Dieser Artikel ist schon lange überfällig, aber irgendwie bin ich entweder nicht dazu gekommen, es gab anderes, über das ich schreiben wollte und dann lief auch schon wieder die nächste GoT-Staffel. Wie dem auch sei, besser spät als gar nicht.
Vor einiger Zeit enthüllte Peter Jackson in einem Interview etwas, das eigentlich bereits seit Sommer 2012 bekannt war: Wären es nur zwei Hobbit-Filme geworden, hätte der erste Film mit der Flucht aus Thranduils Palast geendet. Jackson hat dies noch ein wenig spezifiziert: In der letzten Einstellung hätten die Zwerge, Bilbo und die Zuschauer die Silhouette Bards gesehen. Dies erklärt auch, warum in den Trailern, die Auschnitte aus der Fässerflucht-Szene zeigen, Azog noch zugegen war, der dort im Film gar nicht vorkommt. Vermutlich hätte eine ähnliche Konfrontation wie am Ende des ersten Hobbit-Films an dieser Stelle stattgefunden. Nun ist das Ganze ja aber bekanntermaßen anders gekommen, und statt zwei Filmen, „An Unexpected Journey“ („Eine unerwartete Reise“) und „There and Back Again“ („Hin und wieder zurück“) haben wir nun drei: „An Unexpected Journey“, „The Desolation of Smaug“ („Smaugs Einöde“) und „The Battle of the Five Armies“ („Die Schlacht der fünf Heere“, diese Umbenennung des dritten Teils erfolgte erst dieses Jahr und sagt wohl schon einiges über den Inhalt aus). Geht man von der alten Aufteilung aus, dann besteht das Sujet dieses Artikels theoretisch aus dem Ende des ursprünglichen ersten und dem Anfang des zweiten Filmes. Diese Hybridnatur zeigt sich schon am Titel diese Mittelteils der Trilogie. Die beiden ursprünglichen sind ziemlich logische Wahlen, beides sind Phrasen, die Bilbo als mögliche Titel für seine Memoiren verwendet. „The Desolation of Smaug“ rückt nun den Drachen stärker in Mittelpunkt. Auch diese Phrase stammt von Tolkien selbst, auf der Karte von Wilderland, die dem „Hobbit“ beiliegt, wird das Gebiet um den Erebor herum so bezeichnet. „Desolation of Smaug“ ist dabei eine relativ clevere Wahl sowohl für das Gebiet als auch für den Film, da das Wort „Desolation“ sowohl „Einöde“ (wie im Filmtitel und der Krege-Übersetzung) als auch „Verwüstung“ oder „Zerstörung“ heißen kann – dieser Doppelsinn geht in der deutschen Übersetzung freilich verloren.
„Smaugs Einöde“ also – interessanterweise wird dieser Mittelteil, ohne richtigen Anfang und Ende – mitunter sehr verschieden bewertet. Den meisten „normalen“ Kritikern gefällt dieser Film sehr viel besser als „Eine unerwartete Reise“, oft liest man, „Smaugs Einöde“ gehe wieder stärker in Richtung HdR-Trilogie, und ganz offensichtlich ziehen viele Kritiker Action singenden Zwergen vor. Vielen Tolkien-Fans, speziell aus dem Puristen-Lager, ist dieser Film dagegen noch mehr zuwider als der erste.
Wie schon bei „Eine unerwartete Reise“ folgt der spoilerfreien Kritik auch dieses Mal wieder meine ausführliche, analytische Rezension, dieses Mal in einem Stück.
Zu Beginn noch ein paar allgemeine Dinge: Wie man an meiner ursprünglichen Kritik vielleicht merkt, wollte ich, dass mir dieser Film genauso gut gefällt wie die anderen, aber dem ist leider nicht der Fall. Dennoch fand ich ihn beim zweiten Ansehen besser als beim ersten, was auch daran lag, dass dies in 2D, ohne HFR und im O-Ton geschah – im Gegensatz zum ersten Hobbit-Film fand ich die 3D/HFT-Kombination dieses Mal ziemlich störend (das kann aber natürlich auch die Schuld des Kinos sein).
