Art of Adaptation: Junji Itos Frankenstein

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Junji Ito gibt sich nicht allzu viel Mühe, die diversen Einflüsse auf seine Mangas, von klassischen japanischen Geistergeschichten bis hin zu den Werken Lovecrafts, zu verschleiern – meines Wissens nach adaptiert er allerdings selten direkt Werke anderer Autoren. Eine der Ausnahmen ist ausgerechnet Mary Shelleys Roman „Frankenstein“, den Ito zumindest vergleichsweise vorlagengetreu umsetzte – jedenfalls deutlich vorlagengetreuer als die meisten Filme es tun. 2019 erhielt für dieses Werk sogar einen Eisner Award. Gerade im Hinblick auf Junji Itos restliches Œuvre ist sein „Frankenstein“ ein relativ interessanter Ausreißer, gerade wegen der Werktreue. Es wäre sicher möglich gewesen, Shelleys Geschichte stärker an die Sensibilitäten des Mangakas anzugleichen. Für gewöhnlich spielen Itos Geschichten im modernen Japan, was schon zu einer deutlichen Diskrepanz führt, denn Ito behält Zeit und Ort des Romans bei, sprich: Europa im frühen 19. Jahrhundert. Eine weitere Diskrepanz findet sich in der Konzeption: Junji Itos Protagonisten sind zumeist sehr passiv und haben selten eine Agenda, ihnen passieren Dinge. Victor Frankenstein hingegen ist alleiniger Auslöser der Ereignisse, sein Drang, Leben zu erschaffen, setzt sämtliche Begebenheiten in Gang.

Im Großen und Ganzen folgt Ito Mary Shelleys Geschichte ziemlich genau und beginnt ebenfalls mit der Rahmenhandlung auf Captain Waltons Schiff. Frankenstein wird halbtot gefunden und erzählt dem Captain seine Geschichte, angefangen bei der Kindheit in Genf über den Tod der Mutter, die Beziehung zu Elisabeth, Henry Clerval, Justine Moritz und William bis hin zum Studium in Ingolstadt unter Professor Waldman. Es folgt das Bedürfnis, Leben zu erschaffen, der tatsächliche Vorgang und das Erwachen der Kreatur. Anschließend folgen wir, ganz wie gewohnt, Frankenstein in die Heimat, wo sein Bruder William ermordet und Justine Moritz beschuldigt wurde. Es kommt zur Konfrontation mit dem eigentlichen Mörder, der Kreatur, und schließlich zur Einwilligung Frankensteins, eine Frau für seine Schöpfung zu basteln. Das Ganze geht schief, das Monster tötet Frankensteins Braut Elisabeth und wird anschließend bis in den Polarkreis gejagt, wo dann die Rahmenhandlung einsetzt. So weit, so gewohnt, wie üblich liegt der Teufel in den Details. Die vielleicht größte Abweichung findet sich bei der Gefährtin für die Kreatur. Im Roman wie im Manga machen sich Victor und Henry Clerval gemeinsam auf die Reise nach Großbritannien, trennen sich dann aber und Victor beginnt alleine, an besagter zweiter Kreatur zu arbeiten, vollendet die Arbeit aber nicht und vernichtet sie, woraufhin die erzürnte Kreatur Henry tötet, der jedoch komplett unwissend bleibt. Im Manga hingegen kommt Henry seinem Freund auf die Spur, als dieser Leichenteile stiehlt. Victor gesteht ihm alles was geschehen ist, woraufhin Henry ihm sogar dabei hilft, sein Werk zu vollenden. Der Prozess gelingt – offenbar konnte auch Junji Ito sich der Sogwirkung des Universal-Klassikers „Bride of Frankenstein“ nicht entziehen, denn auch er lässt die „Braut“ erwachen und das ursprüngliche Monster zurückweisen, ganz so, wie es im Film geschieht. Es kommt zum Desaster, anders als die Boris-Karloff-Version der Figur gibt die Kreatur Frankenstein die Schuld, Henry Clerval stirbt ebenfalls und Ito kehrt quasi wieder zur Handlung des Romans zurück.

Generell interpretiert Ito die Kreatur deutlich negativer als die meisten anderen Adaptionen – oder gar der Roman selbst. Das beginnt bei der visuellen Gestaltung, denn hier lebt er sein Faible für grotesken Body-Horror aus. Itos Kreatur hat wirklich kaum Ähnlichkeit mit Boris Karloff und seinem viereckigen Schädel, aber auch die Beschreibung des Romans will nicht so recht mit seinem Design übereinstimmen. Zum einen ist die Kreatur wirklich absurd groß und zum anderen geprägt von den vielen verstörenden und ekligen Details, die Ito zu einem großartigen Horror-Künstler machen. Oft sind es bei seinen Wesen die Augen, die für den Terror verantwortlich sind – so auch hier. Die Handlungsänderung bei der Erschaffung der Braut sorgt zusätzlich dafür, dass die Kreatur an Sympathie verliert. Wo ihr Zorn im Roman durchaus als berechtigt wahrgenommen werden mag – schließlich bricht Frankenstein sein Versprechen – tötet sie hier die „Braut“ selbst, weil diese sie zurückweist, um anschließend Frankenstein die Schuld zu geben. Zudem ist der Umstand, dass die Kreatur Justine Moritz‘ Kopf zur Vollendung der „Braut“ beisteuert, eine zusätzliche Grausamkeit.

Eine weitere subtile Änderung findet sich am Ende: Als Frankenstein im Roman stirbt, kommt die Kreatur an Bord, schnappt sich den Leichnam und verschwindet mit ihm. Junji Ito lässt die die Kreatur hingegen nur aus der Ferne klagen, dass ihr Schöpfer nun von ihr gegangen ist. Wo im Roman ein gewisses Maß an Vergebung und sogar Kameradschaft impliziert wird, wirkt die Kreatur im Manga eher anklagend und geht ihrem finalen Schicksal schließlich alleine entgegen. Visuell ist Junji Itos „Frankenstein“ nach seinen Maßstäben relativ konventionell aufgebaut, sieht man von den oben beschriebenen Diskrepanzen ab. Itos filigraner Stil passt aber auch durchaus gut zu einer im Europa des 19. Jahrhunderts angesiedelten Geschichte. Und obwohl Frankenstein hier durchweg sehr jung erscheint, könnte man doch hin und wieder meinen, eine Spur Peter Cushings in seinen Zügen zu erkennen.

Fazit: Junji Ito kann auch „europäischen“ Horror. Seine Adaption von Mary Shelleys Frankenstein entspricht den hohen Qualitätsstandard des Mangaka und fällt im Großen und Ganzen auch ziemlich vorlagengetreu aus. Allerdings ist Itos Version von Frankensteins Monster nicht nur eine der furchterregendsten, sondern auch eine der negativsten Interpretationen.

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Siehe auch:
Uzumaki: Spiral Into Horror
Hellstar Remina
Art of Adaptation: Frankenstein – Mary Shelleys Roman
Art of Adaptation: Universals Frankenstein
Art of Adaptation: Bride of Frankenstein
Art of Adaptation: Georges Bess’ Frankenstein

Dark Empire I

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Ende der 80er war Star Wars als Franchise so gut wie tot. Nach Episode VI ging es noch ein paar Jahre weiter, zumindest jüngere Fans des Franchise konnten sich an den beiden Ewok-Filmen, der Ewok-Animationsserie oder der Droids-Serie, die die Abenteuer von R2-D2 und C-3PO vor „A New Hope“ zeigte, erfreuen. Auch die mit Episode IV gestartete Comicserie von Marvel lief noch ein einige Zeit weiter. Aber spätestens 1986 war Schluss und die weit, weit entfernte Galaxis verschwand aus dem Bewusstsein. Lediglich der Verlag West End Games lieferte noch neues Material in Form von Pen&Paper-Regelwerken, aber diese waren, wer hätte es gedacht, weit vom Mainstream entfernt. Erst Anfang der 90er kehrte Star Wars ins Bewusstsein zurück, bedingt durch zwei Werke, die parallel zueinander entstanden. Bantam Books schnappte sich die Buchlizenz und beauftragte Timothy Zahn damit, eine Fortsetzung zu verfassen, die schließlich den Titel „Heir to the Empire“ tragen und 1991 erscheinen sollte. Dark Horse nahm sich derweil der brachliegenden Comiclizenz an und gab eine eigene Fortsetzung in Auftrag (bzw. übernahm ein Projekt, das sich bereits für Marvel in Planung befand): „Dark Empire“, verfasst von Tom Veitch, mit Zeichnungen von Cam Kennedy, erschienen von Dezember 1991 bis Oktober 1992. Anders als „Heir to the Empire“ und die beiden Folgebände „Dark Force Rising“ (1992) und „The Last Command“ (1993), die im Fandom einen exzellenten Ruf haben, wurde „Dark Empire“ ursprünglich zwar ebenfalls recht positiv aufgenommen, bekam aber bald einen relativ schlechte Reputation.

Zentrales Handlungselement der sechsteiligen Miniserie ist die Rückkehr Palpatines – was auch die primäre Kontroverse auslöste. Sechs Jahre nach der Zerstörung des zweiten Todessterns befindet sich die Galaxie im Aufruhr, die zur Neuen Republik gewordene Rebellenallianz befindet sich erneut auf dem Rückzug und das Imperium erringt Erfolg um Erfolg – bis ein Bürgerkrieg unter den imperialen Machthabern ausbricht. Han, Leia und Chewbacca machen sich auf, Lando und Luke, die sich noch im Imperialen Zentrum befinden, aus dem Chaos zu retten. Just als sie Luke und Lando finden, reißt ein Machtsturm Luke davon. Der Jedi erwacht an Bord eines Schiffes, das ihn nach Byss, der neuen Hauptwelt des Imperiums bringt. Dort erwartet ihn ein mysteriöser neuer Machthaber, der dabei ist, die sich einander bekriegenden imperialen Kriegsherren unter seine Kontrolle zu bringen. Erschrocken muss Luke erkennen, dass es sich bei diesem Machthaber um niemand geringeren als Palpatine selbst handelt, der seinen Geist in einen Klonkörper seines früheren Selbst verpflanzt hat. Luke glaubt, dieses neue, Dunkle Imperium nur von innen heraus zerstören zu können und schließt sich zumindest zum Schein dem wiederauferstandenen Imperator an. Während Palpatine beginnt, Allianz-Welten wie Mon Calamari zu verwüsten, erhält Leia eine Vision von Luke auf der Dunklen Seite. Gemeinsam mit Han und Chewie begibt sie sich auf den Schmugglermond Nar Shaddaa, um der Spur dieser Vision zu folgen…

