Story: Nach dem Tod ihrer Eltern kommen die Zwillinge Maria (Mary Collinson) und Frieda (Madeleine Collinson) Gellhorn in die Obhut ihres Onkels Gustav Weil (Peter Cushing) nach Österreich. Bei diesem handelt es sich um einen gestrengen Puritaner, der überall Teufelswerk wittert. Besonders der hedonistische Graf Karnstein (Damien Thomas) ist ihm ein Dorn im Auge. Und tatsächlich liegt Gustav Weil in diesem Kontext gar nicht so falsch. Mithilfe eines schwarzmagischen Rituals ruft der Graf Mircalla Karnstein (Katya Wyeth) aus dem Grab und wird von ihr in einen Vampir verwandelt. Als Opfer hat er bereits die neuangekommenen Zwillinge auserkoren…
Kritik: „Twins of Evil“, der dritte Teil von Hammers nur sehr lose zusammenhängender Karnstein-Trilogie, kam 1971, nur einige Monate nach dem Vorgänger, „Lust for a Vampire“ ins Kino. Während dieses Mal John Hough Regie führte, verfasste Tudor Gates wieder das Drehbuch und abermals basiert der Film zumindest in der Theorie auf Motiven aus Joseph Sheridan LeFanus „Carmilla“, wie bei „Lust for a Vampire“ ist aber kaum etwas von dieser essentiellen Vampir-Novelle geblieben. Der zweite und dritte Teil der Karnstein-Trilogie gleichen sich in vielerlei Hinsicht; beide verwenden für ihre Vampire den Namen Karnstein, ohne sich dabei aber inhaltlich oder thematisch auf „Carmilla“ zu beziehen. Oder, um es plakativ auszudrücken: Für einen Film, der mit „Carmilla“ in Verbindung steht, ist „Twins of Evil“ wirklich verdammt hetero. Mircalla Karnstein, dieses Mal gespielt von Katya Wyeth (Ingrid Pitt wurde die Rolle angeboten, sie lehnte jedoch ab), taucht nur in einer kurzen Szene auf, der primäre Schurke ist Graf Karnstein, der den Genre-Konventionen folgt und ausschließlich junge Frauen als Opfer auserkoren hat. Verabschiedet man sich allerdings mental von der Carmilla-Verknüpfung, ist „Twins of Evil“ deutlich unterhaltsamer und gelungener als „Lust for a Vampire“, auch wenn man noch über einige andere Aspekte hinwegsehen muss. Während Graf Karnstein dem Archetyp des europäischen, adeligen Blutsaugers entspricht, der seinerzeit von John William Polidori für „The Vampyre“ geschaffen und von Stokers „Dracula“ zementiert wurde, mutet die Präsenz puritanischer Hexenjäger im Österreich des 17. Jahrhunderts eher merkwürdig an. Aber bei einem Hammer-Film sollte diese Kombination vielleicht nicht unbedingt überraschen…
Sowohl atmosphärisch als auch und vor allem darstellerisch ist „Twins of Evil“ eine deutliche Verbesserung gegenüber „Lust for a Vampire“, was nicht zuletzt an Damien Thomas und natürlich an Peter Cushing liegt. Ersterer hat sichtlich Spaß daran, seinen Grafen Karnstein sehr unsympathisch und diabolisch anzulegen, wobei er eine bessere Figur macht und über deutlich mehr Charisma verfügt als Mike Raven, sein „Vorgänger“ in dieser Rolle. Peter Cushing darf abermals als Vampirjäger vom Dienst fungieren, wobei seine Rolle deutlich zwiespältiger angelegt ist als Van Helsing in den diversen Dracula-Filmen oder Baron Spielsdorf in „The Vampire Lovers“. Während diese eindeutig positiv konnotiert sind, ist Gustav Weil übermäßig streng, bigott und schreckt vor körperlicher Züchtigung nicht zurück. Dass er in Bezug auf Graf Karnstein richtig liegt, wirkt eher wie ein Zufall, ganz nach dem Motto „Auch ein blindes Huhn findet mal ein Korn“. Es ist nicht unbedingt verwunderlich, dass der Film gegen Ende mit Gustav Weil nicht mehr allzu viel anzufangen weiß, aber zumindest der Ansatz ist interessant und Peter Cushings Spiel natürlich über jeden Zweifel erhaben.
Die titelgebenden Zwillinge Maria und Frieda Gellhorn sind dagegen eher vorhanden, um ein männliches Publikum anzulocken und weniger wegen ihrer darstellerischen Fähigkeiten. Tatsächlich waren Mary und Madeleine Collinson die ersten identischen Zwillinge, die es auf das Cover des Playboy schafften. Ihre Entwicklung gestaltet sich dann auch dementsprechend klischeehaft: Natürlich ist ein Zwilling böse und der andere gut, natürlich tauschen sie die Plätze und am Ende bleibt nur eine der beiden übrig. Ein Handlungselement, das sich samt unangenehmer Implikation aus dem letzten Film wiederholt, ist ein Lehrer, Anton Hoffer (David Warbeck), der sich in eine seiner Schülerinnen verliebt. Anton Hoffer fungiert in der Theorie als eigentlicher Protagonist, der sowohl gegen den Grafen Karnstein als auch gegen Gustav Weils Bigotterie kämpft, in der Praxis ist er allerdings ziemlich uninteressant und unmarkant. An dieser Stelle noch eine Anmerkung zum deutschen Titel: Dieser lautet „Draculas Hexenjagd“. Hier scheint sich der deutsche Verleih an „The Brides of Dracula“ orientiert zu haben, denn natürlich spielt Dracula keine Rolle und wird nicht einmal erwähnt. Wahrscheinlich dachte man sich: Vampirfilm mit Peter Cushing, das kann nur zu Dracula gehören.
Fazit: „Twins of Evil“ hat mit “Carmilla” nun wirklich so gut wie gar nichts mehr zu tun, als kurzweiliger Hammer-Vampirfilm ist er, dank Peter Cushing und Damien Thomas, dann aber doch deutlich unterhaltsamer als der Vorgänger.
Ich werde nicht müde zu betonen, wie essentiell Sheridan Le Fanus Novelle „Carmilla“ für das Vampir-Genre ist, sei es direkt oder indirekt. Wie „Dracula“ wurde auch „Carmilla“ einige Male adaptiert, wenn auch bei Weitem nicht so häufig und so medienwirksam wie Stokers Graf. Dennoch finden sich einige Adaptionen, die nicht nur den Vergleich mit der Vorlage lohnen, sondern zugleich auch zeigen, wie sich der Umgang mit der Thematik von Le Fanus Novelle und die Darstellung des Stereotyps „lesbischer Vampir“ geändert hat. Die wohl prominenteste Adaption von „Carmilla“ stammt von Hammer Film Productions, dem Studio, das uns mehr Dracula-Filme als jedes andere beschert hat. Eine Umsetzung der Novelle, die Stoker massiv beeinflusst hat, schein da sehr logisch zu sein. Das Ergebnis trägt den Titel „The Vampire Lovers“ und erschien 1970. Basierend auf dem Erfolg des Films drehte Hammer zwei Pseudofortsetzungen, die zwar relativ wenig mit „Carmilla“ zu tun haben, aber zumindest die Thematik weiterführen und in denen zudem Vampire der Karnstein-Familie vorkommen. Aus diesem Grund bilden „The Vampire Lovers“, „Lust for a Vampire“ (1971) und „Twins of Evil” (ebenfalls 1971) die Karnstein-Trilogie.
Struktur
Ähnlich wie „Dracula“ ist auch „Carmilla“ als tagebuchartiger Erlebnisbericht konzipiert, dabei aber an nur eine Perspektive gebunden, nämlich die von Laura, Carmillas Opfer. Le Fanu bemüht sich um einen langsamen und subtilen Spannungsaufbau: Carmilla kommt als Gast auf das Schloss von Lauras Vater, die beiden jungen Frauen schließen Freundschaft und dann häufen sich langsam die merkwürdigen Ereignisse, primär Lauras Träume von einer großen, schwarzen Katze und ihre beginnende Anämie. Selbst wenn man mit der Handlung von „Carmilla“ nicht bereits vertraut ist, ist es, nicht zuletzt wegen der vielfach wiederholten Genrekonventionen, ziemlich einfach zu erraten, woran man als Leser ist. Die Enthüllung kommt allerdings erst gegen Ende, als General Spielsdorf, ein Bekannter von Lauras Vater, von den Umständen des Todes seiner Nichte Bertha berichtet, die den Erlebnissen Lauras stark gleichen. Auf diese Weise schildert „Carmilla“ das Schicksal zweier Vampiropfer, bleibt dabei aber stets Lauras Perspektive verhaftet: Als Leser erfährt man erst, was Bertha wiederfahren ist, als es Laura auch erfährt. Nicht so im Film: Regisseur Roy Ward Baker, der im Verlauf seiner Karriere eine Reihe von Filmen für Hammer inszenierte, darunter auch „Scars of Dracula“, und Drehbuchautor Tudor Gates, nehmen eine ganze Reihe struktureller Änderungen vor: The Vampire Lovers“ zeigt die Leidensgeschichte beider Vampiropfer in chronologischer Reihenfolge. Außerdem erfolgt ein an die Dracula-Filme erinnernder, relativ grundlosen Namenswechsels. Die Nichte von Genereal Spielsdorf (Peter Cushing) ist wie in der Novelle das erste Opfer, heißt hier jedoch Laura (Pippa Steel) und nicht Bertha. Die eigentliche weibliche Hauptfigur, analog zur Novellen-Laura, trägt stattdessen den Namen Emma Morton (Madeline Smith).
Zumindest im Groben entfalten sich die Ereignisse sehr ähnlich wie bei Le Fanu, die zentrale Vampirin, die auch im Film gerne mit Anagrammen ihres ursprünglichen Namens Mircalla (Ingrid Pitt) spielt, schleicht sich bei den Familien ihrer ausersehenen Opfer ein, nährt sich für längere Zeit an ihnen, wobei sich zusätzlich eine intime Beziehung entwickelt, und zieht dann zum nächsten Opfer weiter, wobei sie immer dieselbe Masche anwendet. Während viele andere Vampire mitunter fast schon willkürlich töten, gleicht Mircallas/Carmillas Vorgehensweise eher der eines Serienkillers – das aber nur am Rande. Diesen Aspekt setzt „The Vampire Lovers“ auch um, weicht in den Details aber deutlich von der Vorlage ab. Kaum eine der Szenen, die Le Fanu in seiner Novelle beschreibt, schafft es tatsächlich in den Film, und wenn doch, dann nur stark verfremdet. Ein ideales Beispiel ist das Gemälde von Mircalla von Karnstein, das einen frühen Hinweis auf Carmillas Vampirdasein und tatsächliches Alter gibt. Während es in der Novelle ein Erbstück aus dem Nachlass von Lauras Mutter ist, taucht es im Film erst im Schloss der Karnsteins auf und wird somit seiner ursprünglichen dramaturgischen Funktion als Foreshadowing beraubt. Stattdessen handelt es sich um eine im Grunde zu diesem Zeitpunkt unnötige Bestätigung der Vampirnatur Carmillas.
