Art of Adaptation: In the House of Tom Bombadil

Bei den Kapiteln V bis VIII von „The Fellowship of the Ring” handelt es sich um die größte Auslassung in der Trilogie, mit Ausnahme vielleicht von einigen Kapiteln am Ende von „The Return of the King“ rund um die Säuberung des Auenlands. In diesem Teil des „Lord of the Rings“ ist die Struktur des „Hobbits“ noch relativ vorherrschend, hier erleben Frodo, Sam, Merry und Pippin zwei kleinere, von der Haupthandlung relativ separierte Abenteuer. Zu sagen, diese hätten gar keine Auswirkungen auf den Plot wäre zwar falsch, aber besagte Auswirkungen sind durchaus vernachlässigbar; sie für die Filme zu streichen war aus dramaturgischer Sicht definitiv die richtige Entscheidung – man erinnere sich nur, wie uneben die Hobbit-Filme sind, wenn sie besagte Struktur nicht nur umsetzen, sondern zusätzlich auch noch aufblähen. Trotz der Auslassung fanden zumindest einzelne Elemente und Details dieser Kapitel ihren Weg in die Filme, weshalb ich sie in einem Sammelartikel bespreche.

A Conspiracy Unmasked

Das fünfte Kapitel des Romans ist eines der gemütlichsten und bietet eine Pause für die Protagonisten. Nachdem die Hobbits in Bockland ankommen sind und der Erzähler ein wenig über diese Kolonie des Auenlands informiert hat, bekommen Frodo, Sam und Pippin die Gelegenheit, ein gemütliches Bad zu nehmen (Pippin sorgt für Überschwemmungen) und ein weiteres, üppiges Pilzgericht zu vertilgen, bevor es zur Lagebesprechung kommt. Gerade hier zeigt sich final, wie sehr Frodos Gefährten in den Filmen durch puren Zufall in die Ereignisse hineingeraten – Sam lauscht nur zufällig unter dem Fenster und wird von Gandalf dazu verdonnert, Frodo zu begleiten, Merry und Pippin laufen zufällig in Frodo und Sam hinein und beschließen, ihnen zu helfen. Bei Tolkien gibt es diesbezüglich keinerlei Zufälle, tatsächlich findet Merry Details bezüglich des Ringes bereits heraus, noch bevor Bilbo seinen Geburtstag feiert. Zusammen mit Sam, Pippin und Fredegar Bolger, dessen Anwesenheit hier noch einmal betont werden soll, schmiedet er eine Verschwörung (daher der Titel des Kapitels) mit dem Ziel, herauszufinden, was eigentlich vorgeht, um Frodo besser helfen zu können. Sams Lauschen unter dem Fenster ist also keinesfalls Zufall, sondern eine gezielte Aktion. Nachdem Sam von Gandalf verpflichtet wird, endet allerdings seine Tätigkeit als Spitzel. Frodo ist von diesen Enthüllungen ebenso überrascht wie erschüttert, zugleich sprechen ihm seine Freunde allerdings auch ihre unverbrüchliche Loyalität aus. Man schmiedet schließlich den Plan, früh am nächsten Morgen aufzubrechen und, um auf der Straße nicht den Ringgeistern zu begegnen, den Weg durch den Alten Wald zu nehmen. Lediglich Fredegar Bolger soll zurückbleiben, einerseits da er den Alten Wald mehr fürchtet als alles andere und andererseits, um zumindest für eine Weile die Illusion aufrechtzuerhalten, Frodo lebe in Bockland. Ein Detail dieses Kapitels hat es tatsächlich in den Film geschafft: Beim Baden singt Pippin ein von Bilbo gedichtetes Lied, das in abgeänderter Form in der Szene im Grünen Drachen als zweite Strophe des Liedes von Merry und Pippin fungiert.

Sing hey! for the bath at close of day
that washes the weary mud away!
A loon is he that will not sing:
O! Water Hot is a noble thing!

O! Sweet is the sound of falling rain,
and the brook that leaps from hill to plain;
but better than rain or rippling streams
is Water Hot that smokes and steams.

O! Water cold we may pour at need
down a thirsty throat and be glad indeed;
but better is Beer if drink we lack,
and Water Hot poured down the back.

O! Water is fair that leaps on high
in a fountain white beneath the sky;
but never did fountain sound so sweet
as splashing Hot Water with my feet! (FotR, S. 132)