Da „Dark Empire“ und „Heir to the Empire” etwa zeitgleich entstanden, finden sich zwischen beiden Geschichten einige interessante Diskrepanzen, nicht zuletzt, weil Timothy Zahn von der Idee, Palpatine zurückzubringen, nicht allzu begeistert war und sich weigerte, in irgendeiner Form Rücksicht darauf zu nehmen. Ursprünglich war geplant, „Heir to the Empire“ nach „Dark Empire“ spielen zu lassen, aber aufgrund von Zahns Einstellung entschied man sich dagegen. Zu den erwähnten Diskrepanzen gehört beispielsweise der Umstand, dass die Neue Republik in der Thrawn-Trilogie relativ fest im Sattel sitzt, sich zu Beginn von „Dark Empire“ aber plötzlich auf dem Rückzug befindet, während ein imperialer Bürgerkrieg auf Coruscant tobt, das im Comic stets nur als „Imperiales Zentrum“ bezeichnet wird (Zahn etablierte den Namen Coruscant). Diese Elemente wurden später in Rollenspielbänden und sonstigen Kompendien wie der „Essential Chronolgy“ oder dem „Essential Guide to Warfare“ erläutert. Noch deutlicher fallen allerdings die tonalen Diskrepanzen aus. Timothy Zahns Star Wars betont eher die Science-Fiction-Elemente des Franchise, während Cam Kennedy seinen Fokus auf die Pulp-Elemente legt: Während Großadmiral Thrawn mit verhältnismäßig bescheidenen Mitteln auskommen und sich primär auf sein taktisches Genie verlassen muss, schüttelt der wiedergeborene Palpatine gefühlt eine Superwaffe nach der nächsten aus dem Ärmel, von Weltenvernichtern über das Galaxis-Geschütz bis hin zum Eclipse-Klasse-Supersternenzerstörer. Auch was die Machtfähigkeiten angeht, ist Palpatine potenter denn je, wenn auch mental und körperlich ziemlich labil. Das alles sind durchaus berechtigte Kritikpunkte und ob es tatsächlich eine gute Idee ist, Palpatine zurückzubringen und Luke auf die Dunkle Seite wechseln zu lassen, ist ebenfalls diskutabel. Davon abgesehen ist „Dark Empire“, im Gegensatz zu seinen beiden Sequels, allerdings gar keine so üble Story und wirft durchaus einige interessante Fragen bzgl. der Dunklen Seite der Macht auf. Diese werden vielleicht etwas zu oberflächlich abgearbeitet – eine Eigenschaft, die viele Star-Wars-Comics der 90er teilen. Gerade im Hinblick auf die Balance der Geschichte funktioniert „Dark Empire“ ziemlich gut und hat gewisse Parallelen zu „Return of the Jedi“. Als Gegengewicht zur Lukes Auseinandersetzung mit der Dunklen Seite funktioniert der eher klassische Abenteuer-Subplot aus Nar Shaddaa ziemlich gut und gegen Ende laufen die Fäden schön zusammen – Palpatine wird, zumindest vorläufig, durch eine thematisch angebrachte Gemeinschaftsaktion von Luke und Leia besiegt.

Die Optik von „Dark Empire“ ist kaum weniger umstritten als die Handlung: Cam Kennedys Zeichnungen, vor allem in Kombination mit der Farbgebung, muten doch sehr ungewöhnlich an. Teilweise sind seine Zeichnungen erstaunlich detailliert, dann wieder eher skizzenhaft, manchmal ähneln die Figuren ihren Schauspielern, dann wieder überhaupt nicht. Die Kolorierung schließlich mutet sehr surreal an, da sie fast ausschließlich aus dem flächigen Einsatz von Sekundärfarben besteht, dominiert von Lila oder Grün, hin und wieder durchbrochen von Blau oder Rot. Die Farbgebung funktioniert hier nicht als Wiedergabe einer natürlichen Welt, sondern wird ausschließlich bestimmt von der Atmosphäre einer Szene. Gerade im Zusammenspiel mit den Zeichnungen funktioniert diese Herangehensweise mal besser, mal schlechter. Man muss Cam Kennedy jedoch definitiv eines lasse: „Dark Empire“ ist visuell distinktiv und unterscheidet sich fundamental von den meisten anderen Star-Wars-Comics. Letzten Endes ist es eine reine Geschmacksfrage: Kennedys Ansatz ist einer, den ich durchaus respektieren kann, der mich persönlich aber nicht allzu sehr anspricht.

Besonders faszinierend ist „Dark Empire“ im Hinblick auf die späteren Entwicklungen. Die sechsteilige Miniserie erwies sich dabei als kaum weniger einflussreich als „Heir to the Empire“, auch wenn viele Autoren des EU sich später eher von ihr distanzierten. Nicht nur durfte der als Handlungsort sehr beliebte Schmugglermond Nar Shaddaa sein Debüt feiern, auch Boba Fetts Überleben des Sarlacc hat seinen Ursprung in „Dark Empire“. Und mehr noch, Tom Veitch legt hier die erste Saat für das, was später zu den „Tales of the Jedi“, „Knights of the Old Republic“ und „The Old Republic“ erwachsen sollte. Nur in Andeutungen und Erwähnungen schafft er die Grundlage für eine epische und bewegte Vergangenheit des Jedi-Ordens. Und schließlich hätten wir da noch „The Rise of Skywalker“, das durchaus als verkappte Adaption von „Dark Empire“ verstanden werden kann. Der Film selbst erläutert Palpatines Rückkehr zwar nicht, aber die Romanadaption von Rae Carson klärt auf, dass sich Darth Sidious‘ Rückkehr im Disney-Kanon durchaus ähnlich abgespielt hat wie im alten Expanded Universe: per Klonkörper und Essenztransfer. Zudem sind diverse andere Elemente zumindest sehr ähnlich, Exegol fungiert als Substitut für Byss, die Sith Eternal und Ritter von Ren ersetzen Palpatines „Elite der Dunklen Seite“ und wie in „Dark Empire“ verfügt der zurückgekehrte Imperator über Sternenzerstörer mit Todessternlaser. Und natürlich versucht Palpatine Rey ebenso auf seine Seite zu ziehen wie Luke – vielleicht ist aber auch Kylo Ren das bessere Substitut für Luke, während Rey ihn, ähnlich wie Leia, ins Licht zurückbringt.

Fazit: „Dark Empire“ zwar definitiv nicht zu meinen Favoriten unter den Legends-Comics, ist aber doch deutlich besser als sein Ruf, eines der einflussreichsten Star-Wars-Werke und weit unterhaltsamer als die eine ähnliche Prämisse umsetzende Episode IX.

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Siehe auch:
Star Wars Episode IX: The Rise of Skywalker – Ausführliche Rezension
The Rise of Skywalker – Expanded Edition
Darth Sidious – Karriere eines Imperators
Darth Plagueis
Darth Maul: Shadow Hunter
Darth Maul

Batman: Dark Moon Rising

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Seit Frank Millers und David Mazzuchellis „Batman: Year One“ (1987) kehrt man bei DC immer wieder gerne in diese Ära des Dunklen Ritters zurück, sei es in Serien wie „Legends of the Dark Knight“ oder „Batman: Confidential“, die beide an „Year One“ anknüpfen, Handlungsbögen wie „Batman: Zero Year“ oder Miniserien wie das ebenso beliebte und grandiose „Batman: The Long Halloween“ von Jeph Loeb und Tim Sale. „Batman: Dark Moon Rising“ schlägt in eine ähnliche Kerbe. Genau genommen handelt es sich bei „Dark Moon Rising“ um zwei Miniserien, geschrieben und gezeichnet von Matt Wagner: „Batman and the Monster Men“ und „Batman and the Mad Monk“, die im Grunde jedoch eine fortlaufende Geschichte in zwei Teilen erzählen, die die Lücke zwischen „Year One“ und „The Long Halloween“ schließen soll und deshalb unter dem Gesamttitel „Dark Moon Rising“ zusammengefasst werden.

Sowohl bei „Batman and the Monster Men” als auch „Batman and the Mad Monk” handelt es sich um Neuerzählungen klassischer Batman-Geschichten aus den Jahren 1939 und 1940, eingebettet in den Kontext der Kontinuität der Erscheinungszeit (die Miniserien erschienen zwischen Januar 2006 und März 2007). Dementsprechend bemühen sie sich um eine Art Fusion aus der Neo-Noir-Atmosphäre von „Year One“ und den eher pulpigen frühen Batman-Abenteuern. In „Batman and the Monster Men“ bekommt es der Dunkle Ritter mit Professor Hugo Strange zu tun, der gerne als erster, wiederkehrender Batman-Schurke wahrgenommen wird und im Verlauf der letzten Jahrzehnte immer wieder revitalisiert wurde, am prominentesten wohl in „Strange Apparitions“ (1977/78), einem Handlungsstrang der Serie „Detective Comics“ von Steve Engelhart und Marshall Rogers sowie „Prey“ aus der bereits erwähnten Serie „Legends of the Dark Knight“ von Doug Moench und Paul Gulacy. Außerhalb der Comics finden sich seine prominentesten Auftritte in „Batman: The Animated Series“ (gesprochen von Ray Buktenica), „Batman: Arkham City“ (gesprochen von Corey Burton) und „Gotham“ (gespielt von BD Wong). In „Batman and the Monster Men“ muss sich ein junger, noch recht optimistischer Batman mit einer Inkarnation von Hugo Strange herumärgern, die genetische Perfektion anstrebt und andere durch seine grausamen Experimente in „Monstermänner“ verwandelt. Zugleich reaktiviert Wagner mit Julie Madison ein eher obskures Love Interest. Julie Madison existiert ebenfalls bereits seit 1939, gehört aber, ähnlich wie Vicki Vale oder Silver St. Cloud, zu den Vertreterinnen ihrer Zunft, die eher sporadisch auftreten und weit weniger präsent sind als beispielsweise Catwoman/Selina Kyle oder Talia al Ghul. Immerhin bekam Julie Madison, anders als Hugo Strange, schon einmal einen Auftritt in einem der Batman-Filme, auch wenn er sehr klein und kaum beachtenswert ausfiel. In „Batman and Robin“ wurde sie von Elle Macpherson dargestellt. Die diversen Handlungselemente werden von Julies Vater Norman Madison verknüpft: Dieser hat Schulden bei dem für Carmine Falcone arbeitenden Capo Sal Maroni, der seinerseits wiederum in „The Long Halloween“ für Harvey Dents Entstellung verantwortlich ist und hier Hugo Strange finanziert.

Dieses Handlungselement, das „Dark Moon Rising“ eng mit „Year One“ und „The Long Halloween“ verknüpft, wird auch in „Batman and the Mad Monk“ fortgeführt. Nachdem es Batman gelungen ist, Hugo Strange das Handwerk zu legen, bekommt er es mit dem titelgebenden Mönch zu tun, ein weiterer Schurke, der ursprünglich in den frühesten Batman-Comics etabliert wurde, es aber nie schaffte, eine markante Präsenz zu etablieren. Selbst im Vergleich zu Hugo Strange ist er eine obskure Erscheinung. Der Mönch war in seiner ursprünglichen Inkarnation ein tatsächlicher Vampir; Matt Wagner dagegen gestaltet die Situation uneindeutig und lässt offen, ob Batman mit übernatürlichen Wesenheiten interagiert. Der Mönch wird als blutsaugender Anführer eines Kultes inszeniert, in dessen Fänge Julie Madison gerät. Norman Madison verfällt derweil immer mehr der Angst und Paranoia, zwar hat Batman ihn vor Sal Maroni gerettet und den Mafioso sogar genötigt, Madison seine Schulden zu erlassen, dieser lebt nun aber in ständiger Angst vor dem Dunklen Ritter.