Die Hammer-Formel
In vielerlei Hinsicht ist „Carmilla“ eine ziemlich typische Gothic Novel (bzw. Gothic Novella), sowohl Handlungsort als auch Plot und Figuren sind sehr genretypisch. Weniger typisch ist die für die Zeit fast schon progressive Darstellung von Homosexualität. Würde „Carmilla“ als Werk heute mit dem exakt selben Text erscheinen, würde man die Novelle mit ziemlicher Sicherheit als problematisch wahrnehmen, da Homosexualität und Vampirismus ziemlich eng und auf negative Weise miteinander verknüpft sind. Im Kontext des Jahres 1872 zeigt sich Le Fanu aber geradezu verständig, zumindest gemessen am Standard der Ära. Theoretisch ist die Queerness in „Carmilla“ Subtext, aber es ist derartig deutlicher Subtext, dass man schon fast verwundert ist, dass die Novelle keinen Skandal verursachte, wie es Beispielsweise bei den Werken Oscar Wildes der Fall war. Fast 100 Jahre nach Erscheinen hat sich die Lage natürlich geändert: In den 1970ern feierte der Exploitation-Film seine Triumpfe, Sex und Blut gehörten schon immer zum Erfolgsrezept der Hammer Studios. Dementsprechend ist „The Vampire Lovers“ in seiner Darstellung deutlich expliziter als die Novelle – aber auch deutlich fetischisierender. Gerade im Vergleich zur Dracula-Serie fällt auf, wie viel mehr „The Vampire Lovers“ zu zeigen bereit ist. Verließ man sich in Dracula-Filmen zumeist auf tiefe Ausschnitte, finden sich hier mehrere ausgedehnte Szenen mit den oberkörperfreien Darstellerinnen. Vielleicht noch schwerer wiegt der Umstand, dass „The Vampire Lovers“ der männlich-konservativen Perspektive noch einmal deutlich mehr Platz einräumt, als dies selbst Le Fanu tat – dieser verknüpfte schließlich alles mit Lauras Wahrnehmung. Alles in allem wirkt es fast, als habe „The Vampire Lovers“ Angst, zu lesbisch zu sein, weshalb sich Carmilla auch männliche Opfer sucht.
In vielerlei Hinsicht passt Hammer „Carmilla“ stärker an die erzählerischen Konventionen der Dracula-Filme an und verzichtet dafür auf den subtilen Spannungsaufbau und die detailliertere Charakterarbeit, die die Novelle ausmachen. So beginnt der Film mit dem Einsatz eines Vampirjägers namens Baron von Hartog (Douglas Wilmer), der ein weibliches Mitglied der Familie Karnstein (Kirsten Lindholm) tötet. Besagter Baron taucht am Ende des Films als deutlich älterer Mann wieder auf und nimmt in der Geschichte die Stellung ein, die bei Le Fanu Baron Vordenburg innehat. Dieser Umstand sorgt dafür, dass der Fokus der Geschichte stärker auf der Vendetta dieses Vampirjägers statt auf dem persönlichen Schicksals Lauras bzw. Emmas liegt. Diese ist im Film zudem noch einmal deutlich passiver, ihre Inszenierung als Vampiropfer erinnert stärker an Lucy Westenra. Zum Vergleich: In der Novelle ist Laura bei Carmillas endgültigem Tod zugegen, im Film nicht, stattdessen ist sie im dritten Akt die meiste Zeit regelrecht katatonisch. Baker und Gates haben relativ wenig Interesse an der tatsächlichen romantischen Beziehung zwischen Carmilla und Laura/Emma, die in der Novelle sehr viel Raum einnimmt. Der Fokus liegt in „The Vampire Lovers“ eindeutig auf den Vampirjägern, zu denen neben Baron von Hartog der von Peter Cushing gespielte General Spielsdorf (was natürlich seinerseits sofort Dracula-Assoziationen weckt) und Emmas Vater Roger Morton (George Cole) gehören. Darüber hinaus macht sich Carmilla einige Taktiken Draculas zu eigen: Wie der von Christopher Lee dargestellte Graf macht sie aus zuerst Unbeteiligten durch ihre vampirischen Kräfte willige Häscher, das betrifft vor allem die im Film deutlich jüngere Morton-Angestellte Mademoiselle Perrodot (Kate O’Mara) sowie den Butler Renton (Harvey Hall). Zudem wird die Geschichte noch um diverse, an die Dracula-Filme erinnernde Actionszenen angereichert, der Kampf des Barons gegen die namenlose Karnstein-Vampirin wurde bereits erwähnt, zudem findet sich gegen Ende eine recht intensive Szene, in der Carmilla versucht, mit einer bewusstlosen Emma aus dem Anwesen der Familie Morton zu fliehen.
Familienbande
Einmal mehr erweisen sich die Abänderungen gegenüber der Vorlage als größte Schwäche: Viele Nuancen, die „Carmilla“ als Werk so interessant machen, gehen zugunsten des erhöhten Exploitationfaktors verloren. „The Vampire Lovers“ ist, im Guten wie im Schlechten, ein recht typischer Hammer-Film mit etwas mehr expliziter Nacktheit als gewöhnlich. Das bringt allerdings auch einige Vorteile mit sich: Die typische Hammer-Gothic-Atmosphäre steht Le Fanus Geschichte gut zu Gesicht und auch schauspielerisch gibt es wenig Beschwerden, lediglich Madeline Smith als Emma Morton wirkt für meinen Geschmack zu blauäugig, naiv und unschuldig. Peter Cushing ist natürlich über jeden Zweifel erhaben und auch Ingrid Pitt spielt die Hauptrolle wirklich gut, auch wenn ihr Spiel das eine oder andere Mal ein wenig überdramatisch ausfällt. Tatsächlich findet sich hier die größte Stärke des Films, denn es gelingt ihm tatsächlich, die komplexe und zerrissene Natur Carmillas gelungen zu vermitteln: Ihre eindeutige, ebenso besitzergreifende und obsessive Liebe zu ihren Opfern wirkt ebenso authentisch wie ihre alles verzehrende Blutgier. Zumindest in diesem Aspekt kann die Adaption durchaus als gelungen bezeichnet werden.
Ein besonders interessanter Aspekt dieser Adaption ist zudem der Umgang mit Carmillas Entourage. Wann immer sich die Vampirin in der Novelle in eine Familie einschleicht, ist ihre „Mutter“ beteiligt, die jedes Mal in einer Angelegenheit größer Wichtigkeit verreisen muss und ihre „Tochter“ deshalb in der Obhut der Familie des potentiellen Opfers zurücklässt. Beteiligt sind zudem ein finster aussehender Diener bzw. Kutscher und ein enigmatisches altes Weib, das sich kaum zeigt. Was es mit dieser Entourage auf sich hat, teilt uns Le Fanu nie mit: Handelt es sich ebenfalls um Vampire oder sind es nur menschliche Diener Carmillas, die ihr dabei helfen, die Scharade durchzuziehen? „The Vampire Lovers“ zieht definitiv die erste Auslegung vor und richtet den Fokus in deutlich stärkerem Ausmaß auf die Familie Karnstein. Wie erwähnt tauchen weder Baron von Hartog, noch seine Vendetta gegen die Vampirfamilie in der Novelle auf, die Natur der Karnsteins bleibt bei Le Fanu mysteriös und ungeklärt, während der Film weitere Karnstein-Vampire zeigt – vielleicht bereits mit Hintergedanken bezüglich weiterer Filme?
Fazit: „The Vampire Lovers“ ist die wahrscheinlich bekannteste Adaption von „Carmilla“ und kommt mit allen Vorzügen und Nachteilen eines Hammer-Films: Tolle, dichte Amtosphäre und gute schauspielerische Leistungen von Ingrid Pitt und Peter Cushing auf der einen, eine unnötige Banalisierung der Geschichte mit Fokus auf den Exploitationfaktor auf der anderen Seite. Gerade diese Banalisierung sorgt aber leider auch dafür, dass „The Vampire Lovers“ seiner Vorlage nicht gerecht wird.
Mitte der 70er endete die Dracula-Serie der Hammer-Studios auf ziemlich unrühmliche Art und Weise, Christopher Lee hatte bereits nach „The Satanic Rites of Dracula“ keinerlei Lust mehr, auch nur an eine Rückkehr zu denken und nicht einmal Peter Cushing als Van Helsing gelang es noch, das „fatale Finale“ dieser Filmreihe, „The Seven Golden Vampires“, groß aufzuwerten. Während Hammer sich also vom Grafen abwandte, versuchten andere Studios es mit einer Neuinterpretation. Dass Universal Films dazugehört, dürfte kaum verwunderlich sein, schließlich geht die erste offizielle Dracula-Adaption auf das Konto dieses Studios. John Badhams „Dracula“, der 1979 in den Kinos startete, ist in mehr als einer Hinsicht sowohl eine (ob bewusst oder unbewusst sei einmal dahingestellt) Abkehr vom Hammer-Stil und stellt zudem eine Rückbesinnung auf den Klassiker aus Universals Anfängen da. Das zeigt sich bereits daran, dass das Theaterstück von Hamilton Deane und John L. Balderston, wie schon bei Bela Lugosis Leinwanddebüt als Dracula, abermals statt Stokers Roman als Vorlage fungiert. Zudem trat Dracula-Darsteller Frank Langella, wie Lugosi, bereits zuvor als Graf auf der Bühne auf, bevor er die Rolle auch im Film übernahm.
Zumindest in einer Hinsicht folgen Badham und sein Drehbuchautor W. D. Richter dem ursprünglichen Theaterstück sogar genauer als der Film von 1931: Wie im Stück fehlt auch in diesem Film jegliche Szene, die auf Draculas Schloss in Transsylvanien spielt, weder Jonathan Harker (Trevor Eve) noch Renfield (Tony Haygarth), der hier statt R. M. den Vornamen Milo trägt, interagieren dort mit dem Grafen. Stattdessen beginnt der Film mit Draculas Ankunft in Whitby, natürlich stilecht per Schoner. Inhaltlich folgt der Film der Romanhandlung in groben Zügen, die beiden weiblichen Protagonisten werden eine nach der anderen zu Opfern Draculas, die erste stirbt und muss vom Vampirismus „erlöst“ werden. Der Rest des Films besteht aus der Verfolgung Draculas durch die Angehörigen. Dabei finden sich zwar immer wieder Szenen und auch erstaunlich viele Zitate, die direkt aus dem Roman stammen, oft aber anders kontextualisiert sind. Wie bei Stoker gibt es beispielsweise eine Verfolgungsjagd, während der sich Dracula in einer seiner Kisten befindet, diese passiert aber nicht in Sichtweite des Schlosses und statt mit Pferden sind die Vampirjäger dieses Mal mit dem Auto zugange. Der (zumindest vermeintlich) endgültige Todesstoß wird Dracula dieses Mal auf einem Schiff verpasst. Hier entscheiden sich Badham und Richter für einen recht spektakulären Abgang: Zuerst wird Dracula mit einem Haken aufgespießt und dann regelrecht gehisst, damit die Sonne den Rest erledigen kann. Statt des nicht auftauchenden Quincey Morris ist es dieses Mal Van Helsing, der sein Leben gibt.
