Hemators Empfehlungen: Horror-Soundtracks

Halloween 2021!

Was wäre Horror im Allgemeinen und Halloween im Besonderen ohne die richtige musikalische Untermalung? Bereits in den Anfangstagen meines Blogs konzipierte ich eine Top-10-Liste der besten Horror-Scores, dieser Artikel ist gewissermaßen eine Revision und ein Update – zugleich will ich mich aber nicht mehr auf zehn beschränken und ordne die Soundtracks dieses Mal auch nicht nach Qualität, sondern nach Erscheinungsjahr. In bestimmten Fällen habe ich zwei Werke kombiniert, bei denen es sich entweder um Teile derselben Filmreihe handelt oder die stilistisch sehr gut zusammenpassen. Zugleich handelt es sich hierbei auch um den Start einer neuen Artikelreihe, in deren Rahmen ich zu einer bestimmten Thematik Empfehlungen abgeben möchte, ohne allzu sehr in die Tiefe zu gehen.

Wer meinen Musikgeschmack kennt, wird sich schon denken können, in welche Richtung die Scores auf dieser Liste gehen: Da ich ein Fan des Orchesters bin, tauchen hier keine Werke auf, die primär auf Elektronik und/oder Ambience ausgerichtet sind – gerade im Horror-Bereich finden sich derartige Soundtracks doch ziemlich häufig. Das soll nicht heißen, dass diese Scores im Kontext nicht durchaus effektiv sein können, aber ich kann ihnen nur selten abseits der Filme etwas abgewinnen, und genau darum geht es hier. Dass ich zudem eine starke Vorliebe für Gothic Horror in all seinen Ausprägungen habe, dürfte auch kein Geheimnis sein, dementsprechend viele Soundtracks dieser Liste gehören deshalb diesem Subgenre an. Natürlich gibt es noch viele, viele weitere grandiose Horror-Scores, weshalb es durchaus möglich ist, dass dieser Artikel ein oder mehrere Sequels erhält. Fürs erste konzentriere ich mich ausschließlich auf Filme, hier finden sich also weder Spiele noch Serien – auch das mag sich in Zukunft ändern.

„The Omen“, Jerry Goldmsith (1976)

Beginnen wir mit einem Klassiker, der Horror-Scores über Jahrzehnte hinaus beeinflusste und absolut stilbildend war und ist, besonders, wenn es sich um religiös motivierten Horror handelt. Ich weiß nicht, wie üblich es vor „The Omen“, war, finstere Chöre, die wie eine Perversion gregorianischer Gesänge klingen, in diesem Kontext einzusetzen, (immerhin gibt es definitiv gewisse klangliche Parallelen zu John Barrys „The Lion in Winter“ aus dem Jahr 1968); meinem Empfinden nach markiert „The Omen“ jedenfalls den Startpunkt eines essentiellen Trends im Genre. Vorzeigestück ist fraglos das finstere und verstörende Ave Satani, das in vielfältigen Variationen im Verlauf des Scores erklingt. Als Gegenpool fungiert das deutlich angenehmere Familienthema, das aber natürlich deutlich weniger Eindruck hinterlässt. Die beiden Sequel-Scores bilden ganz interessante Gegensätze, auch wenn sie die Qualität des Vorgängers nicht erreichen. In „Damien: Omen II“ ist Ave Satani quasi allgegenwärtig, in „The Final Conflict“ hingegen macht es sich eher rar und erklingt deutlich subtiler und verfremdeter. An das Original kommen beide nicht heran. Wer eine gemütliche satanische Messe planen sollte, findet in „The Omen“ definitiv die richtige musikalische Untermalung dafür.

„Dracula“, John Williams (1979)

Horror ist nicht unbedingt das Genre, mit dem man John Williams primär in Verbindung bringt. Dennoch hat der Maestro Ende der Siebziger die Musik für eine Dracula-Adaption mit Frank Langella in der Rolle des Grafen geschrieben. Das Ergebnis ist in jeder Hinsicht klassisch: Ein klassischer Williams-Score und ein klassischer Gothic-Horror-Score, wie er im Buche steht: Üppig, ausladend, opulent, man sieht vor dem inneren Auge sofort neblige Berggipfel und verfallene Ruinen. Stilistisch lassen sich viele Parallelen zu Williams‘ Werken dieser Zeit ziehen, sei es die Star-Wars-OT oder „Raiders of the Lost Ark“ – nur ist alles eben ein wenig düsterer und dramatischer. „Dracula“ ist leitmotivisch allerdings weit weniger vielseitig als besagte zeitgenössische Werke, da Williams sich nur eines zentralen Themas für Dracula selbst bedient (das dafür auch ordentlich Präsenz im Score besitzt) und ansonsten nur noch auf ein sekundäres Thema für Van Helsing zurückgreift. Definitiv kein Meilenstein in Williams‘ Œuvre oder im Horror-Genre, aber ein unterhaltsamer, oft übersehener Gothic-Horror-Score ohne jeden Zweifel.

„Alien“, Jerry Goldmsmith (1979)

Und gleich noch ein Genre-Meilenstein von Jerry Goldsmith, der allerdings völlig anders ausfällt als „The Omen“. Mit „Alien“ konnte Goldsmith nicht nur ein weiteres Mal seine Kreativität beweisen, sondern auch einem ganzen Film-Franchise seinen Stempel aufdrücken. Statt satanischer Chöre fährt Goldsmith hier verstörende, fremdartige Atonalität und brillante Atmosphäre auf, hin und wieder versehen mit einem Hauch Melodik oder gar Romantik (die Ridley Scott allerdings größtenteils aus dem Film entfernte). Goldsmith verbindet hier gekonnt traditionelles Orchester, exotische Instrumente und Synth-Einlagen, um eine einzigartige Klanglandschaft zu erschaffen. Sein ebenso simples wie einprägsames Time-Motiv wurde schließlich zum Aushängeschild der Filmreihe und taucht in fast allen weiteren Alien-Scores auf. Besonders Marc Streitenfeld (mit Hilfe von Harry Gregson-Williams) und Jed Kurzel bedienen sich des Motivs und der Goldsmith-Stilmittel in „Prometheus“ und „Alien: Covenant“ – an den Score des Meisters kommen aber beide nicht heran.

„The Fly”, Howard Shore (1986)

Unglaublich aber wahr, bevor Howard Shore als Komponist der LotR-Trilogie bekannt wurde und DEN definitiven Fantasy-Soundtrack schuf, schrieb er primär Musik für Thriller und Horror-Filme – gewisse „Reste“ finden sich auch durchaus in Jacksons Trilogie, etwa in der dissonanten Musik für Kankra. Shore ist nach wie vor der Stammkomponist von David Cronenberg, mit dem er bereits in den 80ern an „The Fly“ arbeitete. Anders als beispielsweise Goldsmiths „Alien“ ist „The Fly“ äußerst melodisch und klassisch angehaucht und steht damit über weite Strecken in Kontrast zu den Dissonanzen, mit denen Shore selbst in anderen Filmen arbeitet – hin und wieder tauchen sie dann aber doch auf. Die düsteren, brütenden Passagen nehmen allerdings durchaus bereits die Stilistik späterer Thriller-Scores wie „The Silence of the Lambs“ vorweg. Im Kern ist „The Fly“ ein sehr bombastischer, opernhafter Score, weit weniger fordernd und damit deutlich hörbarer als viele andere Soundtracks dieser Liste, deshalb aber nicht weniger wirkungsvoll. Für das unterirdische Sequel schrieb Christopher Young die Musik, der Shores Motive zwar nicht direkt zitiert, den Tonfall aber beibehält – trotzdem (oder gerade deswegen) klingt der Score von „The Fly II“ wie eine inoffizielle Fortführung des nächsten Eintrags dieser Liste.

„Hellraiser” & „Hellbound: Hellraiser II”, Christopher Young (1987 & 1988)

Genau genommen knüpft Christopher Young nicht nur in „The Fly II“ an Shores Score an, sondern auch in den ersten beiden Hellraiser-Filmen. Als Clive Barker sich daran machte, seine Novelle „The Hellbound Heart“ zu verfilmen, wollte er ursprünglich, dass die Industrial-Band „Coil“ die Musik beisteuerte, das Studio strebte allerdings einen traditionelleren Sound an, was sich in letzter Konsequenz als die richtige Entscheidung erwies. Christopher Young gelang es auf unnachahmliche Weise, die Mischung aus Schmerz und Lust, die die Cenobiten darstellen, musikalisch zu verkörpern: Vor allem sein Hauptthema hat etwas merkwürdig Einnehmendes, beinahe Angenehmes an sich, bleibt dabei aber doch unheimlich, ohne in Dissonanzen abzugleiten. Die Fremdartigkeit der Cenobiten vermittelt Young durch die Verwendung von Sounddesign-Elementen. Für das von Tony Randel inszenierte Sequel „Hellbound: Hellraiser II“ knüpfte Young nahtlos an seinen Erstling an, legte aber noch einmal eine ordentliche Schippe Bombast oben drauf. Sowohl Randy Miller als auch Daniel Licht bedienten sich in „Hellraiser III: Hell on Earth“ und „Hellraiser: Bloodline“ weiterhin dem von Young etablierten Stil und der Themen – beide Scores kommen nicht an Yongs heran, sind aber durchaus brauchbare Ergänzungen.

„Bram Stoker’s Dracula“, Wojciech Kilar (1992)

Für seine Version von Stokers Roman suchte Francis Ford Coppola nach einem spezifisch osteuropäischen Sound, und den bekam er vom polnischen Komponisten Wojciech Kilar. Für mich persönlich ist Kilars Musik DER prägende Dracula-Sound: Ebenso gotisch und opulent wie Williams‘ über zehn Jahre zuvor entstandener Score, aber distinktiver, einnehmender und mitreißender. Kilar konstruierte den Score auf Basis diverser Themen, die die zentrale Rolle einnehmen – es vergeht kaum eine Minute, in der nicht eines dieser Themen in irgend einer Art und Weise zu hören ist. Hierzu zählen primär Leitmotive, die alle auf den titelgebenden Vampir zurückzuführen sind, darunter ein Liebesthema, ein recht brutales Motiv für die monströse Seite des Grafen, aber auch ein treibender Rhythmus für die Vampirjäger. Kilars Musik für „Bram Stoker’s Dracula“ erwies sich als enorm einflussreich, Elemente und stilistische Hommagen erklingen in vielen weiteren Scores, etwa Kilars Musik zu Roman Polanskis „The Ninth Gate“ oder diversen anderen Soundtracks auf dieser Liste. Es empfiehlt sich allerdings, Annie Lennox‘ Abspannsong Love Song for a Vampire aus der Playlist zu tilgen, da er stilistisch absolut nicht zu Kilars Kompositionen passt.

„Alien 3“ & „Interview with the Vampire”, Elliot Goldenthal (1992 & 1994)

Jeder der Alien-Scores, selbst die des Spin-off-Franchise „Alien vs. Predator“, verweist in irgendeiner Form auf das Original von Jerry Goldsmith, sei es durch stilistische Anleihen, direkte Zitation oder beides. Die eine große Ausnahme ist der Score, den Elliot Goldenthal für „Alien 3“ komponierte. Hier zeigt sich Goldenthals Herkunft aus dem Bereich der modernen klassischen Musik – zumindest in der Methodologie gibt es gewisse Parallelen zu Goldsmith. Beide Komponisten sind diversen Avantgarde-Techniken und eher unüblichen Stilmitteln nicht abgeneigt, was sich aber in zwei stilistisch sehr unterschiedlichen Scores manifestiert. Wo Goldsmith die Fremdartigkeit des Xenomorph und die kalte Isolation des Weltalls in den Vordergrund stellte, konzentriert sich Goldenthal auf den religiösen Aspekt des Films, den er vertont. Tracks wie Lento oder Agnus Dei verweisen nicht nur in ihren Titeln auf Kirchenmusik, sie orientieren sich auch stilistisch an ihr, sind deutlich harmonischer als alles, was Goldsmith für „Alien“ komponierte und arbeiten mit himmlischen Chören. Horror und Gewalt stellt Goldenthal zum Teil durch gotisch-bizarr anmutende, zum Teil aber auch durch von Industrial inspirierte Passagen dar, die mitunter in unhörbaren Lärm ausarten; der eher unglücklich betitelte Track Wreckage and Rape ist hierfür ein Idealbeispiel. Der nur kurz darauf entstandene Soundtrack zu Neil Jordans „Interview with the Vampire“ fühlt sich wie eine natürliche Entwicklung des „Alien 3“-Scores an. Freilich entfallen hier die Industrial-Passagen, stattdessen werden die gotischen Elemente noch stärker betont und man meint, hin und wieder den Einfluss von „Bram Stoker’s Dracula“ herauszuhören, natürlich geprägt von Goldenthals distinktivem Stil. Sofern man die Industrial-Passagen aus der Playlist wirft, passen „Alien 3“ und „Interview with the Vampire“ wunderbar zusammen, wobei ich Letzterem den Vorzug vor Ersterem geben würde.

„Mary Shelley’s Frankenstein”, Patrick Doyle (1994)

Kenneth Branaghs Adaption von Mary Shelleys Roman ist gewissermaßen der Schwesterfilm von „Bram Stoker’s Dracula“ und entstand als direkte Reaktion auf dessen Erfolg – Coppola produzierte sogar, auch wenn er der Meinung war, „Mary Shelley’s Frankenstein“ sei ein wenig zu opernhaft geraten (was an sich schon aussagekräftig genug ist). Wie dem auch sei, Branagh arbeitete hier, wie auch an den meisten anderen seiner Filme, mit seinem Stammkomponisten Patrick Doyle zusammen, dessen Score mindestens so opernhaft, opulent und grandios ausfällt wie der Film, zu dem er gehört, und auch Kilars Arbeit in kaum etwas nachsteht. Ihm fehlt natürlich das distinktive osteuropäische Element, Doyle gleicht dessen Fehlen allerdings durch eine noch ausgeprägtere Romantik und orchestrale Wucht aus. „Mary Shelley’s Frankenstein“ ist kein Score der leisen Töne, sondern der großen Emotionen und epischen Gotik (inzwischen dürfte klar sein, dass man genau damit mein Interesse wecken kann). Nach wie vor mein liebster Soundtrack von Patrick Doyle

„House of Frankenstein”, Don Davis (1997)

Ähnlich wie Howard Shore ist auch Don Davis ein Komponist, der einiges im Horror-Bereich komponierte, bevor sein Name primär mit einer bestimmten Blockbuster-Trilogie verknüpft wurde. Anders als Shore ist Davis allerdings nach „The Matrix Revolutions“ praktisch völlig von der Bildfläche verschwunden. Nicht einmal für das anstehende Sequel „The Matrix Ressurection“ kehrt er zurück, stattdessen komponieren Tom Tykwer und Johnny Klimek (der Trailer verwendet allerdings Davis‘ alternierendes Zwei-Noten-Motiv bei der Titeleinblendung). „House of Frankenstein“ ist einer der erwähnten Horror-Scores und gehört zu einer wohl ziemlich trashigen TV-Miniserie, die lose auf dem gleichnamigen Universal-Film basiert. Dementsprechend ist „House of Frankenstein“ nicht unbedingt innovativ, man merkt sofort, dass sich Davis hier der Gothic-Horror-Klischees bedient und recht direkt Goldsmiths „The Omen“ und Youngs „Hellraiser“ zitiert. Aber er ist dabei so verdammt unterhaltsam und überdreht. Vor allem in der zweiten Hälfte gibt Davis aber auch immer wieder einen Vorgeschmack auf die atonalen Techniken, die später die Musik von „The Matrix“ dominieren würden.

„Sleepy Hollow“, Danny Elfman (1999)

Die Filme Tim Burtons wären ohne den gotisch-verspielten Sound von Danny Elfman nicht dasselbe: Egal ob „Beetle Juice“, „Batman“, „Edward Scissorhands“ oder spätere Werke wie „Frankenweenie“ oder „Dark Shadows“ – sie alle sind ästhetisch und klanglich an die Gothic-Horror-Tradition angelehnt, ohne aber tatsächlich Horror-Filme zu sein. Dasselbe trifft nicht auf „Sleepy Hollow“ zu, den wahrscheinlich einzigen „echten“ Horror-Film, an dem Burton und Elfman zusammen gearbeitet haben (und selbst hier finden sich parodistische Elemente). Wie dem auch sei, „Sleepey Hollow“ ist eine liebevolle Hommage an die Filme der britischen Hammer-Studios. Musikalisch schöpft Elfman hier aus den Vollen, „Sleepey Hollow“ ist düster, brutal, episch und gotisch bis zum geht nicht mehr. Technisch gesehen ist der Score beinahe monothematisch, das Titelthema fungiert als übergreifende Identität, Elfman gelingt es allerdings, dieses Thema in mehrere Motiv aufzuspalten und so gekonnt zu variieren, sodass ein erstaunlich vielseitiger Score entsteht, der nicht nur grandiose Horror- und Action-Musik, sondern auch erstaunlich berührende emotionale Zwischentöne zulässt.

„From Hell”, Trevor Jones (2001)

Für sich betrachtet ist „From Hell“ ein sehr kurzweiliger und vor allem atmosphärischer Thriller im viktorianischen London, als Adaption der grandiosen Graphic Novel von Alan Moore versagt der Film der Hughes-Brüder aber leider auf ganzer Linie. Absolut nicht versagt hat hingegen Komponist Trevor Jones, der, ähnlich wie Don Davis, irgendwann in den frühen 2000ern fast völlig von er Bildfläche verschwand. Der Score, den er für „From Hell“ komponierte, ist ein abgrundtief düsteres, brütendes Meisterwerk, voller Brutalität und verschlingender Finsternis, ebenso kraftvoll wie „Bram Stoker’s Dracula“ oder „Sleepy Hollow“. Ihm fehlen zwar die osteuropäischen Elemente von Ersterem oder die Verspieltheit von Letzterem, das gleicht Jones allerdings mit einem erhöhten Ausmaß an Tragik und instrumenteller Kreativität aus. Hier erklingt das viktorianische London Jack the Rippers in all seiner Abgründigkeit. Besonders The Compass and the Ruler, eines meiner absoluten Lieblingsstücke, ist wirklich exemplarisch für die Genialität von Jones‘ Arbeit.

