Dracula A.D. 1972

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Story:
1872 stirbt Dracula (Christopher Lee) im Kampf gegen Lawrence Van Helsing, hinterlässt jedoch ein paar Überreste. Genau 100 Jahre später macht sich Johnny Alucard (Christopher Neame) daran, den Vampirgrafen mithilfe dieser Überreste in einer satanischen Messe wiederzuerwecken. Doch auch im London des Jahres 1972 hat Dracula einen Feind: Lorrimer Van Helsing, Nachfahre desjenigen, der Dracula bereits den temporären Tod brachte. Da verwundert es kaum, dass Dracula sich an den Van Helsings rächen möchte und deshalb Lorrimers Enkelin Jessica (Stephanie Beacham) zu seinem nächsten Ziel macht…

Kritik: Kontinuität war noch nie die größte Stärke der Hammer-Dracula-Reihe, aber bislang gab es in jedem der Filme zumindest eine Verknüpfung zum Vorgänger – zumeist wurde Draculas Tod im vorherigen Film direkt aufgegriffen. Obwohl in „Dracula A.D. 1972“ (der grandiose deutsche Titel lautet „Dracula jagt Minimädchen“) abermals Christopher Lee und Peter Cushing in ihre ikonischen Rollen schlüpfen, handelt es sich doch, zumindest inhaltlich, um einen vollständigen Reboot, der bezüglich der Ereignisse und Chronologie nicht zu den bisherigen Filmen passt. Hammers „Dracula“ spielt im Jahr 1885, während der Graf in „Dracula A.D. 1972“ bereits 1872 „stirbt“ und 100 Jahre lang tot ist.

Nachdem „Scars of Dracula“ weder bezüglich Kritik noch Box Office zu überzeugen wusste, kam man bei Hammer zu dem Schluss, die Filmreihe zu revitalisieren. Ursprünglich war ein deutlich aufwändigeres Projekt geplant, in welchem Dracula auf die indische Todesgöttin Kali treffen sollte, man entschied sich dann für eine preiswertere Alternative und beschloss, inspiriert von dem 1970 erschienen Film „Count Yorga, Vampire“, den Vampirgrafen auf das gegenwärtige London loszulassen. Ähnlich wie in „Taste the Blood of Dracula“ wird der Blutsauger durch ein satanisches Ritual wieder zum Leben erweckt, anders als im Vorgänger sind es dieses Mal allerdings nicht viktorianische Gentlemen, sondern Hippie-Satanisten.

Highlight des Films ist ohne jeden Zweifel die Wiedervereinigung Christopher Lees als Dracula und Peter Cushings als Van Helsing, deren Zusammenspiel so grandios ist wie eh und je. Abseits davon hat „Dracula A.D. 1972“ allerdings nicht allzu viel zu bieten. Dracula in der Moderne wurde immer wieder versucht und erwies sich zumeist als Konzept, das nicht allzu gut funktioniert, sei es in „Wes Craven’s Dracula“ oder der dritten Folge der Netflix/BBC-Serie-Adaption des Romans, und in Hammers siebtem Dracula-Film ist es kaum anders. Die aggressive 70er-Ästehtik, die nicht zuletzt durch den bizarren Soundtrack von Mike Vickers vermittelt wird, ist zwar auf schräge Weise sehr amüsant, sorgt aber dafür, dass selten Atmosphäre, geschweige denn Horror aufkommt. Zudem bietet „Dracula A.D. 1972“ abseits des Settings kaum etwas Neues; Regisseur Alan Gibson und Drehbuchautor Don Houghton bemühen dieselben alten Hammer-Klischees, die bereits in den vorherigen Filmen zum Einsatz kamen, zusätzlich zu einigen wirklich dämlichen Ideen. So begeht der zum Vampir gewordene Johnny Alucard unfreiwilligen Selbstmord, weil er aus versehen die Dusche anstellt und das fließende Wasser ihn tötet, was ihn zum jämmerlichsten Sklaven Draculas macht. Immerhin inspirierte „Dracula A.D. 1972“ einige kreative Köpfe, Tim Burton hebt seine Liebe zu diesem Film immer wieder hervor und in seinem „Dark Shadows“ von 2012 ist der Einfluss dieses Hammer-Films deutlich spürbar. Zudem griff Kim Newman in seiner passend betitelten „Anno Dracula“-Fortsetzung „Johnny Alucard“ einige Elemente auf.

Fazit: Es gibt nur zwei Gründe, „Dracula A.D.1972“ anzusehen: Die Wiedervereinigung von Lee und Cushing in ihren ikonischen Rollen als Dracula und Van Helsing und der absurd-bizarre 70er-Charme des Films. Davon abgesehen bietet Hammers siebter Dracula-Film wenig Interessantes und noch weniger Neues.