Ein weiterer Unterschied zwischen den beiden Hobbit-Filmen, die ich festgestellt habe, ist die Wirkung einiger Erweiterungen und Ausdehnungen. Bei „Eine unerwartete Reise“ dachte ich oft: „Das hätte da nicht sein müssen, aber es stört mich nicht.“ Bei „Smaugs Einöde“ dagegen dachte ich eher: „Das wäre besser rausgefolgen.“ Obwohl es sich um den kürzesten Mittelerde-Film handelt, hat er für mich doch die meisten Längen und wirkt insgesamt unausgegoren und nicht gut ausbalanciert. Dazu kommt noch ein sehr persönlicher Aspekt: Als ich nach der ersten Sichtung von „Eine unerwartete Reise“ das Kino verließ, hatte ich ein ähnliches Gefühl wie nach den HdR-Filmen. Bei „Smaugs Einöde“ hat dieses Gefühl gefehlt, was definitiv kein gutes Zeichen ist.
Politik im Prolog: Das Arkensteinproblem
Wie jeder der Mittlerde-Filme von Peter Jackson beginnt auch „Smaugs Einöde“ mit einem Rückblick. Ähnlich wie in „Die zwei Türme“ und anders als in den restlichen drei Filmen reicht der Rückblick dieses Mal jedoch nicht Jahrhunderte oder gar Jahrtausende zurück, stattdessen springen wir nur ein Jahr in die Vergangenheit, zur ersten Begegnung zwischen Thorin und Gandalf in Bree. Diese Begegnung ist den Anhängen des „Herrn der Ringe“ entnommen (Anhang A III für alle, die Nachlesen wollen; dieser Anhang enthält allgemein viele Informationen, die in den Hobbit-Filmen verwendet wurde, u.a. beschreibt er die Schlacht von Azanulbizar und die allgemeine Geschichte der Zwerge).
Die Örtlichkeit ruft sofort Erinnerungen wach, und das nicht nur, weil Howard Shore seine Bree-Musik aus „Die Gefährten“ zitiert und Peter Jackson mit einer Möhre durchs Bild läuft. Auch viele Jahre vorher ist das Film-Bree immer noch ziemlich dreckig und ungemütlich, und das Wetter ist auch nicht besser. Immerhin sieht man im Tänzelnden Pony (denn wo auch sonst sollten sich Gandalf und Thorin begegnen?) dieses Mal einheimische Hobbits. Die Begegnung ist recht Vorlagengetreu wiedergegeben: Gandalf befürchtet, dass Sauron zurückkehren und Smaug auf seine Seite ziehen könnte (im Buch weiß er bereits, dass Sauron im Düsterwald lauert). Deshalb hätte er gerne den Drachen aus dem Erebor draußen (und am besten tot) und stattdessen ein mächtiges Zwergenreich, damit Sauron im Osten nicht ungestört seinen Plänen nachgehen kann. Thorin und Gandalf verbünden sich schließlich und planen die Aktionen, die sie im „Hobbit“ durchführen.
Gandalf (Ian McKellen) und Thorin (Richard Armitage) treffen sich in Bree
Es gibt allerdings einige signifikante Hinzufügungen: Zum ersten wird bereits das Kopfgeld auf Thorin etabliert – in einem „Steckbrief“ in Schwarzer Sprache, was ein wenig merkwürdig anmutet, da diese in Reinform nur von den Nazgûl und einigen anderen hohen Offizieren Saurons gesprochen wurde. Azog kann man vielleicht noch als einen solchen ansehen, aber sicher nicht die angriffslustige Kundschaft im Tänzelnden Pony. Das ist freilich nur ein winziges Detail. Viel schwerer wiegt die Arkensteinfrage. Im Roman taucht der Arkenstein erst im letzten Drittel auf und ist vor allem ein Handlungskniff, quasi eine Art sehr spät eingefügtes Macguffin. Die Bedeutung des Arkenstein für Thorin ist vor allem persönlicher Natur. Bereits in „Eine unerwartete Reise“ dagegen wird der Arkenstein im Prolog eingeführt, und Bilbos Erzählstimme erklärt, dass Thorins Großvater Thrór ihn als Zeichen dafür sah, dass seine Herrschaft heilig bzw. gottgegeben war („divine“ im original). Gerade hier zeigt sich, wie PJ und Co. versuchen, die Handlung des Hobbits bzw. die Pläne von Gandalf und Thron logischer und besser durchführbar zu machen. Tolkiens Roman ist diesbezüglich natürlich vor allem ein märchenhaftes Kinderbuch: Die Zwerge machen sich halt auf den Weg. Warum genau sie überhaupt einen Meisterdieb brauchen, ist dabei nicht wirklich eindeutig: Der Schatz ist viel zu gewaltig, um ihn zu stehlen. Diese Planlosigkeit der Zwerge wird in der Tat im Roman angesprochen, was aber nicht unbedingt hilfreich ist. Erst im Nachhinein versuchte Tolkien, einige ihrer Handlungen zu rationalisieren, und Jackson geht da noch einen Schritt weiter, was ich gar nicht schlecht finde. Der Arkenstein mutiert hier zum Zeichen des obersten Zwergenherrschers; wer den Arkenstein besitzt, hat damit Anrecht, zu einer Art „Zwergenkaiser“ zu werden. Dies entspricht freilich nicht Tolkiens Legendarium, wo die Zwerge nie als geeintes Volk auftreten – in der Tat spielen fast ausschließlich Zwerge aus Durins Stamm eine Rolle in den Werken des Professors. Laut Film-Thorin kann ein Zwergenherrscher mit dem Arkenstein allerdings alle sieben Zwergenstämme vereinigen. Thorins und Gandalfs Plan sieht deshalb wie folgt aus: Eine kleine Gruppe von 13 Zwergen, einem Zauberer und einem Hobbit begibt sich zum einsamen Berg. Dort stiehlt Bilbo den Arkenstein, Thorin kann die Zwergenvölker vereinigen und den Erebor „offiziell“ angreifen. Dies simplifiziert zwar Tolkiens Welt, aber andererseits ist der Plan in der Tat sinnvoller.
