibliche Hauptfigur, analog zur Novellen-Laura, trägt stattdessen den Namen Emma Morton (Madeline Smith).

Zumindest im Groben entfalten sich die Ereignisse sehr ähnlich wie bei Le Fanu, die zentrale Vampirin, die auch im Film gerne mit Anagrammen ihres ursprünglichen Namens Mircalla (Ingrid Pitt) spielt, schleicht sich bei den Familien ihrer ausersehenen Opfer ein, nährt sich für längere Zeit an ihnen, wobei sich zusätzlich eine intime Beziehung entwickelt, und zieht dann zum nächsten Opfer weiter, wobei sie immer dieselbe Masche anwendet. Während viele andere Vampire mitunter fast schon willkürlich töten, gleicht Mircallas/Carmillas Vorgehensweise eher der eines Serienkillers – das aber nur am Rande. Diesen Aspekt setzt „The Vampire Lovers“ auch um, weicht in den Details aber deutlich von der Vorlage ab. Kaum eine der Szenen, die Le Fanu in seiner Novelle beschreibt, schafft es tatsächlich in den Film, und wenn doch, dann nur stark verfremdet. Ein ideales Beispiel ist das Gemälde von Mircalla von Karnstein, das einen frühen Hinweis auf Carmillas Vampirdasein und tatsächliches Alter gibt. Während es in der Novelle ein Erbstück aus dem Nachlass von Lauras Mutter ist, taucht es im Film erst im Schloss der Karnsteins auf und wird somit seiner ursprünglichen dramaturgischen Funktion als Foreshadowing beraubt. Stattdessen handelt es sich um eine im Grunde zu diesem Zeitpunkt unnötige Bestätigung der Vampirnatur Carmillas.

Die Hammer-Formel
In vielerlei Hinsicht ist „Carmilla“ eine ziemlich typische Gothic Novel (bzw. Gothic Novella), sowohl Handlungsort als auch Plot und Figuren sind sehr genretypisch. Weniger typisch ist die für die Zeit fast schon progressive Darstellung von Homosexualität. Würde „Carmilla“ als Werk heute mit dem exakt selben Text erscheinen, würde man die Novelle mit ziemlicher Sicherheit als problematisch wahrnehmen, da Homosexualität und Vampirismus ziemlich eng und auf negative Weise miteinander verknüpft sind. Im Kontext des Jahres 1872 zeigt sich Le Fanu aber geradezu verständig, zumindest gemessen am Standard der Ära. Theoretisch ist die Queerness in „Carmilla“ Subtext, aber es ist derartig deutlicher Subtext, dass man schon fast verwundert ist, dass die Novelle keinen Skandal verursachte, wie es Beispielsweise bei den Werken Oscar Wildes der Fall war. Fast 100 Jahre nach Erscheinen hat sich die Lage natürlich geändert: In den 1970ern feierte der Exploitation-Film seine Triumpfe, Sex und Blut gehörten schon immer zum Erfolgsrezept der Hammer Studios. Dementsprechend ist „The Vampire Lovers“ in seiner Darstellung deutlich expliziter als die Novelle – aber auch deutlich fetischisierender. Gerade im Vergleich zur Dracula-Serie fällt auf, wie viel mehr „The Vampire Lovers“ zu zeigen bereit ist. Verließ man sich in Dracula-Filmen zumeist auf tiefe Ausschnitte, finden sich hier mehrere ausgedehnte Szenen mit den oberkörperfreien Darstellerinnen. Vielleicht noch schwerer wiegt der Umstand, dass „The Vampire Lovers“ der männlich-konservativen Perspektive noch einmal deutlich mehr Platz einräumt, als dies selbst Le Fanu tat – dieser verknüpfte schließlich alles mit Lauras Wahrnehmung. Alles in allem wirkt es fast, als habe „The Vampire Lovers“ Angst, zu lesbisch zu sein, weshalb sich Carmilla auch männliche Opfer sucht.