Trailer

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Siehe auch:
Geschichte der Vampire: Dracula – Hammers Graf
The Brides of Dracula
Dracula: Prince of Darkness
Dracula Has Risen from the Grave
Taste the Blood of Dracula
Scars of Dracula
Art of Adaptation: Nachts, wenn Dracula erwacht
Dracula (BBC/Netflix)

Victorian Undead

Halloween 2022
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Wenn es eine fiktive Figur gibt, die Dracula bezüglich Adaptionen und Auftritten das Wasser reichen oder ihn sogar übertreffen kann, dann ist es Sherlock Holmes. Da ist es natürlich naheliegend, beide in einem Crossover unterzubringen; selbst davon gibt es eine ganze Menge. In den Fortsetzungen von Fred Saberhagens „The Dracula Tape“ etwa treffen der Detektiv und der Vampirgraf ebenso aufeinander wie in Christian Klavers Serie „The Classified Dossier“. Zusätzlich finden sich auch Werke, die ihren Fokus zwar nicht auf das Aufeinandertreffen der beiden Ikonen legen, in dem sie aber vorhanden sind oder waren – man denke an Alan Moores „The League of Extraordinary Gentlemen“ oder Kim Newmans Anno-Dracula-Serie. Sujet dieses Artikels ist allerdings ein etwas obskureres Werk: Ian Edgintons „Victorian Undead“. Es handelt sich dabei um eine Reihe von Comics, in denen sich Sherlock Holmes und Dr. Watson, der Titel suggeriert es bereits, mit diversen Untoten herumschlagen müssen. Edginton verfasste zwei Miniserien und einen One Shot, der zwischen ihnen angesiedelt ist, in chronologischer Reihenfolge sind das „Victorian Undead: Sherlock Holmes vs. Zombies“ (2010), „Victorian Undead: Sherlock Holmes vs. Jekyll/Hyde“ und „Victorian Undead: Sherlock Holmes vs. Dracula“ (beide 2011).

Die erste Miniserie inszeniert eine viktorianische Zombie-Apokalypse, hinter der, wen wundert es, letztendlich ein zombiefizierter James Moriarty steckt, der sich nicht nur nach der Angelegenheit bei den Reichenbachfällen an Holmes rächen möchte, sondern auch Weltherrschaftsambitionen hegt. Natürlich ist es an Holmes und Watson, hinter die Ursprünge der sich ausbreitenden Zombieseuche zu kommen und die Welt vor Moriartys Machenschaften zu bewahren. Dr. Jekyll bzw. Mister Hyde ist technisch geschehen natürlich kein Untoter, der One Shot baut allerdings auf der vorherigen Miniserie auf, sodass Mister Hyde nicht nur als menschliches Ungeheuer, sondern als Zombie auftreten kann – wie der untote Moriarty ist er allerdings nach wie vor in der Lage, sich klar zu artikulieren. Sowohl die erste Miniserie als auch der One Shot sind durchaus kurzweilig und unterhaltsam, bleiben aber ein wenig hinter ihren Möglichkeiten zurück. Erstere verliert vor allem während der zweiten Hälfte, wenn es zunehmend apokalyptisch und zerstörerisch wird, das typische Holmes-Feeling, währende Letzterer seine Prämisse nicht wirklich gerecht wird. Unter einem Aufeinandertreffen zwischen Holmes und Jekyll/Hyde stellt man sich eine deutlich vielschichtigere, psychologisch interessantere Geschichte vor. Die Kürze des One Shots wird dem einerseits kaum gerecht, während Hydes untote Natur zwar aufgrund der Konzeption bzw. des Titels irgendwie essentiell ist, gleichzeitig aber das menschliche Böse, das Hyde repräsentiert, auf fatale Weise mindert.

Wie angesichts meiner Interessenslage nicht anders zu erwarten ist es natürlich vor allem die dritte Miniserie, die im Fokus dieses Artikels stehen soll, nicht zuletzt, weil sie direkt an diverse andere Artikel anknüpft – Draculas Auftauchen im Comic ist schließlich eines meiner hervorstechendsten Steckenpferde. „Victorian Undead: Sherlock Holmes vs. Dracula“ beginnt mit einer nur allzu vertrauten Szene: der Ankunft der Demeter in England. Im weiteren Verlauf erleben wir gewissermaßen, wie sich Holmes und Watson in die Handlung von Bram Stokers Roman einmischen, indem sie ermitteln, was mit der Demeter geschah, weshalb die Mannschaft zu Tode kam etc. Dabei stoßen sie natürlich früher oder später nicht nur auf Draculas Spuren, sondern auch auf seine Jäger um Abraham Van Helsing, die sich gerade mit Lucy Westenras Vampirwerdung auseinandersetzen müssen. Ab diesem Zeitpunkt entfernt sich Edginton weiter von Stokers Roman, auch wenn wir etwas später in einer Rückblende erfahren, dass sich Jonathan Harkers Aufenthalt auf Draculas Schloss genauso abgespielt hat wie im Roman. Die obligatorische Verknüpfung von Dracula mit Vlad Țepeș darf in dieser Expositionsszene natürlich ebenfalls nicht fehlen. Zudem passt Edginton die Rollen von Mina und Lucy an. Erstere begeht nach ihrer Vampirwerdung Selbstmord, während Letztere sich als Blutsaugerin emanzipiert und sowohl von Dracula als auch ihren Verehrern genug hat. Sie hilft allerdings dabei, Draculas Bräute zu beseitigen.

Wie dem auch sei, die weitere Handlungsentwicklung erinnert an einen gewissen anderen Roman, und zwar so sehr, dass dieser Comic beinahe als Prequel funktionieren könnte, würde er nur anders enden. Die Rede ist vom bereits erwähnten Meta-Crossover „Anno Dracula“ von Kim Newman. Bei Newman wie bei Edginton plant der Graf, über Queen Victoria die Macht in Großbritannien zu übernehmen. Eine weitere, erstaunliche Parallele ist der Umstand, dass Arthur Holmwood in beiden Werken auf der Seite der Vampire steht, auch wenn die Umstände ein wenig anders sind. Bei Edginton fungiert er als Drahtzieher, der alles zusammen mit Dracula geplant hat, während er in „Anno Dracula“ von Lord Ruthven aus John William Polidoris „The Vampyre“, der als Premierminister des Empires fungiert, zum Vampir gemacht wird. Der größte Unterschied ist natürlich der Ausgang, denn „Anno Dracula“ beginnt, nachdem der Graf seinen Plan bereits erfolgreich in die Tat umgesetzt hat, während dieser in „Victorian Undead“ natürlich mithilfe eines komplizierten, von Holmes ersonnen Planes vereitelt wird. Wo der zum Prinzgemahl gewordene Graf Van Helsing im Roman tötet und Sherlock Holmes in ein Lager sperrt, segnet Dracula im Comic selbst das Zeitliche.