All diese Ereignisse, egal ob vorlagengetreu oder nicht, finden mit stark reduzierter Besetzung statt. Nach bester Tradition werden erst einmal die Namen und Beziehungen der Figuren zueinander kräftig durchgemischt. Wie schon im Film von 1931 ist John Seward (Donald Pleasance) nicht nur deutlich älter als Jonathan, Lucy und Co., sondern der Vater einer der beiden weiblichen Hauptfiguren. Ab diesem Punkt wird es etwas komplizierter, da Badham und Richter Mina (Jan Francis) und Lucy (Kate Nelligan) bzw. ihre Rollen in der Geschichte getauscht haben: Hier ist es Mina, die als erste zu Draculas Opfer wird, stirbt und schließlich als Vampirin zurückkehrt, während Lucy als zweites Opfer und Motivation der männlichen Vampirjäger fungiert. Lucy ist zudem Sewards Tochter und mit Jonathan Harker liiert (so wie es Mina im Lugosi-Film war), während Mina zu allem Überfluss auch noch Van Helsings (Laurence Olivier) Tochter ist. Quincey Morris und Arthur Holmwood fehlen wie so oft komplett.
Der Unterschied zu Hammer zeigt sich vor allem in der Inszenierung der Geschichte und der Konzeption des Grafen. Auch in diesem Kontext ist die Rückbesinnung auf 1931 deutlich spürbar. Während Stokers Graf (meistens) monströs, böse und wenig ansprechend ist, legte Lugosi die Grundlage für den verführerischen, einnehmenden Dracula. Der von Christopher Lee dargestellte Vampirfürst ist, trotz des Umstandes, dass Lee alles andere als unattraktiv ist, eher an die Romanversion angelehnt – man erinnere sich nur an „Dracula: Prince of Darkness“, in welchem der Graf keinerlei Dialog hat. Frank Langella dagegen knüpft nicht nur an Lugosis Darstellung an, sondern fungiert als einer der attraktivsten und romantischsten Draculas – allein optisch wirkt er mit Cape und offenem Hemd, als stamme er direkt vom Cover eines klischeebehafteten romantischen Romans. Dementsprechend wenig bedrohlich kommt dieser Vampirgraf daher, seine düster-brütende Fassade kann als Vorgriff auf viele Vampire der 90er und 2000er gewertet werden. Sowohl Mina als auch (vor allem) Lucy geben sich dem Grafen zudem mehr oder weniger freiwillig hin, was den Eindruck des verführerischen Grafen noch unterstreicht. Hin und wieder darf Langella dann doch Zähne zeigen, angesichts der massiven Konkurrenz auf diesem Feld ist er allerdings weit davon entfernt, mein Lieblings-Dracula zu sein. Die hochkarätige Besetzung dieses Films soll dennoch nicht unerwähnt bleiben, schauspielerisch liefert der junge Frank Langella durchaus eine gute Performance ab, und auch Donald „Blofeld“ Pleasance und Shakespeare-Legende Laurence Olivier verleihen dem Film zusätzliche Gravitas.
Sehr interessant ist die Umsetzung des einzigen anderen Vampirs in diesem Film. Draculas Bräute wurden, zusammen mit seinem Schloss in Transsylvanien, komplett gestrichen, das heißt, dass Mina, die den Platz von Lucy im Roman einnimmt, neben der Titelfigur die einzige Untote ist. Angesichts der Wandlung Van Helsings zu ihrem Vater sowie Jack Sewards zu einer väterlichen Figur präsentiert sich Vampir-Mina, anders als Roman-Lucy, nicht als sündige Verführerin, sondern als unschuldiges, verspieltes Kind, sodass der Tötungsakt für Van Helsing noch einmal deutlich schwieriger wird. Diese Entscheidung, zusammen mit dem wirklich sehr guten Make-up, haben einen durchaus angenehm verstörenden Effekt und sind nicht nur einer der emotionalen Höhepunkte des Films, sondern auch eine äußerst effektive Neuinterpretation besagter Szene aus der Vorlage.
Besonders faszinierend ist die atmosphärische Rückbesinnung auf Universal. Während Hammer nicht nur keine Hemmungen hatte, Einflüsse anderer Genres miteinzuarbeiten, sondern oft farblich verhältnismäßig grelle Filme inszenierte und vor allem Wert auf das typische, hellrote Hammer-Blut legte, ist Badhams Film zwar nicht schwarzweiß, aber angesichts des Entsättigungsgrades ziemlich nahe dran. Tatsächlich gelingt die behutsame Modernisierung der klassischen Universal-Atmosphäre erstaunlich gut. Definitiv einen großen Anteil daran hat der Score, der von keinem Geringeren als John Williams persönlich stammt – bei Badhams Film handelt es sich um einen der wenigen Ausflüge des Maestros ins Horror-Genre. Sein opulentes, fast schon opernhaft anmutendes Hauptthema für die Titelfigur hilft noch einmal, diesen Film stärker von den musikalisch eher simplen Hammer-Filmen abzuheben.
Fazit: Sehr atmosphärische Neuauflage des Klassikers mit einer besonders romantischen Interpretation der Titelfigur, die aber wie üblich die Figuren und ihre Beziehungen wild durcheinanderwirft und die Handlung eher grob abarbeitet.
Story: Im London des Jahres 1974 treibt ein mysteriöser Kult sein Unwesen, der im Rahmen satanischer Rituale bestialisch Menschen ermordet. Der ermittelnde Scotland-Yard-Inspektor Murray (Michael Coles) zieht den okkulten Experten Lorrimer Van Helsing (Peter Cushing) zu Rate – beiden hatten zwei Jahre zuvor bereits mit ähnlichen Vorfällen zu tun. Und tatsächlich, wie könnte es anders sein, ist Dracula (Christopher Lee) zurückgekehrt und gibt sich als reicher Firmenchef D. D. Denham aus. Seine wahren Absichten sind allerdings weit finsterer, als sich sowohl seine Gegner als auch seine reichen Anhänger ausmalen können, denn dieses Mal plant der Graf das Ende der Welt. Zu diesem Zweck möchte er eine mörderische Seuche entfesseln…
Kritik: „The Satanic Rites of Dracula” ist der letzte Film, in dem Lee für die Hammer Studios den Grafen mimt, allerdings nicht der letzte, in dem das britische Studio Dracula auftreten lässt. Ursprünglicher Arbeitstitel des 1974 erschienen Films war „Dracula is Dead … and Well and Living in London“, gegen den Lee jedoch vehement protestierte. Ohnehin nahm er an diesem Projekt nur noch unter großem Widerwillen teil und distanzierte sich im Nachgang endgültig von dem Vampirgrafen, den er so häufig gespielt hatte. Alan Gibson führte, wie schon beim Vorgänger Regie und auch Drehbuchautor Don Houghton war nach wie vor mit von der Partie.
Diesem Umstand dürfte es wohl geschuldet sein, dass „The Satanic Rites of Dracula” inhaltlich ziemlich direkt an “Dracula A.D. 1972” anknüpft, neben Lees Dracula und Cushings Van Helsing kehrt auch Michael Coles als Inspektor Murray zurück, auf die Ereignisse des Vorgängers wird mehrfach angespielt und Van Helsings Enkelin Jessica ist ebenfalls wieder mit von der Partie, um vor blutgierigen Vampiren gerettet zu werden. Gespielt wird sie dieses Mal jedoch von Joanna Lumley statt von Stephanie Beacham. Stilistisch und inszenatorisch finden sich jedoch große Unterschiede, sowohl zum direkten Vorgänger als auch zu den restlichen Hammer-Filmen. War „Dracula A.D. 1972“ ein relativ typischer Hammer-Film mit aggressiver 70er-Amtosphäre, so ist „The Satanic Rites of Dracula“ über weite Strecken inszeniert wie ein Thriller (allerdings kein besonders atemberaubender) und borgt sich zudem Elemente von Bond-Filmen aus. Tatsächlich agiert Dracula hier weniger wie das animalische Raubtier, als das ihn Hammer sonst oft darstellte, sondern eher wie ein 007-Schurke. Das führt zu einigen interessanten Situationen, so darf sich der Graf gegenüber Van Helsing beispielsweise erstmals als Mensch ausgeben – interessanterweise scheint Lee dabei Bela Lugosis Akzent zu imitieren.
Zudem verleihen Gibson und Houghton dem Grafen eine Motivation, die über die Gier nach Blut hinausgeht, hier hat Dracula einen Todeswunsch, möchte aber gewissermaßen die gesamte Welt mitnehmen, eben indem er eine Seuche entfesselt. Dieser Masterplan gehört zu den primären Elementen, die sofort an Ernst Stavro Blofeld denken lassen. Draculas reiche Unterlinge glauben fälschlicherweise, er wolle die Welt mit einer Seuche erpressen, was genau Blofelds Plan in „On Her Majesty’s Secret Service“ entspricht. Zugleich passt dieses Handlungselement nicht so recht zu dem Kult und den satanischen Elementen – Lee hatte gegen beides Einwände, da ihm diese Deutung der Figur wieder einmal viel zu weit von Stokers Roman entfernt war. Trotzdem lässt sich nicht leugnen, dass hier zumindest interessante Ansätze vorhanden sind und man versuchte, der Filmreihe einen innovativen neuen Spin zu verleihen. Leider lässt die Umsetzung ein weiteres Mal zu wünschen übrig. Obwohl „The Satanic Rites of Dracula“ abermals in den 70er spielt, distanzierte man sich doch von der 70er-Stimmung und den Hippie-Elementen. Das Problem dabei ist, dass der Film über weite Strecken recht öde daherkommt. Und wenn das einmal nicht der Fall ist, kehren Gibson und Houghton dann leider doch wieder zu diversen Albernheiten zurück. Dieses Mal sterben Draculas vampirische Handlanger beispielsweise durch einen Deckensprinkler – nach der Dusche im vorherigen Teil der Serie ist das wohl der nächste logische Schritt. Der Graf selbst wird durch einen Weißdornbusch besiegt – eine weitere Vampirschwäche. Dracula verfängt sich in besagtem Busch, sodass Van Helsing ihn gemütlich pfählen kann.
