Das James-Bond-Thema ist das wohl ikonischste und langlebigste Thema der Filmmusik – so gut wie jeder hat diese Melodie schon einmal gehört und kann sie zuordnen, selbst wenn man noch nie einen James-Bond-Film gesehen hat. Mehr noch, es ist der Beweis, dass ein Thema für verschiedene Inkarnationen einer Figur exzellent funktionieren kann – vom selbstironischen und mitunter fast lächerlichen Roger-Moore-Bond bis hin zu grimmigen, geerdeten Daniel-Craig-Bond. Viele Komponisten haben das Thema bereits auf ihre eigene Art adaptiert und interpretiert. Mit dem anstehenden, aber mehrfach wegen Corona verschobenen „No Time to Die“ darf sich nun auch Hans Zimmer zu dieser illustren Riege zählen. Freilich kann man nur raten, wie Zimmers Herangehensweise aussieht – wird er seinen Stil dem Franchise anpassen oder umgekehrt? Erwartet uns ein Bond/Ineception-Hybrid oder kommt die opulent-verspielte Seite zum Einsatz, die er zuletzt bei „Wonder Woman 1984“ zeigte? Ein Stück (das diesen Beitrag eröffnen darf) wurde bislang veröffentlicht, aber dabei handelt es sich um eine relativ „gewöhnliche“ Version des Themas, die auch bspw. von John Arnold hätte stammen können und wohl relativ wenig Rückschlüsse zulässt.
Wie dem auch sei, ein Grund für die Langlebigkeit des Bond-Themas dürften auch die vielen Bestandteile sein, die dafür sorgen, dass es sich so gut variieren, auseinandernehmen und wieder zusammensetzen lässt. Da wären das E-Gitarren-Solo, die Fanfare, die eigentliche Melodie und die chromatische Akkordfolge (vier aufwärts, einer abwärts) – besondere Letztere wird nur allzu gerne dazu verwendet, Bond-Assoziationen zu erzeugen und ist Bestandteil vieler, vieler Bond-Songs; von Goldfinger bis Skyfall. Lange Rede, kurzer Sinn: Das Bond-Thema ist ein äußerst lohnenswertes Sujet. Und da das Internet bekanntermaßen Top-Listen liebt, gibt es hier nur meine Top 15 Variationen des James-Bond-Themas, inklusive der Honourable und Dishonourable Mentions (jeweils zwei nach Jahreszahl geordnet). Ich habe beschlossen, mich auf Versionen des Bond-Themas zu beschränken, die auch tatsächlich in den Filmen vorkommen oder zumindest für diese komponiert wurden und Cover wie die von Moby oder Oakenfold beiseite zu lassen (sie wären wohl ohnehin nicht in meiner Bestenliste gelandet).
Honourable Mentions
007-Thema (John Barry, „From Russia with Love”)
Für die Honourable Mentions habe ich mir etwas besonderes ausgedacht. Natürlich hätte ich noch mehr Variationen aus den 24 Bond-Filmen (von Spielen und sonstigen Cover-Versionen gar nicht erst zu sprechen) auswählen können, stattdessen möchte ich aber zwei Alternativen präsentieren, zwei Leitmotive, die ebenfalls James Bond repräsentieren; man könnte von sekundären Leitmotiven für die Figur sprechen. Das erste dieser sekundären Themen ist das 007-Thema, das man vielleicht am besten als Action- oder Abenteuer-Thema für Bond beschreiben kann. John Barry komponierte es für „From Russia with Love“, den zweiten Bond-Film und den ersten, den er komplett vertonte. Primär ist es mit Connerys Bond verknüpft, da es in jedem folgenden Film mit ihm (außer „Goldfinger“, das wären „Thunderball”, „You Only Live Twice” und „Diamonds Are Forever”) wieder auftauche, Roger Moore kam in „Moonraker“ allerdings auch einmal in den Genuss. Diese Melodie ist, anders als das Bond-Thema, nicht allzu gut gealtert und würde, zumindest ohne signifikante Veränderung, in einem modernen Score mit seinen Blechbläserstößen und dem Tanz-Rhythmus wohl sehr merkwürdig und altbacken wirken. Dennoch ist es ein interessantes Stück Bond-Musikgeschichte und ich zweifle nicht daran, dass es einem kompetenten Komponisten gelingen könnte, es zu modernisieren.
