Star Wars Episode VII: Das Erwachen der Meinung

Enthält die volle Ladung Spoiler!
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2015 ist vorbei, 2016 hat begonnen. Wie man am Mangel an Beiträgen vielleicht bemerkt hat, war ich letzte Woche fast nicht zuhause, zum Ausgleich folgt nun allerdings meine ausführliche Besprechung von „Das Erwachen der Macht“. Inzwischen habe ich Episode VII ein zweites Mal gesehen (im O-Ton, aus Termingründen aber leider nochmal in 3D) und hatte noch mehr Gelegenheit, über diesen Film zu sinnieren. Das Ergebnis meiner Gedankengänge ist diese Monstrosität von einer Rezension.

Der Status Quo
Beschäftigen wir uns zuerst einmal mit der Frage, wie es überhaupt in der weit, weit entfernten Galaxis aussieht und was wir über die dreißig Jahre, die seit „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ vergangen sind, wissen – was momentan nicht allzu viel ist. Einige Dinge werden in Romanen wie „Aftermath“ und „Verlorene Welten“ oder Comics wie „Imperium in Trümmern“ erläutert: Nach der Schlacht um Endor versinkt das Imperium im Chaos, während sich die Allianz zur Neuen Republik umformiert, ganz ähnlich wie im alten EU. Die Kämpfe mit dem Imperium gehen noch etwa ein Jahr weiter, da es vor allem im Kern noch eine ziemlich starke Präsenz besitzt. Die letzte große Schlacht zwischen Imperium und Republik findet auf bzw. bei Jakku statt (was auch der Grund ist, weshalb sich überall Wracks auf der Planetenoberfläche befinden). Dem folgt ein Friedensvertrag zwischen beiden Parteien, der eine Demilitarisierung des Restimperiums und auch der Republik beinhaltet. Ab diesem Zeitpunkt wird es dann unklar, ob das Restimperium ein eigenes Staatsgebilde bleibt oder letztendlich in die Neue Republik eingegliedert wird – ich persönlich halte Letzteres für wahrscheinlicher, da in „Das Erwachen der Macht“ von einem wie auch immer gearteten Restimperium keine Rede mehr ist.

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Die Truppen der Ersten Ordnung

Einige Hardliner und Fanatiker des Imperiums sind mit der Situation jedenfalls absolut nicht zufrieden, ziehen sich mit restlichen Truppen und Flottenbestandteilen in die Unbekannten Regionen der Galaxis zurück und formieren sich zur Ersten Ordnung, die die Ideale des Galaktischen Imperiums aufrechterhalten soll. In „Das Erwachen der Macht“ sieht die Situation dann offenbar wie folgt aus: Die Neue Republik kontrolliert den Großteil der Galaxis, die Erste Ordnung hat ihr, wohl relativ kleines, Gebiet in den Unbekannten Regionen und/oder dem Äußeren Rand. Zwischen Republik und Erster Ordnung herrscht eine Art Kalter Krieg, wobei die Erste Ordnung letztendlich die Republik vernichten möchte, während die meisten republikanischen Politiker die Erste Ordnung entweder nicht als Bedrohung ansehen oder einfach nicht wahrhaben möchten, dass sie eine Gefahr darstellen könnte. Und dann gibt es noch einige Veteranen des Galaktischen Bürgerkriegs wie Leia Organa oder Admiral Ackbar, die nicht gewillt sind, imperiales Gedankengut zurückkehren zu lassen und deshalb den Widerstand gründen. Dieser inoffizielle militärische Arm der Neuen Republik soll die Erste Ordnung in deren eigenem Gebiet bekämpfen.

So weit, so gut. Leider ist „Das Erwachen der Macht“ gerade in dieser Hinsicht recht expositionsarm, und im Grunde läuft es in der Praxis auf eine ähnliche Situation hinaus wie in „Eine neue Hoffnung“: Übermächtige Diktatur auf der einen Seite, unterlegene Widerstandskämpfer auf der anderen. Ich bin mir relativ sicher, dass das auch die Grundidee dahinter war: Abrams und Kasdan wollten dadurch mit Sicherheit eine ähnliche Stimmung schaffen wie in der OT. Hätte die Erste Ordnung oder ein ähnliches „Ersatzimperium“ allerdings die gesamte Galaxis beherrscht, wäre der Sieg der Helden in „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ jedoch fast völlig unbedeutend gewesen, darum musste die Neue Republik die Galaxis kontrollieren und die Erste Ordnung durfte nur über ein verhältnismäßig kleines Gebiet herrschen. De facto macht das für den Film selbst letztendlich aber keinen Unterschied. Insgesamt bin ich diesbezüglich schon etwas enttäuscht, auch wenn ich weiß und verstehe, weshalb sich die Verantwortlichen dazu entschieden, die politische Lage in der Galaxis so zu konzipieren, schließlich war eines der Elemente, das viele an den Prequels kritisierten, der politische Aspekt. Deshalb entschied man sich bei Disney wohl, derartiges auf das absolute Minimum zu reduzieren, was in meinen Augen aber dann doch der leichte Ausweg ist. Das Problem bei den Prequels liegt nicht daran, dass eine politische Ebene vorhanden ist, sondern dass sie uninteressant und unzureichend vermittelt wird. Wie man Politik im Star-Wars-Universum ansprechend vermittelt, zeigen EU-Werke wie „Schleier der Täuschung“ oder „Darth Plagueis“.

Schauplätze
Schon in der OT hatte George Lucas einige interessante Konzepte für Planeten. So sollte das Finale von „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ ursprünglich auf der imperialen Hauptstadtwelt (damals noch Had Abbadon) stattfinden. Es stellte sich aber bald heraus, dass deren Konzeption für den Film viel zu aufwendig war. Letztendlich sind die Planeten der OT alle ein bestimmter irdischer Landschaftstyp (Wüste, Wald, Eiswüste, Sumpf), der sich über einen ganzen Planeten erstreckt. Erst mit den Prequels konnte Lucas sich von irdischen Landschaften stärker distanzieren. Noch immer besitzen fast alle Planeten ausschließlich eine Klimazone (oder wirken zumindest so), aber immerhin sind Planeten wie Corsucant, Felucia, Kamino oder Geonosis doch allein optisch um einiges interessanter als Hoth oder Endor.