In vielerlei Hinsicht passt Hammer „Carmilla“ stärker an die erzählerischen Konventionen der Dracula-Filme an und verzichtet dafür auf den subtilen Spannungsaufbau und die detailliertere Charakterarbeit, die die Novelle ausmachen. So beginnt der Film mit dem Einsatz eines Vampirjägers namens Baron von Hartog (Douglas Wilmer), der ein weibliches Mitglied der Familie Karnstein (Kirsten Lindholm) tötet. Besagter Baron taucht am Ende des Films als deutlich älterer Mann wieder auf und nimmt in der Geschichte die Stellung ein, die bei Le Fanu Baron Vordenburg innehat. Dieser Umstand sorgt dafür, dass der Fokus der Geschichte stärker auf der Vendetta dieses Vampirjägers statt auf dem persönlichen Schicksals Lauras bzw. Emmas liegt. Diese ist im Film zudem noch einmal deutlich passiver, ihre Inszenierung als Vampiropfer erinnert stärker an Lucy Westenra. Zum Vergleich: In der Novelle ist Laura bei Carmillas endgültigem Tod zugegen, im Film nicht, stattdessen ist sie im dritten Akt die meiste Zeit regelrecht katatonisch. Baker und Gates haben relativ wenig Interesse an der tatsächlichen romantischen Beziehung zwischen Carmilla und Laura/Emma, die in der Novelle sehr viel Raum einnimmt. Der Fokus liegt in „The Vampire Lovers“ eindeutig auf den Vampirjägern, zu denen neben Baron von Hartog der von Peter Cushing gespielte General Spielsdorf (was natürlich seinerseits sofort Dracula-Assoziationen weckt) und Emmas Vater Roger Morton (George Cole) gehören. Darüber hinaus macht sich Carmilla einige Taktiken Draculas zu eigen: Wie der von Christopher Lee dargestellte Graf macht sie aus zuerst Unbeteiligten durch ihre vampirischen Kräfte willige Häscher, das betrifft vor allem die im Film deutlich jüngere Morton-Angestellte Mademoiselle Perrodot (Kate O’Mara) sowie den Butler Renton (Harvey Hall). Zudem wird die Geschichte noch um diverse, an die Dracula-Filme erinnernde Actionszenen angereichert, der Kampf des Barons gegen die namenlose Karnstein-Vampirin wurde bereits erwähnt, zudem findet sich gegen Ende eine recht intensive Szene, in der Carmilla versucht, mit einer bewusstlosen Emma aus dem Anwesen der Familie Morton zu fliehen.

Familienbande
Einmal mehr erweisen sich die Abänderungen gegenüber der Vorlage als größte Schwäche: Viele Nuancen, die „Carmilla“ als Werk so interessant machen, gehen zugunsten des erhöhten Exploitationfaktors verloren. „The Vampire Lovers“ ist, im Guten wie im Schlechten, ein recht typischer Hammer-Film mit etwas mehr expliziter Nacktheit als gewöhnlich. Das bringt allerdings auch einige Vorteile mit sich: Die typische Hammer-Gothic-Atmosphäre steht Le Fanus Geschichte gut zu Gesicht und auch schauspielerisch gibt es wenig Beschwerden, lediglich Madeline Smith als Emma Morton wirkt für meinen Geschmack zu blauäugig, naiv und unschuldig. Peter Cushing ist natürlich über jeden Zweifel erhaben und auch Ingrid Pitt spielt die Hauptrolle wirklich gut, auch wenn ihr Spiel das eine oder andere Mal ein wenig überdramatisch ausfällt. Tatsächlich findet sich hier die größte Stärke des Films, denn es gelingt ihm tatsächlich, die komplexe und zerrissene Natur Carmillas gelungen zu vermitteln: Ihre eindeutige, ebenso besitzergreifende und obsessive Liebe zu ihren Opfern wirkt ebenso authentisch wie ihre alles verzehrende Blutgier. Zumindest in diesem Aspekt kann die Adaption durchaus als gelungen bezeichnet werden.

Ein besonders interessanter Aspekt dieser Adaption ist zudem der Umgang mit Carmillas Entourage. Wann immer sich die Vampirin in der Novelle in eine Familie einschleicht, ist ihre „Mutter“ beteiligt, die jedes Mal in einer Angelegenheit größer Wichtigkeit verreisen muss und ihre „Tochter“ deshalb in der Obhut der Familie des potentiellen Opfers zurücklässt. Beteiligt sind zudem ein finster aussehender Diener bzw. Kutscher und ein enigmatisches altes Weib, das sich kaum zeigt. Was es mit dieser Entourage auf sich hat, teilt uns Le Fanu nie mit: Handelt es sich ebenfalls um Vampire oder sind es nur menschliche Diener Carmillas, die ihr dabei helfen, die Scharade durchzuziehen? „The Vampire Lovers“ zieht definitiv die erste Auslegung vor und richtet den Fokus in deutlich stärkerem Ausmaß auf die Familie Karnstein. Wie erwähnt tauchen weder Baron von Hartog, noch seine Vendetta gegen die Vampirfamilie in der Novelle auf, die Natur der Karnsteins bleibt bei Le Fanu mysteriös und ungeklärt, während der Film weitere Karnstein-Vampire zeigt – vielleicht bereits mit Hintergedanken bezüglich weiterer Filme?

