The Batman – Ausführliche Rezension

Spoiler nach dem ersten Absatz!
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Unglaublich, aber wahr: Matt Reeves „The Batman“ ist der erste Solofilm mit dem Dunklen Ritter seit 2012 „The Dark Knight Rises“ ins Kino kam, zumindest was Realfilme angeht. Natürlich gab es diverse Animationsprojekte, von denen einige sogar auf der Leinwand zu sehen waren, etwa „The Lego Batman Movie“ oder „Batman: The Killing Joke“ – Letzterer hatte zumindest einen begrenzten Release. Und es gab genug Filme mit Batman, aber Ben Afflecks eher unrühmliche Amtszeit als Dunkler Ritter beinhaltet eben nur Filme, in denen Batman zwar meistens eine, aber eben nicht DIE Hauptrolle spielt. Tatsächlich startete „The Batman“ als Film für Afflecks Inkarnation der Figur, bei dem er auch selbst Regie führen und am Drehbuch mitschreiben sollte. Daraus wurde bekanntlich nichts, Affleck zog sich als Regisseur zurück, Matt Reeves, Regisseur von „Dawn of the Planet of the Apes“, „War for the Planet of the Apes“, „Cloverfield“ und „Let Me In“ kam an Bord und kurz darauf wurde klar, dass Affleck hier auch nicht Batman spielen würde. Matt Reeves hatte kein Interesse daran, an das DC Extended Universe gebunden zu sein oder das Drehbuch eines anderen zu verfilmen, stattdessen wollte er seine eigene Version Batmans umsetzen und einen noch eher jungen und unerfahrenen Dunklen Ritter zeigen, ohne dabei aber noch einmal groß auf die Origin einzugehen. Dementsprechend verfasste er zusammen mit Peter Craig auch das Drehbuch. Eine gewisse Pandemie sorgte für einige Schwierigkeiten, besonders als Robert Pattinson, dessen Casting als Bruce Wayne die üblichen Wellen schlug, an Covid-19 erkrankte. Aber trotz Corona und allen weiteren Hindernissen kann Reeves‘ Vision seit letzter Woche im Kino begutachtet werden. Um es kurz und knapp zu machen, bevor wir in den Spoilerbereich abtauchen: Reeves‘ „The Batman“ hat mir außerordentlich gut gefallen. Nicht, dass es nicht die eine oder andere Schwäche gäbe, gerade der dritte Akt sowie einige Subplots sind ein wenig holprig erzählt, aber im Großen und Ganzen funktioniert Reeves Ansatz exzellent. Diesen als Mischung aus Burton und Nolan mit einer kräftigen Dosis David Fincher zu beschreiben greift zwar ein wenig zu kurz, gibt aber einen ganz guten Eindruck. Wie sich „The Batman“ in meinem persönlichen Ranking gegen die diversen anderen Umsetzungen des Dunklen Ritters schlagen wird, muss sich allerdings erst noch zeigen.

Handlung und Konzeption
An Halloween wird Don Mitchell (Rupert Penry-Jones), der Bürgermeister von Gotham City, auf grausame Art und Weise ermordet, wobei der Killer, der bald als „der Riddler“ (Paul Dano) bekannt wird, ein Rätsel am Tatort hinterlässt. Um ihm bei diesem Fall behilflich zu sein, zieht der ermittelnde Lieutenant James Gordon (Jeffrey Wright), trotz des Widerstands seiner Kollegen, den seit knapp zwei Jahren aktiven Vigilanten Batman (Robert Pattinson) zu rate. Der Riddler scheint es auf die korrupte Elite Gothams abgesehen zu haben: Sein zweites Opfer ist Police Commissioner Peter Savage (Alex Ferns). Die erste Spur, das Foto einer jungen Frau, mit der Mitchell offenbar eine Affäre hatte, führt Batman zum Nachclub „The Iceberg Lounge“, der von Oswald Cobblepot (Colin Farrell), genannt „der Pinguin“, der rechten Hand des Mafiabosses Carmine Falcone (John Turturro), betrieben wird. Nach einem recht fruchtlosen Gespräch mit dem Gangster wird Batman auf Selina Kyle (Zoë Kravitz) aufmerksam, die besagte junge Frau namens Annika (Hana Hrzic) in ihrer Wohnung versteckt. Kurz darauf verschwindet Annika, weshalb Batman und Selina ein wackliges Bündnis schließen, in Batmans Auftrag kehrt Selina in die Iceberg Lounge zurück, um weiter zu ermitteln. Dabei erfahren sie, dass auch Bezirksstaatsanwalt Gil Colson (Peter Sarsgaard) auf Carmine Falcones Gehaltsliste steht – dieser wird dann auch das nächste Opfer des Riddles.

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Batman (Robert Pattinson)

In seiner zivilen Identität als Bruce Wayne besucht Batman Don Mitchells Begräbnis, um dort weiter zu ermitteln. Das Begräbnis wird jedoch von Colson, der vom Riddler mit einer Bombe versehen wurde, gestört. Nur wenn es ihm gelingt, drei Rätsel zu lösen, stoppt der Riddler den Countdown. Colson weigert sich allerdings, die dritte Frage nach der Person zu beantworten, die den entscheidenden Hinweis zur Festnahme des Gangsterbosses Sal Maroni gab. Über den Pinguin kommen Batman und Gordon darauf, dass mit Maronis Festnahme etwas nicht stimmt, da seine kriminelle Operation ungehindert weiterläuft, und nicht nur das: Weitere Polizisten und städtische Beamte sind involviert. Durch weitere Hinweise muss Batman erkennen, dass auch sein eigener Vater Thomas Wayne in die Angelegenheit verstrickt ist. Und mehr noch: Der Riddler hat es auch auf Bruce Wanye selbst abgesehen, eine für ihn bestimmte Bombe bringt seinen Butler Alfred (Andy Serkis) ins Krankenhaus. Kann Batman herausfinden, wer in diese Verschwörung verwickelt ist und wie der Riddler mit all dem zusammenhängt?

Anhand dieser Inhaltsangabe zeigt sich bereits, dass die Detektivarbeit und die Ermittlungen dieses Mal – und zum ersten Mal in einem Batman-Realfilm – eindeutig im Vordergrund stehen. Ein wenig Detektivarbeit hier und da leisteten sicher auch die anderen filmischen Inkarnationen der Figur, man erinnere sich beispielsweise an Christian Bales Rekonstruktion des Einschusslochs in „The Dark Knight“ (wobei die ganze Aktion nicht unbedingt in sich logisch war), aber keiner der bisherigen Batmen kann guten Gewissens als „the world’s greatest detective“ bezeichnet werden – ironischerweise fällt dieser Titel, mit dem Batman in den Comics gerne bedacht wird, sogar in Reeves‘ Film, wenn auch ironisch-spöttisch. Wie dem auch sei, mehr noch als Nolans Batman-Filme entfernt sich Reeves bezüglich des Genres so weit vom typischen Superheldenfilm, wie es gerade möglich ist, ohne den kostümierten Rächer völlig zu entfernen, wie es Todd Phillips in „Joker“ tat. Ja, es gibt einige Actionszenen, doch diese sind verhältnismäßig selten und relativ geerdet, gerade im Kontrast zu den üppigen CGI-Schlachten der MCU-Filme. Und mehr noch, Action ist selten, die Ermittlungen und der Serienkiller- sowie der mit ihm verknüpfte Verschwörungsplot stehen ohne Zweifel im Fokus des Films. „The Batman“ ist ein waschechter Noir-Thriller und bedient sich der üblichen Konventionen.

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Selina Kyle (Zoë Kravitz)

Mit einer Laufzeit von 176 Minuten ist „The Batman“ noch einmal zehn Minuten länger als „The Dark Knight Rises“, insgesamt aber sehr gelungen strukturiert, sodass eigentlich keine Längen aufkommen: Reeves gelingt es, seine Zuschauer direkt in diesen finsteren Moloch einer Großstadt hineinzuziehen und nicht mehr loszulassen, zumindest für die ersten beiden Akte, obwohl man zugegebenermaßen hier und da etwas beschleunigen könnte; für manche Szenen nimmt sich Reeves sehr viel Zeit. Zumindest mich hat das allerdings kaum gestört, ich war immer voll investiert. Erst im letzten Drittel bekommt das Konstrukt einige Risse, da auf die Szene, die sich zuerst wie ein Finale anfühlt, noch einmal mindestens eine weitere halbe Stunde und auch ein weiteres Finale folgt. „The Batman“ ist nun bei weitem nicht der einzige Film mit einem derartigen „Doppelfinale“, weitere Beispiele wären „Casino Royale“ oder „Red Dragon“. Sowohl bei diesen Beispielen als auch hier wirkt das Ganze etwas holprig erzählt, wie in „Casino Royle“ ist diese Struktur zumindest bezüglich der Figurenentwicklung und des Handlungsabschlusses allerdings durchaus essentiell. Dennoch fragt man sich unweigerlich, ob es nicht eine Möglichkeit gegeben hätte, das alles etwas eleganter zu lösen.

A Serious City on a Serious Earth: Matt Reeves’ Gotham
Wir haben schon viele Versionen von Gotham City auf der Leinwand gesehen, von Tim Burtons gotisch-expressionistischer Metropole über Joel Schumachers Neon-Alptraum bis zu Zack Synders völlig undefinierter Großstadt. Natürlich ist den meisten Zuschauern vor allem Nolans Version noch im Gedächtnis; diese Inkarnation von Batmans Heimatstadt wandelte sich allerdings von Film zu Film: In „Batman Begins“ war Gotham noch leidlich gotisch, zwar relativ realistisch, gerade im Vergleich zu Burton oder Schumacher, aber immer noch etwas überzeichnet. Dieser Aspekt verschwand in „The Dark Knight“ fast völlig, hier wirkte Gotham wie eine normale Großstadt und orientierte sich stark am Drehort Chicago – tatsächlich einer der wenigen Kritikpunkte, die ich an „The Dark Knight“ habe. Nun denn, Matt Reeves bringt das „Goth“ in Gotham City zurück. Zwar bemüht er sich ebenfalls, zumindest einen gewissen oberflächlichen Realismus zu bewahren und zieht sein Gotham nicht so überdreht auf, wie es die Filme der 90er taten, zugleich zeigt er aber eine völlig heruntergekommene Stadt, die noch einmal deutlich stilisierter daherkommt als etwa das Gotham aus „Joker“, obwohl sich beide Städte zweifellos am New York der 70er und 80er orientieren. Wie Burton bemüht sich Reeves auch, sein Gotham zu seinem einzigartigen, markanten Ort zu machen, bei dem sich nicht nur um irgendeine Großstadt handelt. Seien es Pinguins Nachtclub, die Bathöhle oder Bruce‘ Wohnräume im Wayne Tower (Wayne Manor wurde bereits im Vorfeld zum Waisenhaus umfunktioniert) – meine Güte, ich will auch so ein Esszimmer.

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Der Riddler (Paul Dano)

Wie oben beschrieben scheint „The Batman“ atmosphärisch mitunter wie ein Kompromiss zwischen den Ansätzen von Burton und Nolan zu sein, während die Tatorte, die Konzeption des Riddlers und die Morde stark an David Finchers „Seven“ und in Ansätzen auch an „Saw“ erinnern. Da „The Batman“ ein PG-13-Rating hat, fällt das Ganze natürlich deutlich weniger blutig aus, aber wie schon Nolan in „The Dark Knight“ reizt Reeves das PG-13-Rating praktisch bis zum Anschlag aus. Selbstverständlich sollten bei den visuellen und inszenatorischen Einflüssen die diversen Batman-Medien abseits der Filme nicht ausgeklammert werden, von „Batman: The Animated Series“ über die Arkham-Spiele bis hin zu den Comics – den diversen Quellen widme ich mich weiter unten separat.

Nicht nur visuell zeigt Reeves sein Gotham als völlig kaputte Stadt. Wie schon bei Nolan ist diese Metropole völlig korrupt, und das noch in deutlich größerem Ausmaß. Vor allem in „Batman Begins“, aber auch in „The Dark Knight“ sahen wir primär korrupte Cops, aber auch Richter und städtische Beamte, neben Gordon schienen allerdings auch der Bürgermeister und der Police Comissioner sauber zu sein. Nicht so bei Reeves: Die komplette Führungsriege der Stadt steckt mit Carmine Falcone unter einer Decke, sodass er der de facto Bürgermeister der Stadt ist. Reeves thematisiert die Korruption noch in deutlich stärkerem Ausmaß und inszeniert sie weitaus erdrückender und allgegenwärtiger, als Nolan das tat. Während in „Batman Begins“ die eigentliche Bedrohung, Ra’s al Ghul und die Gesellschaft der Schatten, letztendlich von außen kommt, dreht sich in „The Batman“ alles um die Stadt selbst, der Riddler ist diesem Sumpf ebenso entwachsen wie Batman selbst, beide sind direkte Reaktionen.

„I’m Vengeance“: Robert Pattinsons Batman
Nachdem in der Dark-Knight-Trilogie die Tendenz vorherrschte, alles zu erklären und auch ordentlich Selbstanalyse zu betreiben, kehrt Reeves eher zum Burton’schen Ansatz zurück: Woher hat Batman sein Training und seine Spielzeuge? Wissen wir nicht, spielt keine große Rolle. Reeves geht sogar noch weiter, was manchmal sehr gut funktioniert, manchmal aber durchaus Lücken hinterlässt, die man hätte schließen müssen. Beispielsweise zeigt Reeves nicht noch einmal die Ermordung der Waynes – zum Glück, nach „Batman“, „Batman Begins“, „Batman v Superman: Dawn of Justice“, „Gotham“ und „Joker“ haben wir diese in den letzten Jahrzehnten wirklich oft genug gesehen. In manchen Aspekten verlässt sich Reeves einfach darauf, dass sein Publikum mit der Figur vertraut ist, um sich voll auf den Plot dieses Films konzentrieren zu können, ganz ähnlich wie es ein Batman-Comic tun würde, der nicht spezifisch die Origin der Figur behandelt. Bruce‘ Eltern werden zwar thematisiert, aber eben nur insofern sie für die Handlung relevant sind, es spielt also vor allem Thomas Waynes Verstrickung mit Carmine Falcone eine Rolle. Manche Elemente müssen einfach als selbstverständlich hingenommen werden. Die Entscheidung, die Fledermaus als Totem zu verwenden oder nicht zu töten wird weder inhaltlich noch psychologisch erklärt, es ist Batman, das gehört dazu, weshalb wird zumindest in diesem Film nicht erläutert. Ein wenig erinnert dieser Ansatz an „Batman: The Animated Series“: In der ersten Folge „On Leather Wings“ verhält es sich sehr ähnlich, Details bezüglich Batmans Vergangenheit, Motivation etc. werden erst später nachgereicht.

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Alfred Pennyworth (Andy Serkis) und Bruce Wayne (Robert Pattinson)

„The Batman“ ist dennoch eine Origin-Story für die Figur: Robert Pattinsons Bruce Wayne mag bereits seit fast zwei Jahren aktiv sein, ist aber trotzdem noch nicht der Batman, der er sein muss. In vielerlei Hinsicht ist „The Batman“ eine Geschichte von Batmans Scheitern, ein Scheitern, das nötig ist, um ihn zu einer essentiellen Erkenntnis zu bringen. Zu Anfang kümmert sich dieser Batman primär um die kleinen Verbrechen, Raub, Mord, Vandalismus, wobei er nur mäßig erfolgreich ist – zwar kann er einzelne Verbrechen verhindern, insgesamt geht die Kriminalitätsrate aber nach oben, nicht nach unten. Der Film beginnt mit einer ähnlichen Montage, wie wir sie auch zu Beginn von „The Dark Knight“ nach dem Banküberfall sehen: Das Batsignal am Himmel, verängstigte Verbrecher und schließlich Batman im Einsatz. Der Unterschied: In „The Dark Knight“ sorgt die Furcht vor Batman bereits dafür, dass Verbrechen nicht begangen werden, in „The Batman“ hingegen nicht. Auch der Fokus ist ein anderer: Korruption und organisiertes Verbrechen scheinen diesen Batman zumindest zu Anfang nicht zu kümmern. Wo Nolans Dunkler Ritter bei seinem ersten Einsatz sofort gegen Carmine Falcone vorgeht, interessiert sich Reeves‘ Version der Figur nicht groß für die Mafia, sofern sie keine aktiven Verbrechen begeht. Es sind tatsächlich die Morde des Riddlers, die Batman überhaupt erst auf das Ausmaß an Korruption aufmerksam werden lassen.

Den Fokus auf die Detektivarbeit erwähnte ich bereits, aber gerade hier wird Batmans Versagen deutlich: Trotz seiner Beobachtungs- und Kombinationsgabe, von der Technik gar nicht erst zu sprechen, gelingt es ihm nicht, auch nur einen der Riddler-Morde tatsächlich zu verhindern, ebenso wenig wie er es schafft, den finalen Anschlag abzuwenden. Batman geht in seinem Kreuzzug gegen das Verbrechen mit einem absoluten Tunnelblick vor, ohne auf den Kontext zu achten, er sieht nur das aktuelle Verbrechen, nicht das große Ganze. Das zeigt sich auch an der Rolle, die Bruce Wayne in diesem Film spielt – nämlich so gut wie keine. Bezüglich Batmans bürgerlicher Identität verzichtet Reeves auf die übliche Dualität zwischen Playboy und Vigilant, die vor allem in der Dark-Knight-Trilogie sehr betont wurde. Selbst Michael Keatons Batman zeigte sich hin und wieder in der Öffentlichkeit und gab Wohltätigkeitsfeste, obwohl er deutlich introvertierter und zurückgezogener war. Im Vergleich zu Robert Pattinsons Bruce Wayne ist selbst Keatons Inkarnation der Figur eine Frohnatur: Selten zuvor wurde Bruce als derartig obsessiv und kaputt gezeigt. Dementsprechend fällt auch Robert Pattinsons Performance aus, seiner Darstellung ist recht stoisch, Pattinson erreicht mit kleinen Regungen und vor allem seinen Augen extrem viel und deutet eine emotionale Tiefe an, die nur selten an die Oberfläche kommt.

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Das Batmobil

Trotz des Mangels an Bruce Wayne arbeitet Reeves mit einer eindeutigen Dualität, allerdings einer anderen als der üblichen: Batman als Symbol der Vergeltung vs. Batman als Symbol der Hoffnung. Das ist es auch, was Batman durch sein Scheitern in diesem Film lernt: Vergeltung reicht nicht aus, um wirklich etwas zu verändern, benötigt Batman einen systematischen Ansatz. Nur, wenn er sowohl Angst bei den Kriminellen als auch Hoffnung bei denen erweckt, die es zu beschützen gilt, kann er wirklich etwas verändern. Das zeigt sich besonders schön zu Beginn und zum Schluss: Die Person, die Batman am Anfang vor der Straßengang rettet, hat ebenso viel Angst vor ihm wie vor der Gang. Am Ende hat eine andere Person, die er aus den Trümmern rettet, keine Angst mehr, sondern möchte ihn nicht loslassen. Reeves‘ Bildsprache diesbezüglich ist nicht subtil, aber effektiv: Der Vigilant, der sich zu Anfang als Teil der Schatten bezeichnet, bringt das Licht.

Batmans Ausrüstung in diesem Film ist deutlich unausgereifter und weniger „poliert“ als etwa Christian Bales oder Michael Keatons, sondern stärker zweckgebunden. Das neue Batmobil sieht zwar verdammt cool aus und hat ordentlich Power, ihm fehlen aber die ganzen eingebauten Gadgets wie Maschinengewehre, Bat Pod, Sprungvorrichtung etc. Anstatt des Capes mit Gedächtnisstoff, das seinen Weg aus der Dark-Knight-Trilogie in die Comics und die Arkham-Spiele gefunden hat, verfügt Robert Pattinson über einen noch eher unausgereiften Fluganzug. Einzig der Suit scheint den anderen Modellen deutlich überlegen zu sein, offenbar steckt er so ziemlich alles weg, selbst Schüsse aus nächster Nähe. Das eine oder andere Mal hat das eher an Din Djarins Beskar-Rüstung aus „The Mandalorian“ als an Batmans typische Körperpanzerung erinnert. Etwas weniger wäre hier mehr gewesen – stattdessen hätte man Batman vielleicht den einen oder anderen Ermittlungserfolg gönnen und ihn beispielsweise den Riddler finden lassen können, ohne dass dieser sich selbst aufgibt.

„You Are Part of this, too”: Batmans Verbündete
Batmans Unterstützer sind nur allzu bekannt: Andy Serkis übernimmt als treuer Butler Alfred Pennyworth, Jeffrey Wright spielt James Gordon, hier noch nicht Comissioner, sondern nur Lieutenant, und Zoë Kravitz mimt die neue Version von Selina Kyle/Catwoman. Alle drei Figuren wurden bereits mehrfach hervorragend von exzellenten Darstellern verkörpert, sodass sich automatisch die Frage stellt, wie diese drei sich in ihren Rollen machen. Den geringsten Eindruck hinterlässt tatsächlich Andy Serkis‘ Alfred, was aber nicht daran liegt, dass er der Herausforderung nicht gewachsen wäre – trotz der Laufzeit von drei Stunden taucht Alfred verhältnismäßig selten auf. Reeves versucht, ihm mit Bruce einen eigenen kleinen Subplot zu geben und ihre Beziehung etwas zu entwickeln, zu Anfang des Films verhält sich Bruce eher abweisend und erklärt ihm, er sei eben nicht sein Vater, nachdem Alfred jedoch dem Angriff des Riddlers zum Opfer fällt, revidiert er diese Aussage. Dennoch bleibt die Beziehung zwischen Bruce und Alfred ziemlich oberflächlich, vor allem natürlich im Vergleich zu dem Verhältnis, das die beiden in „Batman Begins“ hatten.

Im Gegensatz dazu spielt Gordon eine deutlich größere Rolle. Weshalb er mit Batman zusammenarbeitet und ihm, anders als alle anderen Polizisten, die mit dieser Zusammenarbeit massive Probleme haben, bedingungslos vertraut, verrät uns Reeves nicht. Dafür fällt die Zusammenarbeit deutlich enger aus als in fast allen bisherigen Filmen: Gordon kontaktiert Batman nicht nur mit dem Batsignal, sie untersuchen gemeinsam Tatorte, ermitteln zusammen und verhören gemeinsam den Pinguin. Jeffrey Wrights Version der Figur erinnert dabei sehr an die beiden, von Brad Pitt und Morgan Freeman gespielten Ermittler David Mills und William Somerset aus Finchers „Seven“, sogar der Sprachduktus scheint ein sehr ähnlicher zu sein. Gordons familiäres Umfeld, das in den Comics eine wichtige Rolle spielt – seine Tochter Barbara ist bekanntermaßen Batgirl, sein Sohn James jr. wird zum Widersacher und seine zweite Frau Sarah Essen Gordon wird vom Joker ermordet – taucht hier zumindest noch nicht auf. Dementsprechend zweckgebunden fällt Wrights Performance aus, wie üblich ist Gordon einer der wenigen nicht-korrupten Polizisten, und obwohl wir seinen genauen Antrieb nicht kennen, ist doch eindeutig, dass er mit voller Leidenschaft bei der Sache ist.

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James Gordon (Jeffrey Wright) und Batman (Robert Pattinson)

Das Verhältnis zwischen Batman und Catwoman, die hier, wie schon in „The Dark Knight Rises“, nur ihren bürgerlichen Namen trägt und bestenfalls einmal als „cat burglar“ bezeichnet wird, ist wie üblich recht ambivalent. Selina ist gleich doppelt in die Mafiaverschwörung verwickelt, zum einen ist ihre Freundin Annika eine potentielle Zeugin, die später vom Pinguin und seinen Leuten beseitigt wird, und zum anderen ist sie Carmine Falcones Tochter und möchte sich an ihrem Vater rächen. Dieser Subplot wirkt ein wenig unausgegoren und konstruiert, die einzelnen Elemente wollen alle nicht unbedingt wirklich zusammenpassen, vor allem am Ende wird das deutlich. Über den Film hinweg wird immer wieder der Eindruck erweckt, Carmine Falcone habe ein gewisses Interesse an Selina, weil er weiß, dass sie seine Tochter ist, jedenfalls scheint er sie „väterlich“ zu behandeln. Dann gibt es allerdings eine Enthüllungsszene, in welcher Selina ihn aufklärt, wer sie ist und die nicht so recht zum Rest passen will. Davon abgesehen ist Selina allerdings ein exzellenter Bestandteil des Films, ich würde sogar noch weiter gehen und Zoë Kravitz die beste Performance des Films attestieren. Während Pattinsons Rolle eher stoisch angelegt ist und er sehr viel über die Augen vermittelt, ist es bei Kravitz die Körpersprache, die die Figur definiert, sei es in den Kampfszenen, wenn sie die Rolle einer Kellnerin schlüpft oder wenn sie sich tatsächlich ehrlich und verletzlich gibt. Mit dem finalen Urteil möchte ich noch bis zur Zweitsichtung warten, aber ich denke, ich habe meine Lieblings-Catwoman gefunden – was angesichts der Konkurrenz durch Michelle Pfeiffer und Anne Hathaway wirklich eine beeindruckende Leistung ist.