Alles in allem erweist sich dieses versuchte Neuausrichtung der Filmreihe, die ihr wahrscheinlich den finalen Todesstoß versetzte, als nicht besonders gelungen. Gerade, wenn man auf die gotische Atmosphäre der Hammer-Filme steht, ist „The Satanic Rites of Dracula“ eine Enttäuschung auf ganzer Linie, da er, wie erwähnt, aussieht und sich anfühlt wie ein (ziemlich günstig produzierter) Thriller. Vielleicht braucht ein Hammer-Film einfach das viktorianische Ambiente… Der einzige Grund, sich „The Satanic Rites of Dracula“ anzusehen, ist die finale Interaktion von Cushings Van Helsing und Lees Dracula – Letzterer lässt es sich auch dieses Mal nicht nehmen, noch Stoker-Zitat einzufügen. Die beiden Horror-Ikonen sind nach wie vor über jeden Zweifel erhaben, sobald sie jedoch nicht Teil der Szene sind, fällt es dem Film schwer, die Aufmerksamkeit aufrechtzuerhalten.
Fazit: „The Satanic Rites of Dracula” versucht sich an einer inhaltlichen und atmosphärischen Neuausrichten der Filmreihe, scheitert aber auf so ziemlich ganzer Linie, selbst der unterhaltsame Trash-Faktor des Vorgängers fehlt. Nur Komplettisten und Fans von Cushing und Lee geeignet.
Story: 1872 stirbt Dracula (Christopher Lee) im Kampf gegen Lawrence Van Helsing, hinterlässt jedoch ein paar Überreste. Genau 100 Jahre später macht sich Johnny Alucard (Christopher Neame) daran, den Vampirgrafen mithilfe dieser Überreste in einer satanischen Messe wiederzuerwecken. Doch auch im London des Jahres 1972 hat Dracula einen Feind: Lorrimer Van Helsing, Nachfahre desjenigen, der Dracula bereits den temporären Tod brachte. Da verwundert es kaum, dass Dracula sich an den Van Helsings rächen möchte und deshalb Lorrimers Enkelin Jessica (Stephanie Beacham) zu seinem nächsten Ziel macht…
Kritik: Kontinuität war noch nie die größte Stärke der Hammer-Dracula-Reihe, aber bislang gab es in jedem der Filme zumindest eine Verknüpfung zum Vorgänger – zumeist wurde Draculas Tod im vorherigen Film direkt aufgegriffen. Obwohl in „Dracula A.D. 1972“ (der grandiose deutsche Titel lautet „Dracula jagt Minimädchen“) abermals Christopher Lee und Peter Cushing in ihre ikonischen Rollen schlüpfen, handelt es sich doch, zumindest inhaltlich, um einen vollständigen Reboot, der bezüglich der Ereignisse und Chronologie nicht zu den bisherigen Filmen passt. Hammers „Dracula“ spielt im Jahr 1885, während der Graf in „Dracula A.D. 1972“ bereits 1872 „stirbt“ und 100 Jahre lang tot ist.
Nachdem „Scars of Dracula“ weder bezüglich Kritik noch Box Office zu überzeugen wusste, kam man bei Hammer zu dem Schluss, die Filmreihe zu revitalisieren. Ursprünglich war ein deutlich aufwändigeres Projekt geplant, in welchem Dracula auf die indische Todesgöttin Kali treffen sollte, man entschied sich dann für eine preiswertere Alternative und beschloss, inspiriert von dem 1970 erschienen Film „Count Yorga, Vampire“, den Vampirgrafen auf das gegenwärtige London loszulassen. Ähnlich wie in „Taste the Blood of Dracula“ wird der Blutsauger durch ein satanisches Ritual wieder zum Leben erweckt, anders als im Vorgänger sind es dieses Mal allerdings nicht viktorianische Gentlemen, sondern Hippie-Satanisten.
Highlight des Films ist ohne jeden Zweifel die Wiedervereinigung Christopher Lees als Dracula und Peter Cushings als Van Helsing, deren Zusammenspiel so grandios ist wie eh und je. Abseits davon hat „Dracula A.D. 1972“ allerdings nicht allzu viel zu bieten. Dracula in der Moderne wurde immer wieder versucht und erwies sich zumeist als Konzept, das nicht allzu gut funktioniert, sei es in „Wes Craven’s Dracula“ oder der dritten Folge der Netflix/BBC-Serie-Adaption des Romans, und in Hammers siebtem Dracula-Film ist es kaum anders. Die aggressive 70er-Ästehtik, die nicht zuletzt durch den bizarren Soundtrack von Mike Vickers vermittelt wird, ist zwar auf schräge Weise sehr amüsant, sorgt aber dafür, dass selten Atmosphäre, geschweige denn Horror aufkommt. Zudem bietet „Dracula A.D. 1972“ abseits des Settings kaum etwas Neues; Regisseur Alan Gibson und Drehbuchautor Don Houghton bemühen dieselben alten Hammer-Klischees, die bereits in den vorherigen Filmen zum Einsatz kamen, zusätzlich zu einigen wirklich dämlichen Ideen. So begeht der zum Vampir gewordene Johnny Alucard unfreiwilligen Selbstmord, weil er aus versehen die Dusche anstellt und das fließende Wasser ihn tötet, was ihn zum jämmerlichsten Sklaven Draculas macht. Immerhin inspirierte „Dracula A.D. 1972“ einige kreative Köpfe, Tim Burton hebt seine Liebe zu diesem Film immer wieder hervor und in seinem „Dark Shadows“ von 2012 ist der Einfluss dieses Hammer-Films deutlich spürbar. Zudem griff Kim Newman in seiner passend betitelten „Anno Dracula“-Fortsetzung „Johnny Alucard“ einige Elemente auf.
Fazit: Es gibt nur zwei Gründe, „Dracula A.D.1972“ anzusehen: Die Wiedervereinigung von Lee und Cushing in ihren ikonischen Rollen als Dracula und Van Helsing und der absurd-bizarre 70er-Charme des Films. Davon abgesehen bietet Hammers siebter Dracula-Film wenig Interessantes und noch weniger Neues.
Story: Ein Jahr ist vergangen, seitdem Dracula (Christopher Lee) ein weiteres Mal vernichtet wurde, doch die Schrecken, die er entfesselte, sind noch nicht vergangen, die Dorfbewohner fürchten den Grafen nach wie vor und weigern sich beispielsweise, die Messe zu besuchen, da der Schatten von Draculas Schloss die Kirche berührt. Monsignor Ernst Mueller (Rupert Davies), der gerade das Dorf besucht, will davon allerdings nichts wissen und macht sich auf den Weg zum Schloss, um es mit einem heiligen Ritual endgültig zu verschließen. Der Dorfpriester (Ewan Hooper), der seinen Glauben verloren hat, stößt derweil durch Zufall auf den im Eis eingesperrten Dracula und erweckt ihn durch seine Ungeschicklichkeit zu neuem Leben. Wütend, weil er sein Schloss nicht mehr betreten kann, sucht Dracula bereits wieder nach einem neuen Opfer und findet es in Ernst Muellers Nichte Maria (Veronica Carlson)…
Kritik: „Dracula Has Risen from the Grave“, Hammers vierter Dracula-Film, startete genau zehn Jahre nach Christopher Lee Debüt als blutsaugender Graf in den Kinos. Ab dieser Fortsetzung, der dritten, in der Lee mitwirkte, zeigte der Darsteller so vieler berühmter Schurken gewisse Hemmungen, das Cape wieder anzulegen, er fand die Drehbücher immer unorigineller und war auch mit dem Umstand, dass die Hammer-Filme kaum mehr etwas mit Stokers Roman zu tun hatten, äußerst unzufrieden. Den Verantwortlichen bei Hammer gelang es allerdings immer wieder, Lee zurückzubringen, indem sie beispielsweise argumentierten, der Film sei bereits mit Lees Namen verkauft und wenn er nicht mitspielte, würden hundert Leute ihren Job verlieren. Es ist wohl nur auf Lees bewundernswerten Anstand zurückzuführen, dass wir ihn in so vielen Dracula-Filmen bewundern können.
Ursprünglich hätte auch Terence Fisher, Regisseur der ersten drei Dracula-Filme, zurückkehren sollen, aufgrund einer Verletzung, die er sich bei einem Autounfall zuzog, konnte er jedoch nicht am Dreh teilnehmen und musste durch Freddie Francis ersetzt werden. Francis hatte in den 60ern bereits einige Hammer-Filme gedreht, darunter auch „The Evil of Frankenstein“ (1964), in welchem Peter Cushing zum dritten Mal den titelgebenden verrückten Wissenschaftler mimt. Und tatsächlich vermisst man einige Aspekte von Fishers Regiearbeit in „Dracula Has Risen from the Grave“, ich persönlich hatte den Eindruck, dass Francis in stärkerem Ausmaß auf Außenaufnahmen setzt, zugleich aber eine weniger stimmige Bildsprache verwendet, gerade im Vergleich zu „The Brides of Dracula“, dessen grandiose Atmosphäre und Sets in dieser Filmserie nach wie vor unübertroffen sind.
Die Formelhaftigkeit der Hammer-Draculas lässt sich kaum leugnen: Nachdem in „Dracula: Prince of Darkness“ noch ein elaboriertes Ritual nötig war, um den Grafen zurückzubringen, wird er dieses Mal durch Zufall in dem Eis, in dem er am Ende von besagtem Film endete, entdeckt und durch die Ungeschicklichkeit des Dorfpriesters wiedererweckt: Ein wenig Blut auf den Lippen ist alles, was nötig ist. Trotz allem agiert der Graf in diesem Film deutlich aktiver und gibt sogar wieder die eine oder andere Dialogzeile von sich, nachdem er im Vorgänger völlig stumm war. Zudem sah man sich bei Hammer genötigt, den Exploitation-Faktor zu erhöhen. Natürlich ist „Dracula Has Risen From the Grave“ nach heutigen Horror-Maßstäben immer noch verhältnismäßig zahm, beginnt aber immerhin mit einem Leichenfund, an Blut und Bissszenen wird nicht gegeizt und die Ausschnitte werden auch immer tiefer – das betrifft primär den der Kellnerin Zena (Barbara Ewing), die als Draculas erstes Opfer herhalten darf.
Der vielleicht faszinierendste Aspekt des vierten Dracula-Films ist die religiöse Komponente. Diese war freilich immer schon vorhanden, schließlich findet sich kaum ein Dracula-Film, in dem nicht irgendwelche Gegenstände zu einem Kreuz improvisiert werden, um den Grafen abzuschrecken, die eigentliche Religiosität der Figuren spielte dabei aber selten eine Rolle, sie wird meistens als gegeben betrachtet. In „Dracula Has Risen from the Grave“ hingegen findet sich mit dem von Barry Andrews gespielten Paul eine Figur, die explizit als Atheist identifiziert wird. Aus diesem Grund hat Paul Probleme, sich dem Grafen zu widersetzen – das geht tatsächlich soweit, dass eine versuchte Pfählung misslingt. Erst als der Dorfpriester, der durch die Ereignisse zum Glauben zurückfindet, ein Gebet spricht, kann Dracula ins Jenseits geschickt werden (natürlich nur, bis er im nächsten Film zurückkehrt). Hier drückt sich, trotz Blut und Brüsten, die letztendlich sehr konservative Haltung des Films aus. Ein zusätzliches Gebet war zudem in bisherigen Filmen nie nötig. Vampirfilme und andere Medien haben immer wieder mit diesem Aspekt gespielt, in Roman Polanskis „The Fearless Vampire Killers“ ist das Kreuz gegen Chagall beispielsweise nutzlos, weil dieser Jude ist. Das Element des wahren Glaubens sollte später vom Pen&Paper-Rollenspiel „Vampire: The Masquerade“ adaptiert werden, hier helfen religiöse Symbole nur, wenn tatsächlich wahrer Glaube dahintersteckt. In diesem Kontext spielt der Glaube des Vampirs oder der Wahrheitsgehalt der Religion keine Rolle, es kommt lediglich auf den Glauben dessen an, der versucht, den Vampir abzuwehren.
