Lovecrafts Vermächtnis: Necronomicon – The Wanderings of Alhazred

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Fiktive legendäre Bücher haben die Tendenz, irgendwann Realität zu werden, sei es „Das Buch Nod“ aus dem Pen&Paper-Rollenspiel „Vampire: The Masquerade“, das als Quellenband bzw. Requisit Anfang der 90er erschien (von diversen Nachfolgewerken wie den „Offenbarungen der dunklen Mutter“ gar nicht erst zu sprechen) oder „Der König in Gelb“ aus Robert W. Chambers gleichnamiger Kurzgeschichtensammlung (der Autor Thomas Ryng hat sich daran gemacht, das Theaterstück zu schreiben; es kann erworben werden). Für das Necronomicon gilt das mehr als für jedes andere dieser real gewordenen Werke, nicht zuletzt, weil genug Leser dachten, beim von H. P. Lovecraft erfundenen Grimoire handle es sich um ein tatsächliches schwarzmagisches Werk. Lovecraft betonte mehrmals, dass das Necronomicon ausschließlich seiner Fantasie entstamme, was dieser Einstellung allerdings kaum einen Dämpfer verpasste. Anders als bei den oben erwähnten Werken finden sich Bücher, die von sich behaupten, das „echte“ Necronomicon zu sein. Die markantesten sind das sog. Simon-Necronomicon sowie das „Buch der toten Namen“ – über die Glaubwürdigkeit dieser beiden Machwerke bzw. den Mangel derselbigen habe ich mich in einem Artikel bereits ausgiebig geäußert.

Lovecraft selbst spielte durchaus mit dem Gedanken, das Necronomicon zu verfassen, verwarf diese Idee allerdings schnell wieder. Dafür hatte er zwei Gründe. Der erste ist sehr praktischer Natur: In „The Dunwich Horror“ zitiert Lovecraft eine kurze Passage aus dem Grimoire, die von Seite 751 stammt – demzufolge müsste es wohl mindestens um die 800 Seiten haben, was ihm als Unterfangen deutlich zu aufwendig war. Der zweite hängt mit der erzählerischen Wirkung zusammen: Über ein Buch zu schreiben, das den Leser in den Wahnsinn treiben kann, ist eine Sache, aber selbst ein solches Werk zu verfassen noch einmal eine ganz andere. Lovecraft fürchtete, dass das Ergebnis nur enttäuschen könne. Was sich ein Leser in seiner Fantasie ausmalt, ist letztendlich meistens stärker als das, was er schwarz auf weiß gedruckt vorfindet. Ein Autor hat diese Aufgabe allerdings auf sich genommen: Donald Tyson.

Bei Tyson handelt es sich um einen kanadischen Schriftsteller, der sich durchaus ernsthaft mit Okkultismus, Magick und ähnlichen Formen der Spiritualität beschäftigt – Dingen also, die der Skeptiker Lovecraft mit Sicherheit abgelehnt hätte (und ich muss zugeben, ich bin da durchaus geneigt, ihm zuzustimmen). Tatsächlich hat Tyson bereits mehrere Veröffentlichungen in diesem Bereich vorzuweisen. „Necronomicon – The Wanderings of Alhazred“ behauptet allerdings, anders als das Simon-Necronomicon oder das „Buch der toten Namen“, nicht von sich, das echte Werk zu sein, sondern ist ganz offensichtlich Fiktion. Darüber hinaus hat sich Tyson, anders als die Autoren der beiden oben genannten Werke, tatsächlich intensiv mit Lovecrafts Werk beschäftigt, denn seine Version repräsentiert den tatsächlichen „Lovecraft-Mythos“, um S. T. Joshis Bezeichnung zu verwenden, und nicht den „Derleth-Mythos“, wie es bei den anderen beiden Werken der Fall ist.

Ansonsten lässt sich Tysons Necronomicon am ehesten als Reiseführer bzw. Reisebericht durch den Mythos beschreiben – der Untertitel „The Wanderings of Alhazred“ ist also durchaus gerechtfertigt. Im Grunde berichtet Abdul Alhazred, besagter legendärer Autor des Necronomicons, von seinen Reisen, zum Teil zu realen Orten, zum Teil zu diversen Mythos-Schauplätzen wie R’yleh oder dem Plateau von Leng. Man darf hier allerdings keinen wirklich durchgehenden Handlungsstrang erwarten, auch ein Spannungsbogen fehlt völlig. Ein wirklicher Roman ist es nicht, aber ebenso wenig handelt es sich um ein fiktives Grimoire, auch wenn Tyson hin und wieder diverse Siegel zeigt oder Rituale erwähnt. Hier besteht durchaus die Möglichkeit, dass er „echte“ okkulte Inhalte integriert hat – um das zu bewerten fehlt es mir in diesem Bereich an Expertise.

