Score-Duell: GoldenEye vs. Tomorrow Never Dies

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1987 komponierte John Barry für „The Living Daylights” seinen letzten Bond-Score – Timothy Daltons Debüt als 007 markiert zugleich Barrys Abschied von der vielgeliebten Filmreihe. Nachdem Barry, der den Bond-Sound primär geprägt hatte, aus verschiedenen Gründen nicht mehr zur Verfügung stand, brauchte die Filmreihe ganze drei Anläufe, um einen neuen Sound zu finden. Für „Licence to Kill“ komponierte Michael Kamen 1989 einen Score, der offenbar nicht vielen im Gedächtnis blieb, Kamen vermischte hier die typischen Barry-Stilmittel mit den Elementen seiner eigenen Action-Scores, was erstaunlich gut funktioniert. Zudem schreckte er vor dem liberalen Einsatz des Bond-Themas nicht zurück, wirklich innovativ war Kamens Ansatz allerdings auch nicht. Für „GoldenEye“ (1995), Pierce Brosnans Debüt als 007, bemühten sich die Produzenten bei Eon dann allerdings um einen wirklich neuen, radikal anderen Ansatz und heuerten den französischen Komponisten Érica Serra an, dessen Score vielen Bond-Fans gemeinhin als schwächster der gesamten Reihe gilt. Erst David Arnold, der Serra zwei Jahre später folgte, gelang es, sich als neuer Stammkomponist zu etablieren. Dieser Artikel vergleich die beiden so unterschiedlichen Ansätze, Bond musikalisch ins neue Jahrtausend zu bringen.

Stil
Die meisten Komponisten, die die Musik für einen Bond-Film schreiben, versuchen sich wie Michael Kamen an einem Kompromiss zwischen ihrem eigenen Stil und den von Barry geprägten „Bondismen“. Nicht so Éric Serra. Serra hatte im Vorfeld primär als Komponist für Luc Bessons „Léon: The Professional“ auf sich Aufmerksam gemacht, auf Basis dieser Arbeit wurde er auch angeheuert. In einem späteren Interview beschrieb sich Serra selbst als jung, arrogant und nicht besonders kompromissbereit, selbst das Bond-Thema verwendete er nur, weil die Produzenten darauf bestanden. Dementsprechend ist „GoldenEye“ primär von Serras typischen Stilmitteln geprägt: Industrial-Sound, umfassende elektronische Bearbeitung und massiver Synthesizer-Einsatz. Um die sowjetischen bzw. postsowjetischen Elemente zu repräsentieren, verwendet Serra mitunter auch tiefe Männerchöre, meist in Kombination mit hallenden elektronischen Effekten. In den emotionaleren Szenen des Films kommen darüber hinaus klassischere orchestrale Elemente zum Einsatz, die etwas stärker an Barry erinnern, aber auch nur, weil der Großteil des Scores so überhaupt nicht nach dem Schöpfer des Bond-Sounds klingt. Derartige Einlagen bleiben relativ anonym und uninteressant. Und dann finden sich noch Tracks auf dem Album, die wirklich unhörbar sind, etwa Ladies First oder A Pleasant Drive in St. Petersburg – zu Letzterem später mehr.

Im Gegensatz dazu kehrt David Arnold zu den Wurzeln zurück. Bekanntermaßen war er zu diesem Zeitpunkt bereits langjähriger Fan der Filmreihe, mit „Tomorrow Never Dieses“ komponierte er allerdings keinen reinen Retro- oder Barry-Pastiche-Score, sondern modernisierte den Bond-Sound, ohne ihn zu verwässern. „Tomorrow Never Dies“ teilt sich in drei relativ distinktive Abschnitte: Der erste, der den Prolog und die Szenen in London umfasst, ist geprägt von den typischen Bond-Stilmitteln, etwa der Mischung aus Orchester und Jazz, den plärrenden Blechbläsern, den Swing-Rhythmen etc. Zudem bringt Arnold seinen eignen, komplexeren orchestralen Stil mit ein, ein Stück wie White Knight steckt zwar voller „Barryismen“, wäre von Barry selbst in dieser Komplexität allerdings wohl nicht komponiert worden. Der zweite Teil umfasst die Szenen in Hamburg, hier reichert Arnold die Bond-Formel um Synth- und Electronica-Elemente der 90er an. Barry selbst experimentierte bereits 1969 in „On Her Majesty’s Secret Service” in diese Richtung, aber ein Track wie Backseat Driver, für den Arnold mit „The Propellerheads“ zusammenarbeitete, ist natürlich noch mal ein anderes Kaliber als der Einsatz des Moog-Synthesizers im Lazenby-Film. Der dritte Teil des Scores ist schließlich von Percussions und asiatischer Instrumentierung geprägt – nicht allzu übermäßig, aber doch deutlich vernehmbar. Man könnte fast den Eindruck bekommen, Arnolds Score ist zu gut für „Tomorrow Never Dies“, zu intelligent, zu durchdacht. Ich werde das Gefühl nicht los, dass Arnold das Gefühl hatte, dies sei seine einzige Chance, einen Bond-Film zu vertonen, also gab er alles, was er hatte. Und zu diesem Zeitpunkt war dieser Verdacht gar nicht so unberechtigt, schließlich hatte bis zu „The World Is Not Enough“ kein Komponist außer Barry mehr als einen Bond-Score komponiert. Für mich persönlich hat Arnold die Bond-Formel stilistisch mit „Tomorrow Never Dies“ perfektioniert, gleichzeitig modern und klassisch. Selbst in seinen folgenden vier Scores für die Filmreihe konnte er in meinen Augen nicht mehr an die Großartigkeit seines Debüts als 007-Komponist anknüpfen – auch wenn „Casino Royale“ verdammt nahe dran ist.

Gewinner: „Tomorrow Never Dies“

Titelsong
„GoldenEye“ verfügt mit dem gleichnamigen Titelsong über eines der bondigsten Lieder überhaupt und dem wahrscheinlich besten Exemplar dieser Gattung seit Live and Let Die. Während die Titelsongs der 80er, trotz des häufigen Mitwirkens von John Barry, oft sehr vom Sound ihrer Dekade geprägt sind, ist GoldenEye sofort als Bond-Song zu erkennen, sogar die chromatische Akkordfolge des Bond-Themas darf einen Auftritt absolvieren. Hier gibt es wirklich nichts zu meckern, der von Bono und The Edge komponierte Song ist eines von nur zwei musikalischen Elementen von „GoldenEye“, das einwandfrei funktioniert, nicht zuletzt natürlich dank Tina Turners grandioser Interpretation, die der Perfomance einer Shirley Bassey in nichts nachsteht. Umso ärgerlicher ist freilich der Umstand, dass Serra, wie schon Michael Kamen vor ihm, sich nicht genötigt sah, die Melodie des Liedes in den Score zu integrieren. Tatsächlich scheint David Arnold das ähnlich gesehen haben, denn in „Tomorrow Never Dies“ findet sich die eine oder andere, wenn auch subtile, Zitation des ikonischen Rhythmus, der als Motiv für den MI6 zu fungieren scheint, beispielsweise in White Knight kurz vor der Ein-Minuten-Marke und in Hamburg Break In bei 0:47.

Für „Tomorrow Never Dies“ wählte Arnold den klassischen John-Barry-Ansatz: Er komponierte einen Song, der später von k. d. lang eingesungen wurde, und verwendete die Melodie großzügig im Score. Leider forderten die Produzenten bei Eon einen größeren Namen, weswegen man schließlich Cheryl Crow anheuerte, die den neuen Titelsong Tomorrow Never Dies interpretierte und diesen zusammen mit Mitchell Froom auch komponierte. Das Lied von Arnold und k. d. lang, ursprünglich ebenfalls Tomorrow Never Dies betitelt, wurde in Surrender umbenannt und erklingt nun im Abspann. Ich schrieb bereits an anderer Stelle ausführlich darüber und möchte mich nun nicht in allzu großem Maße wiederholen: Tomorrow Never Dies ist als Bond-Song in Ordnung, klassisches Mittelfeld, kann Surrender aber nicht einmal ansatzweise das Wasser reichen. Hätte man sich entschieden, Surrender zum Vorspann zu spielen, wäre es vielleicht auf ein unentschieden herausgelaufen, aber Tina Turner und GoldenEye stecken Cheryl Crow und Tomorrow Never Dies locker in die Tasche. Die Melodie des Crow-Songs scheint in Arnolds Score keinen Platz mehr gefunden zu haben, aber zumindest die absteigende Einleitung wird das eine oder andere Mal als Schurken-Motiv für Elliot Carver zitiert, wobei das auch eine zufällige Ähnlichkeit sein könnte.

Gewinner: „GoldenEye“

Themen
Die James-Bond-Filme bedienten sich selten einer wirklich wasserdichten, komplexen Leitmotivik – das ikonische Thema repräsentierte natürlich stets den Titelcharakter, während die Melodie des Songs oft das dominante Thema für Romanze, Action oder Handlung allgemein darstellte. Selbst nach diesen Maßstäben hat „GoldenEye“ allerdings kaum etwas zu bieten. Das markanteste Thema, dessen sich Serra bedient, ist eine ansprechende, wenn auch recht simple Melodie, die als Liebesthema für Bond und Natalya Simonova fungiert und beispielsweise in We Share the Same Passions, The Severnaya Suite und For Ever, James erklingt. Der von Gottfried John gespielte sekundäre Schurke General Orumov erhält ebenfalls ein Motiv bzw. eine leitmotivische Textur, die aufgrund des Choreinsatzes sehr russisch klingt und in The GoldenEye Ouverture bei 3:05 und in Whispering Statues bei 1:00 zu hören ist. Und dann hätten wir natürlich noch das James-Bond-Thema, das sich hier allerdings sehr rar macht und wohl überhaupt nicht aufgetaucht wäre, hätte man bei Eon nicht darauf bestanden, es mit einzubeziehen. In sage und schreibe zwei Tracks ist es zu hören, The GoldenEye Ouverture und A Pleasant Drive through St. Petersburg und in beiden Fällen ist es kaum wiederzuerkennen, sondern wurde nahtlos an Serras Stil angepasst. Eine vollständige Performance oder die ikonische Surf-Gitarre sucht man ebenso vergebens wie die jaulenden Blechbläser. Stattdessen findet der geneigte Hörer dumpfe Pauken, Industrial-Effekte und elektronische Bearbeitungen ohne Ende. Selbst Serra konnte es allerdings nicht lassen, eine kleine musikalische Anspielung einzubauen, denn als merkwürdige synthetische Schreie hört man Fragmente der Goldfinger-Fanfare (The GoldenEye Ouverture). Tatsächlich finde ich dieses Ambiente für die sowjetische Anlage nicht einmal so verkehrt, allerdings hätte man das Bond-Thema als Kontrast verwenden müssen – so klingt es eher, als wäre Bond übergelaufen. Mit A Pleasant Drive trough St. Petersburg, welches die Szene untermalt, in der Bond mit einem Panzer durch besagte Stadt donnert, schießt Serra aber endgültig den Vogel ab. Ich bin für Variationen der Themen immer zu haben, aber das Bond-Thema mit Orgel und Hardrock-Beats klingt nun wirklich völlig daneben – und das in so gewaltigem Ausmaß, dass Serras Orchestrierer John Altman gebeten wurde, in kürzester Zeit einen Ersatz zu komponieren. Das Stück, das im Film gelandet ist, ist (neben dem Titelsong, versteht sich) das einzige, das wirklich Bond-Flair verströmt, es handelt sich dabei um eine klassische Adaption des Themas, die dennoch durch den geschickten Einsatz spezifischer Instrumente, etwa Triangeln und Klavier, einen einzigartigen Anstrich besitzt.

Wo wir gerade vom James-Bond-Thema sprechen, „Tomorrow Never Dies“ ist das ideale Gegenmittel für Mangel an und Verunstaltung des Leitmotivs von Monty Norman und John Barry. Ich denke, es gibt keinen anderen Film der Reihe, in dem es so häufig und vielseitig variiert auftaucht wie in diesem. Selbst John Barry war diesbezüglich oft zurückhaltend. Arnold hingegen entschloss sich stattdessen, seinen Spaß mit ihm zu haben und nutzt es in ähnliche Frequenz wie Williams den Imperialen Marsch in „The Empire Strikes Back“. Und wie in „The Empire Strikes Back“ werde zumindest ich dieses Themas hier nicht überdrüssig, eben weil Arnold es so kongenial zu variieren und der Situation anzupassen weiß. „Tomorrow Never Dies“ hat thematisch allerdings noch deutlich mehr zu bieten. Wie bereits erwähnt bedient sich Arnold der beiden Bestandteile des Songs Surrender ebenfalls sehr ausgiebig, das wären zum einen eine mit goldfingeresquen Blechbläsern gespielte Fanfare und zum anderen die eigentliche Melodie. Beide Elemente haben nicht wirklich leitmotivischen Charakter, sondern fungieren ähnlich wie das Thema aus „On Her Majesty’s Secret Service“ und erklingen oft, um die Action-Tracks reicher und vielseitiger zu machen, zum Beispiel in White Knight (Fanfare bei 5:45 und 7:03, Melodie bei 7:10) oder Backseat Driver (Fanfare bei 0:35, Melodie 1:38). Zusätzlich werden auch eine romantisch-tragische Melodie für Bonds Ex-Geliebte Paris Carver (am besten zu hören in Bond in Paris) sowie das bereits erwähnte Motiv für den Schurken Elliot Carver (The Sinking of the Devonshire, 3:55) verwendet. Das primäre Bond-Girl Wai Lin erhält ebenfalls ein Thema, das zu Beginn der Tracks Bike Shop Fight und Kowloon Bay zu hören ist – in Letzterem geht es in die Surrender-Melodie über und bietet einen sehr schönen Moment motivischer Interaktion. Zudem gräbt Arnold ein sekundäres John-Barry-Motiv aus Bonds frühen Tagen wieder aus: Zu Beginn der instrumentalen Titelsequenz von „From Russia with Love“ erklingt eine Blechbläserfigur, oft als „James Bond Is Back“ betitelt, derer Arnold sich immer wieder bedient, etwa in White Knight bei 4:50. Wie schon beim Stil ist auch hier Arnolds Score der eindeutige Gewinner. Selbst ohne den Bond-Faktor ist „GoldenEye“ thematisch und melodisch bestenfalls uninteressant, und angesichts der John-Barry-Tradition mit ihren vielen, vielen einprägsamen Melodien schlicht eine Schande. Arnold hingegen liefert alles, was man sich von einem Bond-Score thematisch wünschen könnte.

Gewinner: „Tomorrow Never Dies“

Der Score im Film
Bezüglich der Musikabmischung ist die Situation in beiden Fällen nicht besonders ideal. Man merkt bei „GoldenEye“, dass die Produzenten mit dem Score nicht unbedingt glücklich waren, was auch Serra selbst auffiel. Der Komponist beklagte sich in einem Interview darüber, dass die Musik viel zu leise abgemischt sei, große Teile im Film fehlten und die Nuancen verloren gingen. Angesichts der Qualität des Scores mag man diskutieren, ob das gut oder schlecht ist, aber im Prinzip hat Serra recht. Leider ist die Abmischung in „Tomorrow Never Dies“ ebenfalls nicht die beste, da es beim Kompositionsprozess einige Verzögerungen und Stolpersteine gab, hat auch hier das Bild-Ton-Verhältnis gelitten, sodass Arnolds grandiose Musik manchmal im Getöse der Action untergeht, was angesichts seiner detaillierten Orchesterarbeit (Dirigent und Orchesterierer Nicholas Dodd soll an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben) wirklich eine Schande ist. Von diesem Umstand abgesehen funktioniert Arnolds Score deutlich besser als Serras im Film. Die Musik in „GoldenEye“ ist mit wenigen Ausnahmen bestenfalls anonym und schlimmstenfalls störend, sie sorgt dafür, dass es dem Film deutlich schwerer fällt, klassisches Bond-Feeling zu erzeugen. Dass es ihm dennoch gelingt, ist primär auf die starke Regie von Martin Campbell zurückzuführen. Was passiert, wenn Campbell mit Arnold zusammenarbeitet, sieht man schließlich in „Casino Royale“. Arnolds Musik für „Tomorrow Never Dies“ hingegen wertet den zugehörigen Film enorm auf und schafft es, Schwächen auszugleichen, die ansonsten vielleicht stärker aufgefallen wären.

Gewinner: „Tomorrow Never Dies“

Der Score auf dem Album
Das Label La-La-Land Records veröffentlichte für „The World Is Not Enough“ und „Die Another Day“ umfassende Alben, die nicht nur den kompletten Score des jeweiligen Films beinhalten, sondern auch noch alternative Tracks, Trailermusik und sonstiges Bonusmaterial, das nur wenige Wünsche offenlässt. Bei den ersten beiden Soundtracks aus Brosnans Zeit als 007 ist die Situation leider weniger rosig. „GoldenEye“ erhielt ein relativ gewöhnliches Album, das den Score recht gut repräsentiert, allerdings fehlt hier John Altmans Beitrag zum Film, stattdessen findet sich Serras ursprüngliches, praktisch unhörbares A Pleasant Drive through St. Petersburg auf der CD. Altmans deutlich gelungeneres Tank Drive Around St. Petersburg wurde in der Filmversion bislang nicht offiziell veröffentlicht, auf dem Compilation-Album „Bond Back in Action 2“ findet sich allerdings eine Neueinspielung des City of Prague Philharmonic Orchestra unter Leitung von Nic Raine.

Bei „Tomorrow Never Dies“ ist die Situation leider noch ungünstiger: Eine chaotische Postproduktion, die sich auch auf den Score auswirkte, sorgte dafür, dass das Album, das zusammen mit dem Film veröffentlicht wurde, lediglich etwa zwei Drittel des Scores repräsentierte und keinen der Tracks aus dem in Ostasien spielenden dritten Akt enthält. Im Jahr 2000 wurde schließlich ein zweites Album veröffentlicht, das den Score besser repräsentierte und zusätzlich zu den bereits veröffentlichten Tracks auch eine Musikauswahl aus dem letzten Drittel beinhaltet. Auf diesem Album, das als Bonusmaterial immerhin ein elfminütiges Interview mit David Arnold bietet, fehlen nun aber die beiden Songs von Cheryl Crow und k. d. lang, und der komplette Score ist ebenfalls nicht enthalten, einige Action-Tracks des Finales sowie ein äußerst markanter Einsatz des Bond-Themas zwischen White Knight und Tomorrow Never Dies wurden bislang nie offiziell veröffentlicht, auch wenn sich Bootlegs beispielsweise auf Youtube finden. Ein La-La-Land-Album im Stil der beiden späteren Brosnan-Filme wäre hier überfällig. Hätte „GoldenEye“ Altmans Komposition, neben dem Titelsong der einzig wirklich brauchbare Track, enthalten, hätte ich dem Score diesen Punkt zugestanden, so reicht es aber nur für ein Unentschieden.