Anders als „Year One“ oder „The Long Halloween” gilt „Dark Moon Rising” in weit geringerem Ausmaß als Klassiker und eher als Geheimtipp, was eigentlich sehr schade ist, denn Matt Wagners „Brücke“ zwischen den beiden oben erwähnten Storys hat durchaus das Zeug zum Klassiker, handelt es sich dabei doch nicht nur um die Revitalisierung zweier Geschichten aus dem Goldenen Zeitalter der amerikanischen Comics, sondern auch um eine durchaus profunde Dekonstruktion, aber auch Zelebrierung des Gothic-Horror-Genres. „Dark Moon Rising“ ist bis zum Rand gefüllt mit Elementen der klassischen Schauerliteratur, vom Frankenstein-artigen Monsterschöpfer Hugo Strange über alte Schlösser, Blut und Grauen bis hin zum vampirischen Mönch und seiner Goth-Gehilfin Dala. Die Atmosphäre erinnert stark an die der Hammer-Filme der 60er und 70er, zugleich werden die angesprochenen Tropen allerdings nicht einfach nur durchgespielt, sondern rekontextualisiert, zum Beispiel durch den Umstand, dass Batman selbst für Norman Madison zum gotischen, übermächtigen Monster wird oder dass Julie Madison sich eben nicht mit der Rolle der „damsel in distress“ zufrieden gibt, sondern sich in letzter Konsequenz von Bruce Wayne und Batman abwendet und dadurch ihren eigenen Weg findet.

Auf gewisse Weise nimmt „Dark Moon Rising“ in der regulären Kontinuität einen ähnlichen Stellenwert ein wie „Batman: Mask of the Phantasm“. Zwar gibt es handlungstechnisch nicht allzu viele Parallelen, allerdings legen beide Werke den Grundstein für die Erklärung, weshalb Bruce Waynes Liebesbeziehungen entweder oberflächlich bleiben oder rasch vorbei sind. Zudem haben Julie Madison und Andrea Beaumont durch einige Gemeinsamkeiten, nicht zuletzt den in die Machenschaften der Mafia verwickelten Vater, auch wenn sie sich ziemlich unterschiedlich entwickeln. Diese Assoziation entsteht vielleicht auch ein Stück weit durch die visuelle Gestaltung von „Dark Moon Rising“: Matt Wagners Stil wirkt oft wie eine etwas detailliertere und opulentere Version der Optik von „Batman: The Animated Series“, wobei die gotischen Aspekte, passend zur Konzeption der Geschichte, noch stärker hervorgearbeitet werden. Erwähnenswert sind zudem noch die anderen Kontinuitätsanspielungen, die, wie nicht anders zu erwarten, „Dark Moon Rising“ mehr oder weniger subtil mit „Year One“ und „The Long Halloween“ verknüpfen. Hierzu gehören Gastauftritte von Carmine Falcone, Harvey Dent und Catwoman, die sich entwickelnde Partnerschaft von Batman und Gordon, ein Plakat, das die Flying Graysons bewirbt und ein Zeitungsartikel, der auf die Red-Hood-Überfälle verweist – Letzteres natürlich eine Anspielung auf Alan Moores und Brian Bollands „Batman: The Killing Joke“. Nebenbei bemerkt, das erste Aufeinandertreffen zwischen Batman und dem Joker wird in Ed Brubakers Doug Mahnkes „Batman: The Man Who Laughs“ thematisiert. Hierbei handelt es sich um ein weiteres Bindeglied zwischen „Year One“ und „The Long Halloween“, dessen Handlung kurz nach „Batman and the Mad Monk“ zu verorten ist.

Fazit: Matt Wagners Adaption zweier Geschichten aus Batmans Entstehungszeit sind vollauf zu empfehlen, sie verbinden den grimmigen Realismus des Miller’schen Batman der 80er mit den Horror- und Pulp-Elementen der 40er und schlagen eine schöne Brücke zwischen „Batman: Year One“ und „Batman: The Long Halloween“.

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Siehe auch:
Batman: Year One
Batman: The Long Halloween Part 1 & 2

Art of Adaptation: Guido Crepax‘ Dracula

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Zu den vielen Künstlern, die sich Stokers unsterblichen Grafen vorgenommen haben, gehört auch Guido Crepax (1933 bis 2003), ein italienischer Comicautor und -zeichner, der primär für seine oft erotischen Erwachsenencomics bekannt ist. Crepax adaptierte einige Werke der klassischen Schauerliteratur, darunter neben „Dracula“ auch Mary Shelleys „Frankenstein“ sowie Robert Louis Stevensons „The Strange Case of Dr. Jekyll and Mister Hyde“. Guido Crepax‘ „Dracula“ erschien ursprünglich 1987, fand aber erst 2023 im Rahmen des auf Erwachsenencomics spezialisierten Labels „Splitternackt“ des Splitter Verlags seinen Weg nach Deutschland. Wer nun allerdings eine Version von Stokers Geschichte mit ausschweifenden Orgien erwartet, wird wohl enttäuscht werden – Crepax‘ Bearbeitung des Stoffes mag expliziter sein als der zugrundeliegende Roman, im Großen und Ganzen handelt es sich dabei allerdings eher um Kosmetik.

Handlungstechnisch nimmt Crepax keine allzu großen Änderungen vor, sondern orientiert sich eng am Roman – wie so viele andere ist es vor allem die Struktur der Erzählung bzw. der Ablauf der Ereignisse, mit dem er spielt. So beginnt er nicht mit Jonathan Harkers Reise nach Transsylvanien und seinem Aufenthalt auf Draculas Schloss, stattdessen startet die Geschichte in Whitby bei Mina und Lucy. Nach und nach arbeitet er sich durch den Handlungsstrang, von Lucys drei Verehrern über die Ankunft der Demeter und Renfields Insekten-Eskapaden bis hin zu Lucys Krankheit und langsamem Dahinsiechen. Wie üblich kommt Van Helsing hinzu, aber auch ihm gelingt es nicht, Lucy zu retten. Mina reist derweil nach Osteuropa, weil ihr in Transsylvanien verschollener Verlobter Jonathan wieder aufgetaucht ist und die beiden heiraten. Lucy stirbt, zumindest scheinbar, Van Helsing strebt eine Autopsie an und Mina und Jonathan kehren als verheiratetes Paar nach England zurück. Nachdem Jonathan glaubt, Dracula in London gesehen zu haben, liest Mina sein Tagebuch und übergibt es anschließend an Van Helsing. An dieser Stelle platziert Crepax eine Rückblende und adaptiert den eigentlichen Anfang des Romans, inklusive aller zu erwartenden Episoden: Die Einheimischen, die Jonathan warnen, Dracula, der seinen eigenen Kutscher spielt und später nicht in Jonathans Rasierspiegel auftaucht, die Begegnung mit Draculas Bräuten usw. Anschließend kehren wir in die Gegenwart zurück, Lucy wird gepfählt, Dracula macht Mina zu seinem nächsten Opfer und Renfield stirbt. Nach einer Konfrontation mit dem Grafen und Bemühungen, seiner Lagerstätten unbrauchbar zu machen, flieht er in seine Heimat, verfolgt von den Vampirjägern, die ihn schließlich in Sichtweite seines Schlosses zur Strecke bringen, nicht ohne dass Quincey Morris dabei ums Leben kommt. Selbst dem Epilog widmet Crepax zwei Panels.

An der Handlungsfront finden sich somit recht wenig Änderungen, sieht man von der Umstrukturierung der Geschichte ab. Während es durchaus häufiger vorkommt, dass die Transsylvanien-Episode weiter nach hinten verschoben oder als Rückblende inszeniert wird, ist es doch selten, dass sie so spät auftaucht – als ich den Comic zum ersten Mal gelesen habe, dachte ich zuerst, er orientiert sich diesbezüglich am ursprünglichen Theaterstück von Hamilton Deane und John L. Balderston, das Transsylvanien völlig ausklammert. Aus dramaturgischer Sicht funktioniert diese Abwandlung allerdings gar nicht einmal so schlecht, da Dracula auf diese Weise noch länger mysteriös und undefiniert bleibt. Als Leser erlebt man zuerst die Auswirkungen seiner Taten in Whitby und bekommt dann die Erklärung geliefert. Zumindest gilt das in der Theorie, denn selbst diejenigen, die nicht mit Stokers Roman vertraut sind, wissen doch, wer und was Dracula ist.

In letzter Konsequenz hängt hier also alles von der visuellen Umsetzung ab. Ähnlich wie Georges Bess‘ Adaption des Romans ist auch dieser Comic in schwarzweiß gehalten und bemüht sich um eine sehr filigrane Linienführung. Ich kann allerdings nicht behaupten, dass mir Crepax‘ Zeichenstil besonders gut gefällt, gerade seine Gesichter sehen oft merkwürdig aus. Ganz interessant sind die Vampirfratzen, hier wird ein schöner Kontrast zwischen der untoten und der in Frieden ruhenden Lucy aufgezeigt. Crepax‘ Version des Grafen hingegen will mir überhaupt nicht gefallen. Statt des üppigen Schnurrbartes aus Stokers Beschreibung hat er einen Backenbart und sieht alles in allem überhaupt nicht furchteinflößend aus. Auch atmosphärisch lässt Crepax‘ Adaption zu wünschen übrig, in seinen Panels konzentriert er sich zumeist auf die Figuren und weniger auf die Hintergründe, nur selten arbeitet er beispielsweise mit Licht und Schatten, wie es dem Sujet angemessen wäre. Und schließlich hätten wir noch das erotische Element, das jedoch, wie bereits erwähnt, eigentlich keine Auswirkungen auf die Handlung hat, die Figuren sind einfach etwas öfter nackt, als sie es im Roman waren. Ähnlich wie in Coppolas „Bram Stoker’s Dracula“, der fünf Jahre nach dem Erscheinen dieses Comics in die Kinos kam, ist es vor allem Lucy, die ihren Körper zeigt, aber auch Mina und selbst Jonathan erhalten die eine oder andere Nacktszene. Eher unpassend bis schräg wirkt die BDSM-Szene zwischen Jonathan und Draculas Bräuten, die konsequenzlos bleibt, bei der es sich aber um die einzige wirkliche Hinzufügung handelt, die Crepax vorgenommen hat. Wohlgemerkt ist diese Szene von der Standard-Begegnung mit den Bräuten abgegrenzt und fühlt sich so an, als hätte Crepax unbedingt noch eine erotische Episode einbauen wollen.

Fazit: Angesichts der vielen, vielen Comicadaptionen von „Dracula“ ist von Guido Crepax‘ Bearbeitung eher abzuraten, sofern man sich nicht zu den Fans des italienischen Zeichners zählt. Während seine Strukturanpassungen doch zumindest interessant sind, will mir persönlich seine visuelle Gestaltung der Geschichte und vor allem der Figuren nicht so recht zusagen, auch atmosphärisch wäre deutlich mehr möglich gewesen. Die erotische Komponente schließlich fügt der Geschichte kaum etwas hinzu und ist nicht mehr als unnötige Kosmetik. Wer nach einer großformatigen Hardcover-Dracula-Comicadaption sucht, die zudem auch visuell voll zu überzeugen weiß, dem sei Georges Bess‘ Version der Geschichte ans Herz gelegt.

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Siehe auch:
Geschichte der Vampire: Dracula – Bram Stokers Roman
Geschichte der Vampire: Dracula – Universals Graf
Geschichte der Vampire: Dracula – Hammers Graf
Geschichte der Vampire: Dracula – Der gezeichnete Graf
Art of Adaptation: Georges Bess‘ Dracula
Art of Adaptation: Bram Stoker’s Dracula Starring Bela Lugosi
Dracula, Motherf**ker!