Immerhin, die Lovecraft’schen Inhalte stimmen soweit und decken sich mit den Inhalten von HPLs Geschichten – es findet sich sogar ein cleverer Seitenhieb auf die falsche Interpretation des „Derleth-Mythos“. Zwar mischt Tyson immer wieder Elemente anderer Mythologien und Glaubenssysteme ein, etwa altägyptische, jüdische oder christliche, aber er bedient sich tatsächlich ausschließlich des „Lovecraft-Mythos“. Populäre Hinzufügungen des „Cthulhu-Mythos“ von anderen Autoren wie etwa Tsathoggua (von Clark Ashton Smith), Hastur/der König in Gelb (von Robert W. Chambers bzw. August Derleth) oder Glaaki (von Ramsay Campbell), finden keine Erwähnung. Die üblichen Lovecraft-Verdächtigen, von Dagon über Cthulhu bis hin zu Azathoth, sind allerdings prominent vertreten.

Obwohl Tysons Versuch, das Necronomicon zu konstruieren, deutlich besser gelungen ist, als es bei den beiden anderen der Fall war, bewahrheitet sich doch letztendlich Lovecrafts Befürchtung: Für ein mystisches Werk, das den Leser ob seiner Enthüllungen und Grauen in den Wahnsinn treibt, ist „Necronomicon: The Wanderings of Alhazred“ recht trocken. Zu deskriptiv fällt die Sprache letzten Endes aus; von einem fiktiven Autor, der den Spitznamen „the Mad Arab“ trägt, erwartet man doch ein wenig mehr. Derartig katalogisiert funktioniert der Mythos schlicht nicht mehr so gut – das hat sich bereits bei Derleth und anderen Autoren gezeigt, die zu dem noch versuchten, die Lovecrafts Götter und Entitäten diversen Elementen zuzuordnen oder sie im Stil der griechischen und ägyptischen Götter in Stammbäumen zu sortieren. Von Derartigem sieht Tyson zwar glücklicherweise ab, aber die Wirkung ist dennoch ähnlich. Die Lektüre gleicht am ehesten der eines Quellenbandes des RPGs „Call of Cthulhu“ (hierzulande bei Pegasus unter dem Titel „Cthulhu“ erschienen) und gerade hierfür würde Tysons Werke auch sicher sehr gut als Material anbieten, sei es um weitere Necronomicon-Zitat unterzubringen oder sich für Plots zu inspirieren.

Fazit: Von den Werken, die von sich behaupten, das Necronomicon zu sein, ist Donald Tysons „Necronomicon – The Wanderings of Alhazred“, das immerhin nicht den Anspruch erhebt, authentisch zu sein, zwar mit Abstand das Gelungenste, wer aber hofft, eine gute kosmische Horrorgeschichte zu finden, wird wohl enttäuscht werden. Wer hingegen zusätzliches Material für sein Cthulhu-Rollenspiel braucht, kann bedenkenlos zugreifen.

Bildquelle

Siehe auch:
Lovecrafts Vermächtnis: Das Necronomicon
Lovecrafts Vermächtnis: Der Cthulhu-Mythos
The Rise, Fall, and Rise of the Cthulhu Mythos

Lovecrafts Vermächtnis: Cthulhu in Westeros

Na gut, der Titel dieses Artikels ist vielleicht ein bisschen reißerisch. Zwar hat sich George R. R. Martin früher auch als Horror-Autor betätigt, zum Beispiel mit dem Vampirroman „Fevre Dream“ oder der Werwolfnovelle „Skin Trade“, meines Wissens nach hat er allerdings nie eine Geschichte zum Cthulhu-Mythos beigesteuert (mit Ausnahme eines nicht ganz ernst gemeinten Eintrags auf seinem Blog, in dem er Jaime Lannister mit Cthulhu kämpfen ließ). Auch stilistisch und thematisch ist Martin weit von Lovecraft entfernt. Hier könnte ich natürlich jetzt die großen, massiven Unterschiede auffahren (Lovecraft benutzte meistens einen intradiegtischen (bzw. Ich-)Erzähler und gestaltete seine Geschichten oft als Berichte, während Martin mit einem sehr figurennahen extradiegetischen Erzähler arbeitet und sehr szenisch beschreibt), aber oftmals sind die kleinen Details weitaus interessanter. Nehmen wir die Nahrungsaufnahme: Lovecraft war bezüglich der Details ein Minimalist und schnitt meistens alles aus der Geschichte heraus, das keine unmittelbare Auswirkung auf den Handlungsverlauf hat. Nahrungsaufnahme zählt dazu; in fast keiner Lovecraft-Geschichte wird gegessen, lediglich in „The Shadow over Innsmouth“ gibt es tatsächlich einmal eine explizit erwähnte Mahlzeit. Martin dagegen beschreibt die Festmähler und Gelage der Welt von Eis und Feuer sehr ausführlich – so ausführlich, dass die Foodbloggerinnen Chelsea Monroe-Cassel und Sariann Lehrer schon vor einiger Zeit ein passendes (und sehr zu empfehlendes) Kochbuch veröffentlichten.