Gewinner: Unentschieden

Fazit: Anders als beim Justice-League-Duell überrascht mich das Ergebnis hier nicht: Arnold gewinnt mit einem soliden 3:1 in fünf Kategorien mit einem Unentschieden. Mit Serra versuchten die Bond-Produzenten auf Teufel komm raus den Soundtrack der Reihe zu modernisieren, bereits während der Postproduktion des Films erkannte man allerdings, dass das auf diese Weise nicht funktionierte. Serra selbst kann man dabei nur bedingt einen Vorwurf machen, er komponierte, was von ihm verlangt wurde: Einen Éric-Serra-Score. In einem Interview gab Serra zu, in diesem Kontext nicht besonders diskussionsbereit gewesen zu sein, in meinen Augen war Serra allerdings bereits von Anfang an schlicht die falsche Wahl. Arnold hingegen bewies mit „Tomorrow Never Dies“, wie man den Bond-Sound erfolgreich modernisiert und ins 21. Jahrhundert bringt, ohne dabei aber die Wurzeln zu verraten oder sich der Stilmittel zu entledigen, die ihn ausmachen.

Bildquelle

Siehe auch:
Stück der Woche: Surrender
Top 15 Variationen des James-Bond-Themas
The Music of James Bond
Score-Duell: Justice League – Elfman vs. Holkenborg

No Time to Die – Ausführliche Rezension

Spoiler nach dem ersten Absatz!
UK
Nach über eineinhalb Jahren ist es soweit: Daniel Craig feiert seinen Abschied als James Bond mit „No Time to Die“. Obwohl sowohl Sean Connery mit sechs (sieben, wenn man „Never Say Never Again“ mitrechnet) als auch Roger Moore mit sieben Filmen öfter Bond gespielt haben, ist Craigs Amtszeit als „amtierender“ Bond mit 16 Jahren die längste. Lange war nach „Spectre“ und der gemischten Reaktion, die Bond Nummer 24 hervorrief, unklar, ob Craig überhaupt zurückkehren würde, auch weil er in Interviews erklärte, sich lieber die Pulsadern aufschneiden zu wollen als noch einmal Bond zu spielen. Aber die Produzenten Barbara Broccoli und Michael G. Wilson konnten ihn dann doch überzeugen, für „No Time to Die“ noch einmal den Smoking anzulegen. Auch sonst erwies sich die Produktion als problematisch, ursprünglich sollte Danny Boyle Regie führen, sprang aber ab, weshalb Cary Joji Fukunaga schließlich das Ruder übernahm. Und dann ist da noch eine gewisse Pandemie, die die ganze Gelegenheit weiter hinauszögerte und u.a. auch zu weiteren Nachdrehs führte, weil das Product Placement inzwischen veraltet war. Wie dem auch sei, an dieser Stelle zuerst kurz meine spoilerfreien Gedanken, bevor es ans Eingemachte geht: Im Kontext der fünf Craig-Filme würde ich „No Time to Die“ genau in die Mitte setzen, deutlich besser als „Spectre“ und „Quantum of Solace“, aber schwächer als „Skyfall“ und „Casino Royale“. Vor allem die ersten beiden Drittel des Films wissen zu überzeugen, im finalen Drittel fällte der Film allerdings auseinander.

Handlung und Struktur
Nachdem Ernst Stavro Blofeld (Christoph Waltz), Anführer der Verbrecherorganisation Spectre, von James Bond (Daniel Craig) und dem MI6 in Gewahrsam genommen wurde, begibt sich Bond nach seinem Ausscheiden aus dem Geheimdienst zusammen mit Madeleine Swann (Léa Seydoux) nach Matera, doch Blofelds Arm reicht auch bis hier her: Attentäter greifen das Paar an und geben Bond Grund zu der Annahme, dass Madeleine ihn verraten hat, weshalb er sich von ihr trennt. Fünf Jahre später hat sich Bond auf Jamaica zur Ruhe gesetzt, wo seiner alter Freund, der CIA-Agent Felix Leiter (Jeffrey Wright) ihn aufsucht und ihn um Hilfe bittet: Der für den MI6 arbeitende Wissenschaftler Valdo Obruchev (David Dencik) wurde von Spectre gekidnappt. Zuerst lehnt Bond ab, aber nach einer Begegnung mit Nomi (Lashana Lynch), seiner Nachfolgerin als 007, entscheidet er sich, Leite dabei zu helfen, Obruchev aufzuspüren. Die Spur führt nach Kuba, wo Bond zusammen mit der CIA-Agentin Paloma (Ana de Armas) ein Spectre-Treffen infiltriert. Dieses erweist sich als weitere Falle von Blofeld, bei der eine Biowaffe namens Heracles, an deren Entwicklung Obruchev und der MI6 beteiligt waren, dazu benutzt werden soll, Bond zu töten. Diese Waffe auf Nanobotbasis funktioniert wie ein Virus, nimmt aber nur bestimmte DNS ins Visier. Doch die Dinge entwickeln sich anders, denn Obruchev erhält in Warheit seine Befehle vom mysteriösen Terroristen Lyutsifer Safin (Rami Malek), sodass nur Bond und Paloma überleben, während die gesamte Spectre-Führung, bis auf Blofeld, eines äußerst unangenehmen Todes stirbt. Bei der Übergabe Obruchevs an Leiter stellt sich heraus, dass sein Kollege Logan Ash (Billy Magnussen) ebenfalls für Safin arbeitet, beide können entkommen, Leiter überlebt nicht.

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Paloma (Ana de Armas)

Daraufhin begibt sich Bond nach London. Da Safin offenbar darauf aus ist, sämtliche Spectre-Mitglieder zu töten, ist Blofeld offensichtlich Safins nächstes Ziel. Nach ein wenig hin und her und einem Wiedertreffen mit Q (Ben Wishaw) und Moneypenny (Naomi Harris) kehrt Bond schließlich zum MI6 zurück und darf mit Ms (Ralph Fiennes) Erlaubnis Blofeld in Anwesenheit seiner Psychiaterin verhören. Bei dieser Psychiaterin handelt es sich allerdings um Madeleine Swann, die kurz zuvor von Safin aufgesucht wurde, mit dem sie eine gemeinsame Vergangenheit verbindet. Safin will Madeleine nutzen, um Blofeld zu töten und infiziert sie mit Heracles. Mit Bond als „Mittelsmann“ gelingt der Plan. Madeleine verschwindet daraufhin nach Norwegen, wird jedoch von Bond aufgespürt, der hier erfährt, dass seine alte Flamme inzwischen eine Tochter namens Mathilde (Lisa-Dorah Sonnet) hat. Doch Safins Männer sind ihnen bereits auf der Spur, kidnappen Mutter und Tochter und bringen sie zu einer alten Militärbasis auf einer Insel zwischen Russland und Japan. Gemeinsam mit Nomi macht sich Bond daran, die beiden zu retten und Safin zu stoppen…

Mit 163 Minuten ist „No Time to Die” der bislang längste Bond-Film und übertrifft damit sogar „Spectre“. Zudem weist der Film gerade für dieses Franchise einige strukturelle Besonderheiten auf. Normalerweise folgt nach der Gun-Barrel-Sequenz eine ausgedehnte Action-Szene, mit der der Regisseur einen Vorgeschmack auf später kommendes geben kann und die oft nichts oder nur wenig mit dem eigentlichen Plot des Films zu tun hat. „No Time to Die“ weicht in mehr als einer Hinsicht von dieser Formel ab: Zuerst erhalten wir einen Einblick in Madeleines Kindheit und erleben ihre erste Begegnung mit Safin, um anschließend den Spectre-Angriff in Matera erleben zu dürfen. Beide Sequenzen separat sind schon deutlich länger als die Prä-Credits-Szenen der meisten Bond-Filme – bis Billie Eilishs Titelsong erklingt, vergehen gut und gerne zwanzig Minuten. Durch diesen langen Prolog fühlt sich „No Time to Die“ an wie ein Vierakter, denn alles nach diesem ausufernden Prolog lässt sich relativ bequem in die typische Hollywood-Drei-Akt-Struktur teilen.

Spectre of the Past
„No Time to Die“ ist ein äußerst ambitionierter Film, der nicht nur eine Menge erreichen, sondern auch ein Abgesang und ein befriedigendes Ende für die Daniel-Craig-Ära sein und noch einmal alle Fäden zusammenführen möchte – dementsprechend ist der Film gerade nach Bond-Maßstäben ziemlich untypisch. Über lange Zeit hinweg waren Bond-Filme sehr selbstständige, in sich geschlossene Angelegenheiten. Während Sean Connerys (und George Lazenbys) Zeit als Bond gab es immerhin tatsächlich einen übergreifenden Handlungsstrang, jeder Film, mit Ausnahme von „Goldfinger“, hatte S.P.E.C.T.R.E. als Gegner und Blofeld als Strippenzieher oder Hauptwidersacher. Die Verzahnung der einzelnen Filme war dennoch eher mäßig, sodass es problemlos möglich war, der Handlung von, sagen wir, „You Only Live Twice“ zu folgen, ohne vorher „Thunderball“ gesehen zu haben. Am eindeutigsten fungierte „From Russia with Love“ als direkte Fortsetzung zu „Dr. No“, immerhin gibt es deutliche Referenzen an den Bond-Erstling. Die Craig-Filme hingegen sind noch einmal deutlich enger verzahnt. Allerdings war das mit Sicherheit nicht von Anfang an so geplant. Nach dem Erfolg von „Casino Royale“ entschloss man sich, mit „Quantum of Solace“ eine direkte Fortsetzung zu drehen, besagte Fortsetzung kam allerdings nur bedingt an, weshalb „Skyfall“ eine eigenständige Geschichte erzählt. Mit „Spectre“ versuchte Eon dann schließlich, alles miteinander zu verknüpfen und die losen Fäden aus „Quantum of Solace“ wieder aufzugreifen, in dem man „enthüllte“, dass die verbrecherische Organisation Quantum in Wahrheit nur eine Gruppierung innerhalb von Spectre ist und Blofeld von Anfang an hinter allem steckte. Obwohl das alles, insbesondere der Umstand, dass Blofeld nun Bonds Stiefbruder ist, nicht besonders gut ankam, setzten Eon Productions und Cary Fukunaga dieses Konzept fort: Die fünf Craig-Filme erzählen nun eine Geschichte, von Bonds Anfängen bis zu seinem Tod. Aufgrund des oben geschilderten Hin-und-Hers, der diversen Retcons, Planänderungen und schwächeren Filme fühlt sich diese Geschichte aber sehr uneben und holprig erzählt an. Wir springen gewissermaßen direkt von Bonds Anfangszeit zu einem Vorruhestand in „Skyfall“. In „Spectre“ ist Bond dann plötzlich nicht mehr alt und auf dem Höhepunkt seiner Kräfte, nur um gleich wieder in den Ruhestand zu verschwinden und dann im aktuellen Film doch noch einmal reaktiviert zu werden.

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Nomi (Lashana Lynch) und Melanie Swann (Léa Seydoux)

Im Gegensatz zu den finalen Filmen der anderen Bonds besteht hier natürlich der Vorteil, dass Eon „No Time to Die“ gezielt als letzten Craig-Film konzipieren konnte, während bei den meisten anderen Bonds einfach irgendwann klar wurde, dass die aktuelle Formel nicht mehr funktioniert. Dementsprechend ist Fukunagas Film ein finaler Abgesang auf diese Ära und arbeitet sehr bewusst mit dem Bond’schen Vermächtnis. Aber nicht nur auf die vier Vorgänger finden sich Anspielungen en masse, auch frühere Filme werden miteinbezogen, primär „On Her Majesty’s Secrer Service“. George Lazenbys einziger Einsatz als 007 von 1969 kam damals beim Publikum nicht besonders gut an, gilt inzwischen vielen, auch prominenten Bond-Fans aber als Favorit, Chris Nolan nennt ihn beispielsweise als seinen Lieblingsfilm des Franchise. In vielerlei Hinsicht kann „On Her Majesty’s Secret Service“ als früher Vorgänger zu den Craig-Filmen betrachtet werden, hier machte Bond (zumindest in einem Film) zum ersten Mal eine wirkliche Entwicklung durch, war persönlich involviert, verliebte sich tatsächlich und am Schluss kam es natürlich zur Tragödie. Fukunaga macht keinen Hehl daraus, dass „On Her Majesty’s Secret Service“ auch sein Favorit ist und ihn stark beeinflusst hat. Sowohl konzeptionell (Liebesgeschichte als Zentrum der Handlung) als auch musikalisch und wörtlich zitiert Fukunaga den Film von 1969 immer wieder.

Leider ist „No Time to Die” letztendlich bezüglich seines Status als Finale Furioso der „Craig-Saga“ als subtiles Scheitern zu bewerten. Ich bin dem Konzept, Bond hier als Abschluss zu töten, nicht per se abgeneigt, tatsächlich bin ich beeindruckt, dass Eon und Fukunaga es tatsächlich durchgezogen haben, aber die Umsetzung lässt leider zu Wünschen übrig. Wie ich oben bereits schrieb, der gesamte dritte Akt fällt gewissermaßen auseinander, was zum einen am nicht völlig überzeugenden Schurken Safin liegt, aber auch am finalen Plan und der Situation, in der sich Bond befindet. Die Lage ist relativ unklar, Bonds Opfer fühlt sich in letzter Konsequenz erzwungen an und entwickelt sich nicht wirklich logisch aus der Handlung und zudem gelingt es dem Film auch nicht, die Dringlichkeit der Situation wirklich klar zu machen: Warum muss die Insel unbedingt jetzt sofort beschossen werden? Als Konsequenz fühlt sich Bonds Tod nicht verdient an und hat mich persönlich ein wenig an Supermans Ableben in „Batman v Superman: Dawn of Justice“ erinnert. Das ist natürlich nur Spekulation, aber ein wenig wirkt es, als sei 007s Ende erst spät Teil der Geschichte geworden, auch wenn es, zugegebenermaßen, bereits relativ früh im Film Andeutungen gibt (die aber natürlich ihrerseits später eingefügt worden sein können).

Bond Back in Action
Sowohl für die Filmreihe im Allgemeinen als auch für die Craig-Ära im Besonderen ist „No Time to Die“ ein ungewöhnlicher Film und weicht in mehr als einer Hinsicht von der Formel ab – und dabei meine ich nicht einmal so sehr Bonds Tod am Ende, obwohl das natürlich auch ein Novum ist. Immerhin, in den Romanen gibt es einen gewissen Präzedenzfall: In „From Russia with Love“ scheint Bond am Ende nicht zu überleben, als Leser wird man zumindest im Ungewissen gelassen, da Ian Fleming sich nicht sicher war, ob er weiter Bond-Romane schreiben wollte. Erst in der Fortsetzung „Dr. No“ wird dann klar, dass 007 tatsächlich überlebt hat. Nicht ganz dieselbe Situation, aber immerhin ansatzweise vergleichbar. Wie dem auch sei, untypisch für die Craig-Filme ist vor allem, dass Bond hier relativ gesprächig daherkommt. Wir sind es ja bereits gewöhnt, dass gewisse Konventionen der Serie hier immer wieder hinterfragt oder gebrochen werden, ebenso wie wir daran gewöhnt sind, dass Craig der „leidende Bond“ ist, aber bisher war er dabei meistens recht stoisch und verschlossen, während er in „No Time to Die“ insgesamt deutlich gesprächiger ist als in den bisherigen vier Filmen und sogar hin und wieder einen Roger-Moore-Gedächtnis-Spruch loslässt.

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Bond (Daniel Craig) und Felix Leiter (Jeffrey Wright)

Was das Franchise insgesamt angeht, ist Bond hier nicht nur so monogam wie selten zuvor, es gibt nicht einmal ein neues Bond-Girl, stattdessen ist Madeleine Swann auch weiterhin Bonds einziger Love Interest. Die beiden neuen Frauenfiguren, Ana de Armas als Paloma und Lashana Lynch als Nomi, sind beide alles andere als traditionelle Bond-Girls. Eines der größeren Probleme von „No Time to Die“ ist wohl, dass es mir nicht gelingt, Madeleine als „Bonds große Liebe“ wahrzunehmen. Léa Seydoux‘ Chemie mit Daniel Craig ist hier zweifellos besser als in „Spectre“, wo sie praktisch nicht vorhanden war, aber im Vergleich zu dem, was Craig und Eva Green hatten, gibt es noch viel Luft nach oben. Da diese Liebesgeschichte aber der Anker des Films ist, führt das zum einen oder anderen Wahrnehmungsproblem, zumindest bei mir. Dass Bond hier erstmals ein Kind hat, ist freilich ein weiteres Novum, mit dem man sich erst einmal abfinden muss, schließlich waren Kinder in Bond-Filmen selten bis gar nie ein Faktor. Im Großen und Ganzen gibt es bei Craigs schauspielerischer Leistung in jedem Fall nichts zu meckern, man merkt, dass er hier, bei seinem letzten Film, noch einmal voll investiert ist.

Was in „No Time to Die” glücklicherweise vollauf zu überzeugen weiß, ist die Action. Nachdem diese in „Spectre“ oftmals dröge und uninspiriert daherkam, bemüht sich Fukunaga, wirklich grandiose und abwechslungsreiche Set-Pieces zu inszenieren, sei es der Angriff der Spectre-Agenten auf Matera, die Verfolgungsjagd auf Kuba, das Intermezzo in Norwegen oder die scheinbare One-Take-Szene auf Safins Insel. Schauplätze, Bildkomposition und Action sind ebenso schön anzusehen wie unterhaltsam und kreativ, sodass „No Time to Die“ glücklicherweise nicht langweilig wird.

Safin und Blofeld
Im Vorfeld wurde wild spekuliert, ob Eon wohl einen ähnlichen Stunt wie in „Spectre“ abziehen und Safin als bereits bekannten Schurken enthüllen würde. Man vermutete Dr. No hinter der Kabuki-Maske, zum einen, weil das Wort im Titel auftaucht und zum anderen wegen eines kleinen Details aus Flemings Roman „Dr. No“, das keinen Eingang in den gleichnamigen Film fand: Dr. Nos Herz befindet sich statt auf der linken auf der rechten Seite seines Körpers. Im Trailer zu „No Time to Die“ (und auch im fertigen Film) sieht man im Prolog ein Einschussloch dort, wo Safins Herz sein müsste, was ihn jedoch nicht weiter aufzuhalten scheint. Glücklicherweise entpuppt sich Safin nicht als Dr. No; auf dieses Detail geht der Film selbst nicht weiter ein. Vielleicht trägt Safin einfach eine schusssichere Weste unter seinem Parka, vielleicht wurde dieses Element auch für ihn übernommen, wer weiß? Ich persönlich ordne Lyutsifer Safin (extrem subtiler Vorname) ähnlich ein wie den Film insgesamt: Als Schurke ist er stärker als Blofeld oder der von Mathieu Amalric gespielte Dominic Greene, verblasst aber im Vergleich zu Raoul Silva (Javier Bardem) und Le Chiffre (Mads Mikkelsen). Vor allem in der Prolog-Szene wird Safin sehr effektiv inszeniert, hier nutzt Fukunaga Techniken des Horror-Films, danach verschwindet er allerdings für recht lange Zeit aus der Handlung. Rami Malek ist in der Rolle angenehm bedrohlich, ihm wird aber nicht die nötige Gelegenheit gegeben, wirklich viel aus ihr herauszuholen. Das hängt auch mit dem Umstand zusammen, dass Safin in seiner Motivation merkwürdig zwiegespalten ist. Seine Rachepläne an Blofeld und Spectre sind nachvollziehbar, schließlich sind sie für den Tod seiner Familie verantwortlich, aber alles, was Safin im dritten Akt des Films mit Heracles anstellt bzw. anstellen will, ist merkwürdig schwammig und undefiniert. Will er die Weltherrschaft? Will er nach Ra’s-al-Ghul-Manier einen großen Teil der Weltbevölkerung auslöschen? Und wenn ja, weshalb? Zudem wird sein Verhalten im Finale zunehmend erratisch: Als Mathilde ihn in den Finger beißt, lässt er sie einfach davonlaufen – das wirkt untypisch. Mir scheint, dass im dritten Akt aufgrund der ohnehin schon enormen Länge einige Szenen geschnitten wurden, die für das Verständnis aber besser im Film geblieben wären. Gerade was Safin angeht, fühlt man sich eher an frühere Bond-Widersacher erinnert: In bester Tradition hat Safin eine eigene Insel mit einem „Garden of Poison“, und natürlich gibt er sich mit Kleinigkeiten nicht zufrieden, er ist eine Bedrohung für die gesamte Welt. Gerade in der jetzigen Zeit kommt man zudem nicht umhin, zudem gewisse Parallelen zwischen Heracles und Corona festzustellen, die sicher nicht beabsichtigt waren („No Time to Die“ wurde ja deutlich vor dem Ausbruch abgedreht), aber nichts desto trotz faszinierend sind.

