The Music of James Bond

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Da Filmmusik abseits der großen Leinwand zumeist ein Nischenprodukt ist, muss man sich auch nach der entsprechenden Fachliteratur etwas länger umsehen. Selbst in einem angesehenen Franchise wie „The Lord of the Rings“ wurde Doug Adams‘ grandioses „The Music of the Lord of the Rings Films” (das ich jedem, der sich für Howard Shores Musik auch nur marginal interessiert, unbedingt ans Herz lege) noch nicht einmal ins Deutsche übersetzt. Mit anderen Worten: Wer über Filmmusik lesen möchte, muss sich oft auf seine Englischkenntnisse verlassen. Das trifft auch auf das (mit Ausnahme von Harry Potter) britischste aller Film-Franchises zu: James Bond. Die wahrscheinlich langlebigste Blockbuster-Filmreihe hat eine ebenso faszinierende wie vielseitige musikalische Geschichte vorzuweisen, beginnend mit der Frage, wer das James-Bond-Thema eigentlich komponiert hat (Monty Norman oder John Barry) über die Erschaffung des typischen Bond-Sounds und die mitunter legendären Titellieder bis hin zu den Scores des neuen Jahrtausends von David Arnold und Thomas Newman. Ähnlich wie bei der Musik für Mittelerde existiert auch hier so etwas wie ein definitives Werk: „The Music of James Bond“, verfasst vom Filmjournalisten und Universitätsdozenten Jon Burlingame.

Anders als das zumindest in Ansätzen vergleichbare Werk von Doug Adams konzentriert sich Burlingame stärker auf die Entstehungsgeschichte und das Hinter-den-Kulissen-Material – wer tiefschürfende musikalische Analysen sucht, wird wohl eher enttäuscht werden. Eine Besprechung der Musik findet zwar durchaus statt, ist aber auf fortlaufende graue Streifen auf dem unteren Drittel der Seite reduziert, während sich der Haupttext mit den sonstigen Hintergründen und der Entstehung der jeweiligen Filmmusik beschäftigt. Burlingame setzte sich mit allen Bond-Soundtracks von „Dr. No“ bis „Skyfall“ auseinander, inklusive der beiden inoffiziellen (will heißen, nicht von Eon Productions produzierten) Bonds „Casino Royale“ (1967) und „Never Say Never Again“ (1983). Der Fokus liegt, wie bereits erwähnt, auf der Produktionsgeschichte: Wie kam der jeweilige Song zustande, welchen Ansatz verfolgte der Komponist, mischten sich die Produzenten in irgendeiner Form ein und wie wurden Film, Score und Song rezipiert? Angereichert werden die Berichte durch eine Vielzahl an Aussagen der Beteiligten, die mitunter höchst interessant sind und einen faszinierenden Einblick hinter die Kulissen geben. Produzent Harry Saltzman, neben Albert „Cubby“ Broccoli einer der Väter des Bond-Film-Franchise, sagten beispielsweise diverse der von John Barry komponierten Songs nicht zu, darunter auch Goldfinger, nach wie vor DER Bond-Song schlecht hin. Auch wollte Saltzman nicht, dass Paul McCartney Live and Let Die singt. Zumeist konnte sich jedoch Broccoli durchsetzen, was generell großen Erfolg nach sich zog.

Besonderer Fokus liegt natürlich auf John Barry – da der leider 2011 verstorbene Maestro alleine für elf Bond-Scores verantwortlich war und auch seinen Teil zum Titelthema beitrug (auch wenn es nach wie vor ausschließlich Monty Norman zugeschrieben wird), ist das sehr gut nachvollziehbar. Burlingame schildert anschaulich, wie sich der Bond-Sound entwickelt hat und wie Barry beim Komponieren vorging. Was mich beispielsweise besonders fasziniert hat: Barry komponierte die Melodien für die Bond-Songs meistens zuerst und gab sie dann dem jeweiligen Lyriker (oft Don Black), der anschließend die Texte schrieb. Normalerweise kennte man das eher umgekehrt. Aber auch die anderen Komponisten, von Monty Norman („Dr. No“) über George Martin („Live and Let Die“), Marvin Hamlisch („The Spy Who Loved Me“), Bill Conti („For Your Eyes Only”), Michael Kamen („Licence to Kill”), Éric Serra („GoldenEye”) bis zu David Arnold („Tomorrow Never Dies” bis „Quantum of Solace”) und Thomas Newman („Skyfall”) werden angemessen behandelt. Burlingame spart auch nicht an Details zu Konflikten und Kontroversen in der Produktion der Musik – besonders interessant ist nach wie vor der GoldenEye-Score, bei dem Serras Musik für die zentrale Actionszene durch eine Komposition des für die Orchestrierung zuständigen John Altman ersetzt wurde.