Emissaries to Malastare

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Star Wars ist ebenso berühmt wie berüchtigt dafür, kleine Elemente aus den Filmen zu nehmen und sie ausführlich darzustellen. Boba Fett ist eine recht unwichtige Nebenfigur in Episode V und VI, hat aber eine Myriade an Comics, Romanen, Kurzgeschichten etc. Die Kopfgeldjägerin Aurra Sing taucht nur einmal kurz in „The Phantom Menace“ auf, wird aber in diversen Comics zur wiederkehrenden Widersacherin der Jedi. Selbst in der Disney-Ära geht diese Tendenz weiter, so kann man mit Fug und Recht behaupten, dass es sich bei „Rogue One“ um die Verfilmung des Lauftexts von „A New Hope“ handelt. Der dritte Handlungsstrang der Comicserie „Star Wars Republic“, „Emissaries to Malastare“ (enthalten in den Ausgaben 13 bis 18) ist ein weiteres Idealbeispiel für diese Tendenz, und das in mehr als einer Hinsicht. Schon der Handlungsort, Malastare, wurde in „The Phantom Menace“ mehrfach erwähnt, primär im Kontext der Podrennen. Aber auch diverse Spezies der weit, weit entfernten Galaxis werden hier zumindest in Ansätzen beleuchtet.

Wie schon „Outlander“, der vorherige Handlungsstrang der Republic-Serie, ist auch dieses Mal Timothy Truman für Text und Dialoge verantwortlich. Dementsprechend verwundert es kaum, dass die Handlung ziemlich genau dort ansetzt, wo „Outlander“ endete: Nach Sharad Hetts Tod ist sein Sohn A’Sharad nun der neue Padawan von Ki-Adi-Mundi. Nach einer Prüfung begeben sich Schüler und Meister zusammen mit einer Reihe Mitglieder des Hohen Rats der Jedi, darunter Mace Windu, Yaddle, Adi Gallia, Plo Koon und Even Piell nach Malastare, um in einer diplomatischen Angelegenheit zu vermitteln. Obwohl „Emissaries to Malastare“ mit Ki-Adi-Mundi anfängt, ist der cereanische Jedi weit weniger im Fokus als es noch bei „Prelude to Rebellion“ und „Outlander“ der Fall war – tatsächlich ist es schwierig, einen eindeutigen, zentralen Protagonisten dieser Geschichte auszumachen. Für meinen Geschmack sind hier tatsächlich deutlich zu viele Jedi beteiligt, was dafür sorgt, dass die Figuren größtenteils ziemlich austauschbar sind und keine die Aufmerksamkeit bekommt, die sie verdient. Wo Truman in „Outlander“ eine sehr stringente Handlung vorlegte, ist „Emissaries to Malastare“ fürchterlich zerfasert – das geht so weit, dass die beiden letzten Ausgaben des Handlungsstrangs nicht einmal mehr auf Malastare spielen. Es wirkt, als habe Truman versucht, möglichst viele Elemente aus allen Ecken der Filme und des Expanded Universe auf Teufel komm raus in dieser Geschichte unterzubringen. Das geht bereits mit A’Sharad Hetts Prüfung los, die von An’ya Kuro, der „dunklen Frau“ durchgeführt wird, die einst Ki-Adi-Mundi zum Jedi-Tempel brachte und sich später in der Geschichte „Extinction“ mit Darth Vader duellieren sollte. Auf Malastare greift Truman natürlich die von Qui-Gon erwähnten Podrennen auf. Das hier gezeigte Phoebos-Rennen trägt wenig zur eigentlichen Handlung bei, bringt aber einige alte Bekannte aus „The Phantom Menace“ zurück, primär natürlich jedermanns Lieblings-Dug Sebulba. Der Umstand, dass der Kommentator auf Malastare auch noch dasselbe zweiköpfige Alien wie beim Boonta Eve Classic ist, ist dann definitiv zu viel Fanservice. Für alle Neugierigen, er bzw. sie tragen den Namen Fodesinbeed Annodue. Selbst so obskure Elemente wie der Orden der Ffib, erstmals erwähnt in der Kurzgeschichte „A Barve Like That: The Tale of Boba Fett“, darf hier einen kleinen Auftritt absolvieren.

Der eigentlich politische Konflikt der Geschichte bleibt hingegen merkwürdig nebulös und hat auch nur bedingt etwas mit Malastare zu tun – der Planet fungiert primär als Austragungsort. Stattdessen geht es um eine Auseinandersetzung auf dem Planeten Lannik, der Heimatwelt des Jedi-Meisters und Ratsmitglieds Even Piell. Vermittlungen sind nötig zwischen der Regierung des Planeten und einer Terrorgruppe namens Red Iaro. Diese Verhandlungen, angereichert durch diverse Intrigen und Attentate, ziehen sich über die ersten vier Ausgaben des Handlungsstrangs hin, ohne jemals wirklich interessant zu werden. Danach geht die Geschichte abrupt in eine andere Richtung, als die Jedi entdecken, dass Red Iaro Akk-Hunde, eine enorm gefährliche Spezies von Mace Windus Heimatwelt Haruun Kal einsetzt. In den letzten beiden Heften des Handlungsstrangs folgen wir dann also stattdessen Mace Windu und seiner ehemaligen Padawan-Schülerin Depa Billaba, die auf Nar Shaddaa, dem berühmt-berüchtigten Schmugglermond, bzgl. des Akk-Hund-Schmuggels ermitteln – inklusive völlig neuer Widersacher und ohne alle anderen Protagonisten, die bislang Teil der Geschichte waren. Tatsächlich bereiten diese beiden Hefte den nächsten Republic-Handlungsstrang „Twilight“ vor – inklusive eines kurzen Gastauftritts des neuen Protagonisten Quinlan Vos. Im Kontext von „Emissaries to Malastare“ wirkt dieser Teil der Geschichte jedoch völlig separiert von der eigentlichen Haupthandlung.

Gerade das politische Geschehen auf Malastare, von dem Konflikt der Lannik bis hin zu den Intrigen der Gran-Senatoren Aks Moe Ainlee Teem und der Unterdrückung der Dugs, könnte interessant sein, wäre man nicht so damit beschäftigt, Cameos und die Vorbereitung von „Twilight“ hier unterzubringen. Vielleicht hätte sich James Luceno, Meister des Star-Wars-Politthrillers (siehe „Cloak of Deception“ und „Darth Plagueis“) dieser Geschichte annehmen sollen. So, wie dieser Handlungsstrang ist, funktioniert er aber einfach nicht, nicht als Fortsetzung der Geschichte von Ki-Adi-Mundi und A’Sharad Hett, dafür bleibt die Charakterarbeit zu oberflächlich, nicht als Politthriller und auch nicht unbedingt als Prolog für „Twilight“. Visuell ist „Emissaries to Malastare“ eher konventionell gehalten. Drei Zeichner sind an diesem Werk beteiligt, Tom Lyle, John Nadeau und meine SW-Lieblingszeichnerin Jan Duursema, die hier allerdings noch nicht so sehr hervorsticht, wie es bei späteren Werken der Fall ist. Die zeichnerische Arbeit ist funktional, aber selten mehr. Zudem wirken einige graphische Entscheidungen etwas merkwürdig – hierzu gehört unter anderem die Darstellung der Lichtschwertklingen (die, wie in allen Prä-Episode-II-Comics, noch in allen Regenbogenfarben auftauchen) und die Entfernung der typischen Tusken-Bandagen von A’Sharad Hett, sodass der arme Junge nun eine recht merkwürdige Lederkappe trägt.

Wie bei so vielen Werken aus dieser Ära ist der Kontrast zu später kommenden Romanen, Comics und Serien einer der interessantesten Aspekte. Zu Beginn findet sich eine Szene, in der sich Anakin Skywalker mit A’Sharad Hett anfreundet – immerhin stammen beide von Tatooine. Angesichts von Anakins späterer Einstellung zu den Tusken entbehrt das nicht einer gewissen Ironie. Auf die Lichtschwertfarben bin ich bereits an anderer Stelle eingegangen, aber auch die Separierung der Jedi von ihren Familien ist hier noch weniger stark ausgeprägt, als dies nach „Attack of the Clones“ sein sollte. Sowohl Even Piell aus auch Adi Gallia fühlen sich ihrem familiären Vermächtnis durchaus verpflichtet. Und schließlich hätten wir noch Jedi-Meisterin Yaddle, die in dieser Zeit dasselbe Sprachmuster wie Yoda aufweist (Truman übertreibt es diesbezüglich ein wenig). Im Kontrast dazu spricht Yaddle bei ihrem größten Auftritt im Disney-Kanon im Rahmen der Animationsserie „Tales of the Jedi“ (nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen Comicserie aus den 90ern) völlig normal.

Fazit: Im Gegensatz zum sehr gelungenen „Outlander“ ist die Quasi-Fortsetzung „Emissaries to Malastare“ eine sehr unausgegorene Angelegenheit, die zwei einige interessante Ansätze beinhaltet, aber in jeder Hinsicht oberflächlich bleibt und sich viel zu sehr darauf konzentriert, Cameos bekannter Figuren unterzubringen und kommende Storys vorzubereiten.

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Siehe auch:
Prelude to Rebellion
Outlander
Darth Maul
Jange Fett: Open Season
Darth Plagueis

Batman: The Doom That Came to Gotham

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Story: In den 1920ern kehrt Bruce Wayne (David Giuntoli) nach langer Abwesenheit nach Gotham City zurück. In der Arktis haben er und seine Mündel die Spuren eines großen, unaussprechlichen Übels entdeckt, das seinen Schatten bereits vorauswirft. Zurück in Gotham macht sich Bruce als Batman daran, die Agenten finsterer, uralter und gottähnlicher Wesen zu bekämpfen, darunter primär Talia al Ghul (Emily O’Brien), die das mysteriöse „Testament des Ghul“ nutzen möchte, um uralte, dämonische Kräfte freizusetzen…

Kritik: Lovecraft und das DC-Universum hatten öfter Überschneidungen, als man vielleicht denken möchte. Gerade die Justice League kämpft immer wieder gegen kosmische Bedrohungen, die meist (zumindest mehr oder weniger) an Lovecrafts Entitäten erinnern – was eignet sich schließlich besser als übermäßige Bedrohung als eine Kreatur von der Statur eines Cthulhu. Bezüglich der Atmosphäre und sonstiger Plot-Elemente ist es abseits der diversen okkulten Figuren wie John Constantine freilich Batman, der sich am ehesten anbietet, möchte man Lovecraft’sche Stimmung mit Superhelden kombinieren; nicht von ungefähr trägt der Ort, an dem die durchgeknallten Schurken, mit denen sich der Dunkle Ritter herumschlagen muss, untergebracht sind, den Namen DER fiktiven Lovecraft-Stadt schlechthin. Ein Quasi-Crossover in Comicform entstand schließlich 2000/2001 in Form der dreiteiligen Elseworld-Miniserie „Batman: The Doom That Came to Gotham“, verfasst von dem bekennenden Lovecraft-Fan und Hellboy-Schöpfer Mike Mignola (zusammen mit Richard Pace), mit Zeichnungen von Troy Nixey. Der Titel bezieht sich auf die eher obskure Lovecraft-Geschichte „The Doom That Came to Sarnath“ (1920), in der deutschen Fassung wählte man stattdessen „Schatten über Gotham“, natürlich in Anspielung auf „The Shadow over Innsmouth“ (1931), eine der bekanntesten Lovecraft-Storys.