Beorn und die Überdramatisierung
Nachdem Prolog schließt „Smaugs Einöde“ direkt an den Vorgänger an: Nach der gelungenen Adlerrettung begeben sich Thorin und Kompanie auf direktem Weg zu Beorn, immer noch verfolgt von Azog und seinen Wargreitern. Jackson bemüht sich dabei, das Ganze in ziemlich hohem Tempo zu inszenieren, während besagte Szenen im Roman sehr viel gemütlicher sind. Im Film kommen die Zwerge nicht in Zweiergrüppchen, während Gandalf Beron von ihren bisherigen Abenteuern erzählt, sie werden gejagt, zuerst von den Orks, dann von ihren zukünftigen Gastgeber in Bärengestalt.
Im Grunde ist die eigentliche Beorn-Szene wirklich sehr kurz, man bekommt kaum einen richtigen Eindruck von dem Pelzwechsler (in der SEE soll hier allerdings noch mehr Beorn-Material folgen), aber dennoch eignet sich der Dialog zwischen Gandalf, Bilbo, den Zwergen und Beorn hervorragend, um eine bestimmte Tendenz Peter Jacksons anzusprechen.
Beorn (Mikael Petersbrandt)
Was man auch immer von Professor Tolkien sagen kann, ein Meister der atemlosen Spannung ist er nicht, und auch eine schnörkellose Dramaturgie gehört nicht unbedingt zu seinen größten Stärken. Bei Peter Jackson ist es dagegen genau anders herum, er legt ziemlich großen Wert auf die kleineren dramatischen Bögen (weshalb die HdR-Filme „rundere“ Abschlüsse haben als die jeweiligen Romane) und hat darüber hinaus die Tendenz zur Überdramatisierung, und bei Beorn zeigt sich das besonders schön. Im Roman ist er ein Einzelgänger, zu dem nicht viel Hintergrund geliefert wird, er ist einfach da, genau wie Märchenfiguren oft einfach da sind. Über Volk und Vergangenheit erfahren wir fast gar nichts. In den Filmen dagegen gibt es eine direkte Verbindung zu Azog, der für die Ausrottung von Beorns Volk verantwortlich ist, Beorn selbst ist der Letzte seiner Art.
Derartige Dramatisierungen hielten sich in den HdR-Filmen meistens noch im Rahmen, in den Hobbit-Filmen treibt Jackson es allerdings an mancher Stelle zu weit.
Beorns Auftritt im Film bleibt insgesamt jedenfalls trotz besagter dramatischer Zuspitzung ziemlich insignifikant, zu kurz um wirklichen Eindruck zu machen oder auch nur Mikael Petersbrandts Spiel wirklich bewerten zu können. Ich weiß nicht, wie Jackson ihn in „Die Schlacht der fünf Heere“ einzusetzen gedenkt, aber letztendlich wäre es wohl konsequenter gewesen, ihn einfach herauszuschneiden – die Puristen meckern so oder so. Der Film wäre dadurch stringenter geworden und hätte ein wenig von seiner Episodenhaftigkeit verloren.
