Achtung, minimale Spoiler!
Story: Auch nach den Ereignissen in New York hat Steve Rogers, besser bekannt als Captain America (Chris Evans) noch Probleme damit, sich in der modernen Welt zurecht zu finden. Er erledigt nun, unter anderem zusammen mit Black Widow (Scarlett Johannson) Aufträge für SHIELD, allerdings werden Rogers‘ Überzeugungen schon bald auf die Probe gestellt, denn es erweist sich, dass SHIELD unterwandert wurde. Und nicht nur das: SHIELD-Direktor Nick Fury (Samuel L. Jackson) wird vom mysteriösen Winter Soldier (Sebastian Stan) angegriffen und scheinbar getötet, und SHIELD macht als Folge nun Jagd auf Steve Rogers. Somit muss sich Captain America nun mit der Hilfe von Black Widow und Falcon (Anthony Mackie) daran machen, diese Verschwörung aufzudecken…
Kritik: Von allen bisherigen Fortsetzungen der Marvel-Filme unterscheidet sich „Captain America: The Winter Soldier“ mit Abstand am stärksten vom ersten Solo-Abenteuer seines Titelhelden, und das in jeder Hinsicht. „Captain America: The First Avenger“ ist ein ziemlich amüsanter und leichtherziger Abenteuerfilm im Indiana-Jones-Stil, der zwar den Zweiten Weltkrieg als Setting hat, aber eindeutig keine Risiken eingeht. Bei „Captain America: The Winter Soldier“ ist die Lage praktisch genau andersherum: Dieser Film ist sehr aktuell und zeitgemäß, und über weite Strecken eher ein waschechter, wenn auch leicht futuristischer, Politthriller denn ein „wirklicher“ Superheldenfilm. Korrupte Bürokraten dürfen da ebenso wenig fehlen wie umfassende Verschwörungstheorien und aktuelle Bezüge. Captain America ist eben kein Hurrapatriot, der einfach alles gutheißt, was in Amerika geschieht, im Gegenteil. Die Frage, ob Sicherheit Freiheit ersetzt und ob man das einfach geschehen lassen darf, nach dem NSA-Skandal aktueller denn je, spielt auch hier eine große Rolle.
Dabei vergessen die Regisseure Anthony und Joe Russoa allerdings keinesfalls die persönliche Ebene des Titelhelden. Gerade die erste Hälfte ist relativ ruhig und nimmt sich Zeit, um den Gemütszustand von Steve Rogers, der sich nach wie vor als Außenseiter fühlt, zu erforschen, es kommt sogar zu einem Gastauftritt von Caps alter Flamme Peggy Carter (Hayley Atwell). Ganz allgemein ist erstaunlich, wie sehr sich „The Winter Soldier“, trotz der völlig anderen Atmosphäre und Thematik, auf den Vorgänger bezieht und Handlungsstränge weiterspinnt. Ohne allzu sehr zu spoilern: Die eigentliche Bedrohung des Films ist eine, mit der sich Captain America schon einmal auseinander gesetzt hat, nur hat sie sich über die Jahrzehnte enorm weiterentwickelt.
Die größte Schwäche des Films ist (neben dem Soundtrack, zu dem ich mich allerdings separat noch äußern werde), leider der Winter Soldier. Dafür, dass er im Titel (zumindest dem Originaltitel) genannt wird, bleibt er erstaunlich blass und unwichtig (die „Eindeutschung“ in „The Return of the First Avenger“ finde ich trotzdem nach wie vor dämlich). Alles, was mit ihm zu tun hat, ist eher ein Subplot und noch nicht einmal ein besonders großer; er kommt kaum vor und wir erfahren auch kaum etwas über ihn – lediglich das „Wer“, aber nicht das „Wie“ und „Warum“. Der eigentliche Schurke des Films ist ohnehin ein anderer, nämlich der von Robert Redford gespielte Alexander Pierce, dem es zwar leider ebenfalls an wirklicher Motivation fehlt, der aber dennoch eine sehr gute Figur macht und darüber hinaus auch ein sehr zeitgemäßer Schurke ist.
Die Action ist gut, aber nicht spektakulär, dafür aber erfreulicherweise sehr wohldosiert; sie wird niemals zum Selbstzweck. Auffällig ist, dass dies wohl mit Abstand der am wenigsten lustige und selbstironische Marvel-Film ist. Er ist zwar keinesfalls so humorbefreit und bierernst wie etwa „Man of Steel“, aber doch um einiges ernster als „Captain America: The First Avenger“ oder die anderen beiden Phase-2-Filme. In diesem Fall tut das dem Streifen allerdings gut. „The Winter Soldier“ zeigt sehr gut, warum das Marvel Cinematic Universe funktioniert und wie es auch am besten fortzuführen ist: Durch Genrevielfalt. „Captain America: The First Avenger“ war ein Weltkriegsabenteuerfilm, die beiden Thor-Streifen sind Science-Fantasy und mit „The Winter Soldier“ folgt nun ein Politthriller. Gerade auf „Guardians of the Galaxy“, das noch sehr viel stärker in die Sci-Fi-Richtung geht als „The Avengers“, bin ich deshalb ziemlich gespannt. Und im Film selbst fällt ja auch der Name eines gewissen Meistermagiers, der wohl in Phase 3 zu seinem ersten Leinwandauftritt kommt und sicher ebenfalls zur Vielfalt im Marvel-Universum beiträgt.
Fazit: Gelungene Fortführung des Marvel Cinematic Universe, die die Genrevielfalt erweitert und die Geschichte Captain Americas sinnvoll weiterspinnt. Bisher der beste Phase-2-Film, auch wenn ich „Thor: The Dark World“ unterhaltsamer fand.
Siehe auch:
Captain America: The First Avenger
The Avengers