„Drag Me to Hell“, Christopher Young (2009)

Christopher Young ist einer der profiliertesten Horror-Komponisten überhaupt (und darüber hinaus kriminell unterschätzte). Zwar hat er bewiesen, dass er auch in anderen Genres, etwa Action oder Fantasy, extrem fähig ist, aber irgendwann kehrt er doch immer wieder zum Horror zurück. Neben den beiden Hellraisern hätte ich auch noch „Bless the Child“, „Urban Legend“ oder „The Exorcism of Emily Rose“ auf diese Liste setzen können, aber ich wollte nicht mehr als zwei Einträge pro Komponist, und so fiel die Wahl letztendlich nicht schwer, denn abseits der ersten beiden Hellraiser-Scores ist „Drag Me to Hell“ mein Favorit von Young. Auf gewisse Weise handelt es sich hier bei um ein Best of der oben genannten Scores, die orchestralen Stilmittel, derer sich Young bedient, kulminieren hier zu einem rundum gelungenen Gesamtpaket: Chorale Macht, gotische Wucht, aber auch ebenso verstörende wie schöne Melodien. Angereichert wird das Ganze durch osteuropäische bzw. Roma-Elemente, die natürlich einen essentiellen Teil der Story ausmachen. Man lausche allein dem ebenso schönen wie beängstigenden Hauptthema…

„The Wolfman“, Danny Elfman (2010)

Wie würde es klingen, wenn sich „Bram Stoker’s Dracula“ und „Sleepy Hollow“ paaren würden, um ein unheiliges Wechselbalg zu zeugen? Mit „The Wolfman“ liefert Danny Elfman die Antwort. Da Elfman sowohl ein Fan des Originals als auch des Dracula-Scores von Kilar war (und vermutlich immer noch ist), erwies sich das als ideale Gelegenheit. Unglücklicherweise kam es zu Komplikationen, Nachdrehs und Studioeinmischung, zwischenzeitlich überlegte das Studio, einen Synth/Rock-Score von „Underworld“-Komponist Paul Haslinger zu verwenden, was völlig daneben gewesen wäre. Schließlich kehrte man doch zu Elfmans Score zurück und ließ Orchestrier Conrad Pope noch zusätzliche Musik komponieren, um durch die neue Schnittfassung entstandene Lücken zu schließen. Strukturell ist „The Wolfman“ ähnlich aufgebaut wie „Sleepy Hollow“, es gibt ein Hauptthema, das den Score dominiert, und gerade in Sachen gotischer Finsternis und Brutalität steht „The Wolfman“ dem Score zum Burton-Film in nichts nach. Was ihn vom spirituellen Vorgänger unterscheidet, sind die osteuropäischen Stilmittel, derer sich Elfman bedient, speziell in der Streichersektion – ähnlich wie bei „Drag Me to Hell“ passt diese Färbung tatsächlich sehr gut zur Story. Hier wird der Einfluss Kilars überdeutlich. Trotz seiner diversen Mängel habe ich für „The Wolfman“ eine ziemliche Schwäche, da Joe Johnstons blutige Liebeserklärung an Universals klassischen Horror genau in einer Zeit kam, als das Kino von Twilight-CGI-Werwölfen bevölkert wurde – der Score hatte einen nicht zu unterschätzenden Anteil an dieser Schwäche.

„Evil Dead“, Roque Baños (2013)

Wo wir gerade von Remakes sprechen: Fede Álvarez‘ Remake des Sam-Raimi-Klassiker gehört definitiv zu den besseren, nicht zuletzt, weil es sich zwar der Grundprämisse des Originals bediente, aber den Fokus verschob. Zugleich ließ es mich auf den spanischen Komponisten Roque Baños aufmerksam werden, der sich für diesen Score der Tonalität und des Stils von Christopher Young bedient, die Schraube schierer, orchestraler Brutalität aber noch einmal deutlich anzieht. Das Ergebnis ist komplex, schwierig, verstörend und meisterhaft. Orchester, Chor und eine enervierende Sirene entfesseln hier einen Sturm an dämonischer Intensität, der seinesgleichen sucht – was angesichts der anderen Einträge auf dieser Liste als höchstes Lob zu verstehen ist. Baños konzentriert sich dabei in größerem Ausmaß auf orchestrale und chorale Texturen als auf Themen, als primäres „Motiv“ der dämonischen Präsenz fungiert die bereits erwähnte Sirene, während der emotionale Kern des Films ein klassischeres Klavierthema erhält, das die konstante dämonische Brutalität hin und wieder durchbricht.

„The Witch“, Mark Corven (2016)

Robert Eggers Debütfilm dürfte einer der am besten recherchierten Horror-Filme überhaupt sein – das erstreckt sich auch auf den Score von Mark Korven. Gerade im Kontext dieser Auflistung ist seine Präsenz vielleicht ein wenig überraschend, da es sich hierbei nicht um eine „klassischen“ Horror-Score im Stile eines Christopher Young oder Danny Elfman handelt. Stattdessen bediente sich Korven nur eines kleinen Orchesters und vieler für das Setting authentischer Instrumente, etwa der Nyckelharpa oder des Hurdy Gurdy. Auf jegliche elektronische oder synthetische Bearbeitung verzichtet er komplett. Das Ergebnis ist zweifelsohne fordernd, aber auch enorm wirkungsvoll. Die Hexen werden primär durch Dissonanzen repräsentiert, während Corven das religiöse Element der Story durch hymnische Choreinlagen darstellt. Die Herangehensweise ist mit ihrem Fokus auf verstörende Texturen der von Roque Baños bei „Evil Dead“ gar nicht so unähnlich, durch die Instrumentierung klingt das Endergebnis aber natürlich völlig anders. Und so unterschiedlich beide auf visueller Ebene auch sind, so wirkungsvoll sind sie doch in ihren jeweiligen Filmen.

„It: Chapter One“ & „It: Chapter Two“, Benjamin Wallfisch (2017 & 2018)

Der Brite Benjamin Wallfisch absolvierte im Verlauf der letzten zehn Jahre einen geradezu kometenhaften Aufstieg. In den 2000ern übernahm er primär das Orchestrieren für Komponisten wie Dario Marianelli, wurde dann zu einem Zimmer-Protegé und arbeitete mit dem Remote-Control-Chef an Scores wie „Dunkirk“, „Hidden Figures“ oder „Blade Runner 2049“ mit. Interessanterweise finde ich Wallfischs Soloarbeiten fast durchweg gelungener als seine Kollaborationen mit Zimmer, die meistens sehr elektronisch und Synth-lastig ausfallen. Für die Stephen-King-Verfilmungen „It: Chapter One“ und „It: Chapter Two”, beide von Andy Muschietti, wählte er hingegen einen orchestralen, aber sehr anspruchsvollen Weg; ähnlich wie Goldsmith oder Goldenthal bedient er sich dabei diverser atonaler Techniken der klassischen Musik des 20. Jahrhunderts, setzt aber auch sehr wirkungsvoll alte Kinderreime und unheimlich pervertierte Kinderlieder ein. Der Einsatz der menschlichen Stimme, zum Teil stark bearbeitet, ist in diesem Zusammenhang zentral und sorgt für die enervierendsten Momente der beiden Scores. Wallfisch gelingt es aber auch, die Freundschaft des „Loosers Club“ als Kernelement der Geschichte durch deutlich melodischeres Material wirkungsvoll darzustellen.

Artemis Fowl

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Story:
Artemis Fowl II. (Ferdia Shaw) ist mit seinen 12 Jahren bereits ein Genie. Eines Tages wird sein Vater, Artemis Fowl I. (Colin Ferrell), seines Zeichens sowohl einflussreicher Krimineller als auch Feengläubiger, von eben jenen Feen entführt. Diese haben sich schon lange aus der Welt der Menschen zurückgezogen; die diversen magischen Völker, darunter auch Zentauren, Trolle, Kobolde etc., leben in einer unterirdischen Stadt und verfügen nicht nur über magische Kräfte, sondern sind den Menschen auch technologisch weit voraus. Die mysteriöse Entführerin von Fowl senior fordert von Artemis, das Aculos zu beschaffen, das sein Vater zuvor gestohlen und versteckt hat. Dieses groß angelegte Vorhaben ruft die Zentrale Untergrundpolizei um Commander Root (Judi Dench) und Holly Short (Lara McDonnell) auf den Plan…

Kritik: Meine Güte, was ist denn hier schief gelaufen? Bei „Artemis Fowl“ handelt es sich um einen Film, den Disney ursprünglich als großen Franchise-Starter konzipierte, bei dem es hinter den Kulissen aber etliche Probleme gab. Die Corona-Krise sorgte dafür, dass das Studio sich dazu entschied, „Artemis Fowl“ direkt bei Disney Plus zu parken – anders etwa als prestigeträchtige Produktionen wie „Black Widow“ oder „Mulan“; Ersterer ist nach wie vor fürs Kino vorgesehen, Letzterer wird zwar zum streamen zur Verfügung gestellt, allerdings nur für eine saftige Zusatzgebühr. Wie so viele andere derartige Filme basiert auch „Artemis Fowl“ auf einer Buchreihe, verfasst vom irischen Autor Eoin Colfer. Die Artemis-Fowl-Romane erschienen ursprünglich im Fahrwasser von Harry Potter und waren gewissermaßen eine weitere der vielen Fantasy-Jugendbuchreihen der frühen 2000er – allerdings eine mit einer einzigartigen Konzeption. Colfer verband Fantasy und Science-Fiction auf durchaus clever Art und Weise und lieferte dazu einen wirklich interessanten Protagonisten, der im ersten Band als Schurke fungiert und erst nach und nach zum widerwilligen Helden wird. Ich persönlich habe in meiner Jugend die Artemis-Fowl-Romane immer sehr gerne gelesen – nicht zuletzt, weil sie sehr kurzweilig und filmisch angelegt sind. Regisseur Kenneth Branagh und die Drehbuchautoren Conor McPherson und Hamish McColl haben die Romane dagegen offensichtlich nicht gelesen, bestenfalls die Wikipedia-Artikel. Disneys „Artemis Fowl“ ist eine Beleidigung für jeden Fan der Romane. Das Tragische daran ist, dass das einfach nicht hätte sein müssen, denn, wie bereits erwähnt, besonders der erste Roman der Reihe ist so filmisch angelegt, dass es wirklich nicht besonders schwierig gewesen wäre, ihn in ein gut funktionierendes Drehbuch umzuwandeln.

Stattdessen trafen die Verantwortlichen wirklich, wirklich unterirdische Entscheidungen und bewiesen ein ums andere Mal, dass sie sich mit den Romanen entweder nicht auseinandergesetzt haben, oder dass es ihnen schlicht egal war. Das merkt man bereits an den kleinen Details: Den Vornamen von Artemis‘ getreuem Leibwächter Butler (Nonso Anozie) erfährt Artemis (und mit ihm der Leser) nicht vor dem dritten Band, und das aus sehr gutem Grund, da Butler Absolvent einer speziellen Bodyguard-Schule ist, die geheimbundartige Methoden pflegt – einer der wichtigsten Grundsätze ist dabei, dass der Schützling den Vornamen des Leibwächters nicht kennen darf. Der Moment, indem Butler Artemis dann seinen Vornamen tatsächlich verrät, ist sehr emotional und stark inszeniert. Im Film dagegen wird Butlers Vorname Domovoi bei der erstbesten Gelegenheit einfach herausposaunt – Artemis nennt seinen Leibwächter „Dom“. Ich bin kein Purist und auch nicht grundsätzlich gegen Änderungen an der Vorlage, wenn sie dazu dienen, die Geschichte in einem anderen Medium zu erzählen, aber jede einzelne Änderung bei dieser Adaption sorgt dafür, dass das die Geschichte am Ende minderwertiger wird – und es gibt wirklich viele Änderungen. Dies ist nur ein kleines Beispiel, es finden sich noch deutlich schwerwiegendere, aber es ist ein guter Indikator.

Das größte Problem ist wohl die „Anpassung“, die Branagh und die Autoren am Titelhelden vorgenommen haben: Artemis Fowl ist in dieser Adaption kein Krimineller (auch wenn er das am Ende von sich behauptet). Mehr noch, obwohl der Film größtenteils auf dem ersten Roman basiert, ist er nicht der Schurke. Vom ursprünglichen Artemis, dem ebenso genialen wie teilweise unausstehlichen kriminellen Mastermind, ist kaum etwas geblieben. Die Filmfigur ist völlig profillos, so als hätte Disney wahnsinnige Angst davor, er könne auch nur ein wenig unsympathisch sein. Obwohl der Film sich grob an die Ereignisse des Romans hält (Stichwort: Belagerung von Fowl Manor), geht es Artemis nicht darum, Gold von den Unterirdischen zu erpressen, wie es bei Colfer der Fall ist, sondern das Aculos zu finden, um seinen Vater zu befreien – ein typisches Macguffin, das offensichtlicher nicht hätte sein können. Dass das Gold dennoch eine Rolle spielt, liegt vermutlich daran, dass hier noch Reste einer früheren Drehbuchfassung vorhanden sind, die eventuell näher am Roman war. Da Artemis nun nicht mehr als Widersacher herhalten kann, wird dafür Opal Koboi herangezogen, die erst ab dem zweiten Roman eine Rolle spielt.

Auch strukturell und erzählerisch ist die Vorlage amüsanterweise filmischer als der Film. Im ersten Kapitel des Romans erfahren wir als Leser sehr anschaulich, woran wir an Butler und Artemis sind, ganz einfach durch ihre Interaktion mit der Umwelt werden sie anschaulich charakterisiert. Was wir über die Welt der Unterirdischen wissen müssen, erfahren wir zusammen mit Artemis, der ihren Spuren folgt und so schließlich die „Bibel des Erdvolkes“ ausfindig machen kann. Der Film verzichtet dagegen auf diese sehr filmische Art und Weise, die Figuren und die Welt vorzustellen, stattdessen setzte er dem Zuschauer Mulch Diggums (Josh Gad) als Erzähler vor, der Exposition von sich gibt. Anstatt gezeigt zu bekommen, wie kompetent Butler und wie genial Artemis ist, wird es einem nur mitgeteilt – immer und immer wieder.

Auf der Seite der Unterirdischen sieht es leider auch nicht viel besser aus. Im Roman ist die quasi Vater/Tochter-Beziehung zwischen Root und Holly Short eines der zentralen Elemente, nicht zuletzt, weil Holly der erste weibliche Offizier in der Aufklärungseinheit der Zentralen Untergrundpolizei ist – sie ist die Vorreiterin. Root scheint zuerst ein Chauvinist zu sein, im Verlauf zeigt sich allerdings, dass er Holly sowohl fordert als auch fördert. Dieses zentrale Element in der Charakterisierung beider Figuren wurde völlig entfernt, nicht zuletzt, weil Root hier weiblich ist. Wenn es einen guten Grund gibt, das Geschlecht einer Figur in der Adaption zu ändern, oder wenn es wenigstens keine negativen Konsequenzen hat, bin ich nicht dogmatisch dagegen, aber hier schadet es der Geschichte wirklich.

Beinahe noch schwerer wiegt, dass der Film auch abseits seiner Adaptionsmängel nicht überzeugen kann. Während Colfer die Welt der Unterirdischen und ihre Kombination aus Magie und Technik meistens zumindest halbwegs kohärent und in sich stimmig etablierte, gelingt selbiges dem Film nicht, sodass sich der Zuschauer ohne Buchkenntnis wahrscheinlich immer wieder fragt, wie das Ganze eigentlich funktioniert. Dramaturgisch und darstellerisch sieht es ähnlich mau aus, es gelingt Branagh kaum, einen Spannungsbogen zu etablieren, und die Leistung der Schauspieler geht selten über ein „halbwegs akzeptabel“ hinaus. Immerhin Komponist Patrick Doyle konnte sich zu einer ordentlichen Leistung durchringen, wie hier beim Kollegen von Score Geek nachzulesen ist.

Fazit: „Artemis Fowl“ versagt sowohl als Film als auch als Adaption auf ganzer Linie und ist ein Schlag ins Gesicht für alle Fans des Romans.

Trailer

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Stück der Woche: The Story Continues


Die meisten Komponisten können froh sein, wenn es ihnen gelingt, einer oder zwei Filmserien ihren Stempel aufzudrücken. John Williams dagegen hat gleich einen ganz Haufen derartiger Reihen in seinem Resümee – darunter auch eine ganze Menge, die er startete, die aber von anderen Komponisten weitergeführt wurden – Komponisten, denen es anschließend nie völlig gelang, aus Williams‘ Schatten zu treten. Die frühesten Beispiele sind „Superman“ und „Jaws“. Für den Mann aus Stahl komponierte der Maestro ein Thema, das bis heute untrennbar mit ihm verknüpft ist. Bei den diversen Sequels schwangen allerdings andere Komponisten den Taktstock, darunter Ken Thorne („Superman II“ und „Superman III“), Alexander Courage („Superman IV: The Quest for Peace“; hier steuerte Williams immerhin neue Themen bei) und John Ottman („Superman Returns“). „Jaws II“ konnte immerhin noch mit einem Williams-Score aufwarten, „Jaws 3-D“ hingegen wurde von Alan Parker vertont. Ähnlich verhält es sich mit allen Jurassic-Park-Sequels nach „The Lost World“, für die Don Davis („Jurassic Park III“) und Michael Giacchino („Jurassic World“ und „Jurassic World: Fallen Kingodm“) verpflichtet wurden.

All diese Filmreihen führen nicht nur Williams‘ Themensprache fort, sondern orientieren sich im Großen und Ganzen auch stilistisch am Maestro. Die Harry-Potter-Filme sind diesbezüglich eine interessante Halbausnahme. Nach wie vor wird die „Wizarding World“ musikalisch mit Hedwigs Thema assoziiert – darüber hinaus orientierten sich Williams‘ Nachfolger in diesem Franchise allerdings kaum an ihrem Vorgänger, weder leitmotivisch, noch stilistisch. The Story Continues ist der erste Track aus einem Harry-Potter-Film, bei dem Williams nicht mehr als Komponist fungierte, und das merkt man augenblicklich. Williams bemühte sich immer, die Logo- und Titelsequenzen der Filme äußerst „magisch“ zu gestalten, ein wenig mysteriös, aber trotzdem einladend. Ein wichtiger Bestandteil dabei ist natürlich ein entsprechendes Statement von Hedwigs Thema.

„Harry Potter and the Goblet of Fire” beginnt auf bis zu diesem Zeitpunkt nie gekannte, finstere Art, nicht zuletzt dank Patrick Doyles Musik. Statt die Magie und das Mystische zu betonen, startet Doyle mit einem marschartigen Motiv, das keine spezifische Bedeutung hat, allerdings auf den Durmstrang-Marsch in The Quidditch World Cup verweist und in The Dark Mark bei 0:53 noch einmal auftaucht. Sobald das Warner-Bros.-Logo verschwunden ist und Mike Newell das Dunkle Mal mithilfe von Nagini visualisiert, treten die Holzbläser in den Vordergrund und imitieren beinahe Naginis Bewegungen. Während die Schlange sich auf den Grabstein der Riddles zubewegt und wir Voldemort Parsel sprechen hören, wird bereits zum ersten Mal das Thema des Dunklen Lords angedeutet, bevor die Streicher gemeinsam mit der Kamera emporklettern und bei 0:54 schließlich zur Titeleinblendung Hedwigs Thema erklingen lassen. Von der alten Williams-Magie ist allerdings nichts mehr zu spüren bzw. zu hören. Die Celesta war Williams‘ bevorzugtes Instrument, um besagte Magie zu vermitteln. Hier dagegen wird die Melodie von Streichern in einer sehr düsteren Variation gespielt, die stilistisch eher an Bernhard Herrmann als an John Williams erinnert. Auf diese Weise bereiten Doyle und Newell ihre Zuschauer auf das Kommende vor: Wir befinden uns noch in der bekannten Welt der ersten drei Filme, aber es wird düster, finstere Dinge kommen auf die Helden zu.

