Stück der Woche: Neodämmerung


Ich denke, es ist an der Zeit, eine seit längerem inaktive Artikelreihe wieder aus der Versenkung zu holen, und zwar aus dem simplen Grund, weil ich gerade Lust darauf habe. Im Rahmen dieses Neustarts von „Stück der Woche“ werfe ich gleich mal einen Blick auf Neodämmerung, eines meiner liebsten Stücke Filmmusik überhaupt, und damit auch gleich auf die Musik der Matrix-Trilogie insgesamt.
Das „normale“ Publikum denkt bei den Stichworten „Matrix“ und „Musik“ wahrscheinlich am ehesten an Songs von Linkin Park, Marilyn Mansons oder Rob Dougan – vor allem dessen Clubbed to Death war im ersten Film der Trilogie sehr prominent platziert. Der eigentlich Score (und damit der für mich musikalisch interessante Teil) stammt von Don Davis, der nach dem Ende der Matrix-Trilogie (ohne Frage Davis‘ Opus Magnum) leider in der Versenkung verschwunden ist. Die Songs und der Score sorgen zusammen für eine ziemlich interessantes musikalisches Gesamtpacket – Erstere gehen vor allem in Richtung Hard Rock, Dance und Elektronik, während Letzterer von den Stilmitteln der klassischen Musik des 20. Jahrhunderts geprägt ist. Vor allem Davis‘ Musik zum ersten Teil der Trilogie ist alles andere als angenehm oder leicht zugänglich – im Gegenteil, Davis‘ Kompositionen sind sehr anspruchsvoll und sicher nicht für jederman geeignet. Durch die Verwendung von extrem harschen, sehr komplexen Orchesterklängen, Atonalität und massiven Dissonanzen hat Davis es geschafft, der Matrix-Trilogie einen ziemlich einzigartigen musikalischen Stil zu geben.
Für „The Matrix Reloaded“ entschieden die Wachowskis und Davis, die beiden Teile des Matrix-Sounds enger miteinander zu verbinden, sodass die Techno- und Dance-Elemente nun auch direkt in den Score einflossen – für Stücke wie Burly Brawl oder Mona Lisa Overdrive arbeitete Davis mit Ben Watkins, dem Initiator des Musik Projekts Juno Reactor, zusammen. Gleichzeitig reduzierte er die Atonalität zugunsten längerer, harmonischer Sektionen. Obwohl ich nicht wirklich ein großer Fan der Art von Musik bin, die Ben Watkins macht, ist es erstaunlich, wie gut sein und Davis‘ Stil sich kombinieren lassen.
Auch für „The Matrix Revolutions“ arbeiteten Davis und Watkins an einigen Stücken zusammen, doch das Finale der Trilogie ist viel stärker von Davis als von der Techno/Hard-Rock-Seite des „Matrix-Sounds“ definiert, was sich auch daran zeigt, dass es nur einen Song im Film gibt.
Nun aber zum eigentlichen Sujet dieses Artikels: Neodämmerung (ein Wortspieltitel, das auch gut von Michael Giacchino stammen könnte) untermalt den finalen Kampf von Neo und Agent Smith und bietet auf der musikalischen Ebene das, was „The Matrix Revolutions“ dem Zuschauer auf der Storyebene verwehrt: Eine befriedigende Auflösung und einen grandiosen Höhepunkt. Neodämmerung ist ein sechsminütiges, intensives und treibendes Meisterwerk von einem Actiontrack, voll von kompositorischer Komplexität und einem konstanten Kampf von Tonalität gegen Atonalität. Im Zentrum steht natürlich der massive, auf Sanskrit singende Chor, der diesem Stück geradezu eine religiöse Dimension verleiht. Auch in leitmotivischer Hinsicht wird hier einiges geboten, Davis‘ Motive fließen in das Stück hinein und wieder heraus und vollenden auf spektakuläre Weise die Entwicklung, die in „The Matrix“ begann. Sowohl das Matrix Hauptthema, bestehend aus sich wiederholenden Notenpaaren (taucht zum Beispiel bei auf 1:35) als auch Neos Heldenmotiv (1:42 und 4:04) sind prominent vertreten.
Neodämmerung wird, in einer von Ben Watkins bearbeiteten Version namens Navras, auch während der End Credits von „The Matrix Revolutions“ gespielt allerdings ist Davis‘ Original der von Watkins elektronisch bearbeiteten Version weit überlegen – ein Meisterwerk braucht keine Nachbearbeitung.

2 Gedanken zu “Stück der Woche: Neodämmerung

  1. Oh schön! Ein Soundtrack-Artikel! Die Matrix-Soundtrack mag ich sehr gern, v.A. auch die Instrumental-Stücke. Meine Lieblingsnr. bleibt aber wahrscheinlich trotzdem auf ewig „Furious Angels“.

    1. Von den Rob-Dougan-Stücken gefällt mir das auch am besten, insgesamt ziehe ich aber Don Davis‘ Musik eindeutig vor – es gibt nur wenig, das gegen die geballte chorale Macht von „Neodämmerung“ ankommt 😉

Hinterlasse einen Kommentar