Eine ganze Reihe von Zeichnern wirkte an „Victorian Undead“ mit, darunter Horacio Domingues, Tom Mandrake und Mario Guevara Sr., als Hauptzeichner fungiert aber zweifellos Davidé Fabbri, während die anderen drei zumeist für Flashbacks, ausgewählte Szenen oder, im Fall von Horacio Domingues, den One Shot zum Einsatz kommen. Fabbri ist mir primär als Star-Wars-Zeichner von Werken wie „Jedi Council: Acts of War“ oder „The Hunt for Aurra Sing“ bekannt, ich muss allerdings zugeben, dass mir sein Stil nicht allzu sehr zusagt, mir persönlich wirkt er eine Spur zu cartoonig und ich bin auch kein allzu großer Fan seiner Gesichter. Zudem wäre gerade in Bezug auf gotisch-düstere Atmosphäre noch Spielraum nach oben gewesen – ich denke, Tom Mandrake wäre als primärer Zeichner vielleicht die bessere Wahl gewesen. Edginton und Fabbris Dracula erinnert visuell interessanterweise an die aktuelle Marvel-Inkarnation der Figur, bei der der von Stoker beschriebene, üppige Schnauzbart fehlt und die stattdessen über lange, weiße Haare verfügt.

Fazit: „Victorian Undead“ ist ein leidlich interessantes Crossover zwischen Sherlock Holmes und diversen untoten Kreaturen, dass aber gerade in Bezug auf Dracula so gut wie keine neuen Impulse zu setzen vermag, nicht zuletzt aufgrund der inhaltlichen Parallelen zu Kim Newmans „Anno Dracula“. Vielleicht sind diese tatsächlich rein zufällig entstanden, dennoch komme ich nicht umhin mich zu fragen, ob es nicht vielleicht interessanter gewesen wäre, wenn Ian Edginton nicht einfach mit Newman zusammen ein tatsächliches Anno-Dracula-Prequel verfasst hätte.

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Siehe auch:
Geschichte der Vampire: Dracula – Bram Stoker’s Roman
Geschichte der Vampire: Dracula – Universals Graf
Geschichte der Vampire: Dracula – Der gezeichnete Graf
Geschichte der Vampire: Blade
Art of Adaptation: Georges Bess‘ Dracula
Art of Adaptation: Bram Stoker’s Dracula Starring Bela Lugosi
Dracula, Motherf**ker!
The Dracula Tape

Lovecrafts Vermächtnis: Der Cthulhu-Mythos

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Dieser Artikel ist der Start einer neuen Reihe, die sich gezielt mit den Erben H. P. Lovecrafts auseinandersetzt, also mit Autoren, die sein Werk direkt oder indirekt fortsetzen, Film-, Comic- und Serienschaffenden, die seine Werke adaptieren oder von ihnen zumindest inspiriert wurden etc. Zum Start der Reihe möchte ich mich noch einmal mit dem so genannten „Cthulhu-Mythos“ auseinandersetzen, da dies nicht nur ein zentrales Element in Lovecrafts Œuvre ist, sondern auch eines, das häufig missverstanden wird. Das habe ich im Rahmen meines Necronomicon-Artikels zwar schon einmal in Ansätzen getan, gerade als Start für diese Artikelreihe bietet es sich jedoch noch einmal an.

Im engeren Sinn handelt es sich bei dem Begriff „Cthulhu-Mythos“ um den Versuch, einige von Lovecrafts Geschichten zu kategorisieren. In den Erzählungen des Schriftstellers aus Providence tauchen immer wieder verknüpfende Elemente auf: Fiktive neuenglische Städte wie Arkham oder Innsmouth, okkulte Bücher mit verbotenem Wissen wie das Necronomicon und übermächtige außerirdische Götter wie Cthulhu, Yog-Sothoth oder Azathoth. Vor allem Letztere sind für den „Cthulhu-Mythos“ von Bedeutung. Theoretisch gehören zu diesem alle Geschichten Lovecrafts, die sich mit dem Mythos-Entitäten beschäftigt. So weit, so gut. Nun ist allerdings zu beachten, dass Lovecrafts selbst den Begriff „Cthulhu-Mythos“ nicht nur nicht verwendete, er nahm die ganz Angelegenheit nicht allzu ernst. Anders als etwa J. R. R. Tolkien ging es Lovecraft nie darum, eine umfassende, in sich geschlossene Kunstmythologie zu schaffen, sie war eher ein Hintergrundelement, eine Spielerei und ein Ausdruck von Lovecrafts Philosphie des Kosmizismus, die eine wichtige Rolle in seinem Gesamtwerk spielt und ein Horror-Subgerne, den „Kosmischen Horror“ begründete. Der Kosmizismus geht davon aus, dass der Mensch als Individuum und als Spezies völlig insignifikant ist. Sollte es tatsächlich höhere bzw. außerirdische Mächte geben, so sind diese weit jenseits des menschlichen Verständnisses. Lovecraft nutzte seine Götter, um dies auszudrücken; er schuf dabei nicht nur eine lose zusammenhängende Kunstmythologie, er dekonstruierte sie zugleich auch; vor allem in seinen späteren Geschichten wie „At the Mountains of Madness“. Dabei sah er Cthulhu keinesfalls als zentrale Entität (er sprach einmal scherzhaft von seiner Mythenschöpfung als „Yog Sothothery“), noch kümmerte er sich um eine einheitliche Kanonisierung. Der Mythos musste sich immer den Geschichten anpassen und nicht umgekehrt, sodass es durchaus auch zu Widersprüchen kommen konnte.