Tatsächlich mag ich dieses Stück bzw. diese Variation von Hedwigs Thema sehr gerne, da es zeigt, wie sehr ein guter Komponist mit Leitmotiven arbeiten und sie transformieren kann, sodass die entsprechende Melodie zwar immer noch erkennbar ist, sie gleichzeitig aber etwas völlig Neues ausdrücken können. Mehr noch, sie sind auch nicht per se an den Stil des ursprünglichen Komponisten gebunden, sondern können in andere Stile „importiert“ werden. Allerdings ist es nach wie vor verdammt schade, dass kaum ein anderes Thema aus dem reichen Fundus an Leitmotiven, die Williams für die ersten drei Potter-Filme komponierte, eine ähnliche Behandlung erhielt.

 

Marvel Cinematic Universe: Leitmotivische Kontinuität

Spoiler für das komplette MCU!

Mit „Avengers: Endgame“ und „Spider-Man: Far From Home“ endet nicht nur die dritte Phase des MCU, sondern auch eine ganze Ära. Da bietet es sich an, noch einmal einen Blick auf die Musik des Marvel Cinemtic Universe zu werfen – seit dem Video von „Every Frame a Painting“ ein heiß diskutiertes Thema, gerade in Anbetracht der Tatsache, dass Scores bei Filmdiskussionen oftmals nur eine untergeordnete Rolle spielen. Ich selbst habe ebenfalls bereits einiges zum Thema „MCU-Musik“ geschrieben, sei es in Form einzelner Soundtrack-Reviews oder zusammenfassender Überblicksdarstellungen. Gerade dieser Zeitpunkt bietet sich aber nun für ein, zumindest gemessen am Umfang des MCU, knappes Fazit zu elf Jahren Superheldenfilmmusik. Wie der Titel dabei nahelegt, konzentriere ich mich auf mein Lieblingsthema: leitmotivische Kontinuität. Dabei spielen Stil, Effektivität und alles andere, was dazugehört, natürlich ebenfalls eine Rolle, aber der Fokus liegt eindeutig auf den Themen.

Phase 1
Zumindest zu Beginn des MCU gab es keinen Gesamtplan, was die Filmmusik anging, stattdessen wählte jeder Regisseur einen Komponisten seiner Wahl (oder nahm den, den das Studio für den effektivsten hielt). Die ersten fünf Filme des MCU wurden alle von verschiedenen Komponisten vertont und unterscheiden sich stilistisch zum Teil enorm. Für „Iron Man“ wollte John Favreau ursprünglich seinen Stammkomponisten John Debney verpflichten, dieser war jedoch gerade nicht verfügbar, weshalb er stattdessen Ramin Djawadi verpflichtete – zu diesem Zeitpunkt noch ein relativ unbekannter Name im Filmmusikgeschäft, der an diversen Hans-Zimmer- bzw. Remote-Control-Projekten, etwa „Batman Begins“ oder „Pirates of the Caribbean: The Curse of the Black Pearl“ mitgearbeitet, aber nur wenige Projekte allein oder zumindest federführend vertont hatte. Für „Iron Man“ bediente er sich der typischen RCP-Methodologie, verband das ganze aber mit sehr dominanten Hard-Rock- und Metal-Elementen, um Tony Stark als Rock Star darzustellen und die Song-Auswahl des Films zu unterstützen. Dementsprechend ist Djawadis Iron-Man-Leitmotiv auch eher eine Reihe von E-Gitarren-Riffs denn ein wirklich ausgearbeitetes Thema.

„The Incredible Hulk“ wurde von Craig Armstrong vertont, der im Gegensatz zu Djawadi einen weitaus traditionelleren, sprich: orchestralen Ansatz wählte und die dualistische Natur der Titelfigur durch zwei unterschiedliche Themen darstellte, eines für Bruce Banner und eines für den Hulk. Für „Iron Man 2“ war Debney verfügbar, weshalb Djawadi nicht zurückkehrte. Debney behielt einige der Rock- und Metal-Stil-Elemente bei, verstärkte jedoch die orchestrale Präsenz und schrieb ein neues, komplexeres Thema für den Titelhelden, das im Film jedoch nur selten Verwendung findet.

Kenneth Branagh brachte für „Thor“ ebenfalls seinen Stammkomponisten ins Spiel. Patrick Doyle verknüpfte erfolgreich seine lyrische Sensibilität und keltische sowie nordische Anklänge mit den Stilmitteln moderner, von Zimmer und Konsorten geprägter Action-Scores, die ihre treibende Kraft von zum Teil elektronischen Percussions sowie der ausufernden Verwendung von Streicher-Ostinati erhalten.

Im Gegensatz dazu komponierte Alan Silvestri für „Captain America: The First Avenger“ einen Score, der die Old-School-Natur dieses Helden unterstreicht und mit einem aufwendigen Marsch für den Titelhelden überzeugt, der die Erinnerung an die Williams- und Silvestri-Scores der 80er weckt.

Mit „The Avengers“ gab es erstmals ein Minimum an leitmotivischer Kontinuität im MCU, primär deshalb, weil Joss Whedon Gefallen an Silvestris „Captain America“-Score fand und ihn deshalb gleich für „The Avengers“ anheuerte. Und, siehe da: Silvestri brachte seine Themen für Cap und den Tesseract aus dem Vorgänger mit. Von Anfang an waren sich Komponist und Regisseur jedoch einig, dass die individuellen musikalischen Identitäten der Helden heruntergespielt werden sollten; deshalb steht das Avengers-Thema ganz klar im Vordergrund. Silvestri ignorierte die Themen, die Djawadi, Armstrong, Debney und Doyle für die Charaktere komponiert hatten. Selbst sein eigenes Cap-Thema taucht in „The Avengers“ niemals komplett auf, sondern nur in fragmentierter und verkürzter Form. Stattdessen schrieb Silvestri neue Motive für Black Widow, Thor, Iron Man und einige andere Figuren und Elemente, die im Score allerdings relativ schwer herauszuhören sind und mit denen sogar ich Probleme hatte – zum Glück gibt es diese hervorragende Analyse, die u.a. auch aufzeigt, dass Silvestri Armstrongs Hulk-Thema in einer Szene zitiert, was mir ebenfalls entgangen ist (was jedoch auch damit zusammenhängen konnte, dass ich mit dem Hulk-Score nicht allzu vertraut bin).

Phase 2

Zumindest Brian Tyler, den man als federführenden Komponisten von Phase 2 wahrnehmen kann, scheint sich einige Gedanken über leitmotivische Kontinuität gemacht zu haben. Tyler feierte seinen MCU-Einstand mit „Iron Man 3“. Kevin Feige wollte, dass sich Tyler tonal von den bisherigen beiden Iron-Man-Filmen entfernte, dementsprechend finden sich kaum noch Hard-Rock- oder Metal-Stilmittel, stattdessen komponierte Tyler ein neues Thema für die Titelfigur, bei dem es sich nun um ein sehr potentes, man möchte fast sagen, „maskulines“ Superheldenthema handelt, das, entweder zufällig oder mit voller Absicht, auf Silvestris Iron-Man-Motiv aus „The Avengers“ basiert. Auch sonst versuchte Tyler, Silvestris Stilmittel und eine starke orchestrale Präsenz mit dem typischen modernen Action-Sound zu verbinden. Im Grunde wandte er dasselbe Rezept auch für „The: The Dark World“ an, wobei dieser Score eine stärkere chorale Präsenz und dafür weniger Elektronik- und Synth-Elemente aufweist. Abermals scheint Tyler sich das entsprechende Silvestri-Motiv vorgenommen und aus besagtem Motiv das vollständige Thema herauskomponiert zu haben. Somit hat er sowohl für Thor als auch für Iron Man die Technik umgekehrt, mit der Silvestri sein Cap-Thema in „The Avengers“ integrierte. Apropos Cap-Thema: Dieses absolviert zusammen mit Chris Evans einen Cameo-Auftritt in „Thor: The Dark World“. Zusätzlich komponierte Tyler die Marvel Studios Fanfare, die auch in den beiden Folgefilmen Verwendung fand.

Die Russo-Brüder und Henry Jackman wählten für „Captain America: The Winter Soldier“ dagegen einen völlig anderen Ansatz und orientierten sich stilistisch eher an Zimmers „The Dark Knight“ als an Silvestris Avengers-Score. Dementsprechend wird der titelgebende Antagonist eher durch Sounddesign als durch ein tatsächliches Motiv repräsentiert – man erinnere sich an den „Winter-Soldier-Schrei“ – und auch sonst handelt es sich durch und durch um einen sehr modernen Action-Score, in dem das Orchester eine sekundäre Rolle spielt, während Elektronik dominiert. Dennoch gibt es ein Minimum an Kontinuität, denn in den Anfangsminuten erklingt tatsächlich Silvestris Cap-Thema. Anders als bei „Thor: The Dark World“ handelt es sich aber nicht um eine neue Variation, sondern eine direkte Übernahme aus dem Score des ersten Films. Auch stilistisch kehrt Jackman das eine oder andere Mal zu den Klängen des ersten Cap-Films zurück, Tracks wie The Smithsonian erinnern stark an Aaron Coplands Musik, die ihrerseits Vorbild für Silvestri und den typischen Americana-Sound im Allgemeinen sind. Dennoch ist das eigentlich Thema des Titelhelden in diesem Film eine im Vergleich zum Captain America March knappe Tonfolge, das stärker an Zimmers Dark-Knight-Motiv erinnert.

Tyler Bates‘ „Guardians of the Galaxy“ kehrt dann wieder zu dem von Silvestri und Tyler geprägten MCU-Sound zurück. Die Musik von James Gunns Überraschungs-Hit wird zwar deutlich von den Songs dominiert, doch der Score bekommt trotzdem genug Platz und beinhaltete mit dem Guardians-Thema sowie The Ballad of the Novas Corps zwei äußerst markante und einprägsame Themen. Leitmotivische Kontinuität sucht man hier freilich vergebens, da alle Figuren völlig neu eingeführt werden, aber stilistisch passt Bates‘ Score wunderbar zu denen von Tyler und Silvestri.

„Avengers: Age of Ultron“ ist der bisher wohl interessanteste Score im MCU, primär wegen der Umstände. Brian Tyler hatte sich inzwischen zum dominanten Komponisten des MCU entwickelt und sollte auch den zweiten Avengers-Film vertonen – nach „Iron Man 3“ und „Thor: The Dark World“ zweifellos eine logische Wahl. Dann wurde jedoch überraschend angekündigt, dass Danny Elfman ebenfalls Musik zu „Age of Ultron“ beisteuern würde, was zwei Gründe hatte: Zum einen geriet Tyler in terminliche Schwierigkeiten, da sich sein paralleles Projekt, „Fast & Furious 7“, aufgrund des tragischen Todes von Paul Walker verzögerte. Und zum anderen baute Tyler zwar immer wieder Verweise auf Silvestris Avengers-Thema ein, komponierte jedoch ein neues Avengers-Thema, was entweder Joss Whedon, Kevin Feige oder Marvel Studios nicht besonders schätzten – offenbar hatte man endlich erkannt, wie wichtig eine musikalische Signatur für ein derartiges Franchise ist. Aus diesem Grund wurde Elfman hinzugeholt, der seinerseits ein neues Avengers-Thema komponierte, in das er jedoch Silvestris bereits bestehendes einarbeitete, sodass ein Hybrid entstand. Auch leitmotivisch ist „Age of Ultron“ der wahrscheinlich interessanteste MCU-Score. Ähnlich wie es Silvestri mit seinem Cap-Thema tat, integrierte Tyler die bisherigen Figuren-Themen für Iron Man, Captain America und Thor in fragmentierter, aber doch deutlich erkennbarer Form in den Score – sogar Elfman lässt einmal das Iron-Man-Thema erklingen. Darüber hinaus schrieben Tyler und Elfman einige neue Motive für, u.a. ein Thema für Ultron und die Romanze zwischen Bruce Banner und Natasha Romanoff (Tyler) sowie für Wanda Maximoff (Elfman). „Avengers: Age of Ultron“ lässt sich am besten als „im Konzept erfolgreich, in der Durchführung holprig“ beschreiben, was primär an der oben geschilderten Entstehung liegt, die auch dafür sorgte, dass Brian Tyler seinen Posten als Pseudo-Lead-Composer verlor.

„Ant-Man“ beendete nicht nur Phase 2, sondern inspirierte Christophe Beck auch zu einem der aufgrund seines außergewöhnlichen Rhythmus einprägsamsten MCU-Themen. Außerdem zeigte sich, dass Beck, Marvel Studios oder beide nun in weitaus größerem Ausmaß gewillt waren, auf die leitmotivische Kontinuität zu achten, denn nicht nur zitierte Beck Silvestris Avengers-Thema, selbst das Falcon-Motiv aus „Captain America: The Winter Soldier“ spielte er in der entsprechenden Szene kurz an. Stilistisch orientiert sich Beck durchaus am bisher dagewesenen, erweitert es aber um jazzige Stilmittel, die oft mit dem Agenten-Film im Allgemeinen und den James-Bond-Filmen im Speziellen assoziiert werden.

Phase 3

Deutlich mehr als Phase 1 und 2 ist Phase 3 von zurückkehrenden Komponisten geprägt. Das beginnt gleich beim ersten Film, „Captain America: Civil War“. Die Russos vertrauten die Vertonung ihres zweiten Cap-Films erneut Henry Jackman an, der sich dieses Mal vom übermäßig elektronischen Stil des Vorgängers distanzierte und sich stilistisch an den Rest des MCU anpasste. Sowohl Jackmans eigenes Cap-Thema als auch der Winter-Soldier-Schrei kehren zurück; zusätzlich findet sich ein subtiler Gastauftritt des Avengers-Themas. Dasselbe lässt sich leider nicht über Steve Rogers ursprüngliches Thema sagen, was „Civil War“ zum ersten Film macht, in dem Captain America zwar auftritt, der zugehörige Marsch aber nicht wenigstens ein Mal erklingt. Für Black Panther, Zemo, Spider-Man und den Konflikt zwischen den beiden Fraktionen komponierte Jackman Motive, die aber relativ unspektakulär sind und auch nicht weiter verwendet werden.

Mit „Doctor Strange“ feierte Michael Giacchino, der bekanntermaßen Aufträge in hochkarätigen Franchises sammelt wie andere Leute Briefmarken (neben Marvel u.a. Jurassic Park, Star Trek und Wars, Planet der Affen, Mission Impossible und mit Matt Reeves als Regisseur nun wohl auch Batman), seinen Einstand ins MCU. „Doctor Strange“ ist ein Score, der sich stilistisch stark von den anderen abhebt. Thematisch finden sich keine Verknüpfungen, da der Film, bis auf die Mid-Credits-Szene, primär für sich alleine steht. Um die magisch-psychedelische Qualität des Films zu betonen, setzte Giacchino auf eine ebenso wilde wie ungewöhnliche Instrumentenkombination. Neben dem klassischen Orchester kommen unter anderem Sithar, E-Gitarre, Cembalo und Orgel zum Einsatz, was dem Score im bisherigen MCU ziemlich einzigartig macht und zugleich einen distinktiven musikalischen Stil für Doctor Strange schafft, der den „Sorcerer Supreme“ durch die weiteren Filme begleitet, auch wenn sein eigentliches Thema das nicht tut.

Über „Guardians of the Galaxy Vol. 2” gibt es relative wenig zu sagen, was in diesem Kontext sehr positiv zu verstehen ist: Tyler Bates kehrte als Komponist zurück, sodass das Sequel sowohl leitmotivisch als auch stilistisch wunderbar zum Vorgänger passt – keine negativen Überraschungen, aber auch keine Gastauftritte anderer Themen (was inhaltlich ohnehin nicht gegeben wäre).

Bei „Spider-Man: Homecoming“ haben wir einen ähnlichen Fall wie bei „Thor: The Dark World“: Ein Komponist, der bereits einen MCU-Film vertont hat, schreibt die Musik für einen weiteren – zwischen beiden besteht jedoch keine direkte Verbindung. Diese Inkarnation des Netzschwingers ist deutlich stärker mit dem MCU verbunden als Doctor Strange es in seinem Film war: Spider-Man feierte sein Debüt in „Captain America: Civil War“ und Tony Stark ist die Mentorenfigur. Das spiegelt sich auch in der Musik wieder, die sich stilistisch weitaus näher am MCU-Standard orientiert. Mehr noch, Giacchinos neues Spider-Man-Thema ist gewissermaßen ein Hybrid aus der Melodie des klassischen Spider-Man-Titelliedes aus den 60ern und den Avengers-Themen von Elfman und Silvestri – letzteres kommt darüber hinaus auch am Anfang und am Ende vor. Bezüglich leitmotivischer Kontinuität hätte „Homecoming“ fast perfekt sein können, hätte Giacchino nicht den Drang verspürt, ein neues Iron-Man-Thema zu komponieren, anstatt Brian Tylers weiterzuverwenden.

Dem Beispiel der Iron-Man-Trilogie folgend bekam auch Thor in seinem dritten Film wieder einen neuen Komponisten. Mark Mothersbaugh reicherte für Taika Waititis knallbunte, überdrehte Space Opera das Orchester mit 80er-Retro-Synth-Elementen an, die den Stil des Scores dominieren und komponierte ein neues Thema für Thor; anders als andere Komponisten bemühte er sich allerdings auch, auf musikalische Kontinuität zu achten. Das beginnt bereits bei seinem Thor-Thema, dieses wirkt wie ein verkürzter Hybrid aus den bisherigen beiden Themen von Doyle und Tyler. Zusätzlich finden sich einige Direktzitate aus früheren Scores: In der Theater-Szene, in der Lokis Tod von Matt Damon und Liam Hemsworth nachgespielt wird, erklingt Musik, die tatsächlich aus „Thor: The Dark World“ stammt, Thors Versuch, Hulk auf Black-Widow-Manier zur Zurückverwandlung zu bewegen, wird mit dem Bruce/Natasha-Thema aus „Age of Ultron“ untermalt und am Ende erklingt Doyles Thema im Kontrapunkt zu Mothersbaughs. Darüber hinaus verwendet Mothersbaugh zwar nicht Giacchinos Doctor-Strange-Thema, bedient sich in den entsprechenden Szenen allerdings der spezifischen Instrumentierung.

