Noah

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Story: Die Sünde Kains breitet sich immer weiter auf der Welt aus, es gibt kaum noch rechtschaffene Menschen. Eines Tages erhält Noah (Russel Crowe), einer der wenigen, die noch im Einklang mit dem Willen Gottes leben, eine vom Schöpfer geschickte Vision: Dieser hat vor, die Sünder in einer gewaltigen Flut zu ertränken. Noah soll eine Arche bauen, um sich selbst, seine Frau Naameh (Jennifer Connely), seine Söhne Sem (Douglas Booth), Ham (Logan Lerman) und Japhet (Leo McHugh Carroll), seine Ziehtochter Ila (Emma Watson) sowie ein Paar von jeder Tierart zu retten. Unglücklicherweise bekommen allerdings die restlichen Menschen, unter der Führung des brutalen Tubal-Kain (Ray Winstone), Wind von der Geschichte. Als der Regen beginnt, spitzt sich die Lage zu…

Kritik: Der monumentale Bibelfilm ist gerade dabei, sein Comeback zu feiern. Während in den 50ern und 60ern viele Großproduktionen wie „Die zehn Gebote“, „Ben Hur“ oder „König der Könige“ Erfolge feierten, gab es in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren nur einen Bibelfilm, der wirklich von sich reden machte: Mel Gibsons „Die Passion Christi“. 2014 dagegen starten gleich zwei aufwändig produzierte Teiladaptionen des Alten Testaments: Darren Aronofskys „Noah“ und Ridley Scotts „Exodus“. Während Scott bereits mehrere aufwändige Monumentalfilme inszeniert hat und die Wahl des Stoffs somit nicht wirklich überrascht (nach Römern und Kreuzrittern sind Pharaonen und Propheten nur der nächste, logische Schritt) überrascht es schon ein wenig, dass Aronofsky sich ausgerechnet dieses Stoffes annimmt (genau genommen basiert der Film nicht direkt auf der Bibel, sondern ist die Adaption einer von Aronofsky geschriebenen Comicserie, die wiederum auf der biblischen Noah-Geschichte basiert). Das Ergebnis ist letztendlich ohne Zweifel ein Monumentalfilm – schon allein wegen der Bilder – aber doch auch ein relativ untypischer Bibelfilm. „Noah“ bleibt zwar auch in Aronofskys Filmographie (zumindest bisher) eher ein Ausreißer, aber dennoch finden sich einige Stilmittel wieder. Vor allem die Szene, in der Noah das Lager Tubal-Kains besucht, enthält einige der Horrorelemente und surrealen Bilder, die man in ähnlicher Form aus „Black Swan“ oder „Requiem for a Dream“ kennt.
Ganz allgemein geht Aronofsky mit der Vorlage sehr frei um – zugegebenermaßen bietet die Noah-Geschichte auch nicht besonders viel Material; es geht eher um die Botschaft, Drama und Konflikt sind weniger bedeutend. Somit war es nötig, die Figuren auszubauen und neue hinzuzufügen, inklusive eines Schurken. Der von Ray Winstone gespielte Tubal-Kain kommt dabei in der Tat in der Bibel vor, nur nicht im Zusammenhang mit Noah und der Arche. In Genesis 4:22 heißt es: „Auch Zilla gebar einen Sohn: Tubal-Kain. Er machte alle Arten von Waffen und Werkzeugen aus Bronze und Eisen. Seine Schwester war Naama.“ Eine Vorliebe für Waffen und Eisen hat er auch bei Aronofsky, darüber hinaus allerdings wurde sehr viel hinzugefügt.
Was bei allgemeiner Betrachtung auffällt ist, dass sich Aronofsky eher für einen Fantasy-Ansatz denn für eine pseudohistorische Interpretation entschieden hat. Nicht nur sehen die Figuren absolut nicht nahöstlich aus (nicht einmal ansatzweise), auch atmosphärisch erinnert das ganze eher an eine postapokalyptische Zukunft denn an eine historische Epoche. Derartige Eindrücke werden durch die Anwesenheit von Steinriesen (eigentlich gefallene Engel, die in irdischer Materie gefangen sind) noch verstärkt. Ebenso ist Aronofskys Verhältnis zur Vorlage bzw. zu den jüdisch-christlichen Glaubensinhalten eher distanziert. So wird Gott nie so bezeichnet, von ihm ist immer als „der Schöpfer“ die Rede, und er spricht auch nie direkt zu Noah. Im Film scheint er eher als Prinzip aufzutreten, sein Wirken ist abstrakter als in der Bibel. Am deutlichsten wird dies in der Szene, in der Noah seinen Kindern von der Entstehung der Welt erzählt. Während Noahs Worte ungefähr mit dem Anfang des Buches Genesis übereinstimmen, sieht der Zuschauer auf der Leinwand eine eher wissenschaftliche Darstellung des Universums inklusive Evolution.
Auch in anderen Aspekten ist „Noah“ ein sehr moderner Film. Tubal-Kain wird als der erste große Umweltsünder dargestellt und würde auch in einem modernen Film als großer Firmenboss funktionieren, wenn man ihn rasieren, ihm die Haare schneiden und ihn in einen Anzug stecken würde. Dementsprechend ist der Titelheld, wie viele andere Kritiker schon festgestellt haben, praktisch der erste Umweltschützer.
Noah ist auch die interessanteste und am besten geschriebene Figur des Films. Sein Weg und seine wachsenden Zweifel sind sehr nachvollziehbar. Zu Beginn ist er noch recht ausgeglichen und glaubt fest an seine Aufgabe, die Tiere der Welt und seine Familie zu retten, doch nachdem er die Abgründe der Menschheit in Tubal-Kains Lager gesehen hat, regen sich Zweifel. Noah glaubt, die Aufgabe falsch verstanden zu haben und meint, dass Gott gar nicht will, dass die Menschen gerettet werden und sie es auch gar nicht verdient haben. Über dieser vermeintlichen Erkenntnis wird er immer engstirniger und verbitterter.
Die restlichen Figuren sind leider bei weitem nicht so gut ausgearbeitet und bleiben relativ blass, auch in schauspielerischer Hinsicht. Russel Crowe liefert hier in meinen Augen zwar keine Höchstleistung ab, hat aber, im Gegensatz zu seinen Kollegen, wirklich etwas, mit dem er arbeiten kann und spielt adäquat. Die einzige Ausnahme ist Anthony Hopkins als Methusalem, der jede Szene stiehlt, in der er vorkommt und mit seinem Hunger auf Beeren das nötige Augenzwinkern in diesen ansonsten sehr ernsten Film bringt. Allerdings, apropos ernst, für Daronofskys Verhältnisse endet „Noah“ sehr positiv – möglicherweise ist das aber auch nur der Vorlage geschuldet. Die absolute Hoffnungslosigkeit und den niederdrückenden Pessimismus, welche man sonst oft in den Werken dieses Regisseurs findet, fehlen in „Noah“ trotz einiger sehr düsterer Szenen. Ebenso ist Clint Mansells Score brutal und harsch, für seine Verhältnisse aber fast schon zugänglich.
Fazit: Zweifelsohne sehr interessante und moderne Interpretation der Noah-Geschichte mit einer eindringlichen Charakterzeichnung des Titelhelden und beeindruckenden Bildern. Allerdings hapert es ein wenig bei den Nebenfiguren und ihren Darstellern.

Trailer

Siehe auch:
Black Swan
Der Prinz von Ägypten