Der zweite Teil von David Hines Spawn-Run unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht vom ersten. Auch in US-Spawn 165-184 werden traditionelle Superheldenelemente eher sparsam eingesetzt – wenn überhaupt. Stattdessen konzentriert sich Hine mehr auf Psyche und Horror. In vielerlei Hinsicht ist seine Arbeit hier vielschichtiger, tiefgründiger und auch interessanter als der erste Teil seines Runs. Die Inhaltsangabe fällt deswegen auch noch schwerer (Achtung, Spoiler zur Armageddon-Story): Die Apokalypse ist gekommen und gegangen. Spawn hat die Welt neu erschaffen und dabei Gott, Satan, Himmel und Hölle ausgeschlossen. Eigentlich wollte er nur wieder mit Wanda zusammenkommen, doch er erfährt nun auch die gesamte Wahrheit: Kurz vor seinem eigenen Dahinscheiden tötete er sein eigenes, noch ungeborenes Kind, was er allerdings verdrängte. Von dieser Einsicht erschüttert zieht sich Spawn zurück, da er glaubt, dass die Menschen ohne Himmel und Hölle nun endlich für sich selbst sein können. Doch da hat er sich geirrt, denn andere übernatürliche Wesen sind bereits in Spawns neue Welt eingedrungen. Die Hexe Nyx ist noch recht harmlos, aber auch der Clown und der gefallene Engel Mammon treiben weiterhin ihr Unwesen…
Vor allem zu Beginn ist das Ganze noch recht episodenhaft. Von der Atmosphäre und den kleineren Handlungssträngen, die erst nach und nach zu einem größeren Ganzen werden erinnert Spawn nach Armageddon recht stark an die großartige HBO-Zeichentrickserie. Ganz allgemein handelt es sich mit Sicherheit um die düsterste Spawn-Storyline überhaupt. Vor allem die ersten Ausgaben, erinnern sehr klaustrophobischen, finsteren Horror. Sie spielen alle in dem selben Haus, in dem die Bewohner nach und nach verrückt werden. Es stellt sich heraus, dass Spawns alter Widersacher Violater, alias der Clown, dahinter steckt. Seit seinem letzten Auftritt hat er sich allerdings stark verändert und erinnert und mehr an Heath Ledgers Joker denn an sein früheres, sehr beleibtes selbst.
Auch werden weitere Teile von Spawns Vergangenheit offenbart. Gleichzeitig bedeutet das Ende von Hines Run nämlich auch das Ende von Al Simmons als Spawn, sodass nun die letzten Geheimnisse gelüftet werden. Im Zuge dessen gibt es immer wieder Abschweifungen von der Haupthandlung, kurze Geschichten (zumeist eine oder zwei Ausgaben), die die Entstehung anderer Hellspawns aus unterschiedlichen Epochen zeigen (und sich vom Zeichenstil von der Haupthandlung absetzen). In Ausgabe 165 wird die Geschichte des Mandarin-Spawn erzählt, in 174 und 175 erlebt der Leser die Entstehung des Gunslinger-Spawn und Ausgabe 179 berichtet vom War-Spawn. Bis auf den Mandarin-Spawn haben diese Vorgänger von Al Simmons alle mit dem größeren Ganzen zu tun; Hine zeigt an ihnen, dass Mammon Als und Wandas Familie bereits auf Generationen hinaus manipuliert hat.
Auch zeichnerisch sind die Ausgaben 165-184 recht umstritten, da Brian Haberlins Stil doch recht weit von dem Todd McFarlanes, Greg Capullos, Angel Medinas und Philip Tans entfernt ist. Haberlin zeichnet sehr fein, vor allem die Gesichter seiner Figuren sind interessant anzuschauen. Zwar mag seine Arbeit für Spawn untypisch sein, aber in meinen Augen passt sie sehr gut zu den von Hine erzählten, düsteren Geschichten.
Auch die Zeichnungen der Geschichten um die drei anderen Spawns sind äußerst gelungen. Lan Medinas Arbeit für „Mandarin Spawn“ ist recht traditionell, aber passend und detailliert, Bing Cansino („Gunslinger Spawn“) erinnert mit seinen gemäldeartigen Zeichnungen ein wenig an Alex Ross und Mike Mayhew ist mit seinen sehr realistischen Bildern irgendwo in der Mitte zwischen beiden.
Fazit: Ein gelungenes, düsteres, hintergründiges und vor allem grandios gezeichnetes letztes Kapitel für Al Simmons als Spawn und David Hine als Autor. Mit Jim Downing, Al Simmons‘ Nachfolger, konnte ich bisher leider noch nicht wirklich warm werden.
Brut-Monat:
Prämisse
Spawn
Todd McFarlane’s Spawn
David Hines Spawn-Run Teil 1