Im Rahmen der DC Universe Animated Original Movies wurden bereits einige Elseworld-Geschichten umgesetzt, etwa „Batman: Gotham by Gaslight“ oder „Superman: Red Son“, diese waren allerdings deutlich populärer als das doch eher obskure „The Doom That Came to Gotham“. Visuell ist tatsächlich recht wenig von Troy Nixeys Zeichenstil übriggeblieben; dieser mutet, zumindest in „The Doom That Came to Gotham“, mitunter an wie eine etwas detailliertere und bizarrerere Version von Mignolas Strich. Optisch ist das recht weit vom typischen Batman-Comics entfernt, passt aber hervorragend zur Natur und Atmosphäre der Geschichte, die hier erzählt wird. Der Animationsstil des Films ist dagegen verhältnismäßig generisch und nicht allzu weit von „Batman: The Long Halloween“ entfernt. Verantwortlich für die Umsetzung sind die Regisseure Christopher Berkeley und Sam Liu, beide Veteranen der DC-Animationsstudios, sowie Drehbuchautor Chase Ricci.

Inhaltlich bleibt der Film relativ nah an der Vorlage, nur bezüglich Bruce‘ jugendlicher Entourage gibt es einige Veränderungen, um die Figurenriege ein wenig diverser zu gestalten. Zentrales jugendliches Mündel ist hier Kai Li Cain (Tati Gabrielle), offensichtlich eine abgewandelte Adaption von Cassandra Cain, die nach Betty Kane und Barbara Gordon die dritte Figur ist, die das Batgirl-Kostüm überstreift. Selbiges tut sie in diesem Film nicht, ebenso wie die diversen Robins, die ebenfalls Teil der Figurenriege sind, aber recht wenig zur Handlung beitragen. Deutlich interessanter ist die Interpretation der diversen Schurken Gotham Citys als Lovecraft’sche Figuren. Manche dieser Abwandlungen drängen sich geradezu auf: In „At the Mountains of Madness“ tauchen bereits monströs mutierte Pinguine auf, wieso also nicht Oswald Cobblepot (William Salyers) in der an diese Novelle angelehnten Eröffnungsszene in diesem Kontext zeigen? Ra’s al Ghul (Navid Negahban) fungiert sogar als Stand-in für Abdul al Hazred, während das „Testamant des Ghul“ die Rolle des Necronomicon einnimmt, Barbara Gordon (Gideon Adlon) wird zum tatsächlichen Orakel und aus Harvey Dent (Patrick Fabian) wuchert eine organische Masse, die das Tor in andere Dimensionen bildet. Dass diese Wucherungen nur seine linke Körperhälfte betreffen, ist natürlich reiner Zufall… Zudem schauen auch einige alte Bekannte aus dem weiteren DC-Universum vorbei. Jason Blood bzw. Etrigan (Matthew Waterson) hat sich verhältnismäßig wenig verändert, während Oliver Queen (Christopher Gorham) nun als Krieger gegen das Böse fungiert und mit seiner ursprünglichen Green-Arrow-Persönlichkeit relativ wenig zu tun hat. Die kosmische Entität schließlich, die als finaler Widersacher fungiert und den Namen Iog Sotha trägt, ist eine Neuschöpfung, aber eindeutig inspiriert von sowohl Cthulhu als auch Yog-Sothoth (zumindest namentlich).

All jene, die mit Lovecraft nicht unbedingt vertraut sind, dürfte „The Doom That Came to Gotham“ wahrscheinlich eher irritieren: Warum erzählt man hier ein okkultes Batman-Abenteuer in den 20ern? Für Lovecraft-Fans hingegen ist der Film sowie der zugrunde liegende Comic natürlich ein gefundenes Fressen, schließlich strotzen beide nur so vor inhaltlichen und direkten Anspielungen an die Geschichten des Cthulhu-Mythos: Finstere Verschwörungen, Kulte, Grimoires und unmenschliche wie menschliche Monstrositäten, aber auch die Handlungskonzeption und der Spannungsaufbau orientieren sich stark an Lovecraft. Und natürlich besuchte Ra’s al Ghul die Stadt ohne Namen, während Ludwig Prinn, Autor des schwarzmagischen Werkes De Vermis Mysteriis, auch in Gotham aktiv war. Zwar gelingt es dem Film leider nicht, dieselbe, dichte Atmosphäre aufzubauen wie die Vorlage, das Konzept geht aus dieser Perspektive dennoch größtenteils auf. Die wohl größte Schwäche des Films ist in diesem Kontext die Laufzeit: Regisseure und Autor finden in den 90 Minuten einfach nicht die Zeit, sich den Figuren so ausgiebig zu widmen, wie diese es verdient hätten. Vor allem am Ende geht es Schlag auf Schlag, und noch bevor das Finale begonnen hat, ist es auch schon wieder vorbei. Angesichts der Tatsache, dass Lovecraft nicht unbedingt für seine rasante Dramaturgie bekannte ist, wäre ein gemächlicherer Aufbau, verbunden mit einer etwas längeren Laufzeit, durchaus angemessen gewesen.

Fazit: Kurzweilige, wenn auch etwas überhastete Umsetzung des gleichnamigen Comics von Mike Mignola. Angesichts des Standards durchaus eine der besseren Lovecraft-Verfilmungen mit vielen Verweisen auf die Storys des „Cthulhu-Mythos“.

Trailer

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Siehe auch:
Batman: The Long Halloween Teil 1 & 2
Lovecrafts Vermächtnis: Der Cthulhu-Mythos
Lovecrafts Vermächtnis: Providence
Lovecrafts Vermächtnis: A Study in Emerald

Art of Adaptation: Der Ring des Nibelungen – Comic von P. Craig Russell

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Richard Wagners Opernzyklus „Der Ring des Nibelungen“ dürfte schon allein aufgrund des Umfangs eines der fordernsten Werke der klassischen Musik sein – zum Glück gibt es Möglichkeiten, sich diesem Mammutwerk zu nähern, ohne sich durch vier Opern von insgesamt gut 14 Stunden zu arbeiten. Einige davon habe ich bereits vorgestellt, etwa das Instrumentalalbum „Der Ring ohne Worte“, das aus dem Zyklus praktisch ein Filmmusikalbum macht, oder die 2022 ausgestrahlte Hörspielserie des RBB. Wer hingegen eher einen visuellen Zugang bevorzugt und es zudem auf ein hochwertigeres (und teureres) Objekt abgesehen hat, kann zur kürzlich von Cross Cult in einem Hardcover-Sammelband auf Deutsch herausgebrachten Comic-Adaption von P. Craig Russell aus den frühen 2000ern greifen.

Wie so viele amerikanische Comicschaffende arbeitete auch der 1951 geborene Russell im Lauf seiner Karriere für die beiden großen Verlage DC und Marvel, für die er sowohl als Texter als auch als Zeichner und Inker tätig war. Bereits in den 80ern schrieb und zeichnete er die Anthologieserie „Night Stories“, in deren Rahmen er nicht nur Literaturklassiker, sondern auch Opern adaptiert. Besonderes Letztere sollten sein Comicschaffen immer begleiten, bis er sich in den frühen 2000ern für Dark Horse Wagners „Ring des Nibelungen“ annahm. Die epische Geschichte des deutschen Komponisten, basierend auf diversen mittelalterlichen Quellen, darunter primär die nordische Völsunga saga, aber auch (in geringerem Maße) das mittelhochdeutsche Versepos „Das Nibelungenlied“, setzt er in 14 Ausgaben um, vier für „Das Rheingold“, jeweils drei für „Die Walküre“ und „Siegfried“ und noch einmal vier für „Götterdämmerung“.

Anders als beispielsweise die französische Serie „Götterdämmerung“, die sich zwar an Wagner orientiert, viele Elemente aber sehr frei umsetzt und u.a. noch deutlich mehr nordische Mythologie einarbeitet, handelt es sich bei Russells Werk um eine sehr vorlagengetreue Umsetzung, weshalb Wagners Name auch das Cover ziert. Auf eine ausführliche Handlungswidergabe werde ich in diesem Kontext verzichten und verweise dafür auf meinen Artikel zum RBB-Hörspiel – sowohl dieses als Russells Comicadaption sind jeweils äußerst nahe an der Vorlage, die Abweichungen und Änderungen sind minimal. Diesbezüglich am interessantesten ist wahrscheinlich Russells Gestaltung des Endes. Im Finale der „Götterdämmerung“ sterben praktisch alle wichtigen Figuren und die alte Ordnung der Götter Walhalls endet, aber es liegt zumeist im Ermessen des jeweiligen Regisseurs, ob dieser Umstand positiv oder negativ bewertet wird. Russell zeigt nach dem eigentlichen Ende, wie Wotan nach der Rückgabe des Rings an die Rheintöchter Loge mit seinem Speer ersticht, woraufhin Walhall in Flammen aufgeht. Anschließend sehen wir Siegfried und Brünhild in ätherischem Licht, das einer verwüsteten Landschaft neues Leben bringt, die entstehende Pflanze könnte sogar als neue Weltesche interpretiert werden. Russell geht also von einem positiven Neuanfang nach dem Ende der alten Ordnung aus. Deutlich interessanter als die Handlungsabweichungen – bzw. der Mangel an denselben – ist die visuelle Umsetzung.

Wer moderne Operninszenierungen, in denen die Figuren in moderner Kleidung durch ein minimalistisches Bühnenbild rennen, absolut nicht ausstehen kann, dürfte mit dem von Russell gewählten visuellen Stil wirklich seine Freude haben, denn sein „Ring des Nibelungen“ sieht exakt so aus, wie man sich eine stereotype Wagner-Oper vorstellt. Russell inszeniert die Welt des deutschen Komponisten als romantisch verklärte Mischung aus Pseudo-Völkerwanderung, Pseudo-Mittelalter und Pseudo-Wikingern, will heißen: Es finden sich viele Flügel- und Hörner-Helme. Das Ganze mutet einerseits, vor allem für eine Leserschaft des Jahres 2023, die eine andere Darstellung von Mythologie, Wikingern und Fantasy gewohnt ist, reichlich kitschig an. Wenn Russell es sich allerdings zum Ziel gesetzt hat, den „Ring“ so in Szene zu setzen, dass er Wagners Idealvorstellung am nächsten kommt, kann das Ergebnis zweifelsohne als durchschlagender Erfolg bewertet werden.