Im Düsterwald
Die Szenen im Düsterwald wurden gegenüber dem Roman ebenfalls verkürzt und vereinfacht. Gandalf verlässt die Gemeinschaft ebenfalls am Waldrand, im Film allerdings, im Gegensatz zum Buch, spontan, weil er von Galadriel den telepathischen Befehl bekommt, das Nekromantenproblem zu untersuchen (bei Tolkien erfahren wir erst im „Herrn der Ringe“, was Gandalf während der weiteren Abenteuer der Gemeinschaft so getrieben hat).
Bilbo (Martin Freeman) kämpft gegen die Spinnen des Düsterwaldes
Die Festivitäten der Elben, die die Zwerge immer wieder stören, fehlen im Film ebenso wie einige andere kleine Hindernisse. Die vergiftete Atmosphäre setzte Thorin, Bilbo und Co. ebenfalls ziemlich zu, aber nach recht kurzer Wanderung befinden sie sich auch schon in den Fängen der Spinnen, und es ist an Bilbo, die Zwerge zu befreien. Das Problem mit den sprechenden Spinnen wurde interessant gelöst: Bilbo kann sie nur verstehen, wenn der den Ring trägt, bzw. ab dem Zeitpunkt, ab dem er den Ring in ihrer Gegenwart aufgesetzt. In meinen Augen wäre es allerdings besser gewesen, hätte man die Szene, in der Bilbo eine der Spinnen auch ohne Ring verstehen kann, gestrichen.
Das Zusammentreffen mit den riesigen Arachniden illustriert darüber hinaus, wie der Ring von Bilbo Besitz ergreift. Dieses Element ist im Roman natürlich nicht vorhanden, da der Ring beim Abfassen des „Hobbits“ noch ein simples magisches Spielzeug war und erst während des Schreibprozesses des HdR zum „Einen Ring“ wurde. Hier überzeugen vor allem Martin Freeman und Shores Musik. Shore deutet das Geschichte-des-Ringes-Thema immer wieder subtil an, bevor er es einmal vollständig erklingen lässt.
Der Kampf mit den Spinnen wird von den Waldelben sehr schnell beendet, die die Zwerge in Gewahrsam nehmen. Anders als im Buch wird Thorin nicht im Vorfeld von ihnen getrennt, aber genauso wie im Buch schafft Bilbo es, sich abzusetzen und seine Freiheit zu behalten.
Thranduil, die Waldelben und das unnötige Liebesdreieck
Thranduil (Lee Pace), der König des Waldlandreiches
In den bisherigen Mittelerde-Filmen haben wir vor allem zwei Elbenkulturen kennen gelernt: Bruchtal und Lorien. Die Waldelben des Düsterwalds sind die dritte (auch wenn es natürlich bereits Eindrücke im ersten Hobbit-Film gab). Generell gefällt mir ihre Konzeption, das Aussehen von Thranduils Hallen und das restliche Drumherum ziemlich gut. Auffällig ist, dass die Waldelben fast durchgehend rothaarig sind, lediglich die beiden Mitglieder ihres Königshauses sind blond. Apropos Königshaus: Thranduil, gespielt von Lee Pace, ist in meinen Augen eines der Highlights des Films; eine ideale Besetzung und ein hervorragendes Spiel (auch Lee Pace kam natürlich schon in „Eine unerwartete Reise“ vor, hatte aber nicht wirklich viel Gelegenheit zu zeigen, was er kann). Bei Tolkien ist Thranduil als Charakter (zumindest im „Hobbit“) nicht wirklich gut ausgebaut. Er ist ein wenig fremden- bzw. zwergenfeindlich, hat eine gewisse Schwäche für Schätze, ist aber letztendlich einer der Guten, und das war es auch schon. Jackson und Co. haben sich da noch ein paar mehr Gedanken gemacht und Thranduil als Verkörperung des Düsterwaldes konzipiert – je weiter der Verfall des Düsterwaldes voranschreitet, desto fragwürdiger werden auch Thranduils Handlungen. So erinnert er eher an die zwiespältigen Elben des „Silmarillion“ als an die „Gutelben“ des HdR. Außerdem deutet Thranduil an, dass er bereits Begenungen mit einem oder mehreren Drachen (vielleicht sogar Smaug selbst?) hatte, und ich bin durchaus neugierig, woher seine Narbe stammt. Darüber hinaus weiß Film-Thranduil, im Gegensatz zu Buch-Thranduil, sehr genau, wen er mit Thorin vor sich hat und was dieser möchte.