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Lyutsifer Safin (Rami Malek)

Bekanntermaßen überlebte Ernst Stavro Blofeld „Spectre“ und darf nun erneut auftauchen und Bond primär in der ersten Hälfte des Films das Leben schwer machen – wenn auch vom Gefängnis aus. Damit ist Christoph Waltz der bislang einzige Darsteller, der Blofeld mehr als einmal gespielt hat (die schattenhafte Version der Figur in „From Russia with Love“ und „Thunderball“ nicht mitgerechnet). Leider kommt Blofeld in „No Time to Die“ nicht allzu viel besser weg als in „Spectre“: Nach wie vor funktioniert Waltz für mich in dieser Rolle einfach nicht, mehr noch, er scheint auch kein besonderes Interesse an ihr zu haben. Eine der größten Schwächen der „Craig-Saga“ ist für mich zudem, dass es ihr fast nie gelingt, die große, böse Organisation im Schatten, sei es Quantum oder Spectre, wirklich interessant oder eindrücklich zu inszenieren. „No Time to Die“ setzt dem die Krone auf, in dem die gesamte Spectre-Führungsriege hier bei ausgerechnet Blofelds Geburtstagsparty umgebracht wird – das klingt eher nach der Roger-Moore-Ära. Blofeld selbst wird auf ähnlich unrühmliche Weise abserviert. In Anbetracht der Tatsache, dass er DER Gegner James Bonds sein soll und in „Spectre“ als das große Mastermind hinter allen anderen Filmen etabliert wurde, wirkt dieser Abgang unbefriedigend. Aus rein erzählerischen Gründen wäre tatsächlich eine größere Rolle für Blofeld nötig gewesen. Hier wäre vielleicht eine Rückkehr zu Ian Fleming die richtige Lösung gewesen. In den Romanen verändert Blofeld sein Äußeres ständig mit plastischer Chirurgie, man hätte durch diesen Kniff problemlos ein Recasting rechtfertigen können, schließlich will ein geflohener Blofeld nicht erkannt werden. So wirkt „No Time to Die“ mitunter wie eine merkwürdige Coda einer ohnehin holprig erzählten Saga.

Her Majesty’s Secret Service
Im Verlauf der Craig-Ära sammelte Bond ein durchaus beeindruckendes Raster an Verbündeten und Unterstützern an. Die Präsenz von Judi Denchs M ist selbst nach dem Tod der Figur immer noch vorhanden, sei es durch Videos oder ein Porträt. Bereits in „Casino Royale“ und „Quantum of Solace“ arbeitete Bond mit Jeffrey Wrights Felix Leiter zusammen, in Letzterem tauchte auch erstmals die von Rory Kinnear gespielte Version des Fleming-Charakters Bill Tanner auf, die von nun an zum festen Bestandteil des Casts gehören sollte. In „Skyfall“ bekam Craig „seine“ Moneypenny (Naomi Harris) und „seinen“ Q (Ben Wishaw), zusätzlich zu einem neuen M (Ralph Fiennes) und in „No Time to Die“ stoßen nun schließlich Lashana Lynch als Bonds Nachfolgerin Nomi und Ana de Armas als CIA-Agentin Paloma hinzu. Als die Rolle von Ersterer bekanntgegeben wurde, erfolgten natürlich sofort Aufschreie wie „Bond goes woke“, verbunden mit der Befürchtung, Lashana Lynch könne Craig aus dem Rampenlicht drängen, was sich angesichts der Rolle, die Nomi im Film spielt, als ziemlich albern entpuppt. Nicht nur ist die neue 007 verhältnismäßig insignifikant, sie gibt auch ihre Kennung vor dem Finale ganz brav zurück. Heimlicher Star des Films ist ohnehin Paloma – Ana de Armas tauch in der Kuba-Sequenz auf, reißt mit ihrem Charme und ihrer Energie kurzzeitig den gesamten Film an sich, harmonisiert wunderbar mit Daniel Craig und verschwindet dann ebenso unverhofft wieder. Da hätte man sich durchaus eine größere Rolle gewünscht.

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Eve Moneypenny (Naomi Harris), M (Ralph Fiennes) und Bill Tanner (Rory Kinnear)

Das Ableben von Felix Leiter soll ebenfalls nicht unerwähnt bleiben. Bereits bei Ian Fleming ist er eine immer wieder auftauchende Figur, die im zweiten Roman, „Live and Let Die“, brutal durch einen Haiangriff verstümmelt wird; ein Schicksal, das ihm zwar in der Verfilmung besagten Romans erspart bleibt, aber dafür 16 Jahre später in „Licence to Kill“ widerfährt – ironischerweise wird Leiter in beiden Filmen von David Hedison dargestellt. Wright ist bislang der einzige Schauspieler, der Leiter sogar ganze drei Mal gespielt hat – insofern ist es auch gerechtfertigt, dass er in „No Time to Die“ eine etwas größere Rolle bekommt. Tatsächlich empfand ich sein Ableben als emotionaler als Bonds am Ende des Films – was eher gegen Letzteres und nicht unbedingt für Ersteres spricht.

Der Rest MI6-Besatzung ist hier nicht so beschäftigt wie in „Spectre“, aber immer noch deutlich aktiver als in früheren Bond-Filmen. Moneypenny und Q haben verhältnismäßig wenig zu tun, Ralph Fiennes‘ M dagegen wird negativer dargestellt, da er bei der Entwicklung von Heracles seine Finger im Spiel hatte, was ein wenig an „Skyfall“ erinnert, wo seine Vorgängerin aufgrund ihres Umgangs mit den Agenten, primär Bond und Silva, kritisiert wird.

James Bond Will Return
Bereits im Vorfeld kam die Frage auf, wie es nun weitergehen wird: Wird nur Bond ausgetauscht und der Rest der Besatzung bleibt oder gibt es einen harten Reboot? Nach „No Time to Die“ scheint relativ klar, dass ein harter Reboot ins Haus steht. Ein erneutes auftauchen der bekannten MI6-Besatzung nach diesem Ende wäre höchst merkwürdig und würde das unterlaufen, was Eon mit Bond Nummer 25 erreichen wollten. Tatsächlich ist das auch einer der Gründe, weshalb ich Bonds Tod eher negativ gegenüberstehe: Ich mochte diesen MI6-Cast und hätte ihn gerne auch weiterhin an der Seite eines neuen Bond gesehen. Andererseits gehört die Marke nun Amazon, da ist ein Spin-off wahrscheinlicher denn je. Sowohl für Michelle Yeohs Wai Lin aus „Tomorrow Never Dies“ als auch Halle Berrys Jinx Jordan aus „Die Another Day“ gab es Pläne für Soloauftritte, aus denen freilich nichts geworden ist, aber wer weiß, vielleicht erwartet uns in naher Zukunft ein Agenten-Team-Up bestehend aus Nomi und Paloma, in dem der Craig-MI6-Cast Gastauftritte absolvieren kann.

Wie dem auch sei, ich persönlich denke, dass der neue Bond 2022 verkündet wird. Barabara Broccoli erklärte zwar, man habe noch keine Auswahl getroffen, aber bei Eon Productions hatte man nun doch über eineinhalb Jahre Zeit, sich zumindest Gedanken über den Nachfolger zu machen. Zusätzlich ist 2022 wieder Mal ein Jubiläumsjahr für den Film-Bond, der 1962 sein Debüt feierte und somit 60 wird. 2002 und 2012 gab es jeweils einen mit Anspielungen gespickten Jubiläumsfilm, das kann nächstes Jahr nicht geboten werden, also wäre die Verkündigung des neuen Bond-Darstellers zumindest in Ansätzen eine passende Alternative. Spekulationen, in welche Richtung Bond 26 gehen wird, sind bis zur Bekanntgabe wohl ohnehin müßig. Ich denke, die emotionale Komponente und der stärkere Fokus auf Bonds Charakterisierung wird uns erhalten bleiben, aber ob man sich erneut an einem größeren Handlungsbogen versuchen oder doch den Fokus wieder auf Einzelabenteuer legen möchte, steht noch in den Sternen.

Fazit: Sowohl im Kontext der gesamten Filmreihe als auch der Craig-Ära landet „No Time to Die“ in der Mitte, weder gehört er zu den besten, noch zu den schlechtesten Filmen des Franchise. Primär wird er wohl als der Film in Erinnerung bleiben, in dem Bond stirbt – auch wenn sein Tod eine eher unbefriedigende Angelegenheit bleibt. Ansonsten ist Cary Joji Fukunagas Beitrag zum 007-Vermächtnis mit Sicherheit einer der bestaussehndsten Bonds mit einigen überaus beeindruckenden Action-Szenen, einem eher schwächeren Schurken und einem grandiosen Auftritt von Ana de Armas – weder Meisterwerk noch Totalausfall.

Bildquelle

Trailer

Siehe auch:
Art of Adaptation: Casino Royale

Stück der Woche: Learning to Ride

Ich bin kein Fan von Online-Rollenspielen, allerdings bin ich durch die diversen Fandoms immer wieder mit ihnen in Berührung gekommen, wenn auch ohne eines von ihnen tatsächlich zu spielen (von mal einem Nachmittag ausprobieren abgesehen). An „World of WarCraft“ etwa bin durch intensives Spielen von „WarCraft III“ nach wie vor interessiert, zumindest was die Musik angeht, auch einige der Begleitromane und -comics habe ich gelesen. „Star Wars: The Old Republic“ hatte immer einen gewissen wechselseitigen Einfluss auf den Rest der alten Legends-Kontinuität, auch hier habe ich primär Musik und Begleitmedien konsumiert. Und dann gibt es da noch „The Lord of the Rings Online“…

Mit diesem MMORPG hatte ich tatsächlich so gut wie keinen Kontakt, obwohl es wahrscheinlich die größte und umfangreichste Adaption von Tolkiens Werk außerhalb der Jackson-Filme und allem, was mit ihnen zusammenhängt (Spiele, Tabletop etc.) darstellt. Was Begleitmedien angeht, findet sich bei „The Lord of the Rings Online“ deutlich weniger Material als bei den beiden oben genannten Spielen, aber es gibt immerhin Soundtracks. Nun sind auch diesbezüglich die Jackson-Filme, bzw. Howard Shores Scores der absolute Platzhirsch – und das völlig zurecht. Da vergisst man dann ganz gerne, dass es noch andere Vertonungen von Tolkiens Werk gibt, von Leonard Rosenmans Score zum Bakshi-Film über die Musik der beiden Rankin/Bass-Produktionen bis hin zu den beiden Sinfonien „The Lord of the Rings“ und „Return to Middle-earth“ des niederländischen Komponisten Johan de Meij und den Soundtracks diverser Spiele wie „War in the North“ oder „Shadows of Mordor“ samt Sequel (beide basieren technisch gesehen auf den Jackson-Filmen, bedienen sich aber weder Shores Musik noch desselben Kompositionsstils) oder eben „The Lord of the Rings Online“. Diverse Komponisten waren für das MMORPG tätig, den größten Anteil zur Musik des Spiels und der diversen Erweiterungen lieferte allerdings der Amerikaner Chance Thomas. Zwei Alben zu „The Lord of the Rings Online“ finden sich auf Amazon zum Download, diese habe ich mir vor nicht allzu langer Zeit zu Gemüte geführt. Das Urteil fällt positiv aus: Thomas‘ Kompositionen verfolgen einen durchaus ähnlichen Ansatz wie Shore, primär was die Mischung aus Orchester und spezifisch keltischer Instrumentierung angeht, ohne dabei allerdings wie plumpe Kopien zu klingen. Stattdessen etabliert Thomas einen eigenen Tonfall für Mittelerde; seine Musik eignet sich zum Beispiel hervorragend als Hintergrund für die Lektüre der neuen, von Carl F. Hostetter im Stil der „History of Middle-earth“ herausgegebenen Tolkien-Materialsammlung „The Nature of Middle-earth“.

Das Stück Learning to Ride ist ein sehr schönes Beispiel für die oben beschriebenen Eigenschaften, zu hören sind unter anderem ein Dudelsack, keltische Fiedeln und Flöten sowie Trommeln, die sehr an das Auenlandmaterial Howard Shores erinnern. Ohne größere Recherche betrieben zu haben und lediglich anhand des Titels und der Klangfarben vermute ich, dass dieser Track in irgendeiner Weise mit Rohan in Verbindung steht – wobei die Rohirrim natürlich bei weitem nicht das einzige Volk in Mittelerde sind, bei dem man Reiten lernen könnte. Das alles ist allerdings nicht der eigentliche Grund, weshalb ich Learning to Ride zum Stück der Woche gemacht habe, ebenso wenig wie der Umstand, dass es mir mit seiner positiven Natur sehr gefällt. Am Ende hat sich nämlich ein Franchise-fremdes Leitmotiv eingeschlichen: Ab 2:32 setzt eine aufsteigende Tonfolge ein, die zwar die bisherige Instrumentierung nahtlos fortsetzt, aber doch sehr nach der chromatischen Akkordfolge des James-Bond-Themas klingt. Ich finde Derartiges immer ziemlich amüsant. Zugegebenermaßen ist das wohl mit ziemlicher Sicherheit Zufall, die chromatische Akkordfolge ist doch ein sehr simples Motiv, das immer mal wieder auftaucht – vielleicht ist Chance Thomas aber auch Bond-Fan und hat eine kleine Hommage eingebaut. Nebenbei, auch in Bond-Filmen passiert so etwas immer mal wieder. Ein besonders amüsantes „Fremd-Motiv“ findet sich zum Beispiel im Track Yo Yo Fight & Death Of Vijay in John Barrys „Octopussy“ – bei 1:16 hört man doch sehr deutlich Kylo Rens Thema heraus. Natürlich sieht die Situation hier ein wenig anders aus, da „Octopussy“ mehrere Jahrzehnte vor „The Force Awakens“ entstand. Auch Williams könnte natürlich Bond-Fan sein, aber wahrscheinlich ist es purer Zufall, denn auch Kylo Rens Thema ist eine relativ simple, in diesem Fall abfallende Notenfolge, deren Genesis eher auf den Imperialen Marsch zurückzuführen ist. Und ich meine mich zu erinnern, dass das Motiv auch in einem der Indiana-Jones-Filme auftaucht…

Wie dem auch sei, diesen thematisch sowohl mit Mittelerde als auch mit Bond verknüpften Artikel will ich nebenbei noch gleich nutzen, um die eine oder andere Neuigkeit zu kommentieren. In dieser Woche wurde bekanntgegeben, dass sich Amazon offenbar in Verhandlungen mit Howard Shore bzgl. der Scores zur angekündigten LotR-Serie befindet – eine Entwicklung, die ich definitiv begrüße. Zwar haben Komponisten wie Chance Thomas durchaus bewiesen, dass auch jemand anders als Shore Mittelerde gut vertonen kann, aber wenn es noch mehr Mittelerde-Musik von Shore gibt, bin ich der erste, der sein Geld Amazon in den Rachen wirft. Noch ist natürlich nichts final entschieden, weswegen die Vorfreude erst einmal zurückgehalten werden sollte. Allerdings schwirren auch Gerüchte durchs Internet, Amazon wolle Shore Serien-Veteran Bear McReary an die Seite stellen – allein diese Idee macht mir schon den Mund wässrig. Sollte das tatsächlich zutreffen (und das ist ein sehr unsicheres sollte), wäre das grandios.

Und dann wäre da noch „No Time to Die“: Hans Zimmers Soundtrack erscheint am 1. Oktober, einen Tag nach dem deutschen Kinostart. Erste Stimmen zum Score klingen durchaus positiv, entgegen seiner üblichen Gewohnheit scheint sich Zimmer dieses Mal tatsächlich dem Sound des Franchise angepasst und sich stilistisch an John Barry und David Arnold orientiert zu haben. Drei Tracks, Gun Barrel, Matera und Shouldn’t We Get To Know Each Other First finden sich bereits auf Youtube. Alle drei sind relativ kurz und nicht unbedingt repräsentativ, klingen aber doch durchaus vielversprechend – man achte auf das Zitat des Songs We Have All the Time in the World aus „On Her Majesty’s Secret Service“ in Matera oder die unterhaltsame Variation des Bond-Themas in der zweiten Hälfte von Shouldn’t We Get To Know Each Other First. Nachdem Zimmers „Dune“ mich nicht unbedingt vom Hocker gehauen hat, bin ich bei „No Time to Die“ tatsächlich vorsichtig optimistisch bis gespannt.

Art of Adaptation: Live and Let Die

Was verbindet man gemeinhin mit „Live and Let Die“, Roger Moores Debüt als James Bond – neben dem grandiosen Titelsong von Paul McCartney, versteht sich? Sheriff J. W. Pepper vielleicht? Bond, der über Krokodile springt? Baron Samedi? Die enorm aufwändige Bootverfolgungsjagd? Den explodierenden Dr. Kananga? Umso faszinierender ist es, dass sich all diese Elemente nicht im gleichnamigen Roman von Ian Fleming finden. Dieser wurde, wie alle anderen auch, deutlich früher als der Bond-Erstling „Casino Royale“ von Eon Productions, aber auch viele Jahre nach seinem Erscheinen, adaptiert. Denn bei „Live and Let Die“, der als Bond Nummer 8 1973 ins Kino kam, handelt es sich um den zweiten Roman der Reihe.

Handlung und Hintergründe
Bonds neue Mission führt ihn nach New York, wo er gegen einen gewissen afroamerikanischen Gangsterboss namens „Mr Big“ ermitteln soll. Dieser Gangster, dessen tatsächlicher Name Buonapart Ignace Gallia lautet, soll nicht nur Goldmünzen aus dem Schatz des auf Jamaica aktiven Piraten Henry Morgan verkaufen, sondern damit auch die russische Spionageabwehrorganisation SMERSH, mit der Bond bereits während des Vorgängerromans „Casino Royale“ unangenehme Bekanntschaft gemacht hat, finanziell unterstützen. Also begibt sich Bond nach Harlem, wo er abermals mit dem CIA-Agenten Felix Leiter zusammenarbeitet. Die beiden beginnen die Nachtclubs, die Mr Big betreibt, zu untersuchen, werden aber erwischt und von Mr Bigs Leuten gefangen genommen. Um mehr über Bond herauszufinden, befragt Mr Big seine Wahrsagerin Solitaire, die jedoch zu Bonds Gunsten lügt, da sie Mr Big entkommen möchte und sich von 007 Hilfe erhofft. So kommt Bond wieder auf freien Fuß.