Darüber hinaus wurde der Mythos durch einige besondere Umstände gefördert: Lovecraft ermutigte einige Freunde und Mitautoren (gerne als „Lovecraft Cycle“ bezeichnet) dazu, sich Elemente aus seinen Geschichten „auszuborgen“. So tauchten das Necronomicon oder die fremdartigen Götter auch bei Autoren wie Robert E. Howard, Clark Ashton Smith oder Robert Bloch auf, während Lovecraft seinerseits Anspielungen an die Geschichten seiner Freunde in seinen Werken unterbrachte, etwa Howards „Von unaussprechlichen Kulten“, ein weiteres Buch mit gefährlichem Wissen.

Letztendlich ist es jedoch August Derleth, auf den der Begriff „Cthulhu-Mythos“ zurückgeht. Derleth war ein Brieffreund Lovecrafts, der ebenfalls Geschichten schrieb und sich letztendlich als Nachlassverwalter seines Freundes sah. Nach Lovecrafts Tod gründete Derleth den Verlag Arkham House; letztendlich ist es sein Verdienst, dass viele Geschichten Lovecrafts überhaupt erst publiziert und einem größeren Publikum bekannt wurden. Allerdings ist Derleth auch für eine Verzerrung von Lovecrafts ursprünglichen Konzepten verantwortlich. Anders als der Atheist Lovecraft war Derleth Katholik und interpretierte die Geschichten seines Freundes als Kampf des Guten gegen das Böse. Er versuchte, dem, was er als „Cthulhu-Mythos“ bezeichnete, feste Strukturen zu geben, er ordnete die Gottheiten verschiedenen Elementen zu und stellte den Großen Alten bzw. Äußeren Göttern gute „Ältere Götter“ gegenüber, die in dieser Form nie bei Lovecraft auftauchten und absolut nicht zu seiner Philosophie passten. Darüber hinaus schrieb Derleth eine ganze Reihe eigener Mythos-Geschichten und publizierte in seinem Verlag viele weitere Werke, die seiner Interpretation von Lovecraft entsprachen; vor allem die von Brian Lumley verfassten Erzählungen sind erwähnenswert.

Es zeigt sich also, dass der Begriff „Cthulhu-Mythos“ in vielerlei Hinsicht problematisch ist. Nicht nur ist er nicht korrekt, da Cthulhu weder der zentrale, noch der mächtigste Gott aus Lovecrafts Pantheon ist, er repräsentiert auch August Derleths Philosophie, die der Lovecrafts und des eigentlichen kosmischen Horrors diametral entgegengesetzt ist – aus diesem Grund schlug der Lovecraft-Forscher Dirk W. Mosig als Alternative und zur Abgrenzung von Derleth den Begriff „Yog-Sothoth-Mythos“ vor. Es gibt allerdings noch ein weiteres, viel praktischeres Problem: Welche Geschichten Lovecrafts sind denn nun Teil des wie auch immer bezeichneten Mythos? Bei manchen ist die Antwort eindeutig, aber einige seiner Geschichten fallen in eine Grauzone. Die Stadt Arkham etwa ist ein Element, das häufig in eindeutigen Mythos-Geschichten auftaucht, aber auch in „Herbert West, Re-Animator“ oder „The Colour out of Space“ – beide haben keine direkten Bezüge zu den Lovecraft’schen Gottheiten. Auch das Necronomicon gilt als Grimoire mit Mythosverbundenheit, taucht aber in Erzählungen wie „The Hound“ oder „The Festival“ auf, die ebenfalls keine Verweise auf die Mythos-Götter haben. Und dann wären da noch die Geschichten des sog. „Dreamland Cycle“, die sich atmosphärisch stark von der typischen Mythos-Geschichte unterscheiden, in denen aber immer wieder Mythos-Götter wie Nyarlathotep auftauchen.

Ich werde in Zukunft dennoch, wenn nötig, „Cthulhu-Mythos“ als Oberbegriff verwenden, ganz einfach, weil er sich nach all den Jahrzehnten festgesetzt hat und den größten Widererkennungswert besitzt. Erfreulicherweise bedeutet das nicht, dass Derleths Deutung des Mythos die vorrangige ist, im Gegenteil. In der Zwischenzeit sind Autoren, die sich der Elemente und Konzepte Lovecrafts annehmen, in weitaus größerem Maße zur ursprünglichen Philosophie des Schriftstellers aus Providence zurückgekehrt und bemühen sich, tatsächliche Kosmische Horrorgeschichten zu schreiben. Die Menge an Geschichten, die Elemente aus Lovecrafts Werk entlehnen, sind inzwischen unüberschaubar, tatsächlich scheint fast jeder Autor, der im Horror oder den anderen phantastischen Genres tätig ist, irgendwann einmal eine Cthulhu-Geschichte geschrieben zu haben. Dazu zählen neben den bereits erwähnten wie Lumley, Smith oder Bloch auch große Namen wie Stephen King, Kim Newman, Neil Gaiman, Wolfgang Hohlbein, Alan Moore und, und, und…