Neben Thranduil gibt es noch zwei weitere Waldelben, die eines gemeinsam haben: Im Film spielen sie eine wichtige Rolle, im Roman kommen sie überhaupt nicht vor. Legolas auf die Leinwand zurückkehren zu lassen war eine durchaus logische Entscheidung, immerhin ist er in Tolkiens Legendarium tatsächlich Thranduils Sohn und lebt zu diesem Zeitpunkt schon. Man kann wohl davon ausgehen, dass er im „Hobbit“ tatsächlich anwesend ist, auch wenn er nicht namentlich genannt wird, da Bilbo ihn nicht kennt oder kennen lernt. Dass seine Rolle so groß ausfällt ist in meinen Augen dagegen eher unnötig, für mich hätte auch ein Cameo gereicht. Das Problem bei der ganzen Sache ist, dass Legolas als Charakter einfach nicht interessant ist. In „Smaugs Einöde“ wirkt er noch stoischer und langweiliger. Im HdR hatte er wenigstens einen Platz in der Gemeinschaft (und der Geschichte), er war nicht besonders interessant, er stand aber auch nicht im Weg. Hier hingegen wirkt seine Rolle unnötig aufgeblasen. Das bringt uns auch schon zur dritten dominanten Elben-Figur: Tauriel, gespielt von Evangeline Lilly. Hinsichtlich dieses Charakters bin ich ein wenig zwiegespalten. Einerseits mag ich Tauriel, ich finde, dass sie grundsätzlich gut hineinpasst, mir gefällt Evangeline Lillys Spiel und darüber hinaus ist die Figur schlicht interessanter und emotionaler als Legolas.
Tauriel (Evangeline Lilly)
Was mir nicht gefällt ist die Richtung, in die sie entwickelt wird, sprich: Das Liebesdreieck Kili-Tauriel-Legolas. Es wirkt einfach fürchterlich erzwungen und unnötig (und wir müssen auch noch von Thranduil darüber informiert werden, dass Legolas etwas für Tauriel empfindet, denn allein aufgrund von Orlando Blooms Spiel merkt man davon nicht allzu viel). Das erste Gespräch zwischen Tauriel und Kili ist dabei sogar noch ziemlich erträglich, aber muss das gleich zur Romanze weiterentwickelt werden, wäre es nicht viel interessanter gewesen, hätten die beiden einfach eine grundsätzliche Sympathie für den anderen entdeckt? Die Weiterentwicklung dieses Handlungsstrangs ist in meinen Augen völlig unnötig, und dazu gehören auch die Vergiftung Kilis, das Zurückbleiben einiger Zwerge in Esgaroth, die angreifenden Orks und die Arwen-mäßige Heilung. Hier werden zu viele Handlungsschauplätze aufgemacht, die vom eigentlichen Kern ablenken, immerhin heißt der Film „Der Hobbit“. Letztendlich wäre es vielleicht besser gewesen, hätte es Jackson bei einem kurzen Cameo-Auftritt für Legolas belassen und Tauriel eine andere Motivation gegeben, um den Zwergen zu folgen – Thranduil will wissen, was weiter geschieht o.ä.
Gandalfs Reise
Wenden wir uns nun dem Subplot des Grauen Zauberers zu, dessen Einzelszenen zwar über den Film verteilt sind, den man aber dennoch am besten am Stück betrachtet. Wir wird am stärksten Vorarbeit für den HdR betrieben, obwohl auch hier so manch eine Ausdehnung recht überflüssig ist.
Bolg (Lawrence Makaore)
Bereits zu Beginn des Films wird Azog gezwungen, seine Jagd abzubrechen und stattdessen in Dol Guldur Saurons Armeen zu trainieren und auf den Einsatz vorzubereiten. Statt seiner setzt sein Sohn Bolg die Jagd fort, weil Thorin und Kompanie halt auch unbedingt die ganze Strecke bis zum Erebor von Orks gejagt werden müssen. Über das Bolg/Azog-Problem hatte ich ja bereits in meinen Artikeln zum ersten Hobbit-Film geschrieben; diese Thematik setzt sich nun fort. Bolg wurde völlig neu gestaltet, die notdürftig zusammengeflickten Wunden und das ramponierte Aussehen sind geblieben, aber ansonsten wurde Bolg stark an Azog angeglichen, um als dessen Sohn überzeugen zu können (ironischerweise erfährt der Filmzuschauer vom Verwandtschaftsverhältnis der beiden nichts). Und leider muss ich sagen, ich fand das ursprüngliche Aussehen Bolgs weitaus überzeugender. Die Orks sorgen auch dafür, dass es zu weiteren zusätzlichen Actionszenen kommt: Die Waldflussszene ist durchaus amüsant (Stichwort Bombur im Fass), aber das Ausmaß der ausgehebelten physikalischen Gesetze nimmt hier bedrohliche Ausmaße an, und darüber hinaus sind Schnitt und Music-Editing hier mitunter ziemlich merkwürdig, sodass Howard Shores grandiose Komposition ziemlich verstümmelt wird.