Star Wars: The Force Awakens..Ph: Film Frame..?Lucasfilm 2015
Jakku = Tatooine minus Sonne und plus Wracks

Auch diesbezüglich orientierte man sich bei Disney an der OT, gerade hier finde ich das allerdings eher unvorteilhaft. Um es ganz klar zu sagen: Ich finde die Planeten von „Das Erwachen der Macht“ langweilig und unkreativ. Jakku sieht fast genau gleich aus wie Tatooine (minus eine Sonne), Takodana (dort liegt Maz Kanatas Unterschlupf) und D’Qar (der Stützpunkt des Widerstands) sind relativ uninteressante, sich gleichende Waldwelten und auf dem Starkiller-Planeten gibt es noch mehr Wald – nur eben im Schnee. Die Liebe zur OT in allen Ehren, aber gerade in diesem Bereich wäre ein wenig Prequel-Einfluss nicht verkehrt gewesen. Tatooine und Geonosis sind beispielsweise beides Wüsentwelten, aber man kann sie sofort voneinander unterscheiden. Ich persönlich hoffe, dass wir in Episode VIII und IX auch ein paar exotischere und unirdischere Planeten zu sehen bekommen. Und Coruscant, das als Zentrum der Galaxis definitiv noch eine Rolle spielen sollte.

Best of OT: Plot vs. Charaktere?
Egal, ob die Meinung zu „Das Erwachen der Macht“ nun positiv oder negativ ausfällt, der Hauptkritikpunkt der meisten Rezensionen sind die überdeutlichen Parallelen zu Episode IV und, in geringerem Maße, zu Episode V und VI – wobei man sagen muss, dass einige diese Parallelen nicht stören oder sie sie sogar begrüßen. Nach Verfolgung der Berichterstattung im Vorfeld des Films und dank Jahre der Erfahrung im Franchise hatte ich auch erwartet, dass es Parallelen zu den bisherigen Filmen gibt, wenn auch vielleicht nicht ganz in diesem Ausmaß. Fakt ist: Star Wars hat schon immer bei sich selbst abgeschrieben. Es gibt ganze Abhandlungen über Star Wars und die Ring-Theorie (hier ein Beispiel), die sich mit der zyklischen Wiederholung der Ereignisse beschäftigt. Schon Episode VI hatte im Grunde denselben Plot wie Episode IV, Episode I war dann auch wiederrum eine sehr freie Variation derselben Thematik, und Episode VII reiht sich ebenfalls ein, als nicht ganz so freie Variation. Betrachtet man „Das Erwachen der Macht“ zynisch, könnte man es durchaus als „Best of OT“ bezeichnen. Wir haben denselben Grundplot wie in Episode IV, Beginn der Heldenreise auf einem Wüstenplaneten, einen maskierten Schurken in Schwarz, Auftritt und Tod des Mentors und eine planetenzerstörende Superwaffe, die im Finale zerstört werden muss. Hinzu kommen diverse Elemente der Episoden V und VI: Maz Kanatas Etablissement weckt Erinnerungen an die Cantina und Jabbas Palast, Maz Kanata selbst hat etwas von Yoda, Snoke, der Kylo Ren kontrolliert, erinnert an den Imperator, es gibt familiäre Beziehungen zwischen Helden und Schurken, der Angriff auf Starkiller Base erinnert an die Schlachten um Yavin und Endor etc. Hinzu kommen die ganzen Anspielungen, mal liebevoll, mal ironisch, die in ihrer Gesamtheit allerdings etwas zu zahlreich sind.

In Bezug auf die Frage nach dem Grundplot der Trilogien ist es freilich noch relativ schwierig, die Sequel-Trilogie mit den anderen beiden zu vergleichen, da wir erst ein Drittel des Gesamtbildes kennen und sich das Wissen um die jeweiligen Fortsetzungen auch auf unsere Wahrnehmung der beiden anderen Startteile („Die dunkle Bedrohung“ und „Eine neue Hoffnung“) auswirkt: Wir wissen automatisch, wo die Reise hingeht. Insgesamt würde ich sagen, dass die Prequels den interessanteren und komplexeren Grundplot haben: Der Untergang einer Demokratie, der Aufstieg einer Diktatur, der Fall eines Helden. Der Grundplot der OT dagegen ist die typische Gut-gegen-Böse-Geschichte: Gute Widerstandskämpfer lehnen sich gegen böse Diktatur auf – vor allem in Episode IV sind die Fronten ganz klar getrennt, erst am Ende von Episode V werden sie durch Vaders Enthüllung etwas durchlässiger.

Was die beiden Trilogien, und auch ihre Wahrnehmung durch das Publikum und die Fans, letztendlich vor allem unterscheidet, ist die Umsetzung des Plots und nicht der Plot an sich. Im Fandom bin ich ja durchaus eher ein Verteidiger der Prequels, aber auch ich bin der Meinung, dass die Episoden I bis III bezüglich der Umsetzung einige massive Probleme haben, besonders was Exposition und Figurenzeichnung angeht. Letztere ist oft schlecht nachvollziehbar und sorgt dafür, dass keine Sympathie zu den Figuren aufkommt, Erstere findet selten das richtige Maß; entweder zu viel und zu dröge, oder zu lückenhaft und unvollständig.

Episode VII ist für mich das extreme Gegenbeispiel zur Umsetzung der Prequels: Im Plot gibt es kaum Unterschiede zu Episode IV, stattdessen orientieren sich J. J. Abrams, Lawrence Kasdan und Disney gerade in dieser Hinsicht an der Stärke der OT: Die Umsetzung. Im Zentrum des Ganzen stehen, noch weitaus stärker als in der OT, die Figuren und ihre Beziehung zueinander. In dieser Hinsicht erinnert mich „Das Erwachen der Macht“ recht stark an die Filme des Marvel Cinematic Universe, die ähnliche Charakteristika besitzen: Einen simplen, sich zum Teil stark wiederholenden Plot, aber starke (und mit stark meine ich nicht per se tiefgründige) Charaktere. Die Figuren und nicht der Plot tragen den Film, die Umsetzung der Handlung und die Art und Weise, wie die Figuren damit umgehen, hat größeres Gewicht als die Handlung selbst. Und genau hier liegt auch die Stärke von „Das Erwachen der Macht“. Das bedeutet natürlich nicht, dass man die Handlung deshalb nicht trotzdem ausgiebig dafür kritisieren kann, wie sie ist, man sollte sich dabei nur im Klaren sein, wo der Fokus des Films liegt.

Insgesamt ist „Das Erwachen der Macht“ als Balanceakt zu sehen. Disney hat für Lucasfilm vier Milliarden Dollar bezahlt und möchte da nun so viel herausholen wie möglich. Somit hat Episode VII vor allem zwei Ziele: Alte Fans an Bord holen und neue gewinnen. Der Weg, den Disney letztendlich beschritten hat, ist der naheliegendste, aber auch der unkreativste, denn „Das Erwachen der Macht“ geht kaum Risiken ein und spielt sicher. Im Gegensatz dazu ging Episode I viele (vielleicht sogar zu viele) Risiken ein und ist damit auf die Nase gefallen. Für die kommenden Star-Wars-Filme wäre ein Mittelweg nicht schlecht. Angesichts der allgemeinen Reaktion auf den Film und vor allem der diversen Einnahmerekorde scheint der Plan aber zu funktionieren, ein neues Publikum wird gewonnen und viele der alten Fans, besonders unter denen, die die Prequels nicht ausstehen können, fühlen sich von Episode VII angesprochen.