Ludwig Göransson setzte den Trend der durch besondere Instrumentierung hervorstechenden MCU-Scores mit „Black Panther“ fort – in diesem Fall durch eine Kombination aus klassischer Sinfonik, afrikanischen Stilmitteln und Instrumenten (primär Percussions) und Hip Hop. Wie „Doctor Strange“ hebt sich auch „Black Panther“ vom Rest des musikalischen MCU ab und bleibt, zumindest hier, erst einmal separiert – es finden sich keine Zitate aus bisherigen Filmen.

Für „Avengers: Infinity War“ brachte man schließlich Alan Silvestri zurück. Er und die Russos entschlossen sich, hier bezüglich der thematischen Kontinuität eher zurückhaltend vorzugehen. Das Avengers-Thema spielt eine sehr dominante Rolle und auch das Tesseract-Thema, das inzwischen als Leitmotiv für alle Infinity-Steine fungiert, kehren zurück. Hinzu kommt ein Thema für Thanos und… im Großen und Ganzen war es das. Keines der Themen für die einzelnen Helden taucht in diesem Film auf, selbst Silvestris eigenes Cap-Thema macht sich rar. Die große Ausnahme ist ein Statement von Göranssons Blak-Panther-Thema, bei dem es sich allerdings um eine Direktübernahme aus dem Black-Panther-Score handelt. Gegen Ende des Films bedient sich Silvestri, ähnlich wie Mothersbaugh, der Doctor-Strang-Instrumentierung, um den Kampf zwischen Thanos und dem „Sorcerer Supreme“ zu untermalen, doch abermals wird das Thema nicht direkt zitiert.

Bei „Ant-Man and the Wasp” verhält es sich ähnlich wie bei „Guardians of the Galaxy Vol. 2“: Derselbe Komponist, Christophe Beck, kehrte zum Sequel zurück und entwickelte den Sound und die Themen des Erstlings konsequent weiter, integrierte aber keine nennenswerten Überraschungen oder Gastauftritte von Themen anderer Komponisten. Stattdessen entwickelte er Ant-Mans Thema weiter und schrieb ein passendes Leitmotiv für seine geflügelte Partnerin.

Für „Captain Marvel“ ergriff mit Pinar Toprak erstmals eine Komponistin den Taktstock für einen MCU-Film. Ähnlich wie Mark Mothersbaugh entschied sie sich für einen Orchester/Synth-Hybridscore mit einem durchaus einprägsamen Titelthema für Carol Danvers. Am Ende des Films wird dem Avengers-Thema ein kleiner Gastauftritt eingeräumt, als Nick Fury durch Danvers‘ Spitzname auf die Idee kommt, dem Superheldenteam gerade diesen Namen zu geben.

Konzeptionell geht der Score von „Avengers: Endgame“, abermals von Alan Silvestri, in eine ähnliche Richtung wie die Musik von „Age of Ultron“. Anders als bei „Infinity War“ entschloss man sich, dieses Mal in größerem Maß auf die individuellen musikalischen Identitäten zumindest einiger Helden zurückzugreifen, auch wenn das Avengers-Thema nach wie vor das dominierende Leitmotiv ist. Das trifft besonders auf Captain Americas Thema zu; während Steve Rogers Präsenz in „Infinity War“ eher zurückgefahren war, steht er im vierten Avengers-Film noch einmal im Zentrum, und das spiegelt sich in der Musik wider. Erfreulicherweise ist sich Silvestri dieses Mal nicht zu schade, auch einige der anderen Komponisten zu zitieren. Bei Carol Danvers‘ beiden großen Auftritten bedient er sich beispielsweise Pinar Topraks Captain-Marvel-Thema, Ant-Mans erster Auftritt im Film wird mit einer subtilen Variation von Christophe Becks Thema untermalt und im New York des Jahres 2012 erklingt Giacchinos Doctor-Strange-Thema, das hier allerdings nicht dem Doktor selbst, sondern seiner Vorgängerin als Sorcerer Supreme gilt. Selbst ein Auszug aus Mark Mothersbaughs „Thor: Ragnarok“ wird zitiert.

„Spider-Man: Far From Home” schließlich markiert Michael Giacchinos dritten MCU- und zweiten Spider-Man-Score – dementsprechend entwickelt er das in „Homecoming“ etablierte Material für den Netzschwinger nicht nur weiter, sondern führt neue Themen für Mysterio und SHIELD ein. Darüber hinaus bekommen sowohl Giacchinos Iron-Man-Thema als auch das Avengers-Thema Gastauftritte.

Fazit: Vor allem in Phase 1 des MCU gab es bezüglich der Musik keinen Gesamtplan, und selbst in späteren Jahren versuchte man, das Rad immer wieder neu zu erfinden. Erst nach und nach begannen das Studio, die Filmemacher und natürlich MCU-Guru Kevin Feige darauf zu achten, dem MCU eine gemeinsame stilistische und leitmotivische Grundlage zu verleihen. Das wichtigste Werkzeug ist dabei das Avengers-Thema, das inzwischen zur musikalischen Visitenkarte des Marvel Cinematic Universe geworden ist und als verbindendes Element fungiert. Zwar werden die Themen der einzelnen Heroen immer noch mitunter recht stiefmütterlich behandelt, aber immerhin ein Thema fungiert als durchgängiger Anker.

The Lost Themes

Unter Filmmusik-Fans gibt es eine Phrase, die beim normalen Kinogänger oft nur unverständiges Kopfschütteln auslöst: „Leitmotivische Kontinuität“. Natürlich fällt es doch einer ganzen Menge an Menschen auf, dass etwa bei jedem der Harry-Potter-Filme zu Beginn entweder beim Warner-Logo oder der Titeleinblendung Hedwigs Thema gespielt wird (mit Ausnahme von „Die Heiligtümer des Todes Teil 2“). Gerade bei den Harry-Potter-Filmen ist Hedwigs Thema aber auch das einzige Element, das für ein Minimum an leitmotivischer Kontinuität sorgt. Es dürfte ja bekannt sein, wie sehr es mich jedes Mal frustriert, wenn in einer Filmreihe der Komponist ausgetauscht wird und der Neuzugang im Folgenden das gesamte Material des Vorgängers über den Haufen wirft und von vorne beginnt. Aber darum soll es in diesem Artikel nicht gehen. Stattdessen geht es um Leitmotive, die in einem Score derselben Filmreihe vom selben Komponisten ad acta gelegt wurden, obwohl man sie aus handlungstechnischen Gründen hätte weiterverwenden können. Zu diesem Zweck werde ich einen Blick auf drei große Film-Franchises werfen: Star Wars, Harry Potter und Mittelerde.

Star Wars

John Williams’ inzwischen acht Star-Wars-Scores sind wahrscheinlich das leimotivisch ausgefeilteste Gesamtwerk der Filmmusik – lediglich Howard Shores Mittelerde-Scores sind ernstzunehmende Konkurrenten. Dennoch gibt es in jeder der drei Trilogien mal mehr, mal weniger bedeutende Themen, die vom einen auf den nächsten Film relativ sang- und klanglos verschwinden. Ein Beispiel ist etwa das Droiden-Thema, das ausschließlich in „Das Imperium schlägt zurück“ erklingt. Es handelt sich dabei um eine recht positive Melodie, meistens von Holzbläsern gespielt, die das Verhalten von R2D2 und C3PO untermalt. Zu hören ist es in Episode V einige Male, sodass es definitiv als Leitmotiv zu klassifizieren ist. Zum ersten Mal erklingt es in Main Title/The Ice Planet Hoth bei 6:30 und ist unter anderem auch in Arrival on Dagobah (1:00) oder Betrayal at Bespin (3:12) zu hören. Obwohl R2 und 3PO auch in allen weiteren von Williams vertonten Star-Wars-Filmen auftauchen, findet dieses spezifische Motiv nie wieder Verwendung. Zugegebenermaßen ist das allerdings ein verhältnismäßig obskures sekundäres Thema. Es gibt aber auch durchaus zentrale Leitmotive, die zwischen zwei Filmen einfach verschwinden.

Dieses Schicksal ereilte das Imperiale Motiv. Heute wird das Imperium augenblicklich mit dem Imperialen Marsch verbunden, aber das war nicht immer so. In „Eine neue Hoffnung wurde das Imperium von einem anderen Leitmotiv repräsentiert, weniger einprägsam und martialisch als der bekanntere Marsch, aber durchaus, gemessen am häufigen Vorkommen, ein zentrales Thema von Episode IV. Zum ersten Mal ist es, verhältnismäßig zurückhaltend, in Imperial Attack bei 4:54 zu hören. Weitere Einsätze finden sich in Millenium Falcon/Imperial Cruiser Pursuit (1:34), The Death Star/The Stormtroopers (2:07) oder The Trash Compactor (0:47). Ähnlich verhält es sich mit der zweiten Repräsentation des Imperiums in „Eine neue Hoffnung“, der Todessternfanfare (Imperial Attack, 6:18; Burning Homstead, 1:48). Beide Leitmotive hätten in den Folgefilmen zurückkehren und auch weiterhin das Imperium respektive den Zweiten Todesstern repräsentieren können, der Imperiale Marsch erwies sich aber letztendlich als weitaus einprägsameres und erfolgreicheres Thema. Ein anderer Komponist hat allerdings beide Motive zurückgebracht. In seinem Score für „Rogue One: A Star Wars Story” beweist Michael Giacchino mehr als einmal seine intensive Kenntnis der Williams-Scores. In When Has Become Now ist zwei Mal die Todessternfanfare in Giacchinos eigenes Imperiales Thema eingewoben (bei 0:15 und 1:49) und in Krennic’s Aspirations erklingt das Imperiale Motiv Seite an Seite mit dem Imperialen Marsch (1:37 und 3:24).

Auch in den Prequels gibt es ein zentrales Thema, das nach einem Film praktisch völlig verschwindet. In „Die dunkle Bedrohung“ ist Anakins Thema neben Duel of the Fates das zentrale Musikstück des Scores, das seine eigene Konzertsuite erhält. Besagtes Thema ist, wie könnte es anders sein, aus dem Imperialen Marsch herauskomponiert und kehrt am Ende der Suite zu ihm zurück, wenn auch sehr subtil. Man hätte nun erwarten können, dass sich Anakins unschuldiges, kindliches Thema in Episode II zu einer heroischen Fanfare entwickelt, um dann in Episode III endgültig zu Vaders Thema zu werden, doch nichts dergleichen geschieht. Anakins Thema verschwindet zwar nicht vollständig, wird aber auf kleine Cameo-Auftritte reduziert, etwa im Abspann von „Angriff der Klonkrieger“ (Confrontation with Dooku/Finale, 9:36).

In den Sequels gibt es bislang nichts derart Signifikantes, aber zumindest ein Thema glänzt ebenfalls durch Abwesenheit. Besagtes Thema hielt ich zuerst für ein Leitmotiv für Finn, David W. Collins, quasi das Star-Wars-Gegenstück zu Doug Adams, identifzierte es allerdings als sekundäres Thema für den Millenium Falken bzw. als „Falken-Action-Thema“. Besagtes Thema ist eher rhythmischer denn melodischer Natur und taucht in The Falcon (ab 0:11) und The Rathtars (2:47). In Main Title and Escape, dem Eröffnungstrack des Episode-VIII-Scores, gibt es bei 4:21 eine kurze Andeutung dieses Themas (allerdings ohne, dass der Falke in der zugehörigen Szene auftauchen würde), ansonsten gehört es aber ebenfalls zu den Star-Wars-Themen, die zwischen den Filmen verloren gehen. Natürlich besteht in diesem Fall aber noch die Chance, dass Williams es in Episode IX wieder aufgreift.

Harry Potter

Die Harry-Potter-Filme sind ein musikalisches Flickenwerk, an dem vier verschiedene Komponisten mitarbeiteten (fünf, wenn man James Newton Howard und „Phantastische Tierwesen“ mit einrechnet). John Williams, Patrick Doyle, Nicholas Hooper und Alexandre Desplat haben alle sehr unterschiedliche Stile und es gibt tatsächlich nur eine Gemeinsamkeit, die sich durch jeden dieser Scores zieht: Hedwigs Thema, natürlich komponiert von John Williams. Aber selbst bei den Filmen, die vom selben Komponisten vertont wurden, bleiben zum Teil Themen auf der Strecke. Das markanteste Beispiel dürfte „Der Gefangene von Askaban“ sein. In „Der Stein der Weisen“ schuf Williams, ähnlich wie schon bei Star Wars, eine ganze Bibliothek an Themen für alle möglichen Handlungselemente: Freundschaft, Familie, Fliegen, Hogwarts, Voldemort, die Winkelgasse etc. In „Die Kammer des Schreckens“ griff er diese Themen wieder auf und erweiterte sein Repertoire um Leitmotive für Figuren und Handlungselemente, die in diesem Film dazukommen, etwa Gilderoy Lockhart, Fawkes und die titelgebende Kammer. Dann kommt der erste Regiewechsel, Alfonso Cuarón ersetzt Chris Columbus, behält aber, anders als seine Nachfolger, John Williams als Komponist. Dennoch unterscheidet sich der Askaban-Score radikal von den Vorgängern, sowohl stilistisch als auch leitmotivisch. Hedwigs Thema bleibt erhalten und das Flug-Thema erhält einen Gastauftritt ganz am Ende, als Harry den Feuerblitz testet, aber sonst werden alle anderen Themen ad acta gelegt. Bei den Leitmotiven für Figuren, die in diesem Film nicht auftauchen, ist das nicht weiter verwunderlich, aber es gibt auch gibt ein neues Familienthema (A Window to the Past) und ein neues Hogwarts-Thema (Double Trouble); beide wären rein formal nicht nötig gewesen. Hinzu kommen eine Reihe sekundärer Motive, etwa für die vermeintliche Bedrohung durch Sirius Black, für Seidenschnabel, Wurmschwanz, für die Dementoren und den Patronus (wobei es sich bei den letzten beiden weniger um tatsächliche Themen, sondern eher um Texturen handelt). Dieser Umstand stört mich einerseits, andererseits ist aber „Der Gefangene von Askaban“ meiner bescheidenen Meinung nach der stärkste Score der Reihe und die Themen, mit denen Williams seine alten ersetzt hat, finde ich schlicht gelungener, wir haben hier also eine ähnliche Situation wie beim Imperialen Marsch.

Bei Nicholas Hooper muss man tatsächlich nicht allzu sehr auf die Themen schauen, da er nicht wirklich leitmotivisch komponiert, sondern sich stärker auf die Einzelszenen konzentriert. Bei Alexandre Desplat sieht das wieder anders aus, da seine Scores weitaus motivischer strukturiert sind. „Die Heiligtümer des Todes Teil 1“ verfügt über zwei primäre Themen, eines für das Trio und sein Erwachsenwerden (Obliviate) und eines für Voldemort und die Todesser (Snape to Malfoy Manor). Hinzu kommen diverse sekundäre Themen, etwa für die Horkruxe oder Harrys Verbündete (Desplat spricht vom „Band-of-Brothers-Thema“). Besagte sekundäre Themen werden in „Die Heiligtümer des Todes Teil 2“ auch aufgegriffen und weiterentwickelt, seltsamerweise aber nicht die beiden primären, die auf jeweils einen kleinen Gastauftritt reduziert werden. Das Voldemort/Todesser-Thema erklingt in merkwürdigem Kontext (weder Voldemort noch die Todesser sind anwesend) in The Tunnel (0:39) und das Trio-Thema ist als Fragment in Harry’s Sacrifice (1:11) zu vernehmen, dieser Einsatz wurde aber im fertigen Film nicht verwendet.

Mittelerde

Derart eklatante Fälle von thematischer Ersetzung finden sich zumindest in der Herr-der-Ringe-Trilogie nicht. Man könnte argumentieren, dass Aníron zumindest erwähnt werden sollte: Es handelt sich dabei um ein von Enya komponiertes und gesungenes Lied mit elbischem Text, das quasi als Liebesthema für Aragorn und Arwen fungiert. Oberflächlich unterscheidet es sich kaum vom „normalem“ Score, da es in diesen nahtlos eingebettet ist und zu allem Überfluss auch noch von Shore orchestriert wurde. In den beiden Folgefilmen taucht Aníron nicht mehr auf, stattdessen verwendet Shore ein anderes, wenn auch ähnlich geartetes Thema für das Paar. Da Aníron aber ohnehin nicht wirklich als Leitmotiv fungiert, fällt das kaum ins Gewicht. Darüber hinaus gibt es noch das Thema der Ringgeister, dass in „Die Gefährten“ noch recht dominant ist, in den beiden Folgefilmen aber nur jeweils einmal auftaucht und in „Die Rückkehr des Königs“ zu allem Überfluss auch noch stark verfremdet ist.

Anders verhält es sich mit der Hobbit-Trilogie. Hier gibt es eine ganze Reihe an leitmotivischen Merkwürdigkeiten und Außeneinflüssen, über die dich schon mehrfach geschrieben habe. Das Fehlen des Misty-Mountains-Themas im zweiten und dritten Hobbit-Film wurmt mich bis heute. Besagtes Thema wurde bekanntermaßen nicht von Shore selbst, sondern von der Band Plan 9 komponiert, die für jegliche diegetische Musik in den Mittelerde-Filmen verantwortlich ist. Shore adaptierte die Melodie jedoch für den Score und setzte sie ähnlich ein wie das Gefährten-Thema in der HdR-Trilogie. In „Smaugs Einöde“ und „Die Schlacht der fünf Heere“ ist es dagegen spurlos aus dem Score verschwunden. Es wird spekuliert, dass hier ein ähnlicher Fall vorliegt wie bei Aníron – angeblich wollte Shore das Thema nicht weiter verwenden, weil es nicht von ihm selbst stammt.

Doug Adams hat versucht, das Fehlen des Themas inhaltlich zu erklären; er argumentiert, dass dieses Thema, bezogen auf seinen Namen, für Thorin und Kompanie nur gilt, bis sie die Nebelberge überquert haben. Das ist in meinen Augen allerdings ziemlicher Unsinn, da es in besagtem Lied ja nicht um die Nebelberge geht, sie werden nur im ersten Vers erwähnt. Zudem taucht das Lied im Roman noch öfter auf, die Zwerge singen es noch einmal bei Beorn und ein drittes Mal kurz vor der Schlacht der fünf Heere – es hätte also theoretisch in jedem der drei Filme einen weiteren diegetischen Einsatz geben können, und ebenso hätte es als Leitmotiv weiter bestand haben können. Als Ersatz fungiert das House-of-Durin-Thema, das zum Beispiel in den Tracks My Armor Is Iron (0:53), Mithril (2:29) und Sons of Durin (direkt am Anfang) prominent auftaucht. Man verstehe mich nicht falsch, House of Durin ist ein gelungenes Thema – aber doch schwächer und weniger einprägsam als Misty Mountains.