Abgesehen von diesen Aspekten bietet „Dracula Has Risen from the Grave“ wenig neues: Ersatz-Van-Helsing Ernst Mueller ist deutlich weniger markant als sein Gegenstück aus dem Vorgänger und auch die anderen Figuren sind in letzter Konsequenz mehr oder weniger Abziehbilder der in Stokers Roman und im ersten Hammer-Dracula etablierten Archetypen, Maria Mueller macht sogar eine ähnliche Wandlung durch wie Mina im Film von 1958 – nach dem Vampirbiss verhält sie sich deutlich lasziver. Lee ist natürlich grandios wie immer und hier deutlich präsenter, er taucht früher auf und handelt mehr wie eine Figur mit spezifischen Absichten denn eine bloße, animalische Bedrohung, wie es in „Prince of Darkness“ der Fall war. Und sein Tod ist dieses Mal deutlich spektakulärer als im Vorgänger.
Fazit: Die Formel der Hammer-Dracula-Filme wird im vierten Eintrag der Serie nur allzu deutlich, dennoch gelingt es Regisseur Freddie Francis und Drehbuchautor AnthonyHinds zumindest, den einen oder anderen interessanten Aspekt einzubringen. Eine stärkere Präsenz Christopher Lees macht „Dracula Has Risen From the Grave“ nach wie vor sehr anschaubar.
Story: Trotz der Warnung des eigenwilligen Priesters Sandor (Andrew Keir) begeben sich die vier englischen Touristen Charles (Francis Matthews), Diana (Suzan Farmer), Helen (Barbara Shelley) und Alan (Charles Tingwell), die gerade Transsylvanien bereisen, nach Karlsbad. In Sichtweite eines ominösen Schlosses werden sie von ihrem abergläubischen Kutscher im Stich gelassen, eine herrenlose Kutsche bringt sie jedoch zum Schloss, wo sie einen gedeckten Tisch vorfinden. Begrüßt werden die vier vom enigmatischen Klove (Philip Latham), der ihnen von seinem verstorbenen Herrn Graf Dracula (Christopher Lee) berichtet. Keiner der vier Engländer ahnt, dass Klove darauf aus ist, seinen vampirischen Herrn wiederzuerwecken. Dies gelingt ihm auch, indem er Alan über Draculas Asche ausbluten lässt: Der Vampirfürst erwacht zu neuem Leben und lechzt nach dem Blut der verbliebenen Engländer…
Kritik: Nachdem „The Brides of Dracula“ ohne Christopher Lee auskommen musste, sollte er schließlich für „Dracula: Prince of Darkness“ 1966 zurückkehren. Dieses Mal war es Peter Cushing, dessen Van Helsing kein Teil des Films ist – mit Ausnahme der Prologszene, versteht sich, die als Rückblick aus Hammers erstem Dracula-Film stammt und die direkte Verknüpfung dieses Sequels zum Original verdeutlichen soll. Zudem verpflichtete Hammer abermals Regisseur Terence Fisher, der mit „Prince of Darkness“ seinen dritten und letzten Dracula-Film drehte (sofern man „The Brides of Dracula“ diesbezüglich mitrechnen möchte). Auch der Score von James Bernard knüpft direkt an die Musik des Originals an und macht ausgiebigen Gebrauch von dem aus drei Noten bestehenden Dracula-Motiv.
Mehr noch als die beiden Vorgänger bemüht sich „Prince of Darkness“ um einen sehr langsamen, schleichenden Spannungsaufbau; Fisher arbeitet in großem Ausmaß mit Andeutungen, visuellen Hinweisen und unheimlichen Kamerafahrten durch das Schloss. Bis zu Draculas tatsächlichem Auftauchen vergehen gut und gerne 45 Minuten. Der Dracula, den Fisher, Lee und Drehbuchautor Jimmy Sangster (hier unter dem Pseudonym John Sansom) dem Publikum präsentieren, ist noch brutaler und animalischer als der des Erstlings. „Prince of Darkness“ ist primär als der Dracula-Film bekannt, in dem Christopher Lee kein Wort spricht, sondern nur Fauchen und Knurren von sich gibt. Lee selbst behauptete einmal, er habe das Drehbuch als so schlecht empfunden, dass er sich schlicht weigerte, die Dialogzeilen zu sprechen, während Sangster dagegenhielt, er habe nie Dialoge für den Grafen verfasst und dieser sei von Anfang an als stummes Monster konzipiert gewesen. Wie dem auch sei, Lees ehrfurchtgebietende Leinwandpräsenz ist nach wie vor über jeden Zweifel erhaben und sein Dracula funktioniert auch ohne Worte.
Da Peter Cushing sich auf die ebenfalls von Hammer produzierten Frankenstein-Filme konzentrierte, bekommt Dracula es stattdessen mit Vater Sandor zu tun, der ein wirklich mehr als brauchbarer Ersatz ist. Andrew Keir gelingt es, seiner Figur dieselbe Hingabe wie Cushings Van Helsing zu verleihen, den stürmischen und wenig zurückhaltenden Priester aber zugleich zu einem Charakter zu machen, der sich nicht wie eine billige Van-Helsing-Kopie anfühlt. Tatsächlich finde ich es schade, dass Andrew Keir die Rolle im Verlauf der Filmserie nicht noch einmal spielen durfte. Im Gegensatz dazu bleiben die vier Engländer leider verhältnismäßig blass und uninteressant.
Storytechnisch handelt es sich bei „Prince of Darkness“ zwar um eine Fortsetzung – und um das erste Mal, dass Dracula auf mehr oder weniger fragwürdige Art und Weise zurückgebracht wird – es finden sich aber erstaunlich viele Parallelen zum ersten Teil der Serie bzw. zu Stokers Roman. Tatsächlich greifen Sangster und Fisher das eine oder andere Elemente der Vorlage auf, das es nicht in den Film von 1958 geschafft hat. So erinnert Klove nicht von ungefähr an Renfield, Charles entdeckt den mit offenen Augen in seinem Sarg liegenden Dracula, Diana trinkt, genau wie Mina im Roman, Blut direkt von einer Wunde an Draculas Brust und am Ende kommt es zu einer Kutschenverfolgungsjagd. Im Finale wird zudem eine weitere klassische Vampir-Schwäche aufgegriffen: Fließendes Wasser. Ob das auf diese Art gelungen umgesetzt wurde, ist freilich diskutabel, aber ein wenig Variation beim Tod der Vampire ist durchaus begrüßenswert. Eine klassische Pfählung findet sich ebenfalls, die zur Vampirin gewordenen Helen, die getrost als Lucy-Gegenstück gesehen werden kann, ist die erste Hammer-Vampirin, die in wachem und nicht in schlafendem Zustand mit dem Holzpflock bearbeitet wird.
Was „Prince of Darkness“ hingegen leider fehlt, sind die beeindruckenden Sets und die dichte Atmosphäre, mit der „The Brides of Dracula“ überzeugen konnte. Hammer befand sich gerade auf Sparkurs, weshalb mit demselben Cast und denselben Sets gleich parallel „Rasputin: The Mad Monk“ gedreht wurde – selbstverständlich spielt Lee auch in diesem Film die Titelrolle.
Fazit: Alles in allem ist „Dracula: Prince of Darkness“ eine durchaus gelungene Fortsetzung und insgesamt sicherlich einer der besseren Hammer-Dracula-Filme. Gerade weil Christopher Lee im Film kein Wort sagt, kommt er umso bedrohlicher und raubtierhafter daher. Mit Andrew Keir als Vater Sandor wurde zudem ein passender Ersatz für Cushings Van Helsing gefunden.
Story: Die französische Lehrerin Marianne (Yvonne Monlaur) hat eine Stelle an einem Mädcheninternat in Transsylvanien bekommen, doch auf der Reise strandet sie in einem Dorf, da ihre Kutsche ohne sie abfährt. Da die Bewohner ebenso unfreundlich wie merkwürdig sind, ist Marianne froh, als ihr die enigmatische Baronin Meinster (Martita Hunt) anbietet, die Nacht auf ihrem Schloss zu verbringen. Die Baronin gibt sich dann allerdings ebenfalls reichlich seltsam. Schließlich findet Marianne heraus, dass der Sohn ihrer Gastgeberin, Baron Meinster (David Peel), in einem Teil des Schlosses angekettet ist. Aus Mitleid befreit sie den hübschen jungen Mann und entfesselt damit unwissentlich einen blutsaugenden Schrecken. Nur Van Helsing (Peter Cushing) ist in der Lage, den Baron aufzuhalten…
Kritik: Nachdem sich Hammers „Dracula“ als Erfolg erwies war klar: Da muss eine Fortsetzung her. Wie wir inzwischen wissen, hatten die Hammer Studios kein Problem damit, den Grafen ein ums andere Mal wiederzubeleben, um ihn erneut gegen Van Helsing oder andere Vampirjäger antreten zu lassen. Unter all den Dracula-Filmen des Studios ist „The Brides of Dracula“, der bereits 1960, zwei Jahre nach Lees Debüt als Vampirfürst, in die Kinos kam, der wahrscheinlich merkwürdigste, da, trotz des Titels, weder Dracula selbst, noch seine Bräute in diesem Film auftauchen. Tatsächlich gibt es so gut wie keine inhaltliche Verknüpfung zur Handlung des ersten Dracula-Films, nicht einmal wie auch immer geartete Verweise. Der Name des Grafen wird einmal eher nebenbei erwähnt. Die einzige Ausnahme ist Van Helsing, abermals gespielt von Peter Cushing, der zwar die zweite Hälfte des Films dominiert, aber eher zufällig auf die Protagonistin Marianne trifft. Immerhin, sein Vorhandensein in der Handlung ist wenigstens nicht zufällig, da er als Experte herangezogen wird.