The Old Forest
Die Natur im Allgemeinen und Wälder im Besonderen sind in Tolkiens Werk letztendlich positiv konnotiert, das bedeutet allerdings nicht, dass sie nicht auch unheimlich und fast schon dämonisch sein können. Nur allzu gerne verwendet er den aus Mythen und Märchen bekannten verwunschenen Wald, der in verschiedenen Inkarnationen immer wieder auftaucht, sei es der Düsterwald im „Hobbit“, der Alte Wald in „The Fellowship of the Ring“ oder natürlich der Fangorn in „The Two Towers“. Wie wir von Baumbart erfahren, war der Alte Wald tatsächlich einmal Teil des Fangorn, als dieser noch einen weit größeren Teil von Mittelerde bedeckte. Wie dem auch sei, der Weg der vier Hobbits durch den Alten Wald erinnert stark an den Versuch Bilbos und der Zwerge, den Düsterwald zu durchqueren, beide Wälder beeinträchtigen die Wahrnehmung massiv, sodass ein Durchkommen ungemein erschwert wird und man sich verirrt. Im Alten Wald gibt es allerdings weder übergroße Spinnen noch Waldelben, stattdessen werden Merry und Pippin von den Wurzeln des Alten Weidenmanns, einem äußerst übelgelaunten Baum, fast erstickt, bis Tom Bombadil zu ihrer Rettung eilt. Beim Alten Weidenmann handelt es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um einen Huorn, wie sie auch im Fangorn zu finden sind. In der Filmversion von „The Two Towers“ baute Peter Jackson mehrere Verweise auf den Alten Wald ein. Als die Uruk-hai Merry und Pippin am Rand des Fangorn abladen, ruft Merry Pippin den Alten Wald in Erinnerung und erwähnt, dass die Bäume dort angeblich miteinander reden und sich sogar bewegen können. Das lässt zugleich darauf schließen, dass die vier Hobbits in der erzählten Welt des Films die Straße von Bockland nach Bree genommen haben und die Inhalte von „The Old Forest“ nicht einfach offscreen passiert sind, denn sonst würde dieses Gespräch anders verlaufen. Die Szene, in der Merry und Pippin vom Alten Weidenmann festgesetzt werden, taucht sogar relativ vorlagengetreu in der Extended Edition von „The Two Towers“ auf, nur dass es eben nicht im Alten Wald, sondern im Fangorn geschieht und Baumbart die Rolle Tom Bombadils einnimmt. Er benutzt sogar Bombadils Worte, um den Alten Weidenmann zur Ordnung zu rufen: „You should not be waking. Eat earth! Dig deep! Drink water! Go to sleep!“ Eine durchaus passende Anspielung auf dieses Kapitel.

In the House of Tom Bombadil

Tom Bombadil ist selbst den meisten Nicht-Lesern bekannt, wenn auch nur als die Figur, die aus fast jeder Adaption des „Lord of the Rings“ herausgekürzt wurde, sei es die Jackson-Trilogie, Ralph Bakshis Zeichentrickfilm oder die Dramatisierung der BBC. Lediglich im deutschen WDR-Hörspiel darf Tom Bombadil, gesprochen von Peter Ehrlich, auftauchen. Tatsächlich ist Bombadil eine recht kuriose und mysteriöse Figur, da seine Natur nie genau bestimmt wird. Ursprünglich gehörte er, ähnlich wie die Inhalte des „Hobbits“, nicht per se zu Tolkiens Legendarium, sondern war eine unabhängiger Charakter, der in einigen Gedichten Abenteuer erlebte, die später als „The Adventures of Tom Bombadil“ herausgegeben wurden. Erst während der Abfassung des „Lord of the Rings“ wurde Bombadil ein Teil von Mittelerde. Tolkien selbst gibt zu, dass er keinen wirklichen narrativen Sinn in der Geschichte hat, eher eine philosophischen, der ihm selbst nicht ganz klar ist. In einem Brief aus dem Jahr 1954 schreibt er: „Tom Bombadil is not an important person – to the narrative. I suppose he has some importance as a ‚comment‘. […] [H]e represents something that I feel important, though I would not be prepared to analyze the feeling precisely […] The story is cast in terms of a good side and a bad side, beauty against ruthless ugliness, tyranny against kingship, moderate freedom with consent against compulsion that has long lost any objective save mere power, and so on; but both sides in some degree, conservative or destructive, want a measure of control. but if you have, as it were taken ‚a vow of poverty’, renounced control, and take your delight in things for themselves without reference to yourself, watching, observing, and to some extent knowing, then the question of the rights and wrongs of power and control might become utterly meaningless to you, and the means of power quite valueless.” (Letters, S. 178). Tolkien bezeichnet Bombadil als “a natural pacifist” (ebd.).

Wie dem auch sei, ich denke, im Film hat Tom Bombadil tatsächlich nichts verloren. Wenn ich mich recht erinnere, gab es die Idee, die Hobbits aus der Ferne Tom Bombadils Hut samt Feder sehen und seinen Gesang hören zu lassen, um irritiert die Flucht zu ergreifen, man entschied sich dann aber wohl dagegen, sollte es sich so zugetragen haben. Wer dennoch neugierig ist, wie Tom Bombadil in den Jackson-Filmen ausgesehen haben könnte, kann zum Strategiespiel „The Battle for Middle-earth II“ greifen, dieses basiert sowohl auf der Film- als auch auf der Buch-Lizenz und es ist möglich, den lustigen Gevatter samt blauer Jacke und gelben Stiefeln für kurze Zeit zu beschwören. Ein Detail aus dem Kapitel „In the House of Tom Bombadil“ taucht allerdings im Film auf, Frodo träumt von Gandalfs Flucht vom Orthanc, diese Szene sehen wir natürlich später im Film.