Aber zurück zum Thema. Gandalf soll herausfinden, wer der Nekromant tatsächlich ist. Zu diesem Zweck begibt er sich erst zu den Gräbern der Ringgeister, wo er auf Radagast trifft. Es ist wohl zu vermuten, dass im dritten Film die Nazgûl allesamt auftauchen, denn ansonsten ist diese Szene ziemlich überflüssig und passt auch nicht so recht ins Legendarium. Wo liegt dieses Grab, im Nebelgebirge, in Angmar? Warum sind hier alle neun Ringgeister beerdigt, wo sie doch aus verschiedenen Kulturen stammen (Khamûl, der einzige, der einen richtigen Namen hat, war ein Ostling, und drei von ihnen, wahrscheinlich inklusive des Hexenkönigs, waren Schwarze Númenórer). Warum wurden sie überhaupt begraben, die Träger der neun Menschenringe müssten nach einem endlos ausgedehnten Leben langsam geschwunden und so zu Ringgeistern geworden sein, und das bereits während des Zweiten Zeitalters. Alles nicht wirklich durchdacht.
Die aufgebrochenen Gräber geben Gandalf auf jeden Fall den Hinweis, dass es sich beim Nekromanten um Sauron handeln muss, da nur dieser die Nazgûl befehligen kann. Darum begibt er sich nach Dol Goldur. Prinzipiell findet sich Gandalfs Eindringen in Saurons Festung auch bei Tolkien, allerdings zu einem früheren Zeitpunkt und einem anderen Zweck, nämlich um Thráin, Thorins Vater zu finden, der dort von Sauron eingekerkert. Gandalf schleicht sich ein und erhält vom sterbenden Thráin Schlüssel und Karte, die er dann später an Thorin weitergibt. Derartiges wurde wohl in der Tat gedreht, denn in frühen Trailern sieht man noch, wie Gandalf gegen einen ziemlich untot aussehenden Zwerg kämpft, bei dem es sich wohl um den wahnsinnig gewordenen Thráin handelt. Stattdessen betritt er nun in „Smaugs Einöde“ die finstere Festung, um jeglichen Zweifel zu beseitigen. Man muss wohl davon ausgehen, dass Gandalf sich nicht darüber im Klaren ist, wie groß Saurons Macht bereits ist, denn ansonsten ist es ziemlich dumm, die Festung des Dunklen Herrschers auf diese Art und Weise zu betreten.
Der Nekromant enthüllt sein wahres Wesen
Sauron offenbart sich nach einem kurzen Handgemenge mit Azog auch endgültig. Diese Szene ist ebenfalls ein wenig fragwürdig, da Gandalf in den HdR-Filmen vom Lidlosen Auge überrascht zu sein schien (ganz allgemein scheint Gandalf hier bereits viel zu viel zu erfahren), aber ich muss zugeben, ich liebe diese Enthüllung, nicht zuletzt wegen Howard Shores grandiosem Einsatz von Saurons Thema. Der Kampf zwischen Licht und Dunkle mutet zwar ein wenig Harry-Potter-mäßig an, aber die visuelle Gestaltung des sich materialisierenden Auges, inklusive eines Eindrucks der engelsgleichen und der gerüsteten Gestalt des Dunklen Herrschers finde ich hervorragend.