Die ursprünglichen Drehbuchfassung mit dem Titel „Disciple of Dracula“, verfasst von Jimmy Sangster, der auch schon das Drehbuch des Films von 1958 geschrieben hatte, war in weitaus stärkerem Ausmaß als direkte Fortsetzung konzipiert. Zwar sollte Baron Meinster hier bereits als Antagonist fungieren, aber ein Gastauftritt von Dracula, evtl. als Geist, war geplant. Zudem sollte der Baron als Anhänger und somit Nachfolger des Grafen gezeigt werden. Ob Hammer tatsächlich bei Christopher Lee anfragte ist nicht bestätigt, jedenfalls wurde Sangsters Drehbuch von ihm selbst sowie Peter Bryan, Edward Percy und Anthony Hinds umgeschrieben, sodass jegliche Verweise auf Dracula verschwanden – ironischerweise wurde Van Helsing hier allerdings erst Teil der Geschichte. Hammer entschied sich zudem, aufgrund der Marketingwirkung Dracula trotz des völligen inhaltlichen Fehlens mit in den Titel zu nehmen. Bei besagten Bräuten dürfte es sich um die beiden Vampirinnen (Marie Devereux und Andrée Melly) handeln, die Baron Meinster im Film erschafft. Marianne steht auch kurz davor, zur Vampirin zu werden, mit ihr wäre die klassische Zahl erreicht, auch wenn sie natürlich Meinsters und nicht Draculas Bräute sind.
Gewisse inhaltliche Parallelen zu Hammers „Dracula“ lassen sich trotz der fehlenden Verweise nicht von der Hand weisen: Wie Jonathan Harker entdeckt auch Marianne nach langer Reise als Gast auf einem Schloss vampirische Umtriebe, um dann in der zweiten Hälfte als Protagonistin praktisch von Van Helsing abgelöst zu werden. Anders als Harker stirbt sie aber nicht, sondern wird „nur“ zum Opfer degradiert und muss am Ende des Films natürlich gerettet werden.
Die eigentlich essentielle Frage ist natürlich: Kann David Peel als Baron Meinster dem großen Christopher Lee das Wasser reichen? Die Antwort lautet natürlich „Nein“, aber im Großen und Ganzen leistet Peel keine schlechte Arbeit, er befindet sich nur in einer unvorteilhaften Situation. Der Titel und die Gegenwart Van Helsings sorgen automatisch dafür, dass Peel als „Ersatz-Dracula“ wahrgenommen wird – hätte es sich bei „The Brides of Dracula“ um einen x-beliebigen Vampirfilm gehandelt, hätte man die beiden Darsteller und ihre Figuren vielleicht gar nicht miteinander verglichen. Peel gelingt es durchaus, sowohl die charmante als auch die raubtierhafte Seite seiner Figur darzustellen. Problematisch ist hier vor allem das Drehbuch; die Hintergründe der Figur werden fast völlig im Dunkeln gehalten. Als Zuschauer erfährt man nicht, wie es zur Ausgangslage kam, wie der Baron zum Vampir wurde und in die Obhut seiner Mutter gelangte. Anhand der Hintergründe des Films kann man davon ausgehen, dass Dracula dafür verantwortlich ist bzw. in der ersten Drehbuchfassung dafür verantwortlich war, in der Story des fertigen Films klaffen nun aber einige Lücken. Das ist besonders schade, weil die Handlung durchaus Potential hat, gerade aus der Konstellation um den Baron und seine Mutter hätte man deutlich mehr machen können, besonders, wenn die Drehbuchautoren Meinster eine Motivation über frisches Blut hinaus verpasst hätten. Zumindest schauspielerisch gibt es allerdings recht wenig zu meckern: Peter Cushing ist wie üblich über jeden Zweifel erhaben, aber auch Martita Hunt als mysteriöse Baronin und Freda Jackson als unheimliche Vampirhandlangerin Greta wissen zu überzeugen.
Trotz des Fehlens von Christopher Lee gibt es zweifellos einen Aspekt, in dem „The Brides of Dracula“ dem Vorgänger eindeutig überlegen ist: Ausstattung und Sets. Wo Regisseur Terence Fisher in „Dracula“ noch mit recht beschränkten Mitteln arbeiten und mitunter dasselbe Set für mehrere Örtlichkeiten verwenden und umdekorieren musste, hatte er in „The Brides of Dracula“ dagegen weitaus mehr Möglichkeiten. Im Vergleich zu Draculas Schloss ist der Sitz der Familie Meinster geradezu üppig ausgestattet und auch das Mädcheninternat oder die Dorfszenen können sich zweifelsohne sehen lassen. Insgesamt ist „The Brides of Dracula“ vielleicht der bestaussehndste Hammer-Film.
Zum Schluss noch einige amüsante Beobachtungen: In „Dracula“ verkündete Peter Cushings Van Helsing, Vampire seien nicht in der Lage, sich in Fledermäuse zu verwandeln – etwas, das Baron Meinster hier tut, worauf Van Helsing auch hingewiesen wird. Noch dazu ist es eine äußerst große und äußerst unüberzeugende Fledermaus. Interessant ist zudem, dass sich die Infektion mit Vampirismus wohl verhindern lässt, indem man die Wunde ausbrennt – genau das tut Van Helsing im Finale. Hier zeigt Cushing wirklich sein ganzes Talent und stellt den Prozess überzeugend dar. Die Brandwunde verschwindet anschließend auf magische Weise. Besagtes Finale spielt übrigens in einer Windmühle, deren Flügel Van Helsing auf kreative Weise nutzt, um Meinster mit dem Schatten eines Kreuzes zu bezwingen. Ich persönlich werde den Verdacht nicht los, dass diese Mühle Tim Burton für eine Szene seiner Hammer-Hommage „Sleepey Hollow“ inspirierte.
Fazit: „The Brides of Dracula“ ist ein durchaus unterhaltsamer, wenn auch alles andere als innovativer Gothic-Horror-Film mit einigen Story-Lücken und -Problemen, einem großartig aufgelegten Peter Cushing und einer beeindruckenden Ausstattung. Eines ist „The Brides of Dracula“ allerdings nicht: Ein Dracula-Film.
Kommen wir endlich zu dem Schauspieler, der Dracula am häufigsten verkörperte, dem Mann, dem Mythos, der Legende: Sir Christopher Lee. Seinen ersten Auftritt als Dracula absolvierte der 1922 geborene und 2015 verstorbene Darsteller, dem durch seine Rollen als Saruman der Weiße in LotR und Count Dooku in Star Wars in den frühen 2000ern noch einmal ein ordentliches Karriererevival wiederfuhr, 1958 in der Produktion „Dracula“ (US-Titel „Horror of Dracula“) der britischen Hammer Studios. Hierauf sollten noch viele weitere Filme folgen, in denen Lee den untoten Grafen mimte, die meisten, aber nicht alle, ebenfalls von Hammer.
Präludium: Aufstieg der Hammer Studios Die von Williams Hinds 1934 gegründeten Hammer Studios, bzw. Hammer Film Productions sollten vor allem in den 60ern und 70ern ein Synonym für britischen Horror werden, die ersten Filme des Studios gehörten jedoch einer ganzen Bandbreite an Genres an, von Mystery und Krimi bis hin zur Musical-Komödie fand sich fast alles darunter. Als erster Gehversuch des Studios im Horror-Bereich kann der Film „The Quatermass Xperiment“ aus dem Jahr 1955 gesehen werden, als eigentlicher Start gilt aber „The Curse of Frankenstein“ von 1957; hier versammelte Hammer bereits einen großen Teil der Talente, die später an „Dracula“ beteiligt sein sollten, darunter Regisseur Terence Fisher, Komponist James Bernard sowie die beiden Hauptdarsteller Peter Cushing und Christopher Lee. Während Cushing den titelgebenden Wissenschaftler spielte, wurde Lee vor allem aufgrund seiner enormen Größe als Monster besetzt – schauspielerisch allzu anspruchsvoll war die Rolle nicht. Am bemerkenswertesten ist wohl der visuelle Unterschied zum von Boris Karloff dargestellten Monster der Universal-Filme, das mit seinem eckigen Schädel und den Schrauben im Hals damals wie heute eine Ikone des klassischen Horrorfilms war und ist. Mary Shelleys Roman befand sich bereits damals in der Public Domain, das Aussehen des Monsters aber natürlich nicht, weshalb man sich entschied, auf die Markenzeichen zu verzichten und stattdessen die Entstellungen noch weitaus stärker zu betonen. Wie Karloff verfügt aber auch die von Lee dargestellte Version des Monsters nicht über den Intellekt, den das Gegenstück aus Shelleys Roman besitzt.
Christopher Lee arbeitete zu diesem Zeitpunkt bereits seit 10 Jahren als Schauspieler – nach seiner Militärkarriere hatte er 1947 umgesattelt – der große Durchbruch war ihm aber bislang verwehrt geblieben, auch wenn ihm seine Rolle in John Hustons „Moulin Rouge“ (1952) zu einer gewissen Bekanntheit verhalf. Die Rolle von Frankensteins Monster war natürlich ebenfalls nicht unbedingt dazu geeignet, Lee zu Ruhm und Ansehen zu verhelfen, da sie einerseits darstellerisch nicht gerade fordernd und sein Gesicht unter der Maske ohnehin kaum zu erkennen war. Ganz anders dagegen der Hammer-Film, der nur ein Jahr später in die Kinos kam: „Dracula“.
Handlungsanpassungen Während es heute eine große Bandbreite an verschiedenen Dracula-Versionen gibt, hatte das geneigte Filmpublikum in den späten 50ern noch nicht diesen Luxus – Dracula wurde fast ausschließlich mit Bela Lugosi assoziiert. Hammer bemühte sich deshalb in mehr als einer Hinsicht, die Bezüge zum Film von 1931 zu vermeiden. So basiert dieser Film auch nicht auf dem Theaterstück von Hamilton Deane und John L. Balderston, sondern ausschließlich auf Stokers Roman – was aber nicht unbedingt bedeutet, dass er werkgetreuer ist. Zumindest eine Gemeinsamkeit verbindet die beiden Dracula-Produktionen: Ein knappes Budget. Zudem knüpften Terence Fisher und Drehbuchtautor Jimmy Sangster an die bereits in „Nosferatu: Eine Sinfonie des Grauens“ und Tod Brownings „Dracula“ etablierte Tradition an, die Figuren und ihr Verhältnis zueinander kräftig durchzumischen.
Zumindest das grobe Gerüst der Handlung des Romans bleibt bestehen: Jonathan Harker (John Van Eyssen) reist zu Draculas Schloss, um dem Grafen (Christopher Lee) bei gewissen Geschäften behilflich zu sein und anschließend dort festgesetzt zu werden, während sich der Graf aufmacht, anderswo Opfer zu suchen und ein solches in der jungen Lucy (Carol Marsh) findet. Trotz der Bemühungen des hinzugezogenen Abraham Van Helsing (Peter Cushing) gelingt es nicht, Lucy zu retten – sie wird zur Vampirin und muss gepfählt werden. Derweil hat Dracula mit Mina (Melissa Stribling) bereits ein neues Opfer auserkoren. Um sie zu retten muss Van Helsing dem flüchtigen Grafen nach Transsylvanien folgen, um ihm endgültig den Garaus zu machen.