Natürlich gibt es nach wie vor genug Autoren, die sich, bewusst oder unbewusst, eher an Derleths Interpretation anlehnen, weshalb im modernen, von TV Tropes geprägten Jargon eine Distinktion vorgenommen wurde: In der klassischen, von Lovecraft geprägten Kosmischen Horrorgeschichte ist das Ende hoffnungslos und der Protagonist wird von der Erkenntnissen zumeist in den Wahnsinn getrieben. Eine Geschichte, die dagegen Hoffnung oder ein Sieg der Menschen gegen die übermächtigen, außerirdischen Götter zulässt, wird gerne als „Lovecraft Lite“ bezeichnet. Es sollte jedoch hinzugefügt werden, dass eine Geschichte dieser Art natürlich nicht prinzipiell etwas schlechtes ist, Lovecraft selbst ließ hin und wieder menschliche Triumphe zu, etwa in „The Dunwich Horror“. Letztendlich kommt es immer darauf an, wie die Geschichte erzählt ist – für Geschichten des „Cthulhu-Mythos“ gilt das genauso wie für alle anderen auch.

Geschichte der Vampire: Varney the Vampire

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Der sympathische, mit sich selbst und seiner monströsen Natur ringende Vampir war bis zu Anne Rice‘ „Chronik der Vampire“ eher eine Seltenheit, das Konzept selbst ist allerdings älter als Dracula. Unter den diversen Wegbereitern des Vampirgrafen ist Sir Francis Varney wahrscheinlich derjenige, der einerseits den größten Einfluss auf die moderne Vampirliteratur ausgeübt hat, aber andererseits kaum jemandem mehr bekannt sein dürfte. Bei Sir Francis Varney handelt es sich um den Protagonisten (bzw. je nach Sichtweise auch um den Antagonisten) eines über 800 Seiten starken Romans namens „Varney the Vampire; or the Feast of Blood“. Besagter Roman erschien zuerst zwischen 1854 und 1847 als Fortsetzungsreihe im Rahmen der sog. „penny dreadfuls“, englischer Schundromanhefte mit zumeist düsterem Inhalt (in der gleichnamigen Serie von John Logan wird Varney sogar in diesem Zusammenhang erwähnt, eine Anspielung, die den Kenner besonders freut), bevor er 1847 dann auch als gebundenes Buch erschien. Die Autorschaft des Werkes ist umstritten, lange galt Thomas Peckett (manchmal auch Preskett) Prest als Verfasser, aber auch James Malcolm Rymer ist ein möglicher Kandidat.

Die Handlung spielt um das Jahr 1730, der Fokus liegt auf den Taten des Vampirs Sir Francis Varney und seine Beziehung zur Adelsfamilie Bannerworth. Ähnlich wie Lord Ruthven ist auch Varney kein monströser Vampir der alten Schule, sondern ein adeliges und mehr oder weniger verführerisches Monster, das klar von der Vampirdarstellung Polidoris beeinflusst wurde und seinerseits die Vampire, die nach ihm kamen, beeinflusste. Zu den typischen Vampireigenschaften Varneys gehört seine übermenschliche Stärke sowie die Fangzähne, mit deren Hilfe er Blut trinkt. Das Sonnenlicht schadet ihm dagegen nicht, diese Eigenschaft wurde erst mit „Nosferatu: Eine Symphonie des Grauens“ Teil des Vampirmythos.

Insgesamt ist die Vampirdarstellung in „Varney the Vampire“ recht wechselhaft, da das Werk zum Teil sehr inkonsistent ist. So gibt es Abschnitte, in denen Varney kaum vampirische Eigenschaften aufweist und es scheint, als bilde er sich nur ein, ein Vampir zu sein. In anderen Aspekten ist „Varney the Vampire“ jedoch ganz typisch, gerade, was die Atmosphäre angeht: Friedhöfe, alte Schlösser, Vampirjagden, Blut und Leichen – alles, was mit der typischen Vampirgeschichte assoziiert wird, findet sich hier. Varney selbst macht im Verlauf der Geschichte durchaus eine Wandlung durch; zu Beginn gleicht er eher dem typischen Vampirantagonisten, später wird er allerdings zunehmend sympathischer und hadert mit seinem Schicksal, ganz wie seine Nachfolger, von Louis de Pont du Lac über Angel bis zu Bill Compton. Noch in einem weiteren Aspekt erweist sich Varney als Vorläufer: Ähnlich wie der von Christopher Lee dargestellte Dracula der Hammer-Filme wird Varney immer wieder getötet, das Licht des Mondes und ähnliche Methoden holen ihn allerdings ins (Un-)Leben zurück, jedenfalls bis zu seinem finalen Selbstmord: Er springt in den Krater des Vesuv.

Zur Zeit der Publikation war Varney sehr beliebt und erfolgreich, nach dem Erscheinen seines berühmteren Nachfolgers Dracula verschwand er jedoch langsam in der Vergessenheit, was auch daran lag, dass „Varney the Vampire“ lange nicht nachgedruckt wurde, da ein derart dickes und umfangreiches Buch diesen Inhalts für Verlage schlicht nicht rentabel war. 1976 erschien tatsächlich eine, wenn auch stark gekürzte deutsche Übersetzung, die allerdings nicht neu aufgelegt wurde und deshalb sehr selten ist. „Varney the Vampire“ kann, zumindest auf Englisch, inzwischen jedoch problemlos konsumiert werden, da sich der komplette (und rechtefreie) Text im Internet findet. Ich muss zugeben, dass ich selbst aber nur ein paar Ausschnitte gelesen habe, da es doch eine ganze Menge Material ist und der Stil zum Teil doch sehr anstrengt.