Später nimmt Solitaire Kontakt zu Bond auf. Die beiden begeben sich nach St. Petersburg, Florida, wo Bond und Leiter weiter ermitteln. Dort werden sowohl Solitaire als auch Leiter von Mr Bigs Männern gefangengenommen – der CIA-Agent soll an Haie verfüttert werden, überlebt aber, auch wenn er dabei einen Arm und ein Bein verliert. Bond kommt zu spät, um Mr Big zu ergreifen, es gelingt ihm aber, einen der Handlanger des Gangsters, Robber, zu töten. Um Mr Big und seinen Handel mit Piratengold endgültig zu stoppen, begibt sich 007 nach Jamaica, wo er, talentierter Geheimagent der er ist, schnell das Gerätetauchen erlernt, um so in Mir Bigs geheime Insel eindringen zu können. Dort trifft er die gefangene Solitaire wieder und mit Hilfe einer Miene gelingt es ihm, Mr Big auszuschalten, der schließlich seinerseits von Haien gefressen wird.

Ian Fleming verarbeitete viele seiner eigenen Erfahrungen und Ansichten in die Bond-Romane – „Live and Let Die“ ist da keine Ausnahme. Sowohl Bonds Ankunft in New York am Anfang als auch das Gerätetauchen am Ende basieren auf Erfahrungen, die Fleming selbst machte, die Idee des Piratenschatzes als Handlungsauslöser stammt aus dem Errol-Flynn-Film „Captain Blood“ (1935), den Fleming sehr schätzte und während Bonds Aufenthalt auf Jamaica merkt man, wie sehr die Insel Fleming am Herzen lag – schließlich befindet sich dort sein Anwesen Goldeneye. Stilistisch knüpft Fleming nahtlos an seinen Erstling an, bemüht sich aber, Bond als Figur etwas sympathischer und nahbarer zu zeichnen (mit gemischten Erfolgen). Zudem findet sich hier bereits deutlich mehr Grandeur als in „Casino Royale“. Während die Schauplätze in Flemings Erstling noch recht beschränkt ist, sodass die Szenen beinahe kammerspielartig anmuten, sind die Schauplätze mit Harlem, St. Petersburg und Jamaica deutlich variantenreicher und eindrücklicher.

Context Is King
Zwischen Roman und Film liegen bei „Live and Let Die“ zwar nicht ganz so viele Jahrzehnte wie bei „Casino Royale“, aber doch immerhin knapp zwanzig Jahre. Fleming greift direkt zu Beginn die Ereignisse aus „Casino Royale“ wieder auf und versucht den Plot von „Live and Let Die“ über Mr Bigs SMERSH-Kontakte mit seinem Erstling zu verknüpfen, dabei handelt es sich aber letztendlich nur um Kosmetik um zu erklären, weshalb der MI6 überhaupt gegen Mr Big ermittelt. Auch Vesper Lynds Tod spielt eine ziemlich untergeordnete Rolle, gerade im Vergleich zur „anderen“ Fortsetzung „Quantum of Solace“ (der Film, nicht die Kurzgeschichte). Das Konzept des „Bond-Girls“, das in jedem Abenteuer ein anderes ist, wird mit Solitaire hier endgültig etabliert. Insgesamt ist „Live and Let Die“ allerdings eher unspektakulär, nicht zuletzt, weil alles nicht so recht zusammenpassen will: Der Plot um das Piratengold wirkt unpassend, viele Aspekte, etwa der Voodoo-Kult um Mr Big, werden nur angeschnitten, verlaufen dann aber im Sand und Solitaire ist als Figur uninteressant bis nervig und primär dazu da, um sich Bond an den Hals zu werfen und natürlich, um am Ende gerettet zu werden. Das Finale, in dem Bond sich mit diversen Fischen herumschlagen muss, kommt reichlich albern daher und zudem ist „Live and Let Die“ fürchterlich schlecht gealtert. Vielleicht hatte Fleming vor, hier eine Art Milieustudie vorzulegen, aber dafür fehlt ihm jegliche Sensitivität. Zugegeben, nach dem Maßstab der 50er war er wohl nicht außergewöhnlich rassistisch, sondern eher auf der gemäßigten Seite, aber aus heutiger Perspektive wirken selbst die Vorträge über die Leistungen der „schwarzen Rasse“ bestenfalls patronisierend. Bestenfalls. Immerhin ist es von Vorteil, die deutsche Übersetzung zu konsumieren, da Fleming im Original wohl stark mit einem eher merkwürdigen Akzent für die afroamerikanischen Charaktere arbeitet. Wer zudem auf das Vorkommen des Wortes „Neger“ auch in älteren Werken allergisch reagiert, dem sei von der Lektüre abgeraten. Generell ist „Live and Let Die“ ein Bond-Roman, den man getrost überspringen kann, wenn man sie nicht alle gelesen haben will oder sich für die Vorlage des Films interessiert.

Dieser entstand natürlich in einem völlig anderen Kontext und war nicht nur Bonds achte Mission, sondern eben auch Roger Moores Debüt. Dementsprechend fehlen die Verknüpfungen zu „Casino Royale“ und SMERSH – die Organisation wurde in den Filmen ohnehin zumeist durch SPECTRE ersetzt, was hier aber auch nicht geschieht, da Blofeld und SPECTRE wegen des Rechtsstreits um „Thunderball“ nicht mehr verwendet werden durften – im Film arbeitet Mr Big völlig autonom.

Zudem beginnt mit „Live and Let Die“ die Tendenz, massive Zugeständnisse an aktuelle Filmtendenzen zu machen. In den frühen 70ern waren Blaxploitation-Filme wie „Shaft“ gerade en vogue, dementsprechend adaptiert „Live and Let Die“ viele Stilelemente dieses Genres, dreht sie aber gewissermaßen um. Blaxploitation wird gerne als „black power fantasy“ beschrieben – da Bond hier als Weißer aber gegen eine Gruppe ausschließlich schwarzer Schurken kämpft, wirkt es eher, als würde er sie aus Sicht des British Empire „auf ihren Platz zurückverweisen“. Ich denke nicht, dass das als explizite Aussage von „Live and Let Die“ oder als bewusste Genre-Subversion gedacht ist, aber die Implikation ist zweifelsohne vorhanden. Dementsprechend ist auch der Film nur bedingt besser gealtert als der Roman.

Plotelemente und Figuren
Die Handlung des Films „Live and Let Die“ basiert nur sehr lose auf dem gleichnamigen Roman, Regisseur Guy Hamilton und Drehbuchautor Tom Mankiewicz bedienen sich nur einiger Figuren und Handlungselemente und ändern den Rest ohne zu zögern ab. Piratengold spielt im Film keine Rolle, stattdessen steht der Drogenhandel im Vordergrund und es sind die Morde an mehreren britischen Agenten, die Bond in Amerika ermitteln lassen. Zudem ist Mr Big (Yaphet Kotto) nicht „nur“ ein New Yorker Gangster mit einem Zweitwohnsitz auf Jamaica, stattdessen handelt es sich bei „Mr Big“ nur um eine Tarnidentität des Premierministers der fiktiven Inselnation San Monique, dessen Name nicht Buonapart Ignace Gallia, sondern Dr. Kananga lautet. Dementsprechend ist auch nicht das echte Jamaica, sondern San Monique einer der Schauplätze des Films – gedreht wurde allerdings tatsächlich auf Jamaica. Der Beginn des Films mit Bonds Ankunft in New York, dem Treffen mit Felix Leiter (David Hedison), den ersten Ermittlungen und der Gefangennahme durch Mr Big ist noch verhältnismäßig nah am Roman, danach divergieren die Handlungen aber endgültig voneinander und haben vom gemeinsamen Personal abgesehen kaum mehr etwas miteinander gemein.

Der zweite Akt des Films findet auf San Monique statt, im dritten wird New Orleans ein Besuch abgestattet, bevor das Finale wieder auf San Monique stattfindet. Die Handlung ist relativ dünn und dient vor allem dazu, diverse Setpieces, für die der Film primär in Erinnerung geblieben ist, miteinander zu verknüpfen, primär das eingangs erwähnte Bootsrennen, die Krokodilfarm und das Finale in Kanangas unterirdischem Unterschlupf. Anstatt Piratengold zu verkaufen, will Kananga über seine Restaurants mehr Heroiensüchtige erschaffen, indem er den Stoff umsonst abgibt. Natürlich müssen sie anschließend bezahlen. Zum Abbau beutet er die Bevölkerung von San Monique aus.

Das Spiel mit den Doppelidentitäten des Schurken, der als Kananga San Monique regiert und als Mr Big mit Gesichtsmaske den Gangster mimt, ist eine Erweiterung der Romanfigur, die sie tatsächlich interessanter und vielschichtiger macht Yaphet Kotto als Darsteller tut sein übriges, um dafür zu sorgen, dass die Filmfigur ihrem Gegenstück eindeutig überlegen ist. Solitaire (Jane Seymour) dagegen entspricht ihrem Romangegenstück noch am ehesten, ist zwar ein wenig aktiver und bekommt mehr zu tun, muss aber am Ende trotzdem von Bond gerettet werden – sie profitiert vor allem von ihrer Darstellerin Jane Seymour, die ihr immerhin mehr Profil verleiht, als das Romangegenstück besitzt. Interessanterweise werden die übernatürlichen Elemente im Film noch stärker betont, zusätzlich zu Solitaires Wahrsagekünsten, die tatsächlich zu funktionieren scheinen, spielt auch der legendäre Baron Samedi (Geoffrey Holder), der im Roman lediglich erwähnt wird, eine Rolle. Bei diesem scheint es sich zuerst um einen Schauspieler zu handeln, der für Kananga arbeitet, das Ende des Films impliziert jedoch, dass er eine tatsächliche übernatürliche Wesenheit ist. Diesbezüglich ist „Live and Let Die“ bislang der einzige Bond-Film, der so offensichtlich mit dem Übernatürlichen flirtet.

Die meisten Nebenfiguren stammen zumindest dem Namen nach aus dem Roman, gerade was Kanangas Handlanger Whisper (Earl Jolly Brown) und Tee Hee Johnson (Julius W. Harris) angeht. Ein interessanterer Fall ist Quarrel jr. (Roy Stewart). Die Figur Quarrel wird in Flemings Roman eingeführt und taucht in „Dr. No“ wieder auf, wo sie das zeitliche segnet – ebenso wie in der Filmadaption besagten Romans. Da die Filmversion von „Live and Let Die“ aber nach „Dr. No“ spielt, macht man die Figur zum Sohn des in „Dr. No“ verstorbenen Quarrel (dort gespielt von John Kitzmiller). Felix Leiters Rolle wurde im Vergleich zum Roman reduziert und er wird auch nicht von einem Hai angefallen – dieses Schicksal blüht ihm erst in „Licence to Kill“. Timothy Daltons zweiter und letzter Auftritt als Bond adaptiert nicht nur dieses sowie einige andere Handlungselemente und Details, sondern bringt sogar David Hedison als Leiter zurück, nachdem dieser in „The Living Daylights“ von John Terry gespielt wurde. Damit ist David Hedison übrigens der erste Schauspieler, der Leiter mehr als einmal gespielt hat. Jeffrey Wright ist der zweite. Rosie Carver (Gloria Hendry) schließlich wurde extra für den Film geschaffen und ist die erste Schwarze, mit der Bond ins Bett steigt – leider ist die Figur nicht nur inkompetent, sondern auch noch eine Verräterin, was den Film abermals eher schlecht altern lässt. Auch Sheriff J. W. Pepper (Clifton James), der in „The Man with the Golden Gun” einen weiteren Auftritt spendiert bekam, wurde extra für den Film geschaffen.

Und schließlich hätten wir noch Bond selbst. Wie erwähnt wollte Fleming Bond in diesem Roman weniger rau und zugänglicher gestalten, was aber primär darin resultiert, dass er uninteressanter ist. Anders als in „Casino Royale“ gibt es keine nennenswerte Charakterentwicklung – was gerade auch im Bereich der Filme nicht unbedingt selten ist. Bond ist zumeist eine relativ statische Figur, er verändert sich nicht besonders – leider besitzt „Live and Let Die“ als Roman nicht genug „Futter“, um das auszugleichen. Der Film hingegen muss Roger Moore als neuen Bond etablieren, wobei Eon Productions und Regisseur Guy Hamilton hier einen anderen Weg wählten als bei „On Her Majesty’s Secret Service“ – dort versuchte man, auf Teufel komm raus immer wieder an Connerys Darstellung der Figur anzuknüpfen und dem Publikum George Lazenbys „Bondness“ unter die Nase zu reiben. Im Vergleich dazu wird Moores Bond recht zurückhaltend vorgestellt, bestellt im ganzen Film keinen Vodka-Martini und braucht ziemlich lange, um sich zum ersten Mal als „Bond, James Bond“ vorzustellen. Trotzdem fühlt es sich so an, als hätten sich die Drehbuchautoren noch nicht so recht mit Moores Bond vertraut gemacht; in „Live and Let Die“ und „The Man with the Golden Gun“ finden sich immer wieder Szenen, die eher zu Connery als zu Moore gepasst hätten, erst mit „The Spy Who Loved Me“ scheinen sie den richtigen Tonfall gefunden zu haben.

Soundtrack

„Live and Let Die“ war nicht nur Roger Moores Debüt als James Bond, es handelt sich dabei auch um den ersten Film seit „Dr. No“, für den John Barry nicht den Score komponierte. Nachdem Sean Connery die Rolle hinter sich ließ, erschien es Barry als der richtige Zeitpunkt, ihm in dieser Hinsicht zu folgen, nicht zuletzt wegen kreativer Differenzen zwischen Barry und Produzent Harry Saltzman. Für den Titelsong konnte Paul McCartney gewonnen werden, ein Künstler dieser Größenordnung sorgte allerdings dafür, dass das Budget für den Score dieses Mal deutlich kleiner ausfiel, sodass ein Komponist in Barrys Preisklasse ohnehin problematisch geworden wäre, weshalb man sich für die naheliegendste Lösung entschied und den „fünften Beatle“ George Martin anheuerte, der nicht nur viele Lieder der Beatles arrangiert und produziert hatte, sondern auch Erfahrung im Filmbereich besaß. Martin orientierte sich durchaus an den von Barry etablierten Stilmitteln, gestaltete den Score allerdings deutlich zeitgenössischer, was andere Komponisten dieser Ära wie Marvin Hamlish oder Bill Conti emulieren sollten. Man könnte seinen Ansatz auch mit „James Bond Goes Funky“ beschreiben – was gerade im Kontext dieses Films allerdings relativ gut funktioniert; Martins Rock- und Jazz-Sensibilität passt ziemlich gut zur Blaxploitation-Thematik. Zudem gelang es Martin, eine gute Balance zwischen seinem Stil und dem Barrys herzustellen, sodass die Musik immer noch eindeutig nach Bond klingt. Strukturell orientierte sich Martin durchaus an den Vorgängern, er komponierte ein gelungenes Thema für Solitaire und integrierte die Melodie des Titelsongs auf effektive Weise in den Score. Zudem hatte er keine Probleme, sich des James-Bond-Themas zu bedienen, tatsächlich taucht es in „Live and Let Die“ deutlich häufiger auf als in den meisten Barry-Scores; auf dem Album findet sich kaum ein Track, in dem nicht zumindest die chromatische Akkordfolge auftaucht. Paul McCartneys Titelsong ist natürlich über jeden Zweifel erhaben, definitiv einer der besten der gesamten Filmreihe. McCartney gelang es, stilistisch etwas Eigenes zu schreiben, dass nicht wie der „typische“ Barry-Song klingt, aber doch zugleich unverkennbar Bond ist.

Fazit
Ein weiteres Mal ist die Filmadaption gelungener als der Roman – beide Versionen von „Live and Let Die“ sind allerdings aufgrund des Milieus und der Thematik relativ schlecht gealtert. Während Ian Flemings Roman nach allgemeinem Dafürhalten als einer der schlechtesten der Reihe gilt, hat der Film als Roger Moores Debüt deutlich mehr Fans, weiß besser zu unterhalten und verarbeitet die Figuren und Elemente besser als der Roman.

Siehe auch:
Art of Adaptation: Casino Royale

Quantum of Solace – Soundtrack

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Track Listing:

01. Time to Get Out
02. The Palio
03. Inside Man
04. Bond in Haiti
05. Somebody Wants to Kill You
06. Greene and Camille
07. Pursuit at Port Au Prince
08. No Interest in Dominic Greene
09. Night at the Opera
10. Restrict Bond’s Movements
11. Talamone
12. What’s Keeping You Awake
13. Bolivian Taxi Ride
14. Field Trip
15. Forgive Yourself
16. DC3
17. Target Terminated
18. Camille’s Story
19. Oil Fields
20. Have You Ever Killed Someone?
21. Perla de las Dunas
22. The Dead Don’t Care About Vengeance
23. I Never Left
24. Another Way to Die – performed by Jack White and Alicia Keys

„Quantum of Solace“ ist David Arnolds bis dato letzter Score für einen James-Bond-Film – allerdings nicht sein letzter Beitrag zum Franchise insgesamt, da er an den Scores der Spiele „GoldenEye 007: Reloaded“ und „007 Legends“ zumindest beteiligt war und u.a. neue Arrangements der klassischen Songs GoldenEye (für Nicole Scherzinger) und Goldfinger (als Instrumentalstück) schrieb. Daniel Craigs zweiter Auftritt als 007 ist deutlich weniger beliebt als der direkte Vorgänger, was von diversen Faktoren abhängt, sei es das Drehbuch, das z.T. während Dreharbeiten von Craig und Regisseur Mark Foster überarbeitet werden musste, weil in Hollywood gerade die Drehbuchautoren streikten, Fosters erratische Action-Szenen, die „Quantum of Solace“ endgültig wie einen Jason-Bourne-Film wirken ließen, oder der Mangel an typischen Bond-Elementen, die dieses Mal nicht dekonstruiert und hinterfragt, sondern einfach weggelassen wurden.

Und während mit David Arnold immerhin ein routinierter Franchise-Profi den Score komponierte, beschloss man auch beim Titelsong, neue Wege zu gehen. Bei Another Way to Die handelt es sich um das erste Duett der Filmreihe, komponiert von Jack White und performt von White und Alicia Key. Ähnlich wie bei Die Another Day und anders als bei You Know My Name wurde David Arnold abermals nicht ins Boot geholt, sodass Song und Score als relativ unabhängige Entitäten funktionieren. Zumindest auf dem Papier ist Whites Ansatz nicht der schlechteste: Wie schon You Know My Name und so viele andere Songs wurde auch Another Way to Die auf Basis der chromatischen Akkordfolge des James-Bond-Themas komponiert, White versah ihn sogar hier und da mit einigen „bondigen“ Verzierungen in der Instrumentierung. Trotz dieses Ansatzes funktioniert dieser Hip-Hop-Ansatz für einen Bond-Song einfach nicht besonders gut, auch wenn Another Way to Die bei Weitem nicht so unterirdisch ist wie Madonnas Beitrag zur Filmserie. Tatsächlich äußerte sich Arnold durchaus positiv über den Song und bemühte sich immerhin, ihn trotz des Mangels an tatsächlich melodischem Material das eine oder andere Mal im Score zu zitieren, etwa in Field Trip, wo er ihn mit einer Retro-Variation des Bond-Themas interagieren lässt, in The Inside Man, am Anfang von Somebody Wants to Kill You oder in Greene and Camille ab 1:52. Dies sind allerdings sehr subtile Referenzen, die nur bei genauem Hinhören auffallen.