J. J. vs. George
Eigentlich ist die Überschrift gegenüber Irvin Kershner und Richard Marquand, den Regisseuren von „Das Imperium schlägt zurück“ und „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“, nicht ganz fair, aber Fakt ist nun einmal: Auch bei diesen beiden Filmen war George Lucas letztendlich als Produzent, Drehbuchautor und kreativer Schöpfer beteiligt, weshalb beide Filme schon von einem gewissen Standpunkt aus seinem Konto zuzurechnen sind. Wenn ich die beiden Regisseure der Überschrift mit jeweils einem Wort beschreiben müsste, wäre das „Visionär“ für George Lucas und „Handwerker“ für J. J. Abrams. Das sagt allerdings nicht wirklich etwas über die Qualität der Filme aus. Bei Star Wars hat George Lucas entweder einen enormen Beitrag zum Film als Medium geleistet (zum Teil fast unfreiwillig und aus der Not heraus), oder er hat versucht das Medium Film weiterzuentwickeln und ist daran gescheitert, bzw. die Ambition hat dem Film geschadet (siehe Prequels). Im Gegensatz dazu wird „Das Erwachen der Macht“ die Filmlandschaft wohl nicht nachhaltig verändern, wie Episode IV das getan hat, Abrams hat aber auch nicht diesen Anspruch. Seine Stärke liegt insgesamt eher bei der Umsetzung. Was Episode VII beispielsweise völlig fehlt, ist das World Building, das George Lucas in allen sechs vorangegangenen Episoden ausgiebig betrieben hat, das eindeutig zu den Stärken der Prequels gehörte und das EU für mich so reizvoll gemacht hat, weil es immer Elemente gab, die vielleicht nur ganz kurz angerissen wurden, über die ich aber sofort mehr wissen wollte.

jedipocalypse now
Ich liebe den Geruch von Blasterfeuer am Morgen

Dafür ist das Handwerkliche, als die reine Umsetzung, in meinen Augen gelinde gesagt ziemlich grandios. Gerade in seinem Regiestil, der Filmoptik etc. hat sich J. J. Abrams George Lucas ein wenig angenähert, ohne seine eigenen Identität aufzugeben – zu dieser Annäherung gehört zum Beispiel auch der Verzicht auf den übermäßigen Einsatz von Lense Flares oder der Wackelkamera. Gerade optisch ist „Das Erwachen der Macht“ fast durchgehend beeindruckend und vielleicht sogar der bestaussehndste Star-Wars-Film. Bildkomposition und Bildsprache sind wirklich grandios, man denke nur an die Apocalypse-Now-Gedächtnis-Einstellung oder die Art und Weise, wie Abrams Rey kongenial über ihre wenigen Besitztümer charakterisiert – und das sind nur zwei Beispiele. Gleiches gilt für die sehr gelungene Kombination von praktischen Effekten und CGI; einzig Snoke fand ich nicht besonders überzeugend. Und so sehr ich mich auch über die unkreativen Schauplätze beschwert habe, so gut sind sie dann doch letztendlich in Szene gesetzt. Lediglich die Musik spielt eine weniger dominante Rolle als in den sechs alten Star-Wars-Filmen. Das bedeutet nicht, dass John Williams‘ Score hier schlecht wäre oder dass Abrams‘ ihn unvorteilhaft einsetzen würde, im Gegenteil. Die Musik trägt den Film nur nicht so sehr, wie es bei den anderen Episoden der Fall ist, und sie sticht auch nicht so sehr hervor. Angesichts der Tatsache, dass es sich hierbei um Star Wars, eines DER Filmmusikfranchises handelt, ist das ein wenig schade, allerdings wird Williams‘ Score tatsächlich mit jedem Anhören immer besser. Dafür funktioniert der Humor des Films wunderbar, zwar ist er manchmal ein wenig überdreht und typisch für das 21. Jahrhundert, aber dafür auch tatsächlich witzig. Und ja, ich mag BB8.

Der wohl stärkste Aspekt des Films ist allerdings der phänomenale Cast. Schon in seinen beiden Star-Trek-Filmen hat J. J. Abrams bewiesen, dass er ein exzellentes Händchen dafür hat, Schauspieler zusammenzubringen, die wunderbar miteinander harmonieren, und in „Das Erwachen der Macht“ hat er sich diesbezüglich noch einmal selbst übertroffen – dies ist auch einer der Gründe, weshalb Epsiode VII trotz ihrer diversen Schwächen für mich funktioniert: Figuren und Darsteller tragen den Film, weshalb ich mich ihnen in diesem Artikel auch noch ausführlich widmen werde. Zuerst kommen wir allerdings zum größten Einzelkritikpunkt des Films.

Starkiller Base
Wenn ich in „Das Erwachen der Macht“ nur ein einziges Element ändern dürfte, dann würde ich die Starkiller Base als Superwaffe aus dem Film streichen, und zwar komplett und ersatzlos. Ich habe in meinem Artikel „Star Wars Expanded Universe: The Very Worst Of“ ausgiebig erläutert, warum ich in Star Wars keine Superwaffen mehr sehen möchte: Das Konzept ist ausgelutscht und nach zwei Todessternen und einem Dutzend EU-Superwaffen einfach nicht mehr interessant. Und dann kommt noch hinzu, dass die Starkiller Base insgesamt fürchterlich unlogisch konstruiert ist und im Plot im Grunde keine Rolle spielt. Der Film selbst ist sich der Tatsache sogar bewusst, dass Starkiller Base eigentlich der dritte Todesstern ist und verweist sogar auf relativ selbstironische Weise darauf hin – aber das macht es leider nicht besser.

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Starkiller Base: Wie der Todesstern, nur größer

Die Unlogik beginnt bereits bei der bloßen Existenz: Als das Imperium seinerzeit die Todessterne bauen ließ, herrschte es fast über die gesamte Galaxis und hatte Ressourcen ohne Ende zur Verfügung. Auf die Erste Ordnung trifft das nicht zu, Zusatzinformationen aus dem Roman zum Film zufolge hat die Neue Republik die Erste Ordnung sogar mit einem Handelsembargo belegt – wenn die Erste Ordnung also die Unmengen an Material kaufen und hin und her transportieren würde, müsste das doch irgendjemandem auffallen.