Darüber hinaus wurden noch weitere Themen, die Shore für „Eine unerwartete Reise“ komponierte, in den anderen beiden Filmen fallen gelassen. Für die Titelfigur schrieb Shore ursprünglich drei Themen, das Beutlin/Tuk-Thema, das Abenteuer Thema und „Bilbo’s Fussy Themes“ (Bezeichnung von Doug Adams; alle drei Themen tauchen in A Very Respectable Hobbit auf). Schon in „Eine unerwartete Reise“  ersetze Jackson allerdings mehr als einmal die Bilbo-spezifischen Leitmotive durch das bereits aus den Vorgängern bekannte Auenland-Thema, und auf diese Weise wurde in den beiden Folgefilmen auch fortgefahren. Das Beutlin/Tuk-Thema taucht überhaupt nicht mehr auf und die anderen beiden Themen bekommen lediglich ein oder zwei Gastauftritte pro Film. Ähnlich verhält es sich mit dem Thema für Radagast den Braunen, das auf dem Album zum ersten Hobbit-Film noch recht prominent vertreten ist (etwa in dem nach ihm benannten Track), im fertigen Film aber nur noch in Andeutungen auftaucht und im Rest der Trilogie durch Abwesenheit glänzt.

 

Thor: Ragnarok – Soundtrack

Spoiler!
ragnascore
Track Listing:

01. Ragnarok Suite
02. Running Short on Options
03. Thor: Ragnarok
04. Weird Things Happen
05. Twilight of the Gods
06. Hela vs. Asgard
07. Where am I?
08. Grandmaster’s Chambers
09. The Vault
10. No One Escapes
11. Arena Fight
12. Where’s the Sword?
13. Go
14. What Heroes Do
15. Flashback
16. Parade
17. The Revolution Has Begun
18. Sakaar Chase
19. Devil’s Anus
20. Asgard Is a People
21. Where To?
22. Planet Sakaar
23. Grandmaster Jam Session

Nun ist mit „Thor: Ragnarok“ auch die dritte MCU-Trilogie vollendet. Ganz ähnlich wie beim Avengers-Kollegen Iron Man hat jeder der drei Thor-Filme einen anderen Komponisten und ein neues Thema für den Titelhelden – ein Umstand, der mich als Liebhaber musikalischer Kontinuität doch etwas aufregt. Immerhin, wie schon Brian Tyler, Christophe Beck und Michael Giacchino macht auch Mark Mothersbaugh, der die Musik für Taika Waititis Interpretation des nordischen Donnergotts komponierte, einige Zugeständnisse an den bisherigen MCU-Musikfundus.

Ursprünglich wollten Waititi und Mothersbaugh für „Ragnarok“ sogar einen völlig elektronischen Score im 80er-Jahre-Stil, gegen diesen Plan wehrte sich das Studio allerdings, worüber ich recht froh bin, denn das wäre doch ein ziemlicher Stilbruch gewesen. Somit verfügt „Ragnarok“ nun über einen Hybriden aus orchestralen Klängen und 80er-Synth-Rock. Damit entspricht „Ragnarok“ durchaus dem Zeitgeist; derartige Klänge und die damit verbundene Nostalgie sind gerade modern, sei es bei „Blade Runner 2049“, in welchem der von Vangelis im ursprünglichen Film eingesetzte Yamaha CS-80 Synthesizer eine Fusion mit den tiefen Zimmer-Bässen einging, „Stranger Things“ mit einem reinen Synth-Score oder „Deadpool“, bei welchem Tom Holkenborg ebenfalls Orchester und 80er-Jahre-Elektronik kombinierte. Von all diesen nostalgisch angereicherten Scores ist Mothersbaughs Arbeit in meinen Augen die mit Abstand beste. Ich bin nun kein allzu großer Fan von Synth-Scores, aber so, wie Mothersbaugh die Elemente kombiniert und miteinander arbeiten lässt, weiß die Mischung zu überzeugen, denn anders als etwa bei „Deadpool“ verfügen die orchestralen Teile tatsächlich über Substanz, während die elektronischen nicht zum reinen Gimmick verkommen. Der Score, dem dieser hier klanglich am ähnlichsten ist, dürfte Daft Punks „Tron Legacy“ sein.

Zwar sind sowohl das Orchester als auch die Synth-Elemente fast durchgehend vorhanden, es fällt aber auf, dass das Orchester in den Asgard-Szenen sehr dominant ist, während die elektronischen und synthetischen Klänge auf Sakaar überwiegen – in meinen Augen eine sehr gelungene Abgrenzung, die dabei hilft, die Schauplätze angemessen musikalisch zu charakterisieren. Natürlich gibt es auch einige höchst amüsante Stücke, die sich die Hybridnatur dieses Scores in größerem Ausmaß zunutze machen, etwa Arena Fight, das eine elektronisch pulsierende Begleitung mit beeindruckenden Chor- und Blechbläsereinsätzen kombiniert. Wer dagegen eher auf pure elektronische Exzentrik steht, dürfte mit Tracks wie Grandmaster’s Chambers, Parade, The Revolution Has Begun, und natürlich dem abschließenden Grand Master Jam Session glücklich werden.

Leitmotivisch ist Mothersbaughs Arbeit weniger üppig, da er vor allem durch Instrumentierung erzählt und untermalt. Es gibt jedoch ein neues Thema für Thor, das zumindest auf mich so wirkt, als hätte er sich ein wenig von den beiden bisherigen Themen des Donnergottes von Patrick Doyle und Brian Tyler ausgeborgt und daraus ein neues Leitmotiv konstruiert. Zum ersten Mal ist besagtes Thema auf dem Album nach einem kurzen atmosphärischen Vorspiel am Anfang von Ragnarok Suite zu hören. Bei diesem Track handelt es sich um ein sehr gelungenes Medley, das vor allem die orchestrale Seite des Scores repräsentiert, während sich die elektronischen Elemente etwas zurückhalten – dementsprechend zieht sich Thors Thema durch das ganze Stück. Im dritten Track des Albums, Thor: Ragnarok, erklingt eine Version des Themas, die weitaus stärker nach 80er-Jahre-Synth-Rock klingt, speziell, wenn die getragene E-Gitarre das Thema von den Blechbläsern übernimmt. In Grandmaster’s Chambers ist zu Beginn eine dekonstruierte Synth-Version des Themas zu hören, ebenso wie im Verlauf von No One Escapes und Arena Fight. In voller Stärke kehrt das Thema dann im 80er-Gewand in What Heroes Do und in der zweiten Hälfte von The Revolution Has Begun zurück. Auch in die Actionmusik von Sakaar Chase und dem organischeren (und grandios betitelten) Devil’s Anus ist es eingearbeitet und hat somit eine durchaus zufriedenstellende Präsenz sowie eine angemessene Entwicklung im Score, die die des Protagonisten gut widerspiegelt. Besonders emotionale Versionen sind in den beiden folgenden Stücken, Asgard Is a People und Where to? zu hören, bevor man als Zuhörer in Planet Sakaar zum Abschluss noch einmal die volle Synth-Drönung serviert bekommt.

Hela dagegen hat kein eigenes, spezifisches Thema, sondern wird von brachialen Blechbläser- und Chorausbrüchen untermalt; exemplarisch ist die zweite Hälfte von Twilight of the Gods sowie Hela vs. Asgard. Ähnlich verhält es sich mit dem Grandmaster (und Sakaar im Allgmeinen); Planet wie Herrscher sind musikalisch von pulsierender Elektronik und Retro-Synth-Elementen geprägt, die ab Where Am I? mit einigen Ausnahmen (etwa The Vault) den Score dominieren; No One Escapes oder Sakaar Chase sind hierfür die besten Beispiele. Ganz ähnlich verfährt Mothersbaugh auch mit anderen Figuren. So wird Odin in der ersten Hälfte von Twilight of the Gods durch die nordische Hardangerfiedel repräsentiert, während der Feuerriese Surtr in Running Short on Options mithilfe eines Männerchors musikalisch untermalt wird – beides erinnert an Howard Shores Musik zur Herr-der-Ringe-Trilogie, wo mit den Rohirrim und dem Balrog ähnlich verfahren wird.

Und schließlich wären da noch Mothersbaughs Rückbezüge auf bisherige Marvel-Scores. Abermals geschieht das nicht ganz in dem Umfang, den ich für angemessen halte, aber ich bin froh über jeden Knochen, den man mir hinwirft. Weird Things Happen untermalt den Gastauftritt von Doctor Strange, was man sofort heraushört – zwar zitiert Mothersbauh nicht das Giacchino-Thema, imitiert aber die charakteristische Instrumentierung. In der Szene, in der Thor versucht, den Hulk auf Black-Widow-Art zur Zurückverwandlung zu bewegen, ist das von Brian Tyler komponierte Beziehungsthema der beiden aus „Age of Ultron“ zu hören – dieser Einsatz ist nicht auf dem Album zu finden, was aber nicht weiter stört, da es eine Direktübernahme und keine neue Variation sein dürfte. Der gelungenste Rückbezug findet sich allerdings in Where To?: Als Thor die Bürde des Königtums annimmt, zitiert Mothersbaugh Patrick Doyles Thor-Thema und spielt es für einige Sekunden sogar im Kontrapunkt zu seinem eigenen Thema – da geht dem Leitmotiv-Fan das Herz auf. Nur schade, dass dieser Moment so kurz ist und so abrupt endet.

Zum Schluss noch ein paar Worte zum Immigrant Song von Led Zeppelin, der bereits im ersten Ragnarok-Trailer eingesetzt wurde und für Begeisterung sorgte. Im Film taucht er ebenfalls auf, einmal am Anfang, um Thors erste Action-Szene zu untermalen, und noch einmal am Ende, wo der Donnergott sein volles Kraftpotential ausschöpft. Die Verwendung finde ich insofern interessant, da besagtes Lied im Trailer eher Hela zu repräsentieren schien und nicht Thor. Ansonsten wirkt der Einsatz auf mich ein wenig erzwungen, das gilt vor allem für die zweite Einspielung. An dieser Stelle hätte sich in meinen Augen Brian Tylers chorlastige Powerhymne aus „Thor: The Dark World“ weitaus besser gemacht – so hätte „Ragnarok“ erfolgreich beide musikalischen Identitäten des Donnergotts verarbeitet.

Fazit: So langsam kann ich die anhaltende Kritik an den Marvel-Scores nicht mehr nachvollziehen, denn mit „Thor: Ragnarok“ liefert Mark Mothersbaugh einen weiteren gelungenen und ziemlich distinktiven Vertreter ab. Aufgrund der Retro-Synth-Elemente ist dieser Score nicht ganz meine Kragenweite, aber im Kontext funktionieren sie hier exzellent.

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Siehe auch:
Thor: Raganrok – Ausführliche Rezension

Top 20 Playlist der 90er

Es geistert eine inoffizielle Blogparade (Einträge finden sich hier und hier) mit dem Thema „Musik der 90er“ umher (eigentlich mit nur 15 Beiträgen, aber ich konnte mich einfach nicht entscheiden). Nun hat die Musik der 90er, gerade was Mainstream und Charts angeht, insgesamt einen eher schlechten Ruf. Das kann mir als Anhänger eines Nischengenres allerdings relativ egal sein, denn was Filmmusik angeht, waren die 90er eine großartige Dekade – es ist mir ziemlich schwergefallen, nur 15 Stücke auszuwählen. Aber ich habe es letztendlich sogar geschafft, jedes Jahr zumindest mit einem Titel abzudecken. Insgesamt hat sich gezeigt, dass 1999, auf dieser Liste durch ganze fünf Titel vertreten, wirklich ein verdammt gutes Filmmusikjahr war. Wie auch immer, da ich es ziemlich unmöglich finde, diese Titel in eine Qualitätsreihenfolge zu bringen, habe ich sie nach Erscheinungsjahr geordnet.

Hymn to Red October von Basil Poledouris („Die Jagd nach dem roten Oktober“, 1990)

Basil Poledouris ist ein Komponist, der für meinen Geschmack viel zu wenig Aufmerksamkeit bekommt. Das könnte daran liegen, dass er leider 2006 verstarb, aber trotzdem. Zwar hat er sowohl seinen besten Score („Conan, der Barbar“) als auch sein bestes Thema (das Titelthema aus „RoboCop“) in den 80ern komponiert, was aber nicht bedeutet, dass er nicht auch in den 90ern wirklich gelungene Musik abgeliefert hat. Die einprägsame Hymne des Sean-Connery-Films „Die Jagd nach dem roten Oktober“ gehört definitiv zu seinen distinktivsten Stücken, der russische Chor schafft sofort die perfekte Atmosphäre, sodass man sich zumindest für die Laufzeit dieses Stückes sofort der Roten Armee anschließen möchte.

Prologue von John Williams („Hook”, 1991)

In John Williams Œuvre gibt es eine ganze Menge Scores, die für jeden anderen Komponisten DAS Opus Magnum wären. Anfang der 90er hat Williams drei Stück davon für Steven Spielberg komponiert. Zwei davon sind hier aufgeführt, auf „Schindlers Liste“ habe ich dagegen verzichtet, weil das zwar ein grandioser Score ist, ich aber nicht sehr oft zu ihm zurückkehre – zu deprimierend. Im Gegensatz zu den anderen beiden findet Williams Score für Spielbergs Peter-Pan-Adaption „Hook“ außerhalb von Filmmuiskfans verhältnismäßig wenig Beachtung – zu Unrecht, wie ich finde. „Hook“ ist ein vielschichtiger, opulenter Fantasy-Score, der in mehr als einer Hinsicht auf Harry Potter hindeutet. Williams komponiert selten für Trailer, aber sowohl bei „Hook“ als auch bei „Harry Potter und der Stein der Weisen“ schrieb er ein Stück für den Trailer, das später zum Hauptthema das Films werden sollte. Und was für eines: Prologue fängt die Magie des Fliegens, bei Peter Pan stets ein wichtiges Thema, perfekt ein.

The Beginning von Wojciech Kilar („Bram Stoker’s Dracula”, 1992)

Für Francis Ford Coppolas Adaption des berühmtesten Vampirromans schrieb der polnische Komponist Wojciech Kilar einen beeindruckenden, düsteren, gotischen, teilweise osteuropäisch angehauchten Score, dessen Brillanz sich bereits im ersten Track offenbart. Kilar kreiert sofort eine passende Atmosphäre, stellt das Thema des Titelschurken vor und untermalt seine Vampirwerdung mit einem sich stetig steigernden Stück, das in einem finsteren, choralen Höhepunkt endet. So macht man Gothic Horror.

Birth of a Penguin von Danny Elfman („Batmans Rückkehr“, 1992)

Und gotisch bleibt’s. In „Batmans Rückkehr“ knüpft Danny Elfman zwar an die Klänge des ersten Films an, geht aber gleichzeitig in eine neue Richtung. Während im Batman-Score durchaus schon viele Stilmittel vorhanden waren, suchte Elfman zu dieser Zeit noch nach seinem Sound. Mit „Batmans Rückkehr“ hat er ihn definitiv gefunden – zwischen diesem Score und „Edward mit den Scherenhänden“ aus demselben Jahr gibt es einige Gemeinsamkeiten. Während die Tonqualität leider schlechter ist als bei „Batman“, ist die Musik für „Batmans Rückkehr“ um einiges opernhafter und opulenter, hier dominiert nicht mehr nur ein Thema, stattdessen ringen gleich drei miteinander. Das zeigt sich im Eröffnungsstück besonders schön, da hier die Themen von Batman und dem Pinguin regelrecht miteinander kämpfen und sich immer wieder ablösen.

Journey to the Island von John Williams („Jurassic Park”, 1993)

Ich glaube, ich habe schon das eine oder andere Mal subtil erwähnt, dass mir Williams’ „Jurassic Park“ ziemlich viel bedeutet. Journey to the Island ist zweifellos der Höhepunkt und untermalt eine der einprägsamsten Szenen des Films: Der Anflug auf die Insel. Hier erklingt zum ersten Mal in all ihrer Pracht die Fanfare des Parks, noch erfüllt von Optimismus und Vorfreude, bevor nach und nach alles schief geht. In der zweiten Hälfte des Tracks ist dann auch das getragen, lyrische Hauptthema des Films zu hören, während die Dinos friedlich grasen. Ich kann mir nicht helfen, dieses Thema hat eine unglaublich beruhigende Wirkung auf mich.

Theme from Batman: Mask of the Phantasm von Shirley Walker („Batman: Mask of the Phantasm”, 1993)

Shirley Walkers Score, und mehr noch dieses eine Stück, das ihrem Batman-Thema Gelegenheit gibt zu glänzen, ist für mich die musikalische Essenz des Dunklen Ritters. DAS ist Batman, dieses Thema repräsentiert ihn perfekt, es ist düster, tragisch, heroisch, gotisch, opulent… Wenn es doch nur mal wieder einen Batman-Score gäbe, der sich dieser Stilistik annimmt. Stattdessen hört man immer nur Wummern und Dröhnen. Nachdem Tom Holkenborg (alias Junkie XL) nun für den Justice-League-Film bestätigt wurde (würg!), hoffe ich, dass wenigstens Ben Afflecks Batman-Film nicht von ihm vertont wird. Debbie Wiseman, Christopher Young, meinetwegen auch Alexandre Desplat, aber haltet Holkenborg in Zukunft von Batman fern!

To Think of a Story von Patrick Doyle („Mary Shelley’s Frankenstein“, 1994)

Noch ein hervorragend vertonter Klassiker der Schauerliteratur. „Mary Shelley’s Frankenstein“ dürfte sogar mein liebster Score von Patrick Doyle sein. Wie Kilar nutzt auch Doyle den Anfang des Films, um die Atmosphäre und Stil zu etablieren. Bei einem Regisseur wie Kenneth Branagh wird es selbstverständlich theatralisch, Doyles Score ist opulenter und theatralischer als „Bram Stoker’s Dracula“, dafür aber nicht ganz so brutal. Dennoch stahlt besonders dieses Stück eine herrliche Düsternis aus, die einen sofort in eine finstere Version des 18. Jahrhunderts zurückversetzt, gleichzeitig klassisch-elegant und abgründig.

This Land von Hans Zimmer („Der König der Löwen“, 1994)

Irgendetwas aus „Der König der Löwen“ musste unbedingt in diese Liste. Circle of Life? Oder doch lieber Be Prepared? Ich habe mich dann aber doch letztendlich für das Hauptthema des Films entschieden, schon allein weil es eines von Zimmers besten Themen ist und zu den Melodien gehört, die meine Kindheit prägten, und zwar mindestens ebenso sehr wie Elton John unvergessliche Lieder.

Main Title and Morgan’s Ride von John Debney („Cutthroat Island“, 1995)

Es freut mich immer wieder, wenn schlechte Filme gute Scores haben. Natürlich hätten grandiose Scores auch grandiose Filme verdient, aber gleichzeitig gibt es besagten Filmen gewissermaßen eine Existenzberechtigung, wenn zumindest die Musik das genießbare Element ist. Der Vorteil ist natürlich, dass man die Musik einfach losgelöst vom Film genießen kann. Nehmen wir „Cutthroat Island“ („Die Piratenbraut“): Was für ein energetisches, mitreißendes Main-Title-Stück, was für ein piratiges, säbelrasselndes Thema für die Protagonistin.