Ansonsten macht Arnold trotz seiner Wertschätzung dieses Liedes allerdings keine Anstalten, sich ihm auch stilistisch anzunähern. Tatsächlich knüpft er diesbezüglich direkt an „Casino Royale“ an, was ja auch durchaus sinnvoll ist, handelt es sich bei „Quantum of Solace“ doch um ein direktes Sequel. Wie im Vorgänger bemüht sich Arnold um eine gelungene Balance zwischen Orchester und elektronischen Elementen. Leitmotivisch ist „Quantum of Solace“ wahrscheinlich Arnolds bislang komplexester und anspruchsvollster Bond-Score. Das größte Problem ist, dass ihm eine eindeutige Identität fehlt, denn nach wie vor wird das Bond-Thema nur sehr zögerlich eingesetzt, anders als in „Casino Royale“ gibt es aber keinen wirklich befriedigenden und markanten Ersatz.

Das klassische Thema des Franchise taucht in „Quantum of Solace“ tatsächlich häufiger auf als in „Casino Royale“; selbst diverse Scores aus John Barrys Feder waren damit deutlich sparsamer („A View to a Kill“ kommt da beispielsweise in den Sinn). Das Problem ist, dass der „normale“ Filmzuschauer es wohl nur selten heraushören wird, denn Arnold variierte, fragmentiert und versteckt das ikonische Thema. Die deutlichste Version ist, wie beim Vorgänger, am Ende des Films zu hören. Statt den Film selbst eröffnet die Gun-Barrel-Sequenz hier nun den Abspann, untermalt von einer klassischen Version des Themas, die der aus „Casino Royale“ so ähnlich ist, dass sie nicht auf dem Album auftaucht. Alle weiteren Statements sind deutlich subtiler und zum Teil ziemlich verfremdet.

Bereits Time to Get Out, der furiose Action-Track, der Album und Film eröffnet, ist um die chromatische Akkordfolge herum aufgebaut und klingt aufgrund seiner quäkenden Blechbläser äußerst „bondisch“. Ganz am Ende zitiert Arnold kurz Vic Flicks klassisches E-Gitarren-Solo – natürlich ohne E-Gitarre. Mit E-Gitarre, aber dennoch sehr verfremdet und regelrecht ausgefranzt erklingt dieses Element auch in Bond in Haiti. In Pursuit at Port au Prince ist das Bond-Thema am deutlichsten zu vernehmen, bei 4:46 setzt die oft als „Swing-Section“ bezeichnete Melodie des Bond-Themas ein, kurz darauf ist die chromatische Akkordfolge subtil in der Begleitung zu hören und auch das E-Gitarren-Solo gibt sich noch einmal die Ehre, allerdings von Streichern gespielt, während E-Gitarre nur einige Akzente beisteuert. Weitere subtile und maskierte Fragmente des Bond-Themas sind in Talamone, Bolivian Taxi Ride und dem bereits erwähnten Field Trip zu hören. Die chromatische Akkordfolge dominiert die zweite Hälfte von Oil Fields und ist zudem auch in Perla de las Dunas und I Never Left vernehmbar.

Das Bond-Thema ist allerdings nicht das einzige wiederkehrende Leitmotiv, denn auch Verspers Thema aus „Casino Royale“ bleibt uns erhalten, sodass wir stets an die Tragödie des vorherigen Films erinnert werden. Prominent vertreten sind die Piano-Klänge durchgehend in What’s Keeping You Awake und in der zweiten Hälfte von Forgive Yourself. Eine Andeutung findet sich zudem am Ende von Camille’s Story und in I Never Left unterlegt Arnold das tragische Leitmotiv mit der chromatischen Akkordfolge des Bond-Themas. Ich bin sicher, Arnold hätte auch das You-Know-My-Name-Thema weiterverwendet, ich vermute hinter dessen Abwesenheit rechtliche Probleme, allerdings kann es auch sein, dass er sich lediglich an die klassische Bond-Formel halten und die Melodie des Titelliedes auch nur im zugehörigen Film verwenden wollte. Eine Anspielung auf das „Proto-Bond-Thema“ findet sich allerdings in Talamone, als Bond mit Mathis eine Figur aus „Casino Royale“ aufsucht.

Hinzu kommen drei neue Leitmotive, eines für das von Olga Kurylenko gespielte Bond-Girl Camille, eines für die finstere Organisation Quantum und eines für Bonds Gemütszustand, das als primäres Thema des Scores fungiert. Dieses aus sechs Noten bestehende Motiv, das sowohl Rachegelüste als auch Trauer symbolisiert, wird bereits in Time to Get Out bei 2:57 vorgestellt und zieht sich durch die erste Hälfte des Scores; vor allem in den Action-Tracks ist es sehr prominent vertreten, in The Palio taucht es beispielsweise bei 2:05, 2:51 und 3:05 auf. Auch in Pursuit at Port au Prince ist es bei 4:36 zu hören und noch einmal, von romantischen Streichern gespielt, bei 5:20. Talamone ist trotz der kurzen Dauer von gerade einmal 35 Sekunden einer der besten Tracks des Albums, da Arnold hier das Bond-Thema, das You-Know-My-Name-Thema und das, nennen wir es mal „Rache-Motiv“, zu einem höchst eleganten Hybriden vermengt. Leider glänzt besagtes Motiv in der zweiten Hälfte des Scores eher durch Abwesenheit, taucht aber noch einmal am Anfang von I Never Left auf.

Das enigmatische Thema der schurkischen Quantum-Organisation debütiert in Somebody Wants to Kill You, hier noch, genau wie die Organisation selbst, maskiert und versteckt hinter einer etwas exzentrischen Instrumentierung. Deutlicher tritt es in Greene and Camille zutage, wo es ab 1:20 von ominösen Blechbläsern gespielt wird. Eine besonders harsche Abwandlung findet sich um die Zweiminutenmarke herum in Pursuit at Port au Prince. Die wohl prominentesten Einsätze finden sich in Night at the Opera, der ganze Track ist vom Quantum-Thema regelrecht durchzogen. Arnold bedient sich hier einer stark an John Barry erinnernden Instrumentierung, die gewisse Parallelen zur Weltraummusik aus früheren Bond-Filmen aufweist – ein gutes Beispiel ist Capsule in Space aus „You Only Live Twice“. Weitere Einsätze finden sich zudem am Anfang von Target Terminated und in Perla de las Dunas bei 2:55 und noch einmal bei 6:55 – hier gespielt von einer einsamen Trompete, die Dominic Greenes Schicksal widerspiegelt. Zudem erklingt in Time to Get Out bei 1:20 ein an Goldfinger erinnerndes Belchbläsermotiv, bei dem es sich um eine stark variierte Version des Quantum-Themas handeln könnte – da bin ich mir allerdings nicht sicher, es könnte auch eine zufällige Ähnlichkeit sein.

Und schließlich hätten wir noch Camilles Thema. Dieses wird oft auf der Panflöte gespielt und taucht erstmals in Greene & Camille bei 0:34 auf, ebenso wie im passend betitelten Camille’s Story, in welchem es mehrfach mit Vespers Thema interagiert. Ein weiterer Einsatz findet sich am Anfang von Have You Ever Killed Someone? und bei 5:20 in Perla de las Dunas.

Die verschiedenen Motiv des Scores werden von Arnold auf sehr kreativ und einfallsreiche Art und Weise variiert und kombiniert, was es in letzter Konsequenz aber ziemlich schwer macht, sie herauszuhören. Das Rache- und Trauer-Motiv mag als Hauptthema fungieren, ist aber deutlich weniger markant als das You-Know-My-Name-Thema und wird auch weniger prominent eingesetzt, sodass, bei all den vielen faszinierenden Details in Leitmotivik und Instrumentierung, oft ein zusammenhaltender Identitätstifter fehlt. Gerade beim finalen Action-Track Perla de las Dunas fällt auf, dass er äußerst mäandernd und unfokussiert daherkommt und deutlich hinter den beiden Eröffnungsstücken Time to Get Out und The Palio zurückbleibt – dasselbe ließe sich eigentlich über die gesamte zweite Hälfte des Scores sagen.

Das kommerzielle Album lässt abermals relativ wenig Wünsche offen, dieses Mal ist sogar der Song enthalten (obwohl es ihn dieses Mal meinetwegen nicht unbedingt gebraucht hätte). Auf auffälligsten ist wahrscheinlich das fehlen der Gun-Barrel-Musik, die zwar einerseits mit The Name Is Bond… James Bond aus „Casino Royale“ praktisch identisch ist, andererseits aber einen schönen Abschluss für das Album geschaffen hätte. Ein zusätzliches Stück wurde außerdem online veröffentlicht, es handelt sich dabei um die Abspannmusik, die den Titel Crawl, End Crawl trägt; ein primär elektronisches Stück, performt von Kieran Hebden alias „Four Tet“, in dem das eine oder andere Mal das Rachemotiv auftaucht.

Eine interessante Anekdote zu „Quantum of Solace“ bleibt noch zu erwähnen: Für Shirley Basseys Album „The Temptation“ (2009) komponierte David Arnold den Song No Good about Goodbye, der auf dem Rachemotiv des Quantum-Scores basiert und in dessen Text, der von keinem geringerem als Bond-Song-Veteran Don Black verfasst wurde, zu allem Überfluss auch noch das Wort „solace“ auftaucht (von der passenden inhaltlichen Thematik gar nicht erst zu sprechen). David Arnold dementiert zwar, dass es sich hierbei um einen potentiellen Song für „Quantum of Solace“ handelt, aber er passt wirklich ausgezeichnet zum Score – deutlich besser jedenfalls als Another Way to Die.

Fazit: „Quantum of Solace“ ist David Arnolds wohl komplexester und leitmotivisch ausgefeiltester Bond-Score, zugleich bleibt er aber aufgrund der mangelnden zentralen Identität und dessen unpassenden Songs von Jack White und Alicia Keys hinter „Tomorrow Never Dies“ und „Casino Royale“ zurück.

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Siehe auch:
Casino Royale – Soundtrack
Die Top 15 Variationen des James-Bond-Themas

Casino Royale – Soundtrack

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Track Listing:

01. African Rundown
02. Nothing Sinister
03. Unauthorised Access
04. Blunt Instrument
05. CCTV
06. Solange
07. Trip Aces
08. Miami International
09. I’m the Money
10. Aston Montenegro
11. Dinner Jackets
12. The Tell
13. Stairwell Fight
14. Vesper
15. Bond Loses It All
16. Dirty Martini
17. Bond Wins It All
18. The End of an Aston Martin
19. The Bad Die Young
20. City of Lovers
21. The Switch
22. Fall of a House in Venice
23. Death of Vesper
24. The Bitch is Dead
25. The Name’s Bond… James Bond

Nach langer Wartezeit und vielen Verschiebungen kommt Bond Nummer 25, „No Time to Die“, am 30. September (vermutlich) in die deutschen Kinos. Mit diesem Film feiert nicht nur Daniel Craig seinen Abschied als 007, zugleich gibt Hans Zimmer seinen Einstand als letzter einer langen Reihe profilierter Komponisten, die für den Agenten mit der Lizenz zum Töten Musik schrieben. Wie so oft stellt sich die Frage: Wird Hans Zimmer sich dem Bond-Sound anpassen oder stattdessen den Sound in seine Komfortzone bringen? Wie dem auch sei, dieses Ereignis ist in jedem Fall Grund genug, sich noch einmal ausführlich mit den bisherigen vier Scores der Craig-Ära zu beschäftigen, beginnend natürlich mit „Casino Royale“.

Obwohl Bond Nummer 21 in fast jeder Hinsicht ein Neuanfang war, gehört die Musik zu den wenigen Aspekten, bei der man auf Bewährtes setzte: David Arnold hatte bereits die Scores von drei der vier Brosnan-Filme geschrieben, in „Tomorrow Never Dies“ den Bond- bzw. Barry-Sound erfolgreich in die Moderne gebracht (und nebenbei meiner bescheidenen Meinung nach den nach wie vor gelungensten Score der Filmreihe komponiert), es dann in „The World Is Not Enough“ und vor allem „Die Another Die“ mit der elektronischen Manipulation des Orchesters und den Techno-Elementen etwas übertrieben. Für „Casino Royale“, ein Film, der ohne die vielen technischen Spielereien und Gadgets auskommen musste, die die Filmreihe so lange dominierten, entschloss sich Arnold, wieder zu einem organischeren Sound zurückzukehren.

Strukturell ist das Album ein wenig unausgewogen, was aber dem Film geschuldet ist. Da der erste Akt von Action dominiert ist, finden sich die beiden großen Action-Tracks, African Rundown und Miami International, ebenfalls ziemlich am Anfang, während sich in der Mitte einige eher unspektakuläre Suspense-Stücke tummeln, die das Kartenspiel im Zentrum der Story untermalen, unterbrochen lediglich vom äußerst dissonanten und frenetischen Stairwell Fight. Gegen Ende hin liegt der Fokus dann wieder mit Tracks wie The End of an Aston Martin, The Switch oder Fall of a House in Venice auf der Action, kombiniert mit einigen romantischeren Interludien, primär City of Lovers.

Zentrales Element eines jeden Bond-Films ist fraglos der Titelsong. Wann immer John Barry für die Musik eines Bond-Films verantwortlich war, komponierte er zumeist auch den Titelsong, sodass er ihn zu einem zentralen und identitätsstiftenden Teil des Scores machen konnte. Nach Barrys Abgang erwies sich die Bilanz allerdings als durchwachsen. Arnold strebte stets das Barry-Modell an, in „Tomorrow Never Dies“ wurde sein Song Surrender allerdings in den Abspann verbannt, in „The World Is Not Enough“ ging die Rechnung auf und an der Ausgeburt, die Madonna für „Die Another Die“ ablieferte, war Arnold nicht beteiligt. Für „Casino Royale“ hingegen arbeitete er mit Singer/Songwriter Chris Cornell (leider 2017 verstorben) zusammen und die beiden lieferten mit You Know My Name eines der besten und rockigsten Lieder des Franchise ab, das sich darüber hinaus bei der Konzeption des Scores als essentiell erwies.

In seinen bisherigen Bond-Soundtracks für die Brosnan-Filme zeigte Arnold selten Hemmungen beim Einsatz des klassischen James-Bond-Themas – für Daniel Craig wählte er allerdings einen anderen Ansatz. Da es sich hierbei um eine Origin-Story für Bond handelte, war Arnold der Meinung, er habe sich das Bond-Thema noch nicht verdient. Aus diesem Grund fungiert die Melodie von You Know My Name als Proto-Bond-Thema. Wie so viele anderen Songs der Filmreihe basiert auch dieser auf dem Bond-Thema, adaptiert bestimmte Elemente, primär die chromatische Akkordfolge, versteckt und verfremdet sie aber.

Das Bond-Thema selbst erklingt in seiner kompletten Form (und in glorreichem neuen Arrengement) lediglich im letzten Track The Name’s Bond… James Bond, als sich 007 Mister White mit genau diesen Worten vorstellt, Arnold deutet das Thema aber bereits vorher immer wieder an, meistens durch den Einsatz der chromatischn Akkordfolge. Diese Idee ist nicht völlig neu, bereits George Martin bediente sich in „Live and Let Die“ primär dieses Bestandteils des Themas und ließ es ausgiebig mit der Melodie von Paul McCartneys Titellied interagieren. Da You Know My Name ohnehin auf besagter Akkordfolge basiert, kann Arnold diese Motive sehr elegant ineinander übergehen lassen oder sie in Kontrapunkt zueinander setzen. Wann immer Bond im Film etwas besonders „bondiges“ tut, deutet Arnold das klassische Thema auf diese Weise an. Bonds Ankunft auf den Bahamas wird in Blunt Instrument auf diese Weise untermalt, bei 1:18 setzt die chromatisch Akkordfolge ein und fungiert als Begleitung des You-Know-My-Name-Themas, das ab 1:41 dann aber vollständig übernimmt. Als Bond den Aston Martin im Kartenspiel mit Alex Dimitrios gewinnt, erklingt in Trip Aces ebenfalls die chromatisch Akkordfolge, dieses Mal solo (1:26). Auch in Dinner Jackets, als Bond zum ersten Mal in seinem ikonischen Outfit zu sehen ist, reichert Arnold das You-Know-My-Name-Thema um Elemente des Bond-Themas an (1:07). Zudem ist die chromatische Akkordfolge bei Bonds beiden „Siegesmomenten“ zu hören, einmal in Dirty Martini, als er den vergifteten Drink überlebt (3:28) und das andere Mal in Bond Wins It All, als er Le Chiffre im Poker besiegt (3:54) – hier abermals in Kombination mit dem You-Know-My-Name-Thema. Eine besonders frenetische Action-Variation erklingt zudem in Fall of a House in Venice (1:27).

Das You-Know-My-Name-Thema beweist im Verlauf des Scores allerdings mehrfach, dass es gar nicht auf Fragmente des Bond-Themas angewiesen ist, um exzellent zu funktionierten. Bereits in seinem Debüt auf dem Album macht es einen ausgezeichneten Eindruck. African Rundown ist ohnehin eines der Vorzeigestücke von „Casino Royale“, ein ebenso atemloser wie bombastischer sechsminütiger Action-Track, in dem Arnold gekonnt klassische Bond-Instrumentierung mit exotischen Percussions mischt und die Melodie des Titelsongs immer wieder auf brillante Weise einbindet. Auch im doppelt so langen, aber leider nicht ganz so genialen Miami Airport ist das You-Know-My-Name-Thema ein gern gesehener Gast, taucht bereits direkt am Anfang auf und schaut im Verlauf des Stückes immer wieder vorbei, etwa bei 2:35 etwas zurückhaltender oder bei 8:25, gespielt von gequälten Blechbläsern. Eine besonders üppige und romantisch getragene Version findet sich in Aston Montenegro bei 0:35. Im hinteren Drittel des Scores wird das You-Know-My-Name-Thema stärker fragmentiert und dekonstruiert, etwa im bereits erwähnten Fall of a House in Venice. Bevor die bislang deutlichste Version der chromatischen Akkordfolge erklingt, wird die chaotische Action-Musik immer wieder durch Fragmente des Proto-Bond-Themas angereichert, sehr deutlich zu vernehmen ab 1:12. Eine tragische Version ist zudem zu Beginn von The Death of Vesper zu hören.