Proto-Bond (David Arnold, „Casino Royale”)
Nach dem ziemlich desaströsen „Die Another Day“ beschloss man Eon Productions, Bond mit „Casino Royale“ nicht nur einen Reboot zu verpassen, sondern auch erstmals seine Origin-Story zu erzählen. Abermals wurde David Arnold als Komponist verpflichtet; mit drei Bond-Scores konnte man ihn zu diesem Zeitpunkt bereits als Veteran bezeichnen. Arnold und Regisseur Martin Campbell beschlossen, dass sich Bond sein ikonisches Thema in diesem Film erst verdienen muss. Als alternatives Leitmotiv für 007 fungiert stattdessen die Melodie des Titelsongs You Know My Name von Chris Cornell, an dessen Komposition Arnold beteiligt war. Wie bei so vielen anderen Bond-Songs auch findet sich die DNS des Bond-Themas überall, von den Instrumentierung bis zur subtilen Integration der chromatischen Akkordfolge; es ist eine verwandte, aber dennoch separate Melodie. Dieses Proto-Bond-Thema taucht überall im Film auf, etwa als Action-Variation im grandiosen African Rundown (zum Beispiel bei 0:48, 1:12 und 2:25) oder als Streicher-Arrangement in bester Barry-Tradition in Aston Montenegro (0:35). Besonders interessant sind freilich die Szenen, in denen Bond das erste Mal etwas für die Figur typisches tut und Arnold das Proto-Bond-Motiv mit deutlich erkennbaren Fragmenten des eigentlichen Themas kombiniert, etwa in Blunt Instrument (1:18, hier ist die chromatische Akkordfolge zu hören) oder Dinner Jackets (1:07, primär der Rhythmus, aber auch ein Fragment der Melodie). Das alles sorgt dafür, dass der Score von „Casino Royale“ eine sehr eigenständige Identität hat, die zwar vom Hauptthema der Serie separiert, aber doch ganz eindeutig Bond ist.
Dishonourable Mentions
Bond 77 (Marvin Hamlisch, „The Spy Who Loved Me”)
Natürlich kann es auch nach hinten losgehen, wenn Komponisten versuchen, das Bond-Thema zu modernisieren und sich zu Eigen zu machen. In „The Spy Who Loved Me“, mit einem Score von Marvin Hamlish, wird das Bond-Thema funky – zu funky für meinen Geschmack. Diese Tendenz findet sich bereits in anderen Bond-Filmen der 70er-Jahre, hier tritt es jedoch am deutlichsten hervor. Mein Problem dabei ist vor allem, dass der Track bis auf zwei drei Einspielungen von Fragmenten des Bond-Themas nichts mit ihm zu tun hat. Es ist ein relativ generischer Disco-Track, in dem bei 0:20, 1:08 und 2:57 die chromatische Akkordfolge und bei 1:15 das E-Gitarren-Solo erklingt. Am Ende verbreiten die durch „Goldfinger“ stets mit dem Bond-Sound assozierten plärrenden Trompeten noch ein wenig Feeling, aber das rettet den Track auch nicht mehr.
A Plesant Drive Through St. Petersburg (Éric Serra, „GoldenEye”)
Es ist schon faszinierend: Martin Campbell inszenierte die Debütfilme zweier neuer Bond-Darsteller. „Casino Royale“ hat, wie oben subtil angedeutet, einen der besten Scores des Franchise – „GoldenEye“ hat den schlechtesten. Was Éric Serra für Pierce Brosnans ersten Film komponiert hat, ist ein Verbrechen am Franchise. Diese Art des elektronischen Komponierens mag für Luc-Besson-Film passen (tatsächlich meine ich mich zu erinnern, dass Serras Score in „The Fifth Element“ durchaus gut funktioniert hat), bei Bond ist sie jedoch völlig fehl am Platz. Den meisten Komponisten gelingt es, eine gewisse Balance zwischen ihrem Sound und dem Standard des Franchise zu finden, Serra hingegen scheint sich nicht einmal zu bemühen. In nur zwei Tracks auf dem Album wird das Bond-Thema überhaupt verwendet. The GoldenEye Orverture ist schon grässlich, wenn auch im Kontext des Films noch in Ansätzen erträglich, aber A Pleasant Drive Through St. Petersburg ist einfach nur noch furchtbar, so prozessiert und stumpf bearbeitet, dass vom Bond-Sound, dem Thema oder dem Orchester, das angeblich mitwirkte, kaum mehr etwas übrigbleibt. Tatsächlich rebellierten die Verantwortlichen für den Soundmix des Films, weshalb dieses Stück, das das große Action-Set-Piece, die Panzerfahrt durch St. Petersburg untermalt, ersetzt wurde (dazu später mehr). Dieser Umstand ist umso tragischer, als Tina Turners GoldenEye wirklich ein exzellenter Bond-Song ist, der einen passenden Score verdient hätte.