Während der indirekte Einfluss des Werkes nicht zu unterschätzen ist, gibt es kaum direkte Weiterverarbeitungen des Stoffes, soweit ich weiß existiert so gut wie keine Adaption für Film oder Fernsehen. Was dem am nächsten kommen könnte ist die gotische Soap-Opera „Dark Shadows“. Der dort auftauchende Barnabas Collins erinnert stark an Varney, auch er hat eine Verbindung zu seiner sterblichen Familie und hadert mit seinem Schicksal. Darüber hinaus gibt es zumindest noch die eine oder andere Anspielung in anderen Werken. In der Marvel-Comicserie „The Tomb of Dracula“ etwa taucht ein Vampir namens Varnae auf, während Sir Francis Varney in Kim Newmans „Anno Dracula“ als Gouverneur von Indien fungiert.

Siehe auch:
Varney the Vampire; or the Feast of Blood – Volltext

Dracula aus anderer Perspektive Teil 6: „Dracula Cha-Cha-Cha“


Wir schreiben das Jahr 1959: Dracula gedenkt, die moldawische Prinzessin Asa Vajda, wie der Graf selbst auch ein Vampir, zu ehelichen. Bei der Berühmtheit des Bräutigams ist es nur selbstverständlich, dass sich Menschen und Vampire aus der ganzen Welt für dieses spezielle Ereignis interessieren, so auch Charles Beauregard, inzwischen über hundert Jahre alt, aber immer noch für die britische Regierung tätig, seine Freundin und Partnerin Geneviève Dieudonné, Kate Reed und ein britischer Spion namens Hamish Bond. Doch die Veranstaltung steht unter keinem guten Stern: Bereits im Vorfeld treibt ein merkwürdiger maskierter Mörder, der sich „Der Scharlachrote Henker“ nennt, sein Unwesen und tötet Vampirälteste, die zur Hochzeit gekommen sind. Und bei der feierlichen Begehung selbst geschieht das Unglaubliche: Auch Dracula ist offensichtlich ein Opfer des Henkers…
Der dritte Teil von Kim Newmans Vampireops trägt einen, gelinde gesagt, etwas merkwürdigen Titel, der einerseits auf das gleichnamige Lied des Albums „Italian Graffiti“ anspielt und sich andererseits auf den „Tanz“ bezieht, den die Protagonisten über die Jahrzehnte hinweg mit dem König der Vampire „getanzt“ haben. Und auch sonst unterscheidet sich „Dracula Cha-Cha-Cha“ in einigen Punkten stark von den beiden ersten Teilen der Trilogie, auch wenn vieles natürlich ähnlich geblieben ist. Selbstverständlich bezieht Newman wieder, wie nicht anders zu erwarten, Filme und Bücher en masse ein, sowohl Dinge, die offensichtlich naheliegen, als auch solche, bei denen man sich ein wenig wundert, die aber dennoch passen. Vampir aus den verschiedensten Epochen tauchen auf, wenn auch dieses Mal eher Rande, darunter bereits bekannte wie Lord Ruthven, aber auch solche, die bisher noch nicht erwähnt wurden, wie zum Beispiel Faethor Ferenczy aus Brian Lumleys „Necroscope“. Und auch ansonsten geben sich viele „Prominente“ die Klinke in die Hand; etwa ein amerikanisches Ehepaar namens Addams, ein Footballspieler aus Kansas mit Namen Kent (um auf den Vornamen zu kommen muss man nicht lange raten), Michael Corleone aus „Der Pate“ oder Vater Lancester Merrin aus „Der Exorzist“. Eine wichtigere Rolle spielt der bereits erwähnte Spion Hamish Bond, dessen Identität unschwer zu erkennen ist; Kim Newman musste aus Copyright-Gründen lediglich die gälische Version von James nehmen.
Das Setting des dritten Teils ist dieses Mal natürlich von der Ewigen Stadt geprägt und soll zu dem eine Hommage an die Filme Federico Fellinis darstellen; entsprechend üppig gestaltet sich auch die Atmosphäre und entsprechend unterscheidet sie sich auch von „Anno Dracula“ und „Der Rote Baron“.
Auch in Bezug auf den eigentlichen Plot und die Figurenkonstellation hat sich einiges verändert. So haben wir dieses Mal kein neues Ermittlerpärchen mehr, sondern stattdessen werden Geneviève und Kate, der jeweils weibliche Teil der Pärchen der ersten Bände, in den Fokus gerückt. Auch Penelope Churchward, die in „Anno Dracula“ als Charles Beauregards Verlobte am Rande auftauchte, bekommt dieses Mal eine wichtigerere Rolle.
Die Charakterisierung dieser drei Frauen ist dabei sehr interessant und gelungen, auch wenn sie für meinen Geschmack einen wenig zu oft in Tränen ausbrechen.
Charles Beauregard dagegen steht am Ende seines Lebens und ist nun mehr hauptsächlich Zuschauer, während Dracula, der große Widersacher, ein relativ unrühmliches Ende bekommt. Seine Entwicklung sehe ich recht zwiespältig. Einerseits ist interessant und durchaus realistisch, aber andererseits ist es fast schade, dass der König der Vampire diese Welt derartig verlassen muss.
Fazit: „Dracula Cha-Cha-Cha“ kommt, wie schon „Der Rote Baron“ nicht an „Anno Dracula“ heran, auch wenn Newmans Schreibstil bei diesem dritten Band kaum mehr Probleme macht. Dennoch ist dem Autor abermals ein interessanter Vampirroman gelungen, der sich aus dem ganzen Einheitsbrei abhebt und die Trilogie würdig zu einem (hoffentlich nur vorläufigen) Abschluss bringt.