Fazit: „The Vampire Lovers“ ist die wahrscheinlich bekannteste Adaption von „Carmilla“ und kommt mit allen Vorzügen und Nachteilen eines Hammer-Films: Tolle, dichte Amtosphäre und gute schauspielerische Leistungen von Ingrid Pitt und Peter Cushing auf der einen, eine unnötige Banalisierung der Geschichte mit Fokus auf den Exploitationfaktor auf der anderen Seite. Gerade diese Banalisierung sorgt aber leider auch dafür, dass „The Vampire Lovers“ seiner Vorlage nicht gerecht wird.

Siehe auch:
Geschichte der Vampire: Carmilla
Geschichte der Vampire: Dracula – Hammers Graf
Scars of Dracula
First Kill – Staffel 1

Art of Adaptation: Dracula (1979)

Mitte der 70er endete die Dracula-Serie der Hammer-Studios auf ziemlich unrühmliche Art und Weise, Christopher Lee hatte bereits nach „The Satanic Rites of Dracula“ keinerlei Lust mehr, auch nur an eine Rückkehr zu denken und nicht einmal Peter Cushing als Van Helsing gelang es noch, das „fatale Finale“ dieser Filmreihe, „The Seven Golden Vampires“, groß aufzuwerten. Während Hammer sich also vom Grafen abwandte, versuchten andere Studios es mit einer Neuinterpretation. Dass Universal Films dazugehört, dürfte kaum verwunderlich sein, schließlich geht die erste offizielle Dracula-Adaption auf das Konto dieses Studios. John Badhams „Dracula“, der 1979 in den Kinos startete, ist in mehr als einer Hinsicht sowohl eine (ob bewusst oder unbewusst sei einmal dahingestellt) Abkehr vom Hammer-Stil und stellt zudem eine Rückbesinnung auf den Klassiker aus Universals Anfängen da. Das zeigt sich bereits daran, dass das Theaterstück von Hamilton Deane und John L. Balderston, wie schon bei Bela Lugosis Leinwanddebüt als Dracula, abermals statt Stokers Roman als Vorlage fungiert. Zudem trat Dracula-Darsteller Frank Langella, wie Lugosi, bereits zuvor als Graf auf der Bühne auf, bevor er die Rolle auch im Film übernahm.

Zumindest in einer Hinsicht folgen Badham und sein Drehbuchautor W. D. Richter dem ursprünglichen Theaterstück sogar genauer als der Film von 1931: Wie im Stück fehlt auch in diesem Film jegliche Szene, die auf Draculas Schloss in Transsylvanien spielt, weder Jonathan Harker (Trevor Eve) noch Renfield (Tony Haygarth), der hier statt R. M. den Vornamen Milo trägt, interagieren dort mit dem Grafen. Stattdessen beginnt der Film mit Draculas Ankunft in Whitby, natürlich stilecht per Schoner. Inhaltlich folgt der Film der Romanhandlung in groben Zügen, die beiden weiblichen Protagonisten werden eine nach der anderen zu Opfern Draculas, die erste stirbt und muss vom Vampirismus „erlöst“ werden. Der Rest des Films besteht aus der Verfolgung Draculas durch die Angehörigen. Dabei finden sich zwar immer wieder Szenen und auch erstaunlich viele Zitate, die direkt aus dem Roman stammen, oft aber anders kontextualisiert sind. Wie bei Stoker gibt es beispielsweise eine Verfolgungsjagd, während der sich Dracula in einer seiner Kisten befindet, diese passiert aber nicht in Sichtweite des Schlosses und statt mit Pferden sind die Vampirjäger dieses Mal mit dem Auto zugange. Der (zumindest vermeintlich) endgültige Todesstoß wird Dracula dieses Mal auf einem Schiff verpasst. Hier entscheiden sich Badham und Richter für einen recht spektakulären Abgang: Zuerst wird Dracula mit einem Haken aufgespießt und dann regelrecht gehisst, damit die Sonne den Rest erledigen kann. Statt des nicht auftauchenden Quincey Morris ist es dieses Mal Van Helsing, der sein Leben gibt.