Top 15 Variationen
Platz 15: James Bond Theme (Monty Norman, John Barry, „Dr. No”)
Das mag vielleicht wie Ketzerei erscheinen, aber ja, das Original belegt den letzten Platz. Natürlich ist es der wichtigste Eintrag der Liste, denn sonst gäbe es alle anderen Einträge nicht, aber Fakt ist dennoch, ich höre mir diese Version aus „Dr. No“ sehr selten an. Tatsächlich geht mir das mit einigen Themen so, auch beim Imperialen Marsch gibt es wirklich Dutzende von Variationen, die ich dem „Original“ (bzw. der Themen-Suite auf dem Empire-Album) vorziehe. Dennoch wäre jede derartige Top-Liste ohne das Original nicht komplett, zumal es hier eine wirklich interessante Hintergrund-Story gibt. Die eigentliche Melodie stammt von Monty Norman, der hierfür das Lied Good Sign, Bad Sign aus einem nicht veröffentlichten Musical recycelte. Regisseur und Produzenten waren vom Ergebnis allerdings nicht allzu begeistert, weshalb sie John Barry arrangierten, der das Stück neu instrumentierte, einige der essentiellen Elemente, etwa die chromatische Akkordfolge, beifügte und damit zugleich den jazzigen Big-Band-Stil des Bond-Franchise zementierte. Diese „Zusammenarbeit“ führte zu einem Rechtsstreit zwischen Norman und Barry, wer denn nun eigentlicher Komponist des Bond-Thema ist. Letztendlich wurde es Norman zugesprochen, aber dass Barry den „Bond-Sound“ definiert hat, dürfte niemand bestreiten. Es reicht schon, sich den von Monty Norman komponierten Score für „Dr. No“ anzuhören, der nicht wirklich nach Bond klingt. Tatsächlich verwendet oder variiert Norman das Thema kaum, stattdessen wird nur immer wieder die Standard-Version eingespielt. Es ist bezeichnend, dass Norman nach „Dr. No“ nie wieder an einem Bond-Film arbeitete, während Barry nicht nur das Sequel „From Russia with Love“ vertonte, sondern auch noch die Scores zu zehn weiteren Bond-Filmen bis 1987 komponierte. Gerade im Vergleich zu vielen der späteren Adaptionen des Themas, nicht nur von anderen Komponisten, sondern auch von Barry selbst, wirkt das Original inzwischen allerdings recht altbacken und schlicht uninteressant, darum auch nur Platz 15.