Siehe auch:
Dracula aus anderer Perspektive Teil 1: „Anno Dracula“
Dracula aus anderer Perspektive Teil 2: „Der Vampir“ und „Vlad“
Dracula aus anderer Perspektive Teil 3: „Auf Draculas Spuren“
Dracula aus anderer Perspektive Teil 4: „Bram Stoker’s Dracula“
Dracula aus anderer Perspektive Teil 5: „Der Rote Baron“

Dracula aus anderer Perspektive Teil 5: Der Rote Baron


Bei „Der Rote Baron“ handelt es sich um die direkte Fortsetzung zu „Anno Dracula“. Dieses Mal befinden wir uns im Jahre 1918, mitten im Ersten Weltkrieg. Mehr denn je sind Vampire Teil des öffentlichen Lebens und kämpfen sowohl auf der Seite der Alliierten als auch der Deutschen. Lord Ruthven etwa ist immer noch Premierminister von Großbritannien und inzwischen vom Verbündeten Draculas zu seinem Gegner geworden. Eben dieser nennt sich nun Graf von Dracula und hat sich mit dem deutschen Kaiserreich verbündet, seiner karpatischen Garde (zu der immer noch unter anderem Graf Orlok aus Murnaus „Nosferatu“ gehört) in der deutschen Armee hohe Ränge verliehen und den Kaiser sowie Hindenburg, Ludendorff und andere wichtige Befehlshaber zu Vampiren gemacht. Die eigentlichen Gründe für den Ausbruch des Ersten Weltkriegs bleiben zwar dieselben (Deutschland wünscht einen Platz an der Sonne, bzw. einen Platz am Mond), aber die Tatsache, dass auf beiden Seite Vampire involviert sind, gibt dem ganzen zusätzliche Würze. Die eigentliche Handlung setzt, wie bereits erwähnt, 1918 ein und der Krieg tobt bereits ein ganzes Weilchen.
Eine besonders mächtige Waffe in Draculas Hand ist Manfred von Richthofen, der so genannte Rote Baron und seine Fliegerstaffel. Allerdings besteht diese, im Gegensatz zu unserer Welt, nicht etwa aus Flugzeugen, sondern aus in Fledermaushybriden á la Markus in „Underworld Evolution“ verwandelten Vampiren.
Der eigentliche Grundplot des Romans ist dem von „Anno Dracula“ recht ähnlich: Ein weiteres Mal wird, wie schon bei Jack the Ripper, ein Ermittlerpärchen vom Diogenes-Club ausgesandt, das aus einem männlichen Menschen und einem weiblichen Vampir besteht. Dieses Mal sind es allerdings nicht Geneviève Dieudonné (die in Amerika weilt und in „Der Rote Baron“ lediglich erwähnt wird) und Charles Beauregard (der im Diogenes-Club aufgestiegen ist und nun die Rolle eines Fadenziehers und Befehlshabers innehat), sondern Kate Reed und Edwin Winthrop. Während Kate Reed, die im Vorgänger bereits als Nebenfigur zugegen war, eine recht interessante Figur ist, finde ich persönlich Winthrop, der wohl am ehesten als Held der Geschichte verstanden werden kann, weniger interessant.
Die Ähnlichkeit der Grundhandlung zu „Anno Dracula“ wirkt sich jedoch glücklicherweise nicht auf das Drumherum aus, sodass „Der Rote Baron“ sich atmosphärisch und auch inhaltlich vom ersten Band der Trilogie abhebt. Statt der viktorianischen Atmosphäre steht nun die Stimmung des Ersten Weltkriegs im Mittelpunkt, und neben tatsächlich existierenden Personen wie dem Roten Baron, Hermann Göring oder dem Mörder Fritz Haarmann (der hier eine amüsante Nebenrolle bekommen hat) tauchen auch Figuren aus dem deutschen Stummfilm auf, etwa Dr. Caligari, Dr. Mabuse und natürlich Orlok, der lustigerweise sogar im Roman ziemlich stumm ist.
Newmans Intertextualität und seine extrem vielen gelungenen Anspielungen auf Film und Literatur sind ein weiteres Mal ein wahrer Genuss. Besondere Erwähnung verdient noch der Subplot um die beiden Schriftsteller Edgar (Allan) Poe (sollte bekannt sein) und Hans Heinz Ewers (wohl eher weniger bekannt, hat unter anderem die Kurzgeschichte „Die Spinne“ sowie „Vampir – Ein Roman in Fetzen und Farben“ verfasst), die eine Biographie Manfred von Richthofens schreiben sollen. Beide sind Vampire und darüber hinaus auch noch ziemlich interessante Charaktere, vor allem der mit sich selbst hadernde Poe.
Trotz aller Vorzüge kommt „Der Rote Baron“ leider nicht ganz an „Anno Dracula“ heran. Das hängt zum einen damit zusammen, dass ich die viktorianische Stimmung der dem WW1-Setting vorziehe und zum anderen damit, dass der Schluss leider viel zu kurz und unspektakulär ist, unter anderem tritt Dracula selbst praktisch überhaupt nicht auf.
Fazit: Gelungene Fortsetzung zu „Anno Dracula“, die an den ersten Teil allerdings nicht ganz herankommt. Dennoch ein hochintelligentes Werk mit interessanten Charakteren und enorm vielen Anspielungen, die den Vampirfan begeistern. Ich freue mich schon auf „Dracula Cha-Cha-Cha“, den dritten Band.