„Riddle me this”: Schurken und Widersacher
In „The Batman“ bringt Matt Reeves drei (sofern man Catwoman nicht dazurechnet) klassische Batman-Widersacher zurück auf die Leinwand. Wie schon in der meisterhaften Miniserie „Batman: The Long Halloween“ sowie in „Batman Begins“ und „Gotham“ fungiert Carmine Falcone, in „The Batman“ gespielt von John Turturro, als Symbol des „alten Gotham“, das von klassischen Gangstern beherrscht wird, die aber nach und nach von exzentrischen Freaks abgelöst werden. Um ehrlich zu sein, John Turturro konnte mich als übermächtiger Mafia-Don nicht wirklich überzeugen, die Gravitas, die Ausstrahlung, die man von einer derartigen Figur erwartet, schafft er einfach nicht zu vermitteln. Hier wäre etwas mehr „show, don’t tell“ angebracht gewesen – man wird immer wieder darüber informiert, wie mächtig und gefährlich Carmine Falcone ist, aber weder bekommen wir wirklich eine Kostprobe seiner Macht, noch wird es auf andere Art vermittelt. Was bleibt ist ein recht jovialer John Turturro.

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Oswald Cobblepot, der Pinguin (Colin Farrell)

Oswald Cobblepot ist das genau Gegenteil: Der Pinguin fungiert hier als Carmine Falcones Unterboss und rechte Hand, als solcher wird er deutlich aktiver als sein Chef. Nicht nur ist Colin Farrell unter dem beeindruckenden Make-up absolut nicht wiederzuerkennen, er geht völlig in seiner Rolle auf, spielt grandios und sorgt für einige der besten, wenn auch grimmigen, Momente des Humors. Farrell gibt einen deutlichen besseren und exzentrischeren Gangster ab als Turturro und reißt gnadenlos jede Szene an sich, in der er auftaucht, sei es das erste Zusammentreffen mit Batman oder die wilde Verfolgungsjagd (Batmans asozialer Fahrstil ist über die verschiedenen Inkarnationen hinweg sehr konsistent).

Schließlich und endlich hätten wir den Riddler, den eigentlichen Antagonisten des Films, der sich in der Reeves-Interpretation so weit wie nur irgendwie denkbar von Frank Gorshin oder Jim Carrey entfernt hat und eher an den Zodiac-Killer, John Doe aus „Seven“ oder Jigsaw aus „Saw“ angelehnt ist. Wie so oft bei Batman handelt es sich um ein dunkles Spiegelbild des Helden: Sowohl Bruce Wayne als auch Edward Nashton sind Waisen, die sich mit Gothams Korruption und Kriminalität nicht mehr abfinden wollen. Anders als Bruce Wayne verfügt Edward Nashton allerdings nicht über unbegrenzte finanzielle Mittel, weshalb er Bruce als „keine echte Waise“ betrachtet. Wie Bruce beschließt er, Vergeltung zu üben. Wo Batman allerdings Nacht für Nacht auf die Straße geht und Verbrecher verprügelt, ohne dabei das Gesamtbild zu sehen, kommt Nashton hinter die Verschwörung, die Carmine Falcones Macht sichert, ihm fehlen aber die Mittel, etwas dagegen zu tun. Batman fungiert für ihn als Inspiration, tatsächlich glaubt er, sie stünden auf derselben Seite. Als Riddler möchte Nashton Batman die Augen für das Gesamtbild öffnen, was ihm auf gewisse Weise auch gelingt, nachdem er dem Dunklen Ritter allerdings seine Sichtweise enthüllt, ist dieser nicht etwa erfreut, sondern aktiv abgestoßen. Ab diesem Zeitpunkt ändert sich Riddlers Vorgehensweise, denn im Finale agiert er weniger wie der Puzzle-verrückte Serienkiller, als der er bis dahin dargestellt wurde, sondern eher wie ein Terrorist aus den Nolan-Filmen, was mir persönlich wie ein Bruch vorkommt. Auch die neuen Anhänger des Riddlers, die plötzlich fast wie aus dem Nichts auftauchen, erscheinen etwas merkwürdig, ein recht unsubtiler Kommentar auf Social-Media-Follower. Auf der einen Seite wirkt das Finale ein wenig wie angeklebt, um noch etwas Spektakel und Action unterzubringen, andererseits ist es für die Entwicklung Batmans und den thematischen Überbau sehr wichtig. Wie dem auch sei, Paul Dano überzeugt in der Rolle des Riddlers auf seine Art ebenso wie Colin Farrell, auch wenn er deutlich weniger unterhaltsam ist (wie es auch sein sollte). Über den Masterplan des Riddlers sollte man dagegen vielleicht nicht allzu genau nachdenken, sonst offenbaren sich die üblichen Lücken.

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Carmine Falcone (John Turturro)

Mit dem Joker, gespielt von Barry Keoghan, hat darüber hinaus ein weiterer, klassischer Batman-Schurke einen kleinen Cameo-Auftritt, den es meinem Empfinden nach aber absolut nicht gebraucht hätte – die Szene wirkt unpassend und stört den Fluss des Endes. Zudem hatten wir in letzter Zeit so viel Joker, dass er durchaus mal eine Weile pausieren kann. Laut Reeves war eine weitere Szene mit dem Joker geplant und wurde sogar gedreht, in welcher Batman den Joker aufsucht, damit dieser ihm auf Hannibal-Lecter-Art bei der Ergreifung des Riddlers hilft – diese Szene fiel (glücklicherweise) der Schere zum Opfer. Ich könnte mir allerdings vorstellen, dass die Ergreifung des Jokers das Ereignis war, das Batman und Gordon zusammengeschweißt hat. Zudem wird noch der etwas neuere, in den frühen 2000ern von Jeph Loeb und Jim Lee geschaffene Hush angedeutet. Der Reporter, der droht, Thomas Waynes Geheimnisse zu enthüllen, trägt den Nachnamen Elliot, was natürlich sofort an Thomas Elliot, Hushs bürgerliche Identität denken lässt. Zudem steht das Wort „Hush“ auch noch auf dem Foto besagten Reports – ich bin sicher, sowohl Thomas Elliot als auch die Frage, wie korrupt Thomas Wayne tatsächlich war, werden in Zukunft noch eine Rolle spielen.

Art of Adaptation: Ein Blick auf die Quellen
„The Batman“ folgt dem gewohnten Muster vieler anderer Superheldenfilme: Anstatt eine bestimmte Story zu adaptieren, arbeiteten Matt Reeves und Peter Craig mit einer Vielzahl an verschiedenen Story-Elementen aus diversen Werken der letzten Jahrzehnte und bauten zudem noch viele, viele kleine Anspielungen für Comic-Fans ein, die zeigen, wie gut sie sich in der Materie auskennen. Wie schon bei „Batman Begins“ und „The Dark Knight“ fungieren die beiden essentiellen Batman-Storys „Batman: Year One“ (von Frank Miller und David Mazzuchelli) und „Batman: The Long Halloween“ (von Jeph Loeb und Tim Sale) als primäre Inspiration für das Setting eines völlig korrupten, von der Mafia beherrschten Gotham, das von einem bestimmten Vigilanten und seiner (mehr oder weniger) farbenfrohen Schar an Widersachern nachhaltig verändert wird. Vor allem „The Long Halloween“ nannte Reeves immer wieder als eine seiner liebsten Batman-Geschichten, dementsprechend viele Verweise finden sich in der Handlung des Films. Während „The Dark Knight“ den Two-Face-Plot (zumindest in groben Zügen) adaptierte, scheint „The Batman“ stärker vom zentralen Kriminalfall inspiriert zu sein. In „The Long Halloween“ ist natürlich nicht der Riddler, sondern der Holiday-Killer der zentrale Antagonist, und er tötet Mitglieder der Mafia, nicht korrupte städtische Beamte, aber die Parallelen sind doch deutlich. Und zu allem Überfluss startet die Mordserie in „The Batman“ an Halloween, auch wenn sie kein ganzes Jahr andauert. Catwoman als Tochter Carmine Falcones stammt ebenfalls aus „The Long Halloween“, dieser Aspekt wird in den Fortsetzungen „Batman: Dark Victory“ und „Catwoman: When in Rome“ (beide ebenfalls von Loeb und Sale) weiter ausgeführt. Besonders erfreut war ich darüber, dass Selina Carmine Falcone auch im Film die ikonischen Kratzer verpasst, die er in „Year One“ bekommt. Und wo wir gerade von Catwoman sprechen: Ihr Kurzhaar-Look stammt direkt aus dem beliebten Run von Ed Brubaker und Darwyn Cooke, während sie in der finalen Konfrontation genauso aussieht wie bei ihrem ersten Auftritt in Millers „Year One“. Selinas Freundin Annika ist, so weit ich weiß, eine Neuschöpfung, erinnert aber an Holly Robinson, die in den Comics eine ähnliche Rolle spielt und ebenfalls getötet, von Ed Brubaker aber wieder zurückgebracht wurde.

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Selina Kyle (Zoë Kravitz) und Batman (Robert Pattinson)

Eine weitere wichtige Inspiration dürfte die deutlich jüngere dreiteilige Graphic-Novel-Serie „Batman: Earth One“ von Geoff Johns und Gary Frank sein. In dieser Neuerzählung von Batmans Origin erleben wir einen ähnlich fehlbaren Batman, der erst lernen muss, was es heißt, ein Held und ein Detektiv zu sein. Die Interpretation Alfreds scheint ebenfalls auf „Earth One“ zu basieren, vom Gehstock bis hin zu seiner Rolle, die eher Trainer und Bodyguard statt Butler zu sein scheint. Ähnliches lässt sich auch über den Riddler sagen, der im zweiten Band der zentrale Widersacher ist und ebenfalls als Serienkiller inszeniert wird. Gewisse Parallelen zum Riddler aus den Arkham-Spielen lassen sich nicht leugnen, von der Agenda gegen Korruption in „Arkham Origins“ bis zu den Jigsaw-ähnlichen Fallen in „Arkham City“. Das Finale schließlich erinnert an Ed Brubakers und Greg Capullos „Batman: Zero Year“, eine weitere Origin-Erzählung im Rahmen der 2011 gestarteten New-52-Kontinuität. Wie in „The Batman“ tritt der Riddler hier als erster „echter“ Superschurke auf und zudem wird Gotham geflutet und von der Außenwelt abgeschnitten, etwas, das im kommenden Sequel von „The Batman“ thematisiert werden könnte. Eine ähnliche Situation hatten wir freilich auch in „The Dark Knight Rises“ und dem groß angelegten Handlungsbogen „No Man’s Land“, der sich Ende der 90er durch sämtliche Batman-Serien zog.

Mit der Idee, die Waynes könnten vielleicht nicht die guten Menschen sein, als die sie Bruce immer sah, spielen die Autoren in den Comics immer wieder. Die Verbindung zu Carmine Falcone stammt direkt aus „The Long Halloween“, und auch die Telltale-Spiele (die ich leider nicht selbst gespielt habe) greifen diese Idee wohl auf. Martha Wayne als Mitglied der vom Wahnsinn gezeichneten Arkham-Familie stammt aus „Earth One“ – normalerweise ist sie eine Kane – und in gewisser Weise scheint „The Batman“ auch an Todd Phillips „Joker“ anzuknüpfen, denn Phillips‘ Version von Thomas Wayne kandidiert ebenfalls als Bürgermeister und hat mit Sicherheit keine völlig weiße Weste. Den Pinguin als Handlanger und gewissermaßen Nachfolger Carmine Falcones sahen wir bereits in „Gotham“. Der gefesselte Colin-Farrell-Pinguin adaptiert sogar kurzzeitig das typische Watscheln der Robin-Lord-Taylor-Version. Als weitere zentrale Inspirationsquelle für Batmans psychischen Zustand nennen Reeves und Robert Pattinson zudem „Batman: Ego“ von Darwyn Cooke, ein kürzerer One-Shot, in welchem Bruce Wayne eine Art Zwiegespräch mit seinem Alter Ego führt, was angesichts des Mangels an Distinktion zwischen Bruce und Batman im Film ein wenig ironisch anmutet.

Fazit: Ist Matt Reeves‘ „The Batman” ein Meisterwerk, vielleicht sogar der beste Batman-Film? So weit würde ich definitiv (noch?) nicht gehen, aber zweifelsohne handelt es sich um eine extrem gelungene Neuinterpretation der Figur und ihres Kosmos mit einem wirklich grandiosen Cast, einem vor gotischer Atmosphäre triefenden Gotham City und leider einigen erzählerischen Schwächen im dritten Akt. Aber ich möchte definitiv gerne mehr sehen von dieser Inkarnation Batmans und Gothams.

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Score-Duell: Justice League – Elfman vs. Holkenborg

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Es mag vielleicht aufgefallen sein, dass in meiner ausführlichen Rezension zu „Zack Snyder’s Justice League“ ein Thema auffällig abwesend war: Der neue Score von Tom Holkenborg alias Junkie XL. Wer diesen Blog schon etwas länger verfolgt, weiß, dass ich eine, sagen wir, ausgeprägte Meinung zum Thema „Musik des DCEU“, wie sie vor allem von Hans Zimmer und Holkenborg geprägt wurde, habe. Wir haben hier eine zumindest relativ seltene Situation, in der (mehr oder weniger) derselbe Film von zwei Komponisten sehr unterschiedlich vertont wurde. Schon für die ursprüngliche Kinofassung hätte Holkenborg den Score schreiben sollen, tatsächlich war dieser wohl schon so gut wie fertig, bevor Holkenborg durch Elfman ersetzt wurde. Für den Snyder-Cut griff er allerdings nicht auf diesen ursprünglichen Score zurück, sondern begann noch einmal ganz von vorne, um den Anforderungen des nun deutlich längeren Filmes gerecht zu werden. Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um ein neues Format der Soundtrack-Besprechung auszuprobieren, in dem ich zwei (oder auch mehr?) Scores anhand diverser Kategorien (die natürlich variabel sind) miteinander vergleiche, zum Beispiel Remakes, Reboots, Sequels mit völlig unterschiedlichem musikalischem Konzept oder Filme, die sich aus anderen Gründen musikalisch vergleichen lassen.

Stil
Im Verlauf seiner Karriere arbeitete Zack Snyder mit drei „Stammkomponisten“: Tyler Bates, Hans Zimmer und Tom Holkenborg, wobei die letzten beiden praktisch von Anfang an als Team auftraten. Alle Scores, die aus diesen Partnerschaften resultierten, weisen gewisse Gemeinsamkeiten auf, die wohl auf Snyders musikalische Vorlieben zurückgehen – sie alle zeichnen sich nicht unbedingt durch ausgeprägte Orchesterarbeit und detaillierte Leitmotivik, sondern eher durch Rock- und Sounddesignelemente sowie eine eher brachiale Natur aus. Das gilt ebenso für die Scores von früheren Snyder-Filmen wie „300“ oder „Watchmen“ als auch für die Soundtracks des DCEU, die natürlich stark vom Zimmer/Nolan-Sound geprägt sind. Als Joss Whedon das Ruder bei „Justice League“ übernahm, sagte ihm diese Herangehensweise allerdings nicht zu, weshalb er stattdessen Danny Elfman ins Boot holte – mit diesem hatte er zuvor bereits an „Avengers: Age of Ultron“ zusammengearbeitet und vermutlich gute Erfahrungen gemacht. Elfmans „Justice League“ ist deutlich traditioneller als die bisherigen DCEU-Scores, mit größerem Fokus auf das Orchester. Es handelt sich im Grunde um eine nahtlose Fortsetzung von Elfmans modernem Action-Stil, den er in „Men in Black“ und „Spider-Man“ etablierte und in „Wanted“, „Hellboy 2: The Golden Army“, den beiden Alice-Filmen und natürlich „Age of Ultron“ weiterentwickelte. Es finden sich durchaus hier und da Zugeständnisse an den von Zimmer und Holkenborg etablierten Sound, gerade in Hero’s Theme, (der Track findet sich zugegebenermaßen in dieser Form nicht im Film), aber „Justice League“ ist ohne Zweifel ein Elfman-Score durch und durch, die Orchesterarbeit ist weitaus komplexer, opulenter und organischer als bei den beiden Vorgängern – diesen Stil empfinden viele Kinogänger traurigerweise inzwischen als „veraltet“. Elektronische Manipulationen und Snyth-Elemente sind zwar vorhanden, aber in weitaus geringerem Ausmaß.

Wie nicht anders zu erwarten kehrte Holkenborg für den Snyder-Cut zum bereits etablierten DCEU-Stil zurück, was im Klartext bedeutet: mehr Sounddesign, mehr Ambience und durchgehende Manipulation und Prozessierung der Performance des Orchesters, bis man kaum mehr unterscheiden kann, was tatsächlich von Musikern und was aus dem Computer kommt. In letzter Konsequenz stellt sich hier natürlich zum einen die Frage, welchen Stil man persönlich bevorzugt und welcher besser zum Film passt. Meine Antwort auf den ersten Teil dieser Frage dürfte eindeutig sein: Ich war nie ein Fan von den reduzierten, übermäßig prozessierten und bearbeiteten Klängen, die Zimmer und Co. für die Dark-Knight-Trilogie, „Inception“ oder eben die DCEU-Filme ablieferte. Ich kann nicht bestreiten, dass sie oft zumindest funktional sind, aber derartige Scores haben darüber hinaus für mich nur selten Mehrwehrt, auch wenn sie den Geschmack vieler Zuschauer zu treffen scheinen. Dementsprechend gehöre ich zu der Minderheit, die Elfmans Score als Hörerlebnis definitiv vorzieht – tatsächlich kehre ich immer wieder gerne gerade zu den komplexen, motivisch ausgefeilten Action-Tracks zurück. Es lässt sich allerdings auch nicht bestreiten, dass Elfmans Score zumindest in der aktuellen Form für Snyders Vision unpassend gewesen wäre. Ich denke allerdings, dass Elfman auch durchaus in der Lage gewesen wäre, sich an „Zack Snyder’s Justice League“ anzupassen, hat er doch mit „Planet of the Apes“, „Sleepy Hollow“ und „The Wolfman“ bewiesen, dass er auch düstere, grimmige und brutale Stoffe passend vertonen kann, ohne seinen Stil zu verwässern. Warner wollte jedoch, dass die Kinofassung von „Justice League“ einem Avengers-Film so ähnlich wie möglich wird, und das erstreckte sich dann auch auf die Musik. Im Fandom wird spätestens seit „Justice League“ allerdings eine etwas merkwürdige Dichotomie wahrgenommen; ein Score, der weniger elektronisch wummert und dröhnt, wird, vor allem von Snyder-Fans, sofort als „Marvel-artig“ gesehen, was bestenfalls eine grobe Vereinfachung und schlimmstenfalls schlicht falsch ist.

Gewinner: Elfman, aufgrund meiner persönlichen Vorlieben; hier sticht die exzellente Orchesterarbeit die stilistische Kontinuität aus.

Themen
Sowohl Holkenborg als auch Elfman griffen auf ein Arsenal an bereits bestehenden Themen zurück, was bei einem Score eines etablierten Franchise nicht sonderlich verwundert. Elfman bediente sich allerdings, mit einer Ausnahme, nicht den von Zimmer und Holkenborg etablierten Leitmotiven, sondern der klassischen Themen. Elfman war wohl, ähnlich wie ich, von der bisherigen Musik des DCEU nicht allzu angetan und verfolgte deshalb einen anderen Ansatz: Er (oder Whedon, oder Warner) wollte, dass die ikonischen Helden der Justice League durch nicht minder ikonische Themen repräsentiert werden, weshalb er gerade für DCs Trinität diejenigen wählte, die die Allgemeinheit am stärksten mit ihnen verknüpft: sein eigenes Batman-Thema, John Williams‘ Superman-Thema und das Wonder-Woman-Motiv aus „Batman v Superman: Dawn of Justice“. Keines dieser drei Themen sollte allerdings den Film dominieren, weshalb Elfman sich ihrer eher fragmentarisch und subtil bedient, ihnen aber einen oder zwei Moment im Scheinwerferlicht gewährt. Das Superman-Thema etwa untermalt in entstellter Version den Kampf der restlichen Ligisten gegen den wiedererwachten Superman (Friends and Foes) und darf einmal klassisch-heroisch (aber nur sehr kurz) in The Final Battle erklingen. Der Rhythmus des Wonder-Woman-Motivs ist im gesamten Score sehr präsent, eine knackige Action-Variation findet sich allerdings nur in Wonder Woman Rescue. Elfmans Batman-Thema ist fraglos das dominanteste und dasjenige, das am häufigsten auftaucht, aber auch hier bedient sich Elfman nur des aus fünf bzw. sechs Noten bestehenden Kernmotivs, den „Marschteil“ zitiert er nur einmal in The Final Battle. Weitere, gut vernehmbare Variationen finden sich in Then There Were Three, The Tunnel Fight und Anti-Hero’s Theme.

Zusätzlich zu diesen drei bereits etablierten Themen komponierte Elfman eine Reihe neuer Themen und Motive, hierzu gehören das Hero’s Theme, das zwar eine Suite zu Beginn des Albums hat, im Score selbst aber nur eine untergeordnete Rolle spielt, und das eigentliche Thema der Justice League (sehr gut vernehmbar in The Justice League Theme – Logos und Justice League United, aber auch in den diversen Action-Tracks). Hier lässt sich eine gewisse Ähnlichkeit zum Avengers-Thema nicht leugnen, beide Themen sind ähnlich instrumentiert und um dasselbe Intervall, die reine Quinte (das klassische Helden-Intervall) aufgebaut. Den weiteren Mitgliedern der Liga verpasste Elfman ebenfalls eigene Motive, diejenigen von Aquaman und Cyborg gehen eher unter, das von Flash hingegen ist äußerst markant und erklingt jedes Mal, wenn er in die Speed Force gleitet, zum Beispiel am Ende von Spark of the Flash, in The Tunnel Fight oder Friends and Foes. Steppenwolf hat sein eigenes Schurkenmotiv und die Beziehung zwischen Lois und Clark erhält ebenfalls ein Thema. Nun denn, Fans der bisherigen Scores waren (nicht ganz zu Unrecht) ziemlich wütend darüber, dass Elfman die bisherigen Themen einfach so verwarf, und ich kann das gut nachvollziehen, denn bei fast jedem anderen Franchise würde ich ähnlich empfinden, aber gerade bei diesem haben die Leitmotive aus „Man of Steel“ und „Batman v Superman: Dawn of Justice“ so wenig emotionale Resonanz bei mir hervorgerufen, dass ich kaum Probleme damit habe. Tatsächlich finde ich es schön, die Klassiker noch einmal in neuem Gewand zu hören.

Holkennborgs leitmotivischer Ansatz ist dem von Elfman gar nicht so unähnlich, vor allem auf zwei bereits existierende Themen greift er in großem Ausmaß zurück, das wären zum einen das Wonder-Woman-Motiv, das hier in seiner harschesten und elektronischsten Ausprägung zu finden ist (zum Vergleich: Elfman wählte eine deutlich organischere Instrumentierung), etwa in Wonder Woman Defending/And What Rough Beast und Wonder Woman, a Call to Stand/A World Awakened und zum anderen das Superman/Clark-Kent-Thema, sowohl in der Klavierversion (Superman Rising, Pt. 1/A Book of Hours) als auch in der heroischen, aufstrebenden Variation, die in „Man of Steel“ nur zwei Mal und in „Batman v Superman: Dawn of Justice“ überhaupt nicht zu hören war (Superman Rising, Pt. 2/Immovable). Weitere bekannte Themen, die zumindest kleine Cameo-Auftritte spendiert bekommen, sind das Motiv für Lex Luthor und der Bat-Rhythmus, beide in „Batman v Superman: Dawn of Justice“ etabliert und beide in Your Own House Turned to Ashes zu hören. Interessanterweise ist dieses primäre Motiv für den Dunklen Ritter ansonsten allerdings abwesend, stattdessen spendiert ihm Holkenborg ein neues Leitmotiv, zu diesem später mehr.

Das zentrale neue Thema von „Zack Snyder’s Justice League“ ist das Foundation-Thema, gewissermaßen Holkenborgs Identität für die Justice League – es darauf zu reduzieren würde ihm allerdings nicht ganz gerecht werden, da sich der holländische Komponist tatsächlich einige Gedanken zu diesem Thema gemacht zu haben scheint. Es handelt sich dabei nämlich nicht nur um ein Team-Thema, sondern repräsentiert den Gedanken der heroischen Vereinigung im Kampf gegen die Horden von Apokolips – in dieser Funktion kommt es bereits bei der LotR-artigen Rückblende, in welcher die Amazonen, Menschen, Atlanter, Götter und Green Lanterns gegen Darkseid kämpfen, vor bzw. wird dort etabliert. Die Justice League führt dieses Bündnis fort und wird aus diesem Grund mit dem Foundation-Thema bedacht. Hier muss ich Holkenborg tatsächlich den Vorzug geben, denn besagtes Thema ist nun zwar auch nicht unbedingt das innovativste und steht in der Tradition der Zimmer-Power-Hymnen der 90er und frühen 2000er, ist aber doch markanter und effektiver als Elfmans Justice-League-Thema. Wie dieses ist es in viele der Action-Tracks eingearbeitet, auf dem Album finden sich aber auch zwei Suiten, The Foundation Theme und The Crew at Warpower, die es gut repräsentieren.