Platz 14: Talamone (David Arnold, „Quantum of Solace”)
Ähnlich wie in „Casino Royale“ wurde auch in Daniel Craigs zweitem, deutlichem schwächerem Bond-Film „Quantum of Solace“ der Einsatz des Bond-Themas größtenteils vermieden. Das Problem ist, dass es, anders als in „Casino Royale“, keinen adäquaten Ersatz gibt. „Quantum of Solace“ ist beileibe kein schlechter Score, verblasst jedoch im Vergleich zum direkten Vorgänger, gerade weil ihm eine zentrale Identität fehlt – Another Way to Die, der fürchterliche Song von Alicia Keyes und Jack White, an dem Arnold nicht beteiligt war, gibt auch nicht viel her. Was das Bond-Thema angeht, neben der Gun-Barrel-Sequenz am Ende, die allerdings eine bereits vorhandene Version verwendet, die nicht einmal neu eingespielt wurde, taucht es vor allem in Fragmenten auf, gerade in Action-Tracks wie Time to Get Out oder The Palio hört man immer wieder Anklänge in der Instrumentierung oder dem Rhythmus, ohne dass es ein eindeutiges Statement gäbe. Einen ähnlichen Weg wählte Beispielsweise Richard Jaques in seinem äußerst gelungenen Score für das Spiel „James Bond: Blood Stone“. Eines der deutlicheren Zitate des Themas findet sich in dem nur knapp über 30 Sekunden dauernden Track Talamone, in dem Arnold nicht nur den Rhythmus und die chromatische Akkordfolge des Bond-Themas verwendet, sondern auch das Proto-Bond-Thema aus „Casino Royale“ noch einmal bemüht und das Motiv für die verbrecherische Organisation Quantum dazu mischt. Ein kleiner, aber leitmotivisch köstlicher Leckerbissen für Filmmusikfans.
Platz 13: Oddjobs Pressing Engagement (John Barry, „Goldfinger”)
Eigentlich ist die Version, die in Oddjobs Pressing Engagement in „Goldfinger“ zu hören ist, eine relativ typische Variation, die auch nur 25 Sekunden geht. Was hier von Bedeutung ist, ist das Zusammenspiel mit der Melodie des Titelsongs – man könnte hier schon fast von der Blaupause sprechen. Fast ausnahmslos basieren die besten Bond-Songs auf dem musikalischen Aushängeschild des Franchise oder arbeiten zumindest Elemente in ihre melodisches oder harmonisches Gefüge ein. Im Idealfall stammt der Song vom Score-Komponisten und fungiert auch als Hauptthema des Films – ganz so, wie es hier der Fall ist. Dieser Track zeigt, wie wunderbar das Thema und die Goldfinger-Melodie miteinander harmonieren und ineinander übergehen können. Nebenbei etablierte Barry in „Goldfinger“ gleich die plärrenden Trompeten als unverzichtbaren Bestandteil des Bond-Sounds. Auch wenn die Goldfinger-Melodie zumindest in den Filmen meines Wissens nach nicht wieder aufgegriffen wurde, die spezifischen Blechbläser, die Barry Shirley Bassey an die Seite stellte, taten es aber sehr wohl.
Platz 12: Chateau Fight (John Barry, „Thunderball”)
In den frühen Bond-Filmen finden sich noch relativ wenig Variationen, die wirklich hervorstechen, die meisten Einsätze orientieren sich sehr stark am Original-Track aus „Dr. No“. In Bond-Nummer 4, „Thunderball“, taucht eine der ersten wirklich frenetischen Action-Bearbeitungen des Themas auf, natürlich von John Barry persönlich, der vor allem mit diesem Score und dem vorangegangenen „Goldfinger“ endgültig den Bond-Sound gefestigt hatte. „Thunderball“ konzentriert sich insgesamt eher auf die Action-Aspekte, während Barrys üppige, oft Streicher-lastige romantische Musik vielleicht ein wenig zu kurz kommt. Chateau Fight ist das ideale Beispiel, nach einem eher ruhigen Anfang brechen die Blechbläser bei der Einminutenmarke aus, um kurz darauf eine fragmentierte, sehr blechlastige Variation des Themas anzustimmen. Sehr faszinierend ist, nebenbei bemerkt, auch der Track At the Casino, in welchem Barry Fragmente des Bond-Themas in den legeren Jazz dieses Tracks einarbeitet.
