Zack Snyder ist definitiv nicht der erste, der auf die Idee einer dystopischen, von Darkseid beherrschten Zukunft des DC-Universums kam. Wahrscheinlich ist auch Grant Morrison nicht der erste, aber auf den Seiten der JLA-Storyline „Rock of Ages“ (erschienen in den Heften 10 bis 15) begegnete zumindest mir dieses Konzept zum ersten Mal. Ähnlich wie schon meine Rezension zu „Justice League: Origin“ kann auch dieser Artikel als Vorbereitung auf den Snyder-Cut gesehen werden – und natürlich handelt es sich dabei um die lange überfällige Fortführung meiner Artikelreihe zu Grant Morrisons JLA-Run.
Handlung
Sieben bösartige Doppelgänger des Justice League greifen Star City an und sorgen für Chaos und Zerstörung. Der Liga gelingt es gerade so, die Doppelgänger zu besiegen, wobei die Ligisten feststellen, dass es sich nicht um lebendige Wesen, sondern um ferngesteuerte Hartlichthologramme handelt. Hinter dem Angriff steckt eine Neuformation der „Injustice Gang“. Dieses Team existierte bereits in mehreren Formationen als schurkisches Gegenstück zur Justice League, dieses Mal besteht sie allerdings ausschließlich aus Erzfeinden der „Großen Sieben“. Ins Leben gerufen wurde sie von Lex Luthor, der sich durch Supermans Beteiligung an der Liga persönlich angegriffen fühlt. Als Gegenstück für Batman fungiert natürlich der Joker (wer auch sonst?), für Wonder Woman ist Circe am Start, für Aquaman der Ocean Master (der durch James Wans „Aquaman“ immerhin ein wenig mehr Bekanntheit erlangt hat) und aus Flashs Rogues Gallery macht Mirror Master mit. Green Lantern (Kyle Rayner) ist als Held noch zu neu, um einen wirklichen Erzfeind zu haben, weshalb Luthor (bzw. Morrison) mit Doctor Light einen klassischen Teen-Titans-Schurken wählte, der während des Crossovers „Underworld Unleashed“ neue Fähigkeiten und ein neues Aussehen bekam und immerhin schon das eine oder andere Mal mit Lantern aneinandergeriet. Für Martian Manhunter schickt Morrison eine eher obskure DC-Figur aus den 80ern namens Jemm bzw. „Son of Saturn“ an den Start – dieses telepathische Alien wird von Luthor mehr oder weniger ferngesteuert. Supermans Erzfeind verfügt allerdings noch über eine weitere Geheimwaffe, den legendären Stein der Weisen (auch Worlogog), der zwar weder für Gold, noch für Unsterblichkeit sorgt, dafür seinem Besitzer aber Macht über das temporale Gefüge verleiht.