Esgaroth auf dem langen See
Der Meister der Seestadt (Stephen Fry)
Bei Tolkien sind die Zwerge und Bilbo nicht besonders lange in Seestadt und der Leser erfährt auch kaum etwas über die Kultur diese Menschen, lediglich, dass es sich um eine Art Handelsrepublik mit einem korrupten (Bürger-)Meister handelt – möglicherweise war Venedig eine Inspiration. Jackson und Co. bauen Seestadt jedoch kräftig aus. Film-Esgaroth vereint hier einige Einflüsse, unter anderem russisch-slawische und barocke. Auch gibt es eine Umdeutung des von Stephen Fry gespielten Meisters, der hier kein gewähltes Oberhaupt ist, sondern eher als Diktator eines Überwachungsstaates (eine Entschädigung dafür, dass in „Die Rückkehr des Königs“ die Säuberung des Auenlandes der Schere zum Opfer fiel?) fungiert und den Gedanken an freie Wahlen nicht besonders behaglich findet. Hier gilt letztendlich Ähnliches wie bei Tauriel: Ich finde die grundsätzliche Ausgestaltung gut, aber Jackson schießt zu weit übers Ziel hinaus, er widmet Seestadt und seinen Einwohnern in meinen Augen zu viel Zeit. Es ist allerdings eindeutig ein Plus, dass Bard, hervorragend gespielt von Luke Evans, bereits so früh eingeführt und als Charakter auch weitaus plastischer ist als im Roman, wo er eigentlich nur auftaucht, um Smaug zu töten und die Menschen angemessen zu repräsentieren. Trotzdem werde zumindest ich das Gefühl nicht los, man hätte Bard auch gut einführen können, ohne dass die Zwerge sich so lange in Esgaroth herumtreiben. Eines der größten Probleme bei den vielen Subplots ist, dass Bilbo, immerhin die Titelfigur, mitunter völlig untergeht. Ich sehe hier ein eindeutiges Fokusproblem, statt dem Meister der Seestadt, Bards Familie und Tauriel und Legolas hätte man sich lieber auf die Beziehung von Thorin und Bilbo konzentrieren sollen.
Der Drache
Kommen wir zum Herzstück des Films: Die Zwerge und Bilbo erreichen endlich den Einsamen Berg, dessen Design mich schon im ersten Film vage an „Die Schlacht um Mittelerde II“ erinnert hat. Auch hier gibt es gegenüber dem Roman einige geringfügige strukturelle Unterschiede. Bei Tolkien schleicht sich Bilbo zwei Mal ins Innere des Einsamen Berges. Beim ersten Mal schläft Smaug und Bilbo stiehlt einen Becher, um sich als Meisterdieb zu profilieren. Samug findet das gar nicht toll und zündet eine Seite des Erebor an. Es erfolgt ein zweites Einschleichen, bei dem sich Bilbo, durch den Ring unsichtbar, ausgiebig mit dem Drachen unterhält, bevor dieser ausrückt, um Esgaroth zu zerstören. Im Film gibt es dagegen nur eine Begegnung.
Smaug (Benedict Cumberbatch)
Sprechen wir zuerst einmal über Smaug. Als sein Kopf zum ersten Mal in einem der Trailer zu sehen war, war ich recht skeptisch. Aber nach der ersten Filmsichtung war mir klar: Ich liebe das Vieh. Design, Animation, Stimme, Bewegungen (die letzten beiden sind natürlich auf Benedict Cumberbatch zurückzuführen) – alles herausragend, Smaug hat sich in kürzester Zeit zu meinem liebsten Leinwanddrachen gemausert. Der Dialog zwischen Bilbo und dem Drachen ist in meinen Augen ohne Zweifel der Höhepunkt des Films. Vieles stammt direkt von Tolkien, es gibt jedoch ein paar kleine Veränderungen: Bilbo hat nur zu Beginn den Ring an, da Jackson nicht die ganze Zeit entweder Optik der Schattenwelt oder Smaug, der sich mit einem unsichtbaren Bilbo unterhält, zeigen wollte. Das ist ein wenig unglaubwürdiger, aber wenn man Smaugs Spieltrieb miteinbezieht, geht das schon in Ordnung. Darüber hinaus wurde auch eine Verbindung zwischen Smaug und Sauron hergestellt, denn Smaug kann den Ring spüren und weiß, wer dahinter steckt.
Eine weitere kleine Änderung findet sich bei Smaugs Bauchpanzer: Im Roman ist sein Bauch von Gold und Juwelen bedeckt, aber es gibt eine nackte Stelle. Im Film dagegen hat er einen normalen Bauchpanzer, der aber durch den schwarzen Pfeil von Girion, Bards Vorfahren, leicht beschädigt ist. Man kann sich schon ausmalen, wie Bard den Drachen letztendlich tötet.
Was besser auf dem Boden des Schneideraums gelandet wäre: Das Finale
Leider endet der Film nicht auf dem Niveau des Bilbo-Smaug-Dialogs, da Jackson der Meinung war, es müsse noch ein actionreiches Finale her, um den Film abzuschließen. Dummerweise findet sich an dieser Stelle im Roman allerdings keine wirklich Actionszene. Also kommen die Zwerge in den Berg und liefern sich eine Hetzjagd mit Smaug durch die Hallen des Erebor, kombiniert mit den oben erwähnten Orks-in-Seestadt-Handgemengen, was leider eine ganz blöde Idee war, und das aus mehreren Gründen. Zuerst einmal ist die Inszenierung beider Handlungsstränge schlicht nicht interessant, und vor allem für Buchleser auch extrem sinnlos, weil sich diese Einlagen absolut nicht organisch in den Rest der Geschichte einfügen oder die weitere Entwicklung in irgend einer Form beeinflussen – ähnliche Probleme hatte auch die vierte Staffel von „Game of Thrones“.
