Nach der letzten Episode, die primär als Set-up für diese fungierte, passiert in „Beyond the Wall“ wirklich etwas – wir verlassen Nebenschauplätze und werden uns der Hauptbedrohung zu. Ganz in bester GoT-Tradition bietet die vorletzte Episode dieser Staffel ordentlich Schauwerte – bleib dabei aber ziemlich uneben, da die Umsetzung der Prämisse mitunter äußerst holprig ausfällt.
Winterfell
Eine der besten Entscheidungen für diese Episode war es, den King’s-Landing-Handlungsstrang auszuschließen und sich ausschließlich auf Dragonstone und den Norden zu konzentrieren. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich tatsächlich auch den Winterfell-Subplot weggelassen. Meine Meinung bezüglich der kleinen Familienkrise zwischen Sansa und Arya hat sich nicht geändert: Das Ganze wirkt uninteressant und im Vergleich zu den anderen Ereignissen der Episode geradezu belanglos. Das erste Gespräch zwischen Sansa und Arya ist im Grunde eine etwas harschere Version des Gesprächs der vorangegangenen Episode unter Einbeziehung des gefunden Briefs. In der folgenden Szene berät sich Sansa mit Littlefinger, der dazu rät, Brienne als Vermittlerin einzusetzen. Daraus wird allerdings nichts, denn ein Brief lädt Sansa zum großen Treffen der nächsten Episode nach King’s Landing (das kommt alles ein wenig plötzlich und unvermittelt) – Sansa hat aber keine Lust zu gehen und schickt Brienne, die aber ebenfalls keine Lust hat und um Sansas Sicherheit fürchtet, aber Befehl ist Befehl. In der finalen Winterfellszene durchsucht Sansa Aryas Zimmer und findet die Gesichter, was zu einer weiteren unangenehmen Konfrontation inklusive Psychospielchen führt. Diese Szene ist dramaturgisch in meinen Augen jedoch völlig deplatziert, weil sie im Anschluss an das Scharmützel im Norden kommt – nach diesem dramatischen Höhepunkt dürfte sich kaum jemand noch für die Differenzen der Stark-Schwestern interessieren.
Jenseits der Mauer Teil 1
Strukturell hat diese Episode ähnliche Probleme wie die letzte, weshalb ich diesen Handlungsstrang in der Besprechung tatsächlich aufteile, um das Ganze etwas übersichtlicher darstellen zu können – sonst käme die Chronologie der Episode völlig durcheinander. Nun denn, gerade in diesem Teil der Episode finden sich einige Highlights, denn die Tour nach Norden wird für einige interessante Dialogmomente genutzt – Gendry, Beric und Thoros verarbeiten den Verkauf an Melisandre, Jon und Jorah diskutieren über Lord Mormonts Vermächtnis, Sandor Clegane und Tormund freunden sich an – hiervon hätte es durchaus noch mehr geben dürfen, stattdessen hätten Benioff und Weiss den Winterfell-Handlungsstrang auslassen können.

Ernster wird es, als das Grüppchen von einem untoten Bären angegriffen wird. Ganz nebenbei: Bin ich der einzige, der sich durch die Flammenschwerter von Thoros und Beric an Lichtschwerter erinnert fühlt? In diesem Kontext könnte man argumentieren, dass das ein wenig zu leicht funktioniert, aber die Erklärung im Subtext überzeugt mich und passt auch im Kontext der Romane ganz gut. Wenn Thoros von Myr früher Schwerter anzündete, musste er sie in Seefeuer tränken und danach war das Schwert unbrauchbar. Hier müssen Thros und Beric R’hllor ein wenig Blut opfern (jedes Mal, wenn sie ihre Schwerter anzünden, schneiden sie sich die Handfläche auf). Das passt ganz gut zur Thematik der durch die Drachen zurückkehrenden bzw. stärker werdenden Magie in den Romanen. Darüber hinaus ist Magie an der Mauer und jenseits davon grundsätzlich stärker, wie wir in Staffel 5 und in „A Dance with Dragons“ von Melisandre erfahren.
Schließlich stößt man auch auf menschliche Wiedergänger und es gelingt sogar, einen Weißen Wanderer zu töten und einen der Wiedergänger gefangenzunehmen – sehr geschickt, dass nur einer übrig bleibt, nachdem der Weiße Wanderer vernichtet wurde. Weniger geschickt ist der Umstand, dass das Grüppchen von der Untotenarmee auf einem gefrorenen See umstellt wird. Besagte Armee erweist sich vorerst allerdings als merkwürdig passiv, sodass Jon und Co. die Nacht auf einer kleinen Felseninsel überstehen – bis auf Thoros, der einem Bärenbiss erliegt. Nur Gendry entkommt und rennt zur Mauer zurück. Auch hier fällt es mir schwer, das Ganze plausibel zu finden, allerdings finden sich im Internet inzwischen aufwändige Berechnungen, wie schnell welcher Weg zurückgelegt werden kann – Gendrys Spurt zur Mauer scheint zumindest noch halbwegs im Bereich des Möglichen zu sein, da die Armee des Nachtkönigs ja ohnehin nicht mehr weit von Eastwatch entfernt ist. Die Geschwindigkeit, mit der der Rabe von Eastwatch allerdings Dragonstone erreicht, ist wieder eine andere Geschichte.