Apropos Vesper, ihr ist das andere essentielle Thema des Scores gewidmet. Hierbei handelt es sich um eine klassisch anmutende Klaviermelodie mit einem Hauch Tragik, die zum ersten Mal am Anfang von Dinner Jackets erklingt und natürlich besonders prominent im Track Vesper vertreten ist; dieser untermalt die Duschszene. Die üppigste Variation erklingt in City of Lovers, hier gespielt von Streichern und Holzbläsern. Vespers Tod erhält eine äußerst tragische Variation im passend betitelten The Death of Versper, hier kehrt auch das Klavier wieder zurück. Interessanterweise stirbt dieses Thema allerdings nicht mit der Figur. In The Bitch Is Dead spielt Arnold die Klaviermelodie im Kontrapunkt zu einem besonders brütenden Fragment des You-Know-My-Name-Themas und zudem macht er es zu einem wichtigen Bestandteil des Scores von „Quantum of Solace“. Bonds sekundäres Love Interest, Solange, erhält ebenfalls ein Motiv, eine romantische Streichermelodie in bester Barry-Manier, die den Track Solange dominiert und am Anfang von Trip Aces erklingt.

Zum Schluss noch ein paar Worte zur Albensituation: Was den Score angeht, ist diese eigentlich ziemlich gut, mit knapp 75 Minuten finden sich fast alle wichtigen Highlights auf dem Album. Zusätzlich wurden über iTune eine Reihe von Bonus-Tracks veröffentlicht, sodass tatsächlich fast alle Musik aus dem Film kommerziell erhältlich ist. Bei diesen Bonustracks handelt es sich allerdings wirklich nicht um essentielle Bestandteile, auch wenn der eine oder andere Track durchaus ganz interessant ist, etwa das dissonante Licence: 2 Kills, das die schwarzweiße Pre-Credits-Szene untermalt oder Mongood vs. Snake, bei dem es sich quasi um die isolierten Percussions aus African Rundown handelt. Dennoch, ihr Fehlen auf dem Album ist verzeihlich – wer ein fokussierte Präsentation der Musik vorzieht, kann durchaus überlegen, einige der kürzeren Suspense-Stücke wie Unauthorized Acces oder CCTV aus der Playlist zu löschen. Unverzeihlich hingegen ist, dass aufgrund von Rechte-Rangeleien You Know My Name nicht auf dem Album zu finden ist. Angesichts der Rolle, die das Lied im Kontext des Scores spielt, ist es eine Schande, dass man sich dieses separat zulegen muss – eine ungünstiges Novum in der Filmreihe, das sich bei „Skyfall“ und „Spectre“ allerdings wiederholen sollte, in beiden Fällen war der Titelsong nicht auf dem Album zu finden.

Fazit: Mit „Casino Royale“ komponierte David Arnold sowohl einen der besten Scores seiner Zeit als Bond-Komponist und auch einen der besten der Filmreihe und verhalf Daniel Craigs zu einem grandiosen Start als 007.

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Siehe auch:
Art of Adaptation: Casino Royale
Top 15 Variationen des James-Bond-Themas

Stück der Woche: Surrender (Tomorrow Never Dies)

1995 begründete „GoldenEye“ erfolgreich eine neue Ära für James Bond, sowohl der Film selbst als auch Pierce Brosnan und der Titelsong von Tina Turner kamen gut bei Fans und Publikum an. Lediglich ein Aspekt konnte nicht überzeugen: Der Score von Éric Serra, der schlicht zu experimentell, zu synthetisch und zu wenig Bond war. Für Brosnans zweiten Bond-Film, „Tomorrow Never Dies“, der 1997 in die Kinos kommen sollte, folgte man bei Eon Productions deshalb einer Empfehlung des Bond-Maestros John Barry und engagierte den jungen, aufstrebenden Komponisten David Arnold, der sich mit den Roland-Emmerich-Filmen „Stargate“ und „Independence Day“ bereits einen Namen gemacht hatte. Für Bond hatte er sich allerdings durch das Album „Shaken and Stirred: The David Arnold James Bond Project“ empfohlen. Für dieses Album arbeitete Arnold mit diversen Künstlern wie Propellerhead oder David McAlmont zusammen, für die er die beliebtesten Songs des Franchise neu arrangierte.

Arnold ist nun bei Weitem nicht der erste Barry-Nachfolger im Franchise – während der 70er alternierte der Maestro mit Komponisten wie George Martin, Marvin Hamlish und Bill Conti und nach seinem endgültigen Ausstieg aus der Filmreihe folgten ihm Michael Kamen und der bereits erwähnte Éric Serra. Arnold dürfte allerdings der erste Barry-Fan sein, der einen Bond-Film vertonte – dementsprechend passt er seinen Kompositionsstil dem des Altmeisters in weitaus stärkerem Maße an, als es seine Vorgänger taten, ohne dass die Musik dabei jedoch zur reinen Pastiche verkommt. Zentrales Element eines jeden Bond-Scores von John Barry ist natürlich der Titelsong, an dessen Komposition Barry meistens beteiligt war, was zur Folge hatte, dass die Melodie des Songs oft auch eine starke Präsenz im Score hatte. Auch hier ging man bei den beiden direkten Vorgängern von „Tomorrow Never Dies“ andere Wege: Weder Kamen noch Serra waren an der Komposition der jeweiligen Lieder beteiligt und integrierten sie auch nicht in ihre Scores. David Arnold hingegen schrieb zusammen mit David McAlmont und Bond-Veteran Don Black nicht nur einen Song, der schließlich von k.d. lang eingesungen wurde, sondern integrierte die melodischen Bestandteile in bester Barry-Manier in den Score. Unglücklicherweise entschloss man sich dann allerdings bei Eon Productions, besagten Song in den Abspann zu verbannen und eine prestigeträchtigere Künstlerin für den Vorspann zu gewinnen: Sheryl Crow. Zusammen mit ihrem Produzenten Mitchell Froom komponierte Crow das Lied Tomorrow Never Dies, dessen Melodie schon allein aufgrund der knapp bemessenen Zeit keinen Eingang mehr in Arnolds Score fand. Ein wenig erinnert die Situation an „Thunderball“ – bei Sean Connerys viertem Einsatz als Bond wurde der ursprüngliche Song, Mr. Kiss Kiss Bang Bang, ebenfalls verworfen, allerdings war es hier Barry selbst, der Thunderball für Tom Jones als Ersatz komponierte.

Tomorrow Never Dies kann man nun beileibe nicht zu den schlechtesten Bond-Songs rechnen, gerade wenn man, sagen wir, Madonnas Die Another Day zu Vergleichszwecken heranzieht. Der von Arnold ursprünglich konzipierte Song, der nun den Titel Surrender bekam, ist Crows und Mitchells Komposition allerdings eindeutig überlegen. Dieser trieft geradezu vor „Bondismen“ und beginnt direkt mit den typischen, schnarrenden Goldfinger-Bläsern, die Melodie und k.d. langs Gesang erinnern an Shirley Basseys Beiträge zum Franchise und alles in allem verfügt Surrender über eine treibende Energie, die Tomorrow Never Dies leider fehlt. Zudem macht sich Arnolds Komposition exzellent als Thema im Score.

Hierbei gilt es zu beachten, dass Bond-Scores selten wirklich strikt leitmotivisch vorgehen – besonders, was die Song-Melodien angeht. Manchmal lassen sie sich zwar eindeutig zuordnen, so ist etwa You Know My Name in „Casino Royale“ James Bonds Leitmotiv, bis er sich das eigentlich Bond-Thema verdient hat, und nicht selten fungieren die emotionaleren Lieder als Liebesthema, oft aber dienen die Melodien nur als vage Story- oder Actionthemen. So ist es auch hier. Arnold bedient sich zweier Bestandteile des Lieds, der Brücke zwischen den Versen, bei der es sich um die bereits erwähnte, Golfinger-esque Fanfare handelt, und der eigentlichen Melodie. Beide tauchen gerne in den opulenten Actiontracks des Scores auf. Bereits im Eröffnungsstück White Knight, einem der besten Action-Tracks der gesamten Filmreihe, macht Arnold ausgiebig Gebrauch von beiden Motiven und lässt sie mit dem Bond-Thema interagieren. Bei 5:45 taucht eine besonders schöne Version der Fanfare auf, bei 7:02 eine weitere, hier unterlegt mit der chromatischen Akkordfolge des Bond-Themas. Kurz darauf, bei 7:10 ist schließlich die eigentliche Surrender-Melodie zu hören und erklimmt sofort epische Höhen.

Ebenfalls zu hören ist die Surrender-Melodie, dieses Mal zurückhaltender und fragmentierter, in 10 *-3-* Send. Deutlich beeindruckender sind allerdings die Versionen, die in Backseat Driver auftauchen. Hier kollaborierte Arnold nach seinem Album „Shaken and Stirred“ ein weiteres Mal mit Propellerhead – der Track beinhaltet denselben pulsierenden, elektronischen Rhythmus, der bereits in ihrem Remix des OHMSS-Themas zum Einsatz kam. Zusätzlich wirft Arnold diverse orchestrale Ausbrüche des Bond-Themas und der beiden Surrender-Motive in den Mix, die Fanfare erklingt etwa bei 0:35 und die Melodie taucht bei 1:40 auf und knüpft an den Einsatz aus White Knight an. Eine romantische Variation der Melodie findet sich darüber hinaus in Kowloon Bay (1:07), angereichert durch asiatische Instrumentierung, die den Handlungsort Saigon repräsentieren soll.

Erwähnenswert ist zudem das Album „Bond for Orchestra“, für das Carl Davis und andere orchestrale Arrangements der Bond-Songs aufbereiteten. Sheryl Crows Tomorrow Never Dies ignorierte man dabei nonchalant und schuf stattdessen eine schöne Surrender-Themen-Suite, die in keiner Tomorrow-Never-Dies-Playlist fehlen sollte.

Siehe auch:
Top 15 Variationen des James-Bond-Themas
The Musik of James Bond
Stück der Woche: On Her Majesty’s Secret Service Theme

Stück der Woche: On Her Majesty’s Secret Service Theme

Mit „Dr. No“ und „From Russia with Love” experimentierte man noch ein wenig, gerade was die Titelsequenz angeht: Im allerersten Bond erklingt lediglich das von Monty Norman und John Barry komponierte Bond-Thema über dem Vorspann. „From Russia with Love“ verfügt bereits über ein Lied mit dem Filmtitel, dieses erklingt, zumindest in der von Matt Monro gesungenen Version, allerdings nicht über dem Vorspann, an dieser Stelle ist eine instrumentale Adaption von Barry zu hören, während der eigentliche Song From Russia with Love mehrmals im Film gespielt wird. Erst mit „Goldfinger“ wurde die Bond-Formel perfektioniert und wird seither rigoros befolgt – mit einer Ausnahme. Bei dieser Ausnahme handelt es sich um „On Her Majesty’s Secret Service“, den sechsten Film der Reihe, der 1969 ins Kino kam. Da George Lazenby hier zum ersten (und auch letzten) Mal Bond spielen würde, war es den Produzenten Harry Saltzman und Alber R. Broccoli und dem Regisseur Peter Hunt besonders wichtig, dem Publikum zu vermitteln, dass da zwar nicht mehr Sean Connery auf der Leinwand zu sehen war, aber doch ganz sicher James Bond; das versuchten sie unter anderem auch über die Musik. John Barry erlebte zu diesem Zeitpunkt ein Karrierehoch, 1968 hatte er für „The Lion in Winter“ seinen dritten Oscar gewonnen – aus diesem Grund gewährte man Barry bei diesem, seinem fünften Bond-Score, relativ freie Hand.

Normalerweise beinhaltet der Titelsong des Films auch den Titel, für „On Her Majesty’s Secret Service“ entschied man sich jedoch aufgrund der sperrigen Formulierung dagegen. Barry machte sich stattdessen für ein rein instrumentales Hauptthema stark und konnte sich durchsetzen. Mit We Have All the Time in the World, gesungen von Louis Armstrong, verfügt „On Her Majesty’s Secret Service” zwar auch über ein traditionelles Lied, dieses wird aber nicht über der Titelsequenz gespielt, sondern im Film selbst als Liebeslied bzw. Liebesthema für Bond und seine Flamme Tracy verwendet. Das Titelthema des Films ist in der Reihe definitiv eine Besonderheit, das besonders durch die Instrumentierung auffällt. Ein zentrales Element dieses Themas (und des Scores) ist der Moog-Synthesizer, entwickelt von und benannt nach Robert Moog. Zu Beginn des Films wird bereits der Teil des James-Bond-Themas, der normalerweise von der E-Gitarre gespielt wird, auf dem Moog-Synthsizer gespielt, um George Lazenby so seine eigene Version des Themas zu geben.

Im On Her Majesty’s Secret Service Theme (OHMSS-Thema) bilden die Klänge des Moog-Synthesizers die Grundlage, der aus vier Noten bestehende, marschartige Begleitrhythmus wird auf ihm gespielt, während die eigentlich Melodie von den Blechbläsern kommt. Das sorgt für einen interessanten Kontras; Barry verknüpft hier klassische Marschelemente, die zum Titel des Films passen, mit den modernen Synth-Klängen und erschafft so ein äußerst einnehmendes Thema, das sofort im Ohr bleibt. Nach der Titelsequenz legt das OHMSS-Thema allerdings erst einmal eine längere Pause ein; die erste Hälfte des Films wird von We Have All the Time in the World dominiert, das oft in als Instrumentalfassung erklingt. Erst, nachdem Bond Blofelds Klinik infiltriert hat und aus dieser wieder entkommen muss, erklingt das OHMSS-Thema ein weiteres Mal (Escape from Piz Gloria).

Wie um die vorherige Abwesenheit auszugleichen, benutzt Barry das Thema als primäre Untermalung fast aller Action-Szenen. Der vielleicht prägendste Einsatz findet sich in Ski Chase, welches, der Name des Track verrät es, die legendäre Ski-Verfolgungsjagd untermalt. Eine Suspense-lastigere Variation des Themas, das auf die Moog-Begleitung verzichtet, ist darüber hinaus in Over & Out zu hören. Für die finale Action-Szene, Tracys Rettung durch Bond und Dracos Männer, komponierte Barry ursprünglich ebenfalls einen Track, der sich des OHMSS-Themas in der bislang frenetischsten Version bedient, diese ist jedoch im fertigen Film nicht zu hören. Stattdessen entschloss man sich, die Original-Aufnahme des Bond-Themas aus „Dr. No“ einzusetzen, worüber Barry nicht allzu glücklich war.

Bei den Einsätzen im Film fällt auf, dass Barry das Thema relativ selten wirklich variiert, meistens spielt er es mehrmals hintereinander. Selbstverständlich finden sich hier und da kleinere Änderungen in der Instrumentierung oder Überbrückungssektionen, aber gerade im Vergleich zu Tracks späterer Bond-Filme wie White Knight („Tomorrow Never Dies“), in denen David Arnold munter sowohl mit dem Bond-Thema als auch seinen eigenen Motiv spielt, sie herumjongliert und sie in Kontrapunkt zueinander setzt, fällt auf, wie „eingleisig“ Barry diesbezüglich fährt. Natürlich besteht aber auch die Möglichkeit, dass dies der Zeit geschuldet ist; Filmmusikkomposition dieser Art war in den späten 60ern vielleicht schlicht nicht Gang und Gäbe.

Apropos David Arnold: Arnolds Einstieg in die Bond-Welt war bekanntermaßen das Album „Shaken and Stirred: The David Arnold James Bond Project“, das Cover-Versionen diverser Bond-Songs, von David Arnold neu arrangiert und produziert, enthält. Darunter findet sich auch das OHMSS-Thema; hierfür kollaborierte Arnold mit dem englischen Duo Propellerheads, bestehend aus Will White und Alex Gifford. Arnold lieferte eine neu orchestrierte und eingespielte Version des Themas, die er zusammen mit den beiden Electronica-Künstlern bearbeitete. Ich muss zugeben – ich bin kein Fan des Endprodukts, so wie ich generell kein Fan von elektronischer Musik bin. Es gibt Fälle, in denen ich die Bearbeitung durchaus tolerieren kann, hier ist es mir aber schlicht zu viel. Dennoch ist das Stück definitiv interessant, da es sich um keine „Reinversion“ des OHMSS-Themas handelt, sondern fast schon um ein Bond-Medley. Der Track beginnt mit dem Fanfaren-Motiv James Bond Is Back aus dem Titelstück von „From Russia with Love“, das Arnold später auch in „Tomorrow Never Dies“ verwenden sollte, zusätzlich ist auch das Weltraum-Thema aus „You Only Live Twice“ (Capsule in Space) ab 4:48 zu hören und Fragmente des Bond-Themas, primär die chromatische Akkordfolge, tauchen auch immer wieder auf. Mehr noch, der elektronische Rhythmus, der bei 1:47 einsetzt, ist ein Vorgriff auf den Track Backseat Driver aus „Tomorrow Never Dies“, für den Arnold abermals mit Propellerheads zusammenarbeitete.

Auf Youtube findet sich zusätzlich auch die „Reinversion“ dieses Tracks, also die orchestrale Basis ohne jegliche Bearbeitung, elektronische Beats und Synth-Effekte. Diese Version sagt mir deutlich mehr zu, vor allem, da Arnold die Orchestrierung ebenso behutsam wie gelungen modernisiert hat. Das wird vor allem bei den Blechbläsern deutlich, die stark nach „Goldfinger“ klingen, was dem OHMSS-Thema sehr gut zu Gesicht steht. Die Einspieler der chromatischen Akkordfolge fehlen zwar, aber sowohl James Bond Is Back zu Beginn als auch das Weltraum-Thema (ab 2:52) sind vorhanden. Ich möchte fast sagen: Die auf diese Weise instrumentierte Version ist meine Lieblingsvariation des Themas.

Leider wurde das OHMSS-Thema bislang in keinem weiteren Bond-Film aufgegriffen, was ich verdammt schade finde. Allerdings wurde es das eine oder andere Mal für Trailer bemüht. Der erste Trailer zu Disneys und Pixars „The Incredibles“ bedient sich beispielsweise Barrys Komposition. „The Incredibles“ mag eine Superheldenparodie sein, musikalisch klingen sie aber nach den Geheimagenten-Scores der 60er von Barry und Henry Mancini. Tatsächlich wollte man nicht nur den Bond-Sound für „The Incredibles“, sondern Barry selbst, dieser hatte allerdings keine Lust, eine Pastiche seiner Bond-Scores zu komponieren, weshalb man letztendlich mit Michael Giacchino auskommen musste, der der Aufgabe allerdings vollständig gewachsen war. Gerade im End-Credits-Stück The Incredits hört man die Einflüsse des OHMSS-Themas immer wieder sehr deutlich.

