Holy Terror

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Oh, Frank Miller, was ist nur aus dir geworden? Mit „Holy Terror“ hat der Mann, der in den 80ern zwei Superhelden – Batman und Daredevil – vor der Obskurität gerettet hat, den absoluten Tiefpunkt seiner Karriere abgeliefert. Es scheint fast, als wäre er dazu verflucht, mit voranschreitendem Alter immer schlechtere Qualität abzuliefern.
„The Dark Knight Returns“ ist ohne Zweifel ein revolutionäres Meisterwerk, „Batman: Year One“ sogar einer meiner absoluten Lieblingscomics. Auch der Sin-City-Reihe kann ich (bis auf Band 7) sehr viel abgewinnen, aber sie war es letztendlich, die Frank Miller das kreative Genick gebrochen hat. Gewisse Tendenzen in seinem Werk waren zwar schon zuvor wahrnehmbar, aber seit er angefangen hat, „Sin City“ zu schreiben, hat er nie wieder damit aufgehört. Stets beschäftigt er sich mit denselben Themen und, noch weitaus gravierender, sein Stil hat enorm gelitten. Stets gibt es knappe Satzfragmente und Wiederholungen, die inzwischen einfach nur noch nerven. Auch seine Geschichten werden alles in allem immer kruder und plakativer. „All-Star Batman“ kann noch, dank der hervorragenden Zeichnungen von Jim Lee, als Guilty Pleasure durchgehen, aber „The Dark Knight Strikes Again“ und „The Spirit“ (zwar ein Film, weist aber ebenfalls die oben erwähnten Charakteristika auf) sind schlicht und ergreifend Sondermüll. Mit „Holy Terror“ hat Frank Miller es allerdings geschafft, alles Bisherige zu unterbieten.
Schon allein die Prämisse ruft ein beunruhigendes Stirnrunzeln hervor. Laut eigener Aussage wollte Miller ein Stück Propaganda schreiben, das jeden beleidigt. Nun, zumindest das dürfte ihm gelungen sein. Der Umgang mit diesem Thema ist plakativ, vereinheitlichend und völlig unangemessen.
Ursprünglich hätte es sich bei diesem Machwerk um eine Batman-Geschichte handeln sollen, die sich mit radikalislamischen Terrorismus auseinandersetzen sollte („Holy Terror, Batman!“), aber schließlich entschloss sich Miller dazu, das Ganze vom Dunklen Ritter unabhängig zu machen – Batman gegen al-Qaida passt absolut nicht. Schon über Prämisse und Zweck dieses Comics könnte man seitenweise schreiben. Aber selbst wenn man das alles außen vor lässt, ist „Holy Terror“ Frank Millers bisher schlechtestes Werk.
Der Held, den Miller letztendlich ins Rennen schickt – auf Deutsch nennt er sich „Richter“, im Original heißt er „Fixer“ – ist letztendlich trotzdem ein schlecht verkleideter Batmanersatz. Das Vorbild seiner nicht ganz freiwilligen Partnerin mit Namen „Die Katze“ ist ebenfalls nicht schwer zu identifizieren. Im Grund besteht die Handlung lediglich aus einer Konfrontation des Richters mit der Katze, die von einer von Terroristen hervorgerufenen Explosion unterbrochen wird. Daraufhin gehen beide, mit der Hilfe des israelischen Geheimdienstes in bester Sin-City-Manier gegen die Terroristen vor. Inhaltlich ist das Ganze extrem dünn. „Holy Terror“ hat dasselbe Format wie „300“, aber, so unglaubwürdig das klingen mag, noch sehr viel weniger Substanz. Dies hängt vor allem mit dem Umstand zusammen, dass es enorm viele ganzseitige Panels gibt, sodass man beim Lesen des Öfteren den Eindruck hat, statt eines Comics ein Bilderbuch in der Hand zu halten. Ansonsten gibt es absolut nichts, was man nicht in anderen Miller-Comics schon gesehen hätte. Wie in „The Dark Knight Strikes Again“ findet sich immer wieder merkwürdige, deplatzierte wirkende und zusammenhanglose Medien- und Politsatire. Ansonsten: Harter Rächer, Frau mit kaum zu kontrollierender Libido, knappe Halbsätze und viele Wiederholungen – „Holy Terror“ ist eine Kondensierung sämtlicher massiv störenden Tendenzen und Stilmittel im Schaffen Millers. So etwas wie Nachvollziehbarkeit, interessante, dreidimensionale Figuren oder innere Konflikte sucht man vergeblich: Die Charaktere sind völlig flach und langweilig. Miller scheint das Interesse am Erzählen einer Geschichte völlig verloren zu haben.
Zeichnerisch orientiert sich Miller ebenfalls an „Sin City“: Schwarzweiß mit einzelnen Farbflecken. Der Trend aus dem siebten Band dieser Serie und aus „The Dark Knight Strikes Again“ setzt sich fort, die Proportionen werden immer merkwürdiger. Und statt der früher klaren Linien herrscht nun eine Art Verwischungstechnik vor, alles wird immer abstrakter.
Fazit: „Holy Terror“ ist der absolute Tiefpunkt in Millers Comicschaffen, eine kondensierte Sammlung all dessen, was zurecht an seinem Werk kritisiert wird.

Siehe auch:
Batman Year One
Sin City

2 Gedanken zu “Holy Terror

  1. „Batman gegen al-Qaida passt absolut nicht.“

    Verstehe ich überhaupt nicht, wenn ich Ra’s al Ghul (Wikipedia: Ra’s al Ghul (lateinische Transliteration des arabischen Ra’s al-Ghul / ‏رأس الغول‎ / Raʾs al-Ġūl /‚Kopf des Dämons‘; en.: The Demon) und die „League of Shadows“ mal als weise Antizipation von Osama bin Laden und al-Qaida interpretiere.

    Spätestens nach der Nolan-Trilogie ist Batman vor allem „Batman gegen al-Qaida“.

    1. Sicher auch eine Frage der Sichtweise, allerdings habe ich die League of Shadows nie als Sinnbild von al-Qaida verstanden, insbesondere, da sowohl sie (bzw. ihr ähnlich geartetes Comicgegenstück, die League of Assassins) als auch Ra’s al Ghul wesentlich älter sind als al-Qaida. Die Nolan-Trilogie arbeitet natürlich auch mit dem, nennen wir es mal „Post-9/11-Feeling“ (jeder Film ist selbstverständlich ein Produkt seiner Zeit), aber ich persönlich habe das Ganze nie als Parabel auf speziell radikalislamischen Terrorismus gesehen, sondern lediglich als der Zeit angemessenen Interpretation verschiedener Elemente der Batman-Comics. Da liegt, um es mit Professor Tolkiens Worten auszudrücken, der Unterschied zwischen „Allegorie“ und „Anwendbarkeit“. Von daher bleibe ich dabei: Batman gegen al-Qaida passt nicht, speziell so, wie Miller das darstellt. 😉

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