Dann wäre da noch die eigentliche Konzeption der Superwaffe. Der Name „Starkiller“ ist eine nette Anspielung an frühe Star-Wars-Drehbuchentwürfe (er tauchte auch schon im alten EU als Spitzname von Vaders geheimem Schüler in „The Force Unleashed“ auf) und tatsächlich wörtlich zu nehmen, da die Starkiller Base der naheliegenden Sonne Energie abzapft und sie für ihre Geschosse verwendet, die durch den Hyperraum geschickt werden und so selbst weit entfernte Systeme zerstören. Die Frage ist nur: Was passiert, wenn die Sonne aufgebraucht ist? Der Film impliziert, dass die Sonne des Starkiller-Planeten für zwei Schüsse reicht; man sieht ja, dass sie völlig erlischt. Laut Wookieepedia bzw. einem Tweet von Pablo Hidalgo, einem Mitglied der Lucasfilm Storygroup, ist die Starkiller Base mobil und kann sich durch den Hyperraum bewegen – das wäre allerdings eine Information die unbedingt IN den Film gehört hätte, da es sonst ein massives Logikloch gibt und die Starkiller Base nach zwei Einsätzen nutzlos und unbewohnbar wäre.

Wie dem auch sei, am schlimmsten wiegt jedoch, dass diese Superwaffe, wie bereits gesagt, im Grunde überflüssig ist. Bemühen wir im Vergleich dazu einmal „Eine neue Hoffnung“: Dort ist der Todesstern tatsächlich ein plotrelevantes Element. Er spielt von Anfang an eine wichtige Rolle, das MacGuffin des Films sind die Todessternpläne, die sich in R2D2 befinden, das endgültige Ziel ist es, den Todesstern zu zerstören, weshalb sich das Finale auch ausschließlich mit dem Angriff der Rebellen auf die Superwaffe beschäftigt – Episode IV ohne Todesstern funktioniert nicht. In Episode VII dagegen könnte man Starkiller Base einfach rausstreichen, ohne allzu viel ändern zu müssen. Das liegt daran, dass der Fokus von „Das Erwachen der Macht“ viel stärker auf den Charakteren und ihrer Beziehung zueinander liegt, das eigentliche emotionale Finale findet zwischen Rey und Kylo Ren statt, Starkiller Base wird mehr so nebenbei zerstört, und das auch noch in einer Art und Weise, die wirklich plakativ aus Episode IV und VI übernommen ist, inklusive des Kriegsrats.

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Lanever Villecham, Appeasement-Kanzler der Neuen Republik

Schließlich wäre da noch die Zerstörung von Hosnian Prime. Wie auch den Todesstern sieht man Starkiller Base einmal in Aktion. Aber auch hier hat das im Grunde für den Film keine Bedeutung. Während in Episode IV der Heimatplanet einer der Hauptfiguren zerstört wurde, hat man als Zuschauer zu Hosnian Prime keinerlei Bindung. Tatsächlich kann es leicht passieren, dass man die Namensnennung des Planeten im Film verpasst. Ich dachte sogar zuerst, es sei Coruscant, das hier zerstört wird. Die Wirkung sollte dann letztendlich eine ähnliche sein, auch hier muss man allerdings Hintergrundmaterial zu Rate ziehen: Der Senat der Neuen Republik wechselt mit jeder Legislaturperiode den Standort, auf Hosnian Prime befindet er sich während der Handlung von „Das Erwachen der Macht“. Das haarige Alien, das man kurz am linken Rand in der Zerstörungsszene sieht, ist Lanever Villecham, der Kanzler der Neuen Republik. Bei seinem Namen handelt es sich um ein Teilanagramm von Neville Chamberlaine – ganz offensichtlich verfolgte er eine ähnliche (und ähnlich nutzlose) Appeasement-Politik wie besagter britischer Premier. Auch hier: Das sind Informationen, die IM Film erwähnt werden müssen, da sie für die Episoden VIII und IX noch von großer Bedeutung sein könnten. So, wie es ist, und mit Blick ausschließlich auf Episode VII, ist Starkiller Base im Grunde nur eine überflüssige Parallele zu Episode IV. Hätten Finn, Han und Chewie Rey aus einer gewöhnlichen Basis der Ersten Ordnung gerettet, hätte sich kaum etwas geändert, und auch für den Angriff des Widerstandes hätte man die Zerstörung von Hosnian Prime nicht gebraucht – der Widerstand bekämpft die Erste Ordnung ja sowieso, es hätte also ausgereicht, hätte Finn Leia einfach die Koordinaten des Hauptquartiers mitgeteilt. Abrams und Kasdan hätten eine interessante Variation schaffen können, wenn es dem Widerstand nicht gelungen wäre, Starkiller Base zu zerstören, aber da das Ende ohnehin schon eher bittersüß ist, wollten sie dem Widerstand wohl doch einen Sieg zugestehen – was auch wieder kein Problem gewesen wäre, hätte er es lediglich geschafft, den Hauptstützpunkt der Ersten Ordnung zu zerstören. Die Zerstörung hat dennoch auch eine positive Seite: Starkiller Base ist weg und ich hoffe, dass die Erste Ordnung in den Episode VIII und IX keine weiteren Superwaffen aus dem Ärmel schüttelt.

Snoke, die Ritter von Ren und die Erste Ordnung
Welche Rolle die Erste Ordnung im Film spielt, wurde ja oben bereits abgehandelt, hier konzentriere ich mich stärker auf die einzelnen Figuren, die in dieser Organisation wichtig sind, mit Ausnahme von Kylo Ren, der weiter unten separat abgehandelt wird. Primär bleibt zu sagen: Die Schurken des Films (abermals, mit Ausnahme von Kylo Ren) bleiben bislang äußerst blass. Die Idee, mit der von Gwendoline Christie gespielten Captain Phasma eine Anführerin der Sturmtruppen zu etablieren, finde ich grandios, nur leider hat die gute Frau im Film kaum etwas zu tun, weil wir sie nicht in Aktion sehen. Ich hoffe, Episode VIII schafft diesbezüglich Abhilfe. Ganz ähnlich ist es mit Hux, der leider abseits seiner Adolf-Rhetorik kaum Charakter zeigt. Apropos: Die Neue Ordnung bedient sich der Nazi-Symbolik in noch stärkerem Ausmaß als das alte Imperium, die Farben schwarz, weiß und rot sind noch dominanter und gerade die Szene, in der Hux vor versammelter Mannschaft seine Rede hält, quillt geradezu über vor Reichsparteitagoptik.