Platz 11: Grand Bazaar, Istanbul (Thomas Newman, „Skyfall”)
Springen wir nun von Bonds Anfangstagen zum Komponisten der letzten beiden Scores des Franchise. Thomas Newman ist einer der geachtetsten Komponisten Hollywoods, aber vielleicht nicht gerade derjenige, den man ad hoc für einen Bond-Soundtrack vorschlagen würde – tatsächlich hatte er vor „Skyfall“ kaum für Action komponiert. Nach wie vor finde Newmans Herangehensweise… zwiespältig. Vor allem „Skyfall“ ist definitiv kein schlechter Score, Newman bringt viele interessante Elemente ein, und doch hat man stets das Gefühl, dass er Bond eher in seinen Wohlfühlbereich holt, anstatt sich stärker mit dem musikalischen Vermächtnis des Franchise auseinanderzusetzen. Vor allem stilistisch ist recht wenig geblieben, Orchestrierung, Einsatz von Synth- und Elektronikelementen und Stil sind sehr typisch Newman, was sich besonders am Einsatz diverser exotischer Instrumente zeigt. Verknüpft mit exotischen Locations ist das zwar durchaus sinnvoll, aber Newman bedient sich ihrer auch in den London-Szenen. Noch schwerwiegender ist das Fehlen eingängiger Melodien. Gerade Adeles Titelsong Skyfall wäre dafür prädestiniert, er taucht allerdings nur einmal im Score auf – im Stück Komodo Dragon setzt Newman ihn effektiv in Kontrapunkt zur chromatischen Akkordfolge und, siehe da, schon haben wir einen der besten Tracks des Albums. Zugegebenermaßen ist es auch nicht so, als wende sich Newman völlig vom Vermächtnis des Franchise ab. Gerade in den Action-Tracks ist das Bond-Thema wirklich überall, nur eben nicht deutlich wahrnehmbar, sondern dekonstruiert, fragmentiert oder versteckt. Es ist durchaus faszinierend mitanzusehen, wie effektiv Newman das Bond-Thema abwandelt. Abseits von Breadcrumbs (hierbei handelt es sich um eine Standard-Version des Themas) finden sich die deutlichsten Einsätze in Grand Bazar, Istanbul, das sehr schön zeigt, wie Newman vorgeht, das Bond-Thema behandelt und in seine Actionmusik einarbeitet. Es fängt mit einem kurzen Bond-Fanfarenstoß an, bevor Newmans elektronisch bearbeitete Suspense-Rhythmen und Percussions übernehmen. Es dauert bis zur Dreiminutenmarke, bis die Blechbläser subtile Fragmente des Themas wiederaufnehmen, um ab 3:26 konsequent mit der chromatischen Akkordfolge zu spielen. Bei 4:55 ist schließlich die Fanfare recht deutlich zu hören
Platz 10: This Never Happend to the Other Fella (John Barry, „On Her Majesty’s Secret Service”)
Bei „On Her Majesty’s Secret Service” stand Barry vor der Herausforderung, zu zeigen, dass wir es immer noch mit der gleichen Figur zu tun haben, dass sich aber doch etwas geändert hat. Im passend betitelten Track This Never Happend to the Other Fella eröffnet Barry den Film mit dem Bond-Thema – doch statt der E-Gitarre erklingt ein Synthesizer, der auf die Veränderung hindeutet. Es ist erstaunlich, wie gut diese Synth-Klänge nicht nur mit dem Bond-Thema harmonieren, sondern auch heute noch wirken; sie verstrahlen einen spezifischen Retro-Charme. Auch instrumentale Fragemente des Titelsongs We Have all the Time in the World sind zu hören. Hier findet sich eine weitere faszinierende Abweichung von der üblichen Formel. In „Goldfinger“ wurde erstmals ein Lied über die Titelsequenz gespielt, wovon man beim ersten und einzigen Lazenby-Bond jedoch aufgrund der emotional deutlich stärkeren Geschichte absah. Stattdessen erklingt die von Louis Armstrong gesungene Komposition erst zu den End Credits.