Den romantisch-kitschigen Aspekt außen vorgelassen sind Russells Zeichnungen, Bildkompositionen und Panelanordnungen keinesfalls anspruchslos oder simpel, im Gegenteil. Russell bemüht sich um eine ausgeprägte Bildsprache und zeigt zudem eine stilistische Vielseitigkeit – so werden beispielsweise Rückblenden oder „Handlungsbrücken“, die in den Opern nur verbal vermittelt werden, als nicht kolorierte Bleistiftzeichnungen gezeigt. Mehr noch, Russell versucht auch, Wagners Musik visuell umzusetzen, spezifisch die Leitmotivik. Wagner ist nicht nur der Vorreiter dieser musikalischen Erzähltechnik, tatsächlich hat ihm bislang kaum ein Komponist diesbezüglich das Wasser reichen können, zumindest im Hinblick auf den „Ring“. Das liegt primär daran, dass Wagners Leitmotive im „Ring“ einer ständigen, von der Handlung bestimmten Entwicklung und Metamorphose unterworfen sind. Siegfrieds Thema, wie es am prominentesten in Siegfrieds Trauermarsch erklingt, entwickelt sich beispielsweise über den Verlauf der Tetralogie langsam und ist eine Ausarbeitung des Schwert-Motivs, beinhaltet eine invertierte Version des Ring-Motivs etc. Im Gegensatz dazu bleiben die Leitmotive und Themen in der Filmmusik zumeist relativ starr, um einen besseren Wiedererkennungswert zu gewährleisten. Zugegebenermaßen haben Filmkomponisten auch nur zwei bis drei Monate, um einen Film-Score zu schreiben, während Wagner mehrere Jahrzehnte an den vier Opern des „Rings“ arbeitete. Wie dem auch sei, Russell versucht, diese motivische Entwicklung immer wieder bildlich darzustellen, etwa wenn am Ende des „Rheingolds“ Wotan das Schwert Notung als zentrales Element seines Weltrettungsplanes ersinnt und Russell es in ein Geflecht aus visuellen Motiven einbindet, das Wagners leitmotivischer Entwicklung gleicht.

Ich muss allerdings zugeben, dass ich nicht jede grafische Gestaltung Russells vollauf gelungen finde. Vor allem der Drache Fafner wirkt nicht allzu einschüchternd oder schrecklich, sondern sieht primär aus wie ein großes Krokodil – die drachenartige Riesenschlange, in die sich Alberich im „Rheingold“ mithilfe der Tarnkappe verwandelt, ist da deutlich besser gelungen. Allgemein wirken die schurkischen Figuren, Alberich, Mime und Hagen, visuell äußerst uninteressant, gerade im Vergleich zu den Helden und Göttern. Während die Nibelungen meistens spärlich bekleidet durch die Gegend rennen, mutet Hagen an wie eine mit Hörnerhelm ausgestattete Version von Gríma Schlangenzunge. Ich denke, da wäre mehr drin gewesen. Absolut keinen Grund zur Klage liefert die Aufmachung der deutschen Ausgabe: Hardcover mit Lesebändchen und umfangreichem Bonusmaterial, darunter Cover, Skizzen P. Craig Russells sowie Kommentare und Erläuterungen zu seinem Adaptionsprozess, die mir das Verfassen dieses Artikels deutlich erleichtert haben.

Fazit: Gelungene, sehr vorlagengetreue Comicadaption des „Ring des Nibelungen“ in ansprechender Prachtausgabe, visuell verwurzelt in der Romantik des 19. Jahrhunderts, die aufwändig und komplex darstellt, wie Wagner selbst sich den „Ring“ vorgestellt haben könnte.

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Siehe auch:
Wagner: Der Ring ohne Worte
Art of Adaptation: Der Ring des Nibelungen – RBB-Hörspiel
Götterdämmerung

Art of Adaptation: Georges Bess‘ Frankenstein

Halloween 2022
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Letztes Jahr erschien die deutsche Fassung der Dracula-Comicadaption des französischen Künstlers Georges Bess – da scheint „Frankenstein“ der nächste logische Schritt zu sein. Tatsächlich war das Erscheinen dieses üppigen Comicbandes im Hardcover-Format – wie der Vorgänger komplett in schwarz-weiß – der auslösende Faktor, der mich dazu gebracht hat, mich im Rahmen dieses Blogs verstärkt mit Mary Shelleys Roman und den diversen Adaptionen zu beschäftigen. Vielleicht wäre es angebrachter gewesen, mit Universals Film von 1931 zu beginnen, aber hin und wieder muss man auch mal das Pferd von hinten aufzäumen und mit der neuesten Umsetzung starten.

Tatsächlich beginnt die Comicadaption genauso wie der Roman: Auf Captain Waltons Schiff, wo er seine Erlebnisse in einem Tagebuch festhält. Zu diesen Erlebnissen gehört ein kurzer Blick auf die Kreatur und natürlich ein stark geschwächter Victor Frankenstein, der beginnt, seine Geschichte zu erzählen. Tatsächlich folgt Bess, wie schon bei seiner Dracula-Adaption, der Handlung des Romans sehr genau, wenn auch mit einigen Abstrichen und einem etwas veränderten Fokus. Frankensteins familiäres Umfeld spielt beispielsweise eine deutlich kleinere Rolle, wo Elizabeth, William und Co. zu Beginn des Romans ausführlich vorgestellt werden, tauchen sie bei Bess deutlich später auf, nämlich erst dann, wenn sie wirklich handlungsrelevant sind. Zu Beginn der Rückblickshandlung legt Bess den Fokus stattdessen (und mit einigen wohlplatziertem direkten Shelley-Zitaten) auf Frankensteins Forscherdrang, sodass die Universität Ingolstadt zum ersten wichtigen Handlungsort wird. Zudem baut er hier ein kleines Zugeständnis an die Universal-Filme ein. Wie in besagten Filmen und anders als im Roman verfügt Frankenstein hier über einen buckligen Diener, der zwar weder Fritz (wie im Film von 1931) noch Igor bzw. Ygor (erstmals in „Son of Frankenstein“ aus dem Jahr 1939, gespielt von Bela Lugosi), sondern Sven heißt, aber im Grunde denselben Zweck erfüllt. Zudem kann Bess es nicht lassen, hier und da einige zusätzliche Details einzustreuen. Mary Shelley bleibt bezüglich Frankensteins Rohmaterial sehr vage, während die Adaptionen zumeist versuchen, ein wenig mehr Kontext zu liefern, so auch in dieser. Die gewaltige Größte der Kreatur erklärt Bess damit, dass Frankenstein sich unter anderem des Leichnams eines riesigen Zirkusartisten bedient.

Ebenso vage bleiben Shelleys Beschreibungen der Kreatur, und natürlich gilt es auch hier, den Universal-Faktor nicht zu unterschätzen. Einerseits ist Boris Karloff in der Rolle des Monsters so dominant, dass man an der entsprechenden Assoziation nicht vorbeikommt, andererseits ist es, besonders nach unzähligen Parodien, schwierig, den viereckigen Kopf und die Schrauben im Hals noch ernst zu nehmen. Bess versucht so gut wie möglich, sich an Mary Shelleys Beschreibung zu orientieren und zeichnet die Kreatur sehr groß und muskulös, mit langen, schwarzen Haaren und Narben – zudem zitiert er ihre Beschreibung im Erzähltext.

Ab dem Moment, in dem die Kreatur aus dem Labor flüchtet, nimmt Bess einige strukturelle Änderungen vor. Wie im Roman erfährt Frankenstein von seiner Schöpfung, was dieser zwischen Flucht und Wiedersehen widerfahren ist, Shelley hält sich hier strikt an Frankensteins Perspektive, wir als Leser erfahren erst, was geschehen ist, als Frankenstein es auch erfährt. Bess hingegen zieht diesen Teil der Geschichte vor, sodass Frankenstein Captain Walton nun chronologisch und nicht an seine Wahrnehmung gebunden erzählt. Dieser Binnenerzählung räumt Bess enorm viel Platz ein, etwa ein Drittel des gesamten Comics, und gibt sie inhaltlich insgesamt sehr vorlagengetreu wieder, erweitert sie allerdings etwas und streut einige Hintergründe der Familie, mit der die Kreatur agiert, in die Erzählung ein. Auch der Mord an William Frankenstein wird bereits an dieser Stelle thematisiert, wobei Bess die Szene deutlich anders und knapper darstellt. In Mary Shelleys Roman ist William einer der wenigen Menschen, die der Kreatur Güte zuteilwerden lassen, woraufhin diese den Jungen gewissermaßen „adoptieren“ möchte. Erst, als sie den Nachnamen des Jungen erfährt, tötet sie ihn und hadert dabei mit sich selbst. Im Comic dagegen ist die Szene sehr knapp, William zeigt keine Güte und wird getötet, bevor er seinen Namen verraten kann.

Im Anschluss kehren wir gemeinsam mit Frankenstein in die Schweiz zurück und erst an dieser Stelle werden die familiären Figuren sehr knapp eingeführt; auf Elizabeth verwendet Bess kaum Zeit bzw. Panels und auf Justine Moritz praktisch gar keine. Die Szenen im Gefängnis entfallen komplett, Justines Tod wird ausschließlich im Erzähltext erwähnt, was ein wenig merkwürdig anmutet, da Bess im Anschluss auf mehreren Seiten üppige Landschaftsbilder inszeniert, während Frankenstein nach der Kreatur sucht, die er für den Mord an seinem Bruder verantwortlich macht. Der Dialog zwischen Schöpfer und Schöpfung fällt hier natürlich deutlich kürzer aus, da die lange Binnenerzählung ja bereits abgearbeitet ist. Ab diesem Zeitpunkt folgt Bess wieder sehr genau Mary Shelleys Geschichte, von den Reisen auf die britischen Inseln über den schließlich abgebrochenen Versuch, einer Frau für die Kreatur zu schaffen bis hin zum Tod von Henry Clerval. Es folgen Frankensteins Rückkehr in die Schweiz, die Hochzeit mit Elizabeth und ihr anschließender Tod sowie der von Frankensteins Vater. Das alles arbeitet Bess relativ zügig ab und stellt relativ wenig szenisch dar, sondern arbeitet mit Erzähltext und Einzelbildern. Etwas mehr Platz widmet Bess Frankensteins Jagd nach der Kreatur; zudem räumt er Captain Waltons Gedanken einige Textkästen ein, bis es schließlich zum unweigerlichen Ende kommt: Frankenstein stirbt und die Kreatur verschwindet mit dem Leichnam ins Ungewisse.

Visuell knüpft Bess direkt an seine Dracula-Adaption an: Wem diese stilistische zusagte, könnte auch mit den Zeichnungen in dieser Version von „Frankenstein“ zufrieden sein – beeindruckend sind sie zweifelsohne, allerdings finde ich persönlich die Dracula-Umsetzung deutlich gelungener. Das mag allerdings auch mit meinen persönlichen Vorlieben zusammenhängen. Wo Bess‘ „Dracula“ äußerst gotisch daherkommt und mitunter fast kafkaesk wirkt, konzentriert er sich in „Frankenstein“ in größerem Ausmaß auf die bereits erwähnten, üppigen Landschaften. Im visuellen Fokus steht außerdem zweifelsohne die Kreatur, die hier, zumindest meinem empfinden nach, deutlich präsenter ist als im Roman. Tatsächlich scheint Bess sich für alles abseits des Titelhelden, seiner Schöpfung und deren Beziehung zueinander kaum zu interessieren. Die Rolle der diversen Nebenfiguren, seien es Frankensteins Geliebte Elizabeth, die restlichen Familienmitglieder oder sein Freund Henry Clerval, sind bestenfalls Randerscheinungen und werden z.T. erst dann in die Handlung eingeführt, wenn sie unbedingt nötig sind – Justine Moritz sehen wir nur einmal von hinten, als die Kreatur ihr Williams Amulett unterschiebt, um sie zu belasten.