Dragonstone
Auf Dragonstone führen Daenerys und Tyrion wieder ihre übliche Grundsatzdiskussion und basteln an der Metapher des zu zerbrechenden Rades weiter. Unangenehmer ist die Frage nach der Thronfolge, aber es gibt ja durchaus Möglichkeiten bzw. Vorbilder aus der Realität. Wahlkönigtum, Adoption, oder sogar Demokratie? Besonders amüsant ist der Austausch bezüglich des Heldentums von Daenerys‘ Verehrern. Der Kommentar dazu ist angesichts dessen, was sie später abzieht, schon recht ironisch – sie verhält sich letztendlich genauso, wie Jorah oder Jon es tun würden. Als der Rabe mit Gendrys Nachricht kommt, zögert sie keine Minute und schlüpft in ihre noble Wintergarderobe (da hat jemand vorgesorgt), um mit ihren Drachen nach Norden zu fliegen, trotz Tyrions Protest. Selbst mit Drachen scheint mit der Weg über einen halben Kontinent in einer Nacht doch etwas gewagt, aber die Regeln der Dramaturgie verlangen, dass es klappt und die Rettung exakt in letzter Sekunde eintrifft. Bei anderen derartigen Vorkommnissen konnten sich die Macher wenigstens noch damit herausreden, dass keine definitive Zeitangabe getätigt wird, hier geht das nun definitiv nicht mehr.
Jenseits der Mauer Teil 2
Das Scharmützel im Norden hat Fanspekulationen massiv befeuert. Schon allein der Umstand, dass die Armee der Toten erstmal gemütlich wartet, bis die Nacht vorbei ist, ist äußerst verdächtig. Entweder die Dramaturgie ist hier wirklich extrem klischeehaft, oder die ganze Angelegenheit wurde vom Nachtkönig exakt so vorhergesehen und geplant, weil er einen untoten Drachen haben wollte, den er am Ende ja auch bekommt. Aber da hören die Fanspekulationen nicht auf. Die neueste Lieblingstheorie lautet: Bran ist der Nachtkönig. Zum einen werden da Parallelen bei der Kleidung zum Tragen gebracht, zum anderen hat sich das Gesicht leicht verändert. Mit der ganzen Maskierung sieht man das natürlich nicht allzu deutlich, aber tatsächlich hat seine winterliche Majestät nun eine recht lange, gerade Nase, die der von Isaac Hempstead-Wright ähnelt. Wird Bran irgendwann in der Zeit zurückreisen und zum Nachtkönig werden oder sich mit dem ursprünglichen Nachtkönig, dessen Erschaffung wir in Staffel 6 gesehen haben, vereinen? Oder geht die Fantasie mal wieder mit den Fans durch? Zumindest die erste Theorie (das Scharmützel als Falle) erscheint mir plausibel genug – wer hat denn schon nur aus Verdacht derartig massive Ketten dabei, die einen Drachen aus dem Wasser ziehen können? Und warum attackiert der Nachtkönig zuerst Viserion, der fliegt und weitaus schwerer zu treffen ist als Drogon, der am Boden ist und noch dazu von der Drachenkönigin geritten wird? Es sei denn natürlich, der Nachtkönig hat vorhergesehen, was er tun muss oder er ist tatsächlich Bran und weiß was passieren wird bzw. passiert ist bzw. passiert sein wird (wo ist Doc Brown, wenn man ihn braucht?).

Jedenfalls sind die Auswirkungen massiv: Ein Drache tot (oder untot), Daenerys ist von der Gefahr aus dem Norden nun restlos überzeugt und zwischen ihr und Jon funkt es. Rein politisch wäre eine Hochzeit natürlich sehr profitabel, auch wenn sie Tante und Neffe sind – nun ja, angesichts der Targaryen-Tradition ist das fast noch akzeptabel. Letztendlich sind Benioff und Weiss halt auch nur Shipper.
Effekttechnisch hat der Drachenangriff definitiv Kinoniveau und zeigt, was man im Fernsehen inzwischen alles bewerkstelligen kann. Inszenatorisch ist mir das Ganze jedoch zu vorhersehbar. Ich würde lügen, würde ich behaupten, dass ich nicht seit Staffel 1 darauf gewartet habe, dass Drachen Untote niedermähen, aber die Rettungen in letzter Sekunde häufen sich so langsam: Erst Daenerys, dann taucht auch noch Benjen Stark aus dem Nichts auf – vielleicht wäre es weniger umständlich gewesen, wenn Jon einfach auf Drogon mitgekommen wäre. So fragt man sich, wie er überhaupt überleben konnte – wobei es auch dazu Theorien gibt, die mit Jons Wiedererweckung zusammenhängen. Vielleicht hat Beric Dondarrion tatsächlich recht und der Herr des Lichts lässt Jon einfach noch nicht sterben. Wie auch immer, ich bin auf jeden Fall nicht der einzige, der bei der letzten Szene ein ziemliches Déjà-vu hatte.
Fazit: „Beyond the Wall“ ist abermals eine Folge mit massiven Schauwerten – aber auch einigen gravierenden dramaturgischen und inhaltlichen Schwächen. Nachdem GoT in seiner Anfangszeit Fantasy-Klischees wiederlegte, wird die Rettung in letzter Sekunde für meinen Geschmack in letzter Zeit etwas zu häufig zelebriert.
Siehe auch:
Dragonstone
Stormborn
The Queen’s Justice
The Spoils of War
Eastwatch