Bei einem Blick auf die Details fallen allerdings sofort die massiven Unterschiede auf: Nicht nur kommt Jonathan Harker am Tag beim Schloss des Grafen an, er ist auch alles andere als ein ahnungsloser Anwalt, der Dracula beim Erwerb von Immobilien helfen soll. Stattdessen wird er als Bibliothekar angeheuert und ist sich sehr wohl im Klaren, wer und was Dracula ist. Bereits zu diesem Zeitpunkt ist Jonathan als Vampirjäger tätig und ermittelt gemeinsam mit Van Helsing, die Stellung als Draculas Bibliothekar ist nur Tarnung. Im Schloss begegnet er, anders als sein Romangegenstück, nur einer Vampirin (Valerie Gaunt), die sich als sehr gequältes und unwilliges Opfer Draculas entpuppt, das seinen Durst einfach nicht kontrollieren kann. Vampirjäger, der er ist, stöbert Jonathan Dracula und seine „Braut“ in der Gruft auf – sie kann er erlösen, Dracula erwacht allerdings und macht Jonathan zu seinesgleichen, bevor er abreist, um Ersatz für die getötete Gespielin zu finden. Bald darauf trifft Van Helsing ein und sieht sich gezwungen, seinen Freund zu pfählen.
Und wo wir gerade von Draculas Abreise sprechen: Weder Whitby noch London tauchen im Film auf. Draculas Schloss wird hier in der Nähe von Klausenburg (Cluj-Napoca) verortet, Draculas Ziel, das er per Kutsche und nicht per Schiff erreicht, ist Karlstadt in Deutschland. Ironischerweise verlegt ausgerechnet die deutsche Synchronisation die gesamte Handlung nach Großbritannien, indem sie aus Klausenburg „Waterfield“ macht.
In Karlstadt warten Jonathans Angehörige auf Nachricht von ihm. Anstatt mit Mina ist er mit Lucy verlobt, die dieses Mal weder das Objekt der Begierde dreier Männer, noch John Sewards Ziehtochter ist – tatsächlich fehlen sowohl Seward als auch Quincey Morris im Film völlig. Stattdessen ist Lucy Arthur Holmwoods (Michael Gough) Schwester und trägt dementsprechend seinen Namen. Arthur selbst muss auf seinen Adelstitel (Lord Godalming) verzichten, dafür ist er mit Mina verheiratet. Van Helsing wird schließlich dann auch nicht als Experte hinzugezogen, um der erkrankten Lucy zu helfen, sondern taucht von selbst auf, um sie über Jonathans Tod zu informieren. Als er von Lucys Krankheit erfährt, schöpft er Verdacht, woraufhin sich die Ereignisse ähnlich entfalten wie in Stokers Roman. Die zur Vampirin gewordene Lucy muss Van Helsing dieses Mal selbst pfählen und auch im Finale wird er deutlich aktiver. Statt einer Verfolgungsjagd mit den Häschern des Grafen (die in diesem Film nicht existieren), hetzen die beiden Widersacher einander durch Draculas Schloss, bis es Van Helsing gelingt, die Vorhänge des Esszimmers aufzureißen, woraufhin die Sonne dem Vampirfürsten ein Ende bereitet.
Inszenierung In den 30ern hatte Tod Browning bei seiner Dracula-Verfilmung kaum Spielraum, trotz ihres ikonischen Status ist sie, im wahrsten Sinne des Wortes, blutleer: Weder der Prozess des Bluttrinkens, noch der Tod der Vampire wird gezeigt. Brownings „Dracula“ verlässt sich auf das Charisma Bela Lugosis und auf die Atmosphäre, die nicht zuletzt durch die schwarzweißen Bilder begünstigt wird. Terence Fisher musst zwar ebenfalls mit einem sehr beschränkten Budget kämpfen, hatte aber ansonsten nicht dieselben Probleme: Sein Dracula darf Zähne zeigen, Blut trinken und wenn Van Helsing und Arthur Holmwood Lucy pfählen, hält die Kamera voll drauf. Eines der hervorstechendsten Elemente der Horrorfilme von Hammer ist tatsächlich die Farbe des Blutes, das in einem hellen Rotton sofort die Bildkomposition dominiert. Insgesamt ist der Exploitation-Faktor ein essentieller Aspekt der Filme des Studios. Im Vergleich zu späteren Filmen ist „Dracula“ noch recht zahm, aber die tief ausgeschnittenen Dekolletés und die animalischen Angriffe Draculas sprechen eine recht eindeutige Sprache. Dieser Dracula ist kein Verführer, sondern ein Raubtier. Diese verhältnismäßig große Freiheit gibt Fisher die Möglichkeit, viktorianische Prüderie zum Thema zu machen; dieses Element illustriert er beispielsweise durch Minas deutlich freizügigeres Verhalten nach Draculas Biss.
Strukturell ist Fishers „Dracula“ tatsächlich ziemlich ausgewogen, er verfügt über ein höheres Tempo als die sehr gemächliche Browning-Version und erweckt niemals den Eindruck einer abgefilmten Bühnenproduktion, ist aber noch deutlich entspannter als spätere Sequels. Die Abwandlungen in der Handlung und die Reduzierung des Casts nehmen der Geschichte zwar Komplexität, erlauben aber eine gleichmäßige Handlungsführung und weisen zudem einige durchaus interessante Ideen auf. Ein Jahr, bevor Robert Blochs Roman „Psycho“ publiziert wurde, arbeitete Fisher bereits mit demselben Twist: Jonathan Harker tritt als Protagonist auf, nur um am Ende des ersten Aktes unrühmlich abserviert und von Van Helsing abgelöst zu werden – eine Aufgabe, der Peter Cushing mehr als gewachsen ist. Nicht umsonst gilt Cushing vielen als definitiver Van Helsing. Nachdem er in „The Curse of Frankenstein“ den ebenso skrupellosen wie zielstrebigen Victor Frankenstein mit kalter Präzision spielte, zeigt er sich in „Dracula“ von seiner menschlicheren, wärmeren Seite, auch wenn die Zielstrebigkeit zweifelsohne nach wie vor vorhanden ist.
Christopher Lee als Dracula Rein visuell entspricht Christopher Lee hier nicht unbedingt Stokers Beschreibung: Er mag eine hochgewachsene, imposante Erscheinung sein, lässt jedoch den Schnurrbart vermissen und wird im Verlauf des Films auch nicht jünger. Dennoch ist Lees Graf, zumindest bezüglich der Charakterisierung, der Romanfigur wahrscheinlich am nächsten; diese Version der Figur ist von allen filmischen Darstellungen die böseste, ihm fehlt die Melancholie, über die seine Vorgänger Max Schreck und Bela Lugosi verfügen, von der expliziten Tragik eines Gary Oldman gar nicht erst zu sprechen. Dennoch verleiht auch Lee dem Grafen eine subtile Traurigkeit, eine Unzufriedenheit mit dem untoten Zustand, die in einem der späteren Sequels allerdings noch verdeutlicht wird. Davon abgesehen interpretieren Lee und Fisher Dracula sehr ähnlich wie Stoker: Nur zu Beginn tritt der Graf wirklich als Charakter auf und agiert mit Jonathan Harker, danach fungiert er primär als Monster und spricht kaum mehr – ganz anders als Lugosis Dracula, für den diverse Interaktionsszenen mit den Vampirjägern hinzugedichtet wurden. Fisher setzt Dracula spärlich, aber gezielt ein, eine unsichtbare Bedrohung, der Lucy langsam, aber unweigerlich zum Opfer fällt. Lucys Krankheit, Tod und Rückkehr als Vampirin sind die Elemente des Films, die, trotz des Fehlens von John Seward und Quincey Morris, am akkuratesten umgesetzt sind.
Draculas Eigenschaften als Vampir sind hier relativ stark reduziert: Geblieben ist der Blutdurst, die Anfälligkeit gegenüber heiligen Symbolen, Knoblauch und Sonnenlicht sowie die übermäßig Stärke. Die Macht über Wetter und Tiere sowie die Fähigkeit, sich selbst zu verwandeln, fehlen hingegen – primär aus Budget-Gründen. Es findet sich sogar eine Szene, in der Van Helsing spezifisch auf dieses Element angesprochen wird und sie als Aberglaube abtut. Die „Regeln des Vampirismus“, auf die Stoker sehr viel Wert legte, weshalb er sie von Van Helsing ausgiebig erläutern lässt, spielen hier eine eher untergeordnete Rolle, stattdessen wird Draculas Tierhaftigkeit, seine animalische Seite betont. Wir wissen alle, dass Christopher Lee extrem charmant, umgänglich und einnehmend sein kann, als Dracula ist seine Darstellung aber primär körperlich und setzt vor allem auf seine beeindruckende und einschüchternde Präsenz.
Sequels Ebenso wie „The Curse of Frankenstein“ erwies sich auch „Dracula“ als durchschlagender Erfolg und erhielt eine Myriade an Sequels mit stark wechselnder Qualität – weder Christopher Lee noch Peter Cushing tauchen in allen davon auf, aber einer von beiden ist immer zugegen, beide zusammen sollten allerdings nur noch in zwei weiteren Filmen auftauchen. Der Vergleich der Hammer-Dracula-Reihe sowohl mit den Hammer-Frankenstein-Filmen als auch den Universal-Filmreihen bietet einen interessanten Kontrast. Universal baute seine Frankenstein-Filme beispielsweise um das Monster herum auf, während Hammer den Fokus auf Peter Cushings Baron legte – das von Lee dargestellte Monster kam in keinem weiteren vor, einige Filme kommen sogar völlig ohne aus Leichenteilen gebasteltes Monster jeglicher Art aus. Das erste Dracula-Sequel muss, trotz des Namens „The Brides of Dracula“ (1960), ohne den titelgebenden Grafen zurechtkommen – hier werden Erinnerungen an Universals „Dracula’s Daughter“ wache. Beide Filme haben den Grafen im Titel, bringen aber nur Van Helsing zurück und lassen ihn gegen einen neuen Vampir kämpfen. Im Fall von „The Brides of Dracula“ wäre das Baron Meinster (David Peel), für dessen Vampirwerdung wohl Dracula verantwortlich ist und der in einer früheren Skriptfassung als Anhänger Draculas dargestellt wird, was im fertigen Film aber fehlt. Somit muss sich Peter Cushing hier mit einem Blutsauger herumschlagen, der seinem Freund Christopher Lee schlicht nicht das Wasser reichen kann.