Bard (Luke Evans)
Noch viel schwerer wiegt, dass die Jagd durch den Erebor die Glaubwürdigkeit des Films beträchtlich in Mitleidenschaft zieht. Physikalische Gesetze und die Verwundbarkeit der Hauptfiguren haben Peter Jackson schon in den HdR-Filmen nur partiell interessiert, aber dort gab es noch einen gewissen Rahmen. Gut, möglicherweise sind die Gefährten bei der Schlacht um Helms Klamm einmal zu oft in einen Wald aus Speeren gesprungen, nur um völlig unverletzt wieder daraus hervorzukommen, aber was hier geschieht, ist ganz eindeutig zu viel des Guten und raubt darüber hinaus Smaug alles, was vorher an Bedrohlichkeit mühsam aufgebaut wurde, weil er hier schlicht unfähig erscheint.
Der Drache speit sein Feuer ständig und die Zwerge sind nur wenige Zentimeter davon entfernt. Schon bei gewöhnlichem Feuer ist das sehr unrealistisch, und nun muss man sich vor Augen halten, dass Drachenfeuer heiß genug ist, um die minderen Ringe der Macht zu zerstören. Auch der Riesenzwerg aus Gold wirkt reichlich einfallslos.
So kommt es, dass das Finale sehr angeklebt und, zumindest für mich, auch nicht in irgendeiner Form einnehmend wirkt. Möglicherweise wäre es besser gewesen, die Zerstörung Seestadts oder sogar Smaugs Tod noch in diesen Film mit hineinzunehmen und das als Finale zu verwenden. Ich verstehe durchaus die Absicht, die Jackson hatte, er wollte, dass sich Smaug und die Zwerge (vor allem natürlich Thorin) wenigstens einmal von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen und in irgendeiner Form kämpfen. Aber so, wie es ist, ist das reichlich nach hinten losgegangen.
Fazit
„Smaugs Einöde“ ist keinesfalls vollkommen misslungen, aber leider zeigt sich hier, dass es letztendlich eine schlechte Idee war, den „Hobbit“ in drei statt in zwei Filmen zu adaptieren, weil man als Buchleser genau merkt, wo unnötigerweise gestreckt wurde, um auf die benötigte Laufzeit zu kommen. Darüber hinaus werden gewisse Tendenzen von Jacksons Regiestil hier übermäßig betont. Dramatisierung und Übertreibung gab es auch schon im HdR, aber dort hielt es sich in Grenzen und störte den Film nicht, während in „Smaugs Einöde“ diese Tendenzen an einigen Stellen geradezu überhand nehmen.
Viele Einzelaspekte sind dennoch gelungen, etwa Thranduil, Bard, das Waldlandreich, Seestadt, Saurons Enthüllung, Smaug, der Dialog Drache/Hobbit, Howard Shores Musik (unter Ausklammerung des teilweise merkwürdigen Musikschnitts und des fürchterlichen Abspannsongs von Ed Sheeran, für beides kann Shore allerdings nichts) und auch die schauspielerischen Leistungen alter wie neuer Darsteller sind (bis auf die von Orlando Bloom) wirklich sehenswert, aber „Smaugs Einöde“ schafft es nicht, über die Summe seiner Teile hinauszuwachsen, weil die Episodenstruktur der Vorlage und die oben aufgezählte Kritikpunkte dagegen arbeiten.
Hätte Jackson am ursprünglichen Plan festgehalten und nur zwei Filme gemacht, so hätten wir, denke ich, zwei wirklich gute, kompakte, mit den HdR-Filmen konforme Adaptionen des „Hobbit“ gehabt. Dennoch blicke ich positiv in die Zukunft und hoffe, dass wir mit „Die Schlacht der fünf Heere“ wenigstens ein überzeugendes Finale bekommen, dass uns die Schwächen des zweiten Hobbit-Films vergessen lässt.
Siehe auch:
Der Hobbit: Eine erwartete Rezension Teil 1
Der Hobbit: Eine erwartete Rezension Teil 2
Der Hobbit: Eine erwartete Rezension Teil 3
Der Hobbit: Smaugs Einöde
Der Hobbit: Smaugs Einöde – Soundtrack