Hellbound Hearts

Halloween 2016
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Es ist kein Geheimnis, dass Clive Barker von der filmischen Fortführung des von ihm geschaffenen Hellraiser-Franchise nicht allzu begeistert ist. Nachdem er beim ersten Film Regie führte, die Story des zweiten Films mitverfasste und bei den Teilen 3 und 4 immerhin noch marginalen Input lieferte, war seine Beteiligung an den folgenden Sequels, die allesamt direkt auf DVD erschienen, nicht mehr existent. Die wahre Fortführung des Franchise findet für Barker in gedruckter Form statt. Nachdem sich die Hellraiser-Filme als großer Erfolg erwiesen, wurde die Mythologie um Puzzlebox und Cenobiten schon bald in Form von Comics weiterentwickelt, die oftmals kreativer und interessanter waren als die filmischen Fortsetzungen. 2009 erschien schließlich auch neue Hellraiser-Prosa in Form der Kurzgeschichtensammlung „Hellbound Hearts“, herausgegeben von Paul Kane und Marie O’Regan. Wie der Name schon aussagt, beziehen sich diese Kurzgeschichten, im Gegensatz zu den Comics, ausschließlich auf Barkers ursprüngliche Novelle „The Hellbound Heart“ und nicht auf die Filme. Im Klartext bedeutet das, dass Pinhead, wie man ihn aus den Filmen kennt, in keiner der Geschichten auftaucht. Lediglich der „Proto-Pinhead“ der Novelle hat als einer der ursprünglichen Cenobiten einen Auftritt.

Der größte Unterschied zu den Comics, die in den 90ern und 2000ern erschienen, ist der Schwerpunkt. Die Comics erforschten und erweiterten, basierend auf den Filmen, die Hellraiser-Mythologie, erklärten das Labyrinth, Leviathan, die Funktion der Cenobiten etc. Die in „Hellbound Hearts“ versammelten Kurzgeschichten setzen sich dagegen eher mit der Hellraiser-Thematik auseinander. Zwar tauchen der nur allzu bekannte Lemarchand-Würfel und die Cenobiten durchaus in einigen der Erzählungen auf, andere dagegen knüpfen eher an Barkers Motive an: Schmerz und Lust, die Faszination von Puzzeln und Rätsel, die Tore zur Hölle öffnen etc. Zu diesem Zweck haben die Herausgeber einige durchaus namhafte Autoren versammelt, darunter Peter Atkins, der die Drehbücher der Hellraiser-Filme 2 bis 4 verfasste, Tim Lebbon, ein Autor des SW-EU, Barbie Wilde, die in „Hellbound: Hellraiser II“ den „Female Cenobite“ verkörperte und seither auch als Horror-Autorin von sich reden machte, sowie Neil Gaiman, der zusammen mit Dave McKean einen graphischen Beitrag lieferte, der leider auf dem Papier der Taschenbuchausgabe optisch nicht besonders gut rüberkommt.

Wie schon bei Clive Barkers Novelle und den darauf basierenden Filmen sollte man auch hier mit expliziten Inhalten rechnen: Das Hellraiser-Franchise ist weder in Bezug auf Sex noch Gewalt zurückhaltend oder subtil, Schmerz und Lust als zwei Seiten derselben Münze ziehen sich als roter Faden durch die Kurzgeschichtensammlung (und durch das komplette Franchise). Es gibt jedoch die eine oder andere Geschichte, bei der man sich als Leser fragt, was sie in diesem Band verloren hat. Primär betrifft das „Bulimia“ von Richard Christian Matheson; diese Erzählung hat nicht einmal thematisch einen wirklichen Bezug zu „The Hellbound Heart“ und wirkt fehl am Platz. Auch „‘tis Pity he’s Ashore“ (Chaz Brenchley) hat bestenfalls marginal etwas mit Barker zu tun und hinterlässt als letzte Geschichte des Bandes keinen guten Eindruck. Als Finale hätte sich die vorletzte Geschichte, „However…“ von Gary A. Braunbeck und Lucy A. Snyder weitaus besser geeignet, da es sich dabei um eine klassische Hellraiser-Geschichte mit nettem Twist handelt. Ebenfalls durchaus gelungen sind die thematisch ähnlichen Geschichten „The Confessor’s Tale“ (Sara Pinborough) und „Our Lord of Quarters“ (Simon Clark), die eine historische Herangehensweise wählen und von dämonischen Vorkommnissen in der Vergangenheit erzählen.

Einige der Geschichten, etwa „A Little Piece of Hell“ (Steve Niles), „The Promise“ (Nancy Kilpatrick) oder die bereits erwähnte „However…“ bewegen sich inhaltlich näher an Barker und thematisieren ein Zusammentreffen mit den Cenobiten, versuchen dem Konzept aber, mit mal mehr, mal weniger großem Erfolg, einen Twist abzugewinnen. Zu den Geschichten, die sich eher mit der Thematik von „The Hellbound Heart“ auseinandersetzen, gehören u.a. Tim Lebbons „Every Wrong Turn“ und Neil Gaimans „Wordworth“, die beide sehr gelungen sind und Hellraiser-Feelinge wecken, ohne sich der spezifischen Elemente des Franchise zu bedienen. Ein weiteres Highlight findet sich in Barbie Wildes „Sister Cilice“, die vom (leicht verstörenden) Werdegang eines Cenobiten erzählt.

Fazit: Obwohl nicht alle Geschichten gelungen sind, lohnt sich die Anschaffung von „The Hellbound Heart“ für den Hellraiser-Fan durchaus; es gibt genug Erzählungen, die die Thematik von Clive Barkers „The Hellbound Heart“ auf gelungene Weise fortsetzen – auch ohne Pinhead.

Siehe auch:
Hellraiser
Pinhead
The Scarlet Gospels