All diese Ereignisse, egal ob vorlagengetreu oder nicht, finden mit stark reduzierter Besetzung statt. Nach bester Tradition werden erst einmal die Namen und Beziehungen der Figuren zueinander kräftig durchgemischt. Wie schon im Film von 1931 ist John Seward (Donald Pleasance) nicht nur deutlich älter als Jonathan, Lucy und Co., sondern der Vater einer der beiden weiblichen Hauptfiguren. Ab diesem Punkt wird es etwas komplizierter, da Badham und Richter Mina (Jan Francis) und Lucy (Kate Nelligan) bzw. ihre Rollen in der Geschichte getauscht haben: Hier ist es Mina, die als erste zu Draculas Opfer wird, stirbt und schließlich als Vampirin zurückkehrt, während Lucy als zweites Opfer und Motivation der männlichen Vampirjäger fungiert. Lucy ist zudem Sewards Tochter und mit Jonathan Harker liiert (so wie es Mina im Lugosi-Film war), während Mina zu allem Überfluss auch noch Van Helsings (Laurence Olivier) Tochter ist. Quincey Morris und Arthur Holmwood fehlen wie so oft komplett.

Der Unterschied zu Hammer zeigt sich vor allem in der Inszenierung der Geschichte und der Konzeption des Grafen. Auch in diesem Kontext ist die Rückbesinnung auf 1931 deutlich spürbar. Während Stokers Graf (meistens) monströs, böse und wenig ansprechend ist, legte Lugosi die Grundlage für den verführerischen, einnehmenden Dracula. Der von Christopher Lee dargestellte Vampirfürst ist, trotz des Umstandes, dass Lee alles andere als unattraktiv ist, eher an die Romanversion angelehnt – man erinnere sich nur an „Dracula: Prince of Darkness“, in welchem der Graf keinerlei Dialog hat. Frank Langella dagegen knüpft nicht nur an Lugosis Darstellung an, sondern fungiert als einer der attraktivsten und romantischsten Draculas – allein optisch wirkt er mit Cape und offenem Hemd, als stamme er direkt vom Cover eines klischeebehafteten romantischen Romans. Dementsprechend wenig bedrohlich kommt dieser Vampirgraf daher, seine düster-brütende Fassade kann als Vorgriff auf viele Vampire der 90er und 2000er gewertet werden. Sowohl Mina als auch (vor allem) Lucy geben sich dem Grafen zudem mehr oder weniger freiwillig hin, was den Eindruck des verführerischen Grafen noch unterstreicht. Hin und wieder darf Langella dann doch Zähne zeigen, angesichts der massiven Konkurrenz auf diesem Feld ist er allerdings weit davon entfernt, mein Lieblings-Dracula zu sein. Die hochkarätige Besetzung dieses Films soll dennoch nicht unerwähnt bleiben, schauspielerisch liefert der junge Frank Langella durchaus eine gute Performance ab, und auch Donald „Blofeld“ Pleasance und Shakespeare-Legende Laurence Olivier verleihen dem Film zusätzliche Gravitas.

Sehr interessant ist die Umsetzung des einzigen anderen Vampirs in diesem Film. Draculas Bräute wurden, zusammen mit seinem Schloss in Transsylvanien, komplett gestrichen, das heißt, dass Mina, die den Platz von Lucy im Roman einnimmt, neben der Titelfigur die einzige Untote ist. Angesichts der Wandlung Van Helsings zu ihrem Vater sowie Jack Sewards zu einer väterlichen Figur präsentiert sich Vampir-Mina, anders als Roman-Lucy, nicht als sündige Verführerin, sondern als unschuldiges, verspieltes Kind, sodass der Tötungsakt für Van Helsing noch einmal deutlich schwieriger wird. Diese Entscheidung, zusammen mit dem wirklich sehr guten Make-up, haben einen durchaus angenehm verstörenden Effekt und sind nicht nur einer der emotionalen Höhepunkte des Films, sondern auch eine äußerst effektive Neuinterpretation besagter Szene aus der Vorlage.