Fazit: Georges Bess‘ „Frankenstein“ ist, wie schon seine Dracula-Adaption, eine visuell beeindruckende Umsetzung des Klassikers, die jedoch hinter besagtem „Vorgänger“ ein wenig zurückbleibt. Bess legt seinen Fokus auf Frankenstein und die Kreatur, vernachlässigt aber die meisten anderen Figuren, deren Geschichte durchaus angemessen auf den Seiten mit Erzähltext und Landschaftsabbildungen hätten untergebracht werden können.

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Siehe auch:
Art of Adaptation: Frankenstein – Mary Shelleys Roman
Art of Adaptation: Georges Bess’ Dracula

Victorian Undead

Halloween 2022
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Wenn es eine fiktive Figur gibt, die Dracula bezüglich Adaptionen und Auftritten das Wasser reichen oder ihn sogar übertreffen kann, dann ist es Sherlock Holmes. Da ist es natürlich naheliegend, beide in einem Crossover unterzubringen; selbst davon gibt es eine ganze Menge. In den Fortsetzungen von Fred Saberhagens „The Dracula Tape“ etwa treffen der Detektiv und der Vampirgraf ebenso aufeinander wie in Christian Klavers Serie „The Classified Dossier“. Zusätzlich finden sich auch Werke, die ihren Fokus zwar nicht auf das Aufeinandertreffen der beiden Ikonen legen, in dem sie aber vorhanden sind oder waren – man denke an Alan Moores „The League of Extraordinary Gentlemen“ oder Kim Newmans Anno-Dracula-Serie. Sujet dieses Artikels ist allerdings ein etwas obskureres Werk: Ian Edgintons „Victorian Undead“. Es handelt sich dabei um eine Reihe von Comics, in denen sich Sherlock Holmes und Dr. Watson, der Titel suggeriert es bereits, mit diversen Untoten herumschlagen müssen. Edginton verfasste zwei Miniserien und einen One Shot, der zwischen ihnen angesiedelt ist, in chronologischer Reihenfolge sind das „Victorian Undead: Sherlock Holmes vs. Zombies“ (2010), „Victorian Undead: Sherlock Holmes vs. Jekyll/Hyde“ und „Victorian Undead: Sherlock Holmes vs. Dracula“ (beide 2011).

Die erste Miniserie inszeniert eine viktorianische Zombie-Apokalypse, hinter der, wen wundert es, letztendlich ein zombiefizierter James Moriarty steckt, der sich nicht nur nach der Angelegenheit bei den Reichenbachfällen an Holmes rächen möchte, sondern auch Weltherrschaftsambitionen hegt. Natürlich ist es an Holmes und Watson, hinter die Ursprünge der sich ausbreitenden Zombieseuche zu kommen und die Welt vor Moriartys Machenschaften zu bewahren. Dr. Jekyll bzw. Mister Hyde ist technisch geschehen natürlich kein Untoter, der One Shot baut allerdings auf der vorherigen Miniserie auf, sodass Mister Hyde nicht nur als menschliches Ungeheuer, sondern als Zombie auftreten kann – wie der untote Moriarty ist er allerdings nach wie vor in der Lage, sich klar zu artikulieren. Sowohl die erste Miniserie als auch der One Shot sind durchaus kurzweilig und unterhaltsam, bleiben aber ein wenig hinter ihren Möglichkeiten zurück. Erstere verliert vor allem während der zweiten Hälfte, wenn es zunehmend apokalyptisch und zerstörerisch wird, das typische Holmes-Feeling, währende Letzterer seine Prämisse nicht wirklich gerecht wird. Unter einem Aufeinandertreffen zwischen Holmes und Jekyll/Hyde stellt man sich eine deutlich vielschichtigere, psychologisch interessantere Geschichte vor. Die Kürze des One Shots wird dem einerseits kaum gerecht, während Hydes untote Natur zwar aufgrund der Konzeption bzw. des Titels irgendwie essentiell ist, gleichzeitig aber das menschliche Böse, das Hyde repräsentiert, auf fatale Weise mindert.

Wie angesichts meiner Interessenslage nicht anders zu erwarten ist es natürlich vor allem die dritte Miniserie, die im Fokus dieses Artikels stehen soll, nicht zuletzt, weil sie direkt an diverse andere Artikel anknüpft – Draculas Auftauchen im Comic ist schließlich eines meiner hervorstechendsten Steckenpferde. „Victorian Undead: Sherlock Holmes vs. Dracula“ beginnt mit einer nur allzu vertrauten Szene: der Ankunft der Demeter in England. Im weiteren Verlauf erleben wir gewissermaßen, wie sich Holmes und Watson in die Handlung von Bram Stokers Roman einmischen, indem sie ermitteln, was mit der Demeter geschah, weshalb die Mannschaft zu Tode kam etc. Dabei stoßen sie natürlich früher oder später nicht nur auf Draculas Spuren, sondern auch auf seine Jäger um Abraham Van Helsing, die sich gerade mit Lucy Westenras Vampirwerdung auseinandersetzen müssen. Ab diesem Zeitpunkt entfernt sich Edginton weiter von Stokers Roman, auch wenn wir etwas später in einer Rückblende erfahren, dass sich Jonathan Harkers Aufenthalt auf Draculas Schloss genauso abgespielt hat wie im Roman. Die obligatorische Verknüpfung von Dracula mit Vlad Țepeș darf in dieser Expositionsszene natürlich ebenfalls nicht fehlen. Zudem passt Edginton die Rollen von Mina und Lucy an. Erstere begeht nach ihrer Vampirwerdung Selbstmord, während Letztere sich als Blutsaugerin emanzipiert und sowohl von Dracula als auch ihren Verehrern genug hat. Sie hilft allerdings dabei, Draculas Bräute zu beseitigen.

Wie dem auch sei, die weitere Handlungsentwicklung erinnert an einen gewissen anderen Roman, und zwar so sehr, dass dieser Comic beinahe als Prequel funktionieren könnte, würde er nur anders enden. Die Rede ist vom bereits erwähnten Meta-Crossover „Anno Dracula“ von Kim Newman. Bei Newman wie bei Edginton plant der Graf, über Queen Victoria die Macht in Großbritannien zu übernehmen. Eine weitere, erstaunliche Parallele ist der Umstand, dass Arthur Holmwood in beiden Werken auf der Seite der Vampire steht, auch wenn die Umstände ein wenig anders sind. Bei Edginton fungiert er als Drahtzieher, der alles zusammen mit Dracula geplant hat, während er in „Anno Dracula“ von Lord Ruthven aus John William Polidoris „The Vampyre“, der als Premierminister des Empires fungiert, zum Vampir gemacht wird. Der größte Unterschied ist natürlich der Ausgang, denn „Anno Dracula“ beginnt, nachdem der Graf seinen Plan bereits erfolgreich in die Tat umgesetzt hat, während dieser in „Victorian Undead“ natürlich mithilfe eines komplizierten, von Holmes ersonnen Planes vereitelt wird. Wo der zum Prinzgemahl gewordene Graf Van Helsing im Roman tötet und Sherlock Holmes in ein Lager sperrt, segnet Dracula im Comic selbst das Zeitliche.

Eine ganze Reihe von Zeichnern wirkte an „Victorian Undead“ mit, darunter Horacio Domingues, Tom Mandrake und Mario Guevara Sr., als Hauptzeichner fungiert aber zweifellos Davidé Fabbri, während die anderen drei zumeist für Flashbacks, ausgewählte Szenen oder, im Fall von Horacio Domingues, den One Shot zum Einsatz kommen. Fabbri ist mir primär als Star-Wars-Zeichner von Werken wie „Jedi Council: Acts of War“ oder „The Hunt for Aurra Sing“ bekannt, ich muss allerdings zugeben, dass mir sein Stil nicht allzu sehr zusagt, mir persönlich wirkt er eine Spur zu cartoonig und ich bin auch kein allzu großer Fan seiner Gesichter. Zudem wäre gerade in Bezug auf gotisch-düstere Atmosphäre noch Spielraum nach oben gewesen – ich denke, Tom Mandrake wäre als primärer Zeichner vielleicht die bessere Wahl gewesen. Edginton und Fabbris Dracula erinnert visuell interessanterweise an die aktuelle Marvel-Inkarnation der Figur, bei der der von Stoker beschriebene, üppige Schnauzbart fehlt und die stattdessen über lange, weiße Haare verfügt.

Fazit: „Victorian Undead“ ist ein leidlich interessantes Crossover zwischen Sherlock Holmes und diversen untoten Kreaturen, dass aber gerade in Bezug auf Dracula so gut wie keine neuen Impulse zu setzen vermag, nicht zuletzt aufgrund der inhaltlichen Parallelen zu Kim Newmans „Anno Dracula“. Vielleicht sind diese tatsächlich rein zufällig entstanden, dennoch komme ich nicht umhin mich zu fragen, ob es nicht vielleicht interessanter gewesen wäre, wenn Ian Edginton nicht einfach mit Newman zusammen ein tatsächliches Anno-Dracula-Prequel verfasst hätte.

Bildquelle

Siehe auch:
Geschichte der Vampire: Dracula – Bram Stoker’s Roman
Geschichte der Vampire: Dracula – Universals Graf
Geschichte der Vampire: Dracula – Der gezeichnete Graf
Geschichte der Vampire: Blade
Art of Adaptation: Georges Bess‘ Dracula
Art of Adaptation: Bram Stoker’s Dracula Starring Bela Lugosi
Dracula, Motherf**ker!
The Dracula Tape

All Star Batman and Robin, the Boy Wonder

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Anfang der 2000er feierte Marvel mit dem Ultimate-Imprint große Erfolge: Das Ziel war es, die bekannten und beliebten Helden vom Ballast jahrzehntelanger Kontinuität zu befreien und für Neuleser attraktiv zu machen, was zu Beginn auch durchaus glückte. Um an diesen Erfolg anzuknüpfen, etablierte DC das All-Star-Imprint als Gegenstück. Explizites Vorhaben war es, den kreativen Größen des Mediums zu erlauben, grandiose Geschichten mit den ikonischen Helden des Verlags zu erzählen, befreit von den Fesseln der Kontinuität. Anders als Marvels Ultimate-Comics erschienen unter dem ursprünglichen All-Star-Imprint lediglich zwei Serien, die auch nie zu einem größeren Universum zusammenwuchsen (wobei diskutabel ist, ob das überhaupt geplant war). Grant Morrison und Frank Quietly konnten mit „All Star Superman“ das ursprüngliche Versprechen einlösen: Die zwölfteilige Miniserie, erschienen zwischen 2005 und 2008, erzählt eine in sich geschlossene und kohärente Geschichte, die völlig zurecht als moderner Klassiker und eine der besten Superman-Geschichten überhaupt gilt. Dasselbe lässt sich leider nicht über „All Star Batman and Robin, the Boy Wonder“ sagen…
Dabei klang die Ankündigung durchaus vielversprechend: Autor Frank Miller, der Batman in den 80ern mit „Batman: The Dark Knight Returns“ und „Batman: Year One“ eine nötige Frischzellenkur verpasst hatte und Zeichner Jim Lee, der gerade erst mit „Batman: Hush“ einen großen Erfolg gefeiert hatte, würden gemeinsam eine Geschichte aus den Anfangsjahren des Dunklen Ritters erzählen, eine Neufassung von Dick Graysons Origin. Aber, wie sich bereits bei „Batman: The Dark Knight Strikes Again“ gezeigt hatte, war Miller nicht mehr der Autor, der in den 80ern ein Meisterwerk nach dem anderen produzierte…

Handlung und Struktur
„All Star Batman and Robin, the Boy Wonder” umfasst 11 Ausgaben, die zwischen 2005 und 2008 erschienen, zum Teil mit vielen Verzögerungen. Bis heute bleibt die Serie unvollendet – 2011 sollte ursprünglich eine Fortsetzung mit dem Titel „Dark Knight: Boy Wonder“ erscheinen, die die Geschichte in sechs Heften fertig erzählt, doch dazu kam es nie. 2016 erschien zwar eine weitere Serie mit dem Titel „All Star Batman“, diese wurde jedoch von Scott Snyder geschrieben und hat nichts mit Millers Geschichte zu tun. Ähnlich wie bei „The Dark Knight Strikes Again“ ist es verhältnismäßig schwierig, eine halbwegs kohärente Handlungszusammenfassung zu schreiben – „All Star Batman“ besteht im Grunde aus einer ganzen Reihe mehr oder weniger miteinander verknüpfter Vignetten. Zwar liegt der Fokus dieses Mal deutlich stärker auf dem Dunklen Ritter als es bei Millers vorherigem Werk der Fall war, aber auch dieses Mal verwendet er ziemlich viele Seiten darauf, „seine“ Version des DC-Universums auszubauen, ohne dass es größere Konsequenzen für die Geschichte hätte. So gibt es nicht nur ausgedehnte Gastauftritte des Jokers, Batgirls und Catwomans, sondern auch von Black Canary und einer aus Superman, Green Lantern, Wonder Woman und Plastic Man bestehenden Proto-Justice-League.