Formal gesehen taucht Cushing auch in „Dracula: Prince of Darkness“ (1966) auf, allerdings nur, weil Draculas Todesszene am Anfang noch einmal gezeigt wird, weshalb ich ihn nicht mitrechne. Dafür markiert „Prince of Darkness“ die Rückkehr Lees zur Rolle des Grafen und den Beginn der Tradition, ihn nach dem Tod im vorherigen Film durch irgendeinen hanebüchenen Storykniff wieder zum Leben zu erwecken – meist wird ein Ritual durchgeführt oder aus irgendwelchen Gründen kommt Draculas Asche mit Blut in Berührung, woraufhin sich der Vampirfürst regeneriert. „Prince of Darkness“ ist vor allem bemerkenswert, weil Lee hier kein Wort spricht, nach eigener Aussage weigerte er sich, die fürchterlichen Dialoge aufzusagen, während Drehbuchautor Jimmy Sangster behauptete, nie Dialog für ihn geschrieben zu haben. Wie dem auch sei, mit dem Fortschreiten der Reihe fühlte sich Lee zunehmend unwohl damit, den Grafen zu verkörpern, da er Type Casting fürchtete und oft nur überzeugt werden konnte, indem man ihm erklärte, wie viele Jobs von seiner Beteiligung abhingen. So wirkte Lee nach „Prince of Darkness“ auch in „Dracula Has Risen from the Grave“ (1968), „Taste the Blood of Dracula“ und „Scars of Dracula“ (beide 1970) mit. Der siebte Film der Reihe, „Dracula A.D. 1972“ (1972, mit dem famosen deutschen Titel „Dracula jagt Minimädchen“), ließ Peter Cushing zurückkehren, stellte aber zugleich eine Art Reboot dar. Die Anfangsszene zeigt einen Kampf zwischen dem Grafen und Lawrence Van Helsing (Peter Cushing) im Jahr 1872, was in direkten Widerspruch zu allen anderen Filmen der Reihe steht. Nach seiner Niederlage wird Lees Dracula einhundert Jahre später wiedererweckt und muss sich dieses Mal mit Lorrimer Van Helsing (natürlich ebenfalls Cushing), dem Nachfahren seiner Nemesis, im modernen London herumschlagen. „The Satanic Rites of Dracula“ (1973) ist schließlich der letzte Film, in dem Lee für Hammer das ikonische Cape anlegte, um dieses Mal als ein an Blofeld erinnernder Superschurke die Welt zerstören zu wollen. Abermals ist es Peter Cushing als Lorrimer Van Helsing, der dem Grafen Einhalt gebietet. Nach „The Satanic Rites of Dracula“ hatte Lee endgültig genug, sodass in „The Legend of the Seven Golden Vampires“ (1974), dem unrühmlichen Ende von Hammers Dracula-Reihe, John Forbes-Robertson Dracula mimte, während Peter Cushing ein letztes Mal Van Helsing darstellte – trotzdem gibt es so gut wie keine inhaltlichen Bezüge zu den vorherigen Filmen. Lee selbst spielte Dracula allerdings auch in einigen Filmen, die nicht von Hammer produziert wurden, primär „Count Dracula“ bzw. „Nachts, wenn Dracula erwacht“ (1970), eine deutsch-italienische Produktion von Jesús Franco, in der zudem auch Klaus Kinski (der in Werner Herzogs „Nosferatu: Phantom der Nacht“ neun Jahre später selbst Dracula spielen sollte) Renfield mimt, sowie „Dracula and Son“ (Originaltitel: „Dracula père et fils“, deutscher Titel: „Die Herren Dracula“, 1976), einer französischen Komödie, die die Hammer-Filme parodiert.
Was wäre, wenn Tod Browning „Dracula“ mit Bela Lugosi sich nicht am Skript des Theaterstücks von Hamilton Deane und John L. Balderston orientiert hätte, sondern stattdessen Stokers Roman sehr vorlagengetreu adaptiert (und auch ein deutlich höheres Budget gehabt) hätte? Diese Frage stellten sich die Künstler El Garing und Kerry Gammil und lieferten die Antwort darauf in Form des Comics „Bram Stoker’s Dracula Starring Bela Lugosi“. Dieses Werk verlangt natürlich nach einer Rezension, nicht zuletzt, da es sich dabei um die bislang engste Verzahnung der beiden Dracula-Prototypen handelt, Stokers Romanfigur und Bela Lugosis Darstellung. Auf einen der beiden, wenn nicht gar auf beiden gleichzeitig, lässt sich fast jede Interpretation der Figur zurückführen.
Die Handlung ist ganz eindeutig die des Romans und nicht des Films: Es ist Jonathan Harker, nicht Renfield, der den Grafen in Transsylvanien aufsucht, Mina ist nicht Dr. Sewards Tochter, Lucy Westenra trägt sowohl ihren vollen Nachnamen (im Browning-Film hieß sie nur Weston) und hat auch ihre drei Verehrer wieder, die Interaktionen zwischen Dracula und seinen Jägern werden im Vergleich zum Film stark zurückgefahren und die Verfolgung des Grafen wird ebenso wenig ausgelassen wie die zweite Reise nach Transsylvanien, um Dracula endgültig zu vernichten. Lange Rede, kurzer Sinn: Rein inhaltlich bewegt sich diese Comicadaption sehr nahe an der Vorlage, sogar deutlich näher als beispielsweise Georges Bess‘ Umsetzung. Auch strukturell gibt es keine Experimente, Jonathans Erfahrungen in Transsylvanien werden en bloc erzählt, bevor Whitby als Handlungsort zusammen mit den anderen Figuren eingeführt wird – der Comic bedient sich keiner wie auch immer gearteten Rahmenhandlung und es finden keine größeren Umstrukturierungen welcher Art auch immer statt. Die Tagebücher als Erzählinstanz bleiben ebenfalls erhalten und mehr als einmal stammen Erzähltext und Dialoge direkt von Stoker. Dennoch wird die Langatmigkeit der Vorlage effektiv vermieden, sodass sich die Handlung in relativ hohem (aber nicht zu hohem Tempo) voranbewegt. Es sind vor allem kleine Details, die Garing und Gammil geändert haben: Mina und Lucy wirken als Draculas Opfer beispielsweise williger, als es im Roman der Fall ist; zweifelsohne ist dies dem Umstand geschuldet, dass Bela Lugosi gewissermaßen den verführerischen Dracula begründet hat. Zusätzlich wird der Graf kurz vor seiner Vernichtung noch etwas aktiver und darf sich gegen seine Angreifer in stärkerem Ausmaß zur Wehr setzen.
Mehr noch als bei allen anderen Comicadaptionen von Stokers Roman ist es hier die grafische Umsetzung der Geschichte, die besonders hervorsticht, gerade weil die beiden Künstler sich dazu entschlossen haben, das Gesicht Bela Lugosis zu verwenden und so praktisch eine Version des Browning-Films imaginieren, die der Vorlage ziemlich genau folgt. Dieser Ansatz ist von Lugosis Erben ausdrücklich sanktioniert, sein Sohn Bela G. Lugosi und seine Enkelin Lynne Lugosi Sparks werden als „Executive Consultants“ genannt und haben ein Vorwort beigesteuert, während Stokers Urgroßneffe Dacre Stoker für das Nachwort verantwortlich ist. In diesem zentralen Aspekt des Werkes findet sich dann letztendlich auch die größte Abweichung von Stokers Text, denn der Graf im Roman sieht definitiv nicht aus wie Bela Lugosi. Davon abgesehen bleiben Garing und Gammil allerdings wieder recht nah an der Vorlage und bedienen sich beispielsweise nicht der für den Lugosi-Dracula typischen Kleidung (mit einer kurzen Ausnahme), sondern orientieren sich an Stoker – mit kleinen Zugeständnissen, etwa dem archetypischen Kragen. Auch das Jüngerwerden Draculas im Verlauf der Geschichte wird miteinbezogen. Zu Beginn gleicht Dracula im Comic dem älteren Lugosi, wie man ihn in „Abbott and Costello Meet Frankenstein“ gesehen hat, während sich die junge Version, die später in London auftaucht, visuell an Lugosis frühesten Auftritten als Dracula im Theater in den späten 20ern orientiert.
Die anderen Figuren gleichen ihren Film-Gegenstücken hingegen kaum – vermutlich wäre das schwierig zu bewerkstelligen und/oder zu teuer gewesen. Bei Jonathan und Mina kann man vielleicht noch eine gewisse rudimentäre Ähnlichkeit feststellen, wobei beide im Comic relativ profillos aussehen. Garings und Gammils Van Helsing wirkt optisch interessanterweise ein wenig wie eine Fusion aus Edward Van Sloane und Peter Cushing – man fragt sich, ob das so beabsichtigt war. Ansonsten bemüht sich diese Adaption allerdings durchaus, die Atmosphäre der alten Universal-Horror-Filme zu rekreieren. Freilich ist ein Comic in seinen Mitteln keinesfalls so beschränkt, wie es Brownings „Dracula“ war – dennoch haftet diesem Werk eine gewisse Bodenständigkeit an, besonders wenn man ein weiteres Mal Georges Bess‘ Interpretation zu Vergleichszwecken heranzieht. Gleichwertiger Symbolismus oder die extrovertierte Bildsprache des französischen Künstlers fehlen ebenso wie die harten Kontraste – wo Bess‘ Adaption im eigentlichen Wortsinn schwarz-weiß ist, arbeiten Garing und Gammil mit den Grautönen eines klassischen Schwarz-Weiß-Filmes. Dementsprechend sind die Bilder ziemlich naturalistisch und detailliert, wobei der Fokus immer auf Draculas bzw. Lugosis Gesicht liegt, das die entsprechenden Seiten meistens ohne wenn und aber dominiert.
Es dürfte kaum verwundern, dass die Bildkomposition und die, nennen wir es „angedeutete Kameraführung“, origineller und dynamischer sind als in Brownings doch recht statisch geratenem Film, trotz des Versuchs, dessen Bildsprache einzufangen. Ebenso ist es keine Überraschung, dass der Comic deutlich expliziter ist und Dinge zeigt, die 1931 ganz sicher nicht durchgegangen wären. Dracula ist beim Trinken zu sehen (und hat, anders als im Film, eindeutig spitze Eckzähne), es fließt ordentlich Blut, die Szenen mit den Draculas Gespielinnen sind höchst suggestiv und auch vor sehr blutigen Pfählungen wird nicht zurückgeschreckt. Auf diese Weise suchen Garing und Gammil stets den Kompromiss zwischen Browning und Lugosi auf der einen und Stoker und einer moderneren, expliziteren Darstellung auf der anderen Seite. Hin und wieder führt das jedoch zu unfreiwillig komischen Panels, etwa als Van Helsing kurz über Draculas Vergangenheit referiert und man als Leser einen Flashback aus Draculas kriegerischen Tagen gezeigt bekommt, in welchem der Graf als grimmiger Krieger in Rüstung zu sehen ist, die einfach nicht mit Lugosis Zügen harmonieren will.
Fazit: „Bram Stoker’s Dracula Starring Bela Lugosi” ist ein faszinierendes Experiment, das die Brücke zwischen dem Roman und Tod Brownings Film schlägt bzw. die Frage beantwortet, wie eine vorlagengetreue Adaption mit Lugosi wohl ausgesehen hätte. Vor allem Fans des Lugosi-Draculas und der klassischen Universal-Filme werden sich an diesem Comic zweifellos erfreuen, wer jedoch mit dem Vermächtnis des Grafen nicht allzu gut vertraut ist oder keine besondere Bindung zum Film von 1931 hat, ist mit einer der vielen anderen Umsetzungen wahrscheinlich besser bedient, denn insgesamt betreten El Garing und Kerry Gammil abseits der Verwendung von Lugosis Gesicht nicht wirklich neuen Boden.