Besonders faszinierend ist die atmosphärische Rückbesinnung auf Universal. Während Hammer nicht nur keine Hemmungen hatte, Einflüsse anderer Genres miteinzuarbeiten, sondern oft farblich verhältnismäßig grelle Filme inszenierte und vor allem Wert auf das typische, hellrote Hammer-Blut legte, ist Badhams Film zwar nicht schwarzweiß, aber angesichts des Entsättigungsgrades ziemlich nahe dran. Tatsächlich gelingt die behutsame Modernisierung der klassischen Universal-Atmosphäre erstaunlich gut. Definitiv einen großen Anteil daran hat der Score, der von keinem Geringeren als John Williams persönlich stammt – bei Badhams Film handelt es sich um einen der wenigen Ausflüge des Maestros ins Horror-Genre. Sein opulentes, fast schon opernhaft anmutendes Hauptthema für die Titelfigur hilft noch einmal, diesen Film stärker von den musikalisch eher simplen Hammer-Filmen abzuheben.

Fazit: Sehr atmosphärische Neuauflage des Klassikers mit einer besonders romantischen Interpretation der Titelfigur, die aber wie üblich die Figuren und ihre Beziehungen wild durcheinanderwirft und die Handlung eher grob abarbeitet.

Siehe auch:
Geschichte der Vampire: Dracula – Bram Stokers Roman
Geschichte der Vampire: Dracula – Universals Graf
Geschichte der Vampire: Dracula – Hammers Graf
Dracula: Prince of Darkness
Art of Adaptation: Nachts, wenn Dracula erwacht

Black Adam

Spoiler!
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Story:
Die Nation Kahndaq wird von der Terrororganisation Intergang beherrscht, doch in der Bevölkerung regt sich Widerstand. Die Archäologin und Widerstandskämpferin Adrianna Tomaz (Sarah Shahi) hofft, mithilfe der der mystischen Kräfte der legendären Krone von Sabbac Intergang bekämpfen zu können, doch die Söldner sind ihr bereits auf der Spur. Beim Versuch der Parteien, die Krone an sich zu bringen, erwecken sie unbeabsichtigt Teth-Adam (Dwayne Johnson), ein uraltes Superwesen mit gewaltigen Kräften, das einst der Beschützer Kahndaqs war, aber aufgrund seiner Brutalität eingesperrt wurde. Dieses Ungleichgewicht ruft Amanda Waller (Viola Davis) auf den Plan, die die Justice Society, bestehend aus Hawkman (Aldis Hodge), Doctor Fate (Pierce Brosnan), Cyclone (Quintessa Swindell) und Atom Smasher (Noah Centineo), aktiviert, um Adam aufzuhalten…

Kritik: „Black Adam“ war ein Projekt, das in der einen oder anderen Form viele Jahre lang vor sich hinköchelte. Bereits 2014, also noch bevor „Batman v Superman: Dawn of Justice“ ins Kino kam, wurde angekündigt, dass Dwayne „The Rock“ Johnson die Rolle des Shazam-Widersachers in der von „Man of Steel“ gestarteten Inkarnation des DC-Universums spielen würde. Längere Zeit geschah dann erst einmal nichts mehr, und als „Shazam!“ 2019 schließlich ins Kino kam, war Black Adam, von einem Mini-Cameo abgesehen, nicht Teil dieses Films. Weitere drei Jahre sollten vergehen, bis Black Adam endlich sein tatsächliches Debüt auf der großen Leinwand feierte. Im Vorfeld wurde der Film zudem als große Neuausrichtung des wie immer vor sich hin mäandernden DC-Filmuniversums verkauft; es schien, als würde Johnson in Zukunft eine wichtige kreative Rolle spielen. Sogar Henry Cavill holte er für einen Cameo-Auftritt als Superman aus dem Ruhestand mit der Aussicht, dass sich Black Adam bald mit dem Mann aus Stahl messen würde. Mit der Übernahme von David Zaslav ist das natürlich bereits wieder passé, der neue Warner-Chef installierte bekanntermaßen James Gunn und Peter Safran als neue, kreative Köpfe der DC-Filme. Das Line-up, das die beiden Ende Januar 2023 vorstellten, beinhaltet weder Johnsons Black Adam noch Cavills Superman, sondern ist primär eine Neuausrichtung, auch wenn einige Elemente beibehalten werden, etwa Viola Davis als Amanda Waller.