Siehe auch:
Dracula aus anderer Perspektive Teil 1: „Anno Dracula“
Dracula aus anderer Perspektive Teil 2: „Der Vampir“ und „Vlad“
Dracula aus anderer Perspektive Teil 3: „Auf Draculas Spuren“
Dracula aus anderer Perspektive Teil 4: „Bram Stoker’s Dracula“
Dracula aus anderer Perspektive Teil 6: „Dracula Cha-Cha-Cha“

Dracula aus anderer Perspektive Teil 1: „Anno Dracula“

Nachdem ich in meinem letzten Artikel die „Twilight-Saga“ nach Strich und Faden heruntergeputzt habe, muss ich nun wohl auch Alternativen empfehlen.
Zur Zeit wird der Buchmarkt ja geradezu von „Bis(s)“-Klonen ertränkt, die zwar nicht alle unbedingt Meyers religiöse Ansichten teilen (und in denen die Vampire bis zuweilen auch vorehelichen Sex haben dürfen), aber davon abgesehen handelt es sich meistens um ebenso kitschiges und für mich unbrauchbares Material.
Der Vorteil der Twilight-Manie ist, dass im Rahmen des Hypes auch einige ältere Werke neu aufgelegt werden, die wirklich etwas taugen. Und wer weiß, vielleicht ist ja auch unter den Neuerscheinungen hin und wieder das eine oder andere Kleinod versteckt.
Eines der brauchbaren älteren Werke ist der Roman „Anno Dracula“ von Kim Newman, der zusammen mit seinen beiden Fortsetzungen „Der Rote Baron“ und „Dracula Cha-Cha-Cha“ unter dem Namen „Die Vampire“ in einem Band herausgebracht wurde.
In dieser Trilogie, bzw. dem ersten Band, entwirft Kim Newman eine faszinierende alternative Zeitlinie, beginnend im viktorianischen London: Van Helsing und seinen Mitstreitern ist es nicht gelungen, Dracula zu töten, weshalb der Vampirgraf sich an die verwitwete Queen Victoria heranmacht und kurz darauf zum neuen Prinzgemahl wird und eine Vampirdiktatur in Großbritannien errichtet. Die Vampire leben von nun an vollkommen öffentlich und werden Teil des Alltags.
Doch auch wenn die Herrschenden Vampire sind, geht nicht alles völlig problemlos. Denn in den Straßen Whitechapels geht ein Mörder um, der Vampirprostituierte tötet und von der Bevölkerung „Silver Knife“ genannt wird. In einem Schreiben gibt er sich allerdings selbst den Namen „Jack the Ripper“.
Um die öffentliche Ordnung nicht zu gefährden, werden zwei Ermittler auf die Spur des Rippers angesetzt: Die Vampirahnin Geneviève Dieudonné und Charles Beauregard, ein Mitglied des Diogenes-Clubs.
Zwar ist Kim Newmans Schreibstil bei Weitem nicht so angenehm und leicht zu lesen wie der von Stephenie Meyer, aber dafür hat Anno Dracula so viel mehr zu bieten als die „Bis(s)-Reihe“. Denn neben interessanten Hauptcharakteren und einer atmosphärischen Geschichte zeigt Kim Newman mit diesem Roman auch seine Kenntnis und umfassende Liebe zur viktorianischen Literatur sowie zum Vampir in allen Medien.
Ganz ähnlich wie Alan Moores Comic „Die Liga der Außergewöhnlichen Gentlemen“ handelt es sich bei „Anno Dracula“ um eine große Zusammenkunft verschiedener literarischer und filmischer Figuren. Neben Dracula selbst und anderen Figuren aus Bram Stokers Roman (wie zum Beispiel Arthur Holmwood, Mina Harker oder Jack Seward) tauchen unter anderem auch Charaktere wie Mycroft Holmes (Sherlock Holmes Bruder aus Arthur Conan Doyles Romanen und Kurzgeschichten), Inspektor Lestrade (ebenfalls Arthur Conan Doyle), Basil Hallward (der Maler des „Bildnis des Dorian Gray“ von Oscar Wilde), Doktor Jekyll (aus Stevensons „Der seltsame Fall des Doktor Jekyll und Mister Hyde) und noch Haufenweise weitere Figuren dieser Epoche auf. Natürlich bedient sich Kim Newman auch an dem reichen Vampirfundus, der sich in den letzten hundert Jahren angehäuft hat. So ist Lord Ruthven (der erste Gentlemanvampir aus John Polidoris Novelle „Der Vampir“) Premierminister von Großbritannien und Graf Orlok (aus Murnaus Stummflim „Nosferatu“) fungiert als Wächter des Towers von London, in dem regimefeindliche Vampire interniert werden.
„Anno Dracula“ ist, auch wenn nicht ganz leicht zu lesen, ein hochintelligenter und extrem gut ausgearbeiteter Roman, der sich für jeden Liebhaber von viktorianischer und/oder Vampirliteratur zu lesen lohnt.

Siehe auch:
Dracula aus anderer Perspektive Teil 2: „Der Vampir“ und „Vlad“
Dracula aus anderer Perspektive Teil 3: „Auf Draculas Spuren“
Dracula aus anderer Perspektive Teil 4: „Bram Stoker’s Dracula“
Dracula aus anderer Perspektive Teil 5: „Der Rote Baron“
Dracula aus anderer Perspektive Teil 6: „Dracula Cha-Cha-Cha“