Art of Adaptation: Dracula (1979)

Mitte der 70er endete die Dracula-Serie der Hammer-Studios auf ziemlich unrühmliche Art und Weise, Christopher Lee hatte bereits nach „The Satanic Rites of Dracula“ keinerlei Lust mehr, auch nur an eine Rückkehr zu denken und nicht einmal Peter Cushing als Van Helsing gelang es noch, das „fatale Finale“ dieser Filmreihe, „The Seven Golden Vampires“, groß aufzuwerten. Während Hammer sich also vom Grafen abwandte, versuchten andere Studios es mit einer Neuinterpretation. Dass Universal Films dazugehört, dürfte kaum verwunderlich sein, schließlich geht die erste offizielle Dracula-Adaption auf das Konto dieses Studios. John Badhams „Dracula“, der 1979 in den Kinos startete, ist in mehr als einer Hinsicht sowohl eine (ob bewusst oder unbewusst sei einmal dahingestellt) Abkehr vom Hammer-Stil und stellt zudem eine Rückbesinnung auf den Klassiker aus Universals Anfängen da. Das zeigt sich bereits daran, dass das Theaterstück von Hamilton Deane und John L. Balderston, wie schon bei Bela Lugosis Leinwanddebüt als Dracula, abermals statt Stokers Roman als Vorlage fungiert. Zudem trat Dracula-Darsteller Frank Langella, wie Lugosi, bereits zuvor als Graf auf der Bühne auf, bevor er die Rolle auch im Film übernahm.

Zumindest in einer Hinsicht folgen Badham und sein Drehbuchautor W. D. Richter dem ursprünglichen Theaterstück sogar genauer als der Film von 1931: Wie im Stück fehlt auch in diesem Film jegliche Szene, die auf Draculas Schloss in Transsylvanien spielt, weder Jonathan Harker (Trevor Eve) noch Renfield (Tony Haygarth), der hier statt R. M. den Vornamen Milo trägt, interagieren dort mit dem Grafen. Stattdessen beginnt der Film mit Draculas Ankunft in Whitby, natürlich stilecht per Schoner. Inhaltlich folgt der Film der Romanhandlung in groben Zügen, die beiden weiblichen Protagonisten werden eine nach der anderen zu Opfern Draculas, die erste stirbt und muss vom Vampirismus „erlöst“ werden. Der Rest des Films besteht aus der Verfolgung Draculas durch die Angehörigen. Dabei finden sich zwar immer wieder Szenen und auch erstaunlich viele Zitate, die direkt aus dem Roman stammen, oft aber anders kontextualisiert sind. Wie bei Stoker gibt es beispielsweise eine Verfolgungsjagd, während der sich Dracula in einer seiner Kisten befindet, diese passiert aber nicht in Sichtweite des Schlosses und statt mit Pferden sind die Vampirjäger dieses Mal mit dem Auto zugange. Der (zumindest vermeintlich) endgültige Todesstoß wird Dracula dieses Mal auf einem Schiff verpasst. Hier entscheiden sich Badham und Richter für einen recht spektakulären Abgang: Zuerst wird Dracula mit einem Haken aufgespießt und dann regelrecht gehisst, damit die Sonne den Rest erledigen kann. Statt des nicht auftauchenden Quincey Morris ist es dieses Mal Van Helsing, der sein Leben gibt.

All diese Ereignisse, egal ob vorlagengetreu oder nicht, finden mit stark reduzierter Besetzung statt. Nach bester Tradition werden erst einmal die Namen und Beziehungen der Figuren zueinander kräftig durchgemischt. Wie schon im Film von 1931 ist John Seward (Donald Pleasance) nicht nur deutlich älter als Jonathan, Lucy und Co., sondern der Vater einer der beiden weiblichen Hauptfiguren. Ab diesem Punkt wird es etwas komplizierter, da Badham und Richter Mina (Jan Francis) und Lucy (Kate Nelligan) bzw. ihre Rollen in der Geschichte getauscht haben: Hier ist es Mina, die als erste zu Draculas Opfer wird, stirbt und schließlich als Vampirin zurückkehrt, während Lucy als zweites Opfer und Motivation der männlichen Vampirjäger fungiert. Lucy ist zudem Sewards Tochter und mit Jonathan Harker liiert (so wie es Mina im Lugosi-Film war), während Mina zu allem Überfluss auch noch Van Helsings (Laurence Olivier) Tochter ist. Quincey Morris und Arthur Holmwood fehlen wie so oft komplett.