Wie dem auch sei, kehren wir zu Johnsons Prestige-Projekt zurück, das trotz der Präsenz des Ex-Wrestlers nicht nur finanziell hinter den Erwartungen zurückblieb, sondern auch von den Kritikern im Großen und Ganzen sehr negativ aufgenommen wurde – nicht unbedingt ein idealer Start für den bislang relativ unbekannten Black Adam. Ich selbst bin mit der Figur, deren Geschichte bis in die 1940er zurückreicht, schon deutlich länger vertraut und kenne sie primär aus der Maxiserie „52“ (2006 bis 2007). Diese Serie, geschrieben von Geoff Johns, Grant Morrison, Greg Rucka, Mark Waid und Keith Giffen, erschien über ein Jahr hinweg im wöchentlichen Rhythmus und knüpfte an die Ereignisse des Großevents „Infinite Crisis“ an, wobei man die bekannteren Helden, primär Batman, Superman und Wonder Woman, außen vor ließ und sich stattdessen vielen der deutlich weniger bekannten DC-Figuren wie Animal Man, Booster Gold, The Question und eben auch Black Adam widmete. Letzterer erhielt in dieser Serie eine durchaus komplexe Charakterisierung, von der in diesem Film allerdings nicht allzu viel geblieben ist. Von der Ambivalenz, der Vielschichtigkeit und der Tragik der Comicfigur findet sich kaum etwas. Zwar wird versucht, dies durch bedeutungschwangere Flashbacks und einen ungeschickt konstruierten Twist zu vermitteln, das funktioniert alles jedoch kaum. Leider merkt man „Black Adam“ sehr deutlich an, dass es sich hierbei primär um ein Vehikel für Johnsons Ego handelt, das dazu gedacht ist, ihn möglichst cool in Szene zu setzen. Über dieses Vorhaben hinaus haben es Regisseur Jaume Collet-Serra und die Drehbuchautoren Adam Sztykiel, Rory Haines und Sohrab Noshirvani leider versäumt, der Story oder den Figuren Substanz in irgendeiner Form zu verleihen.

„Black Adam“ fühlt sich in vielerlei Hinsicht an wie ein Konglomerat anderer, deutlich besserer Filme an. Der Prolog und grundsätzliche Story-Aufbau samt Stimmung erinnert beispielsweise stark an „X-Men: Apocalypse“ (nun auch nicht gerade ein Ruhmesblatt des Genres), die Inszenierung der Justice Society erinnert ebenfalls an die X-Men im Allgemeinen und die Beziehung, die sich zwischen Adrianna Tomaz‘ Sohn Amon (Bodhi Sabongui) und Adam entwickelt, hat viel von „Terminator 2: Judgment Day“. Dass Sabbac (Marwan Kenzari) als Schurke nicht nur völlig uninteressant, sondern gemäß DCEU-Tradition im dritten Akt auch zum schlecht animierten CGI-Monster wird, ist der Erwähnung kaum noch wert. Zudem gelingt des „Black Adam“ auch nicht, tonal konsistent zu bleiben. In einer Szenen ist alles in bester Zack-Snyder-Manier grimmig, düster und ernst, Adam tötet Intergang-Mitglieder so brutal, wie es das PG-13-Rating eben erlaubt (kein Vergleich zu seinen Exzessen in den Comics) oder ist tragisch und tief deprimiert, in der nächsten imitiert er einen Western, den er im Fernsehen gesehen hat, inklusive Morricone-Einspielung, oder übt mit Amon potentielle Catchphrases. Es wirkt, als wollte man mit „Black Adam“ einen Querschnitt des Superheldengenres schaffen, das jeden Geschmack in irgendeiner Form bedient. Herausgekommen ist ein Film, der wie Frankensteins Monster anmutet, zusammengebaut aus vielen verschiedenen Versatzstücken

Es ist nicht so, als wären hier keinerlei interessante Ansätze vorhanden, etwa der Umstand, dass die Justice Society nichts gegen Kahndaqs Besetzung durch Intergang tut, aber sobald Black Adam erwacht (und potentiell die Vereinigten Staaten gefährdet) rückt das Team aus. Diesem Ansatz wird aber nicht nur kaum Zeit gewidmet, er und jegliche Charakterisierung der Figuren, die über das absolut Notwendige hinausgeht, wird gnadenlos in der Materialschlacht erstickt. Das betrifft vor allem die Mitglieder der JSA. „Black Adam“ behandelt das Superheldenquartett nur als Archetypen, nie als eigenständige Charaktere. Vor allem Hawkman und Doctor Fate haben viele interessante Facetten und Hintergründe aus den Comics, die jedoch kaum berücksichtigt werden. Johnson und Co. benötigten nur einen gestandenen Anführer, einen Zauberer und zwei jüngere Helden, es gibt nur wenig Gründe, weshalb es gerade diese vier sind. Immerhin gelingt es Pierce Brosnan, Doctor Fate eine gewisse Gravitas zu verleihen, da er eben Pierce Brosnan ist, aber Drehbuch und Regie machen aus der Figur nie mehr als einen Doctor-Strange-Abklatsch. Angesichts der Tatsache, dass Fate über zwanzig Jahre älter ist als Strange ist das schon ein wenig ironisch