Auch in einem der Trailer für den bislang aktuellsten Bond-Film „Spectre“ („No Time to Die“ lässt ja nach wie vor auf sich warten) wurde das OHMSS-Thema, wenn auch subtil und modernisiert, verwendet, was im Vorfeld zur Spekulation einlud, ob es wohl auch im Score auftauchen würde. Leider sah Thomas Newman keine Veranlassung, Barrys Komposition im fertigen Film zu verwenden, trotz der inhaltlichen und inszenatorischen Parallelen. Man fragt sich, ob David Arnold sich des Themas wohl bedient hätte. Ein bombastischer Action-Track im Stil von White Knight, in dem das OHMSS-Thema mit dem Bond-Thema interagiert wäre eine feine Sache gewesen…

Siehe auch:
Top 15 Variationen des James-Bond-Themas
The Music of James Bond

The Music of James Bond

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Da Filmmusik abseits der großen Leinwand zumeist ein Nischenprodukt ist, muss man sich auch nach der entsprechenden Fachliteratur etwas länger umsehen. Selbst in einem angesehenen Franchise wie „The Lord of the Rings“ wurde Doug Adams‘ grandioses „The Music of the Lord of the Rings Films” (das ich jedem, der sich für Howard Shores Musik auch nur marginal interessiert, unbedingt ans Herz lege) noch nicht einmal ins Deutsche übersetzt. Mit anderen Worten: Wer über Filmmusik lesen möchte, muss sich oft auf seine Englischkenntnisse verlassen. Das trifft auch auf das (mit Ausnahme von Harry Potter) britischste aller Film-Franchises zu: James Bond. Die wahrscheinlich langlebigste Blockbuster-Filmreihe hat eine ebenso faszinierende wie vielseitige musikalische Geschichte vorzuweisen, beginnend mit der Frage, wer das James-Bond-Thema eigentlich komponiert hat (Monty Norman oder John Barry) über die Erschaffung des typischen Bond-Sounds und die mitunter legendären Titellieder bis hin zu den Scores des neuen Jahrtausends von David Arnold und Thomas Newman. Ähnlich wie bei der Musik für Mittelerde existiert auch hier so etwas wie ein definitives Werk: „The Music of James Bond“, verfasst vom Filmjournalisten und Universitätsdozenten Jon Burlingame.

Anders als das zumindest in Ansätzen vergleichbare Werk von Doug Adams konzentriert sich Burlingame stärker auf die Entstehungsgeschichte und das Hinter-den-Kulissen-Material – wer tiefschürfende musikalische Analysen sucht, wird wohl eher enttäuscht werden. Eine Besprechung der Musik findet zwar durchaus statt, ist aber auf fortlaufende graue Streifen auf dem unteren Drittel der Seite reduziert, während sich der Haupttext mit den sonstigen Hintergründen und der Entstehung der jeweiligen Filmmusik beschäftigt. Burlingame setzte sich mit allen Bond-Soundtracks von „Dr. No“ bis „Skyfall“ auseinander, inklusive der beiden inoffiziellen (will heißen, nicht von Eon Productions produzierten) Bonds „Casino Royale“ (1967) und „Never Say Never Again“ (1983). Der Fokus liegt, wie bereits erwähnt, auf der Produktionsgeschichte: Wie kam der jeweilige Song zustande, welchen Ansatz verfolgte der Komponist, mischten sich die Produzenten in irgendeiner Form ein und wie wurden Film, Score und Song rezipiert? Angereichert werden die Berichte durch eine Vielzahl an Aussagen der Beteiligten, die mitunter höchst interessant sind und einen faszinierenden Einblick hinter die Kulissen geben. Produzent Harry Saltzman, neben Albert „Cubby“ Broccoli einer der Väter des Bond-Film-Franchise, sagten beispielsweise diverse der von John Barry komponierten Songs nicht zu, darunter auch Goldfinger, nach wie vor DER Bond-Song schlecht hin. Auch wollte Saltzman nicht, dass Paul McCartney Live and Let Die singt. Zumeist konnte sich jedoch Broccoli durchsetzen, was generell großen Erfolg nach sich zog.

Besonderer Fokus liegt natürlich auf John Barry – da der leider 2011 verstorbene Maestro alleine für elf Bond-Scores verantwortlich war und auch seinen Teil zum Titelthema beitrug (auch wenn es nach wie vor ausschließlich Monty Norman zugeschrieben wird), ist das sehr gut nachvollziehbar. Burlingame schildert anschaulich, wie sich der Bond-Sound entwickelt hat und wie Barry beim Komponieren vorging. Was mich beispielsweise besonders fasziniert hat: Barry komponierte die Melodien für die Bond-Songs meistens zuerst und gab sie dann dem jeweiligen Lyriker (oft Don Black), der anschließend die Texte schrieb. Normalerweise kennte man das eher umgekehrt. Aber auch die anderen Komponisten, von Monty Norman („Dr. No“) über George Martin („Live and Let Die“), Marvin Hamlisch („The Spy Who Loved Me“), Bill Conti („For Your Eyes Only”), Michael Kamen („Licence to Kill”), Éric Serra („GoldenEye”) bis zu David Arnold („Tomorrow Never Dies” bis „Quantum of Solace”) und Thomas Newman („Skyfall”) werden angemessen behandelt. Burlingame spart auch nicht an Details zu Konflikten und Kontroversen in der Produktion der Musik – besonders interessant ist nach wie vor der GoldenEye-Score, bei dem Serras Musik für die zentrale Actionszene durch eine Komposition des für die Orchestrierung zuständigen John Altman ersetzt wurde.

Die eigentliche Musikanalyse bleibt dagegen, zumindest im Vergleich zu „The Music of the Lord of the Rings Films“, eher oberflächlich, es werden keine Notenbeispiele gegeben und auch bezüglich der musikalischen Fachtermini hält sich Burlingame zurück – was jedoch nicht unbedingt als Schwäche des Buches ausgelegt werden muss. Ohnehin eignet sich die Musik der Bond-Filme nicht unbedingt für die tiefschürfende leitmotivische Analyse, die Doug Adams vollzogen hat. Und natürlich gibt es deutlich mehr Bond- als LotR-Filme, sodass eine wirklich ausgiebige musiktheoretische Auseinandersetzung noch einmal deutlich umfangreicher hätte ausfallen müssen. „The Music of the James Bond Films“ richtet sich eher an Fans mit Interesse an der Musik als an ein Fachpublikum – und als solches ist das Werk rundum gelungen.

Fazit: Von „Dr. No“ bis „Skyfall“ – in „The Music of James Bond” liefert Jon Burlingame faszinierende Informationen zu den Songs und Soundtracks des James-Bond-Filme. Burlingame bietet zwar keine tiefschürfende musikalische Analyse, sondern legt den Fokus auf die Entstehung und die Hintergründe der Musik, aber dennoch (oder gerade deshalb) ist sein Buch für jeden Bond- oder Filmmusikfan sehr empfehlenswert.

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Siehe auch:
Top 15 Variationen des James-Bond-Themas

Top 15 Variationen des James-Bond-Themas


Das James-Bond-Thema ist das wohl ikonischste und langlebigste Thema der Filmmusik – so gut wie jeder hat diese Melodie schon einmal gehört und kann sie zuordnen, selbst wenn man noch nie einen James-Bond-Film gesehen hat. Mehr noch, es ist der Beweis, dass ein Thema für verschiedene Inkarnationen einer Figur exzellent funktionieren kann – vom selbstironischen und mitunter fast lächerlichen Roger-Moore-Bond bis hin zu grimmigen, geerdeten Daniel-Craig-Bond. Viele Komponisten haben das Thema bereits auf ihre eigene Art adaptiert und interpretiert. Mit dem anstehenden, aber mehrfach wegen Corona verschobenen „No Time to Die“ darf sich nun auch Hans Zimmer zu dieser illustren Riege zählen. Freilich kann man nur raten, wie Zimmers Herangehensweise aussieht – wird er seinen Stil dem Franchise anpassen oder umgekehrt? Erwartet uns ein Bond/Ineception-Hybrid oder kommt die opulent-verspielte Seite zum Einsatz, die er zuletzt bei „Wonder Woman 1984“ zeigte? Ein Stück (das diesen Beitrag eröffnen darf) wurde bislang veröffentlicht, aber dabei handelt es sich um eine relativ „gewöhnliche“ Version des Themas, die auch bspw. von John Arnold hätte stammen können und wohl relativ wenig Rückschlüsse zulässt.

Wie dem auch sei, ein Grund für die Langlebigkeit des Bond-Themas dürften auch die vielen Bestandteile sein, die dafür sorgen, dass es sich so gut variieren, auseinandernehmen und wieder zusammensetzen lässt. Da wären das E-Gitarren-Solo, die Fanfare, die eigentliche Melodie und die chromatische Akkordfolge (vier aufwärts, einer abwärts) – besondere Letztere wird nur allzu gerne dazu verwendet, Bond-Assoziationen zu erzeugen und ist Bestandteil vieler, vieler Bond-Songs; von Goldfinger bis Skyfall. Lange Rede, kurzer Sinn: Das Bond-Thema ist ein äußerst lohnenswertes Sujet. Und da das Internet bekanntermaßen Top-Listen liebt, gibt es hier nur meine Top 15 Variationen des James-Bond-Themas, inklusive der Honourable und Dishonourable Mentions (jeweils zwei nach Jahreszahl geordnet). Ich habe beschlossen, mich auf Versionen des Bond-Themas zu beschränken, die auch tatsächlich in den Filmen vorkommen oder zumindest für diese komponiert wurden und Cover wie die von Moby oder Oakenfold beiseite zu lassen (sie wären wohl ohnehin nicht in meiner Bestenliste gelandet).

Honourable Mentions

007-Thema (John Barry, „From Russia with Love”)

Für die Honourable Mentions habe ich mir etwas besonderes ausgedacht. Natürlich hätte ich noch mehr Variationen aus den 24 Bond-Filmen (von Spielen und sonstigen Cover-Versionen gar nicht erst zu sprechen) auswählen können, stattdessen möchte ich aber zwei Alternativen präsentieren, zwei Leitmotive, die ebenfalls James Bond repräsentieren; man könnte von sekundären Leitmotiven für die Figur sprechen. Das erste dieser sekundären Themen ist das 007-Thema, das man vielleicht am besten als Action- oder Abenteuer-Thema für Bond beschreiben kann. John Barry komponierte es für „From Russia with Love“, den zweiten Bond-Film und den ersten, den er komplett vertonte. Primär ist es mit Connerys Bond verknüpft, da es in jedem folgenden Film mit ihm (außer „Goldfinger“, das wären „Thunderball”, „You Only Live Twice” und „Diamonds Are Forever”) wieder auftauche, Roger Moore kam in „Moonraker“ allerdings auch einmal in den Genuss. Diese Melodie ist, anders als das Bond-Thema, nicht allzu gut gealtert und würde, zumindest ohne signifikante Veränderung, in einem modernen Score mit seinen Blechbläserstößen und dem Tanz-Rhythmus wohl sehr merkwürdig und altbacken wirken. Dennoch ist es ein interessantes Stück Bond-Musikgeschichte und ich zweifle nicht daran, dass es einem kompetenten Komponisten gelingen könnte, es zu modernisieren.

Proto-Bond (David Arnold, „Casino Royale”)

Nach dem ziemlich desaströsen „Die Another Day“ beschloss man Eon Productions, Bond mit „Casino Royale“ nicht nur einen Reboot zu verpassen, sondern auch erstmals seine Origin-Story zu erzählen. Abermals wurde David Arnold als Komponist verpflichtet; mit drei Bond-Scores konnte man ihn zu diesem Zeitpunkt bereits als Veteran bezeichnen. Arnold und Regisseur Martin Campbell beschlossen, dass sich Bond sein ikonisches Thema in diesem Film erst verdienen muss. Als alternatives Leitmotiv für 007 fungiert stattdessen die Melodie des Titelsongs You Know My Name von Chris Cornell, an dessen Komposition Arnold beteiligt war. Wie bei so vielen anderen Bond-Songs auch findet sich die DNS des Bond-Themas überall, von den Instrumentierung bis zur subtilen Integration der chromatischen Akkordfolge; es ist eine verwandte, aber dennoch separate Melodie. Dieses Proto-Bond-Thema taucht überall im Film auf, etwa als Action-Variation im grandiosen African Rundown (zum Beispiel bei 0:48, 1:12 und 2:25) oder als Streicher-Arrangement in bester Barry-Tradition in Aston Montenegro (0:35). Besonders interessant sind freilich die Szenen, in denen Bond das erste Mal etwas für die Figur typisches tut und Arnold das Proto-Bond-Motiv mit deutlich erkennbaren Fragmenten des eigentlichen Themas kombiniert, etwa in Blunt Instrument (1:18, hier ist die chromatische Akkordfolge zu hören) oder Dinner Jackets (1:07, primär der Rhythmus, aber auch ein Fragment der Melodie). Das alles sorgt dafür, dass der Score von „Casino Royale“ eine sehr eigenständige Identität hat, die zwar vom Hauptthema der Serie separiert, aber doch ganz eindeutig Bond ist.

Dishonourable Mentions

Bond 77 (Marvin Hamlisch, „The Spy Who Loved Me”)

Natürlich kann es auch nach hinten losgehen, wenn Komponisten versuchen, das Bond-Thema zu modernisieren und sich zu Eigen zu machen. In „The Spy Who Loved Me“, mit einem Score von Marvin Hamlish, wird das Bond-Thema funky – zu funky für meinen Geschmack. Diese Tendenz findet sich bereits in anderen Bond-Filmen der 70er-Jahre, hier tritt es jedoch am deutlichsten hervor. Mein Problem dabei ist vor allem, dass der Track bis auf zwei drei Einspielungen von Fragmenten des Bond-Themas nichts mit ihm zu tun hat. Es ist ein relativ generischer Disco-Track, in dem bei 0:20, 1:08 und 2:57 die chromatische Akkordfolge und bei 1:15 das E-Gitarren-Solo erklingt. Am Ende verbreiten die durch „Goldfinger“ stets mit dem Bond-Sound assozierten plärrenden Trompeten noch ein wenig Feeling, aber das rettet den Track auch nicht mehr.

A Plesant Drive Through St. Petersburg (Éric Serra, „GoldenEye”)

Es ist schon faszinierend: Martin Campbell inszenierte die Debütfilme zweier neuer Bond-Darsteller. „Casino Royale“ hat, wie oben subtil angedeutet, einen der besten Scores des Franchise – „GoldenEye“ hat den schlechtesten. Was Éric Serra für Pierce Brosnans ersten Film komponiert hat, ist ein Verbrechen am Franchise. Diese Art des elektronischen Komponierens mag für Luc-Besson-Film passen (tatsächlich meine ich mich zu erinnern, dass Serras Score in „The Fifth Element“ durchaus gut funktioniert hat), bei Bond ist sie jedoch völlig fehl am Platz. Den meisten Komponisten gelingt es, eine gewisse Balance zwischen ihrem Sound und dem Standard des Franchise zu finden, Serra hingegen scheint sich nicht einmal zu bemühen. In nur zwei Tracks auf dem Album wird das Bond-Thema überhaupt verwendet. The GoldenEye Orverture ist schon grässlich, wenn auch im Kontext des Films noch in Ansätzen erträglich, aber A Pleasant Drive Through St. Petersburg ist einfach nur noch furchtbar, so prozessiert und stumpf bearbeitet, dass vom Bond-Sound, dem Thema oder dem Orchester, das angeblich mitwirkte, kaum mehr etwas übrigbleibt. Tatsächlich rebellierten die Verantwortlichen für den Soundmix des Films, weshalb dieses Stück, das das große Action-Set-Piece, die Panzerfahrt durch St. Petersburg untermalt, ersetzt wurde (dazu später mehr). Dieser Umstand ist umso tragischer, als Tina Turners GoldenEye wirklich ein exzellenter Bond-Song ist, der einen passenden Score verdient hätte.

Top 15 Variationen

Platz 15: James Bond Theme (Monty Norman, John Barry, „Dr. No”)

Das mag vielleicht wie Ketzerei erscheinen, aber ja, das Original belegt den letzten Platz. Natürlich ist es der wichtigste Eintrag der Liste, denn sonst gäbe es alle anderen Einträge nicht, aber Fakt ist dennoch, ich höre mir diese Version aus „Dr. No“ sehr selten an. Tatsächlich geht mir das mit einigen Themen so, auch beim Imperialen Marsch gibt es wirklich Dutzende von Variationen, die ich dem „Original“ (bzw. der Themen-Suite auf dem Empire-Album) vorziehe. Dennoch wäre jede derartige Top-Liste ohne das Original nicht komplett, zumal es hier eine wirklich interessante Hintergrund-Story gibt. Die eigentliche Melodie stammt von Monty Norman, der hierfür das Lied Good Sign, Bad Sign aus einem nicht veröffentlichten Musical recycelte. Regisseur und Produzenten waren vom Ergebnis allerdings nicht allzu begeistert, weshalb sie John Barry arrangierten, der das Stück neu instrumentierte, einige der essentiellen Elemente, etwa die chromatische Akkordfolge, beifügte und damit zugleich den jazzigen Big-Band-Stil des Bond-Franchise zementierte. Diese „Zusammenarbeit“ führte zu einem Rechtsstreit zwischen Norman und Barry, wer denn nun eigentlicher Komponist des Bond-Thema ist. Letztendlich wurde es Norman zugesprochen, aber dass Barry den „Bond-Sound“ definiert hat, dürfte niemand bestreiten. Es reicht schon, sich den von Monty Norman komponierten Score für „Dr. No“ anzuhören, der nicht wirklich nach Bond klingt. Tatsächlich verwendet oder variiert Norman das Thema kaum, stattdessen wird nur immer wieder die Standard-Version eingespielt. Es ist bezeichnend, dass Norman nach „Dr. No“ nie wieder an einem Bond-Film arbeitete, während Barry nicht nur das Sequel „From Russia with Love“ vertonte, sondern auch noch die Scores zu zehn weiteren Bond-Filmen bis 1987 komponierte. Gerade im Vergleich zu vielen der späteren Adaptionen des Themas, nicht nur von anderen Komponisten, sondern auch von Barry selbst, wirkt das Original inzwischen allerdings recht altbacken und schlicht uninteressant, darum auch nur Platz 15.

Platz 14: Talamone (David Arnold, „Quantum of Solace”)

Ähnlich wie in „Casino Royale“ wurde auch in Daniel Craigs zweitem, deutlichem schwächerem Bond-Film „Quantum of Solace“ der Einsatz des Bond-Themas größtenteils vermieden. Das Problem ist, dass es, anders als in „Casino Royale“, keinen adäquaten Ersatz gibt. „Quantum of Solace“ ist beileibe kein schlechter Score, verblasst jedoch im Vergleich zum direkten Vorgänger, gerade weil ihm eine zentrale Identität fehlt – Another Way to Die, der fürchterliche Song von Alicia Keyes und Jack White, an dem Arnold nicht beteiligt war, gibt auch nicht viel her. Was das Bond-Thema angeht, neben der Gun-Barrel-Sequenz am Ende, die allerdings eine bereits vorhandene Version verwendet, die nicht einmal neu eingespielt wurde, taucht es vor allem in Fragmenten auf, gerade in Action-Tracks wie Time to Get Out oder The Palio hört man immer wieder Anklänge in der Instrumentierung oder dem Rhythmus, ohne dass es ein eindeutiges Statement gäbe. Einen ähnlichen Weg wählte Beispielsweise Richard Jaques in seinem äußerst gelungenen Score für das Spiel „James Bond: Blood Stone“. Eines der deutlicheren Zitate des Themas findet sich in dem nur knapp über 30 Sekunden dauernden Track Talamone, in dem Arnold nicht nur den Rhythmus und die chromatische Akkordfolge des Bond-Themas verwendet, sondern auch das Proto-Bond-Thema aus „Casino Royale“ noch einmal bemüht und das Motiv für die verbrecherische Organisation Quantum dazu mischt. Ein kleiner, aber leitmotivisch köstlicher Leckerbissen für Filmmusikfans.