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Die Ritter von Ren im Regen

Das Problem bei der ganzen Sache ist, wie ich bereits schilderte, dass wir kaum etwas über die Erste Ordnung erfahren: Wie groß ist ihr Machtbereich, ist sie nur eine Militärjunta, die an der Neuen Republik nagt oder betreibt sie tatsächlich Verwaltungsarbeit und regiert Planeten? Es wäre schön, wenn sie in den kommenden Filmen etwas differenzierter dargestellt würde, da Hux nun einmal ein ziemlich typischer Klischee-Nazi ist. Gerade diesbezüglich wäre ein wenig Einfluss aus dem alten EU nicht schlecht, Figuren wie Gilad Palleon oder Großadmiral Thrawn würden die Erste Ordnung weitaus interessanter machen.

Noch undurchsichtiger als das Nachfolgeimperium sind Snoke und die Ritter von Ren. Was es mit Letzteren auf sich hat, bleibt im Film fast völlig unklar. Wir wissen, dass Kylo Ren ihr Meister ist (Snoke nennt ihn „Master of the Knights of Ren“), und in Reys Vision sehen wir kurz, links und rechts neben Kylo, sechs weitere maskierte Gestalten, bei denen es sich tatsächlich um die anderen Ritter handelt. Ansonsten gibt es Fragen über Fragen: Sind alle Ritter von Ren machtsensitiv? Wie lange existiert dieser Orden schon, entstand er erst nach der Zerstörung des zweiten Todesstern oder gibt es ihn bereits seit Jahrhunderten oder gar Jahrtausenden? Wie stehen sie zu den Sith, die ja bislang die Repräsentanten der Dunklen Seite der Macht waren? Eine Theorie ist, dass er nach Palpatines Tod von überlebenden Inquisitoren (die ja in „Star Wars Rebels“ auftauchen) gegründet wurde, was sie zu einer Art Nachfolgeorganisation der Dunklen Lords machen würde. Immerhin, Kylo Ren trägt ein rotes Lichtschwert, eine schwarze Robe und eine Maske, die verdächtig nach der des Legends-Sith-Lords Darth Revan aussieht.

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Snoke (Andy Serkis) – oder doch Darth Plagueis?

Snoke ist eng mit diesen Fragen verbunden: Ähnlich wie der Imperator in Episode V bleibt der Oberste Anführer der Ersten Ordnung ein Rätsel, wir wissen praktisch nichts über ihn. Einige Zusatzinformationen gibt es noch im Roman zum Film: So ist Snoke wohl schon recht alt und war bereits in irgendeiner Form während der Klonkriege aktiv. Er ist ein mächtiger Nutzer der Dunklen Seite der Macht, aber körperlich verwundet und deshalb fragil. Aber ansonsten… Er zeigt sich nur als übergroßes Hologramm, muss also nicht zwangsläufig tatsächlich so aussehen, wie er in „Das Erwachen der Macht“ erscheint. Zu Snoke gab es bereits im Vorfeld des Films eine Theorie, die durch einige Elemente im Film noch befeuert wurde. Dieser Theorie zufolge ist Snoke in Wirklichkeit Darth Plagueis, Palpatines Sith-Meister, der den Mordversuch seines Schülers zwar überlebte (angeblich ist er ja in der Lage, den Tod zu überwinden), aber mehrere Jahrzehnte brauchte, um sich halbwegs zu regenerieren. Im Legends-Kanon ist Darth Plagueis ein Muun, aber daran muss sich die Einheitskontinuität ja nicht halten, und wie gesagt, Snoke muss nicht unbedingt so aussehen wie sein Hologramm. Im Film gibt es zwei Dinge, die auf diese Theorie hinweisen könnten und die von Verfechtern gerne als Bestätigung gesehen werden: In einem Dialog zwischen Hux und Kylo Ren wird Snoke als weise bezeichnet, was Palpatines Worte aus Episode III widerspiegeln könnte: „Have you ever heard of the tragedy of Darth Plagueis the Wise?“ Und dann ist da noch Snokes Thema, das nicht nur an das Thema das Imperators erinnert, sondern auch an den tiefen Kehlengesang der Theaterszene aus „Die Rache der Sith“, eben jener Szene, in der Palpatine Anakin von Darth Plagueis erzählt. Ehrlich gesagt weiß ich nach wie vor nicht, was ich von dieser Theorie halten soll und wie ich reagieren würde, träfe sie zu. Einerseits wäre es schon schön, wenn die Sequel-Trilogie auch die Prequels in einigen Aspekten miteinbeziehen würde; Darth Plagueis würde den Bogen gewissermaßen schließen, somit wären die Sith dann auch tatsächlich die eigentlich Bedrohung in der gesamten Saga. Andererseits ist ein totgeglaubter oder wiederauferstandener Sith-Lord auch nicht unbedingt das Gelbe vom Ei. Man wird wohl abwarten müssen.

Han Solo und der General
Werfen wir nun einmal einen ausgiebigen Blick auf die alten Bekannten, von denen es ja einige gibt. Admiral Ackbar, Nien Nunb, R2D2 und C-3PO haben alle verhältnismäßig kurze Gastauftritte, bei Luke kann man schon fast von einem Cameo sprechen, wenn auch von einem extrem wirkungsvollen. Leias Rolle fällt als Anführerin des Widerstandes schon größer aus, aber wenn es eine Figur der OT gibt, die in diesem Film dominant ist, dann ist es Han Solo. In vielerlei Hinsicht nutzen Harrison Ford und Lawrence Kasdan „Das Erwachen der Macht“, um mit Han Solo das zu tun, was ihrer Meinung nach bereits in „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ hätte geschehen sollen. Beide plädierten meines Wissens nach dafür, Han Solo am Ende zu töten, was George Lucas aber nicht wollte. Nun denn: Der Schmuggler ist tot. Kasdan und Abrams haben aber auch gleichzeitig dafür gesorgt, dass Han Solo in diesem Film noch einmal im Mittelpunkt steht. Auf gewisse Weise hat er eine Mentorenrolle wie Obi-Wan in Episode IV inne (inklusive Ableben), aber dieser Vergleich hinkt, da Han in „Das Erwachen der Macht“ eine weitaus zentralere Rolle spielt als Obi-Wan in „Eine neue Hoffnung“, tatsächlich steht er hier fast mehr im Zentrum als dies in den OT-Filmen der Fall war. Zu Beginn war ich recht skeptisch und auch enttäuscht, dass er nun wieder als Schmuggler arbeitet, aber meiner Meinung nach haben Abrams und Kasdan tatsächlich geschafft, dass das zumindest halbwegs funktioniert, indem sie Kylo Ren bzw. Ben Solo zum Auslöser gemacht haben. Wie wir aus dem Film erfahren, haben Han und Leia ja tatsächlich ein Familienleben geführt, bis eine Tragödie sie entzweit: Ben verfällt der Dunklen Seite, Luke geht ins Exil und Han und Leia flüchten sich in die Teile ihres Lebens zurück, in denen sie glauben, sich auszukennen: Leia führt den Widerstand an, Han wird erneut zum Schmuggler. Aber charakterlich sind sie dennoch nicht zur ihren Episode-IV-Versionen zurückgekehrt, man merkt, wie sehr die Vergangenheit auf ihnen lastet. Dennoch hätte ich es bevorzugt, wenn man auf diese „Scheinrückkehr“ verzichtet hätte, aber wenn schon, dann funktioniert sie tatsächlich nur so.