Zumindest erwähnenswert sind die diversen Versuche, „Black Adam“ solide im nun wohl endgültigen obsoleten DC Extended Universe zu verankern. Einmal mehr ist es die bereits erwähnte, von Viola Davis gespielte Amanda Waller, die die Verknüpfung darstellt und in einer Nick-Fury-artigen Funktion die Justice Society auf Black Adam loslässt, was angesichts ihres Status und ihrer bisherigen Taten nicht wirklich passt, aber sei’s drum. Jennifer Holland darf nach „The Suicide Squad“ und „Peacemaker” ein drittes Mal Wallers Handlangerin Emilia Harcourt darstellen und einen gefangenen Black Adam gegen Ende des zweiten Aktes entgegennehmen und natürlich wäre da noch der von Johnson hochgehypte Auftritt Henry Cavills als Superman, der wohl nun der letzte dieser eher unrühmlichen Karriere als Mann aus Stahl sein dürfte. Black Adams eigentlicher Gegner, Shazam, der 2023 mit „Shazam! Fury of the Gods“ seinen zweiten Leinwandauftritt absolviert, taucht zwar nicht auf, aber immerhin absolviert der von Djimon Hounsou gespielte Zauberer, von dem sowohl Black Adam als auch Shazam ihre Kräfte haben, und der ebenfalls den Namen Shazam trägt, einen Gastauftritt.

Fazit: „Black Adam“ ist ein katastrophal geschriebenes CGI-Gewitter, ein Idealbeispiel für genau die Art von völlig uninspirierten Superheldenfilmen, die eigentlich schon passé sein sollten, es aber leider immer noch nicht sind. Hoffen wir, dass James Gunn und Peter Safran das Steuer für DC endlich herumreißen können.

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Siehe auch:
Zack Snyder’s Justice League – Ausführliche Rezension
The Suicide Squad

The Satanic Rites of Dracula

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Story: Im London des Jahres 1974 treibt ein mysteriöser Kult sein Unwesen, der im Rahmen satanischer Rituale bestialisch Menschen ermordet. Der ermittelnde Scotland-Yard-Inspektor Murray (Michael Coles) zieht den okkulten Experten Lorrimer Van Helsing (Peter Cushing) zu Rate – beiden hatten zwei Jahre zuvor bereits mit ähnlichen Vorfällen zu tun. Und tatsächlich, wie könnte es anders sein, ist Dracula (Christopher Lee) zurückgekehrt und gibt sich als reicher Firmenchef D. D. Denham aus. Seine wahren Absichten sind allerdings weit finsterer, als sich sowohl seine Gegner als auch seine reichen Anhänger ausmalen können, denn dieses Mal plant der Graf das Ende der Welt. Zu diesem Zweck möchte er eine mörderische Seuche entfesseln…

Kritik: „The Satanic Rites of Dracula” ist der letzte Film, in dem Lee für die Hammer Studios den Grafen mimt, allerdings nicht der letzte, in dem das britische Studio Dracula auftreten lässt. Ursprünglicher Arbeitstitel des 1974 erschienen Films war „Dracula is Dead … and Well and Living in London“, gegen den Lee jedoch vehement protestierte. Ohnehin nahm er an diesem Projekt nur noch unter großem Widerwillen teil und distanzierte sich im Nachgang endgültig von dem Vampirgrafen, den er so häufig gespielt hatte. Alan Gibson führte, wie schon beim Vorgänger Regie und auch Drehbuchautor Don Houghton war nach wie vor mit von der Partie.