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Der Meersteinstuhl auf Pyke (Bildquelle)

Wer sich jedoch Martins Welt von Eis und Feuer ein wenig im Detail anschaut, wird dennoch Spuren von und Hommagen an Lovecraft darin finden, die deutlich machen, dass auch Martin ein weiterer Fan und Bewunderer des Schriftstellers aus Providence ist. Die offensichtlichste Anspielung ist der Drowned God der Iron Islands. In mancher Hinsicht gleichen die plündernden Bewohner der Iron Islands den Wikingern, mit deren Religion haben sie allerdings nur den Umstand gemein, dass ihr Gott sie dazu auffordert, in die Schlacht zu ziehen und zu plündern und zu morden. Ansonsten hat besagter Drowned God allerdings mit Odin nichts zu tun und erinnert eher an Cthulhu. Die Krakenassoziation ist durch das Wappen der Greyjoys gegeben, und dann ist da noch der Standardspruch seiner Priester: „What is dead may never die, but rises again, harder and stronger.“ Bis zum Zweizeiler aus dem Necronomicon ist es da nun wirklich nicht mehr weit: „That is not dead which can eternal lie, / And with strange aeons even death may die.“

Im Bezug auf die Gottheiten von Westeros und Essos ist das jedoch noch nicht alles: Die Idee des kosmischen Horrors ist durchaus eine, die Martin immer wieder subtil einfließen lässt. Diverse Figuren ringen mit der Idee, dass die Menschen lediglich Spielbälle der Götter sind, so diese denn existieren. Die Fähigkeiten etwa, die der Herr des Lichts verleiht, bleiben für alle, die nicht zu seinem Kult gehören, fremdartig und verstörend. Auch die Weißen Wanderer passen zu dieser Thematik, sie ebenfalls fremdartig und (zumindest bislang) jenseits des Verständnisses ihrer Feinde. Während in „Game of Thrones“ sogar zu sehen war, wie die Kinder des Waldes den ersten Wanderer erschaffen, um gegen die Ersten Menschen bestehen zu können, ist ihre Herkunft in den Romanen bislang noch völlig ungeklärt, was die Bedrohung, die von ihnen ausgeht, umso erschreckender macht.

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Die finstere Stadt Asshai (Bildquelle)

Weitere subtile Hommagen an Lovecraft und den weiteren „Cthulhu-Mythos“ finden sich vor allem in Details und Hinweisen, die primär in „The World of Ice and Fire“ aufgegriffen und vertieft werden. So gibt es auf Pyke und in Oldtown Spuren alter, vielleicht sogar vormenschlicher Zivilisationen. Die Iron Islands werden vom Meersteinstuhl aus regiert, einem mysteriösen Sitz aus öligem, schwarzem Stein, der bereits auf Pyke war, als Menschen die Insel zum ersten Mal betraten. Die Beschreibung des Gesteins erinnert ein wenig an R’yleh, die versunkene Stadt Cthulhus. In Westeros und jenseits davon gibt es noch weitere, ähnliche Monumente, etwa in Oldtown, wo sich eine merkwürdige Labyrinthfestung findet, die als Fundament des Hightower dient. Niemand weiß, was es mit diesem Labyrinth auf sich hat, aber ein Maester namens Theron, der von den Iron Islands stammt, vermutet, dass es eine Verbindung zwischen dem Meersteinstuhl und dem Labyrinth gibt und dass „Deep Ones“, Mischwesen aus Menschen und Kreaturen der Tiefe, für die Errichtung verantwortlich sein könnte. Der Lovecraft-Fan fühlt sich natürlich sofort an „The Shadow over Innsmouth“ erinnert. Weit im Osten finden sich ebenfalls Vorkommnisse dieses schwarzen Gesteins: Auf einer der Basiliskinseln existiert die Statue einer Kröte (evtl. eine Anspielung an Tsathoggua und Robert E. Howards Geschichte „The Black Stone“) und weit im Osten liegt die mysteriöse und berüchtigte Stadt Asshai, ebenfalls aus schwarzem Stein errichtet. Und schließlich wäre da noch die Dschungelstadt Yeen auf dem südlichen Kontinent Sothoryos, wo der Legende nach uralte, unverständliche Übel lauern.