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Han (Harrison Ford) und Leia (Carrie Fisher) – fast wie früher. Fast…

Dass das gelingt, ist vor allem Harrison Fords Spielfreude zu verdanken, der dadurch den Fokus des Films auf seine Figur rechtfertigt. Ford kehrt hier völlig natürlich in seine Paraderolle zurück, er ist noch dieselbe Figur, nur eben tatsächlich dreißig Jahre später und um mehrere, unangenehme Erfahrungen reicher. Dabei wirkt er wunderbar ungezwungen und natürlich, egal ob er mit den Neuzugängen oder alten Bekannten wie Leia und Chewie agiert. Umso emotionaler fällt dann auch sein Tod aus, wobei der Film einem während der restlichen Dauer kaum Zeit lässt, ihn zu verarbeiten oder zu reflektieren.

Nebenbei: Ich finde auch grandios, wie Abrams hier den Millenium Falken in Szene setzt. Fast mehr noch als in der OT ist der Falke in „Das Erwachen der Macht“ ein Charakter und nicht einfach nur ein Transportmittel. Diesbezüglich hat Abrams bereits Erfahrung, da er in seinen beiden Star-Trek-Filmen etwas ähnliches mit der Enterprise getan hat. Dazu passend bekommt der Falke auch von John Williams ein Thema, das wir bereits aus der OT kennen: Die Rebellenfanfare. Ursprünglich fand ich das ein wenig merkwürdig, immerhin wechselt hier ein Leitmotiv quasi die Bedeutung. Aber es passt einfach perfekt zum Falken als Überbleibsel der alten Filme und weckt genau die richtigen Emotionen. Der Moment, in dem der Falke zum ersten Mal zum Klang der Rebellenfanfare im Film zu sehen ist, hat bei mir jedenfalls Gänsehaut ausgelöst.

Finn, Poe und das neue Trio
Zu den vielen OT-Parallelen gehört auch, dass im Zentrum von Episode VII ein neues Trio steht. Dies ist aber tatsächlich eine Parallele, die ich aus mehreren Gründen äußerst gelungen finde. Das liegt zum einen an den drei Schauspielern: Daisy Ridley, John Boyega und Oscar Isaac finde ich in ihren Rollen einfach grandios, alle drei versprühen regelrecht Charisma, sind unglaublich sympathisch und die Interaktionen zwischen Rey und Finn und Poe Dameron und Finn sind herrlich, die Chemie zwischen den Darstellern passt einfach perfekt.

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Das neue zentrale Trio: Poe Dameron (Oscar Isaac), Rey (Daisy Ridley) und Finn (John Boyega)

Darüber hinaus finde ich die drei als Figuren äußerst interessant konzipiert, gerade im Zusammenspiel. Auf den ersten Blick scheinen die Rollen recht klar verteilt: Poe Dameron ist der neue Han Solo (weshalb er von den drei auch am wenigsten im Film vorkommt, da gerade der zweite Akt in erster Linie dem alten Han Solo gehört), Rey ist die neue Leia und Finn ist der neue Luke – dies wurde auch durch die Promotion des Films untermauert, in der Finn auf Postern und in Trailern immer wieder mit Lukes altem Lichtschwert zu sehen war. Das wäre allerdings zu plump und oberflächlich. Ganz einfach gesagt: Die drei neuen Figuren lassen sich nicht mit den alten gleichsetzen. Poe Dameron ist wie Han Solo der Älteste und ein erfahrener Pilot, wie Leia ist er allerdings von Anfang an beim Widerstand und ihm kommen auch zu keinem Zeitpunkt Zweifel an der Sache, er ist niemals widerwillig dabei, so wie es bei Han der Fall war. Dieses Element findet sich dafür bei Rey und Finn, Letzterer will als Deserteur der Ersten Ordnung einfach nur so weit von dieser weg wie möglich, während Rey glaubt, ihre Familie, die sie auf Jakku ausgesetzt hat, würde eines Tages zurückkehren. Rey wiederrum hat mit Leia im Grunde nur das Geschlecht gemein, ansonsten ist sie die eigentliche Protagonistin und erinnert eher an Luke. Zwar schwingt Finn im Film tatsächlich zwei Mal das Lichtschwert, aber Rey ist diejenige, die ganz offensichtlich machtsensitiv ist, am Ende Kylo Ren besiegt und zur Jedi-Ausbildung aufbricht. Lange Rede, kurzer Sinn: Dieses neue Trio trägt (zusammen mit Han Solo) im Grunde den Film und sorgt dafür, dass er funktioniert. Ich hätte es zwar gerne in einer Geschichte gesehen, die nicht ganz so sehr „Eine neue Hoffnung“ ist, aber ich habe seine Abenteuer definitiv gerne und mit großem Vergnügen verfolgt.