Holkenborgs neues Batman-Thema soll die nun heroischere Version des Dunklen Ritters, die uns im Kontrast zu „Batman v Superman: Dawn of Justice“ präsentiert wird, darstellen – ironischerweise ist es dabei von Elfmans deutlich ikonischerem Thema gar nicht einmal so weit entfernt. In Essenz handelt es sich bei diesem Motiv um eine Erweiterung bzw. Auskopplung des Foundation-Themas, was angesichts von Batmans Rolle als Rekrutierer der Liga in diesem Film durchaus clever ist. Cyborg und Aquaman bekommen ebenfalls Motive, die wie schon bei Elfman nicht allzu markant sind, Flash hingegen wird ausgespart. Der bemerkenswerteste Neuzugang unter den Heldenmotiven ist allerdings der „klagende Frauengesang“, der um die Jahrtausendwende en vogue war und durch Filme wie „Gladiator“ und „Troy“ regelrecht zum Klischee wurde. Hier repräsentiert er die Amazonen und Wonder Woman und wird tatsächlich jedes Mal gespielt, wenn Diana oder ihre Angehörigen in die Schlacht ziehen – spätestens ab dem dritten Mal geht einem das ungeheuerlich auf die Nerven. Ein weiteres Thema existiert für Steppenwolf, Darkseid und die Horden von Apokolips; hier dreht Holkenborg den Bass noch mehr auf und auch die synthetischen Elemente werden gesteigert. Gerade diese Charakteristika machen es schwierig, besagtes Motiv aus dem restlichen Unterscore herauszuhören. Am deutlichsten tritt es in That Terrible Strength heraus.

Trotz einer Vielzahl an Themen und größtenteils erfolgreicher Fortführung der Leitmotivik der bisherigen Filme bleibt hier aber sehr viel verschenktes Potential. Das hängt zum einen mit den Themen an sich zusammen, die bei mir, wie bereits erwähnt, kaum emotionale Resonanz hervorrufen, und zum anderen mit der Verarbeitung und dem Mangel an Variation. „Zack Snyder’s Justice League“ soll ohne Zweifel ein Epos darstellen, inszenatorisch scheint Snyder die Superhelden-Version des „Lord of the Rings“ anzustreben. Gerade diesbezüglich lässt Holkenborgs Score im Allgemeinen und die Leitmotivik im Besonderen aber sehr zu Wünschen übrig.

Gewinner: Holkenborg, aber auch nur sehr knapp – hier lasse ich das stärkere Hauptthema und leitmotivische Kontinuität über Emotion siegen.

Der Score im Film
Ich erwähnte bereits weiter oben, dass Elfmans Score definitiv nicht zu Snyders Vision gepasst hätte, aber darum soll es in diesem Abschnitt gar nicht gehen, sondern um die tatsächliche Verarbeitung der jeweiligen Musik im Film. Und es lässt sich nicht leugnen: Der Score in der Kinofassung leidet. Aufgrund der Nachdrehs, Probleme hinter den Kulissen etc. war die Feinabstimmung wohl ein äußerst gehetzter Prozess. Ich meine, mich an ein Interview mit Elfman erinnern zu können, in dem er erklärte, teilweise das Drehbuch als Kompositionsgrundlage nehmen zu müssen, da eine Schnittfassung noch nicht fertiggestellt werden konnte, die Musik aber dennoch geschrieben und aufgenommen werden musste. Ähnliche Probleme gab es auch schon in „Avengers: Age of Ultron“. Zudem ist der Musikschnitt nicht besonders gut, ebenso wie die Abstimmung mit den Soundeffekten. DER große Einsatz des Batman-Themas in The Final Battle ist im Film beispielsweise kaum zu hören, weil er vom Dröhnen des Batmobils überlagert wird. All diese Probleme hat „Zack Snyder’s Justice League“ nicht, der Score funktioniert so, wie er funktionieren soll und ist gut auf den Schnitt und die Bilder abgestimmt, auch bezüglich Lautstärke und Soundabmischung konnte ich keine Probleme feststellen.

Sieger: Holkenborg ohne jeden Zweifel.

Der Score auf dem Album
Dieser Aspekt spielt natürlich primär für Filmmusikfans eine Rolle; viele Cineasten wissen Scores und Scoreanalysen zwar durchaus zu schätzen, betrachten Soundtracks aber nicht als „Alltagsmusik“, die man losgelöst vom Film genießt. Die Albenpräsentation ist genau hierfür freilich essentiell. Bei Elfmans „Justice League“ gibt es da wirklich wenig zu meckern: Wer das kommerzielle Album erwirbt, erhält knapp über 100 Minuten Score plus drei Songs, die ich sofort aus der Playlist getilgt habe. Einige Tracks, primär Hero’s Theme, tauchen in dieser Form nicht einmal im Film auf und von den beiden großen Action-Set-Pieces The Tunnel Fight und The Final Battle werden zwei Versionen geboten, jeweils eine handliche, die zwischen sechs und sieben Minuten dauert, und eine erweiterte zwischen zehn und zwölf – aber Achtung, der heroische Einsatz des Williams-Superman-Themas findet sich nur in der sechsminütigen Version von The Final Battle. Alles in allem eine runde Sache, ein schönes Album, das als solches besser funktioniert als der Score im Film. Tatsächlich bietet es sich an, gerade für Filmmusik-Fans, die ähnlich ticken wie ich, den Film einfach zu ignorieren und den Score als Konzept-Album zu genießen, das einige der markantesten Themen des DC-Universums auf elegante Weise zusammenbringt, toll orchestrierte Musik bietet und sich exzellent als Untermalung zur Lektüre von Justice-League-Comics eignet.

Oft klagen Filmmusik-Fans darüber, dass ein Album zu knapp bemessen ist und essentielle musikalische Momente aus dem Film fehlen – man erinnere sich nur an das ursprüngliche Album von „The Return of the King“, auf dem unter anderem The Battle of the Pelennor Fields und For Frodo fehlten, nicht nur zwei der besten Tracks dieses Scores, sondern der letzten zwanzig, dreißig Jahre (mindestens). Bei „Zack Snyder’s Justice League“ hingegen gibt es das umgekehrte Problem: Das Album umfasst deutlich zu viel Musik. Fast vier Stunden für etwa 15 Euro ist zwar ein gutes Angebot, aber trotzdem… Es gibt Scores, die eine derartig umfangreiche bzw. komplette Präsentation rechtfertigen, seien es Golden-Age-Klassiker wie Miklós Rózsas „Ben Hur“, Williams Star-Wars-Scores oder natürlich Howard Shores LotR-Soundtracks – in diesen vergeht allerdings auch kaum eine Minute, ohne dass nicht irgend ein Thema weiterentwickelt oder eine neue, faszinierende musikalische Idee vorgestellt wird. „Zack Snyder’s Justice League“ ist weit, weit vom Qualitätslevel dieser Werke entfernt und beinhaltet viel Leerlauf, uninteressantes Dröhnen, simple Suspense-Musik, Wiederholungen und unhörbares Sounddesign. Hier hätte ein anderthalb bis zweistündiges Highlight-Album Wunder gewirkt. Der Enthusiast kann sich nun natürlich durch dieses Mammutwerk durcharbeiten, um sich selbst eine adäquate Playlist zu erstellen (oder das Internet konsultieren), aber trotzdem wäre eine gewisse Vorauswahl nett gewesen. Strukturell bietet das Album den Score in Filmreihenfolge (zumindest soweit ich das sagen kann) und hängt noch einigen Themensuiten zu den einzelnen Helden hinten dran – einzelne Bestandteile dieser Suiten tauchen auch im Film selbst auf, die beiden Tracks Wonder Woman Defending/And What Rough Beast und Wonder Woman, a Call to Stand/A World Awakened sind beispielsweise fast identisch – aber trotzdem helfen die Suiten durchaus bei der leitmotivischen Analyse.

Gewinner: Elfman, ganz ohne Frage das besser strukturierte und genießbarere Album.

Fazit: Unglaublich aber wahr, anhand der Kategorien haben wir einen Gleichstand zwischen Elfman und Holkenborg, ein solides 2 zu 2. Das endgültige Urteil lautet somit: Holkenborgs Score funktioniert im Film zweifelsohne besser, kommt dort auch besser zur Geltung und knüpft nahtlos an die Vorgänger an. Gerade stilistisch, kompositorisch und leitmotivisch wäre allerdings definitiv Luft nach oben gewesen. Elfmans Score kommt in Film nicht besonders gut weg, sagt mir aber stilistisch in weitaus größerem Maße zu und ist musikalisch um so Vieles interessanter, tatsächlich gehören besonders The Tunnel Fight und The Final Battle zu meinen meistgehörten Tracks der letzten Jahre, während ich momentan keinerlei Verlangen danach hege, „Zack Snyder’s Justice League“ wieder laufen zu lassen.

Siehe auch:
Zack Snyder’s Justice League – Ausführliche Rezension
Justice League – Soundtrack

Wonder Woman 1984

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Story: Viele Jahrzehnte sind vergangen, seitdem Diana (Gal Gadot) während des Ersten Weltkriegs zusammen mit dem Piloten Steve Trevor (Chirs Pine) in die Welt der Menschen kam – dieser überlebte den Krieg allerdings nicht. Selbst im Jahr 1984 trauert Diana Steve noch hinterher. Relativ unvorhergesehen taucht im Smithsonian in Washington, in dem Diana arbeitet, ein mysteriöser Stein auf, der Wünsche erfüllen kann, der sog. „Traumstein“. Dianas unscheinbare Kollegin Barbara Minerva (Kristen Wiig) beispielsweise wünscht sich, mehr wie Diana zu sein und wird dadurch nicht nur selbstbewusster und für Männer attraktiver, sondern gewinnt auch übermenschliche Stärke, verliert dabei aber langsam ihre positiven Eigenschaften. Diana selbst wünscht sich Steve zurück; dessen Seele nimmt dafür allerdings den Körper eines anderen Mannes in Besitz. Der zwielichtige Geschäftsmann Maxwell Lord (Pedro Pascal) wittert seine Chance auf Ruhm und Macht und wünscht sich, selbst zum Traumstein zu werden. Während Diana ihre Zeit mit Steve genießt, beginnt Lord, überall in der Welt für Chaos und Anarchie zu sorgen…

Kritik: Mit „Wonder Woman 1984“, einem weiteren Opfer der Pandemie, das nur teilweise in die Kinos kam und zeitgleich auf den diversen Streamingdiensten zu sehen war, distanziert sich Regisseurin Patty Jenkins noch einmal deutlich von Zack Snyders Version des DC-Universums – nach dem Erfolg des Erstlings hatte Jenkins wohl in größerem Ausmaß freie Hand und war u.a. auch am Skript beteiligt. Verfügte ihr erster Film mit der Amazone noch über einige „Snyderismen“, gerade im Action-Bereich, ist das Sequel ein deutlicher Rückgriff auf die Superheldenfilme früherer Tage und orientiert sich stilistisch und inhaltlich vor allem an Sam Raimis Spider-Man-Trilogie und Richard Donners „Superman“ – man könnte mitunter fast meinen, der Film spiele nicht nur im Jahr 1984, sondern versuche auch, die Geisteshaltung eines Blockbusters diese Ära zu vermitteln. Das wird besonders an Dianas erstem Auftritt als Wonder Woman deutlich, gerade im Vergleich zu einer ähnlich gearteten Szene in „Zack Snyder’s Justice League“. Wo Diana bei Snyder ultrabrutal vorgeht und die Terroristen beispielswiese so gegen die Wand wirft, dass dabei größere Blutlachen entstehen, bemüht sie sich bei Jenkins darum, niemanden zu verletzen – lediglich ein Polizeiauto wird (unnötigerweise, möchte man hinzufügen) etwa ernstafter beschädigt. Per se ist das nichts Schlechtes, sofern das Konzept gut umgesetzt wird. Leider enttäuscht „Wonder Woman 1984“ in dieser Hinsicht aber auf ganzer Linie.

Müsste ich „Wonder Woman 1984“ mit einem Wort beschreiben, wäre es „inkonsequent“: Man merkt, was Jenkins und Co. mit diesem Film aussagen wollen, sie scheitern aber daran, weil sie stets den einfachsten und unelegantesten Weg nehmen, um ihre erzählerischen Ziele zu erreichen. Zudem wirkt das Drehbuch unausgegoren, gerade in Bezug auf die Funktionsweise des Traumsteins. Die Idee dahinter ist relativ eindeutig und gleicht der berühmten Affenpfote, die, wenn ich mich recht erinnere, im Film sogar einmal erwähnt wird und Wünsche erfüllt, aber stets mit einem unangenehmen Nebeneffekt. Dieser inzwischen weithin verbreitete Begriff stammt aus der Kurzgeschichte „The Monkey’s Paw“ des englischen Autors W. W. Jacobs (veröffentlicht 1902), in welcher ein Ehepaar in den Besitz des magischen Objekts kommt und sich 200 Pfund wünscht. Dieses Geld erhalten die Eheleute auch – als Kompensation für den Tod des Sohnes. Die trauernde Mutter wünscht sich daraufhin den Sohn zurück, doch als schlurfende Geräusche zu hören sind und es klopft, befürchtet der Ehemann, dass von seinem Sohn nicht mehr viel übrig ist und schickt ihn mit dem dritten Wunsch zurück ins Grab. Soweit, so gut, in „Wonder Woman 1984“ bleiben die Effekte des Traumsteins allerdings oft schwammig. Zum Beispiel verliert Diana, in bester Superhelden-Sequel-Tradition, temporär ihre Kräfte (zumindest partiell), wobei aber nie ganz klar wird, ob das nun der Nebeneffekt ihres eigenen Wunsches ist oder des Wunsches von Barbara Minerva. Oder ist Steve Trevors merkwürdig konstruierte Inbesitznahme eines fremden Körpers der Nebeneffekt? Besagte Inbesitznahme birgt einige unangenehme Implikationen, aber auch eine Menge Story-Potential, das nicht einmal ansatzweise ausgeschöpft wird. Diana und Steve halten nie einen Moment inne und fragen sich, was sie da eigentlich mit dem Körper eines völlig Fremden tun und ob es moralisch vertretbar ist – damit hätte man einen interessanten Konflikt geschaffen. Stattdessen wird der tatsächlich im Film vorhandene moralische Konflikt deutlich abstrakter und allgemeiner gestaltet.

Ähnlich schwammig ist die Absicht der Schurken, vor allem, was Maxwell Lord angeht. Lord in den Comics ist nicht per se mit Wonder Woman verknüpft, sondern tritt dort als Förderer und später als Feind der Justice League auf – im Rahmen des Großevents „Infinite Crisis“ wurde er allerdings von Diana (zumindest temporär) getötet. Die Film-Version der Figur trägt eindeutige Trump’sche Züge (Lord ist in den Comics bspw. dunkelhaarig), gleichzeitig versuchte man auch, ihm durch seinen kleinen Sohn einige nachvollziehbare Eigenschaften zu verleihen, was aber nicht so recht funktionieren will, da Pedro Pascal es mit seinem Overacting doch ein wenig zu weit treibt. Schwerwiegender ist jedoch, dass niemals wirklich klar wird, was Lord, ähnlich wie Lex Luthor in „Batman v Superman: Dawn of Justice“, eigentlich genau bezweckt. Er erfüllt munter Wünsche und stiftet Chaos, aber sein Ziel bleibt den ganzen Film über genauso schwammig wie die Funktionsweise des Traumsteins.

Immerhin Barbara Minerva ist diesbezüglich eindeutiger: Sie entspricht dem Archetypen des enttäuschten Bewunderers, den ich nicht allzu sehr schätze – man kennt ihn vom Riddler aus „Batman Forever“, Electro aus „The Amazing Spider-Man 2“ oder Snydrome aus „The Incredibels“. Leider können weder Patty Jenkins noch Kristen Wiig diesem Archetypen neue oder interessante Facetten abgewinnen, sodass auch Barbara Minerva, die am Ende ihre Schurkenidentität als raubkatzenartige Cheetah annimmt (und dabei ziemlich fürchterlich aussieht), nicht zum Gelingen des Films beiträgt.

Und dann hätten wir noch die dramaturgischen Probleme: „Wonder Woman 1984“ zieht sich und wirkt strukturell unausgegoren. Nach der opulenten Eröffnungsszene auf Themyscira und einem Wonder-Woman-Einsatz der, wie bereits erwähnt, stark an Richard Donners „Superman“ erinnert, wird den Zuschauern erst einmal eine Ladung Exposition um die Ohren gehauen. Mehr noch, für einen Film über Wonder Woman wird die Titelfigur äußerst selten als Heldin aktiv. Das kann funktionieren, wenn der Film abseits der Heldenidentität interessante Dinge mit dem Plot oder den Figuren anstellt, aber „Wonder Woman 1984“ mäandert ziemlich und schafft es auch nicht, die emotionalen Inhalte anständig zu vermitteln.

Immerhin ein Aspekt von „Wonder Woman 1984“ weiß zu überzeugen und den Vorgänger zu übertreffen: Nachdem Hans Zimmer als Komponist angekündigt wurde, war ich recht pessimistisch eingestellt, wurde aber eines Besseren belehrt. Zimmers Score ist einer der besten des DCEU und vielleicht sogar Zimmers bester Superhelden-Score überhaupt. Das düste-brütende Wummern und Dröhnen des Snyderverse ist hier endgültig Vergangenheit, Zimmers Musik ist optimistisch, melodisch und mitreißend, ohne dabei die musikalischen Wurzeln der Figur zu vergessen, denn das Action-Motiv aus „Batman v Superman: Dawn of Justice“ ist nach wie vor präsent und bildet zugleich die Grundlage für ein neues, deutlich heroischeres Wonder-Woman-Thema.

Fazit: „Wonder Woman 1984“ ist leider deutlich schwächer als der Vorgänger und leidet unter einem fürchterlich unausgegorenen Skript, strukturellen und inhaltlichen Problemen sowie zwei ziemlich schwachen Schurken. Für einen potentiellen dritten Wonder-Woman-Film würde ich mir eine stärkere Rückbesinnung auf die griechische Mythologie wünschen.

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Trailer

Siehe auch:
Wonder Woman – Ausführliche Rezension
Stück der Woche: Wonder Womans Thema
Zack Snyder’s Justice League

Zack Snyder’s Justice League – Ausführliche Rezension

Spoiler!
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Da ist sie also, Zack Snyders unverfälschte Version der Justice League. Ein Triumpf der Kreativität über engstirnige Studiobosse? Oder doch der Triumpf eines lautstarken, toxischen Fandoms? Vielleicht ein wenig von beidem? Wie dem auch sei, für mich als Fan von DC und der Justice League schreit dieses vierstündige Epos geradezu nach einer ausgiebigen Besprechung. Nur eines vorneweg: Ja, insgesamt ist „Zack Snyder’s Justice League“ deutlich besser als die Schnittfassung, die 2017 ins Kino kam und zu der ich in meiner ursprünglichen Rezension wahrscheinlich deutlich zu gnädig war. Das ist nun allerdings wirklich keine besonders hohe Messlatte – wie Snyders Epos in letzter Konsequenz sowohl auf sich selbst gestellt als auch im Kontext der Comics und des, nennen wir ihn „Whedon-Cut“ abschneidet, werde ich im Folgenden en detail und ohne Rücksicht auf Spoiler erläutern.

Secret Origins
„Zack Snyder’s Justice League“ ist ein bislang relativ einzigartiges Projekt. Natürlich kommt es durchaus häufiger vor, dass Studios einen Film für den Kinostart verstümmeln, nur um dann später den Director’s Cut zu veröffentlichen – Ridley Scott kann davon ein Liedchen singen. In manchen Fällen sind längere Fassungen auch Geschenke an die Fans, wie es bei den LotR-Filmen der Fall war, weshalb diese als „Special Extended Editions“ bezeichnet werden; die Kinofassungen sind kaum weniger ein Director’s Cut. Und dann gibt es auch diverse Beispiele, in denen sich Regisseure von ihren Filmen distanziert haben, man aber später trotzdem versuchte, der ursprünglichen Vision so nahe wie möglich zu kommen – ein gutes Beispiel hierfür ist der „Assembly Cut“ von „Alien 3“. Aber ein Regisseur, der ersetzt wurde, nur um später seine Vision doch noch fertigzustellen, sodass zwei Filme entstehen, die zwar dieselbe Story erzählen, das aber auf sehr unterschiedliche Art und Weise, ist eine ziemlich Seltenheit. Das einzige wirklich vergleichbare Beispiel, das mir einfällt, ist „Dominion: Prequel to the Exorcist“, bzw. „Exorcist: The Beginning“, wo ein zumindest in Ansätzen ähnlicher Fall vorliegt, der aber freilich weit weniger Aufmerksamkeit erregte.

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Die Liga vereint: Cyborg (Ray Fisher), Flash (Ezra Miller), Batman (Ben Affleck), Superman (Henry Cavill), Wonder Woman (Gal Gadot), Aquaman (Jason Momoa)

Die weiteren Hintergründe des Snyder-Cut sollten soweit bekannt sein: Schon nachdem „Batman v Superman: Dawn of Justice“ zwar erfolgreich war, aber dennoch hinter den Erwartungen zurückblieb und darüber hinaus Kritiker enttäuschte und Fans spaltete, wollte Warner die ursprünglichen Pläne für „Justice League“ (angedacht waren zwei Filme) eindampfen und das Ganze leichtherziger und humoriger gestalten, angelehnt an das MCU – mit Snyders ursprünglichen Vorstellungen war man nicht allzu zufrieden. Der tragische Selbstmord seiner Tochter veranlasste Snyder verständlicherweise, sich schließlich von dem Projekt zurückzuziehen, weshalb Joss Whedon letztendlich die Fertigstellung beaufsichtigte, noch mal am Drehbuch „nachbesserte“, die nötigen Nachdrehs durchführte und für den finalen Schnitt verantwortlich war – wobei er sich an die engen Vorgaben von Warner halten musste. So durfte „Justice League“ die Zweistundenmarke beispielsweise nicht überschreiten. Das fertige Produkt, ein Lehrbuchbeispiel für den „film by committee“, überzeugte letztendlich niemanden, nicht die Kritiker von „Batman v Superman: Dawn of Justice“ und schon gar nicht die Fans. Schon bald verbreiteten sich die Gerüchte, es gäbe einen Snyder-Cut, der der wahren Vision des Regisseurs entspreche und der Hashtag „#ReleaseTheSnyderCut“ machte seine Runden. Dieses Gerücht erwies sich letztendlich als Halbwahrheit: Es existierte ein von Snyder angefertigter Rohschnitt, der jedoch alles andere als vorzeigbar war.

Kaum jemand wird leugnen, dass „Zack Snyder’s Justice League“ ohne Corona wahrscheinlich nicht existieren würde. Pläne bzw. Diskussionen, den Snyder-Cut in der einen oder anderen Form zu veröffentlichen, gab es zwar bereits 2019, doch erst die Pandemie brachte Warner dazu, ihn als Zugpferd für den essentiell werdenden Streamingdienst „HBO Max“ zu verwenden. Fakt ist: Dieser Mammutfilm ist nicht das, was 2017 in die Kinos gekommen wäre, selbst wenn Whedon Snyder nicht ersetzt hätte. Snyder hätte sich ebenfalls an das gesetzte Zweistundenlimit halten und mit diversen Auflagen kämpfen müssen. Hier hingegen hatte er praktisch fast völlig Narrenfreiheit und bekam zusätzlich zu weiteren 70 Millionen Dollar zur Fertigstellung sogar noch einige zusätzliche Nachdrehs genehmigt. Diese Freiheit merkt man, im Guten wie im Schlechten.

Handlung
Was den Plot der beiden Fassungen angeht, gibt es tatsächlich nicht allzu viele Unterschiede: In beiden greift der außerirdische Kriegsherr Steppenwolf (Ciarán Hinds) mit seinem Heer aus Paradämonen die Erde an. Jahrtausende zuvor konnten die Verteidiger der Erde einen ersten Angriff abwehren, aber die feindlichen Horden hinterließen drei Mutterboxen – wenn diese zusammengebracht werden, lösen sie die „Singularität“ aus und sorgen für die Hölle (bzw. Apokolips) auf Erden. Der Tod von Superman (Henry Cavill) hat dafür gesorgt, dass eine Mutterbox nach Steppenwolf „ruft“. Während er und seine Horden alles daransetzen, die Mutterboxen, die von den Amazonen und Atlantern behütet werden, an sich zu bringen, versuchen Batman (Ben Affleck) und Wonder Woman (Gal Gadot), neue Verteidiger der Erde um sich zu scharen, doch sowohl der Halbatlanter Aquaman (Jason Momoa) als auch der durch die dritte Mutterbox erschaffene Cyborg Victor Stone (Ray Fisher) haben auf Teamwork keine rechte Lust. Nur Barry Allen alias Flash (Ezra Miller) ist sofort Feuer und Flamme. Nachdem Steppenwolf zwei von drei Boxen bereits an sich gebracht hat, sind die Helden nun doch gezwungen, zusammenzuarbeiten – dabei müssen sie allerdings feststellen, dass sie dem außerirdischen Kriegsherrn gnadenlos unterlegen sind. Mithilfe der einen Mutterbox, die Steppenwolf noch nicht an sich bringen konnte, und der Geburtskammer des kryptonischen Schiffs in Metropolis beschließen die Helden, Superman von den Toten wiederzuerwecken. Das gelingt zwar, Superman ist allerdings noch nicht wieder recht bei Verstand und greift die Liga an – erst Lois Lanes (Amy Adams) Auftauchen hält ihn davon ab, alle fünf umzubringen. Derweil kann Steppenwolf die letzte fehlende Box an sich bringen und in Osteuropa damit beginnen, seinen Plan in die Tat umzusetzen. Gemeinsam muss die Justice League nun versuchen, ihn zu stoppen und das Ende der Welt zu verhindern.