Ebenfalls im Südosten liegt Leng, das beim kundigen Lovecraft-Leser sofort die Alarmglocken läuten lässt: Die Hochebene von Leng, beschrieben in Abdul Alhazreds Necronomicon, taucht in vielen Lovecraft-Geschichten auf, wird aber nie einheitlich verortet. „The Hound“ zufolge findet sich Leng in Asien, in „At the Mountains of Madness“ glaubt der Erzähler, Leng in der Antarktis gefunden zu haben und in „The Dream-Quest of Unknown Kadath“ ist Leng Teil der Traumlande. Bei Martin findet sich Leng als Insel im Süden von Essos, in dessen Ruinen früher „Old Ones“, alte, vergessene Götter gehaust haben sollen – klingt irgendwie vertraut. Und dann wäre da noch, ebenfalls in Essos, die Stadt Carcosa, die von einem „gelben Kaiser“ beherrscht wird – eine Hommage an Robert W. Chambers und seine Kurzgeschichtensammlung „The King in Yellow“.

Lovecrafts Vermächtnis:
Der Cthulhu-Mythos
Nathaniel
Dagon
Die Opferung
Das Alien-Franchise
Revival

Siehe außerdem:
The World of Ice and Fire

Der König in Gelb

Halloween 2015
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Viele Autoren, die zu Lebzeiten produktiv und erfolgreich sind, werden nach ihrem Tod oft relativ schnell vergessen. Manche haben immerhin das Glück, zumindest für ein Werk in Erinnerung zu bleiben und Spuren zu hinterlassen. Robert W. Chambers ist hierfür ein gutes Beispiel. Der 1865 geborene und 1933 gestorbene Autor verfasste über 80 Werke, die während seines Lebens sehr populär waren, doch in der Zwischenzeit erinnert man sich an Chambers vor allem wegen der Kurzgeschichtensammlung „Der König in Gelb“, und das auch nicht einmal so sehr wegen der Geschichten selbst, sondern eher wegen ihres Einflusses.

Die Sammlung enthält (zumindest in meiner Ausgabe) sieben Geschichten: „Der Wiederhersteller des guten Rufes“, „Die Maske“, „Am Hofe des Drachen“, „Das Gelbe Zeichen“, „Die Jungfer d’Ys“, „Das Paradies der Propheten“ und „Die Straße der vier Winde“. Eine Genre-Zuordnung ist nicht ganz einfach, die Geschichten haben alle ein übernatürliches Element und sind im weiteren Sinne Horror, passen aber nicht wirklich zur Schauerliteratur der Zeit („Der König in Gelb“ erschien 1895). Stattdessen besitzen einige der Kurzgeschichten, in erster Linie die ersten vier, ein Lovecraft’sches Element, das ihrer Zeit gewissermaßen voraus ist. Die restlichen Geschichten sind eher abstrakt-romantisch denn wirklich gruselig, in „Die Jungfer d’Ys“ verliebt sich der Protagonist beispielsweise in einen Geist.

„Die Wiederherstellung des guten Rufes“, „Die Maske“, „Am Hof des Drachen“ und „Das Gelbe Zeichen“ werden durch ein Element verbunden, den titelgebenden „König in Gelb“. Es handelt sich dabei um ein Theaterstück, dessen erster Akt noch recht trivial ist, während die Lektüre des zweiten Aktes, selbst wenn man nur wenige Worte liest, einen wegen der schrecklichen Wahrheiten, die er enthüllt, unweigerlich in den Wahnsinn treibt. Dies geschieht zum Beispiel mit dem Protagonisten von „Die Wiederherstellung des guten Rufes“. Mit dem Theaterstück ist eine bösartige Entität verbunden, die ihm seinen Namen gibt. Natürlich enthüllt keine der Geschichten, um welche schrecklichen Wahrheiten es sich eigentlich handelt, was es wirklich mit dem titelgebenden König auf sich hat oder worum es in dem Stück eigentlich geht – es werden nur ein paar sehr kurze Auszüge wiedergegeben, die allesamt aus dem ersten Akt stammen.