Rey vs. Ren
Die beiden zentralen Widersacher des Films habe ich mir für den Schluss aufgehoben. Wie weiter oben bereits erwähnt ist Rey der zentrale Charakter des Films; sie ist eine Figur, die insgesamt äußerst gut ankommt, obwohl hin und wieder Äußerungen fallen, sie könne zu viel, sie sei zu perfekt und habe Mary-Sue-artige Züge. Dass Rey wirklich verhältnismäßig viel kann, lässt sich nicht von der Hand weisen, allerdings gibt es da zwei relativierende Faktoren. Zum einen Daisy Ridley: Die junge Frau ist eine derartig talentierte Schauspielerin, dass sie als Rey einfach funktioniert; allein die Bandbreite an Emotionen, die sie mit ihren Augen und über ihre Mimik ausdrücken kann, ist beeindruckend – ich denke, dass Daisy Ridley noch eine große Karriere vor sich hat. Rey hätte leicht zu einer Mary-Sue-artigen Gestalt werden können, aber ihre Schauspielerin verhindert das. Außerdem werden ihre Fähigkeiten ziemlich gut begründet, wenn man sich einmal die Mühe macht, zwischen den Zeilen zu lesen. Ich denke, wie viele, viele andere auch, dass Rey eine Enkelin von Anakin Skywalker ist. Dafür gibt es viele Indizien im Verlauf des Films: Sowohl Han als auch Kylo Ren scheinen mehr über sie zu wissen, als sie zugeben, die Machtvision bei Maz Kanata ist zwar kryptisch, legt aber doch eine Verbindung zur Skywalker-Familie nahe, ihr Leitmotiv besitzt eine Ähnlichkeit zu Anakins Thema aus Episode I etc. Besonders ihre mechanischen und Flugfähigkeiten werden gerne angekreidet, dabei ist die Erklärung dafür so simpel: Die Macht offenbart sich in vielen Ausprägungen. Manche, wie zum Beispiel Obi-Wan, besitzen ein spezielles Talent für den Umgang mit lebenden Wesen, für Heilung oder, wie im Fall von Anakin und Rey, für das Fliegen und die Mechanik, was in meinen Augen ein weiteres Indiz für Reys Herkunft ist: Sie besitzt dasselbe Talent wie ihr Großvater, der bereits mit zehn Jahren einen Podracer zusammenschrauben und auch fliegen konnte. Genauso könnte die Tatsache, dass Rey so exzellent mit dem Falken zurechtkommt, ein Hinweis dafür sein, dass sie Hans und Leias Tochter ist, aber auch Luke bietet sich natürlich als Vater an. Reys Sieg über Kylo Ren finde ich im Großen und Ganzen auch recht überzeugend: Nicht nur ist der Kampf hervorragend inszeniert, auch wenn er im Vergleich zu den elaborierten Lichtschwertduellen der Prequels recht spartanisch wirkt, ich finde den Ablauf auch recht plausibel. Kylo Ren hat gerade seinen Vater getötet und ist emotional ziemlich destabilisiert und darüber hinaus auch verwundet und so sowohl geistig als auch körperlich geschwächt. Finn fügt ihm mit Lukes Lichtschwer eine weitere Wunde zu, bei der es sich um einen Glücktreffer handelt, Kylo Ren macht daraufhin ja auch kurzen Prozess mit ihm. Und schließlich und endlich: Rey besiegt ihren Widersache nicht durch ihre überlegene Schwertkampftechnik (diese besitzt sie nicht, und das ist im Film auch sehr deutlich), sondern weil Kylo Ren bereits ziemlich angeschlagen ist und weil sie im richtigen Moment auf die Stimme der Macht hört, genau wie Luke bei der Zerstörung des ersten Todessterns im richtigen Moment auf die Stimme der Macht hörte. Rey ist tatsächlich ziemlich talentiert und lernt sehr schnell, aber auch da hatten wir im Franchise schon ganz andere Fälle, gegen die Reys Fortschritte geradezu zahm wirken, nicht wahr, Galen Marek? Allgemein scheinen Kasdan und Abrams den Fokus in Bezug auf die Macht eher auf Potential und weniger auf Training zu legen.

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Darth Vaders größter Fan: Kylo Ren alias Ben Solo (Adam Driver)

Kylo Ren hat das Fandom sogar noch weitaus mehr gespalten, den einen war er zu sehr Vader, den anderen war er nicht Vader genug. Auch hier muss ich sagen: Ich finde Kylo Ren als Schurken ziemlich gut gelungen. Zugegeben, sein Gesicht ist tatsächlich nicht unbedingt eines, das man sich für einen finsteren Krieger vorstellt, aber man kann sich sein Gesicht nun einmal nicht aussuchen, insofern passt es ganz gut zu seinem Charakter, dass er es mit einer Maske verhüllt. Und viel wichtiger: Adam Driver spielt ihn ziemlich gut. Ja Kylo Ren ist nicht Darth Vader, aber Kylo Ren soll auch nicht Darth Vader sein, Kylo Ren wäre gern Darth Vader, das ist der Kern seiner Figur. Wir wissen folgendes über seine Vergangenheit: Er wurde als Ben Solo kurz nach der Schlacht um Endor geboren. Irgendwann während seiner Kindheit und Jugend begann Luke damit, eine neue Generation Jedi-Ritter auszubilden, und Ben war einer von ihnen, entwickelte aber bald eine Besessenheit für Darth Vader, und es kam zum Bruch zwischen ihm und Luke. Ben Skywalker wurde von Snoke unter seine Fittiche genommen, trat den Rittern von Ren bei, nahm den Namen Kylo Ren an und half ihnen, Lukes neuen Jedi-Orden zu zerstören, was Luke dazu brachte, ins Exil zu gehen. Kylo Ren ist eine getriebene und psychisch höchst labile Figur, die gerne wie ihr großes Vorbild wäre – das sind Eigenschaften und Motivationen, die wir auf diese Weise bei noch keine Star-Wars-Schurken in dieser Form hatten (zumindest, was die Filme betrifft). Kylo Ren entwickelt sich im Verlauf des Films, wird dabei aber nicht stärker, sondern schwächer. Zu Beginn ist er noch sehr von sich selbst überzeugt, die Ereignisse wecken aber massive Zweifel und destabilisieren ihn. Ich finde, dass Kylo enormes Potential hat und bin gespannt auf seine weitere Entwicklung.

Außerdem finde ich ziemlich faszinierend, dass Kylo Ren, ob gewollt oder ungewollt sei einmal dahingestellt, quasi eine wandelnde Anspielung an das alte Star-Wars-EU ist: Seine Maske gleicht der des KotOR-Sith-Lords Darth Revan, er trägt den Vornamen von Lukes Sohn und ist, wie Han und Leias Sohn Jacen, der Dunklen Seite der Macht verfallen. Selbst ein Lichtschwert mit Parierstange gab es im EU bereits, auch wenn diese nur einseitig war.

Episode VIII: Ein Ausblick
Wie bereits erwähnt, beim Ende von „Das Erwachen der Macht“ kann man kaum von einem Happy End sprechen, es ist bestenfalls bittersüß: Zwar ist die Starkiller Base zerstört und die Erste Ordnung geschlagen, aber Han Solo ist tot und Finn liegt scheinbar im Koma, währenddessen begibt sich Rey auf die Suche nach Luke Skywalker. Ich denke, da ergeben sich für Episode VIII sehr viele interessante Ansätze – und natürlich hoffe ich auch, dass man gerade in Bezug auf Handlungselemente mutiger ist und sich jetzt stärker von der OT entfernt. Außerdem sind noch sehr viele offene Fragen zu beantworten, vielleicht sogar ein paar zu viele – das möchte ich aber erst beurteilen, wenn die Sequel-Trilogie komplett ist.