Snyder-Cut vs. Whedon-Cut
Die Inhaltsangabe funktioniert für beide Filme, hier ist das „Wie“ letzten Endes deutlich wichtiger als das „Was“. Ähnlich wie schon beim ersten Avengers-Film ist die eigentliche Handlung äußerst simpel – ja im Grunde fast identisch: eine außerirdische Invasion, die von einem oder mehreren MacGuffins abhängt. Das primäre Problem des Whedon-Cuts war der Zeitmangel und die stilistische Diskrepanz zum Vorgänger – Warner wollte die „Standardversionen“ der Figuren und in zwei Stunden lässt sich kaum eine derartige Entwicklung bewerkstelligen, also griff man auf Charakterisierung mit der Brechstange zurück – und viele Oneliner im typischen Whedon-Stil. Die Ereignisse haben bei Whedon keinerlei Zeit, sich in irgendeiner Form zu entfalten, weil eben alles auf Teufel komm raus in die besagten zwei Stunden gepresst werden muss. Wenn Steppenwolf die dritte Mutterbox einfach offscreen an sich bringt, wirkt das fürchterlich konstruiert. Hier hat der Snyder-Cut die eindeutigsten Vorteile, da er den Ereignissen tatsächlich Gewicht und Tragweite verleihen. Um beim Mutterbox-Beispiel zu bleiben: Bei Snyder bekommt dieses Ereignisse, das in der Kinofassung nicht einmal zu sehen ist, durch Silas Stones (Joe Morton) Tod sogar Tragik und ist ein wirklicher Wendepunkt. Auch das Finale ist im Snyder-Cut um Welten besser als bei Whedon geraten, wo Superman einfach kurz auftaucht und alles erledigt. Bei Snyder dagegen ist es Flash, der letzten Endes für den glücklichen Ausgang zuständig ist – in einer Szene, die an das Finale der Folge „Divided We Fall“ der Serie „Justice League Unlimited“ erinnert. Aber egal, ob es sich dabei um Zufall, liebevolle Hommage oder etwas zu viel Inspiration handelt, es ist definitiv ein befriedigenderer Ausgang als das Ende, das Steppenwolf in der Schnittfassung von 2017 findet.

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Wonder Woman (Gal Gadot), Batman (Ben Affleck) und Flash (Ezra Miller)

Eines der größten Problem des Snyder-Cuts ist dem der Kinofassung diametral entgegengesetzt: Zu viel Zeit. Einerseits kommen die Figuren in „Zack Snyder’s Justice League“ deutlich besser weg, und auch die Entwicklung der Handlung fühlt sich entspannter und organischer an, aber andererseits wird man das Gefühl nicht los, Snyder hätte alles an Material, das ihm zur Verfügung stand, ohne Rücksicht auf Verluste einfach in die Schnittfassung gepackt. Viele Szenen sind unnötig in die Länge gezogen; das beliebteste Beispiel ist Aquamans Abgang nach seinem ersten Treffen mit Batman. Einige der weiblichen Bewohner des Dorfes begleiten sein Verschwinden mit Gesang und hören einfach nicht damit auf. Mitunter finden sich auch Dopplungen: So erstattet Steppenwolf DeSaad (Peter Guiness) zwei Mal Bericht – die Szenen wirken wie zwei verschiedene Versionen derselben und sind praktisch inhaltlich identisch. Man hätte den Snyder-Cut wahrscheinlich problemlos um mindestens eine halbe Stunde kürzen können, einfach indem man unnötige bzw. unnötig lange Szenen entfernt oder trimmt. Bei der Betrachtung von Snyders Filmografie fällt zudem immer wieder auf, dass er wohl ein Fan der LotR-Filme ist – was unter anderem auch die Anwesenheit von Orks in „300“ und „Sucker Punch“ erklären würde. Mit „Justice League“ scheint er sein Epos inszenieren zu wollen, inklusive ausgedehnter Landschaftsszenen, die gerade hier aber recht fehl am Platz wirken und die Laufzeit noch weiter ausdehnen.

Strukturell hält sich der der Whedon-Cut sehr eng an das typische Drei-Akt-Modell, während der Snyder-Cut bewusst die erzählerischen Standardregeln verletzt. Das muss theoretisch nichts Schlechtes sein – allerdings hatte Snyder schon immer gewisse Probleme mit Dramaturgie. Ähnlich wie Tarantino teilte Snyder seine Fassung in mehrere Kapitel ein, sechs davon, plus Prolog und Epilog. Wirklich Spannung kommt vor allem in den ersten ein, zwei Stunden des Films selten auf, besonders, weil die Bedrohung durch Steppenwolf immer wieder in den Hintergrund rückt, um die Hintergrundgeschichten von Flash und Cyborg zu erzählen. An dieser Stelle würde mich sehr interessieren, wie der Snyder-Cut von jemandem wahrgenommen wird, der oder die weder mit den Figuren noch mit dem Whedon-Cut vertraut ist. Tatsächlich empfand ich das Schauen des Snyder-Cuts keinesfalls als dröge oder langweilig, da hatten beispielsweise „Man of Steel“ oder „Batman v Superman: Dawn of Justice“ mehr Längen – allerdings habe ich den Film auch nicht am Stück angeschaut, sondern ihn anhand der Kapitel eingeteilt und bei mir herrschte auch primär die fachliche Neugier vor, welche Szenen neu oder anders sind und wie Snyder die Story und Charaktere im Vergleich zu Whedon angeht.

Stilistisch wird hier natürlich Snyder in Reinkultur geboten, was sich vor allem auf die Farbpalette auswirkt, die ähnlich ausfällt wie in „Batman v Superman: Dawn of Justice“. Ich bin nun wirklich kein Fan der Optik dieses Films, aber das zwanghafte, knallige Aufhellen des Whedon-Cuts war grausam – die Helden in ihren Kostümen sahen mitunter aus wie schlechte Cosplayer und auch dem CGI hat diese Optik absolut nicht gutgetan. Der Snyder-Cut ist immer noch ein Fest der digitalen Effekte, und nicht alle sind durchweg gelungen (Stichwort: Pferde der Amazonen), aber im Großen und Ganzen ist der Snyder-Cut deutlich angenehmer anzusehen als die Kinofassung. Snyders Tendenz, epische Bilder heraufzubeschwören, ist natürlich ebenfalls im Übermaß vorhanden – das war schon immer eines seiner größten Talente. Leider gelingt es ihm dabei nur selten, diese Bilder auch tatsächlich erzählerisch sinnvoll einzusetzen. Snyder in Reinkultur bedeutet selbstverständlich auch mehr Zeitlupe; gerade bei diesem Aspekt hat er sich zu sehr ausgetobt. Das alles wirkt sich in letzter Konsequenz negativ auf die Narrative des Films aus: Wenn jeder Shot episch komponiert ist und auch alle möglichen nebensächlichen Szenen Zeitlupeneffekte beinhaltet, funktionieren diese Stilmittel nicht mehr zur Hervorhebung erzählerisch zentraler Momente, sodass eine gewisse Gleichförmigkeit entsteht.

Trotz seiner Länge hat der Snyder-Cut interessanterweise einige erzählerische Probleme und Plotlöcher, die es bei Whedon in dieser Form nicht gab. Oft sind es eher Kleinigkeiten bzgl. Aufbau und Payoff: Sowohl bei Whedon als auch bei Snyder wird die Eigenschaft von Wonder Womans Lasso der Wahrheit beispielsweise sehr früh etabliert. Bei Whedon kommt sie am Ende auch zum Einsatz – zwar für komödiantische Zwecke, aber immerhin. Bei Snyder dagegen spielt das Lasso keine Rolle mehr. Im Gegensatz dazu besitzt Flash bei Snyder im Finale plötzlich Selbstheilungskräfte, die vorher nicht einmal angedeutet wurden. Gerade in diesem Kontext sind Whedons Nachdrehs mitunter sehr interessant. Manche Szenen sind schlicht unnötig, sie existieren mit kleinen Unterschieden fast genauso bei Snyder, meistens wird lediglich ein unnötiger Gag eingebaut – das riecht nach Arroganz. Andere dagegen versuchen tatsächlich, Probleme von Snyders Version zu lösen. Meistens tun sie das nicht besonders gut, aber zumindest die Absicht ist verständlich. Das betrifft beispielsweise Batmans Motivation, das Team überhaupt zusammenzustellen: Vage Andeutungen von Lex Luthor (Jesse Eisenberg) und Alpträume wirken kaum greifbar. Bei Whedon hingegen wird Batman mit einem Paradämonen, also einer handfesten Bedrohung konfrontiert. Dass dieser Paradämon explodiert und einen Hinweis auf die Mutterboxen hinterlässt, ist fraglos dämlich, aber die Motivation des Dunklen Ritters ist nachvollziehbarer. Auch der Umstand, dass den Ligisten nicht einfällt, dass bei der Wiedererweckung Supermans etwas schiefgehen und der Mann aus Stahl sie angreifen könnte, ist etwas, das bei Snyder niemandem in den Sinn kommt – von moralischen Bedenken gar nicht erst zu sprechen. Für Batman ist es geradezu out of character, dass er einerseits nicht an die Möglichkeit denkt und andererseits nicht auch gleich ein, zwei Pläne für diesen Fall in petto hat. All das wird bei Whedon zumindest angerissen – nicht gut und nicht ausreichend, aber immerhin.

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Steppenwolf (Ciarán Hinds)

Schließlich und endlich gibt es noch einen weiteren Unterschied zwischen den beiden Schnittfassungen, der angesprochen werden sollte: Thema und Philosophie. Der Whedon-Cut hatte im Grunde weder das eine, noch das andere, die Philosophie des Studios war lediglich: „Mach es so wie ‚The Avengers‘.“ Wenn man großzügig ist, könnte man dem Film attestieren, sich zumindest in Ansätzen mit Angst und ihrer Überwindung auseinanderzusetzen – Whedons Paradämonen werden von Angst angezogen, im Verlauf des Films muss Flash seine Angst überwinden und am Ende wird Steppenwolf durch seine eigene Angst besiegt. In Snyders Version des Films sind die Einflüsse der Werke Ayn Rands nach wie vor sehr spürbar, wenn auch bei weitem nicht so prominent ist wie in den beiden Vorgängerfilmen. Dennoch blitzen Snyders philosophische Ansichten immer wieder durch, wenn im epischen Flashback beispielsweise die Autonomie der einzelnen irdischen Fraktionen, die gegen Darkseid kämpfen, betont wird oder im Monolog von Silas Stone über Cyborgs Kräfte, in dem plötzlich und sehr plakativ das Thema Finanzen und Märkte angesprochen wird, das im Film sonst überhaupt keine Rolle spielt – das wirkt wie ein libertärer Einschub. Das Problem dabei ist, dass die meisten Figuren in Snyders Filmen entweder Facetten dieser Philosophie sind oder den Kollektivismus bringen wollen – aus diesem Grund funktionierte „Batman v Superman: Dawn of Justice“ nicht, weil Snyder keinen philosophischen Konflikt zwischen den Figuren etablieren konnte. Faszinierenderweise ist diese Tendenz in diesem Film, bei dem Snyder Narrenfreiheit hatte, am schwächsten ausgeprägt, die DC-Figuren entsprechen, mit der Ausnahme von Batman und Superman, in weitaus größerem Ausmaß ihren Comicgegenstücken.

Wonder Woman und Aquaman
Wonder Woman dürfte im Snyder-Cut die Figur sein, die sich am wenigsten verändert hat. Whedon versuchte, mehr Konflikt mit Batman einzubauen und Steve Trevors Vermächtnis stärker zu betonen, beides findet sich bei Snyder nicht – stattdessen geht Diana deutlich brutaler gegen die Terroristen zu Beginn des Films vor. Diese Brutalität in Snyders Filmen ist primär Stilmittel, um sie „edgier“ zu machen, hat aber nur selten erzählerischen Wert. Dianas rücksichtloses Vorgehen in dieser Szenen kommt sogar in Konflikt mit ihrem sehr mitfühlenden Gespräch mit dem geretteten Mädchen kurze Zeit später. Ansonsten darf Wonder Woman primär für Exposition sorgen, die Hintergründe erläutern und natürlich in den Actionszenen ordentlich zulangen. Einen wirklich eigenen Handlungsbogen hat sie hier allerdings nicht, was aber tatsächlich verhältnismäßig nachvollziehbar ist: Diana ist die mit Abstand am längsten etablierte Heldin und hat zu diesem Zeitpunkt bereits zwei Solofilme.

Im Gegensatz zu Wonder Woman hat Aquaman hier tatsächlich einen eigenen, wenn auch eher knappen Handlungsbogen – dieser war rudimentär bereits im Whedon-Cut vorhanden und wird nun noch ein wenig ausführlicher herausgearbeitet. Das Problem dabei ist, dass es im Grunde derselbe ist wie in James Wans „Aquaman“; Arthur muss sein atlantisches Erbe und seine Verantwortung akzeptieren. Nachdem bei der Kinofassung alle Szenen mit Vulko (Willem Dafoe) der Schere zum Opfer fielen und Mera (Amber Heard mit einem merkwürdigen britischen Akzent) auf das absolut notwendige Minimum reduziert wurden, liegt die Vermutung nahe, dass in Arthurs Solofilm einige Ideen aus Snyders Version übernommen wurden. Ansonsten wurden vor allem Arthurs „Surferpersönlichkeit“ und die Anzahl der Oneliner zurückgefahren. Hinzugekommen ist zudem eine wirklich gelungene Szene, in der sich Aquaman gegenüber Flash und Cyborg von seiner verständlichen Seite zeigt.

Superman und Lois
Auch zu Superman gibt es relativ wenig zu sagen, was primär damit zusammenhängt, dass bis zu seiner Wiedererweckung zweieinhalb Stunden vergehen und er schlicht nicht besonders viel Zeit gewidmet bekommt. Whedon versuchte hier auf Biegen und Brechen, Supermans Standard-Charakterisierung irgendwie im Film unterzubringen, was zu all den grandiosen Szenen führte, in denen Henry Cavills Oberlippe wie ein außerirdischer Parasit aussieht. Diese Szenen sind natürlich verschwunden, was aber auch bedeutet, dass Superman kaum Präsenz hat: Er wird wiedererweckt, bekämpft die Justice League, tauscht sich mit Lois und Martha (Diane Lane) aus und taucht schließlich im Finale auf, wo er dieses Mal aber nicht den Tag im Alleingang rettet, was definitiv eine Verbesserung ist. Das alles hat leider auch zur Folge, dass sich Superman nie wirklich wie ein Teil des Teams anfühlt, da man ihn praktisch nie mit den anderen Ligisten interagieren sieht.

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Superman (Henry Cavill) in schwarz

Ansonsten ist sein schwarzes Kostüm wahrscheinlich der prägnanteste Unterschied zum Whedon-Cut. Hierbei handelt es sich um einen Verweis auf die Comics, in denen Superman nach seiner Wiederweckung ebenfalls schwarz trug. Dieser Anzug hatte allerdings eine spezielle Funktion in der Vorlage, während Clark hier schwarz trägt, weil Snyder es cool fand. Es gibt nicht einmal eine storytechnisch sinnvolle Erklärung, weshalb: Im kryptonischen Schiff hat er die Wahl zwischen dem traditionellen und dem schwarzen Suit und wählt den schwarzen… weil halt.

In Snyders Filmen ist Lois Lane (Amy Adams) Supermans mit Abstand wichtigste Bezugsperson – ich wäre geneigt zu sagen, dass sie von den ganzen unterstützenden Figuren der Helden die wichtigste ist. Ich finde es in diesem Kontext allerdings etwas besorgniserregend, dass diese Version von Lois praktisch völlig von Superman abhängig zu sein scheint, nach seinem Tod regelrecht katatonisch wird und primär als Instrument dazu dient, dem Zuschauer den Verlust des Mannes aus Stahl zu vermitteln. Das ist definitiv nicht die Lois Lane, die man aus den Comics kennt und liebt. Bereits in den Vorgängern, vor allem „Batman v Superman: Dawn of Justice“, wusste Snyder nicht so recht, was er mit ihr eigentlich anfangen soll, und das setzt sich hier leider fort.

Batman
Zack Snyders Darstellung von Batman könnte einer der größten Schwachpunkte dieses Films sein. Die völlig rücksichtslose Brutalität der Figure aus „Batman v Superman: Dawn of Justice“ fehlt hier zwar ebenso wie die Oneliner des Whedon-Cuts (beide werden nicht vermisst), aber unglücklicherweise bleibt nicht mehr viel übrig, was meinen Verdacht bestätigt, dass Snyder der Dunklen Ritter nie richtig verstanden hat und lediglich seine Ästhetik cool fand. Zugegebenermaßen ist es nicht immer leicht, Batman im Kontext der Justice League bzw. zusammen mit anderen, übermächtigen Helden zu inszenieren und ihn dabei nicht die zweite Geige spielen zu lassen. Was trägt Batman zur Justice League bei? Seinen Verstand, seine Fähigkeiten als Taktiker und seine absolute Entschlossenheit und Integrität. Batman ist es für gewöhnlich, der Pläne erstellt, der die Teammitglieder gemäß ihren Fähigkeiten einsetzt und sogar schon Darkseid in seine Schranken weisen konnte. All das fehlt hier, Snyders Batman ist im Grunde Nick Fury, der die Avengers, bzw. die Justice League zusammenbringt, danach aber nur noch bedingt etwas zum Gelingen der Mission beiträgt. Snyder versucht in Ansätzen, den Weg seines Batmans vom zynischen Vigilanten zum Teammitglied der Liga zu zeichnen (was an sich eher suboptimal gelingt), allerdings vergisst er dabei, Batman auch einen tatsächlichen Platz in der Liga zu geben. Schlimmer noch, mehr als einmal agiert Batman hier schlicht idiotisch, gerade im Kontext von Supermans Wiedererweckung. Whedons Batman hatte mit Lois in der Hinterhand wenigstens in Ansätzen einen Plan B, Snyders Batman hat gar nichts, keine Strategie, keine Taktik, es kommt ihm nicht einmal in den Sinn, dass es vielleicht nicht die beste Idee sein könnte, sich Superman zu zeigen. Im Snyder-Cut taucht Lois mehr oder weniger zufällig auf, um Clark wieder zur Besinnung zu bringen. Nachdem er das Team versammelt hat, ist Batman für Snyder fast schon erzählerischer Ballast, seine Beiträge zum glücklichen Ausgang sind kaum der Rede wert. Hier wäre eine Konsultation von Grant Morrisons JLA-Serie oder der Justice-League-Animationsserie eine gute Idee gewesen, in beiden wird gezeigt, wie Batman sinnvoll in die Justice League integriert werden kann.

Flash und Cyborg
Die Qualitäten des Snyder-Cuts zeigen sich bei keiner anderen Figur so sehr wie bei Flash und Cyborg, die in Whedons Version wirklich massiv gelitten haben. Flash wurde fast zum reinen Comic Relief degradiert und Cyborg war so gut wie nicht vorhanden. Snyder hingegen kümmert sich ausgiebig um diese beiden Figuren. Flash ist immer noch für einen Großteil des Humors verantwortlich, seine Kommentare sind allerdings deutlich gemäßigter und weniger „awkward“ als bei Whedon – kein mehrere Minuten dauernder Vortrag über Brunch. Stattdessen wirkt Barry Allen hier nachvollziehbarer und authentischer und muss sich nicht mit einer russischen Familie als Beschäftigungstherapie während des Endkampfs herumschlagen, sondern darf stattdessen der entscheidende Faktor sein.

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Aquaman (Jason Momoa), Cyborg (Ray Fisher) und Flash (Ezra Miller)

Noch gravierender sind die Änderungen und Erweiterungen bei Cyborg, der nicht nur mehrere Szenen und Flashbacks bekommt, die seinen Hintergrund sowie die Natur seiner Kräfte und seines Zustandes erläutern, sondern auch eine komplizierte Beziehung zu seinem Vater Silas Stone, die erfreulicherweise nicht plakativ oder simpel ausfällt: Silas war seine Arbeit immer wichtiger als bspw. die Spiele seines Sohnes, als dieser jedoch in einem Unfall verunglückt, tut er alles, um Victor zu retten – er verwandelt ihn in etwas, das Victor selbst als monströs wahrnimmt. Victor gibt Silas ohnehin schon eine Teilschuld am Tod der Mutter, die mit ihm verunglückte, aber sofort starb – seine Natur als Cyborg verkompliziert dieses Verhältnis noch. Dennoch zögert Victor nicht, seinen Vater vor den Paradämonen zu retten und ist natürlich zutiefst traurig und verstört, als Silas sich opfert, um der Justice League eine Chance zu geben, Steppenwolf aufzuspüren. Wo Victor Stone bei Whedon fast nur ein „Mitläufer“ mit minimaler Plotsignifikanz war, ist er hier wirklich ein zentraler, essentieller und gerade für Snyders Verhältnisse sehr differenzierter Charakter.

Darkseid und Steppenwolf
Der Schurke des Films ist eine weitere Figur, die enorm vom Snyder-Cut profitiert hat. Die Whedon-Version war mehr oder weniger eine verwässerte Version von Azog aus der Hobbit-Trilogie – ein Urteil, das angesichts des Umstandes, dass Azog kein besonders gelungener Schurke ist, schon ziemlich vernichtend ist. Im Snyder-Cut ist Steppenwolf zwar beileibe kein Widersacher von Shakespeare’scher Tragweite, aber er erfüllt immerhin die Grundanforderungen, hat eine relativ klare Motivation, anstatt nur pseudoödipalen Blödsinn über „Mutter“ von sich zu geben und sieht auch deutlich beeindruckender aus. Apropos Aussehen: Steppenwolf und DeSaad in den Comics sehen meistens menschlich aus, während sie hier deutlich monströser (um nicht zu sagen: orkischer) in Szene gesetzt werden. Anders als in Whedons Schnittfassung taucht dieses Mal auch Darkseid (Ray Porter) persönlich auf; Snyder etabliert hier ein Darth Vader/Imperator-Verhältnis zwischen ihm und Steppenwolf. Fun Fact am Rande: In den Comics, zumindest vor den „New 52“, ist Steppenwolf Darkseids Onkel.

Leider gibt es einen Aspekt, der das Ganze etwas trübt: Damit die Schurkenhintergründe funktionieren, muss Darkseid an partieller Amnesie leiden. Es fällt schwer zu glauben, dass dieser galaktische Despot die eine Welt, auf der er eine Niederlage erlitten hat, einfach so vergisst und dass ein in Ungnade gefallener Diener dann zufällig über sie stolpert. Wenn die Erde nur eine zufällige Welt ist, die Steppenwolf ausgewählt hat, um wieder in Darkseids gutes Buch zu kommen, weshalb sind dann schon Mutterboxen vorhanden, die Steppenwolf ja erst zur Erde rufen? Und noch bevor Steppenwolf die Erde als die Welt erkennt, die seinem Meister erfolgreich Widerstand geleistet hat, identifiziert er Wonder Woman als Mitglied der Amazonen, die mitgeholfen haben, die Scharen von Apokolips zurückzuschlagen. Das will alles nicht so recht zusammenpassen.

Knightmare und Fanservice
Obwohl der Snyder-Cut zumindest nach aktuellem Stand das Ende von Snyders Version des DC-Universums ist, hat er beschlossen, die Saat der ursprünglich geplanten Sequels trotzdem zu pflanzen – wenn man schon einmal dabei ist und die Laufzeit ohnehin keine Rolle spielt. Anders als im Whedon-Cut, der sie vollständig ignoriert, greift Snyder die sog. „Knightmare-Sequenz“ aus „Batman v Superman: Dawn of Justice“, in der wir einen Eindruck von er dystopischen oder postapokalyptischen Zukunft bekommen, wieder auf. Wie in Grant Morrisons JLA-Story „Rock of Ages“ hat Darkseid mit seinen Horden die Antilebensformel errungen und die Erde erobert und wie in der Videospielreihe (und den damit verbundenen Tie-in-Comics) „Injustice“ bekommen es die restlichen Helden mit einem bösen Superman zu tun. Tatsächlich ist die Idee, dass Superman für Darkseid arbeiten könnte, auch nicht neu, sowohl die Miniserie „Superman: The Dark Side“ (1998) von John Francis Moore und Kieron Dwyer als auch „Legacy“, das zweiteilige Finale von „Superman: The Animated Series“ (Erstausstrahlung im Jahr 2000) spielen mit diesem Konzept, das Snyder in Fortsetzungen seines „Justice League“ weiter erforscht hätte. So bleibt es nun aber bei kurzen Visionen, die Cyborg immer wieder erhält, zum Beispiel sieht er Fragmente davon, wie ein Angriff Darkseids auf die Erde verlaufen könnte. Im Epilog des Films wird Bruce schließlich von einer weiteren, ausführlicheren Vision heimgesucht, in der wir eine zukünftige Inkarnation der Liga sehen, zu der neben Flash, Batman und Cyborg auch Mera sowie die Schurken Deathstroke (Joe Manganiello) und Joker (Jared Leto) gehören – das Ganze wird in einem von „Mad Max: Fury Road“ inspirierten Look präsentiert. Während Cyborgs kurze Visionen tatsächlich einen erzählerischen Sinn haben, lässt sich dasselbe nicht über die längere Szene im Epilog sagen, sie dient einzig dem Coolnessfaktor und um Batman und Joker ziemlich schlechte Dialoge in den Mund zu legen.

