Stück der Woche: The Forest River


Für die vielen, inhaltlich sinnlosen und durch CGI aufgeblähten Action-Szenen der Hobbit-Trilogie (vor allem im zweiten und dritten Film) gilt dasselbe wie für die Romanze zwischen Kíli und Tauriel: Immerhin haben sie Howard Shore zu grandioser Musik inspiriert. Die Fässer-Flucht der Zwerge ist hierfür geradezu exemplarisch: Im Roman verpackt Bilbo die Zwerge in die Fässer, die elbischen Flößer bringen sie, im Glauben es handle sich lediglich Waren, nach Esgaroth und fertig. Im Film hingegen wurde daraus eine nicht nur unnötige, sondern physikalisch völlig irrsinnige Action-Szene: Elben gegen Orks gegen Zwerge, umgeben von schlecht animiertem Wasser und merkwürdigen POV-Shots, die völlig Fehl am Platz wirken. Shores Track The Forest River hingegen ist das erste wirklich grandiose Action-Highlight des Scores von „The Desolation of Smaug”. Gerade das erste Drittel des Albums ist vor allem durch eine gewisse Schwergängigkeit gezeichnet – beeindruckende leitmotivische Arbeit zweifellos, aber doch verhältnismäßig wenige melodisch oder dynamisch herausragendes Material. Mit The Forest River schüttelt dieser Score jedoch seine Schwergängigkeit ab; Shore liefert ein Meisterwerk, das problemlos mit den besten Action-Stücken der LotR-Scores mithalten kann.

Der Track beginnt mit dynamischen Streicherostinati und Blechbläserfiguren, die den titelgebenden Düsterwaldfluss wunderbar musikalisch darstellen. Die, in Ermangelung eines besseren Wortes, „fließende“ Instrumentierung erinnert dabei an die Tracks Dernhelm in Battle und Shieldmaiden of Rohan aus „The Return of the King“. Im Verlauf der ersten Minute schwillt der Track immer weiter an, die Streicher wechseln von der Begleitung zur Melodie und wieder zurück, bis bei 1:10 Tauriels Thema in der bislang dynamischsten Version erklingt, dicht gefolgt von der Action-Variante des Waldlandreich-Themas, die ein weiteres Mal Legolas‘ Akrobatik untermalt. Schon bei 1:29 folgt ein weiterer, fließender Übergang zu Tauriels Thema, der abermals zeigt, dass die beiden Leitmotive denselben Ursprung haben – nur um bei 1:32 wieder zum Waldlandreich-Thema zurückzukehren und bei 1:38 die seltener gespielte B-Phrase des Tauriel-Themas anzuspielen. Das alles geschieht ohne viel Aufsehen, Shore gleitet völlig mühelos von einem Thema ins andere und wieder zurück, was abermals die mitreißende Dynamik und „Flusshaftigkeit“ des Tracks begünstigt. Bei 2:15 arbeitet sich Tauriels Thema schließlich ein weiteres Mal an die Oberfläche, beinahe so, als würde ein Mensch auftauchen. Bei 2:28 beginnen aggressivere Bläserfiguren den Track zu dominieren, bis bei 2:56 Tauriels Thema noch einmal kurz auftaucht. In der folgenden halben Minute schwellen Streicher und Blechbläser erneut an, bis bei 3:28 unverhofft Thorins Thema ausbricht – und zwar in einer bis dato nie gehörten Variation, die die royale Schwermütigkeit abwirft und sich der Dynamik des Tracks unterwirft. Frenetische Streicher sorgen für eine kurze Überbrückungsphase, bevor sich das Waldlandreich-Thema noch einmal mit voller Kraft zurückmeldet. Bei 4:32 ist schließlich ein knappes Statement von Azogs Thema zu hören – der bleiche Ork ist zwar nicht zugegen, aber Bolg, immerhin der Sohn des Schänders, wird auch immer wieder durch dieses Leitmotiv repräsentiert. Ein letztes Mal erklingt Tauriels Thema bei 4:35, bevor The Forest River mit Blechbläserstößen und Paukenschlägen endet.

Die Verarbeitung dieses Tracks im Film lässt zu wünschen übrig. Was auf dem Album eine kohärente Meisterkomposition ist, verliert im Film viel, da es wirkt, als habe Peter Jackson immer wieder Stopp gedrückt, die Musik endet abrupt und läuft ebenso abrupt wieder an. Beinahe scheint es, als sei die Szene im Nachhinein noch verlängert und umgeschnitten worden, nachdem die Musik bereits final eingespielt wurde, was durchaus wahrscheinlich ist. Zusätzlich fehlen einige der gelungensten Momente, auf den Einsatz von Thorins Thema wartete man beispielsweise vergeblich; wobei ich mich auch frage, was dieser ursprünglich untermalt hätte. Theoretisch müsste er sich ungefähr bei Bomburs Angriff befunden haben… Lange Rede, kurzer Sinn: Eine der dämlichsten Szenen des Films, eines der besten Stücke der Trilogie.

Siehe auch:
The Quest for Erebor
Wilderland
The House of Beorn
Flies and Spiders
The Woodland Realm
Feast of Starlight