Meine Prognose ist, dass der erste oder die ersten beiden Akte des nächsten Sequels sich mit parallelem Training beschäftigen: Luke bildet Rey aus, während Snoke Kylo Rens Training vollendet. Vor allem Letzteres stelle ich mir interessant vor, denn Training auf der Dunklen Seite hatten wir bislang noch nicht in den Filmen. Außerdem glaube ich, dass dieses Training auch genutzt wird, um die Vergangenheit aufzuarbeiten, wahrscheinlich in Form von Rückblicken. Fast der gesamte Cast des Films, inklusive Harrison Ford, wurde für Episode VIII bestätigt, was mich zu dieser Annahme verleitet. Auch wirkt es seltsam, einen Schauspieler wie Max von Sydow anzuheuern, nur um ihn nach fünf Minuten zu verheizen, weshalb ich überzeugt bin, dass seine Figur Lor San Tekka in besagten Rückblicken noch eine wichtige Rolle spielen wird. Derweil könnte ich mir gut vorstellen, dass Poe und Finn gemeinsam auf eine Mission für den Widerstand gehen und dabei erneut mit Phasma und Hux konfrontiert werden. Wie gesagt, ich hoffe, diese beiden Figuren, und die gesamte Erste Ordnung, werden noch interessanter und differenzierter dargestellt. Außerdem muss die Neue Republik nun wohl oder übel einen Krieg mit der Ersten Ordnung beginnen, da ihre Hauptstadt, ihr Senat und eine ihrer Flotten zerstört wurden – das heißt, dass sich wohl hoffentlich auch am Status Quo etwas ändern wird und wir vielleicht mehr von der Galaxis sehen als in „Das Erwachen der Macht“.

Fazit: Wie ich bereits an anderer Stelle schrieb, gäbe es „Eine neue Hoffnung“ nicht, wäre „Das Erwachen der Macht“ ein grandioser Film, so ist er nur ein guter. Während Episode VII auf Plotebene nicht wirklich überzeugt, weil sie im Grunde dieselbe Handlung wie Episode IV besitzt, zu expositionsarm ist und einige Parallelen einfach zu überdeutlich sind, ist die Umsetzung exzellent gelungen. So ist „Das Erwachen der Macht“ vor allem auf der emotionalen Ebene überzeugend, die Figuren und Darsteller sind allesamt vollauf gelungen, ebenso wie Action, Effekte, Humor, Bildsprache und, und, und. Man merkt J. J. Abrams seine enorme Liebe zur OT, besonders zu Episode IV, im Guten wie im Schlechten an, man spürt den Enthusiasmus, aber ab einem bestimmten Punkt sind es einfach zu viele Zitate, und das schadet dem Endergebnis.

Siehe auch:
Star Wars Episode VII: Das Erwachen der Macht
Star Wars Episode VII: Das Erwachen der Macht – Soundtrack

4 Gedanken zu “Star Wars Episode VII: Das Erwachen der Meinung

  1. wow

    such einen Verlag, der in absehbarer Zeit irgenwelche Sammelbände zu Star Wars veröffentlicht (davon wird es sicher ein paar geben 😀 ) und reich den Text ein 😀
    als Blog-Eintrag fast schon zu lang (hab auch gerade nur bis Rey vs, Ren gelesen, hol den Rest später nach), aber durch die Bank weg gut und informativ geschrieben, man merkt sowohl die Emotionalität, als auch die Fachkenntnis!

    1. Für dieses Urteil danke ich vielmals 😉 Ja, das ist irgendwie etwas ausgeufert, aber es musste halt alles rein. Und egal, was man über den Film denkt, man kann auf jeden Fall sehr viel über ihn schreiben, das ist doch auch was 😀

      1. so, bin jetzt komplett durch 😀
        es spricht einiges für Rey als Abkömmling der Skywalkers (sei es jetzt durch Leia oder durch Anakin), v.a. womöglich auch der Trailer („The Force is strong in my family“), aber es gibt auch einiges, was dagegen spräche und weswegen ich hoffe, es wird nichts aus diesem Gedankengang
        mMn widerspreche nämlich das den bisherigen Charakterisierungen erheblich. Anakin als Vater käme allein alterstechnisch nicht in Frage, als Darth Vader dürfte er kaum noch über die biologischen Fähigkeiten verfügen und als Großvater geht er mMn ebenso wenig durch, da er mMn durch einen Seitensprung die beiden wichtigsten Dinge in seinem Leben, nämlich Padme und den Jedi-Orden, gleichzeitig verraten würde. Gegen Han und Leia spräche v.a. ihre Vergangenheit und wie ihre Familie sie zurücklässt – dass das in Wahrheit nur ihre Adoptivfamilie war oder ähnliches wäre für mich eine billige Ausrede und ich glaube diesbezüglich auch an eine deutlich bessere und durchdachtere Konstruktion, schließlich wird Abrams schon wissen (müssen) wo er mit der Figur hingehen will. das Internet liefert immer häufiger Obi-Wan als möglichen Vater, mMn wäre aber auch hier Alter und Charakter ein zu großes Problem.
        ich hoffe einfach, dass sie keine besonderen Vorfahren hat, was spräche denn dagegen, einfach mal einen neuen Charakter einzuführen? 😀

        Rey fand ich beim ersten Mal sehen ziemlich op (btw. Malek war doch der Typ aus The Force Unleashed? Den fand ich auch maßlos übertrieben 😀 ), Kylo Ren gefiel mir damals auch nicht so gut, beim zweiten Mal war aber beides ‚besser‘. Trotzdem finde ich es zeitweise viel zu einfach, was Rey anstellt, sei es dieses Manöver mit dem Falken ganz am Ende, sei es der Geistestrick bei JB007 oder sei es, wie sie das Machtziehen ums LS gewinnt. Klar lässt sich insbesondere das letzte recht gut erklären, aber für mich persönlich ist dass dann einfach diese kleine Spitze zu viel, da hätte man dem Faktor Glück eine größere Rolle einräumen können (der TIE rammt ein Wrack-Teil, ein verirrter Torpedo sorgt für einen Stromausfall, der ihre elektrischen Fesseln löst, irgendsowas) oder das ganze einfach etwas langsamer angehen können

      2. Ich halte tatsächlich Luke für den passendsten Vater-Kandidaten für Rey. Anakin kommt definitiv nicht in Frage, die Gute ist viel zu jung dafür, da sie laut offiziellen Angaben 11 Jahre nach der Schlacht um Endor geboren wurde. Obi-Wan scheidet damit als Vater genauso aus – wenn überhaupt ist sie Obi-Wans Enkelin, aber das glaube ich nicht. Im Vorfeld hat Kathleen Kennedy immer wieder betont, dass es sich bei den Episoden um die Familiensaga der Skywalkers handelt.

        Jep, Galen Marke ist Starkiller, der Protagonist aus „The Force Unleashed“ der es als (schätzungsweise) Dreijähriger schafft, Darth Vader mit der Macht das Lichtschwert zu entreißen und später ganze Sternenzerstörer vom Himmel holt – dagegen ist Rey nun wirklich harmlos 😀

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