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Darkseid (Ray Porter)

Ähnlich verhält es sich mit anderen Fanservice-Elementen, die ebenfalls primär im Epilog auftauchen. Die Post-Credits-Szene des Whedon-Cuts mit Lex Luthor und Deathstroke ist ebenfalls vorhanden, nur dass Luthor dieses Mal nicht plant, eine Injustice Gang zu gründen, stattdessen verrät er dem einäugigen Auftragskiller Batmans wahren Namen. Auch hier handelt es sich um Sequel-Bait für Fortsetzungen, die wohl nie entstehen werden – wir erinnern uns, im ursprünglich geplanten Batman-Film, bei dem Ben Affleck nicht nur die Hauptrolle spielen, sondern auch Regie führen sollte, wäre der von Joe Manganiello gespielte Deathstroke der Gegner gewesen. Und schließlich hätten wir noch die beiden Gastauftritte des Martian Manhunter (Harry Lennix), die Snyder sich wirklich hätte sparen sollen, da sie völlig unnötige Logiklöcher aufreißen. Snyder suggeriert hier, dass der bereits in „Man of Steel“ und „Batman v Superman: Dawn of Justice“ auftauchende Calvin Swanwick (ebenfalls Harry Lennix) die ganze Zeit der Martian Manhunter war – basierend auf einer Fantheorie. Da stellt sich die Frage: Warum haben nicht eine, sondern gleich zwei außerirdische Invasionen sowie das Auftauchen von Doomsday ihn nicht zum Eingreifen bewogen? Und selbst wenn man die halbseidene nicht-Erklärung des Films akzeptiert, wird die Lois/Martha-Szene, die eigentlich ziemlich gelungen ist, dadurch völlig entwertet, weil sich direkt danach herausstellt, dass der Manhunter als Martha posierte. Freiheit der Kreativschaffenden ist eine schöne und wichtige Sache – aber ein wenig Input von außen schadet ebenfalls nicht und kann dabei helfen, das Endresultat noch besser zu machen.

Fazit
In letzter Konsequenz ist „Zack Snyder’s Justice League“ ein schwierig zu bewertendes Biest. Ist diese Schnittfassung besser als die Kinoversion? Definitiv und ganz ohne Zweifel lautet die Antwort ja. Der Whedon-Cut riecht nach Studioeinmischung, nach „film by committee“, während der Snyder-Cut die Vision eines Regisseurs darstellt, was einem seelenlosen Studioprodukt immer vorzuziehen ist – selbst wenn man einem besagte Vision nicht unbedingt zusagt. Ist „Zack Snyder’s Justice League“ das Meisterwerk, das die Fans des Regisseurs darin sehen? Zumindest nicht aus meiner Perspektive. Snyder beseitigt viele Probleme des Whedon-Cuts, schafft dabei aber einige neue. Dazu gehört neben einigen Story- und Logiklöchern primär die Laufzeit des Films, der scheinbar fast alles an Material beinhaltet, das Snyder zur Verfügung hatte. Eine halbe Stunde bis Stunde weniger hätte dem Endprodukt definitiv gutgetan. Alles in allem und zumindest im Kontext der Entstehungsgeschichte hätte der Snyder-Cut deutlich schlechter ausfallen können. Ich bin bekanntermaßen kein Fan von Snyders Interpretation des DC Universums im allgemeinen und Batmans und Supermans im Speziellen. Diese beiden Helden sind nun auch hier die schwächsten Bestandteile, bei den restlichen vier Mitgliedern leistet Snyder aber eigentlich recht gute Arbeit, vor allem was Flash und Cyborg angeht. All jene, die mit Snyders Regiestil, den Manierismen (also Zeitlupe) und der Optik absolut nichts anfangen können, werden auch von seiner Version von „Justice League“ nicht überzeugt werden. Fans von „Man of Steel“ und „Batman v Superman: Dawn of Justice” erhalten wahrscheinlich endlich den Film, auf den sie viele Jahre gewartet haben. Und all jene, die die besagten beiden Filme zwar kritisch sehen, aber doch ein gewisses Potential in ihnen erkannten, werden vielleicht sogar positiv überrascht – zu dieser Gruppe zähle auch ich mich. Denn trotz anderer Vermutung fand ich „Zack Snyder’s Justice League“ unterhaltsam – deutlich unterhaltsamer als die beiden Vorgänger, sodass ich einem Rewatch in einiger Zeit nicht unbedingt abgeneigt bin.

Trailer

Bildquelle

Siehe auch:
Justice League: Origin
JLA: Rock of Ages

JLA: Rock of Ages

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Zack Snyder ist definitiv nicht der erste, der auf die Idee einer dystopischen, von Darkseid beherrschten Zukunft des DC-Universums kam. Wahrscheinlich ist auch Grant Morrison nicht der erste, aber auf den Seiten der JLA-Storyline „Rock of Ages“ (erschienen in den Heften 10 bis 15) begegnete zumindest mir dieses Konzept zum ersten Mal. Ähnlich wie schon meine Rezension zu „Justice League: Origin“ kann auch dieser Artikel als Vorbereitung auf den Snyder-Cut gesehen werden – und natürlich handelt es sich dabei um die lange überfällige Fortführung meiner Artikelreihe zu Grant Morrisons JLA-Run.

Handlung
Sieben bösartige Doppelgänger des Justice League greifen Star City an und sorgen für Chaos und Zerstörung. Der Liga gelingt es gerade so, die Doppelgänger zu besiegen, wobei die Ligisten feststellen, dass es sich nicht um lebendige Wesen, sondern um ferngesteuerte Hartlichthologramme handelt. Hinter dem Angriff steckt eine Neuformation der „Injustice Gang“. Dieses Team existierte bereits in mehreren Formationen als schurkisches Gegenstück zur Justice League, dieses Mal besteht sie allerdings ausschließlich aus Erzfeinden der „Großen Sieben“. Ins Leben gerufen wurde sie von Lex Luthor, der sich durch Supermans Beteiligung an der Liga persönlich angegriffen fühlt. Als Gegenstück für Batman fungiert natürlich der Joker (wer auch sonst?), für Wonder Woman ist Circe am Start, für Aquaman der Ocean Master (der durch James Wans „Aquaman“ immerhin ein wenig mehr Bekanntheit erlangt hat) und aus Flashs Rogues Gallery macht Mirror Master mit. Green Lantern (Kyle Rayner) ist als Held noch zu neu, um einen wirklichen Erzfeind zu haben, weshalb Luthor (bzw. Morrison) mit Doctor Light einen klassischen Teen-Titans-Schurken wählte, der während des Crossovers „Underworld Unleashed“ neue Fähigkeiten und ein neues Aussehen bekam und immerhin schon das eine oder andere Mal mit Lantern aneinandergeriet. Für Martian Manhunter schickt Morrison eine eher obskure DC-Figur aus den 80ern namens Jemm bzw. „Son of Saturn“ an den Start – dieses telepathische Alien wird von Luthor mehr oder weniger ferngesteuert. Supermans Erzfeind verfügt allerdings noch über eine weitere Geheimwaffe, den legendären Stein der Weisen (auch Worlogog), der zwar weder für Gold, noch für Unsterblichkeit sorgt, dafür seinem Besitzer aber Macht über das temporale Gefüge verleiht.

Während sich die Liga, die aktuell aus Superman, Batman, Martian Manhunter, Aquaman, Green Lantern, Flash sowie den beiden Newcomern Aztek und Green Arrow besteht – Wonder Woman ist zu diesem Zeitpunkt gerade tot, allerdings, wie üblich bei Superhelden, nur temporär – mit den Machenschaften der Injustice Gang herumschlägt, taucht unvorhergesehen der New God Metron im Wachturm der Justice League auf und enthüllt den dort anwesenden Ligisten Aquaman, Green Lantern und Flash, dass sie unbedingt verhindern müssen, dass der Stein der Weisen Darkseid in die Hände fällt. Um das zu erreichen, schickt er die drei auf eine Odyssee durch Raum und Zeit. Nach einem Zwischenstopp auf Wonderworld, wo sich gewaltige Superwesen auf die Apokalpyse vorbereiten, landen sie schließlich fünfzehn Jahre in einer Zukunft, in der Darkseid die Antilebensformel errungen hat und über das Universum regiert. Mithilfe der versprengten Reste der JLA müssen die drei Ligisten, die sich in den Körpern ihrer zukünftigen Gegenstücke befinden und weder über Supertempo, noch über einen Kraftring verfügen, versuchen, in ihre Zeit zurückzugelangen, um anschließend zu verhindern, dass Superman Luthor den Stein der Weisen abnimmt und ihn zerstört – dieser Akt ermöglichte es Darkseid nämlich, die Herrschaft zu übernehmen…

Injustice for All

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Lex Luthors Injustice Gang

„Rock of Ages” verfügt über zwei Handlungsstränge, die ineinander verschachtelt sind. Der Kampf gegen die Injustice Gang fungiert dabei als Rahmen, pausiert für die dystopische Zukunft und wird dann wieder aufgenommen. Dieser Handlungsstrang legt seinen Fokus primär auf Lex Luthor, die anderen Mitglieder der Gang fungieren eher als Erfüllungsgehilfen. Luthor ist hier stark in seiner 90er-Charakterisierung als ruchloser Geschäftsmann verwurzelt, das heißt, er steigt nicht in einen grünen Anzug, um sich selbst an den Kämpfen zu beteiligen, sondern betrachtet die Vernichtung der Justice League als Firmenübernahme, angefeuert von seinem Hass auf Superman. Batman hat auf diesem Bereich natürlich als Geschäftsführer von Wayne Enterprises nicht weniger Erfahrung und kann so relativ gut gegen Luthor arbeiten. Zum Beispiel bringt er drei Agenten, darunter Plastic Man, in Luthors Team unter. Sehr interessant ist die Dynamik der Schurken untereinander sowie ihre Zusammenarbeit. So entstehen die Hartlichthologramme zum Beispiel aus der Kooperation zwischen Dr. Light und Mirror Master. Ein späteres Konstrukt wird genutzt, um den wirren Verstand des Jokers bildlich umzusetzen und so Superman und Martian Manhunter in die Irre zu führen. Allerdings muss auch gesagt werden, dass das eine oder andere Mitglied der Gang fast schon zur Staffage gerät, vor allem Ocean Master und Circe haben relativ wenig zu tun – Letztere wird immerhin in einen hochamüsanten Austausch mit Plastic Man verwickelt und darf Green Arrow scheinbar abwerben. Leider kommt es kaum zur Interaktion zwischen den Mitgliedern der Injustice Gang und ihren JLA-Gegenstücken; allerdings hat der Martian Manhunter eine ganz interessante Szene mit dem Joker.

In diesem Kontext bietet es sich an, noch ein paar Worte zu den Zeichnungen zu verlieren, da gerade der Joker von Howard Porter nicht ganz optimal dargestellt ist. Das ist wirklich schade, da Porters Interpretation der anderen Figuren mir überaus gut gefällt und er einige Jahre zuvor in der Eventminiserie „Underworld Unleashed“ einen wirklich exzellenten, herrlich dämonisch grinsenden Joker abgeliefert hat. Für die letzte Ausgabe dieses Handlungsbogens bekam Porter zusätzlich Unterstützung von Gary Frank und Greg Land, die sich um sehr fließende Übergänge bemühen, sodass der Wechsel nicht sofort auffällt – irgendwann bemerkt man es aber doch, da die meisten Figuren optisch etwas schwächer sind. Lediglich der Joker sieht bei Frank und Land besser aus.

Darkseid Is

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Darkseid Is

Der interessantere der beiden Teile von „Rock of Ages“ ist mit großem Abstand Lanterns, Flashs und Aquamans Ausflug in die dystopische, von Darkseid beherrschte Zukunft. Diesen Ausflug erzählt Morrison in den US-Heften 13, 14 und 15 am Stück, ohne mit der Injustice-Gang-Handlung zu alternieren. Egal, ob es sich um Elseworlds-Geschichten außerhalb der Kontinuität, Visionen oder wie hier Zeitreisen handelt, Autoren haben mit dem Konzept der düsteren Zukunft immer viel Spaß und bei Grant Morrison ist es kaum anders. Das beginnt bereits bei der Zusammensetzung der zukünftigen Liga, die neben den drei Zeitreisenden in ihren zukünftigen Körpern aus einer ins Leben zurückgekehrten Wonder Woman, dem umprogrammierten Schurken-Droiden Amazo, der zweiten Aztek und den beiden Ex-Titans Argent und The Atom besteht. Nicht vergessen werden sollte außerdem Green Arrow Connor Hawke mit dem Oliver-Queen-Gedächtnisbart. Im späteren Verlauf kommt außerdem noch eine grandiose Version von Batman hinzu, dem es zwar an einigen Fingergliedern, aber nicht an Entschlossenheit mangelt. Abermals ist es der Dunkle Ritter, der den Schlüssel zum Sieg in der Hand hält. Gerade hier zeigt sich ein weiteres Mal Morrisons Talent für Komprimierung, das seinen JLA-Run auszeichnet: Was Morrison in drei US-Ausgaben an Worldbuilding für diese finstere Zukunft unterbringt, ist beeindruckend. Er muss nicht lang und breit auswalzen, weshalb das Leben unter Darkseids Herrschaft fürchterlich ist, oft reichen Andeutungen, sei es in den Dialogen oder den Zeichnungen. Supermans Schicksal ist stellvertretend für die vielen anderen gefallenen Helden, den Rest erledigen die beschädigten Artefakte in der Zuflucht der letzten Helden, sei es Doctor Fates Helm, Starmans Stab oder die Überreste der Kostüme von Robin und Mister Miracle. Morrison gelingt es, wie schon zuvor, die Handlung erfolgreich zu komprimieren und mit verhältnismäßig wenig Platz sehr viel zu erreichen. Gerade im Vergleich mit Geoff Johns‘ „Justice League: Origin“ fällt auf, wie viel Handlung und Twists Morrison in sechs US-Heften unterbringen kann, ohne dass es sich zu überfüllt anfühlt.

Und dann wäre da natürlich noch Darkseid selbst, der seinen üblichen, grau-blauen Look gegen ein tiefschwarzes Outfit getauscht hat und hier imposanter als in fast jeder anderen Geschichte wirkt. Morrison beginnt in „Rock of Ages“, sich mit dem finsteren Gott näher auseinanderzusetzen und ihn von dem außerirdischen Despoten, als der er in den 90ern meistens dargestellt wird, stärker in Richtung „platonische Verkörperung des Bösen“ zu rücken. Diese Entwicklung ist in „Rock of Ages“ noch alles andere als abgeschlossen und wird erst in Morrisons „Final Crisis“ wieder aufgegriffen, aber die Saat findet sich bereits hier, im „Slogan“ des finsteren Gottes: „Darkseid Is“. Das ist natürlich ein Verweis auf den Namen Gottes, das Tetragrammaton JHWH (meistens mit „Jahwe“ wiedergegeben), was übersetzt bzw. erläutert wohl so viel bedeutet wie „Ich bin, der ich bin“ oder „Ich werde der sein, der ich sein werde“ (die Etymologie des Gottesnamens ist ein kompliziertes Kapitel, auf das ich hier nicht eingehen werde). Dieser Slogan ist jedoch noch so viel mehr, er verweist darauf, dass Darkseid aus seiner Perspektive nicht einfach nur Gott ist, sondern das einzige Wesen, das tatsächlich existiert – eine Form von Solipsismus, die Morrison in „Final Crisis“ noch weiter ausarbeiten sollte. Alle anderen Wesen sind in Darkseids Wahrnehmung so weit unter ihm, dass sie praktisch nicht existieren. Letztendlich liegt Darkseid hier natürlich falsch, was Morrison sehr schön durch den Erzähler der JLA-Ausgaben 14 herausarbeitet. Dieser ist offensichtlich Teil der Geschichte, bleibt aber bis zum Schluss mysteriös – letztendlich entpuppt er sich als der Black Racer, die Inkarnation des Todes der New Gods, die am Ende kommt, um auch Darkseid zu holen.

Weiterführende Lektüre
Zwischen den Ausgabe 10 und 11 der JLA-Serie (also zwischen Teil 1 und 2 des Handlungsbogens) findet ein ganzes Crossover-Event statt. Diese Miniserie aus dem Jahr 1997 mit dem Namen „Genesis“ (sowie die zugehörigen Superman-Hefte) veröffentlichte der Dino-Verlag in Paperbackform als „Superman Sonderband 2“. Tatsächlich hat die dort erzählte Geschichte um die Godwave, die den New Gods und auch den Superhelden ihre Kräfte verleiht (und nun dafür sorgt, dass besagte Kräfte verrücktspielen) nur marginal etwas mit „Rock of Ages“ zu tun. Sowohl Darkseid als auch der griechische Kriegsgott Ares, der immer wieder als Gegner für Wonder Woman fungiert, versuchen, sich die Godwave für ihre finsteren Zwecke zunutze zu machen. Morrison nimmt das eine oder andere Mal Bezug auf die Miniserie, etwa als die Ligisten sich angesichts von Metrons Warnung fragen, ob Darkseid es geschafft hat, aus dem Quellenwall, in den er am Ende von „Genesis“ verbannt wurde, auszubrechen. Zum Verständnis von „Rock of Ages“ ist „Genesis“ allerdings nicht notwendig.

Wie bereits erwähnt greift Morrison viele Ideen aus „Rock of Ages“ in seinem Großevent „Final Crisis“, das 2008/09 in Zusammenarbeit mit den Zeichnern J. G. Jones und Doug Mahnke erschien, wieder auf. Nicht nur verfügt „Final Crisis“, wie für DC-Großevents üblich, über eine ganze Reihe von Tie-Ins und Begleitminiserien, die Geschichte ist zusätzlich ziemlich komplex (vielleicht sogar übermäßig kompliziert) und zudem ziemlich verschachtelt. Morrison unterwirft sich hier kaum noch den gewöhnlichen Konventionen eines Superhelden-Events, sondern begibt sich voll auf die Meta-Schiene. Gerade im Hinblick auf die New Gods ist „Final Crisis“ aber hochinteressant, da die oben beschriebene Entwicklung und die platonische Darstellung Darkseids hier auf die Spitze getrieben werden. Der finstere Gott wird als Wesen außerhalb des Multiversums etabliert. Darkseids Fall und das „Absterben“ seiner Essenz sorgen für eine interdimensionale Krise, da er auf diese Weise das Gefüge des Multiversums selbst beschädigt. Zusätzlich finden sich auch einige Handlungsparallelen zu „Rock of Ages“: Abermals erringt Darkseid (wenn auch nur kurzfristig) die Kontrolle über die Erde und ein weiteres Mal stellt sich ihm Batman entgegen, um anschließend von Darkseids Omega-Strahlen (zumindest scheinbar) pulverisiert zu werden.

Fazit: Nicht umsonst ist „Rock of Ages“ einer von Kevin Smiths absoluten Lieblings-DC-Comics und taucht auch regelmäßig in den Best-of-Justice-League-Listen auf – dieser Handlungsbogen ist der vorläufige Höhepunkt von Morrisons JLA-Run, eine epische Geschichte, die ihresgleichen sucht, einen grandiosen Moment an den anderen reiht und genug von Morrisons metaphysischen Spielereien enthält, um das Ganze wirklich faszinierend zu gestalten, aber nicht so viele, dass die Geschichte, wie es bei „Final Crisis“ der Fall ist, zu unübersichtlich gerät.

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JLA: New World Order
JLA: American Dreams
Justice League: Origin

Justice League: Origin

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Der Snyder-Cut rückt näher. Nun gut, zugegebenermaßen ist er eigentlich schon da, weil ich allerdings keine Lust auf Sky Ticket habe, werde ich ihn mir erst zu Gemüte führen, wenn er als Download oder Blu-Ray erworben werden kann. Da ich ohnehin nicht der größte Fan von Synders Interpretation der DC-Helden bin, verkrafte ich die Wartezeit schon. Bis es allerdings soweit ist, lohnt es sich durchaus, die primäre Inspirationsquelle des Films unter die Lupe zu nehmen. Während Snyder und Chris Terrio in „Batman v Superman: Dawn of Justice“ viele Elemente aus Frank Millers „The Dark Knight Returns” entlehnten, ist die (wenn auch lose) Vorlage von „Justice League“ (egal ob Snyder- oder Whedon-Cut) ein deutlich jüngeres Werk.

Zuerst allerdings ein wenig Kontext: 2011 entschloss man sich bei DC (mal wieder) zu einem kosmischen Reboot, um die Kontinuität zu sortieren und Neulesern den Einstieg zu erleichtern. 52 Serien begannen mit einer neuen Nummer 1 – daher auch der Name „New 52“ (zugleich die Anzahl der Parallel-Erden in DCs Multiversum). Viele Helden wurden fast völlig auf Null heruntergefahren und jegliche Ereignisse der vorherigen Kontinuität wurden ausgelöscht, allerdings nicht alle – Batman und Green Lantern wurden größtenteils intakt gelassen. Im Rahmen der Miniserie „Flashpoint“ wurde dieser Reboot umgesetzt. Vielleicht die zentrale Serie der New 52 war die neue Justice-League-Serie, geschrieben Geoff Johns, dem leitenden kreativen Kopf hinter dem Reboot, und bebildert vom zeichnerischen Schwergewicht Jim Lee. In den ersten sechs Ausgaben erzählten Johns und Lee, wie sich das Team in dieser neuen Kontinuität zum ersten Mal zusammenfindet.

In Gotham City wird Batman von merkwürdigen, dämonischen Kreaturen attackiert. Gemeinsam mit Green Lantern, mit dem er sich allerdings nicht allzu gut versteht, ermittelt der Dunkle Ritter. Sie stoßen auf eine nicht minder ominöse außerirdische Box und beschließen, sich an das bekannteste Alien zu wenden: Superman. Gemeinsam begeben sie sich nach Metropolis, allerdings ist der Mann aus Stahl nicht unbedingt gesprächsbereit und attackiert die beiden. Auch das Eingreifen Flashs ändert daran nichts. Schließlich können die vier Helden sich allerdings halbwegs einigen, denn schon kurz darauf kommt es zur großangelegten Invasion der Erde durch den finsteren Gott Darkseid und seine Paradämonen-Armee. Gemeinsam mit den Helden Wonder Woman, Cyborg und Aquaman bilden sie zu siebt die Verteidigungslinie der Erde.

Johns und Lee inszenieren dieses erste Zusammentreffen der Liga als opulenten, atemlosen Action-Blockbuster, tiefer gehende Charakterisierung der Figuren sucht man dabei aber vergebens. Johns hat hier natürlich den Luxus, nicht allzu groß auf die Ursprünge eingehen zu müssen, da selbst Neueleser die Figuren wahrscheinlich kennen. Bis auf Cyborg sind alle Helden bereits voll etabliert, nur Victor Stone, traditionell Mitglied der Teen Titans und nicht der Justice League, erhält hier eine volle Origin, die mit dem Plot um dem angreifenden Darkseid verknüpft ist. Insgesamt wird der Charakterzeichnung der Figuren nicht allzu viel Platz eingeräumt und zudem wirken sie alle eher unsympathisch. Batman ist der typische grimmige Einzelgänger, Green Lantern kommt ziemlich arrogant rüber und Superman ist von seiner positiven Prä-Flashpoint-Interpretation relativ weit entfernt – er wirkt jünger (das Gesicht erinnert fast an Superboy) und deutlich aggressiver. Er ist nicht unbedingt der brütende Cavill-Superman, aber eben auch nicht der  optimistische Held, den man gemeinhin mit ihm assoziiert. Wonder Woman ist noch neu in der „Welt der Männer“ und wird von Johns recht naiv, aber kampfesfreudig gezeichnet, während Flash das wohl bodenständigste und sympathischste Mitglied des Teams ist. Cyborg wird primär über die Tragödie seiner Origin charakterisiert und muss lernen, mit seinem Schicksal klarzukommen (nicht, dass man ihm dazu besonders viel Zeit einräumen würde) und Aquaman stößt schließlich reichlich spät zum Team und kommt ebenfalls reichlich selbstgerecht und arrogant daher. Die insgesamt eher negative Charakterisierung der Figuren erinnert recht stark an Mark Millars „The Ulitmates“, eine Neuinterpretation der Avengers aus dem Jahr 2002.

Gerade im Vergleich zu Grant Morrisons JLA-Run (den zu loben ich nie müde werde) fällt leider negativ auf, wie wenig hier mit sechs Ausgaben eigentlich erreicht wird – was nicht bedeutet, dass „Justice League: Origin“ nicht durchaus kurzweilig und unterhaltsam wäre. Besonders die Interaktionen von Green Lantern und Batman sind ziemlich amüsant, vor allem, da sie einen gelungenen Payoff am Ende haben. Fast alle anderen Figuren kommen aber schlicht zu kurz, vor allem Aquaman stößt ziemlich unmotiviert zum Team. Leider lässt auch Darkseid seine übliche Raffinesse vermissen – der Herrscher von Apokolips funktioniert als Strippenzieher oder unbegreifliche Entität besser denn als offensiver Gegner, mit dem sich die Liga direkt prügelt.