Fog on the Barrow-downs

Das achte Kapitel von „The Fellowship of the Ring“ beinhaltet ein weiteres „kleines“ Abenteuer ohne direkten Kontext zur Haupthandlung, sehr wohl aber mit indirektem, was sich allerdings erst wirklich in den Anhängen offenbart. Die Grabhügel sind Zeugnisses des verlorenen Dúnedain-Reiches von Arnor und der Kriege die es bzw. die Nachfolgestaaten mit dem Königreich Angmar und dessen Hexenkönig führte, der im Verlauf des „Lord of the Rings“ bekanntermaßen noch eine essentielle Rolle spielt. Vor allem zeigt dieses Kapitel, was für ein exzellenter Horrorautor Tolkien sein kann, wenn er es möchte bzw. es seinen Absichten dient. Tolkien baut hier langsam, aber wirkungsvoll Spannung auf, die Grabunholde bleiben eine größtenteils unsichtbare, darum aber umso erschreckendere Bedrohung, weil sie kaum greifbar sind – mit „Fog on the Barrow-downs“ liefert Tolkien quasi eine sehr effektive Mini-Geistergeschichte innerhalb des „Lord of the Rings“, aus der die Hobbits ohne Tom Bombadils Hilfe nicht herausgekommen wären. Auch hier finden sich Visualisierungen in Film-verwandten Medien, etwa dem bereits erwähnten „The Battle for Middle-earth II“ bzw. dem zugehörigen Expansion „The Rise of the Witch-king“. Die Grabunholde, die dort auftauchen, sind eher enttäuschend, davon abgesehen ist die Kampagne allerdings eine schöne Umsetzung des in den Anhängen beschriebenen Aufstiegs und Niedergangs von Angmar.

Zudem finden sich in diesem Kapitel einige Details, die in der einen oder anderen Form in den Filmen zumindest eine kleine Rolle spielen. Da wäre zuerst der Traum, den Frodo zu Beginn des Kapitels hat. Dieser greift auf das Ende von „The Return of the King“ vor, als Frodo die Unsterblichen Lande erblickt; in besagtem Traum erhält er einen ersten kleinen Eindruck: „That night they heard no noises. But either in his dreams or out of them, he could not tell which, Frodo heard a sweet singing running in his mind; a song that seemed to come like a pale light behind a grey rain-curtain, and growing stronger to turn the veil all to glass and silver, until8 at last it was rolled back, and a far green country opened before him under a swift sunrise.” (FotR, S. 176). Mit fast denselben Worten macht Gandalf Pippin in Minas Tirith Mut und vermittelt ihm, dass der Tod nicht das Ende ist.

Erwähnenswert sind zudem die Dolche, die die Hobbits aus den Hügelgräbern mitnehmen – im Film bekommen sie sie später auf der Wetterspitze von Aragorn und die Herkunft der Waffen wird nicht näher ausgeführt. Bemerkenswert ist das, weil die Dolche speziell zum Kampf gegen den Hexenkönig und die Horden von Angmar geschaffen wurden, aus diesem Grund erweist sich Merrys Angriff auf den Herrn der Nazgûl in „The Return of the King“ auch als so erfolgreich – zumindest ist das ein Faktor. Dieses Detail entfällt in den Filmen natürlich. Und schließlich wäre da noch das Gedicht, das die Grabunholde zum Besten geben und das ich als Kind im WDR-Hörspiel verdammt unheimlich fand. Genau dieses Gedicht hören wir in der Filmversion von „The Two Towers“ von Gollum, als dieser Frodos Fragen nach seiner Vergangenheit ausweichen möchte, wenn auch in leicht abgewandelter Fassung.

Cold be hand and heart and bone,
and cold be sleep under stone:
never more to wake on stony bed,
never, till the Sun fails and the Moon is dead.
In the black wind the stars shall die,
and still on gold here let them lie,
till the dark lord lifts up his hand
over dead sea and withered land. (FotR, S. 184)

Zitiert nach:
– Tolkien, J. R. R.: The Lord of the Rings Part 1: The Fellowship of the Ring. London 2007 [1954].
– Tolkien, J. R. R.: Letter 144: To Naomi Mitchison, in: The Letters of J. R. R. Tolkien. A selection edited by Humphrey Carpenter. With the assistance of Christopher Tolkien. London 2006 [1981], S. 173-181.

Siehe auch:
Art of Adaptation: A Long-expected Party
Art of Adaptation: The Shadow of the Past
Art of Adaptation: Three Is Company
Art of Adaptation: A Shortcut to Mushrooms
Art of Adaptation: Tolkiens Erzählstruktur und Dramaturgie
Art of Adaptation: Saruman der Weiße
Art of Adaptation: Die Nazgûl
Lovecrafts Vermächtnis: Cthulhu in Mittelerde