Die eigentliche Musikanalyse bleibt dagegen, zumindest im Vergleich zu „The Music of the Lord of the Rings Films“, eher oberflächlich, es werden keine Notenbeispiele gegeben und auch bezüglich der musikalischen Fachtermini hält sich Burlingame zurück – was jedoch nicht unbedingt als Schwäche des Buches ausgelegt werden muss. Ohnehin eignet sich die Musik der Bond-Filme nicht unbedingt für die tiefschürfende leitmotivische Analyse, die Doug Adams vollzogen hat. Und natürlich gibt es deutlich mehr Bond- als LotR-Filme, sodass eine wirklich ausgiebige musiktheoretische Auseinandersetzung noch einmal deutlich umfangreicher hätte ausfallen müssen. „The Music of the James Bond Films“ richtet sich eher an Fans mit Interesse an der Musik als an ein Fachpublikum – und als solches ist das Werk rundum gelungen.

Fazit: Von „Dr. No“ bis „Skyfall“ – in „The Music of James Bond” liefert Jon Burlingame faszinierende Informationen zu den Songs und Soundtracks des James-Bond-Filme. Burlingame bietet zwar keine tiefschürfende musikalische Analyse, sondern legt den Fokus auf die Entstehung und die Hintergründe der Musik, aber dennoch (oder gerade deshalb) ist sein Buch für jeden Bond- oder Filmmusikfan sehr empfehlenswert.

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Siehe auch:
Top 15 Variationen des James-Bond-Themas

3 Gedanken zu “The Music of James Bond

  1. Wo du da oben ja auch Notenvergleich und fehlende Beispiele erwähnt hast (und allgemein soviel über Filmmusik schreibst und weißt) muss ich dich doch echt mal fragen, ob du selber Musik machst? Und Noten lesen kannst. Ich frage das auch, weil ich gerade selber mit dem Noten lesen lernen kämpfe.

    1. Ich habe mal Gitarre gespielt, das ist aber über zehn Jahre her. Ansonsten mache ich keine Musik und kann auch keine Noten (mehr) lesen; für den Musikunterricht in der Schule habe ich es in Ansätzen gelernt und ich konnte sie auf der Gitarre spielen, aber wenn man das nicht pflegt, ist es natürlich verdammt schnell wieder weg. Stattdessen habe ich für mich den, nennen wir es mal, „literaturwissenschaftlichen“ Zugang zu (in den meisten Fällen) Filmmusik gefunden: Wie erzählt Musik Geschichten, wie spiegelt sie die Handlung wieder, welche Techniken setzt der Komponist ein etc. Und, obsessiv, wie ich nun mal bin, habe ich mir verdammt viel angelesen, was ich niemals aktiv nutzen könnte, aber passiv beim Schreiben von Artikeln natürlich einfließt. Zusätzlich habe ich zwar kein wirklich musikalisches Gehör im herkömmlichen Sinn, aber ein sehr gutes Ohr für Melodien und Tonfolgen, was gerade bei leitmotivischer Analyse natürlich unglaublich hilfreich ist – den Imperialen Marsch höre ich überall raus 😉 Ich fürchte, beim Noten lesen lernen kann ich nicht behilflich sein, ich bin nur passionierter Amateur.

      1. Haha, ja auch Hilfe dabei zielte mein Kommentar auch gar nicht ab. Das war nur mal interessehalber ob du das kannst und ob du das auch heranziehst bei deinen Analysen.

        Ich habe ja angefangen Saxophon spielen zu lernen und während das Noten auf dem Blatt erkennen klappt, kann ich den Rhythmus meist nicht und bin noch zu langsam um spielen und dabei lesen zu können (oder andersrum). Und das finde ich gerade etwas frustrierend.

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