Auf der visuellen Ebene hingegen ist „Justice League: Origin“ dank Jim Lee über jeden Zweifel erhaben, sofern man seinen Stil schätzt. Lee ist nicht ohne Grund einer der beliebtesten Zeichner des Business, seine Panels sind detailliert und dynamisch, die Figuren wirken zugleich überlebensgroß und menschlich. Die meisten Kritikpunkte, die ich habe, beziehen sich auf das New-52-Redesign der Figuren – Superman wirkt, besonders in Kombination mit seinem eher rüstungsartigen Aufzug, einfach zu jung. Auch der neugestaltete Darkseid will mir nicht unbedingt zusagen, sein aufwendiger gestaltetes Äußeres ist… zu viel. Gerade bei Darkseid ist weniger oftmals mehr.

Um nun am Ende noch zum Synder-Cut zurückzukehren: Allein bei der Inhaltsangabe zeigt sich schon, welche Elemente für Snyders „Justice League“ übernommen wurden. Da wäre zuerst der Grundplot, der Angriff auf die Erde durch die Horden von Apokolips. Im Film werden diese zwar von Steppenwolf angeführt, in letzter Konsequenz steckt aber natürlich immer Darkseid dahinter. Ich persönlich halte es tatsächlich für besser, Darkseid nicht selbst zum ersten Gegner der Liga zu machen, wenn man ihn schon als übergeordneten Schurken verwenden möchte. Im Rahmen der New 52 kam zwar ebenfalls Steppenwolf zum Einsatz, griff in der Serie „Earth 2“ allerdings besagte Parallelerde an. Auch Cyborgs mit dem Angriff verknüpfte Origin ist in Comic und Film ziemlich ähnlich, ebenso wie der Kampf der Ligisten gegen Superman, auch wenn der Kontext natürlich ein anderer ist.

Fazit: „Justice League: Origin“ ist als Neustart der Liga in Ordnung: Kurzweilig, actionreich, visuell opulent. Im Vergleich Grant Morrisons JLA-Run oder dem deutlich charakterfokussierteren „JLA: Year One“ kann „Origin“ aber leider nicht mithalten.

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JLA: New World Order
JLA: American Dreams

Batman: The Dark Knight Returns

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Unabhängig davon, wie man zu Frank Miller und seinem Schaffen steht, wenn man sich mit Batman beschäftigt, kommt man an „The Dark Knight Returns“ einfach nicht vorbei – der Einfluss der vierteiligen Miniserie aus dem Jahr 1986 auf alles, was danach kam, seien es Comics oder Adaptionen in Film, Fernsehen und Spielen, ist nicht zu leugnen. Da Matt Reeves‘ „The Batman“ sich nun wegen Corona immer weiter verzögert, ist es vielleicht an der Zeit, sich einmal etwas ausgiebiger mit Millers Batman-Arbeiten zu beschäftigen, angefangen natürlich mit „The Dark Knight Returns“.

Handlung und Struktur
Bei „The Dark Knight Returns” handelt es sich um eine Geschichte, die außerhalb der regulären DC-Kontinuität spielt und einer der Wegbereiter des Elseworld-Labels war, wobei allerdings meistens „Gotham by Gaslight“ als „Initialzündung“ angesehen wird. Unter diesem Label konnten die Autoren und Zeichner mit den Figuren experimentieren und alternative Versionen zeigen, seien es mögliche Zukünfte oder radikal anders konzipierte Helden (etwa Batman als Vampir, ein Superman, dessen Kapsel 1938 in der Sowjetunion landet o.ä.). Inzwischen hat sich das DC-Black-Label mehr oder minder zum inoffiziellen Nachfolger entwickelt – tatsächlich wurden inzwischen unter diesem Label sowohl neue TDKR-Spin-offs publiziert als auch „The Dark Knight Returns“ selbst neu aufgelegt.

In Millers alternativer Zukunft, die bezüglich des Kontextes allerdings sehr stark im Erscheinungsjahr bzw. Erscheinungsjahrzehnt verwurzelt ist (Ronald Reagan ist beispielsweise eindeutig Präsident), sind zehn Jahre vergangen, seit Batman das letzte Mal gesehen wurde. Bruce Wayne fühlt sich mit Mitte fünfzig inzwischen als alter Mann, trinkt zu viel und fährt gefährliche Rennen. Auch ansonsten ist die Situation nicht gerade rosig. Comissioner Gordon steht kurz vor der Pensionierung, Gotham wird von einer Hitzewelle geplagt und das Verbrechen ist nicht mit Batman zusammen verschwunden: Eine neue, äußerst brutale Jugendgang, die „Mutanten“, sucht die Stadt heim. Die sich zuspitzende Lage bewegt Bruce dazu, ein weiteres Mal in das Kostüm zu schlüpfen und in Gothams Straßen aufzuräumen. Das bleibt natürlich nicht folgenlos…

Bereits bei der Strukturierung der Geschichte beginnt Miller damit, klassische Erzählweisen zu hinterfragen – in diesem Fall die ganz grundsätzlichen. In der „Standardausgabe“ einer Superheldenserie, die nicht Teil eines größeren Handlungsstranges oder Mehrteilers (die inzwischen die Norm darstellen) ist, taucht der Schurke auf und wird besiegt. Dementsprechend hat jede Einzelausgabe von „The Dark Knight Returns“ einen anderen Gegner, mit dem Batman sich auseinandersetzen muss. Der erste ist Harvey Dent bzw. Two Face, der zweite der Anführer der Mutanten, der dritte der Joker und der vierte Superman. Besonders interessant ist der Umstand, dass sich zwei traditionelle Batman-Schurken mit zwei nicht traditionellen abwechseln, der Anführer der Mutanten wurde von Miller neu geschaffen und Superman und Batman sind normalerweise Verbündete. Natürlich handelt es sich bei den Konfrontationen nicht um in sich abgeschlossene Angelegenheiten, sie sind dazu da, die Entwicklung der Figur zu fördern, es geht nicht nur um den Kampf zwischen Held und Widersacher an sich. Auf gewisse Weise erzählt „The Dark Knight Returns“ die Geschichte einer Apotheose: Ein Held stirbt (zumindest scheinbar) und wird dadurch endgültig zur Legende, zum Mythos. Sowohl in der klassischen Mythologie als auch in der Geschichte wurde dieses Muster immer wieder verwendet, beispielsweise bei Herakles oder Caesar, der nach seinem Tod auf Veranlassung seines Erben Augusts vergöttlicht wurde

Millers Batman und Robin
Im Kontext von „The Dark Knight Returns“ wird oft davon ausgegangen, dass Miller im Alleingang den düsteren, grimmigen Batman etablierte – das ist falsch. Bei „The Dark Knight Returns“ handelt es sich um den Endpunkt einer langen Entwicklung, die nach dem Ende der Adam-West-Serie einsetzte. Unter kreativen Köpfen wie Julius Schwartz, Denny O’Neill und Steve Engelhart wurden Batman-Comics zusehends düsterer. Millers Verdienst liegt eher darin, dass er Batman als Figur und Gotham City als seine „Welt“ hinterfragte und dekonstruierte. Nicht von ungefähr wird „The Dark Knight Returns“ nur allzu gerne in einem Atemzug mit Alan Moores „Watchmen“ genannt – was Moore mit dem Superheldengenre im Allgemeinen tat, vollbringt Miller hier mit einer bestimmten Figur. Zwei der zentralen Fragen, die er in diesem Werk und dem bald darauffolgenden „Batman: Year One“ stellt sind: „Was für ein Mensch zieht sich ein Fledermauskostüm an, um Verbrecher zu bekämpfen?“ und „Was für eine Stadt hat genau das nötig?“ Gotham als Schauplatz wird ebenso wie Batman neu definiert, hier allerdings noch nicht so detailliert und ausgiebig wie in „Batman: Year One“ – der Fokus liegt in TDKR stärker auf dem Dunklen Ritter selbst, bei „Year One“ ist es umgekehrt. Millers Gotham ist eine Stadt der Extreme, in der man aufgrund des ständigen Medienechos schlicht nicht zur Ruhe kommt.

In „The Dark Knight Returns“ erleben wir einen Bruce Wayne, der mit dem Ruhestand nicht zurechtkommt, für den der Kampf gegen das Verbrechen nicht nur Bestimmung, sondern regelrecht Obsession ist. Bruce scheint hier fast schon unter Persönlichkeitsspaltung zu leiden und Batman als separate Entität wahrzunehmen. In den zehn Jahren der Bat-Abstinenz kommt Bruce dennoch nicht zur Ruhe und sucht Ersatz, beispielsweise in gefährlichen Autorennen. Der Batman, den Miller hier präsentiert, ist grimmiger, brutaler und rücksichtsloser, als man es von der Mainstream-Variante gewohnt ist und setzt sogar Schusswaffen ein, wenn er der Meinung ist, dass es nicht anders geht (nach wie vor mag er sie allerdings nicht). Und auch vor wirklich aktivem Töten schreckt er immer noch zurück, nicht einmal beim Joker kann er sich dazu durchringen. Dennoch ist dieser Batman ein Mann der Extreme, der ein Anarchist sein muss, weil er sonst ein Faschist wäre. Implizite Elemente von Friedrich Nietzsches Übermensch und Ayn Rands Philosophie des Objektivismus, die sich in Batman oftmals finden, macht Miller fast schon explizit.
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Batmans Entwicklung im Verlauf der Geschichte wird auch durch sein Kostüm dargestellt – hierdurch kreiert Miller zugleich einen Metakommentar zur Geschichte der Figur. Als Bruce den Suit zum ersten Mal nach zehn Jahren wieder überstreift, ist es der, den er in den 70ern und 80ern auch in den Mainstream-Comics trägt – das blaue Cape mit den schwarzen Highlights und das graue Kostüm mit der gelb umrahmten Fledermaus. Zur ersten Konfrontation mit dem Mutantenführer wechselt er zwar nicht das Kostüm, doch durch die Lichtverhältnisse wird aus blau grau-schwarz und das Outfit wirkt deutlich düsterer – dieses Design beeinflusste Batmans Aussehen in den darauffolgenden zehn bis fünfzehn Jahren. Nach der Niederlage trägt Batman tatsächlich ein neues Kostüm, dass sowohl auf die Farbe Blau als auch auf das gelbe Oval verzichtet. Selbst der Gürtel ist eher beige als gelb. Dieses Outfit erinnert an die Ursprünge, den Batman der 40er, der noch deutlich härter und brutaler war. Nachdem Gotham City in der Mainstream-Kontinuität Ende der 90er von einem Erdbeben zerstört wurde und Batman sich in der äußerst umfassenden Storyline „No Man’s Land“ mit den Folgen herumärgern musste, tat er es dem Miller-Batman nach und kehrte ebenfalls zum grau-schwarzen Dress ohne gelbes Oval zurück.

Als Robin führte Miller eine völlig neue Figur ein, ein dreizehnjähriges Mädchen namens Carrie Kelly. Ihr Vorgänger, Jason Todd, starb zehn Jahre vor Beginn der Handlung – hiermit sagte Miller auf gewisse Weise bereits „A Death in the Family“ voraus. Besonders bemerkenswert ist Batmans ziemlich harter Umgang mit Robin, er bezeichnet sie mehrfach als Soldat und droht, sie bei Nichtbeachtung seiner Befehle zu feuern. Mehr denn je fungiert diese Inkarnation von Robin dazu, als Kontrast zum grimmigen Dunklen Ritter zu dienen.

Schurken und Widersacher
Wie bereits erwähnt arbeitet Miller in „The Dark Knight Returns“ mit zwei klassischen Batman-Schurken sowie zwei Widersachern, die normalerweise nicht in der Schurkenriege des Dunklen Ritters auftauchen. Mit Superman werde ich mich in diesem Artikel nicht weiter befassen, wenn es nicht unbedingt nötig ist, da ich bereits 2016 einen ausführlichen Artikel zum Duell der „World’s Finest“ verfasst habe. Ansonsten ist vor allem bemerkenswert, dass sich Batman in seinen Schurken, ganz nach bester Tradition, widerspiegelt. Während Superman und der Mutantenanführer quasi unabhängig agieren, befanden sich Two Face und der Joker, ganz ähnlich wie Batman selbst, die letzten zehn Jahre über im Ruhestand. Harvey Dent erhielt eine Operation, die seine zerstörte linke Gesichtshälfte wiederherstellte und der Joker verfiel in einen katatonischen Zustand. Erst mit Batmans Rückkehr werden auch diese beiden Schurken ein letztes Mal aktiv. Mit Two Face beschäftigt sich Miller nicht allzu intensiv: Die Operation hat zwar sein Gesicht wieder hergestellt, aber die Harvey-Dent-Persönlichkeit zerstört, Two Face nimmt sich als vollständig entstellt wahr.

Dem Joker hingegen schenkt Miller deutlich mehr Beachtung. Zwar war er schon immer einer von Batmans prominentesten Feinden, doch in den 80ern wurde seine Stellung als Batmans Erzrivale durch eine Reihe von Werken endgültig zementiert – darunter „The Killing Joke“, „A Death in the Family“ und natürlich „The Dark Knight Returns“. Wie kaum ein anderer Autor vor ihm arbeitet Miller die Abhängigkeit dieser beiden Widersacher voneinander heraus, diese fast schon romantische, definitiv ungesunde Beziehung, die unter anderem auch die Grundlage von „The Lego Batman Movie“ bildet. Batman ist das einzige Element, das dem „Clown Prince of Crime“ einen Sinn im Leben gibt, ohne ihn vegetiert er nur im Arkham Asylum vor sich hin.

Von allen vier Widersachern des Dunklen Ritters ist der Mutantenführer der mit Abstand uninteressanteste und oberflächlichste. Er steht für eine neue, brutalere Zeit, eine neue Generation an Verbrechen, die Batman überwinden muss. Nicht umsonst wird Batman zuerst von dieser neuen, unbekannten Größe besiegt, bevor er wirklich zu seiner alten Stärke zurückfindet.

Visuelle Umsetzung
DkrjokerhighresAutor und Zeichner in Personalunion findet man im US-Bereich eher selten. Frank Miller konnte bei „The Dark Knight Returns“ sein Skript genau so umsetzen, wie er es für richtig hielt. Visuell ist diese Batman-Geschichte natürlich ikonisch, ich muss allerdings zugeben, dass Miller nicht unbedingt zu meinen Lieblingszeichnern gehört, auch wenn ich die die Entwicklung seines Stils sehr interessant finde. Gerade seine frühen Arbeiten, als Beispiel seien hier die von Chris Claremont geschriebene Miniserie „Wolverine“ aus dem Jahr 1982 sowie diverse Daredevil-Werke genannt, sind noch relativ typisch für die Superhelden-Comics dieser Dekade. In „The Dark Knight Returns“ merkt man hingegen deutlich Einflüsse aus dem Bereich Manga und frankobelgische Comics. Egal, ob man Millers visuellen Stil nun mag oder nicht, er ist definitiv distinktiv. Viele der Figuren sind cartoonhaft überzeichnet und geradezu grotesk, vom monströsen Anführer der Mutanten bis hin zur massiven Gestalt Batmans. Auch Farbgebung und Panellayout sind bemerkenswert. Die „Talking Heads“, die das bereits erwähnte, konstante Medien-Dröhnen darstellen, werden immer wieder in kleinen, fernsehförmigen Panels „zwischengeschaltet“. Ansonsten erinnert die Aufteilung mitunter ein wenig an Alan Moores „Watchmen“ – wo „Watchmen“ allerdings stets sehr ordentlich und symmetrisch strukturiert ist, kann es Miller nicht lassen, immer wieder aus diesen Strukturen auszubrechen. Etwas, das Moore und Dave Gibbons in ihrem Superhelden-Deskonstruktionsansatz beispielsweise völlig auslassen, sind die großen Splash-Pages, in denen die Figuren besonders heroisch präsentiert werden. Diese sind bei Miller sogar ziemlich häufig vorhanden.

Für die Colorierung war Lynn Varley verantwortlich, die Miller im Erscheinungsjahr von „The Dark Knight Returns“ heiratete und von der er sich 2005 wieder scheiden ließ. Varleys Farbgebung in diesem Comics ist wirklich außerordentlich aussagekräftig. Vor allem den Tagesszenen verpasst sie einen ausgewaschenen, fast schon fahlen Ton, während die Nachtszenen von den großen Schwarzflächen dominiert werden, die später in Millers „Sin City“ noch eine große Rolle spielen sollten. Die Farben in „The Dark Knight Returns“ haben immer eine Aussage – ich erwähnte bereits die Entwicklung des Bat-Suits, derartige Beispiele finden sich noch häufiger. Ein weitere, eindrückliche Strecke ist etwa die Szene, in der Ronald Reagan Superman den Auftrag erteilt, Batman auszuschalten. Der Leser sieht Superman zwar nicht direkt, doch Miller und Varley lassen in Zeichnung und Farben die Streifen der Flagge in das Superman-Logo morphen, sodass man als Leser sofort weiß, wer der Dialogpartner des Präsidenten ist.

Adaptionen und Einfluss

„The Dark Knight Returns“ als den einflussreichsten Batman-Comic der letzten fünfzig Jahre zu bezeichnen, ist wahrscheinlich eine Untertreibung. Obwohl es sich dabei um eine Geschichte handelt, die außerhalb der regulären Kontinuität spielt, finden sich bestimmte Elemente, Anspielungen, Charakterisierungen etc. nicht nur in den Comics, sondern auch in allen anderen Medien wieder. Werfen wir zuerst einen Blick auf die direkten Adaptionen. In der Folge „Legends of the Dark Knight“ (Erstausstrahlung 1998) aus „Batman: The Animated Series” findet sich zum ersten Mal eine direkte Umsetzung einer Szene aus „The Dark Knight Returns“. In besagter Episode erzählen sich drei Kinder, wie sie Batman sehen – als Kontrast fungieren hier zwei kurze Segmente, das eine im Stil der alten Dick-Sprang-Comics aus den 40ern und 50er animiert, das andere eine Szene aus „The Dark Knight Returns“. Zu diesem Zweck wurden die beiden Kämpfe mit dem Anführer der Mutanten zu einem zusammengefasst. Der gealterte Miller-Batman wird hier von Michael Ironside gesprochen, während Carrie (gesprochen von Anndi McAfee), das Mädchen, das die Geschichte erzählt, nicht nur so aussieht wie Carrie Kelley und ihren Vornamen trägt, sondern natürlich auch als Robin in besagtem Segment auftaucht. 2012 wurde „The Dark Knight Returns“ außerdem im Rahmen der „DC Universe Animated Original Movies“ sehr vorlagengetreu als zweiteiliger Animationsfilm umgesetzt, mit Peter Weller als Batman, Ariel Winter als Carrie Kelley, Mark Velley als Superman und Michael Emerson als Joker.

Zusätzlich sollten sowohl „The Dark Knight Rises“ als auch „Batman v Superman: Dawn of Justice“ nicht unerwähnt bleiben – in beiden Fällen handelt es sich zumindest um partielle Adaptionen von „The Dark Knight Returns“. Der Abschluss von Nolans Dark-Knight-Trilogie folgt Millers Geschichte immerhin in groben Zügen: Aufgrund eines traumatischen Ereignisses wurde Batman seit vielen Jahren nicht mehr gesehen, bis ein einschneidendes Ereignis einen gealterten Bruce Wayne dazu bringt, sich abermals das Kostüm überzustreifen. Schon bald bringt ein neuer Gegner dem Dunklen Ritter allerdings eine verheerende Niederlage bei, von der er sich erst erholen muss, bevor er Gotham retten kann. Freilich könnten die Details kaum unterschiedlicher sein, da auch „Knightfall“ und das bereits erwähnte „No Man’s Land“ (von Charles Dickens‘ „A Tale of Two Cities“ gar nicht erst zu sprechen) als Vorlage dienen, weshalb beispielsweise keiner der Widersacher aus dem Comic auftaucht, dafür aber Bane praktisch die Stelle des Mutantenführers einnimmt. Dennoch finden sich einige direkte Anspielungen, der Dialog der beiden Polizisten bei Batmans Rückkehr etwa stammt fast eins-zu-eins von Miller.

„Batman v Superman: Dawn of Justice” bedient sich sogar noch großzügiger bei „The Dark Knight Returns“ – Zack Snyder erklärte mehrmals, wie sehr er Millers Werk schätzt. Auch hier haben wir es mit einem gealterten, grimmigen und brutalen Batman zu tun – einem Batman, der sogar noch weitaus rücksichtsloser gegen Kriminelle vorgeht als die Miller-Version dieses Comics und größere Kollateralschäden ohne mit der Wimper zu zucken in Kauf nimmt. Die gesamte Optik des Dunklen Ritters in diesem Film orientiert sich an Miller, vom gewöhnlichen Kostüm bis hin zu dem Anzug, in dem er sich Superman zum Kampf stellt. Der Kontext dieser Auseinandersetzung ist natürlich ein völlig anderer, ebenso wie der Snyder-Superman ein völlig anderer ist als der, der in „The Dark Knight Returns“ den Befehlen des Präsidenten folgt, aber die Inszenierung des Kampfes ist sehr stark an Miller angelehnt. Darüber hinaus finden sich auch sonst viele visuelle Verweise, etwa der völlig ausgezehrte Superman.

Über den indirekten Einfluss von „The Dark Knight Returns“ auf Batman ließe sich wohl ein ganzes Buch schreiben. Allein die Ermordung der Waynes zollt in fast jeder Inkarnation Miller ihren Respekt. Zwar taucht Martha Waynes ikonische Perlenkette bereits in Detective Comics 33 (1939) auf – in diesem Heft wurde erstmals Batmans Werdegang geschildert – allerdings bekam sie ihre Signifikanz erst durch „The Dark Knight Returns“. Auch der Sturz eines jungen Bruce in die Höhle, die später die Bathöhle werden sollte, stammt direkt von Miller und wurde nicht nur in die Mainstream-Kontinuität integriert, sondern auch in diversen Filmen aufgegriffen. Ganz ähnlich verhält es sich mit vielen anderen Elementen – „The Dark Knight Returns“ war immer eine mögliche Zukunft Batmans, so ähnlich wie alle anderen Zukunftsversionen des DC Univerums, von „Kingdom Come“ über „Batman Beyond“ bis „DC One Million“, aber immer wieder tauchten bestimmte Ereignisse, Wendungen oder Handlungsbruchstücke in der regulären Kontinuität auf. Waren Batman und Superman etwa bisher immer wirklich gute Freunde, so wird ihre Beziehung seit „The Dark Knight Returns“ immer mal wieder als etwas problematischer dargestellt, wenn auch selten so problematisch wie bei Miller. Weiter Beispiele für TDKR-Elemente, die langsam in die Hauptkonitnuität tröpfeln, finden sich etwa in Jeph Loebs und Jim Lees „Batman: Hush“; hier wird Harvey Dents ruinierte Gesichtshälfte ebenfalls wiederhergestellt und mehr noch, der bandagierte Titelschurke Hush sieht genauso aus wie der ebenfalls bandagierte Dent bei Miller. Die Idee von Batman als separaterer Entität von Bruce Wayne arbeitete Darwyn Cooke in „Batman: Ego“ weiter aus und Zukunftsvisionen des DC-Universums im Allgemeinen und Gotham Citys im Besonderen kommen selten aus, ohne „The Dark Knight Returns“ nicht irgendwie zu referenzieren. Mehr noch, der TDKR-Batman ist gewissermaßen zur Symbolfigur des grimmigen, düsteren Batmans geworden, wann immer ein Medium auf diese Interpretation eingehen möchte, findet sich meistens eine TDKR-Referenz.

Fazit
Ich habe mich in diesem Artikel stärker auf Analyse und weniger auf Meinung konzentriert. „The Dark Knight Returns“ muss einem nicht gefallen, tatsächlich gehört Millers Bat-Epos nicht einmal unbedingt zu meinen Lieblingscomics mit dem Dunklen Ritter, ich persönlich finde „Batman: Year One“ beispielsweise deutlich gelungener, und mein absoluter Favorit ist ohnehin „The Long Halloween“. Gerade im visuellen Bereich ist mir Miller für meinen Geschmack oftmals eine Spur zu extrem, ich bin kein Fan des übermäßig bulligen Batman und manche der absurder Elemente finde ich äußerst störend und übermäßig trashig, etwa diese beiden merkwürdigen Roboterkinder oder Bruno sowie diverse andere „Millerismen“, wobei diese hier im Vergleich zu späteren Werken noch deutlich schwächer ausgeprägt sind. Dennoch, möchte man sich ernsthaft mit Batman beschäftigen, kommt man an „The Dark Knight Returns“ einfach nicht vorbei, zu groß sind die Auswirkungen, auch heute noch, zu essentiell ist diese Erzählung des gealterten Batman, zu bedeutend die Dekonstruktion dieser Ikone. Letztendlich besitzt TDKR seinen Status als der Bat-Überklassiker durchaus zurecht. Wenn Miller ihn nur nicht mit Fortsetzungen und Spin-offs verwässert hätte…

Siehe auch:
TDKR: Batman vs. Superman

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Cover
Batman und Robin
Joker

Watchmen: Von Alan Moore über Zack Snyder bis zu HBO

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„Watchmen“, verfasst von Alan Moore und gezeichnet von Dave Gibbons, gilt als einer der besten Comics überhaupt. Nicht nur wird „Watchmen“, als einer der Gründe für das Erwachsenwerden des Comics bzw. der Etablierung der Graphic Novel angesehen, das Werk ist auch der einzige Comic auf der Liste der 100 besten Romane seit 1923 des Time-Magazine, wo seine Qualitäten wie folgt beschrieben werden: „Told with ruthless psychological realism, in fugal, overlapping plotlines and gorgeous, cinematic panels rich with repeating motifs, Watchmen is a heart-pounding, heartbreaking read and a watershed in the evolution of a young medium.“ (Quelle: http://entertainment.time.com/2005/10/16/all-time-100-novels/slide/watchmen-1986-by-alan-moore-dave-gibbons/)

In der Tat verfügt „Watchmen“ nicht nur über die oben aufgezählten Qualitäten und sorgte für die Evolution des Mediums, Moore nutzte „Watchmen“ auch gleichzeitig, um, neben vielen anderen Themen wie Macht, Religion, Moral, Psychologie und Politik, die Entwicklung des amerikanischen Comics zu kommentieren. Vor allem steht, was angesichts der Thematik des Werkes kaum verwundert, die Geschichte des Superheldencomics dabei im Fokus. Dies zeigt sich anhand von subtilen Verweisen, Handlungssträngen, der Figurenkonstruktion, aber auch des grundsätzlichen Plots und des Handlungsverlaufs. Insgesamt gehört „Watchmen“ zu den Werken, die genau zum richtigen Zeitpunkt erschienen und die Zeit ihres Erscheinens genau widerspiegeln. Das ist auch einer der Gründe, weshalb die Graphic Novel so ein revolutionäres, bleibendes Werk wurde, während Zack Snyders Verfilmung weit weniger erfolgreich war und kaum Auswirkungen hatte.