End Titles von David Arnold („Independence Day”, 1996)

Heute wie in den 90ern dreht Roland Emmerich große, dumme Filme. Was hat sich geändert? In den 90ern wurden seine großen, dummen Filme von David Arnold vertont, der die einzige Art von Musik schrieb, die solche Filme erträglich und erwähnenswert macht: Große, extrovertierte, komplexe und übertriebene Musik. Ich persönlich vermisse Arnolds Stimme als Komponist im Blockbusterbereich ziemlich – das letzte, was man aus dieser Richtung gehört hat, was „Die Chroniken von Narnia: Die Reise auf der Morgenröte“, ein hinreißender Fantasy-Score. Es wird Zeit für ein Comeback, damit es wieder neues Material im Stil von „Independence Day“ gibt. Das End-Title-Stück fasst das gesamte Material des Films zusammen, sowohl die opulenten als auch die ruhigeren, lyrischen Passagen.

Hellfire von Alan Menken und Stephen Schwartz („Der Glöckner Notre-Dame“, 1996)

Nochmal etwas, das in meiner 90er-Playlist definitiv nicht fehlen darf: Disney’s Darkest Moment. Ich denke, ich habe mich an anderer Stelle schon ausführlich genug über dieses Lied geäußert: Disneys bester Schurkensong, optisch, musikalisch und inhaltlich grandios, düster, voll von lateinischen Chören – was will man mehr?

Klendathu Drop von Basil Poledouris („Starship Troopers“, 1997)

Basil Poledouris die Zweite. Für „Starship Troopers“ bediente sich Poledouris der Stilistik von „RoboCop“und drehte dann noch mal ordentlich auf. Das Ergebnis passt perfekt zu Paul Verhovens Sci-Fi-Satire. Klendathu Drop ist dabei ein herausragendes Action-Stück, voller Blechbläser und militärischer Percussions, in dem das Hauptthema des Films zu voller Geltung kommt. Score und Track mangelt es natürlich an Subtilität, aber die ist in diesem Kontext eh nicht gefragt.

White Knight von David Arnold („James Bond: Der Morgen stirb nie“, 1997)

Die 90er sind die Pierce-Brosnan-Bond-Ära. Leider war es ihm nicht vergönnt, auch musikalisch einen guten Start hinzulegen, denn Eric Serras Score für „GoldenEye“ war unterirdisch. Glücklicherweise besann man sich und heuerte für „Der Morgen stirbt nie“ David Arnold an, der sich als würdiger Erbe des Bond-Stammkomponisten John Barry erwies. Arnold bleibt dem Jazz-Sound des Franchise treu, modernisiert ihn aber gleichzeitig, wie sich in White Knight sehr schön zeigt. Das Stück ist von einem langsamen, aber gelungenen Spannungsaufbau geprägt, der in einem furiosen Finale gipfelt, und dazu vom Bond-Thema durchzogen. Sogar eine Referenz an Tina Turners GoldenEye hat Arnold bei der Einminutenmarke eingebaut. Da Sam Mendes beim nächsten Bond-Film nicht Regie führen wird, könnte man doch Arnold reaktivieren…

The Ride von James Horner („Die Maske des Zorro“, 1998)

James Horners Scores haben manchmal den Ruf, sehr austauschbar zu sein, da der Komponist durchaus gerne bei sich selbst abschrieb (sein Gefahrenmotiv taucht in seinem Œuvre ziemlich häufig auf). Natürlich gibt es aber auch die Horner-Scores, die sehr distinktiv sind. Zwar ist „Die Maske des Zorro“ sehr gut als Werk des Komponisten zu erkennen, gleichzeitig hat die Musik für den schwarzgekleideten Vigilanten allerdings eine Frische und Energie, die ihresgleichen sucht, was auch mit der spanischen bzw. lateinamerikanischen Instrumentierung zusammenhängen dürfte. The Ride ist hier ein exzellentes Beispiel, setzt das Thema des Titelhelden schön in Szene und gleicht einem dynamischen, nun ja, Ritt.

The Plagues von Stephen Schwartz („Prinz von Ägypten“, 1998)

Es wird biblisch. „Der Prinz von Ägypten“ ist in meinen Augen die bisher beste Bibelverfilmung und ein Film, der definitiv mehr Beachtung verdient; zwar war er bei Erscheinen erfolgreich, danach ist er aber völlig zu Unrecht in der Versenkung verschwunden. The Plagues zeigt exemplarisch, wie gut die Moses-Geschichte als Musical funktioniert und wie die Lieder den emotionalen Kern kanalisieren: Hier kämpfen zwei Brüder gegeneinander, die sich absolut nicht bekämpfen wollen, aber es für ihre Pflicht (gegenüber einem Gott oder ihrem Erbe) halten, es dennoch zu tun, auch wenn es ihnen das Herz zerreißt. Nebenbei zeigt das Lied auch, wie gut Val Kilmer und Ralph Fiennes singen können.

Main Titles von Danny Elfman („Sleepy Hollow”, 1999)

Erwähnte ich schon, dass ich Gothic Horror liebe? Mit Danny Elfman kann man in diesem Bereich jedenfalls kaum etwas falsch machen. Sein Main-Titles-Stück für Tim Burtons Adaption der Washington-Irving-Geschiche im Hammer-Stil erzeugt jedenfalls die perfekte Atmosphäre für diesen Film. Nebenbei stellt Elfman auch gleich das Hauptthema vor, das sich in allen möglichen Variationen durch den gesamten Score zieht. Interessanterweise komponierte Elfman einige Jahre später mit „The Wolfman“ einen Soundtrack, der quasi ein Hybrid aus „Sleepy Hollow“ und „Bram Stoker’s Dracula“ ist und mit beiden hervorragend harmoniert.

Victorious Titus von Elliot Goldenthal („Titus”, 1999)

Ja, das hier verlinkte Stück ist Returns a King aus Tyler Bates‘ 300-Soundtrack. Es kommt durchaus öfter mal vor, dass man bei Filmkomponisten heraushört, wo sie sich inspiriert haben, besonders, wenn der Regisseur sich in seinen Temp-Track (die provisorische Musikauswahl, die im Rohschnitt verwendet wird und an der sich Komponisten oft orientieren (müssen)) verliebt hat. Aber im Fall von „300“ wurde das Titelstück aus Elliot Goldenthals „Titus“ wirklich Note für Note, mit derselben Orchestrierung, verwendet. Es ist wirklich ein grandioses Chorstück, das Tyler Bates auf sich gestellt so wahrscheinlich nicht hinbekommen hätte, aber trotzdem. Wie dem auch sei, ich kann nur jedem empfehlen, sowohl Elliot Golenthals Score als auch Julie Taymors Film eine Chance zu geben – es lohnt sich definitiv.

Cleopatra von Tevor Jones („Cleoptra“, 1999)

Trevor Jones ist ein toller Komponist, der leider irgendwann Anfang der Nullerjahre in der Obskurität verschwand. Ich bin vor allem ein Fan seines finsteren Gothic-Horror-Scores „From Hell“, aber auch für den Fernsehfilm „Cleopatra“ hat er ein wirklich tolles Hauptthema komponiert, mysteriös, erotisch, ägyptisch – das volle Programm. Ganz allgemein: Wer ich auf Hollywoods Ägypten-Sound steht, macht mit diesem Kleinod definitiv nichts falsch.

Imhotep von Jerry Goldsmith („Die Mumie“, 1999)

Ja, gleich nochmal Ägypten, und dazu noch ein Spätwerk aus Jerry Goldsmiths Karriere. Tatsächlich ist „Die Mumie“ der erste Goldsmith-Score, den ich gehört habe, weshalb dieser Soundtrack einen besonderen Platz in meinem Herzen hat. Für das Indiana-Jones-artige Remake des 30er-Jahre-Horror-Klassiker zieht Goldsmith alle Register des altägyptischen Bombasts bereits im ersten Track und lässt sein düster-orientalisches Imhotep-Thema auf den Zuhörer los, das den Schurken sofort passend definiert.

Duel of the Fates von John Williams („Star Wars Episode I: Die dunkle Bedrohung”, 1999)

Last but not least: Williams’ Rückkehr in die weit, weit entfernte Galaxis. Man mag ja über „Die dunkle Bedrohung“ sagen, was man will, aber der Score ist brillant, nicht zuletzt wegen dieses Vorzeigestücks, das es schafft, den epischen Konflikt zwischen Licht und Dunkelheit phänomenal umzusetzen. Nebenbei bemerkt: Der Chor singt hier eine keltisches Gedicht auf Sanskrit. Duel of the Fates ist primär ein szenenspezifisches Thema für den Endkampf von Episode I, war aber aufgrund seiner Beliebtheit auch in Schlüsselmomenten in Episode II und III wieder zu hören.

Das Soundtrack-Jahr 2015

Dezember und Januar sind die Monate der Best-of- und Worst-of-Listen – und da mache ich auch mit. Bei Filmen fällt es mir immer verdammt schwer, sie in eine Wertungsreihenfolge zu bringen, weshalb ich mich, wie schon letztes Jahr, auf die besten Soundtracks beschränke. Für 2014 habe ich neben einer Top 10 auch eine Worts 5 geliefert, Letztere fällt dieses Jahr weg, da es in Filmen, die ich gesehen habe, keine derartige Enttäuschung wie „X-Men: Days of Future Past“ gab und ich mich auch von Scores, bei denen abzusehen war, dass sie mir nicht gefallen würden, ferngehalten habe (etwa „Sicario“ oder „Chappie“). Zum Ausgleich habe ich die Top 10 auf eine Top 15 ausgeweitet.

Wie üblich gilt: Die Qualität des Films hat keinen Einfluss auf die Bewertung der Musik. Und: Die Liste ist nicht absolut. Von den ersten drei Plätzen einmal abgesehen habe ich sie ständig verändert, und selbst wenn sie online ist, könnte mir die Rangfolge schon ein paar Stunden später nicht mehr passen. Außerdem sollte ich noch erwähnen, dass ich acht der fünfzehn zugehörigen Filme nicht gesehen habe und somit auch nicht bewerten kann, wie die Musik im Film wirkt, mein Urteil bezieht sich dort also ausschließlich auf das, was es auf dem Album zu hören gibt.

Platz 15: Jurassic World (Michael Giacchino)

Da ich ohnehin noch plane, einen ausführlichen Artikel über die Musik des Jurassic-Park-Franchise zu schreiben, mache ich es hier kurz: Giacchinos Musik für das dritte Sequel des Spielberg-Klassiker ist zwar definitiv kein so grandioser Klassiker wie das Williams-Original, aber ein solider Score. Williams Themen bekommen gelungene Gastauftritte, die für leitmotivische Kontinuität sorgen, aber auch abseits davon versteht Giacchino es, sich der Manierismen des Maestro zu bedienen, sodass „Jurassic World“ klanglich stets gut zum Original passt, aber dabei immer noch wie ein Giacchino-Score klingt.

Platz 14: Mission Impossible: Rogue Nation (Joe Kramer)

Mit dieser Filmreihe konnte ich nie besonders viel anfangen, was auch an Tom Cruise liegen mag, den ich als Schauspieler nicht besonders schätze, wenn er nicht gerade einen Vampir spielt. Ich hätte mir wohl auch den Score des neuesten Films der Reihe nicht angehört, hätte mich das überschwängliche Lob für die Musik von Joe Kramer nicht doch überrascht und neugierig gemacht. Bislang wurden die Mission-Impossible-Filme von Komponisten wie Danny Elfman, Hans Zimmer und Michael Giacchino vertont. Ähnlich wie bei den James-Bond-Filmen war dabei die Verwendung des klassischen Franchise-Thema, komponiert von Lalo Schifrin, obligatorisch. Besagtes Thema dürfte auch jedem geläufig sein, schon allein aus den vielen, vielen Parodien. Wie nicht anders zu erwarten spielt dieses Thema auch in Kramers Score eine wichtige Rolle. Kramer, dessen Name mir zuvor nicht geläufig war, integriert Schifrins Leitmotiv auf äußerst gelungene Weise in die DNS seiner Musik, es scheint nie weit entfernt und erhält viele vielseitige und befriedigende Statements, ohne dabei überbeansprucht zu werden. „Rogue Nation“ ist ein gelunger, sehr kreativer Old-School-Soundtrack im besten Sinne und macht verdammt viel Spaß.

Platz 13: Gänsehaut (Danny Elfman)

Als Kind habe ich die Gänsehaut-Romane von R. L. Stine geliebt; mit ihnen verbinde ich viel Nostalgie. Die Filmadaption habe ich noch nicht gesehen (sie startet erst im Februar), aber der Score ist schon eine ganze Weile erhältlich. Was soll ich sagen: Für diese Art Film bzw. diese Art Musik gibt es keinen besseren Komponisten als Danny Elfman. An „Gänsehaut“ gibt es nichts Revolutionäres oder bisher Ungehörtes, die Musik ist ganz typisch Elfman, in dieser Art komponiert er schon seit Jahren für Tim Burton, artverwandte (und zumeist bessere) Scores gibt es zuhauf, von „Beetlejuice“ über „Batmans Rücckehr“ und „A Nightmare Before Christmas“ bis hin zu „Frankenweenie“. Die Elfman’sche Mischung aus Horror und Comedy passt hier aber auch wie die Faust aufs Auge: Gotisch und gleichzeitig verspielt. Und mehr noch, Elfmans Stil für diese Art Film ist einfach so unendlich unterhaltsam. Es ist nicht neu, es ist schon mal dagewesen, aber ich mag es trotzdem.

Platz 12: Victor Frankenstein (Craig Armstrong)

Als Fan von Gothic Horror kommt man dieses Jahr wirklich auf seine Kosten: Gleich drei Scores in dieser Spalte. Zwar komm keiner der drei an Abel Korzeniowskis Musik für „Penny Dreadful“ heran, die es letztes Jahr auf Platz 6 schaffte, aber alle drei sind äußerst gelungen und ergänzen sich ziemlich gut. Während „Gänsehaut“ eher humoristisch ist und sich absolut nicht ernst nimmt und „Crimson Peak“ eher die tragisch-dramatische Seite betont, ist Craig Armstrongs Musik für die x-te Frankenstein-Verfilmung die wahrscheinlich vielseitigste und modernste, mal fast schon verspielt, mal sehr emotional und zart, mal ausnehmend brutal und unheimlich. Armstrong bedient sich durchaus moderner Filmmusiktechniken, klingt dabei aber trotzdem nicht wie Hans Zimmer. An Patrick Doyles Musik für „Mary Shelley’s Frankenstein“ kommt dieser Score allerdings nicht heran.

Platz 11: Crimson Peak (Fernando Velázquez)

Bereits mit seinem Score zu „Mama“ hat Fernando Velázquez bewiesen, dass er ein sehr kompetenter Horror-Komponist ist. Auch für Guillermo del Toros gotische Romanze findet er genau die richtigen Töne. Wie der Film selbst deckt auch der Score eher die dramatisch-tragische Seite der Gothic Novel ab. Der Kern des Scores ist das Thema der Protagonistin Edith, eine sehnsuchtsvolle Streichermelodie. Das titelgebende Haus wird eher durch orchestrale Texturen und Dissonanzen als durch ein Leitmotiv repräsentiert, was ebenfalls ziemlich gut funktioniert, auch wenn Veláquez dabei vielleicht manchmal ein wenig zu tief in die musikalische Horror-Klischeekiste greift. Dennoch, Ediths Thema vermag es ausgezeichnet, den Score zu tragen.

Platz 10: Muhammad: Messenger of God (A. R. Rahman)

Bei „Muhammad: Messenger of God“ handelt sich um den ersten Film einer iranischen Trilogie, die, wie könnte es anders sein, das Leben des Propheten Mohammed erzählt. Nach dem, was ich gehört habe, handelt es sich bei diesem Streifen in erster Linie um unreflektierte Beweihräucherung (ich habe ihn aber nicht gesehen und kann mir deshalb auch kein Urteil bilden). Trotzdem haben diverse Fundamentalisten schon wieder die Fatwa auf die Filmemacher ausgerufen. Wie auch immer, die Musik stammt von dem indischen Komponisten A. R. Rahman, der u.a. auch die Scores von „Slumdog Millionaire“ und „127 Hours“ komponiert hat. Dieser Soundtrack ist ein typischer Vertreter des „modernen Epos“. Rahman hat sich, vermutlich auf Anweisung des Regisseurs oder Produzenten, sehr stark am aktuellen Hollywood-Sound orientiert. Im Klartext bedeutet das: An Hans Zimmer. Glücklicherweise aber nicht an „Man of Steel“, sondern eher an „Gladiator“ und „Illuminati“. Das bedeutet: Hymnen im Zimmer-Stil der 90er und frühen 2000er, viel Chor, recht wenig Subtilität und eine schöne Kombination von klassischem Orchester und arabischen Instrumenten. Trotz der Zimmer-Anleihen ist Rahmans Musik äußerst mitreißend, episch und sehr kompetent komponiert.

Platz 9: Zhong Kui: Snow Girl and the Dark Crystal (Javier Navarette)

Javier Navarette ist ein weiterer europäischer Komponist, der in Hollywood Arbeit bekam und seinen Stil dann erst einmal zimmerisieren musste. Zwar schimmert in seinem Hollywood-Action-Debüt „Zorn der Titanen“ durchaus hin und wieder seine Handschrift durch, insgesamt ist die Musik, die Navarette für diesen Film geschrieben hat, allerdings typische Standardware mit vielen Ostinati und noch mehr überflüssiger Elektronik; leider ist dieser Soundtrack qualitativ weit entfernt von einem Score wie „Pans Labyrinth“. „Zhong Kui“ dagegen ist ein wirklich interessanter Hybrid-Score, der sich aus drei Teilen zusammensetzte: Moderne elektronische Elemente, klassisches Orchester und ostasiatische Instrumentierung und Sensibilität. Das Ergebnis ist grandios und äußerst episch. Die Melodien sind typisch Navarette, die modernen Chöre erinnern ein wenig an „Zorn der Titanen“ und die östlichen Einflüsse machen das Ganze fast perfekt. Lediglich im Mittelteil zieht sich der Score ein wenig und Navarette übertreibt es mit der Elektronik ein wenig. Aber davon abgesehen ein grandioser Soundtrack.