Während sich die Liga, die aktuell aus Superman, Batman, Martian Manhunter, Aquaman, Green Lantern, Flash sowie den beiden Newcomern Aztek und Green Arrow besteht – Wonder Woman ist zu diesem Zeitpunkt gerade tot, allerdings, wie üblich bei Superhelden, nur temporär – mit den Machenschaften der Injustice Gang herumschlägt, taucht unvorhergesehen der New God Metron im Wachturm der Justice League auf und enthüllt den dort anwesenden Ligisten Aquaman, Green Lantern und Flash, dass sie unbedingt verhindern müssen, dass der Stein der Weisen Darkseid in die Hände fällt. Um das zu erreichen, schickt er die drei auf eine Odyssee durch Raum und Zeit. Nach einem Zwischenstopp auf Wonderworld, wo sich gewaltige Superwesen auf die Apokalpyse vorbereiten, landen sie schließlich fünfzehn Jahre in einer Zukunft, in der Darkseid die Antilebensformel errungen hat und über das Universum regiert. Mithilfe der versprengten Reste der JLA müssen die drei Ligisten, die sich in den Körpern ihrer zukünftigen Gegenstücke befinden und weder über Supertempo, noch über einen Kraftring verfügen, versuchen, in ihre Zeit zurückzugelangen, um anschließend zu verhindern, dass Superman Luthor den Stein der Weisen abnimmt und ihn zerstört – dieser Akt ermöglichte es Darkseid nämlich, die Herrschaft zu übernehmen…
Injustice for All

„Rock of Ages” verfügt über zwei Handlungsstränge, die ineinander verschachtelt sind. Der Kampf gegen die Injustice Gang fungiert dabei als Rahmen, pausiert für die dystopische Zukunft und wird dann wieder aufgenommen. Dieser Handlungsstrang legt seinen Fokus primär auf Lex Luthor, die anderen Mitglieder der Gang fungieren eher als Erfüllungsgehilfen. Luthor ist hier stark in seiner 90er-Charakterisierung als ruchloser Geschäftsmann verwurzelt, das heißt, er steigt nicht in einen grünen Anzug, um sich selbst an den Kämpfen zu beteiligen, sondern betrachtet die Vernichtung der Justice League als Firmenübernahme, angefeuert von seinem Hass auf Superman. Batman hat auf diesem Bereich natürlich als Geschäftsführer von Wayne Enterprises nicht weniger Erfahrung und kann so relativ gut gegen Luthor arbeiten. Zum Beispiel bringt er drei Agenten, darunter Plastic Man, in Luthors Team unter. Sehr interessant ist die Dynamik der Schurken untereinander sowie ihre Zusammenarbeit. So entstehen die Hartlichthologramme zum Beispiel aus der Kooperation zwischen Dr. Light und Mirror Master. Ein späteres Konstrukt wird genutzt, um den wirren Verstand des Jokers bildlich umzusetzen und so Superman und Martian Manhunter in die Irre zu führen. Allerdings muss auch gesagt werden, dass das eine oder andere Mitglied der Gang fast schon zur Staffage gerät, vor allem Ocean Master und Circe haben relativ wenig zu tun – Letztere wird immerhin in einen hochamüsanten Austausch mit Plastic Man verwickelt und darf Green Arrow scheinbar abwerben. Leider kommt es kaum zur Interaktion zwischen den Mitgliedern der Injustice Gang und ihren JLA-Gegenstücken; allerdings hat der Martian Manhunter eine ganz interessante Szene mit dem Joker.
In diesem Kontext bietet es sich an, noch ein paar Worte zu den Zeichnungen zu verlieren, da gerade der Joker von Howard Porter nicht ganz optimal dargestellt ist. Das ist wirklich schade, da Porters Interpretation der anderen Figuren mir überaus gut gefällt und er einige Jahre zuvor in der Eventminiserie „Underworld Unleashed“ einen wirklich exzellenten, herrlich dämonisch grinsenden Joker abgeliefert hat. Für die letzte Ausgabe dieses Handlungsbogens bekam Porter zusätzlich Unterstützung von Gary Frank und Greg Land, die sich um sehr fließende Übergänge bemühen, sodass der Wechsel nicht sofort auffällt – irgendwann bemerkt man es aber doch, da die meisten Figuren optisch etwas schwächer sind. Lediglich der Joker sieht bei Frank und Land besser aus.