Platz 9: Come In 007, Your Time Is Up (David Arnold, „The World Is Not Enough”)
David Arnolds Musik für das Bond-Franchise hatte schon immer zwei Seiten: Die orchestrale und die elektronische. Während Arnold in seinem ersten Bond-Score „Tomorrow Never Dies“ sich primär auf Erstere konzentrierte, werden die elektronischen Anteile in den beiden folgenden Soundtracks immer stärker. Während sie in „Die Another Day“ völlig überhand nehmen, gibt es in „The World Is Not Enough“ immerhin noch eine gewisse Balance. Wer meinen Musikgeschmack kennt, weiß, dass ich kein allzu großer Fan von elektronischer und synthetischer Manipulation bin, weswegen mich Tracks wie Come In 007, Your Time Is Up ein wenig in die Bredouille stürzen: Gerade dieses Stück ist exzellent komponiert, orchestriert und bietet herrliche Action-Variationen des Bond-Themas, angereichert durch Fragmente des von David Arnold komponierten Titelsongs The World Is Not Enough. Da gibt es wirklich viel zu lieben, von Goldfinger-Bläsern bei der Einminutenmarke über die plötzlich einsetzende E-Gitarre bei 3:42 bis hin zu der Minifanfare bei 2:54, als sich Bond unter Wasser seine Krawatte richtet. Aber dann sind da diese konstanten elektronischen Beats… Anders als bei Zimmer und Konsorten, bei denen diese Elemente meistens tatsächlich (im Guten wie im Schlechten) integraler Bestandteil der Kompositionen sind, wirken sie hier eher wie nachträglich eingefügt und fühlen sich seltsam separiert von den orchestralen Klängen an. Ohne diese Manipulationen und Effekte wäre Come In 007, Your Time Is Up wahrscheinlich unter den Top 5 gelandet, aber so hat es eben „nur“ für Platz 9 gereicht.
Platz 8: James Bond Theme (George Martin, „Live and Let Die”)
„Live and Let Die“ ist in vieler Hinsicht eine Premiere: Nicht nur handelt es sich dabei um Roger Mooers Debüt als 007, es ist auch das erste Mal seit „Dr. No“, dass John Barry nicht den Score komponierte. An seiner Statt verpflichtete man George Martin – eine naheliegende Wahl, angesichts der Tatsache, dass der Titelsong von John McCartney stammt, schließlich hatte Martin zuvor bereits die Songs der Beatles arrangiert. Kurz und gut: Seine Version des James-Bond-Themas ist das, was ich als „Bond 77 done right“ bezeichnen würde. Martin transportierte das Thema erfolgreich in 70er und machte funky, aber eben nicht zu funky. Es ist immer noch eindeutig das Bond-Thema, nicht ein Disco-Track, das mit ein wenig Bond angereichert wurde. Viel mehr gibt es nicht zu sagen, George Martins Arrangement macht einfach Spaß.
Platz 7: Tank Drive Around St. Petersburg (John Altman, „GoldenEye”)
Nachdem Éric Serras A Plesant Drive Through St. Petersburg für die große Action-Szene in „GoldenEye“ abgelehnt wurde, wandten sich die Produzenten an John Altman, der an diesem und zwei vorherigen Filmen bereits für Serra als Orchestrierer gearbeitet hatte. In kürzester Zeit komponierte Altman den Track Tank Drive Around St. Petersburg und bekam für Aufnahme alles zur Verfügung gestellt, was er brauchte – Studio, die besten Musiker etc. Im Nachhinein wäre es wohl besser gewesen, man hätte einfach Altman den gesamten Film vertonen lassen, denn Tank Drive Around St. Petersburg ist zusammen mit dem Titelsong das musikalische Highlight von „GoldenEye“. Keine Spur von dumpfem, synthetischem Gewummer, stattdessen eine grandioser Action-Track mit tollen Variationen des Bond-Themas in bester Barry-Manier. Die Triangeln, Klavierakzente und einige der Streicherfiguren sorgen zudem für eine gewisse Einzigartigkeit und vermitteln ein vage russisches Feeling, das perfekt zum Handlungsort passt. Die Aufnahme, die im Film zu hören ist, wurde leider nie veröffentlich, aber für das Album „Bond Back in Action Vol. 2“ hat das City of Prague Philharmonic Orchestra das Stück neu eingespielt. Besagtes Album sowie „Bond Back in Action Vol. 1“ sind, nebenbei bemerkt, sehr gute Startpunkte, um sich intensiver mit der Musik des Franchise zu beschäftigen. Wer gerne mehr über Altmans Beitrag zum Soundtrack von „GoldenEye“ erfahren würde, kann das hier tun.
