Zurück nach Mittelerde, zurück zu Howard Shore und meiner ausführlichen Besprechung seiner Musik zu den Hobbit-Filmen, die jetzt schon mehrere Jahre aus mir selbst unerfindlichen Gründen pausiert hat. Auf das letzte besprochene Stück, Roast Mutton, folgt das eher unspektakuläre A Troll-hoard; hier erkunden Bilbo, Gandalf und die Zwerge, begleitet von ominösen Streichern, die Trollhöhle, um schließlich Orcrist, Glamdring und Stich zu entdecken. Bei 0:44 setzte das Exil-Motiv der Zwerge ein, das bereits gegen Ende von My Dear Frodo erklang. In der zweiten Hälfte des Tracks sind weniger angespannte Töne zu hören, Streicher und Holzbläser zitieren ein Fragment von Gandalfs Thema, bevor der Track zu seinem ominösen Tonfall zurückkehrt.
The Hill of Sorcery, der nächste Track, verweist dann wieder auf die diversen Probleme hinter den Kulissen. Gerade für „An Unexpected Journey“ komponierte Shore viel Musik, die letztendlich überhaupt nicht im Film landete. Ein besonders prominentes Beispiel ist das Thema Radagasts des Braunen, das fast völlig aus dem Film getilgt wurde. Bei einem Blick auf die Track-Liste des Albums könnte man auf die Idee kommen, das Stück Radagast the Brown untermale die Debüt-Szene des von Sylvester McCoy dargestellten Zauberers, dem ist allerdings nicht so. Lediglich der Anfang dieses Tracks, der aus einem Statement von Gandalfs Thema besteht, taucht im Film auf. Es folgt eine Erweiterung der Melodielinie mit Knabenchor, die mitunter als Motiv für die Istari ausgelegt wird, aus der Shore dann Radagasts Thema entwickelt. Um den Zauberer abzuheben und seine, nennen wir es einmal, einzigartige Persönlichkeit zu betonen, beschloss Shore, die Fiedel zu seinem zentralen Instrument zu machen. Radagasts erratische Natur wird durch den Percussion-Einsatz betont – offenbar war Peter Jackson dieses Thema allerdings zu außergewöhnlich, denn, wie bereits erwähnt, im Film ist kaum etwas davon geblieben. Ich denke, dass bis kurz vor Schluss unklar war, wie genau die Radagast-Szenen angeordnet waren. Es scheint, als stammen die Tracks Radagast the Brown und The Hill of Sorcery aus unterschiedlichen Schnittfassungen und deckten teilweise dasselbe Material ab.
The Hill of Sorcery beginnt mit einer nur allzu vertrauten Variation des Auenland-Themas, die Doug Adams als „A Hobbit’s Understandig“ bezeichnet. Danach wird der Ton etwas düsterer, bis Radagasts Thema bei 0:48 auftaucht, wobei die Fiedel dieses Mal allerdings nicht erklingt – bis auf wenige Reste ist auch dieses Statement im Film nicht zu hören. Bei 1:34 hören wir eine etwas gedehnte Version von „Bilbo’s Fussy Theme“, bevor der Track abermals eine dunklere Färbung bekommt; tiefe Streicher spielen das Motiv des Nekromanten, das, wie Azogs Thema, auf der absteigenden Terz, einer der prominentesten Begleitfiguren des Mordor-Materials in der HdR-Trilogie, basiert. Zu Anfang ist das Thema noch zögerlich, gewinnt aber mit jeder Wiederholung an Stärke und Tempo. Ab 2:52 ist dann das sekundäre Motiv des Nekromanten, dieses Mal aufsteigend, zu hören. Bei 3:13 verrät der Score dann genau, um wen es sich bei besagtem Totenbeschwörer handelt, nämlich den Dunklen Herrscher persönlich. Saurons Thema hat hier noch nicht die Wucht, mit dem es in der HdR-Trilogie gespielt wird, ist aber unverkennbar, selbst die Rhaita, quasi Saurons Erkennungsinstrument, erklingt. Jackson war das wohl entweder zu plakativ oder er fand, dass der erste Auftritt des Nekromanten ohne Musik besser funktioniert, jedenfalls fehlt dieser Einsatz von Saurons Thema ebenfalls im Film. Es ist jedoch nicht das erste Mal, dass das Thema des Dunklen Herrschers auf dem Album erklingt, denn bereits in Radagast the Brown ist es zu hören. Nach der ausführliche Vorstellung des Radagast-Themas entwickelt sich der Track ähnlich wie The Hill of Sorcery, ab 4:50 erklingen beide Themen des Nekromanten nacheinander, um dann in eine knappe, noch schwächere Version von Saurons Thema überzugehen – aus diesem Grund auch meine Vermutung, dass hier ebenfalls das erste Auftauchen des Nekromanten untermalt werden soll.
Siehe auch:
My Dear Frodo
A Very Respectable Hobbit
Axe or Sword?
The World Is Ahead
An Ancient Enemy
Roast Mutton
Ich liebe diese Rubrik. Man bekommt tatsächlich nochmal einen ganz anderen „Blick“ auf den Score und seinen Einsatz im fertigen Film. Danke. Weitermachen!
Danke, freut mich 🙂 Keine Sorge, „Stück der Woche“ geht weiter 😉