„Watchmen“ als Spiegel der Comicgeschichte
Eine der grundlegenden Prämissen des Werkes ist, zu zeigen, wie es wäre, wenn Superhelden tatsächlich in einer realistischen Welt existieren, wie sich ihre Gegenwart auswirken würde und welche Menschen sich dazu entschließen würden, Kostüme überzustreifen, um gegen das Verbrechen zu kämpfen.  Dies steht im Gegensatz zu den Superheldenuniversen von DC oder Marvel, in denen die Anwesenheit von Superhelden die Menschheitsgeschichte nicht wirklich verändert. Natürlich gibt es Ausnahmen, aber die Universen der beiden Comicgiganten funktionieren nach dem Status-Quo-Prinzip, im Kleinen wie im Großen: Bane kann Batmans Rückgrat brechen, der Dunkle Ritter kann temporär sterben oder aus anderen Gründen kurzfristig ersetzt werden, irgendwann wird Bruce Wayne wieder das Fledermauskostüm überstreifen. Ähnlich verhält es sich mit dem globalen Status Quo: Egal wie viele Alien-Invasionen oder interdimensionale Angriffe vorkommen, diese Ereignisse haben nie den Einfluss, den sie tatsächlich haben müssten; trotz all dem entwickelt sich auch die Welt, wie sie das DC- und Marvel-Universum zeigen, parallel zu unserer, da der Leser erwartet, auch seinen Alltag wiederzufinden.

Moore hätte mehrere Herangehensweisen wählen können, entschied sich aber schließlich dazu, dass die Handlung, bzw. die Hintergründe der Figuren die Geschichte der amerikanischen Superhelden wiederspiegeln sollten. Diese Hintergründe werden entweder im Rahmen zahlreicher Rückblicke oder in Form von Zusatztexten am Ende der Einzelhefte erzählt. Bei diesen handelt es sich um fiktive Sachtexte aus der erzählten Welt von „Watchmen“, etwa um Kapitel der Autobiographie von Hollis Mason, der als Nite Owl zur ersten Generation der Superhelden gehört und, gerade weil der Leser durch seine Autobiographie sehr viel über ihn, sein Leben und seine Ansichten erfährt, einer der Hauptrepräsentanten besagter erster Generation ist. In seiner Autobiographie erwähnt Hollis Mason einige spezifische Inspirationen – frühe Pulp-Figuren bzw. Superheldenvorläufer wie Doc Savage und The Shadow, aber vor allem Superman. Superman löste also nicht nur die Flut an Comichelden in unserer Welt aus, sondern inspirierte auch die kostümierten Verbrechensbekämpfer in der Welt von „Watchmen“.  Darüber hinaus ist es wahrscheinlich kein Zufall, dass Hollis Mason seine Superheldenidentität 1939 annimmt, genau das Jahr, in dem Batman seinen ersten Auftritt absolvierte – zwischen beiden Figuren gibt es einige starke Parallelen, nicht zuletzt die Benennung nach einem nachtaktiven Tier. Tatsächlich basieren viele der Figuren von „Watchmen“ lose auf Charakteren, die DC von einem anderen Verlag, Charlton Comics, erworben hatte und die Moore ursprünglich für „Watchmen“ verwenden wollte, bevor DC dies verhinderte. Allerdings finden sich in den Watchmen-Figuren viele Elemente und Stereotype aller möglicher Superhelden.

Die in Rückblicken geschilderte Bildung des Superheldenteams „Minutemen“ in den 40ern, bei dem alle bedeutenden Helden mitwirken, spiegelt nicht zufällig die Justice Society of America wider. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs verschwinden die Minutemen allerdings in der Versenkung, sowohl in der Realität (nicht zuletzt Dank Frederic Wertham und „Seduction of the Innocent“) als auch in der Welt von „Watchmen“ sind die 50er somit eine superheldenfreie Dekade.

Dr. Manhattans Entstehung 1959, die eine Rückkehr der kostümierten Vigilanten begünstigt, fällt ziemlich genau mit der Superheldenrenaissance Anfang der 60er zusammen. Die versuchte und gescheiterte Bildung der „Crime Busters“ mit einer neuen Heldengeneration erinnert dann wieder an die Formierung der Justice League oder der Avengers; wie bei Ersterer finden sich auch bei den Crime Busters Helden wieder, die ein Vermächtnis fortsetzen (Green Lantern und Flash bei der Justice League, Nite Owl und Silk Spectre bei den Crime Busters); und wie bei Letzteren gibt es eine Figur, die bereits während des goldenen Zeitalters aktiv war (der Comedian und Captain America). Diese Parallelen sind allesamt auf den ersten Blick nicht allzu offensichtlich und dazu ziemlich subtil, aber unzweifelhaft vorhanden. Der Unterschied zwischen „Watchmen“ und den entsprechenden zeitgenössischen Comics ist, dass die Superhelden in Watchmen durchweg vom Scheitern und ihren Komplexen gezeichnet sind. Sie sind als Figuren vielschichtiger und lassen sich, anders als die Helden und Schurken von DC und Marvel, weniger eindeutig als gut oder böse klassifizieren.

Beide Superheldenteams werden von Moore nicht gerade zimperlich behandelt, die Minutemen sind im Grunde nur eine Fassade und zerbrechen letztendlich u.a. daran, dass der Comedian versucht, Silk Spectre zu vergewaltigen. Die Bildung der Crime Busters gelingt gar nicht erst, die zweite Generation der Superhelden findet nie zu einem Team zusammen. Der Keene-Act, der die Superhelden schließlich verbietet, kann getrost als weitere Anspielung auf den Comic Code gesehen werden, auch wenn er über 20 Jahre später umgesetzt wird. Dieses Element wurde immer wieder aufgegriffen, am deutlichsten in Pixars „The Incredibles“, in welchem ein ähnlicher Regierungserlass dem Superheldentum ein Ende setzt.

Das Auftauchen „realer“ Superhelden in der Welt von „Watchmen“ hat dann wiederum auch Auswirkungen auf die Comicgeschichte besagter Welt. In der Graphic Novel existiert eine Binnenhandlung; immer wieder taucht im Verlauf ein Junge auf, der einen Piratencomic namens „Tales of the Black Freighter“ liest, dessen Handlung die Handlung von „Watchmen“ widerspiegelt und kommentiert. Primär betrifft dies vor allem Ozymandias/Adrian Veidt und dessen Handlungen, allerdings nutzt Moore die Hintergründe dieses Piratencomics auch, um die amerikanische Comicgeschichte zu kommentieren. In der Realität sind Superheldencomics das dominante Genre, in einer Welt, in der Superhelden allerdings wirklich existieren, ist dies anders, da sie nicht mehr zum Eskapismus taugen.

Statt der Superhelden dominieren in „Watchmen“ Piraten den Comicmarkt. In der fünften Ausgabe von „Watchmen“ findet sich ein Artikel über die Hintergründe der fiktiven Serie und der alternativen Comicgeschichte. Da Superhelden nicht gefragt sind, wird E.C., Heimat solcher Serien wie „Tales from the Crypt“ in den 1950er Jahren zum dominanten Herausgeber. Auch auf Werthams „Sedution of the Innocent“ wird angespielt. Statt des neuen Flash und der Justice League startet DC eine Comic-Renaissance mit einer eigenen Piratenserie, besagten „Tales of the Black Freighter“.

„Watchmen“ ist letztendlich eine umfassende Auseinandersetzung mit der Superheldenthematik auf allen Ebenen. Die oben erläuterten Verweise fungieren nicht nur als clevere Ausschmückung der erzählten Welt des Comics, sondern funktionieren zugleich als Kommentar zur Comicgeschichte der USA. Durch das Scheitern seiner Figuren dekonstruiert Moore die idealisierten Vorstellungen und die mitunter vorhandene heile-Welt-Wahrnehmung des Goldenen und Silbernen Zeitalters und zeigt gleichzeitig, wie sich eine alternative Comicgeschichte der USA ohne die Superhelden als dominantes Genre hätte entwickeln können. Dennoch verurteilt Moore weder die Geschichte des Mediums, noch das Superheldengenre, sondern verweist letztendlich in dessen Zukunft. Mit dem, was auf „Watchmen“ folgte, war er dann allerdings alles andere als zufrieden. Anstatt tiefgründiger und besser konstruierte Geschichten zu schreiben, beschränkten sich viele Comicschaffende in den späten 80ern und frühen 90ern darauf, lediglich oberflächliche Elemente von Moores und Gibbons‘ Meisterwerk zu übernehmen: Ebenso grimmige wie gnadenlose Antihelden wurden modern, die zwar einiges mit dem Comedian und Rorschach gemein haben, aber selten auch nur ansatzweise derart gut konstruierte Charaktere sind. Die grimmige Brutalität wurde zum Selbstzweck und ihrer Aussage beraubt.

Zack Snyders Filmadaption

Bereits in den 80ern wurde eine Filmadaption von „Watchmen“ in Erwägung gezogen, es sollte dann aber doch bis zum Jahr 2009 dauern, bis Moores Meisterwerk eine Filmadaption erhielt. Diverse Drehbücher, u.a. von Sam Hamm (Autor von Tim Burtons „Batman“) oder Terry Gilliam wurden verworfen, Gilliam selbst sollte Regie führen, erklärte aber schließlich, die Graphic Novel sei nicht verfilmbar. Nachdem er „300“ zum Erfolg gemacht hatte, trat Warner Bros. Mitte der 2000er an Zack Snyder heran, der darauf bestand, sowohl das 80er-Jahre-Setting als auch den Härtegrad der Vorlage beizubehalten.

Die größte Stärke und zugleich die größte Schwäche von Snyders Film ist die Vorlagentreue. Mit einigen wenigen Ausnahmen hält sich der Film fast sklavisch an die Graphic Novel, wie bei „Sin City“ wurden die Panels zum Teil als Storyboard verwendet. Man merkt Snyders große Liebe zur Vorlage und seinen Willen, ihr gerecht zu werden, deutlich an. Diese Nähe zur Vorlage ist zugleich die größte Stärke und auch die größte Schwäche des Films. Man verstehe mich hier nicht falsch: Ich mag die Filmadaption von „Watchmen“, in meinen Augen ist sie Snyders mit Abstand bester Film. Der gute Mann versteht es als Regisseur durchaus, eindrückliche, bleibende und kreative Bilder zu erzeugen. Erzählerische Substanz dagegen ist etwas, das nicht gerade zu seinen Stärken gehört – aber gerade weil „Watchmen“ sich so eng an die Vorlage hält, ist besagte Substanz natürlich gegeben, auch wenn der Film trotzdem einige Probleme bei der Umsetzung der Geschichte hat. Zugleich raubt Snyder der Adaption so aber die Möglichkeit, ein ähnlich markantes Werk wie die Graphic Novel zu werden. Bei der Vorlage handelt es sich um Dekonstruktion und Kommentar zum Superheldengenre – durch die Vorlagentreue bleibt der Film aber letztendlich auf demselben Level wie die Vorlage und ignoriert die letzten zwanzig Jahre Comic- und Filmgeschichte. Was 1986 neu und revolutionär war, ist 2009 nun einmal nicht mehr wirklich bahnbrechend, zumindest für Comicfans. Ein paar Verweise an die weitere Entwicklung des Superheldengenres im Film finden sich bei Snyder schon, aber es bleibt zumeist bei subtilen Anspielungen. Die Kostüme der Figuren etwa folgen den aktuellen Trends und Snyder kann es auch nicht lassen, auf die Bat-Nippel in Joel Schumachers Filmen anzuspielen, in dem er Ozymandias ebenfalls Nippel verpasst. Aber das sind, wie gesagt, subtile Anspielungen.

Andererseits versuchte Snyder ja mit seinen anderen DC-Filmen, primär „Man of Steel“ und „Batman v Superman: Dawn of Justice“ das Superheldengenre auf eigene Faust zu dekonstruieren – mit, gelinde gesagt, ernüchterndem Ergebnis. Insofern ist die Filmversion von „Watchmen“ wahrscheinlich der best-mögliche Ausgang.

Gegenwart und Zukunft
Obwohl Snyders „Watchmen“ nur mäßig erfolgreich war, brachte der Film Moores Meisterwerk neue Popularität und sorgte dafür, dass DC Comics, gegen Moores ausdrücklichen Willen, neue Watchmen-Publikationen herausbrachte. Vor allem zu erwähnen ist hier „Before Watchmen“, eine Reihe von Miniserien, die die Hintergrundgeschichte der diversen Figuren des Originals aufgreifen. Einerseits sind diese Miniserien relativ unnötig bis überflüssig, andererseits ist aber durchaus einiges an Talent beteiligt, etwa Darwyn Cooke, J.G. Jones, Brian Azzarello oder Lee Bermejo, die zumindest einige dieser Miniserien äußerst lesenswert machen, allen voran „Before Watchmen: Minutemen“ und „Before Watchmen: Rorschach“. Das erwies sich allerdings erst als der Anfang, denn im Rahmen des DC-Rebirth-Events wurden die Figuren und Welt von „Watchmen“ auch offiziell ins DC-Universum eingeführt, spezifisch in der zwölfteiligen Serie „Doomsday Clock“, die ich allerdings noch nicht gelesen habe.

Allgemein interessanter dürfte allerdings der Umstand sein, dass HBO nun eine „Watchmen“-Serie plant. Allem Anschein nach versucht HBO mit dieser Serie genau das zu bewerkstelligen, was Zack Snyder mit seiner Verfilmung versäumte. Weder soll es sich bei dieser Serie um eine Neuerzählung der Geschichte der Graphic Novel handeln, noch um eine tatsächliche Fortsetzung; stattdessen soll die Serie primär in der Welt von „Watchmen“ spielen und dabei ihre eigene Geschichte erzählen. Dieses Konzept bietet sich natürlich optimal für eine weitergehende Auseinandersetzung mit dem Superheldengenre quer durch alle Medien an. Gerade der Superheldenfilm hat sich in den zehn Jahren seit Snyders Adaption gewandelt: 2009 war noch nicht absehbar, welche Auswirkungen „The Dark Knight“ auf das Genre haben und wie erfolgreich das MCU, dessen Anfänge im Jahr 2008 ins Kino kamen, sein würde. Eine derartige Serie könnte auch gut auf Politik und Gesellschaft der Gegenwart eingehen, wie es die Graphic Novel bereits in den 80ern tat; in dem eine alternative Welt mit anderem Geschichtsverlauf gezeigt wird, in der sich dennoch unsere eigene Welt widerspiegelt. Bleibt lediglich die Frage, ob Damon Lindelof, seines Zeichens späterer Showrunner von „Lost“ und Drehbuchautor von „Prometheus“, wirklich die richtige Person ist, um das Ganze auf den Weg zu bringen.

Siehe auch:
Die Geschichte des amerikanischen Comics Teil 6: Das moderne Zeitalter
Die Geschichte des amerikanischen Comics Teil 7: Die Graphic Novel

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Das DC Extended Universe – Eine Retrospektive

Das DC Extended Universe ist tot. Je nach dem, wen man fragt, hat entweder „Justice League“ es umgebracht, oder es war von Anfang an eine Totgeburt – jedenfalls wurde es in diesem Jahr auf der Comic Con in San Diego quasi begraben. Das bedeutet dabei nicht, dass gewisse Aspekte nicht fortgesetzt werden, schließlich erwarten uns mit „Aquaman“ und „Wonder Woman: 1984“ zwei Filme, die direkt an „Wonder Woman“ und „Justice League“ anschließen. Ziehen wir doch zu Vergleichsaspekten noch einmal das Marvel Cinematic Universe heran. Zumindest bislang ist die Struktur klar: Die Avengers bzw. die Avengers-Filme stehen im Zentrum, auf sie arbeiten die anderen Filme hin, die beiden Infinity-War-Teile sind die vorläufige Kulmination. Ursprünglich sollte das DCEU ähnlich funktionieren, mit der Justice League als Gegenstück zu den Avengers. Die Saat ist gelegt: Steppenwolf ist kein Schurke, der wirklich für sich allein funktioniert, er gehört zum Kosmos der New Gods und verweist auf Darkseid. Mehr noch, in der Post-Credits-Szene von „Justice League“ wird die Legion of Doom/Injustice Gang/Injustice League angeteasert. Wegen des finanziellen Misserfolgs wird daraus aber nichts: Warner kündigte an, sich von nun an auf einzelne Filme konzentrieren zu wollen, die entweder formal an die bisherigen anknüpfen (siehe „Aquaman“ und „Wonder Woman: 1984“) oder etwas völlig Selbstständiges darstellen (in diese Kategorie fällt der Joker-Film mit Joaquin Phoenix). Zusammenkünfte, Crossover oder sonstige Großereignis sind dagegen erstmal vom Tisch.

Nebenbei bemerkt: Der Name „DC Extended Universe“ war wohl nie offiziell, hat sich aber festgesetzt, wohl auch, weil Warner sich nie die Mühe gemacht hat, das in irgendeiner Form richtig zu stellen. Gegenwärtig könnte dieses Über-Filmfranchise „Worlds of DC“ heißen, was subtil auf ein Multiversum hindeutet. Oder auch nicht. Der Einfachheit werde ich aber trotzdem weiterhin vom DCEU sprechen, einfach aus Gewohnheit.

Superman Begins – Nolans Fluch
DC ist düster und grimmig, während Marvel lustig und leichtherzig ist, nicht wahr? Ehrlich gesagt kommt mir als langjährigem Comicleser beider Verlage diese Einschätzung als ziemlich inkorrekt vor. Diese Wahrnehmung entstand in den späten 2000er-Jahren und ist primär auf diverse Verfilmungen zurückzuführen, hält einer ausgiebigeren Betrachtung aber nicht stand. Der größte ursprüngliche Unterschied findet sich in den 60ern, als die Verlage zu den Giganten der amerikanischen Comicindustrie wurden, die sie heute sind, und gerade im Fall von Marvel auch die meisten Figuren entstanden. Unter Stan Lees Ägide legte Marvel bei den Superhelden den Fokus auf die Geheimidentität und die menschlichen Aspekte, statt auf die Superkräfte und das Übermenschentum – kein DC-Held musste sich in dieser Zeit wie Spider-Man mit finanziellen Problemen oder wie die X-Men mit Außenseitertum herumschlagen. Im Verlauf der jeweiligen Verlagsgeschichte finden sich sowohl bei DC als auch bei Marvel ein gerüttelt Maß an düsteren und grimmigen Geschichten. Die Wahrnehmung von DC als „düster und erwachsen“ ist vor allem auf Chris Nolans Dark-Knight-Trilogie zurückzuführen.

Schon mehrfach hat sich gezeigt, dass Warner ein Studio ist, das gerne den einfachen Weg geht, wobei diese Mentalität in Hollywood generell weit verbreitet ist: Etwas funktioniert? Dann machen wir so lange damit weiter, bis es nicht mehr funktioniert. In diesem Fall ist es die düstere, grimmige Herangehensweise. Besonders, nachdem sich sowohl „Superman Returns“ als auch „Green Lantern“ (dieser Film hätte eigentlich den Grundstein für ein DC-Filmuniversum legen sollen) als Flops erwiesen, verließ sich Warner auf das, was in den letzten Jahren funktionierte: Eine düstere, grimmige Herangehensweise und das Mitwirken von Chris Nolan und David S. Goyer.

Diese Einstellung wirkt sich enorm auf das fertige Produkt aus, was sich besonders bei „Man of Steel“ beobachten lässt. Dieser Film möchte so sehr „Batman Begins“ sein, dass es fast schon schmerzt. Das beginnt bereits bei der Flashback-Struktur, die hier aber weit weniger gut funktioniert, weil sie zum Gimmick verkommt. In Nolans fähigen Händen arbeiteten die Flashbacks mit der Gegenwartshandlung gut zusammen und ergänzten sich thematisch. Bei Zack Snyder dagegen wirkt die Struktur beliebig und eben deshalb vorhanden, weil „Batman Begins“ es vorgemacht hat. Als Zuschauer erleben wir Folgen von Clarks Entscheidungen, bevor wir die Entscheidung nachgereicht bekommen, was erzählerisch einfach sinnlos ist, weil Clarks Charakterentwicklung auf diese Weise ziellos umher mäandert. Ständig kommt die Antwort auf dramaturgisch sinnfreie Weise vor der Frage – das geht beim Prolog los, der zwar der visuell interessanteste Teil des Films ist, aufgrund des späteren Gesprächs zwischen Clark und Jor-El aber völlig redundant wird. Dadurch, dass wir als Zuschauer Clark immer schon diverse Schritte voraus sind, werden wir von ihm als Protagonist gleichzeitig distanziert. Im Vergleich dazu stellte Nolan bei „Batman Begins“ die Frage in der Gegenwartshandlung und beantwortete sie mit einem Flashback – also genau umgekehrt.

Auch in anderen Aspekten versucht „Man of Steel“ der Dark-Knight-Trilogie nachzueifern, sei es in Bezug auf Musik, die Charakterisierung des Protagonisten (dazu später mehr) oder die Bildsprache. Zumindest ich werde bei „Man of Steel“ das Gefühl nicht los, dass Snyder seinen eigenen Regiestil zugunsten einer Nolan-Imitation wenigstens teilweise aufgibt. Filme wie „300“, „Watchmen“ oder „Sucker Punch“ waren von kräftigen, ausdrucksstarken Farben geprägt, während „Man of Steel“ diverse visuelle Eigenschaften Nolans bis ins Extrem weitertreibt – alles ist in einem ausgewaschenen graublau gehalten, zusätzlich zu völlig sinnlosem Einsatz der Shaky-Cam. Manche dieser Stilmittel wurden bereits bei „Batman v Superman: Dawn of Justice“ wieder zurückgefahren, die inhaltlichen Probleme verschärfen sich dagegen noch.

Vorlage v Adaption – Probleme bei der Charakterzeichnung
Eine der größten Stärken der Dark-Knight-Trilogie ist die Balance zwischen Vorlagentreue und Eigenständigkeit. Während die Nolan-Brüder und Goyer keine Hemmungen haben, Elemente zu verändern oder die Figuren passend zur Thematik des jeweiligen Films anzupassen, erkennt man doch fast immer noch den Kern der Figur. Mehr noch, es gelingt ihnen, Handlungselemente der Comics unterzubringen, ohne dass diese wie Fremdkörper wirken. Die Trilogie funktioniert sowohl als eigenständige Einheit als auch als Adaption. Die Filme des DCEU dagegen (primär „Man of Steel“ und „Batman v Superman“) haben ein weitaus schwierigeres Verhältnis zu den entsprechenden Quellen. Sie versuchen dabei etwas ähnliches zu bewerkstelligen wie die Dark-Knight-Trilogie, zäumen das Pferd aber von der falschen Seite her auf. Einerseits haben Goyer, Snyder und der am Drehbuch von „Batman v Superman“ beteiligte Chris Terrio keine Probleme damit, Figurencharakterisierung und sonstige Gegebenheiten im Vergleich zur Vorlage radikal zu verändern, aber andererseits wird die Vorlagenkenntnis dennoch fast schon vorausgesetzt. Eines der besten Beispiel ist Zods Tod am Ende von „Man of Steel“: Dieser wird als essentieller Moment in Supermans Entwicklung inszeniert, der Mann aus Stahl schreit klagend auf, als er seinem Widersacher den Hals umdreht. Man fragt sich, weshalb. Natürlich, der Superman, den man aus den Comics kennt, ist ein Held traditioneller Prägung mit Aversion gegen das Töten. Für die in „Man of Steel“ auftauchende Version der Figur wurde diese Geisteshaltung jedoch nie etabliert. Der Film verlässt sich darauf, dass der Zuschauer mit Superman vertraut genug ist, um von selbst darauf zu kommen. Aber wieso sollte bei all den radikalen Veränderungen, denen Superman in diesem Film unterworfen wurde, gerade der moralische Kompass identisch mit dem des „normalen“ Superman sein? Die Zerstörung, die er in Smallville und Metropolis anrichtet, während er gegen Zod und dessen Handlanger kämpft, scheint ihn kaum zu tangieren.