Das ruft sicher nicht nur bei mir Erinnerungen an Lovecrafts Necronomicon und seine zerstörerischen Götter hervor. Es stimmt allerdings nicht, dass Chambers den „Cthulhu-Mythos“ oder das Necronomicon inspirierte, wie manch einer behauptet – Lovecraft las „Den König in Gelb“ erstmals 1927, zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits „The Hound“, „The Festival“ und diverse andere Geschichten geschrieben, die zum Mythos gerechnet werden und in denen das Necronomicon bereits auftaucht. Dennoch war er von Chambers Geschichten fasziniert und versteckte einige Anspielungen in seinen eigenen Werken, manchmal ziemlich offensichtlich, andere subtiler. In „History of the Necronomicon“ wird beispielsweise angemerkt, dass besagtes Werk Chambers inspiriert haben könnte. Darüber hinaus tauchen diverse Elemente aus „Der König in Gelb“ in Lovecrafts Geschichten (zum Beispiel in „The Whisperer in Darkness“) auf, unter anderem die mysteriöse Stadt Carcosa, Hastur, der See von Hali oder das Gelbe Zeichen. Interessanterweise stammen die erwähnten Eigennamen nicht von Chambers selbst, dieser entlehnte sie aus einigen Kurzgeschichten von Ambrose Bierce.

Nach Lovecrafts Tod konzipierte August Derleth Lovecrafts Geschichten zum „Cthulhu-Mythos“ und integrierte Chambers‘ Werk darin: Hastur wurde zu einem der „Great Old Ones“, der König in Gelb zu einem seiner Avatare etc.; somit tauchten Elemente aus „Der König in Gelb“ nun auch kontinuierlich in den Geschichten anderer Autoren auf. Einige Autoren entdeckten allerdings auch Chambers‘ ursprüngliches Werk und versuchten, daran statt an Lovecraft und Derleth anzuknüpfen. In der Zwischenzeit sind diverse Kurzgeschichtensammlungen erschienen, die die Thematik von Chambers‘ Werk fortsetzen (zum Beispiel „The King in Yellow: An Anthology“ oder „A Season in Carcosa“), diverse Autoren haben versucht, das titelgebende Theaterstück zu „rekonstruieren“, darunter Lin Carter und Thom Ryng) und auch sonst tauchen Anspielungen immer wieder auf, etwa in den Werken von Marion Zimmer Bradley oder George R. R. Martin. Es existiert sogar ein Wiki zum „Gelben Mythos“ (siehe hier).

Letztes Jahr erhielt Chambers‘ Kurzgeschichtensammlung darüber hinaus noch einen Popularitätsschub aus ungeahnter Quelle: In der hochgelobten ersten Staffel der Anthologieserie „True Detective“ tauchen immer wieder Verweise auf den „König in Gelb“ auf, vor allem in der zweiten Episode, in der die Ermittler Rust (Matthew McConaughey) und Cole (Woody Harrelson) das Tagebuch eines ermordeten Mädchens untersuchen, das mit Verweisen und Zitaten aus Chambers Text gefüllt ist. Es finden sich im Verlauf der Serie noch diverse weitere Erwähnungen und Verweise, die dann in einem Finale kulminieren, das an einem Ort stattfindet der, wie könnte es anders sein, als Carcosa bezeichnet wird. Was „True Detective“ ohnehin interessant macht ist, dass gewisse Aspekte der Serie (bzw. der ersten Staffel) doch stark an Chambers und vor allem an Lovecraft erinnern; nicht per se das Charakterdrama, aber einige andere Elemente. Rust hätte gut als Lovecraft’scher Protagonist funktionieren können, und auch die Art und Weise, wie Atmosphäre aufgebaut wird und wie der Kult handelt erinnert an den Schriftsteller aus Providence. „True Detective“ ist natürlich nicht dem Genre „kosmischer Horror“ zuzuordnen, das Lovecraft quasi begründete, aber hin und wieder gibt es doch zumindest sehr subtile Hinweise, dass da mehr sein könnte als nur die profane Welt…

Fazit: Selbst Freunden von Lovecraft’schem Horror ist „Der König in Gelb“ vielleicht zu zahm und zu abstrakt – die Geschichten werden erst richtig interessant, wenn man ihre Wirkung kennt. Dennoch: Als Fan von Lovecraft (oder „True Detective“) sollte man Chambers‘ Werk gelesen haben.