Der Unterschied zu Hammer zeigt sich vor allem in der Inszenierung der Geschichte und der Konzeption des Grafen. Auch in diesem Kontext ist die Rückbesinnung auf 1931 deutlich spürbar. Während Stokers Graf (meistens) monströs, böse und wenig ansprechend ist, legte Lugosi die Grundlage für den verführerischen, einnehmenden Dracula. Der von Christopher Lee dargestellte Vampirfürst ist, trotz des Umstandes, dass Lee alles andere als unattraktiv ist, eher an die Romanversion angelehnt – man erinnere sich nur an „Dracula: Prince of Darkness“, in welchem der Graf keinerlei Dialog hat. Frank Langella dagegen knüpft nicht nur an Lugosis Darstellung an, sondern fungiert als einer der attraktivsten und romantischsten Draculas – allein optisch wirkt er mit Cape und offenem Hemd, als stamme er direkt vom Cover eines klischeebehafteten romantischen Romans. Dementsprechend wenig bedrohlich kommt dieser Vampirgraf daher, seine düster-brütende Fassade kann als Vorgriff auf viele Vampire der 90er und 2000er gewertet werden. Sowohl Mina als auch (vor allem) Lucy geben sich dem Grafen zudem mehr oder weniger freiwillig hin, was den Eindruck des verführerischen Grafen noch unterstreicht. Hin und wieder darf Langella dann doch Zähne zeigen, angesichts der massiven Konkurrenz auf diesem Feld ist er allerdings weit davon entfernt, mein Lieblings-Dracula zu sein. Die hochkarätige Besetzung dieses Films soll dennoch nicht unerwähnt bleiben, schauspielerisch liefert der junge Frank Langella durchaus eine gute Performance ab, und auch Donald „Blofeld“ Pleasance und Shakespeare-Legende Laurence Olivier verleihen dem Film zusätzliche Gravitas.

Sehr interessant ist die Umsetzung des einzigen anderen Vampirs in diesem Film. Draculas Bräute wurden, zusammen mit seinem Schloss in Transsylvanien, komplett gestrichen, das heißt, dass Mina, die den Platz von Lucy im Roman einnimmt, neben der Titelfigur die einzige Untote ist. Angesichts der Wandlung Van Helsings zu ihrem Vater sowie Jack Sewards zu einer väterlichen Figur präsentiert sich Vampir-Mina, anders als Roman-Lucy, nicht als sündige Verführerin, sondern als unschuldiges, verspieltes Kind, sodass der Tötungsakt für Van Helsing noch einmal deutlich schwieriger wird. Diese Entscheidung, zusammen mit dem wirklich sehr guten Make-up, haben einen durchaus angenehm verstörenden Effekt und sind nicht nur einer der emotionalen Höhepunkte des Films, sondern auch eine äußerst effektive Neuinterpretation besagter Szene aus der Vorlage.

Besonders faszinierend ist die atmosphärische Rückbesinnung auf Universal. Während Hammer nicht nur keine Hemmungen hatte, Einflüsse anderer Genres miteinzuarbeiten, sondern oft farblich verhältnismäßig grelle Filme inszenierte und vor allem Wert auf das typische, hellrote Hammer-Blut legte, ist Badhams Film zwar nicht schwarzweiß, aber angesichts des Entsättigungsgrades ziemlich nahe dran. Tatsächlich gelingt die behutsame Modernisierung der klassischen Universal-Atmosphäre erstaunlich gut. Definitiv einen großen Anteil daran hat der Score, der von keinem Geringeren als John Williams persönlich stammt – bei Badhams Film handelt es sich um einen der wenigen Ausflüge des Maestros ins Horror-Genre. Sein opulentes, fast schon opernhaft anmutendes Hauptthema für die Titelfigur hilft noch einmal, diesen Film stärker von den musikalisch eher simplen Hammer-Filmen abzuheben.

Fazit: Sehr atmosphärische Neuauflage des Klassikers mit einer besonders romantischen Interpretation der Titelfigur, die aber wie üblich die Figuren und ihre Beziehungen wild durcheinanderwirft und die Handlung eher grob abarbeitet.

Siehe auch:
Geschichte der Vampire: Dracula – Bram Stokers Roman
Geschichte der Vampire: Dracula – Universals Graf
Geschichte der Vampire: Dracula – Hammers Graf
Dracula: Prince of Darkness
Art of Adaptation: Nachts, wenn Dracula erwacht

2 Gedanken zu “Art of Adaptation: Dracula (1979)

  1. Rhiannon

    Langella ist einer der besten Darsteller des Grafen überhaupt. Mit den neuen ala Twilight kann ich zB nichts anfangen, aber vielleicht liegt es auch am Alter der Figuren …. nur wie du schon schreibst, Langella war in seiner Art eher die romantische Version, die gerade junge Frauen doch sehr schätzen … ich war damals auch gerade aus dem Teenageralter entwachsen 🙂
    Wer hat vor so einem Dracula denn Angst?

    1. Für mich persönlich wirkt sich da vielleicht auch der Umstand aus, dass ich den 79er-Dracula verhältnismäßig spät gesehen habe, weshalb Langella keinen wirklich prägenden Eindruck als Graf hinterlassen hat – meine persönlichen Favoriten sind Christopher Lee und Gary Oldman. Gerade Letzterer hat natürlich einiges mit Langellas Interpretation gemein, hat dabei aber gleichzeitig noch diese sehr monströse Seite. Zugegeben stehe ich allerdings auch auf Vampire, die sich in übergroße Werfledermäuse verwandeln können… 😉 Von den neueren Interpretationen des Grafen, sprich denen der letzten zehn Jahre, fand ich Claes Bang in der BBC/Netflix-Adaption am gelungensten. Diese Version der Figur ist zwar weder besonders furchterregend, noch besonders romantisch, aber so unendlich unterhaltsam.

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