Platz 6: Exercise at Gibraltar (John Barry, „The Living Daylights”)
1987 komponierte John Barry seinen elften und letzten Bond-Score. „The Living Daylights“ markiert das Ende einer Ära – und den Beginn einer neuen (wenn auch einer sehr kurzlebigen), da es sich hierbei um den Debütfilm von Timothy Dalton handelt. „The Living Daylights“ wird von Bond-Fans oft als einer von Barrys besten Scores für die Filmreihe betrachtet – der größte Konkurrent ist „On Her Majesty’s Secret Service”. Exercise at Gibraltar ist das Eröffnungsstück des Scores. Wie nicht anders zu erwarten beginnt es zur Gunbarrel-Sequenz mit der Bond-Fanfare, gefolgt von einem Streicher- und Blechbläserarrangement des E-Gitarren-Solos, natürlich unterlegt mit der chromatischen Akkordfolge. Danach macht das Thema ein Päuschen, bis sich bei 1:36 die chromatisch Akkordfolge zurückmeldet. Die bei 2:59 auftauchende Version des Themas, gespielt von Streichern und Holzbläsern ist ebenfalls äußerst interessant. Und um zeigen, dass wir endgültig in den 80ern angekommen sind, bedient sich Barry ab 3:30 eines elektronischen Beats, der das restliche Stück dominiert und immer wieder mit Bestandteilen des Bond-Themas angereichert wird – dieses Mal sind auch Blechbläser zu hören. So zeigt Barry, dass er auch nach so vielen Scores für dieses Franchise immer noch frische Ideen hat und das Kernthema passend zu variieren weiß.
Platz 5: Licence Revoked (Michael Kamen, „Licence to Kill”)
Michael Kamens Score zum zweiten und letzten Dalton-Bond ist entweder nicht allzu beliebt oder wird glatt übersehen – was auch daran liegen könnte, dass nie ein wirklich befriedigendes Album veröffentlicht wurde. Kamen holt, ähnlich wie Newman, die Bond-Musik eher in seinen Wohlfühlbereich, als dass er sich stilistisch Barry annähert, aber um ehrlich zu sein: Ich finde, dass Kamens Wohlfühlbereich tatsächlich relativ gut zum Franchise passt. Licence Revoked ist das beste Beispiel, ein monumentaler Actiontrack, in dem Kamen ausgiebig Gebrauch vom Bond-Thema macht und regelrecht mit den einzelnen Bestandteilen spielt, beispielsweise, in dem er die E-Gitarre durch ein akustisches Model ersetzt oder vermehrt Holzbläser miteinbezieht.
Platz 4: White Knight (David Arnold, „Tomorrow Never Dies”)
Nach dem desaströsen Serra-Score fanden die Bond-Produzenten das richtige Gegenmittel: Für Brosnans zweiten Film als 007 verpflichtete man David Arnold, der sich bereits als Komponist für Roland Emmerichs Spektakelfilme einen Namen gemacht hatte und von John Barry persönlich empfohlen wurde. Arnold ist nicht nur ein extrem begabter Komponist, sondern auch selbst bekennender Bond-Fan. 1997 veröffentlichte er das Album „Shaken and Stirred: The David Arnold James Bond Project“; hier schrieb er neue Arrangements vieler beliebter Bond-Songs und auch einiger Score-Stück, was ihm die Aufmerksamkeit John Barrys einbrachte und letztendlich dafür sorgte, dass man ihn für „Tomorrow Never Dies“ anheuerte – in meinen Augen nach wie vor der beste aller Bond-Scores. John Barry hat den Bond-Sound erfunden und geprägt, Arnold hat ihn hier perfektioniert (bevor er mit den anderen beiden Brosnan-Scores etwas strauchelte, um dann mit „Casino Royale“ ein weiteres Meisterwerk abzuliefern). Wie enthusiastisch Arnold an seine Aufgabe heranging, zeigt sich bereits beim Eröffnungsstück White Knight. Natürlich wird die Gunbarrel-Sequenz mit einem kurzen Einspieler des Bond-Themas unterlegt, aber nicht nur das, sogar Tina Turners GoldenEye wird sehr subtil zitiert (0:57), wie um deutlich zu machen, dass Arnold bei diesem Film bereits gerne die Musik geschrieben hätte. In der zweiten Hälfte des Tracks wird dann Bond-Thema galore geboten und es hat nie besser geklungen. In bester Franchise-Tradition mischt Arnold die Elemente des von k. d. lang gesungenen Songs Surrender (ursprünglich von Arnold für den Vorspann komponiert, dann jedoch durch Tomorrow Never Dies von Sheryl Crow ersetzt und in den Abspann verbannt). Arnold zeigt hier, wie souverän er nicht nur mit dem Thema, sondern auch mit dem Bond-Sound umgehen kann (nie klangen die Goldfinger-Trompeten besser) und wie meisterhaft er es versteht, die einzelnen Bestandteile zu variieren und sie der Action auf der Leinwand anzupassen.