Darkseid Is

Der interessantere der beiden Teile von „Rock of Ages“ ist mit großem Abstand Lanterns, Flashs und Aquamans Ausflug in die dystopische, von Darkseid beherrschte Zukunft. Diesen Ausflug erzählt Morrison in den US-Heften 13, 14 und 15 am Stück, ohne mit der Injustice-Gang-Handlung zu alternieren. Egal, ob es sich um Elseworlds-Geschichten außerhalb der Kontinuität, Visionen oder wie hier Zeitreisen handelt, Autoren haben mit dem Konzept der düsteren Zukunft immer viel Spaß und bei Grant Morrison ist es kaum anders. Das beginnt bereits bei der Zusammensetzung der zukünftigen Liga, die neben den drei Zeitreisenden in ihren zukünftigen Körpern aus einer ins Leben zurückgekehrten Wonder Woman, dem umprogrammierten Schurken-Droiden Amazo, der zweiten Aztek und den beiden Ex-Titans Argent und The Atom besteht. Nicht vergessen werden sollte außerdem Green Arrow Connor Hawke mit dem Oliver-Queen-Gedächtnisbart. Im späteren Verlauf kommt außerdem noch eine grandiose Version von Batman hinzu, dem es zwar an einigen Fingergliedern, aber nicht an Entschlossenheit mangelt. Abermals ist es der Dunkle Ritter, der den Schlüssel zum Sieg in der Hand hält. Gerade hier zeigt sich ein weiteres Mal Morrisons Talent für Komprimierung, das seinen JLA-Run auszeichnet: Was Morrison in drei US-Ausgaben an Worldbuilding für diese finstere Zukunft unterbringt, ist beeindruckend. Er muss nicht lang und breit auswalzen, weshalb das Leben unter Darkseids Herrschaft fürchterlich ist, oft reichen Andeutungen, sei es in den Dialogen oder den Zeichnungen. Supermans Schicksal ist stellvertretend für die vielen anderen gefallenen Helden, den Rest erledigen die beschädigten Artefakte in der Zuflucht der letzten Helden, sei es Doctor Fates Helm, Starmans Stab oder die Überreste der Kostüme von Robin und Mister Miracle. Morrison gelingt es, wie schon zuvor, die Handlung erfolgreich zu komprimieren und mit verhältnismäßig wenig Platz sehr viel zu erreichen. Gerade im Vergleich mit Geoff Johns‘ „Justice League: Origin“ fällt auf, wie viel Handlung und Twists Morrison in sechs US-Heften unterbringen kann, ohne dass es sich zu überfüllt anfühlt.
Und dann wäre da natürlich noch Darkseid selbst, der seinen üblichen, grau-blauen Look gegen ein tiefschwarzes Outfit getauscht hat und hier imposanter als in fast jeder anderen Geschichte wirkt. Morrison beginnt in „Rock of Ages“, sich mit dem finsteren Gott näher auseinanderzusetzen und ihn von dem außerirdischen Despoten, als der er in den 90ern meistens dargestellt wird, stärker in Richtung „platonische Verkörperung des Bösen“ zu rücken. Diese Entwicklung ist in „Rock of Ages“ noch alles andere als abgeschlossen und wird erst in Morrisons „Final Crisis“ wieder aufgegriffen, aber die Saat findet sich bereits hier, im „Slogan“ des finsteren Gottes: „Darkseid Is“. Das ist natürlich ein Verweis auf den Namen Gottes, das Tetragrammaton JHWH (meistens mit „Jahwe“ wiedergegeben), was übersetzt bzw. erläutert wohl so viel bedeutet wie „Ich bin, der ich bin“ oder „Ich werde der sein, der ich sein werde“ (die Etymologie des Gottesnamens ist ein kompliziertes Kapitel, auf das ich hier nicht eingehen werde). Dieser Slogan ist jedoch noch so viel mehr, er verweist darauf, dass Darkseid aus seiner Perspektive nicht einfach nur Gott ist, sondern das einzige Wesen, das tatsächlich existiert – eine Form von Solipsismus, die Morrison in „Final Crisis“ noch weiter ausarbeiten sollte. Alle anderen Wesen sind in Darkseids Wahrnehmung so weit unter ihm, dass sie praktisch nicht existieren. Letztendlich liegt Darkseid hier natürlich falsch, was Morrison sehr schön durch den Erzähler der JLA-Ausgaben 14 herausarbeitet. Dieser ist offensichtlich Teil der Geschichte, bleibt aber bis zum Schluss mysteriös – letztendlich entpuppt er sich als der Black Racer, die Inkarnation des Todes der New Gods, die am Ende kommt, um auch Darkseid zu holen.