Diesem Umstand dürfte es wohl geschuldet sein, dass „The Satanic Rites of Dracula” inhaltlich ziemlich direkt an “Dracula A.D. 1972” anknüpft, neben Lees Dracula und Cushings Van Helsing kehrt auch Michael Coles als Inspektor Murray zurück, auf die Ereignisse des Vorgängers wird mehrfach angespielt und Van Helsings Enkelin Jessica ist ebenfalls wieder mit von der Partie, um vor blutgierigen Vampiren gerettet zu werden. Gespielt wird sie dieses Mal jedoch von Joanna Lumley statt von Stephanie Beacham. Stilistisch und inszenatorisch finden sich jedoch große Unterschiede, sowohl zum direkten Vorgänger als auch zu den restlichen Hammer-Filmen. War „Dracula A.D. 1972“ ein relativ typischer Hammer-Film mit aggressiver 70er-Amtosphäre, so ist „The Satanic Rites of Dracula“ über weite Strecken inszeniert wie ein Thriller (allerdings kein besonders atemberaubender) und borgt sich zudem Elemente von Bond-Filmen aus. Tatsächlich agiert Dracula hier weniger wie das animalische Raubtier, als das ihn Hammer sonst oft darstellte, sondern eher wie ein 007-Schurke. Das führt zu einigen interessanten Situationen, so darf sich der Graf gegenüber Van Helsing beispielsweise erstmals als Mensch ausgeben – interessanterweise scheint Lee dabei Bela Lugosis Akzent zu imitieren.

Zudem verleihen Gibson und Houghton dem Grafen eine Motivation, die über die Gier nach Blut hinausgeht, hier hat Dracula einen Todeswunsch, möchte aber gewissermaßen die gesamte Welt mitnehmen, eben indem er eine Seuche entfesselt. Dieser Masterplan gehört zu den primären Elementen, die sofort an Ernst Stavro Blofeld denken lassen. Draculas reiche Unterlinge glauben fälschlicherweise, er wolle die Welt mit einer Seuche erpressen, was genau Blofelds Plan in „On Her Majesty’s Secret Service“ entspricht.  Zugleich passt dieses Handlungselement nicht so recht zu dem Kult und den satanischen Elementen – Lee hatte gegen beides Einwände, da ihm diese Deutung der Figur wieder einmal viel zu weit von Stokers Roman entfernt war. Trotzdem lässt sich nicht leugnen, dass hier zumindest interessante Ansätze vorhanden sind und man versuchte, der Filmreihe einen innovativen neuen Spin zu verleihen. Leider lässt die Umsetzung ein weiteres Mal zu wünschen übrig. Obwohl „The Satanic Rites of Dracula“ abermals in den 70er spielt, distanzierte man sich doch von der 70er-Stimmung und den Hippie-Elementen. Das Problem dabei ist, dass der Film über weite Strecken recht öde daherkommt. Und wenn das einmal nicht der Fall ist, kehren Gibson und Houghton dann leider doch wieder zu diversen Albernheiten zurück. Dieses Mal sterben Draculas vampirische Handlanger beispielsweise durch einen Deckensprinkler – nach der Dusche im vorherigen Teil der Serie ist das wohl der nächste logische Schritt. Der Graf selbst wird durch einen Weißdornbusch besiegt – eine weitere Vampirschwäche. Dracula verfängt sich in besagtem Busch, sodass Van Helsing ihn gemütlich pfählen kann.

Alles in allem erweist sich dieses versuchte Neuausrichtung der Filmreihe, die ihr wahrscheinlich den finalen Todesstoß versetzte, als nicht besonders gelungen. Gerade, wenn man auf die gotische Atmosphäre der Hammer-Filme steht, ist „The Satanic Rites of Dracula“ eine Enttäuschung auf ganzer Linie, da er, wie erwähnt, aussieht und sich anfühlt wie ein (ziemlich günstig produzierter) Thriller. Vielleicht braucht ein Hammer-Film einfach das viktorianische Ambiente… Der einzige Grund, sich „The Satanic Rites of Dracula“ anzusehen, ist die finale Interaktion von Cushings Van Helsing und Lees Dracula – Letzterer lässt es sich auch dieses Mal nicht nehmen, noch Stoker-Zitat einzufügen. Die beiden Horror-Ikonen sind nach wie vor über jeden Zweifel erhaben, sobald sie jedoch nicht Teil der Szene sind, fällt es dem Film schwer, die Aufmerksamkeit aufrechtzuerhalten.

Fazit: „The Satanic Rites of Dracula” versucht sich an einer inhaltlichen und atmosphärischen Neuausrichten der Filmreihe, scheitert aber auf so ziemlich ganzer Linie, selbst der unterhaltsame Trash-Faktor des Vorgängers fehlt. Nur Komplettisten und Fans von Cushing und Lee geeignet.

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Siehe auch:
Geschichte der Vampire: Dracula – Hammers Graf
The Brides of Dracula
Dracula: Prince of Darkness
Dracula Has Risen from the Grave
Taste the Blood of Dracula
Scars of Dracula
Dracula A.D. 1972
Art of Adaptation: Nachts, wenn Dracula erwacht
Dracula (BBC/Netflix)