Platz 8: Peter and Wendy (Maurizi Malagnini)
Leider nicht auf Youtube!
Auf diesen Score des italienischen Komponisten Maurizi Malagnini (eine weitere Neuentdeckung) bin ich erst vor Kurzem aufmerksam geworden und hatte noch nicht wirklich Zeit, mich mit ihm auseinanderzusetzen. Es handelt sich hierbei, im besten Sinne des Wortes, um einen „Kinder-Soundtrack“, warm, verspielt, aufgeweckt, extrovertiert. Mich persönlich erinnert Malagninis Musik ein wenig an John Williams „Hook“ – und das nicht nur, weil „Peter and Wendy“ auch eine Peter-Pan-Adaption ist. Der Score quillt quasi über vor Lebensfreude und kindlicher Abenteuerlust – und es gibt auch einen ganzen Haufen Leitmotive, deren Bedeutung sich ohne Filmkenntnis allerdings recht schwer feststellen lässt.

Platz 7: Wolf Totem (James Horner)

2015 war ein Jahr, in dem viele Größen der Unterhaltungsindustrie verschieden (und in 2016 geht es direkt so weiter). James Horner ist vielleicht der tragischste dieser Verluste, da der Komponist gerade einmal 61 Jahre alt wurde und nach einer längeren Pause gerade seine Rückkehr in die Filmmusik zelebrierte, und das mit sage und schreibe sechs Soundtracks, die fast ein wenig wie ein Abschiedsgeschenk an seine Fans wirken (der letzte, die Musik zu Antoine Fuquas „The Magnificent Seven“, erscheint erst in diesem Jahr). Der Score zu „Wolf Totem“ ist dabei sicher derjenige, der sich am meisten wie ein typischer Horner anfühlt. Viele der Stilmittel des Komponisten, die man liebt, weil Horner wie kein zweiter weiß, wie er sie einsetzen muss, oder die einen hin und wieder auch nerven, weil er sich ihrer in der Vergangenheit zu ausgiebig bediente (Stichwort: Vier-Noten-Gefahrenmotiv), sind hier versammelt. „Wolf Totem“ ist großorchestrale, sehr emotionale Musik. Der Score wird von seinem gelungenen Hauptthema getragen; darüber hinaus hat Horner die Musik für Jean-Jacques Annauds Film, passend zum Setting, immer wieder mit ostasiatischen Anklängen versehen, indem er sich Instrumenten wie dem Erhu oder der Shakuhachi-Flöte bediente.

Platz 6: Ant-Man (Christopher Beck)

Christopher Beck ist ein Komponist, der mir bisher weder positiv noch negativ wirklich aufgefallen ist. Mit „Ant-Man“ hat er nun allerdings bewiesen, was er kann und einen gelungenen Superhelden-Score geschrieben, der zugleich modern und retro ist. Einflüsse von Brian Tyler und Alan Silvestri sind deutlich herauszuhören (was in diesem Franchise sehr positiv ist), und hin und wieder erinnern auch einige Elemente an Danny Elfmans Spider-Man-Musik, speziell was das Hauptthema angeht. Apropos: Superhelden-Scores stehen und fallen oft mit ihrem Hauptthema, und auch diesbezüglich weiß „Ant-Man“ glücklicherweise zu überzeugen, Becks Thema für die Titelfigur ist eingängig und passt wunderbar. So langsam klappt’s mit der MCU-Musik, selbst für thematsiche Kontinuität ist gesorgt, denn Alan Silvestris Avengers-Thema hat einen kleinen Gastauftritt.

Platz 5: Cinderella (Patrick Doyle)

In den letzten Jahren gehörte auch Patrick Doyle zu den Komponisten, die, ob freiwillig oder vom Studio verordnet sei dahingestellt, Hans Zimmers Stil adaptierten. Während Scores wie „Thor“ oder „Planet der Affen: Prevolution“ nicht schlecht waren, fragt man sich doch, ob es nicht besser gewesen wäre, wenn Doyle sich einfach seines persönlichen Stils bedient hätte. Nun, „Cinderella“ ist Doyle pur. Was auch immer man von den ganzen Realfilmremakes der Disney-Klassiker halten mag (ich bin nicht unbedingt ein Fan), sie hatten alle fast ausnahmslos gute Musik. Doyle knüpft an seine Arbeit aus den 90ern und den frühen 2000ern an. Vor allem für jene, die an seiner Musik für „Harry Potter und der Feuerkelch“ gefallen fanden, dürfte „Cinderella“ eine lohende Anschaffung sein; der Score ist nicht besonders actionreich, aber voll von schönen, märchenhaften Melodien und klassisch anmutenden Walzern. Das Ganze ist mit komplexer Orchesterarbeit und einem gelungenen Thema für die Titelheldin angereichert – was will man mehr?

Platz 4: Pan (John Powell)

Ursprünglich sollte Dario Marianielli die Musik zu Joe Wrights Megaflop schreiben, doch die Produzenten fanden seine Musik nicht zufriedenstellend (wahrscheinlich war sie ihnen zu europäisch) und stattdessen wurde John Powell verpflichtet. Im Grunde baut Powell mit „Pan“ sehr stark auf dem Sound von „Drachenzähmen leicht gemacht“ auf, würden die Themen vorkommen, könnte es fast die Musik zum dritten Teil sein. Aber das ist per se erst einmal nichts schlechtes, denn Powells Drachen-Musik gehört nun einmal zum Besten, was im Bereich Filmmusik in den letzten paar Jahren erschienen ist. Die Grundeigenschaften sind dieselben: Sehr komplexe, extrovertierte und lebhafte Klänge, schöne Melodien und grandiose, mitreißende Action. Die beiden Hauptthemen mögen zwar nicht ganz an die der Drachen-Scores herankommen, sind aber vollauf gelungen. „Pan“ ist im Grunde Powell auf Autopilot. Wenn es doch nur noch mehr Komponisten gäbe, die selbst auf Autopilot derartige Musik schreiben können.

Platz 3: Avengers: Age of Ultron (Brian Tyler, Danny Elfman)

Diese Platzierung hängt sehr stark mit persönlicher Präferenz zusammen. „Avengers: Age of Ultron“ hat einige musikalische Schwächen, aber verdammt noch mal, Danny Elfmans Hybrid-Avengers-Thema macht mich süchtig. Dieses Thema habe ich im Jahr 2015 wirklich verdammt oft gehört. Inwzwischen wünsche ich mir fast, Elfman hätte den Score allein geschrieben und sich die Tyler-Themen lediglich ausgeborgt. Brian Tylers Anteil am Gesamtwerk ist nun wirklich auch alles andere als schlecht, aber die Art und Weise, wie Elfman hier Themen von drei verschiedenen Komponisten miteinander verarbeitet, ist meisterhaft – eine Schande, dass einige der besten Stücke nicht einmal im Film gelandet sind. Elfman für „Infintiy Wars“!

Platz 2: Jupiter Ascending (Michael Giacchino)

Auch wenn es von Anfang an nicht besonders gut aussah, ich hatte so sehr gehofft, dass „Jupiter Ascending“ gut und erfolgreich wird, denn für sich allein stehende, nicht-Franchise gebundene Sci-Fi-Filme dieser Art, die auch noch auf einem Originaldrehbuch basieren, findet man nicht so oft. Und die grundsätzliche Idee ist ja auch gar nicht übel, nur anscheinend haben die Wachowskis jegliches Verständnis dafür verloren, wie man so etwas ansprechend umsetzte. Auf gewisse Weise mach „Jupiter Ascending“ dieselben Fehler wie „Star Wars Episode I: Die dunkle Bedrohung“, nur noch in einem weit extremeren Ausmaß. Das einzige, was an diesem Film wirklich exzellent ist, ist Michael Giacchinos Score. Dieser Soundtrack ist für mich das Giacchino-Gegenstück zu John Debneys „Cutthroat Island“. Unterirdischer Film, aber ein Score, der durchaus das Magnum Opus des Komponisten sein könnte und bei dem sich die Veröffentlichung in zwei CDs definitiv lohnt. Manchmal fragt man sich, wie solche Werke entstehen. Finden Komponisten die Filme wirklich so inspirierend, nutzen sie sie einfach als Gelegenheit, um mal so richtig die Sau rauszulassen oder versuchen sie, den Film tatsächlich zu retten? Leider schafft es nicht einmal dieser grandiose Score, „Jupiter Ascending“ zu retten, aber er sorgt immerhin dafür, dass ich mich über seine Existenz freue, denn sonst wäre mir Giacchinos Meisterwerk niemals zu Ohren gekommen. „Jupiter Ascending“ ist großorchestral, bombastisch, meisterhaft komponiert, schöne Themen, mitreißende Action, wunderbare Melodien und noch so viel mehr. Wenn es noch einen Beweis braucht, dass Michael Giacchino irgendwann einen Star-Wars-Film vertonen sollte, hier ist er.

Platz 1: Star Wars Episode VII: Das Erwachen der Macht (John Williams)

Das war wohl vorauszusehen. Wobei ich zugeben muss: Nach dem ersten Kinobesuch und dem ersten Durchören war ich mir nicht sicher, ob „Das Erwachen des Macht“ es tatsächlich auf Platz 1 schaffen würde. Aber, siehe da: Für mich ist Williams‘ siebter Star-Wars-Score ein Werk, das beim ersten Hören „nur“ gut war, aber bei jedem weiteren Durchgang noch dazu gewinnt, er hat sich beim Rennen um den ersten Platz nicht sofort vorne eingereiht, sondern langsam vorgearbeitet. Jedes Mal entdeckt man etwas Neues und es wird klar, wie genial Williams sich der neuen und alten Leitmotive bedient, um die Geschichte des Films zu erzählen. Ich kann inzwischen absolut nicht mehr nachvollziehen, wie man behaupten kann, dieser Soundtrack habe keine einprägsamen Themen. Reys grandioses Leitmotiv ist praktisch überall und stets willkommen, Kylo Ren mag nur ein Motiv aus fünf Noten besitzen, aber es prägt sich sofort ein.„Das Erwachen des Macht“ ist eine würdige Fortführung des Franchise. Williams muss jetzt halt definitiv noch Episode VIII und IX vertonen, denn er hat hier so viele Andeutungen gemacht und so viel vorbereitet, dass alles andere furchtbar frustrierend wäre. Einmal mehr hat es Williams in seinem hohen Alter noch einmal allen gezeigt.

Marvel-Musik Teil 3: Marvel Cinematic Universe

Nachdem ich im letzten Artikel die drei Iron-Man-Filme separat behandelt habe, folgen nun die restlichen MCU-Filme, mit einer Ausnahme: „The Incredible Hulk“ werde ich außen vor lassen, allerding nicht, weil mir Greg Armstrongs Musik nicht gefallen würde, sondern weil ich mich kaum mit ihr beschäftigt habe und der Erwerb des Soundtrack-Albums ziemlich teuer wäre. Eines allerdings weiß ich: Von Armstrongs musikalischem Material findet sich in den anderen Filmen nichts.

Patrick Doyle

Im Vorfeld des ersten Thor-Films war ich der Meinung, dass Patrick Doyle sich ziemlich gut als Komponisten für den Donnergott eignen würde. Seine Musik für das Harry-Potter-Franchise hat mir, für sich betrachtet, ziemlich gut gefallen, im Kontext der Filme war sie mir allerdings zu opulent. Für Thor und die nordischen Götter dagegen kann es nicht opulent genug sein, da diese bekanntlich keine halben Sachen machen. Dummerweise hatten die Marvel-Studios allerdings etwas anderes im Sinn. Man kann wohl getrost davon ausgehen, dass Patrick Doyle sicher nicht die Musik für diesen Film geschrieben hätte, wäre er nicht Kenneth Branaghs Wahlkomponist. Allerdings verlangte das Studio einen moderneren Soundtrack, was im Klartext bedeutete, dass Doyle die Stilmittel von Hans Zimmers Remote-Control-Studio adaptieren musste. Ich hatte mich ja an anderer Stelle darüber ausgelassen, wie schade ich es finde, dass die moderne Filmmusik durch den Einsatz übermäßiger Elektronik, gleichförmiger Ostinati und Drumloops so vereinheitlicht wird. Das, was Patrick Doyle letztendlich abgeliefert hat, ist erfreulicherweise mehr als funktional, der Soundtrack zu „Thor“ ist sogar ziemlich gut gelungen, allerdings trotz und nicht wegen der RCP-Stilmittel. Das liegt vor allem daran, dass Doyle es geschafft hat, den emotionalen Kern des Films musikalisch darzustellen.
Je nachdem, wen man fragt, hat der Film entweder ein oder zwei Hauptthemen. Ich persönlich habe es meistens als ein Thema für den Titelhelden wahrgenommen, dass in zwei unterschiedlichen Ausprägungen vorhanden ist, aber andere Rezensenten identifizieren zwei Themen, das Thor-Thema und das Brüder-Thema, die dann allerdings ziemlich eng verwandt sind. Wie dem auch sei, auf jeden Fall erfüllet der leitmotivische Kern seine Aufgabe voll und ganz. Es gibt noch einige sekundäre Themen, etwa für Asgard und Odin, ein eigenes Thema für Loki fehlt allerdings.
Doyles Actionmusik ist leider nicht so imposant wie die von „Harry Potter und der Feuerkelch“, aber immerhin durchaus funktional. Am besten ist dieser Score allerdings in den emotionalen und leitmotivisch geprägten Szenen, etwa wenn der sterbliche Thor nach dem Hammer greift und sein Thema erklingt, das Hoffnung und Verzweiflung zugleich ausdrückt. Somit ist Doyles Soundtrack sehr gut gelungen, auch wenn ich nach wie vor der Meinung bin, dass er mit weniger RCP-Stilmitteln noch besser geworden wäre.

Alan Silvestri

Die Verpflichtung von Alan Silvestri war aus zwei Gründen äußerst erfreulich für mich. Zum einen wurde er nicht nur für „Captain America: The First Avenger“ verpflichtet, sondern auch gleich für „The Avengers“, womit immerhin ein minimales Ausmaß an Kontinuität entstand. Außerdem passt Silvestri seinen Stil erfreulicherweise nicht an modernes Blockbuster-Scoring an. Vor allem seine Musik zum ersten Captain-America-Film ist ein wunderbar altmodischer Abenteuer-Soundtrack, der perfekt zum Film und zur Figur passt. Gerade das Titelthema ist eingängig, markant und patriotisch (was für diese Figur ein Muss ist), wenn es nach mir ginge, hätte Silvestri es zwar noch ein wenig öfter verwendet, aber sei’s drum.
Für „The Avengers“ verwendete Silvestri schließlich eine leicht modernisierte Fassung des Captain-America-Sounds, die ebenfalls gut funktioniert. Leider bleibt Silvestris zweiter MCU-Soundtrack hinter seinen Möglichkeiten zurück. Die Old-School-Actionmusik ist sehr unterhaltsam, aber vor allem auf leitmotivischer Ebene könnte die Avengers-Musik besser sein. Das Tesserakt-Motiv und der Captain-America-Marsch werden weiterverwendet, allerdings in verhältnismäßig geringem Ausmaß. Hinzu kommen zwei neue Themen, eines für Black Widow und eines für die Avengers selbst. Letzteres ist natürlich auch das Hauptthema des Scores, und Silvestri baut in der ersten Hälfte vor allem auf, macht hier und dort ein paar Andeutungen, bevor es mehrmals vollständig während des Finale erklingt. Silvestri arbeitet gut mit ihm, aber leider ist das Thema selbst nur in Ordnung und ist um einiges schwächer als der Captain-America-Marsch oder das heroischen Thema aus „Die Mumie kehrt zurück“. Vor allem ist es schade, dass Silvestri keinem der anderen Helden außer Black Widow und Captain America ein Thema zugewiesen oder, noch besser, leitmotivisches Material aus den anderen Scores des MCU verwendet hat. Gerade Doyles Thor-Thema hätte sich sehr gut geeignet.
Dennoch bringt Silvestri ein wenig dringend benötigte Kontinuität ins Marvel Cinematic Universe, auch wenn seine Avengers-Musik hinter den Erwartungen zurückbleibt.

Brian Tyler

Für den zweiten Thor-Film wollte Regisseur Alan Taylor ursprünglich Carter Burwell verpflichten, eine sowohl interessante als auch ungewöhnliche Wahl, da Burwell im Superheldenbereich bisher noch nichts komponiert hatte, auch wenn er 2012 bewies, dass er in der Lage ist, imposante Actionmusik zu schreiben (und das noch dazu ausgerechnet mit „Breaking Dawn Teil 2“). Allerdings kam es zwischen Burwell und Marvel zu kreativen Differenzen, weshalb ihn das Studio verhältnismäßig kurzfristig durch Brian Tyler ersetzte. Das ist nun alles andere als eine innovative Wahl, aber andererseits bewies Tyler ja bereits mit „Iron Man 3“, dass sein Stil gut ins Marvel-Universum passt. Auf diesem Score baut er auch weiter auf; für die Musik von „Thor: The Dark World“ gilt letztendlich dasselbe wie für „Iron Man 3“: Im Grunde handelt es sich um eine besser orchestrierte Version des Hans-Zimmer-Action-Sounds von früher, bevor er sich verstärkt dem Minimalismus zuwandte. Tylers zweiter Marvel-Score ist dem ersten sehr ähnlich, allerdings verzichtet er hier zum Großteil auf die elektronischen Elemente und erhöht stattdessen die Bombast-Zufuhr. Leider entschloss sich auch Tyler wieder, das leitmotivische Material seines Vorgängers zu ignorieren. Das Hauptthema dieses Films ist sowohl schwächer als Tylers Iron-Man-Thema als auch als Doyles Thor-Thema, welches eine emotionale und noble Komponente besaß, die hier fehlt. Tylers Thema ist letztendlich nicht schlecht, aber eben eine relativ stereotype, vom Chor dominierte Powerhymne. Dafür ist die Verknüpfung zu den anderen Themen dieses Films allerdings sehr gelungen, denn das Hauptthema fungiert sowohl als Thema für Thor als auch für Asgard. Wenn es Thors Handlungen untermalt, wird ihm noch eine Fanfare vorangestellt. Darüber hinaus sind auch die Themen von Odin und Loki eng mit dem Asgard-Thema verwandt und drücken so die Verbindungen zwischen den Figuren aus.
Für Leitmotiv-Fanatiker wie mich gibt es darüber hinaus noch ein kleines Easter-Egg: In der Szene, in der Loki Captain Americas Gestalt annimmt, zitiert Tyler kurz das dazu passende Thema von Silvestri (im Track An Unlikely Alliance). Das unterstreicht nicht nur den komödiantischen Effekt der Szene, sondern erfreut mich dazu noch ungemein, weil es noch ein bisschen mehr leitmotivische Kontinuität schafft.