Weiterführende Lektüre
Zwischen den Ausgabe 10 und 11 der JLA-Serie (also zwischen Teil 1 und 2 des Handlungsbogens) findet ein ganzes Crossover-Event statt. Diese Miniserie aus dem Jahr 1997 mit dem Namen „Genesis“ (sowie die zugehörigen Superman-Hefte) veröffentlichte der Dino-Verlag in Paperbackform als „Superman Sonderband 2“. Tatsächlich hat die dort erzählte Geschichte um die Godwave, die den New Gods und auch den Superhelden ihre Kräfte verleiht (und nun dafür sorgt, dass besagte Kräfte verrücktspielen) nur marginal etwas mit „Rock of Ages“ zu tun. Sowohl Darkseid als auch der griechische Kriegsgott Ares, der immer wieder als Gegner für Wonder Woman fungiert, versuchen, sich die Godwave für ihre finsteren Zwecke zunutze zu machen. Morrison nimmt das eine oder andere Mal Bezug auf die Miniserie, etwa als die Ligisten sich angesichts von Metrons Warnung fragen, ob Darkseid es geschafft hat, aus dem Quellenwall, in den er am Ende von „Genesis“ verbannt wurde, auszubrechen. Zum Verständnis von „Rock of Ages“ ist „Genesis“ allerdings nicht notwendig.
Wie bereits erwähnt greift Morrison viele Ideen aus „Rock of Ages“ in seinem Großevent „Final Crisis“, das 2008/09 in Zusammenarbeit mit den Zeichnern J. G. Jones und Doug Mahnke erschien, wieder auf. Nicht nur verfügt „Final Crisis“, wie für DC-Großevents üblich, über eine ganze Reihe von Tie-Ins und Begleitminiserien, die Geschichte ist zusätzlich ziemlich komplex (vielleicht sogar übermäßig kompliziert) und zudem ziemlich verschachtelt. Morrison unterwirft sich hier kaum noch den gewöhnlichen Konventionen eines Superhelden-Events, sondern begibt sich voll auf die Meta-Schiene. Gerade im Hinblick auf die New Gods ist „Final Crisis“ aber hochinteressant, da die oben beschriebene Entwicklung und die platonische Darstellung Darkseids hier auf die Spitze getrieben werden. Der finstere Gott wird als Wesen außerhalb des Multiversums etabliert. Darkseids Fall und das „Absterben“ seiner Essenz sorgen für eine interdimensionale Krise, da er auf diese Weise das Gefüge des Multiversums selbst beschädigt. Zusätzlich finden sich auch einige Handlungsparallelen zu „Rock of Ages“: Abermals erringt Darkseid (wenn auch nur kurzfristig) die Kontrolle über die Erde und ein weiteres Mal stellt sich ihm Batman entgegen, um anschließend von Darkseids Omega-Strahlen (zumindest scheinbar) pulverisiert zu werden.
Fazit: Nicht umsonst ist „Rock of Ages“ einer von Kevin Smiths absoluten Lieblings-DC-Comics und taucht auch regelmäßig in den Best-of-Justice-League-Listen auf – dieser Handlungsbogen ist der vorläufige Höhepunkt von Morrisons JLA-Run, eine epische Geschichte, die ihresgleichen sucht, einen grandiosen Moment an den anderen reiht und genug von Morrisons metaphysischen Spielereien enthält, um das Ganze wirklich faszinierend zu gestalten, aber nicht so viele, dass die Geschichte, wie es bei „Final Crisis“ der Fall ist, zu unübersichtlich gerät.
Bildquelle Cover
Bildquelle Injustice Gang
Bildquelle Darkseid
Siehe auch:
JLA: New World Order
JLA: American Dreams
Justice League: Origin