Platz 13: Oddjobs Pressing Engagement (John Barry, „Goldfinger”)

Eigentlich ist die Version, die in Oddjobs Pressing Engagement in „Goldfinger“ zu hören ist, eine relativ typische Variation, die auch nur 25 Sekunden geht. Was hier von Bedeutung ist, ist das Zusammenspiel mit der Melodie des Titelsongs – man könnte hier schon fast von der Blaupause sprechen. Fast ausnahmslos basieren die besten Bond-Songs auf dem musikalischen Aushängeschild des Franchise oder arbeiten zumindest Elemente in ihre melodisches oder harmonisches Gefüge ein. Im Idealfall stammt der Song vom Score-Komponisten und fungiert auch als Hauptthema des Films – ganz so, wie es hier der Fall ist. Dieser Track zeigt, wie wunderbar das Thema und die Goldfinger-Melodie miteinander harmonieren und ineinander übergehen können. Nebenbei etablierte Barry in „Goldfinger“ gleich die plärrenden Trompeten als unverzichtbaren Bestandteil des Bond-Sounds. Auch wenn die Goldfinger-Melodie zumindest in den Filmen meines Wissens nach nicht wieder aufgegriffen wurde, die spezifischen Blechbläser, die Barry Shirley Bassey an die Seite stellte, taten es aber sehr wohl.

Platz 12: Chateau Fight (John Barry, „Thunderball”)

In den frühen Bond-Filmen finden sich noch relativ wenig Variationen, die wirklich hervorstechen, die meisten Einsätze orientieren sich sehr stark am Original-Track aus „Dr. No“. In Bond-Nummer 4, „Thunderball“, taucht eine der ersten wirklich frenetischen Action-Bearbeitungen des Themas auf, natürlich von John Barry persönlich, der vor allem mit diesem Score und dem vorangegangenen „Goldfinger“ endgültig den Bond-Sound gefestigt hatte. „Thunderball“ konzentriert sich insgesamt eher auf die Action-Aspekte, während Barrys üppige, oft Streicher-lastige romantische Musik vielleicht ein wenig zu kurz kommt. Chateau Fight ist das ideale Beispiel, nach einem eher ruhigen Anfang brechen die Blechbläser bei der Einminutenmarke aus, um kurz darauf eine fragmentierte, sehr blechlastige Variation des Themas anzustimmen. Sehr faszinierend ist, nebenbei bemerkt, auch der Track At the Casino, in welchem Barry Fragmente des Bond-Themas in den legeren Jazz dieses Tracks einarbeitet.

Platz 11: Grand Bazaar, Istanbul (Thomas Newman, „Skyfall”)

Springen wir nun von Bonds Anfangstagen zum Komponisten der letzten beiden Scores des Franchise. Thomas Newman ist einer der geachtetsten Komponisten Hollywoods, aber vielleicht nicht gerade derjenige, den man ad hoc für einen Bond-Soundtrack vorschlagen würde – tatsächlich hatte er vor „Skyfall“ kaum für Action komponiert. Nach wie vor finde Newmans Herangehensweise… zwiespältig. Vor allem „Skyfall“ ist definitiv kein schlechter Score, Newman bringt viele interessante Elemente ein, und doch hat man stets das Gefühl, dass er Bond eher in seinen Wohlfühlbereich holt, anstatt sich stärker mit dem musikalischen Vermächtnis des Franchise auseinanderzusetzen. Vor allem stilistisch ist recht wenig geblieben, Orchestrierung, Einsatz von Synth- und Elektronikelementen und Stil sind sehr typisch Newman, was sich besonders am Einsatz diverser exotischer Instrumente zeigt. Verknüpft mit exotischen Locations ist das zwar durchaus sinnvoll, aber Newman bedient sich ihrer auch in den London-Szenen. Noch schwerwiegender ist das Fehlen eingängiger Melodien. Gerade Adeles Titelsong Skyfall wäre dafür prädestiniert, er taucht allerdings nur einmal im Score auf – im Stück Komodo Dragon setzt Newman ihn effektiv in Kontrapunkt zur chromatischen Akkordfolge und, siehe da, schon haben wir einen der besten Tracks des Albums. Zugegebenermaßen ist es auch nicht so, als wende sich Newman völlig vom Vermächtnis des Franchise ab. Gerade in den Action-Tracks ist das Bond-Thema wirklich überall, nur eben nicht deutlich wahrnehmbar, sondern dekonstruiert, fragmentiert oder versteckt. Es ist durchaus faszinierend mitanzusehen, wie effektiv Newman das Bond-Thema abwandelt. Abseits von Breadcrumbs (hierbei handelt es sich um eine Standard-Version des Themas) finden sich die deutlichsten Einsätze in Grand Bazar, Istanbul, das sehr schön zeigt, wie Newman vorgeht, das Bond-Thema behandelt und in seine Actionmusik einarbeitet. Es fängt mit einem kurzen Bond-Fanfarenstoß an, bevor Newmans elektronisch bearbeitete Suspense-Rhythmen und Percussions übernehmen. Es dauert bis zur Dreiminutenmarke, bis die Blechbläser subtile Fragmente des Themas wiederaufnehmen, um ab 3:26 konsequent mit der chromatischen Akkordfolge zu spielen. Bei 4:55 ist schließlich die Fanfare recht deutlich zu hören

Platz 10: This Never Happend to the Other Fella (John Barry, „On Her Majesty’s Secret Service”)

Bei „On Her Majesty’s Secret Service” stand Barry vor der Herausforderung, zu zeigen, dass wir es immer noch mit der gleichen Figur zu tun haben, dass sich aber doch etwas geändert hat. Im passend betitelten Track This Never Happend to the Other Fella eröffnet Barry den Film mit dem Bond-Thema – doch statt der E-Gitarre erklingt ein Synthesizer, der auf die Veränderung hindeutet. Es ist erstaunlich, wie gut diese Synth-Klänge nicht nur mit dem Bond-Thema harmonieren, sondern auch heute noch wirken; sie verstrahlen einen spezifischen Retro-Charme. Auch instrumentale Fragemente des Titelsongs We Have all the Time in the World sind zu hören. Hier findet sich eine weitere faszinierende Abweichung von der üblichen Formel. In „Goldfinger“ wurde erstmals ein Lied über die Titelsequenz gespielt, wovon man beim ersten und einzigen Lazenby-Bond jedoch aufgrund der emotional deutlich stärkeren Geschichte absah. Stattdessen erklingt die von Louis Armstrong gesungene Komposition erst zu den End Credits.

Platz 9: Come In 007, Your Time Is Up (David Arnold, „The World Is Not Enough”)

David Arnolds Musik für das Bond-Franchise hatte schon immer zwei Seiten: Die orchestrale und die elektronische. Während Arnold in seinem ersten Bond-Score „Tomorrow Never Dies“ sich primär auf Erstere konzentrierte, werden die elektronischen Anteile in den beiden folgenden Soundtracks immer stärker. Während sie in „Die Another Day“ völlig überhand nehmen, gibt es in „The World Is Not Enough“ immerhin noch eine gewisse Balance. Wer meinen Musikgeschmack kennt, weiß, dass ich kein allzu großer Fan von elektronischer und synthetischer Manipulation bin, weswegen mich Tracks wie Come In 007, Your Time Is Up ein wenig in die Bredouille stürzen: Gerade dieses Stück ist exzellent komponiert, orchestriert und bietet herrliche Action-Variationen des Bond-Themas, angereichert durch Fragmente des von David Arnold komponierten Titelsongs The World Is Not Enough. Da gibt es wirklich viel zu lieben, von Goldfinger-Bläsern bei der Einminutenmarke über die plötzlich einsetzende E-Gitarre bei 3:42 bis hin zu der Minifanfare bei 2:54, als sich Bond unter Wasser seine Krawatte richtet. Aber dann sind da diese konstanten elektronischen Beats… Anders als bei Zimmer und Konsorten, bei denen diese Elemente meistens tatsächlich (im Guten wie im Schlechten) integraler Bestandteil der Kompositionen sind, wirken sie hier eher wie nachträglich eingefügt und fühlen sich seltsam separiert von den orchestralen Klängen an. Ohne diese Manipulationen und Effekte wäre Come In 007, Your Time Is Up wahrscheinlich unter den Top 5 gelandet, aber so hat es eben „nur“ für Platz 9 gereicht.

Platz 8: James Bond Theme (George Martin, „Live and Let Die”)

„Live and Let Die“ ist in vieler Hinsicht eine Premiere: Nicht nur handelt es sich dabei um Roger Mooers Debüt als 007, es ist auch das erste Mal seit „Dr. No“, dass John Barry nicht den Score komponierte. An seiner Statt verpflichtete man George Martin – eine naheliegende Wahl, angesichts der Tatsache, dass der Titelsong von John McCartney stammt, schließlich hatte Martin zuvor bereits die Songs der Beatles arrangiert. Kurz und gut: Seine Version des James-Bond-Themas ist das, was ich als „Bond 77 done right“ bezeichnen würde. Martin transportierte das Thema erfolgreich in 70er und machte funky, aber eben nicht zu funky. Es ist immer noch eindeutig das Bond-Thema, nicht ein Disco-Track, das mit ein wenig Bond angereichert wurde. Viel mehr gibt es nicht zu sagen, George Martins Arrangement macht einfach Spaß.

Platz 7: Tank Drive Around St. Petersburg (John Altman, „GoldenEye”)

Nachdem Éric Serras A Plesant Drive Through St. Petersburg für die große Action-Szene in „GoldenEye“ abgelehnt wurde, wandten sich die Produzenten an John Altman, der an diesem und zwei vorherigen Filmen bereits für Serra als Orchestrierer gearbeitet hatte. In kürzester Zeit komponierte Altman den Track Tank Drive Around St. Petersburg und bekam für Aufnahme alles zur Verfügung gestellt, was er brauchte – Studio, die besten Musiker etc. Im Nachhinein wäre es wohl besser gewesen, man hätte einfach Altman den gesamten Film vertonen lassen, denn Tank Drive Around St. Petersburg ist zusammen mit dem Titelsong das musikalische Highlight von „GoldenEye“. Keine Spur von dumpfem, synthetischem Gewummer, stattdessen eine grandioser Action-Track mit tollen Variationen des Bond-Themas in bester Barry-Manier. Die Triangeln, Klavierakzente und einige der Streicherfiguren sorgen zudem für eine gewisse Einzigartigkeit und vermitteln ein vage russisches Feeling, das perfekt zum Handlungsort passt. Die Aufnahme, die im Film zu hören ist, wurde leider nie veröffentlich, aber für das Album „Bond Back in Action Vol. 2“ hat das City of Prague Philharmonic Orchestra das Stück neu eingespielt. Besagtes Album sowie „Bond Back in Action Vol. 1“ sind, nebenbei bemerkt, sehr gute Startpunkte, um sich intensiver mit der Musik des Franchise zu beschäftigen. Wer gerne mehr über Altmans Beitrag zum Soundtrack von „GoldenEye“ erfahren würde, kann das hier tun.

Platz 6: Exercise at Gibraltar (John Barry, „The Living Daylights”)

1987 komponierte John Barry seinen elften und letzten Bond-Score. „The Living Daylights“ markiert das Ende einer Ära – und den Beginn einer neuen (wenn auch einer sehr kurzlebigen), da es sich hierbei um den Debütfilm von Timothy Dalton handelt. „The Living Daylights“ wird von Bond-Fans oft als einer von Barrys besten Scores für die Filmreihe betrachtet – der größte Konkurrent ist „On Her Majesty’s Secret Service”. Exercise at Gibraltar ist das Eröffnungsstück des Scores. Wie nicht anders zu erwarten beginnt es zur Gunbarrel-Sequenz mit der Bond-Fanfare, gefolgt von einem Streicher- und Blechbläserarrangement des E-Gitarren-Solos, natürlich unterlegt mit der chromatischen Akkordfolge. Danach macht das Thema ein Päuschen, bis sich bei 1:36 die chromatisch Akkordfolge zurückmeldet. Die bei 2:59 auftauchende Version des Themas, gespielt von Streichern und Holzbläsern ist ebenfalls äußerst interessant. Und um zeigen, dass wir endgültig in den 80ern angekommen sind, bedient sich Barry ab 3:30 eines elektronischen Beats, der das restliche Stück dominiert und immer wieder mit Bestandteilen des Bond-Themas angereichert wird – dieses Mal sind auch Blechbläser zu hören. So zeigt Barry, dass er auch nach so vielen Scores für dieses Franchise immer noch frische Ideen hat und das Kernthema passend zu variieren weiß.

Platz 5: Licence Revoked (Michael Kamen, „Licence to Kill”)

Michael Kamens Score zum zweiten und letzten Dalton-Bond ist entweder nicht allzu beliebt oder wird glatt übersehen – was auch daran liegen könnte, dass nie ein wirklich befriedigendes Album veröffentlicht wurde. Kamen holt, ähnlich wie Newman, die Bond-Musik eher in seinen Wohlfühlbereich, als dass er sich stilistisch Barry annähert, aber um ehrlich zu sein: Ich finde, dass Kamens Wohlfühlbereich tatsächlich relativ gut zum Franchise passt. Licence Revoked ist das beste Beispiel, ein monumentaler Actiontrack, in dem Kamen ausgiebig Gebrauch vom Bond-Thema macht und regelrecht mit den einzelnen Bestandteilen spielt, beispielsweise, in dem er die E-Gitarre durch ein akustisches Model ersetzt oder vermehrt Holzbläser miteinbezieht.

Platz 4: White Knight (David Arnold, „Tomorrow Never Dies”)

Nach dem desaströsen Serra-Score fanden die Bond-Produzenten das richtige Gegenmittel: Für Brosnans zweiten Film als 007 verpflichtete man David Arnold, der sich bereits als Komponist für Roland Emmerichs Spektakelfilme einen Namen gemacht hatte und von John Barry persönlich empfohlen wurde. Arnold ist nicht nur ein extrem begabter Komponist, sondern auch selbst bekennender Bond-Fan. 1997 veröffentlichte er das Album „Shaken and Stirred: The David Arnold James Bond Project“; hier schrieb er neue Arrangements vieler beliebter Bond-Songs und auch einiger Score-Stück, was ihm die Aufmerksamkeit John Barrys einbrachte und letztendlich dafür sorgte, dass man ihn für „Tomorrow Never Dies“ anheuerte – in meinen Augen nach wie vor der beste aller Bond-Scores. John Barry hat den Bond-Sound erfunden und geprägt, Arnold hat ihn hier perfektioniert (bevor er mit den anderen beiden Brosnan-Scores etwas strauchelte, um dann mit „Casino Royale“ ein weiteres Meisterwerk abzuliefern). Wie enthusiastisch Arnold an seine Aufgabe heranging, zeigt sich bereits beim Eröffnungsstück White Knight. Natürlich wird die Gunbarrel-Sequenz mit einem kurzen Einspieler des Bond-Themas unterlegt, aber nicht nur das, sogar Tina Turners GoldenEye wird sehr subtil zitiert (0:57), wie um deutlich zu machen, dass Arnold bei diesem Film bereits gerne die Musik geschrieben hätte. In der zweiten Hälfte des Tracks wird dann Bond-Thema galore geboten und es hat nie besser geklungen. In bester Franchise-Tradition mischt Arnold die Elemente des von k. d. lang gesungenen Songs Surrender (ursprünglich von Arnold für den Vorspann komponiert, dann jedoch durch Tomorrow Never Dies von Sheryl Crow ersetzt und in den Abspann verbannt). Arnold zeigt hier, wie souverän er nicht nur mit dem Thema, sondern auch mit dem Bond-Sound umgehen kann (nie klangen die Goldfinger-Trompeten besser) und wie meisterhaft er es versteht, die einzelnen Bestandteile zu variieren und sie der Action auf der Leinwand anzupassen.

Platz 3: Backfire („Spectre“, Thomas Newman)

Thomas Newmans zweiter und bislang letzter Bond-Score ist in mancher Hinsicht wie der Film: recht uninspiriert und deutlich schwächer als der Vorgänger. Das Bond-Thema ist zwar deutlich präsenter als in „Skyfall“, wie schon der Eröffnungstrack Los Muertos Vivos Estan zeigt, stilistisch bewegt sich Newman aber noch mehr in seiner Wohlfühlzone – will heißen, es finden sich noch einmal deutlich weniger Bond-Charakteristika. „Spectre“ klingt über weite Strecken wie eine Erweiterung des Action-Sounds aus „Skyfall“, noch mehr fehlt hier die eigenständige Persönlichkeit. Der Track Backfire enthält etwa 30 extrem herausragende Sekunden und den vielleicht besten Einsatz der chromatischen Akkordfolge der gesamten Filmreihe. Aus dem ziemlich chaotischen Action-Underscoring entwickelt sich ab 2:05 besagte Akkordfolge heraus, gespielt von majestätischen Blechbläsern. Das Fragment schwillt an und schließlich übernimmt ein himmlicher Chor, just als Bond im Film beim Vatikan ankommt. Chöre sind recht selten Bestandteil der Bond-Scores, weshalb diese Variation ebenso grandios wie einzigartig ist – nur leider ist sie nur allzu schnell wieder vorbei.

Platz 2: The Name’s Bond… James Bond („Casino Royale”, David Arnold)

Nachdem den Zuschauern das Bond-Thema in „Casino Royale“ über zwei Stunden lang vorenthalten wurde, erklingt das vollständige Thema ganz am Ende, als sich 007 mit „The Name’s Bond… James Bond“ Mister White vorstellt, zum ersten Mal nicht nur in diesem Film, sondern auch für Daniel Craigs Inkarnation der Figur. Und mit welcher Wucht es erklingt. Der finale Track aus „Casino Royale“ ist im Grunde „nur“ eine Neufassung der klassischen Themen-Suite von Norman und Barry, von David Arnold behutsam, aber effektiv neu orchestriert – DAS Bond-Thema des neuen Jahrtausends. Und es ist auch meine To-Go-Version, wenn ich das Thema (etwa zu Vorführungszwecken) in Reinform benötige.

Platz 1: Bike Chase („Tomorrow Never Dies”, David Arnold)

Vielleicht ist dieses Stück aus „Tomorrow Never Dies“ sogar so etwas wie ein Geheimtipp, zumindest wird es nicht allzu oft diskutiert, was u.a. daran liegen könnte, dass das ursprüngliche Album zu Wünschen übrig ließ und einige der besten Tracks des Films darauf nicht zu finden waren – so auch dieser. Hier haben wir ein knapp sieben Minuten langes Action-Stück, das ausschließlich mit Variationen des Bond-Themas arbeitet. Arnold reicht die verschiedenen Elemente meisterhaft von einer Sektion des Orchester zur nächsten, versieht das Ganze mit subtilen elektronischen Akzenten, die hier, im Gegensatz zu „The World Is Not Enough“, exzellent funktionieren, variiert, jongliert und lässt die einzelnen Bestandteile mit- und gegeneinander arbeiten. Ich kann mich an diesem Track einfach nicht satt hören, bei jedem Mal entdeckt man ein neues kleines Detail. Besonders angetan hat es mir die Sektion, in der Arnold zuerst die Fanfare erklingen lässt und anschließend die chromatische Akkordfolge nur von Streichern und Percussions spielen lässt (4:02). Wie ich oben bereits schrieb: „Tomorrow Never Dies“ ist die Perfektion des Bond-Sounds – und zwar genau in diesem Track.