Platz 3: Backfire („Spectre“, Thomas Newman)
Thomas Newmans zweiter und bislang letzter Bond-Score ist in mancher Hinsicht wie der Film: recht uninspiriert und deutlich schwächer als der Vorgänger. Das Bond-Thema ist zwar deutlich präsenter als in „Skyfall“, wie schon der Eröffnungstrack Los Muertos Vivos Estan zeigt, stilistisch bewegt sich Newman aber noch mehr in seiner Wohlfühlzone – will heißen, es finden sich noch einmal deutlich weniger Bond-Charakteristika. „Spectre“ klingt über weite Strecken wie eine Erweiterung des Action-Sounds aus „Skyfall“, noch mehr fehlt hier die eigenständige Persönlichkeit. Der Track Backfire enthält etwa 30 extrem herausragende Sekunden und den vielleicht besten Einsatz der chromatischen Akkordfolge der gesamten Filmreihe. Aus dem ziemlich chaotischen Action-Underscoring entwickelt sich ab 2:05 besagte Akkordfolge heraus, gespielt von majestätischen Blechbläsern. Das Fragment schwillt an und schließlich übernimmt ein himmlicher Chor, just als Bond im Film beim Vatikan ankommt. Chöre sind recht selten Bestandteil der Bond-Scores, weshalb diese Variation ebenso grandios wie einzigartig ist – nur leider ist sie nur allzu schnell wieder vorbei.
Platz 2: The Name’s Bond… James Bond („Casino Royale”, David Arnold)
Nachdem den Zuschauern das Bond-Thema in „Casino Royale“ über zwei Stunden lang vorenthalten wurde, erklingt das vollständige Thema ganz am Ende, als sich 007 mit „The Name’s Bond… James Bond“ Mister White vorstellt, zum ersten Mal nicht nur in diesem Film, sondern auch für Daniel Craigs Inkarnation der Figur. Und mit welcher Wucht es erklingt. Der finale Track aus „Casino Royale“ ist im Grunde „nur“ eine Neufassung der klassischen Themen-Suite von Norman und Barry, von David Arnold behutsam, aber effektiv neu orchestriert – DAS Bond-Thema des neuen Jahrtausends. Und es ist auch meine To-Go-Version, wenn ich das Thema (etwa zu Vorführungszwecken) in Reinform benötige.
Platz 1: Bike Chase („Tomorrow Never Dies”, David Arnold)
Vielleicht ist dieses Stück aus „Tomorrow Never Dies“ sogar so etwas wie ein Geheimtipp, zumindest wird es nicht allzu oft diskutiert, was u.a. daran liegen könnte, dass das ursprüngliche Album zu Wünschen übrig ließ und einige der besten Tracks des Films darauf nicht zu finden waren – so auch dieser. Hier haben wir ein knapp sieben Minuten langes Action-Stück, das ausschließlich mit Variationen des Bond-Themas arbeitet. Arnold reicht die verschiedenen Elemente meisterhaft von einer Sektion des Orchester zur nächsten, versieht das Ganze mit subtilen elektronischen Akzenten, die hier, im Gegensatz zu „The World Is Not Enough“, exzellent funktionieren, variiert, jongliert und lässt die einzelnen Bestandteile mit- und gegeneinander arbeiten. Ich kann mich an diesem Track einfach nicht satt hören, bei jedem Mal entdeckt man ein neues kleines Detail. Besonders angetan hat es mir die Sektion, in der Arnold zuerst die Fanfare erklingen lässt und anschließend die chromatische Akkordfolge nur von Streichern und Percussions spielen lässt (4:02). Wie ich oben bereits schrieb: „Tomorrow Never Dies“ ist die Perfektion des Bond-Sounds – und zwar genau in diesem Track.