Der Fokus der, nennen wir es mal großzügig „Haupthandlung“, ist wenig überraschend: Die Eltern des jungen Akrobaten Dick Grayson werden im Zirkus ermordet, während Bruce Wayne im Publikum sitzt. Bereits kurz darauf wird Dick, um ihn vor korrupten Polizisten zu schützen, von Batman gekidnappt. Der Dunkle Ritter hatte Dick bereits lange im Auge und sieht nun seine Chance gekommen, den Jungen zu seinem Sidekick zu machen. Während er Dick in der Bathöhle äußerst schlecht behandelt, sucht gefühlt die halbe Welt nach dem verschwundenen Waisenkind. Derweil ermittelt Batman bezüglich der Hintergründe des Mordes und macht Dick schließlich zu Robin. Als Duo konfrontieren sie zuerst Green Lantern und finden später heraus, dass der Joker Catwoman verletzt hat… An dieser Stelle bricht die Handlung ab.

Die absurde Strukturierung aus „The Dark Knight Strikes Again“ setzt sich hier nahtlos fort, es wirkt nach wie vor, als hätte der Frank Miller des 21. Jahrhunderts die Fähigkeit verloren, halbwegs kohärent und ausgewogen zu erzählen. Die eigentliche Handlung um Batman und Robin pausiert immer wieder, teilweise für ganze Ausgaben, während sich Miller irgendwelchen Nebenschauplätzen zuwendet. Ausgabe 3 besteht beispielsweise aus 15 Seiten, in denen Black Canary eine Bar samt Insassen auseinandernimmt, es folgen vier Seiten (wohlgemerkt mit zwei ganzseitigen Panels und einer Doppelseite), auf denen Batman und Dick Grayson in der Bathöhle eintreffen und schließlich noch zweien Seiten mit Superman. Ausgabe 6 und 10 konzentrieren sich auf Black Canary und Batgirl und selbst wenn das titelgebende Duo im Fokus steht, schreitet die Handlung zuerst kaum nennenswert voran, nur um plötzlich abrupte Sprünge zu machen.

Millers Schreibstil aus „The Dark Knight Strikes Again“ und vor allem „Sin City“ setzt sich ebenfalls nahtlos fort – kurze Sätze, viele Wiederholungen. Tatsächlich artet das hier so sehr aus, dass es an Selbstparodie grenzt. Spätestens nach dem viertem Mal dürfte auch wirklich dem letzten Leser klar sein, dass Dick Grayson zwölf Jahre alt ist. Auf gewisse Weise sind Frank Millers Dialoge hier fast schon legendär, wenn auch nicht auf die positive Art. Nachdem sich der Dunkle Ritter hier als „the goddamn Batman“ bezeichnet, verselbstständigte sich das Zitat und wird gerne verwendet, um den All-Star-Batman von der regulären Inkarnation der Figur zu unterscheiden. Ansonsten lassen sich die Dialoge an Plakativität und Infantilität kaum überbieten.

Visuelle Gestaltung
Während man auf der Handlungs- und Dialogebene wunderbar diskutieren kann, ob nun „The Dark Knight Strikes Again“ oder „All Star Batman“ bescheuerter ist, hat letztere Miniserie zumindest einen eindeutigen Vorteil: Während die Fortsetzung zu „The Dark Knight Returns“ zweifelsohne einer der hässlichsten Superheldencomics überhaupt ist, sieht „All Star Batman“ wirklich verdammt gut aus. Zeichner Jim Lee machte sich in den 90ern vor allem mit den X-Men einen Namen, bevor er, zusammen mit diversen anderen einflussreichen Künstlern der Branche wie Rob Liefeld und Todd McFarlane den beiden großen Verlagen zumindest zeitweise den Rücken kehrte und den Image-Verlag gründete. In den 2000ern verkaufte Lee dann allerdings sein Image-Label Wildstorm an DC und ist seither einer der einflussreichsten Zeichner des Verlags. Bereits 2003 zeigte er mit „Batman: Hush“ (verfasst von Jeph Loeb), wie gut sein Stil zum Dunklen Ritter passt, daran knüpft er in „All Star Batman“ quasi direkt an.

Schon in „Hush“ schien sich Lees Batman an Millers Darstellung der Figur (kleine Ohren, recht bullig) zu orientieren, diese Eigenschaften sind hier noch verstärkt, was definitiv als Verweis auf „The Dark Knight Returns“ gesehen werden kann. Auch sonst wissen Lees detailreiche Zeichnungen zu überzeugen und sind schlicht und einfach schön anzusehen, solange man mit seinem entwickelten Image-Stil der 90er keine Probleme hat. Wie schon in „The Dark Knight Strikes Again“ arbeitet Miller hier allerdings mit vielen ganz- oder sogar doppelseitigen Panels. Zugegeben, das ausklappbare Panorama der Bathöhle macht einiges her, aber davon abgesehen wirkt der häufige Einsatz von Splash Pages wieder einmal eher faul, auch wenn Lees Zeichnungen diese wenigstens mehr rechtfertigen als Millers. In Sachen Fanservice schlagen die beiden ebenfalls ein wenig über die Stränge. Bei Superheldencomics, in denen es nun einmal um übermäßig attraktive Menschen (oder Aliens) in hautengem Spandex geht, ist mit ein wenig Fanservice immer zu rechnen, das gehört einfach zum Genre, aber wenn sich Vicki Vale bereits zu Beginn der ersten Ausgabe über mehrere Seiten hinweg genüsslich in Unterwäsche räkelt, fragt man sich schon, ob Miller hier seine Schreibarbeit nicht als Ventil benutzt. Nebenbei, wer sich fragt, wie ein von Miller gezeichnetes „All Star Batman“ wohl ausgesehen hätte, kann einige wirklich hässliche alternative Cover zurate ziehen.

Figuren und Deutung
In Frank Millers Wahrnehmung gehören alle seine Batman-Comics zur selben Kontinuität (theoretisch wäre das Erde 31 des DC-Multiversums), was für sich betrachtet schon problematisch ist, da „The Dark Knight Returns“ in den 80ern spielt und Präsident Ronald Reagan auftritt, während „All Star Batman“ doch eindeutig im 21. Jahrhundert verwurzelt zu sein scheint. Wenn man über diese Diskrepanz hinwegsehen kann, ändert „All Star Batman“ die Wahrnehmung von „The Dark Knight Returns“ ziemlich: Im Kontext der regulären Batman-Comics der 80er scheint es, als sei Batman in „The Dark Knight Returns“ auf seine alten Tage grimmig und verbittert geworden. Der Batman, den Miller in der All-Star-Serie präsentiert, ist allerdings derart psychotisch und rücksichtslos, dass es eher scheint, als wäre er auf seine alten Tage weich geworden. In gewisser Hinsicht führt Miller Batmans Charakterisierung aus „The Dark Knight Strikes Again“ ziemlich nahtlos fort. Dem „goddamn Batman“ geht es nicht darum, Menschen zu retten, er benutzt die Verbrechensbekämpfung nur, um seine Allmachtsphantasien auszuleben – wann sonst sieht man einen Batman, der sich wild lachend in die Schlacht stürzt. Erst in den letzten beiden Ausgaben zeigen sich Spuren des klassischen Batman, er verhindert, dass Robin Green Lantern tötet und trauert anschließend gemeinsam mit ihm. Prinzipiell wäre es ja in Ordnung, die Entwicklung eines völlig übermütigen jungen Batmans hin zum eher gesetzteren Dunklen Ritter zu schildern, Miller schildert hier aber keine sinnvolle Charakterentwicklung.

Ganz ähnlich verhält es sich auch mit den anderen Figuren; die meisten von ihnen sind eher überdrehte Parodien ihrer selbst. Superman wird gewissermaßen zum Laufburschen degradiert, Wonder Woman ist eine hasserfüllte Ultrafeministin und Green Lantern ein Vollidiot – damit er Batman und Robin keine Probleme macht, malen sie sich und ein Zimmer in einer der absurdesten Szenen der Miniserie komplett gelb an. Black Canary wird hier als Barkeeperin inszeniert, die eines Tages genug von sexuell übergriffigen Gästen hat und als Reaktion auf Raubzug geht – ihre Beteiligung an der Gesamthandlung bleibt höchst nebulös. Noch unnötiger sind die Gastauftritte Catwomans und des Jokers – Letzterer scheint immerhin als finale Widersacher vorgesehen zu sein. Das Markenzeichen DIESES Jokers ist, dass er nicht grinst – welch ein cleverer Twist! Tatsächlich gehört der Handlungsstrang um Gordons häuslich Probleme und ein zum Teil wild fluchendes Batgirl noch zu den besseren, doch auch hier ist nicht klar, was das Ganze nun mit der bei Ausgabe 10 kaum noch vorhandenen Haupthandlung zu tun hat, sodass man sich unweigerlich fragt, ob Miller überhaupt einen Plan hat oder mit den Charakteren nur wie mit Actionfiguren spielt.

Ähnlich wie in „The Dark Knight Strikes Again“ scheint Miller einen parodistischen und dekonstruierenden Ansatz zu verfolgen und sich sowohl über die Rezeption seiner eigenen, früheren Werke als auch den aktuellen Zustand der Superheldencomics lustig zu machen, abermals fehlt allerdings jegliche Aussage, seine Kommentare und Einsichten bleiben banal und inhaltslos.

Fazit: „All Star Batman and Robin, the Boy Wonder“ knüpft stilistisch nahtlos an „The Dark Knight Strikes Again“ an und ist ebenso schlecht geschrieben, inhaltsleer und sinnfrei. Der einzige Pluspunkt sind die Zeichnungen von Jim Lee, aber mit hübschen Schleifen dekorierter Müll bleibt Müll.

Bildquelle

Siehe auch:
Batman: The Dark Knight Returns
Batman: Year One
Batman: The Dark Knight Strikes Again