Henry Jackman
Anmerkung: Da die Gema mal wieder übereifrig war, finden sich auf youtube keine Einzestücke aus Jackmans Score.
Als ich erfuhr, wer „Captain America: The Winter Soldier“ vertonen würde, war ich ziemlich enttäuscht, da ich gehofft hatte, dass Alan Silvestri ein weiteres Mal für Cap komponieren würde. Henry Jackman gehört zu den Hans-Zimmer-Schülern und hat sich bisher vor allem durch Musik für Animationsfilme hervorgetan, auch wenn er mit „X-Men: First Class“ schon Superheldenerfahrung sammeln konnte. Die First-Class-Musik war zwar nicht grandios, aber doch immerhin ziemlich unterhaltsam. Selbiges lässt sich leider nicht über den Score von „The Winter Soldier“ sagen, der sich zusammen mit Ramin Djawadis Iron-Man-Musik ganz unten in meiner Rangfolge der Marvel-Soundtracks befindet. Mit dieser Meinung stehe ich unter Filmmusikkritikern absolut nicht allein da, allerdings lässt sich bei Filmkritikern interessanterweise Gegenteiliges feststellen: Viele, die sonst nie oder zumindest selten etwas zur Musik schreiben, hoben Jackmans Score positiv hervor und behaupteten, er bringe frischen Wind in die Superheldenmusik, was ich absolut nicht nachvollziehen kann. Jackamns Musik ist bestenfalls anonyme Dutzendware und schlimmstenfalls geradezu unhörbar. Abermals verwirft Jackman das Thema des Vorgängerfilms, wobei dies hier nicht vollständig zutrifft: Silvestris Thema wird zu Beginn des Films einmal kurz eingespielt, dieser Einsatz findet sich aber nicht auf dem Album (immerhin, damit ist Captain America der einzige Marvel-Held, der ein Thema besitzt, das in jedem Film, in dem er in irgend einer Form vorkommt, auch wenigstens einmal gespielt wird).
Im Großen und Ganzen besteht dieser Soundtrack aus drei Bestandteilen: Typische RCP Actionmusik, die stark an Zimmers Dark-Knight-Trilogie erinnert (mit anderen Worten: Viel Wummern und Dröhnen), einige ruhigere und/oder heroische Momente, die wie eine verwässerte Version des Silvestri-Sounds klingen, und dazwischen einiges an völlig unhörbarem Schurkenmaterial. Gerade der Umgang mit der „Musik“ des titelgebenden Winter Soldier erinnert stark an das, was Zimmer für den Joker komponiert hat. Wie Zimmer hat Jackman die Winter-Soldier-Musik als Werbe-Gimmick verwendet, sie sei neu, experimentell und grandios. Der Track The Winter Soldier besteht in der Tat ausschließlich aus Jackmans Winter-Soldier-Material, das sich vor allem aus migräneerzeugendem Electro-Dubstep-Lärm zusammensetzt. Glücklicherweise kommt im Film selbst nur sehr wenig von diesem Material vor, die Auftritte des Winter Soldiers werden zumeist von etwas begleitet, das nach einem elektronisch verzerrten Greifvogelschrei klingt (und sich ebenfalls in besagtem Track befindet). Die Parallelen zur Joker-Musik sind überdeutlich, allerdings gibt es einen Unterschied: Zum Winter Soldier passt diese Herangehensweise in meinen Augen nicht. Da er im Gegensatz zum Joker ein tragischer Schurke ist, wäre ein melodischer Kern, der in die eine oder andere Richtung entwickelt werden kann, weitaus angebrachter, dieser ist aber nicht vorhanden. Jackmans Ersatz für das Silvestri-Thema ist vage heroisch, aber völlig anonym und unscheinbar, gerade in diesem Film fehlt eine markante Identität für den Titelhelden spürbar. Im Großen und Ganzen denke ich, dass die Regisseure Anthony und Joe Russo sich lieber an Silvestri hätten wenden sollen.

Fazit und Ausblick
Was dem MCU bislang fehlt ist ein wirklich grandioses Meisterwerk. Bislang gab es einige solide bis gute und einige ziemlich schwache Scores. Im Insgesamt würde ich die Marvel-Musik als guten Durchschnitt bewerten.
Die Komponisten der kommenden beiden Marvel-Filme sind bereits bekannt: Tyler Bates komponierte die Musik für „Guardians of the Galaxy“ (Kinostart ist am 28. August), während Brian Tyler als Komponist für „The Avengers: Age of Ultorn“ bestätigt wurde. Für die Guardians-of-the-Galaxy-Musik habe ich ehrlich gesagt keine großen Hoffnungen. Bates‘ Musik war bisher bestenfalls uninspiriert und langweilig und schlimmstenfalls plagiiert. Es würde mich freuen, wenn er für „Guardians of the Galaxy“ das große Meisterwerk komponieren würde, dass vielleicht in ihm steckt, ich bezweifle es allerdings stark. Brian Tylers Rückkehr ins Marvel-Universum begrüße ich dagegen sehr, einerseits, weil er wohl mit großer Wahrscheinlichkeit seine Themen für Iron Man und Thor wieder aufgreifen und andererseits vielleicht sogar Silvestris Themen für Cap und die Avengers verwendt – Ersteres hat er immerhin schon einmal benutzt. Vielleicht wird Tylers Vertonung von „Age of Ultron“ ja das thematische Großwerk, das mir in diesem Franchise bislang noch fehlt.

Siehe auch:
Marvel-Musik Teil 1: X-Men
Marvel-Musik Teil 2: Iron Man

Hans Zimmer

hanszimmer
Wie auch immer man zu dem deutschstämmigen Komponisten steht, eines lässt sich nicht leugnen: Hans Zimmer hat die Filmmusikszene wie kaum ein anderer Komponist vor ihm verändert und ihr seinen Stempel aufgedrückt.

Wer sich für (amerikanische) Filmmusik im Ganzen interessiert, kommt schier nicht an ihm vorbei, da er nun mal ohne jeden Zweifel ein Trendsetter ist. Problematisch wird es allerdings, wenn man versucht, das Phänomen „Hans Zimmer“ sachlich zu diskutieren, denn leider werden solche Diskussionen oftmals von zwei Gruppen dominiert: Hatern und Fanboys. Erstere stammen vor allem aus dem Lager der Traditionalisten, finden Zimmers Schaffen insgesamt absolut verwerflich und machen ihn nicht nur für den Niedergang der Filmmusik, sondern auch für alle möglichen anderen Übel verantwortlich (überspitzt ausgedrückt). Die Fanboys sind leider auch nicht besser, da sie alles von Zimmer unreflektiert und unkritisch in den Himmel loben.
Ich persönlich stehe Zimmer insgesamt eher zwiegespalten gegenüber, und im Folgenden werde ich (hoffentlich nachvollziehbar) erläutern, weshalb.
Hans Zimmer (geboren 1957 in Frankfurt am Main) begann in den 80ern damit, Filmmusik zu komponieren, und das ohne formale, musikalische Ausbildung. Zu seinen ersten Erfolgen gehörte „Rain Man“ aus dem Jahr 1988; für diesen Score erhielt er seine erste Oscar-Nominierung. Im selben Jahr gründete er zusammen mit Jay Rifkin die Firme Media Ventures und entwickelte seinen Stil, wobei ihn vor allem der Einsatz von Synthesizern und die Kombination von traditionellem Orchester und Synth-Elementen interessierte.

In den 90ern feierte er mit Scores wie „Der König der Löwen“, „Der Prinz von Ägypten“, „Gladiator“, „The Thin Red Line“ oder „Crimson Tide“ große Erfolge. Schon in dieser Zeit arbeitete er oft mit Assistenten und Co-Komponisten zusammen, was später noch exzessive Ausmaße annehmen sollte, sich während dieser Zeit aber noch eher in Grenzen hielt. Zu den ersten „Zimmer-Schülern“ gehörte zum Beispiel Harry Gregson-Williams, der später mit Solo-Projekten wie „Königreich der Himmel“ oder „Prince of Persia“ ebenfalls sehr erfolgreich werden sollte.

In der folgenden Dekade wurde Zimmer immer erfolgreicher und beliebter, was auch zur Folge hatte, dass die Zahl seiner „Adepten“ immer weiter wuchs. Nach einem Rechtsstreit mit Jay Rifkin wurde Media Ventures in Remote Control Productions umbenannt, und seitdem begannen die Soundtracks dieser „Musik-Schmiede“ die amerikanische Filmmusik zu dominieren, was auch bedeutet, dass das „Team-Komponieren“ immer beliebter wurde. Das Idealbeispiel ist die Musik zu Gore Verbinskis „Fluch der Karibik“: Als Produzent Jerry Bruckheimer mit Alan Silvestris Musik nicht zufrieden war, wollte er Hans Zimmer ins Boot holen, dieser war allerdings vertraglich an „The Last Samurai“ gebunden. Also komponierte er ein Stück mit Ideen, das an seine Remote-Control-Mitarbeiter weitergeben wurde, die dann auf Basis dieses Stückes den Soundtrack komponierten. Auf dem Albumcover mag Klaus Badelts Name stehen, aber die Grundlage stammt von Zimmer, und darüber hinaus haben noch sieben weitere Komponisten (Ramin Djawadi, James Dooley, Nick Glennie-Smith, Steve Jablonsky, Blake Neely, James McKee Smith und Geoff Zanelli) an diesem Score mitgearbeitet. In Filmmusikkreisen kursiert der Witz, die acht Komponisten hätten ausgelost, unter wessen Namen die Musik vermarktet wird und wer im Abspann des Films stehen darf. Hans Zimmer selbst findet sich als „Overproducer“. „Fluch der Karibik“ mag ein etwa extremes Beispiel sein, im Grunde zeigt es allerdings, wie bei Remote Control gearbeitet wird und wie die meisten Hans-Zimmer-Scores der letzten Jahre entstanden sind: Zimmer komponiert eine oder mehrere Suiten mit den grundlegenden Ideen, den wichtigen Themen etc., und diese werden dann von seinen Mitarbeitern an den Film angepasst, erweitert, orchestriert etc. Ich will diese Methode nicht grundsätzlich verdammen, immerhin ist „Pirates of the Caribbean: At World’s End“ einer meiner absoluten Lieblingssoundtracks, und auch er entstand auf diese Weise. Trotzdem sorgt das dafür, dass man einerseits nicht weiß, wie viel von der Musik tatsächlich von Zimmer stammt und dass zumindest ich persönlich andererseits nicht umhin kann, Komponisten wie Howard Shore, die alles oben erwähnte selbst machen, weitaus höher einzuschätzen.

Prinzipiell habe ich mit Hans Zimmer gegenwärtig zwei Probleme. Das erste hängt mit seiner Herangehensweise an die Projekte zusammen. Diese hat sich über die Jahre hinweg fraglos langsam entwickelt, aber für mich war der einschneidende Punkt das Jahr 2009, denn in diesem Jahr kamen die letzten Zimmer-Soundtrack, die ich wirklich gut fand: „Sherlock Holmes“ und „Illuminati“. Danach folgten einige herbe Enttäuschungen, vor allem in Gestalt der Soundtracks zu „Pirates of the Caribbean: On Stranger Tides“ und „Sherlock Holmes: Spiel im Schatten“. Die Musik der beiden jeweiligen Vorgängerfilme gehören in meinen Augen zu Zimmers besten Werken, während die beiden erwähnten Scores nicht einfach nur ein wenig schwächer sind, ihre Qualität ist vielmehr meilenweit von denen der Vorgänger entfernt. Über Qualität lässt sich nun natürlich vortrefflich streiten, ohne dass man sich jemals einigen kann, aber nicht nur das stört mich, es ist eher Zimmers gesamte Herangehensweise. Wenn es um Soundtracks geht, scheint er sich nämlich immer mehr in der Rolle des bereits erwähnten „Overproducers“ zu sehen. Das Produzieren, Kooperieren mit anderen Künstlern und Vermarkten eines Soundtracks scheinen ihm weit wichtiger zu sein als das eigentliche Komponieren. Dies betrifft vor allem die Soundtracks, die zu großen Blockbustern gehören und immer einen entsprechenden Hype auslösen. In Interviews spricht Zimmer immer darüber, wie radikal und neu die Musik doch sei, was sie allerdings in den seltensten Fällen wirklich ist. Es stimmt schon, Zimmer hat einen Hang zum Experimentieren, aber oft konzentriert er sich entweder zu sehr auf seine Experimente und vergisst darüber, was der Film eigentlich bräuchte, oder er zwängt seine Experimente und den Film in seinen Wohlfühlbereich. So entsteht das, was ich als „Gimmick-Score“ bezeichnen würde: Große Blockbuster-Soundtracks, die sich vor allem auf ein bestimmtes, nach Zimmers Aussage revolutionäres Gimmick verlassen, das aber letztendlich nicht funktioniert, dessen Potential nicht ausgeschöpft wird oder das völlig fehl am Platz ist. Ich habe bis heute nicht verstanden, weshalb Superman-Musik unbedingt ein Percussion-Orchester braucht, oder weshalb Zimmer einige der besten Schlagzeuger versammelt, wenn er sie doch alle gleichzeitig auf ihre Instrumente hauen lässt und sich das Ergebnis auch nicht allzu sehr von den (oft programmierten) Percussion-Loops unterscheidet, die er sonst verwendet. „Man of Steel“ ist für mich persönlich ohnehin die Kulmination aller negativen Eigenschaften, die ein Zimmer-Score haben kann: Absoluter Minimalismus (eine Tendenz, die sich seit 2009 ebenfalls stark gesteigert hat), ein völlig unnötiges Gimmick, keine emotionale Resonanz, kaum bis keine Variation und mit so viel Elektronik bearbeitetes Orchester, dass es klingt, als wäre es gesamplt und programmiert. Die Zimmer-Soundtracks, die mir aus dieser Schaffensperiode noch am besten gefallen (auch wenn sie immer noch ziemlich weit von früheren Erfolgen entfernt sind), sind „Rush“ und „The Lone Ranger“. Beide kommen ohne Gimmicks aus und passen in meinen Augen einfach gut zum Film. „The Amazing Spider-Man 2“ ist allerdings zugegebenermaßen ein ziemlich interessanter Sonderfall, dem ich mich an anderer Stelle noch ausführlich widmen werde.

Gerade weil mir viel von Zimmers früherer Arbeit sehr gut gefällt – neben den bereits erwähnten auch „Gladiator“, „King Arthur“ und „Der König der Löwen“ – finde ich es sehr schade, in welche Richtung sich Zimmers Musik in den letzten Jahren entwickelt hat. Ich denke immer, dass er das einfach besser kann.

Das zweite Problem, das ich gegenwärtig mit Zimmer habe, hängt weniger direkt mit seinem Schaffen, sondern mehr mit seinem Einfluss zusammen. In der Musikszene im Allgemeinen und der Filmmusikszene im Besonderen haben Komponisten natürlich schon immer versucht, Stilmittel anderer Komponisten zu verwenden. Die klassische Filmmusik von Steiner, Korngold, Williams etc. ist unleugbar von den Komponisten der Romantik wie Wagner, Tschaikowsky oder Dvorak beeinflusst, und wenn ein Filmkomponist großen Erfolg hat, gibt es natürlich immer andere, die einen ähnlichen Klang anstreben. Kein Komponist arbeitet in einem Vakuum, er wird, bewusst oder unbewusst, von anderen Komponisten beeinflusst.

Was momentan in der Filmmusik geschieht, geht in meinen Augen über das normale Maß allerdings weit hinaus. Zimmers Kompositionsstil ist momentan unglaublich populär, die Zahl der Komponisten, die ihn imitieren oder die von ihm bevorzugten Stilmittel zum Teil exzessiv verwenden, war niemals größer.

Das hat mehrere Gründe. Zum einen ist Hans Zimmers Stil, gerade im Vergleich zu anderen Komponisten wie John Williams, verhältnismäßig leicht zu kopieren, da seine Kompositionen insgesamt relativ einfach gestrickt sind, gerade im Actionbereich. Dominante Faktoren sind einfache bis minimalistische melodische Konstrukte, die übermäßige Verwendung gleichförmiger Streicherostinati, viel Elektronik, Percussion-Loops und seit „Inception“ das infame „Horn of Doom“.

Und dann wäre da noch der Remote-Control-Faktor: Die Komponisten, die Zimmer in seiner Firma ausbildet, arbeiten zuerst an seinen eignen Scores mit, orchestrieren, liefern zusätzliche Musik und bekommen dann irgendwann ihren eigenen Auftrag. Dabei bedienen sie sich natürlich der Zimmer-Stilmittel und verwenden diese auch weiter. Damit hätten wir schon eine ganze Gruppe von Komponisten, die sich dieses Stils bedient, eine Gruppe, deren Soundtracks enorm erfolgreich sind. Aus diesem Grund verlangen viele Studios und Regisseure von ihren Komponisten direkt oder indirekt, die Zimmer-Stilmittel zu verwenden. Das kann durch Temp-Tracks geschehen oder durch direkte Anordnung – so wollte Bryan Singer zum Beispiel, dass John Ottman die Musik zu „X-Men: Days of Future Past“ im Stil von „The Dark Knight“ und „Inception“ komponiert – was man leider auch hört. Diese Tendenz führt zu einer Gleichförmigkeit, wodurch viele Komponisten ihren individuellen Stil verlieren, was ich äußerst schade finde, und leider wird die Liste immer länger. Paul Haslinger, Brian Tyler, Patrick Doyle, John Ottman, Javier Navarette, James Newton Howard – um nur einige zu nennen. Gleichzeitig kommen Newcomer wie Pedro Bromfman oder Clinton Shorter gar nicht mehr dazu, einen eigenen Stil zu entwickeln, da die Studios von ihnen Zimmer-ähnliche Musik verlangen.

Das soll nun nicht bedeuten, dass jeder Soundtrack, der Zimmer-Stilmittel in irgendeiner Form adaptiert, schlecht wäre, im Gegenteil. Gerade Brian Tylers Musik für die Marvel-Filme finde ich äußerst gelungen, und viele Komponisten schaffen es auch, dem RCP-Schema eine neue Seite abzugewinnen. Für jeden Score wie „Iron Man 3“ oder „Thor: The Dark World“ gibt es aber auch völlig uninspirierten Müll wie „Robocop“ oder „300: Rise of an Empire“. Das oben erläuterte erste Problem hat natürlich auch Auswirkungen auf das diese Tendenz: Was immer Zimmer macht ist fast ausnahmslos erfolgreich und wird wiederum von seinen Nachahmern kopiert, was bedeutet, dass sich Zimmers Output immer direkt auf die aktuellen Trends der Filmmusik auswirkt – ich glaube, „The Dark Knight“ und „Inception“ sind die beiden Scores, die am häufigsten für Temp-Tracks verwendet werden.

Trotz allem denke ich nicht, dass Hans Zimmer für den „Untergang der Filmmusik“ verantwortlich ist. Allerdings fände ich es schön, wenn er sich in Zukunft weniger auf Gimmicks verlassen würde. Es wäre sehr interessant zu sehen, wie heute ein Score klingt, den er komplett selbst komponiert, anstatt eine Heerschar von Assistenten zu beteiligen. Und es wäre auch schön, wenn man Filmkomponisten wieder erlauben oder sogar ermutigen würde, in ihrem eigenen Stil Musik zu schreiben, statt sie Zimmer imitieren zu lassen.