Mit Batman verhält es sich kaum besser. „Batman v Superman“ vertraut quasi darauf, dass man als Zuschauer zumindest mit Nolans Interpretation der Figur vertraut ist, sodass man eine Entwicklung zu einem extremeren Batman wahrnimmt. Snyder, Goyer und Terrio etablieren allerdings kaum, was den Batman dieses Films eigentlich ausmacht. Eher nebenbei wird angedeutet, Batman gehe nun härter gegen Kriminelle vor, aber was genau das bedeutet, wird nicht klar. Hat dieser Batman schon früher Kriminelle links und rechts in die Luft gejagt? Hat er jemals auf menschliches Leben Rücksicht genommen?

Unter dieser merkwürdigen Spaltung leidet sogar der titelgebende Konflikt des Films. Auch hier vertraut man darauf, dass Batman und Superman als ideologische Gegensätze wahrgenommen werden. Weil aber Snyder Superman konstant fast genauso interpretiert wie Batman, kommen beide letztendlich nur als arrogante Egomanen rüber. Einer der zentralen thematischen Konflikte, die bereits in „Man of Steel“ etablierten wurden, ist der Gegensatz zwischen Altruismus und Objektivismus. Ist Superman wegen seiner Kräfte verpflichtet, Menschen zu helfen? Gemäß dem von Ayn Rand (bekannte für Romane wie „Atlas Shrugged“ oder „The Founainhead“ sowie den anhaltenden Einfluss auf konservative und libertäre Strömungen, speziell in den USA) geprägtem Objektivismus ist er das nicht; dieser Philosophie zufolge ist niemand moralisch dazu verpflichtet, irgendjemandem zu helfen, da das höchste moralische Ziel das eigene Wohlergehen ist – Rand erhebt den Egoismus zur Tugend. Nun ist es nicht zwingend neu, dass Rand’sche Einflüsse ihren Weg in einen Konflikt zwischen Batman und Superman finden. Schon Batman in Frank Millers „The Dark Knight Returns“ zeigte, dass er durchaus vom Objektivismus geprägt ist. Superman ist hier allerdings sehr eindeutig als moralischer Gegenentwurf konzipiert. In „Batman v Superman“ sind sich beide Helden dagegen schlicht zu ähnlich, als dass der Konflikt zwischen ihnen tatsächlich funktionieren würde. Letztendlich geht es nicht um philosophische Gegensätze, auch nicht darum, was richtig oder falsch ist, es geht nur um die Egos der beiden Titelhelden. Batman fühlt sich durch Supermans Übermacht bedroht, während sich Superman letztendlich nur um einige wenige Menschen (Lois, seine Mutter) schert – man fragt sich, weshalb er überhaupt hin und wieder andere Menschen rettet. Am Ende werden die aufgeworfenen Fragen ohnehin nicht gelöst, noch nicht einmal bearbeitet; nachdem Batman herausfindet, dass seine und Supermans Mutter denselben Namen haben, sind sie plötzlich die besten Freunde. Gerade bei Superman führt der Einfluss von Ayn Rands Werken zu einer merkwürdigen Persönlichkeitsspaltung: Einerseits wird Superman überdeutlich als Jesus-Metapher inszeniert und soll von seinem Vermächtnis aus den Comics und vorherigen Adaptionen profitieren, in denen er der Inbegriff des Altruismus ist, andererseits ist seine Weltsicht vom Objektivismus geprägt.

Korrekturversuche
Die verbliebenen drei Filme des DCEU können im Großen und Ganzen als Reaktion auf die Rezeption von „Batman v Superman“ betrachtete werden. Von einer kleinen Gruppe lautstarker Fans, die der Meinung sind, genau so müsse ein DC-Film sein, einmal abgesehen, war die Reaktion bekanntermaßen äußerst negativ. „Batman v Superman“ ist, was im Fandom gerne mit Phrasen wie „grim dark“ oder, um den TV-Tropes-Jargon zu bemühne, „darkness induced audience apathy“ beschrieben wird. Als Korrekturversuch funktioniert „Wonder Woman“ noch am besten, da die von Gal Gadot dargestellte Amazone das Element des Films war, das mit Abstand am Besten aufgenommen wurde – mit „Wonder Woman“ hat Warner dem Publikum nicht nur mehr von dem gegeben, was es wollte, das Studio ließ Patty Jenkins auch verhältnismäßig freie Hand und ermöglichte es sogar, den Film vom DCEU losgelöst zu genießen. Mehr noch, „Wonder Woman“ gelingt es, einen eigenen Ton zu etablieren, der vom Zynismus der Snyder-Filme weit entfernt ist, sich aber nicht der MCU-Formel bedient und trotz allem gerade noch so im selben Universum spielen kann wie „Batman v Superman“. All das lässt sich über „Suicide Squad“ leider nicht sagen.

David Ayers „Suicide Squad“ ist ein wunderschönes Beispiel für den panischen Versuch eines Studios, einen Film zu retten; hier wurden genau die Fehler begangen, die „Wonder Woman“ später erfreulicherweise vermeiden konnte. Mit „Suicide Squad“ versuchte das Studio, ein DC-Gegenstück zu Marvels „Guardians of the Galaxy“ zu schaffen, was sich schon allein an der Art und Weise zeigt, wie populäre Songs im Film untergebracht wurden. Doch wo die Musikplatzierung in „Guardians“ wirklich Teil der Narrative, wirkt sie in „Suicide Squad“ bestenfalls plakativ und amateurhaft. Viel schwerer wiegt jedoch der Umstand, dass das Schurken-Team, gerade im Vergleich zu Batman und Superman, wie sie in Snyders Filmen präsentiert werden, zahnlos und zu gutmütig daherkommt – eben eher wie die Guardians denn eine tatsächlich aus Superschurken bestehende Gruppe. Hinzu kommen eine völlig banale Schurkin, eine fürchterliche narrative Struktur und Voilá, fertig ist der Totalausfall.

Mit „Justice League“ hat Warner dann endgültig das ins Kino gebracht, was alle befürchteten: Einen Abklatsch von „The Avengers“. Die Hintergründe um Zack Snyders Ausstieg nach dem Trauerfall in der Familie, Joss Whedons Übernahme und das Verlangen der Snyder-Fans nach einem ursprünglichen Cut, der vielleicht oder auch nicht existiert, je nach dem, wen man fragt, sollte ja nur allzu bekannt sein. Auch von Snyders ursprünglichen Plänen für die Liga schwirren durch’s Internet, denen zufolge die Mitglieder der Justice League alle psychisch und mental völlig kaputt sein sollten – man könnte fast meinen, Snyder hätte noch einmal „Watchmen“ drehen wollen. Wie dem auch sei, die fertige Version von „Justice League“ ist in erster Linie belanglos, eine mindere Version der Avengers, bedingt durch den panischen Versuch der Kurskorrektur Warners. Man merkt, dass das Studio gerade bei Batman und Superman versucht, die traditionelle Charakterisierung aus den Comics umzusetzen, aber wenn man das einerseits nur mithilfe von Nachdrehs tut und es andererseits gravierende Löcher zwischen diesem und den vorhergegangenen Filmen gibt, funktioniert das einfach nicht.

Quo Vadis, DCEU?

Wie bereits am Anfang erwähnt scheint Warner vom Konzept „Shared Universe“ wieder abzuweichen. Formal setzen „Wonder Woman: 1984“ und „Aquaman“ das DCEU fort, werden sich aber auf den jeweiligen Titelhelden konzentrieren und das größere DC-Universum außen vorlassen, zumindest nach dem, was man so hört. „Shazam“, dessen Trailer ebenfalls auf der San-Diego-Comic-Con vorgestellt wurde, scheint interessanterweise ebenfalls im DCEU zu spielen, obwohl das tonal noch weniger passt als „Justice League“ und die Grenze zur Selbstparodie überschreitet.

Justice League – Soundtrack

Spoiler!
jls
Track Listing:

01. Everybody Knows (written by Leonard Cohen and Sharon Robinson, performed by Sigrid)
02. The Justice League Theme – Logos
03. Hero’s Theme
04. Batman on the Roof
05. Enter Cyborg
06. Wonder Woman Rescue
07. Hippolyta’s Arrow
08. The Story of Steppenwolf
09. The Amazon Mother Box
10. Cyborg Meets Diana
11. Aquaman in Atlantis
12. Then There Were Three
13. The Tunnel Fight
14. The World Needs Superman
15. Spark of The Flash
16. Friends and Foes
17. Justice League United
18. Home
19. Bruce and Diana
20. The Final Battle
21. A New Hope
22. Anti-Hero’s Theme
23. Come Together (written by John Lennon and Paul McCartney, performed by Gary 24. Clark Jr. and Junkie XL)
25. Icky Thump (written by Jack White, performed by The White Stripes)
26. The Tunnel Fight (Full Length)
27. The Final Battle (Full Length)
28. Mother Russia

Ursprünglich war „Justice League“ ein Score, für den ich schwarzsah. Zwar kündigte Hans Zimmer nach „Batman v Superman: Dawn of Justice“ an, von nun an keine Superheldenmusik mehr schreiben zu wollen, aber da sein Schüler Tom Holkenborg alias Junkie XL übernehmen sollte, galt es für mich als sicher, dass der von mir gehasste Stil der beiden Snyder-DC-Film bleiben würdem. Dann kam Joss Whedon, um den Film fertigzustellen, und er brachte Danny Elfman mit, der ihm schon bei „Avengers: Age of Ultron“ ausgeholfen hatte und nun abermals in recht kurzer Zeit die Musik für ein Superheldenteam komponierte.

Während die Zimmer/Holkenborg-Scores zu „Man of Steel“ und „Batman v Superman“ beim vielen Filmmusikfans überhaupt nicht gut ankamen, gibt es eine ganze Reihe von (zumeist jüngeren) Fans der DCEU-Filme, für die auch diese Scores das Nonplusultra darstellen, und selbst unter denen, die Snyders Schaffen ablehnen, gibt es viele, für die zumindest die Musik ein positiver Aspekt dieses Franchise ist. Meine eigene, weit negativere Meinung werde ich an dieser Stelle nicht noch einmal wiederholen, da ich sie schon genügend an anderer Stelle kundgetan habe.

Elfmans erster DC-Score seit „Batmans Rückkehr“ ist jedenfalls ein ziemlich krasser Stilbruch, da er die Methodologie von Zimmers Superheldenmusik ebenso vehement ablehnt wie ich und das auch ziemlich deutlich kundtut. Zugegebenermaßen wirkt er dabei mitunter eine Spur arrogant; gerade seiner Aussage, es gäbe nur ein Batman-Thema, kann ich nicht wirklich zustimmen, da ich das von Shirley Walker geschriebene Leitmotiv aus „Batman: The Animated Series“ Elfmans Komposition vorziehe. Man muss allerdings hinzufügen, dass es auch diverse Zimmer-Interviews gibt, in denen er sich nicht gerade mit Ruhm bekleckert – ohne ein gewisses Ego kommt wohl einfach nicht so weit wie diese beiden Komponisten.

Elfmans Ansatz für „Justice League“ hat unter den Fans der DCEU-Scores viel Kritik hervorgerufen, die ich auf formaler Ebene sehr gut nachvollziehen kann. Als Fan leitmotivischer Kontinuität hat es mich schon oft genug aufgeregt, wenn ein Komponist das zuvor Etablierte ignoriert. In diesem Fall finde ich das zuvor Etablierte allerdings ziemlich unterirdisch. Zudem verwirft Elfman nicht alles, ein paar musikalische Verknüpfungen gibt es. Die dominanteste ist das Wonder-Woman-Thema, das in dem Track Wonder Woman Rescue mehrfach auftaucht, im restlichen Score aber bestenfalls hin und wieder subtil angedeutet wird. Anders als Rupert Gregson-Williams, der besagtes Motiv aus „Batman v Superman“ meistens ohne große Änderungen übernahm, macht sich Elfman das Thema zu Eigen und zeigt keine Hemmungen, die Instrumentierung zu verändern. Statt des elektrischen Cellos wird das Thema von gewöhnlichen Streichern und Blechbläsern gespielt, wobei eine E-Gitarre immer mal wieder in der Begleitung mitmischt. Im Film selbst ist darüber hinaus auch Zimmers Krypton-Thema, das die Basis für alle Superman-bezogenen Motive bildet, in der Szene zu hören, in der die Liga das kryptonische Schiff betritt. Dabei handelt es sich allerdings nicht um eine neue Version, sondern um eine Einspielung aus dem Score von „Man of Steel“. Hin und wieder könnte man darüber hinaus meinen, Elfman greife das eine oder andere musikalische Konstrukt aus den Soundtracks der Vorgänger auf. Sowohl in Hero’s Theme (ab der Dreiminutenmarke) als auch in The Amazon Mother Box (direkt am Anfang) meint man, die repetitiven Motive herauszuhören, die die Action- und Suspense-Musik von „Man of Steel“ und „Batman v Superman“ dominierten.

Trotz des einen oder anderen Zugeständnisses an die Zimmer-Methodologie – tiefere Bässe, die eine oder andere elektronische Spielerei – ist der Justice-League-Score doch klassische Orchesterarbeit. Elfman kehrt dafür allerdings bis auf wenige Ausnahmen nicht zum opernhaften Pathos seiner beiden Batman-Scores zurück, sondern bedient sich seines moderneren Stils für Action-Filme, den er bereits erfolgreich in Scores wie „Wanted“, „Hellboy II: Die goldene Armee“, „Alice Through the Looking Glass“ und natürlich „Avengers: Age of Ultron“ einsetzte. Besonders Letzterer kam bei vielen nicht gut an, was ich nicht wirklich nachvollziehen kann. Zwar wurde der Score im Film nicht besonders gut abgemischt, weshalb er in den Soundeffekten unterging (ein Problem, das auch „Justice League“ hat), und zu allem Überfluss wurde die Musik auch noch verhackstückt, aber die Kompositionen selbst fand ich exzellent und habe somit kein Problem damit, dass Elfman diesen Stil für die Justice League wieder aufgreift.

Und noch etwas andere greift Elfman auf: Statt sich der von Zimmer und Holkenborg etablierten Themen für Batman und Superman zu bedienen, verwendet Elfman hier die klassischen Themen der Figuren, nämlich sein eigenes Batman-Thema von 1989 und das Superman-Thema von John Williams aus dem Jahr 1978. Eine durchaus interessante Vorgehensweise, da bei Reboots normalerweise musikalische Bezüge zu früheren Inkarnationen völlig fehlen, wenn es sich nicht gerade um James Bond handelt. Ich habe an den Scores von „Man of Steel“ und „Batman v Superman“ auch nie kritisiert, dass sie sich nicht der klassischen Themen bedienen, sondern dass sie keine adäquaten neuen Leitmotive liefern, die die Figuren angemessen repräsentieren. Wie dem auch sei, Elfman beschränkt sich nicht darauf, die Themen einfach nur zu zitieren, er arbeitet sie kunstvoll in den Score ein, und das auf äußerst moderne Weise. Es lässt sich nicht leugnen: In der modernen Filmmusiklandschaft sind ausschweifende Statements von Themen mit langen Melodielinien selten geworden. Die digitale Schnitttechnik erlaubt es, Filme buchstäblich bis zur letzten Sekunde zu schneiden, wovon Filmemacher nur allzu gerne Gebrauch machen. Nun kann man meistens nicht bei jedem dieser Last-Minute-Umschnitte noch einmal den Komponisten samt Orchester einbestellen, damit er den Score anpasst – aus diesem Grund sind die knapperen Motive und der weniger komplexe, repetitive Stile von Remote Control so populär geworden, weil Regisseure und Cutter Musik dieser Art viel leichter bearbeiten können als ein Konstrukt, das in sich zusammenfällt, wenn man auch nur ein paar Noten herauskürzt. Lange Rede, kurzer Sinn: In „Justice League“ setzt Elfman die beiden ikonischen Themen sehr motivisch und fragmentiert ein, keines bekommt ein ausführliches Statement, jeder Einsatz ist bestenfalls ein paar Sekunden lang.

Supermans Thema taucht beispielsweise lediglich in zwei Tracks auf: Friends and Foes und The Final Battle. Friends and Foes untermalt Supermans Kampf gegen seine Kameraden, als er kurz nach seiner Auferstehung noch nicht ganz zurechnungsfähig ist. Bedrohliche Fragmente der Melodie durchziehen von Anfang an das gesamte Stück, am deutlichsten ist es jedoch bei 2:18 zu hören. Die Variation in The Final Battle (2:47, kurze Fassung) ist zwar ebenfalls nur ein knappes Fragment, dafür aber eindeutig heroisch.

Sein eigenes Thema für Batman setzt Elfman da weitaus großzügiger ein, aber auch dieses ikonische Leitmotiv bleibt fragmentarisch. Wie ich schon im Vorfeld vermutet hatte, bedient sich Elfman primär des aus fünf bzw. sechs Noten bestehenden Kernmotivs. Erste Andeutungen sind in Batman on the Roof zu hören. Hier kehrt Elfman bezüglich Stil und Instrumentierung zum Tonfall seiner Batman-Scores zurück, vermeidet es aber, das Thema eindeutig zu zitieren, stattdessen tänzelt er gewissermaßen um es herum. Einer der deutlichsten Einsätze findet sich in Then There Were Three, was auch angemessen ist, schließlich befinden wir uns in Gesellschaft Comissioner Gordons und des Bat-Signals. Die meisten anderen Einsätze tauchen mehr oder weniger subtil in den beiden massiven Action-Tracks The Tunnel Fight und The Final Battle auf, denen ich mich später noch einmal ausführlicher widmen werde. In Letzterem ist sogar einmal, wenn auch nur kurz, der tatsächliche Batman-Marsch zu hören (bei 1:14, kurze Fassung) – leider geht er im Film im Dröhnen des Batmobils unter.

Insgesamt funktioniert die Verwendung dieser klassischen Themen hier fast besser, als ich erwartet hätte; sowohl Elfmans als auch Williams‘ Thema erweisen sich als äußerst zeitlos und wissen auch noch nach Jahrzehnten in neuem Kontext zu überzeugen. Gerade bei Superman passt es ziemlich gut, da der Mann aus Stahl in diesem Film kaum mehr etwas mit dem brütenden Möchtegern-Batman der letzten beiden Filme gemein hat – hier gibt es den klassischen Superman.

Kommen wir nun zu den neuen Themen, die Elfman komponiert hat – und davon gibt es eine ganze Reihe. Jedes Mitglied der Liga erhält zumindest ein mehr oder weniger ausgearbeitetes Motiv, und darüber hinaus finden sich auch noch Themen für Steppenwolf, Lois und Clark, die Liga als Ganzes und das Konzept des Heldentums. Beginnen wir mit Letzterem, welches primär in Hero’s Theme zu hören ist. Bei diesem Track handelt es sich um eine Suite, die zu keiner spezifischen Szene gehört – hier gibt es noch am ehesten eine gewisse Vermischung der Stile von Zimmer/Holkenborg und Elfman; recht viel Bass, tiefe Streicher etc. In diesem Track tauchen bereits diverse, zum Teil extrem subtile Anspielungen an die individuellen Identitäten der einzelnen Helden auf. Interessanterweise findet man das eigentliche Thema, das in dieser Suite vorgestellt wird, im Score ziemlich selten, primär in beiden großen Action Tracks The Tunnel Fight und The Final Battle, wo es genutzt wird, um individuelle heroische Anstrengungen zu untermalen.

Das Thema für die Liga ist ein anderes, zum ersten Mal zu hören ist es in The Justice League Theme – Logos. Als Thema für die Liga ist es insgesamt in Ordnung, ein traditionelles heroisches Thema, das allerdings keines ist, das bei vielen lange im Gedächtnis bleiben wird. Eine gewisse Verwandtschaft zum Thema der Avengers, vor allem natürlich Danny Elfmans Hybrid-Version, lässt sich nicht leugnen. Ich bin schon ein wenig enttäuscht, dass dieses Thema nicht etwas hervorstechender und individueller geworden ist, aber dann höre ich mir auf Youtube das an, was Holkenborg angeblich bereits für „Justice League“ komponiert hat (es klingt zumindest passend) und erfreue mich plötzlich wieder an ihm. Zwar ist es nicht besonders markant, erweist sich aber als sehr formbar und macht sich in den bereits erwähnten Action-Tracks, in denen es Teamworkmomente untermalt, äußerst gut. Weitere Solomomente erhält es in Justice League United und A New Hope.

Die Themen für die einzelnen Ligisten werden jeweils in den Tracks der ersten Hälfte des Albums vorgestellt, die ihren Namen tragen. Enter Cyborg führt Victor Stones eher tragisch anmutendes Thema ein, zuerst auf dem Klavier, später mit Streichern. Cyborg Meets Diana baut auf diesem Fundament auf und lässt Cyborgs Thema sogar mit einer extrem subtilen Variation des Wonder-Woman-Motivs interagieren (2:18). Eine heroische Variante ist in The Final Battle bei 3:25 (kurze Version) zu hören. Aquamans Thema taucht in Aquaman in Atlantis zum ersten Mal auf und durchzieht in seiner dekonstruierten Form den gesamten Track. Ein eindeutigeres Statement findet sich beispielsweise in The Tunnel Fight bei 5:18 (kurze Version).

Flashs Thema war für mich von drei neuen Solo-Themen am leichtesten zu identifizieren, weil seine Einsätze im Film sehr deutlich sind; wann immer sich Flash in die Speed-Force versenkt und alles um ihn herum sich in Zeitlupe bewegt, erklingt sein Motiv, ein von hohen Streichern gespieltes Ostinato, punktiert von einzelnen, tiefen Blechbläsernoten. Sehr deutlich ist dieses Thema in Spark of the Flash zu vernehmen (ab 1:38), ebenso wie in The Tunnel Fight (3:37, kurze Version) und Friends and Foes (1:42). Wegen seiner repetitiven Natur ist Flashs Thema interessanterweise auch das neue Thema, das am ehesten so klingt, als hätte es durchaus auch von Zimmer oder Holkenborg kommen können – wobei die Instrumentierung natürlich trotzdem Elfmans Handschrift trägt.

Das Lois/Clark-Thema ist eine klassisch-romantische Streichermelodie mit Klavierakzenten, die am Ende von Friends and Foes debütiert und in Home ausführlich behandelt wird. Und schließlich hätten wir da noch Steppenwolfs Thema, eine bedrohliches Chor- und Blechbläser-Motiv, das besonders in The Story of Steppenwolf und The Amazon Mother Box dominant ist, aber auch in The Tunnel Fight und The Final Battle immer wieder auftaucht.

Insgesamt ist „Justice League“ leider nicht ganz das Meisterwerk, das ich mir zumindest heimlich erhofft habe, zu schwach ist dafür das Hauptthema, und trotz meiner Abneigung gegen die bisherigen DCEU-Motive hätte ich es gerne gesehen, wenn Elfman sie in noch größerem Ausmaß integriert hätte; nicht nur aus Kontinuitätsgründen, sondern auch, weil ich gerne gehört hätte, wie Elfman sie sich zu Eigen macht, so, wie er es beim Thema von Wonder Woman getan hat. Ein Hybrid aus dem Batman-Thema von ’89 und dem Holkenborg-Rhythmus oder die Superman-Themen von Williams und Zimmer im Kontrapunkt wären interessant gewesen. Die größte Stärke des Scores gleicht diese kleinen Mängel allerdings mühelos aus: Die Actionmusik, die Elfman hier liefert, ist schlicht phänomenal – in den bisherigen DCEU-Scores gibt es nichts, das damit auch nur ansatzweise vergleichbar wäre. Anstatt alles in sinnlosem elektronischen Dröhnen und tumbem Getrommel zu ertränken, komponierte er zugleich filigrane und bombastische Stücke, unglaublich detailverliebt, kreativ, komplex und leitmotivisch wunderbar ausgearbeitet. Abermals verweise ich auf die Action-Tracks The Tunnel Fight und The Final Battle, die jeweils in einer langen und einer kurzen Version vorliegen, was zumindest bei Ersterem relativ unnötig ist. Bei The Final Battle gibt es einen kleinen, aber doch signifikanten Unterschied; der heroische Einsatz von Supermans Thema findet sich lediglich in der kurzen Version. Wie dem auch sei, in diesen Tracks lässt Elfman die verschiedenen Themen und Motive fließend ineinander übergehen, unterlegt das Batman-Thema mit dem Rhythmus des Wonder-Woman-Motivs oder lässt Steppenwolfs Thema gegen die heroischen Leitmotive antreten. Diese beiden Tracks allein sind den Preis des Albums wert und gehören zweifellos zu den besten des Jahres – genau SO sollte Superheldenmusik klingen.

Fazit: Danny Elfmans „Justice League“ ist primär ein Score für Filmmusikfans, die die subtilen kleinen Nuancen und die aufwendige Orchesterarbeit zu schätzen wissen. Als solcher ist er zwar nicht frei von Schwächen (etwas schwaches Hauptthema, mehr Kontinuität zu bisherigen Scores wäre nett gewesen), aber diese fallen letztendlich kaum ins Gewicht. „Justice League“ ist ein ausgezeichneter Superhelden-Score und der mit Abstand bislang beste Soundtrack des DCEU.

Bildquelle

Siehe auch:
Justice League – Ausführliche Rezension
Man of Steel – Soundtrack
Batman v Superman: Dawn of Justice – Soundtrack
Wonder Woman – Soundtrack
Avengers – Age of Ultron – Soundtrack