Story: Einige Jahre nach den ursprünglichen Abenteuern des Raumschiffs Enterprise zerstört eine merkwürdige Wolke mehrere Klingonenschiffe und droht nun auch, die Erde zu vernichten. Um diesen Vorfall zu untersuchen, gibt die Sternenflotte James T. Kirk (William Shatner), inzwischen Admiral, wieder das Kommando über die Enterprise, was ihrem aktuellen Captain, Willard Decker (Stephen Collins) nicht unbedingt zusagt. Auf Vulcan wird derweil auch Spock (Leonard Nimoy) auf die Anomalie aufmerksam und stößt bald ebenfalls zur Crew der Enterprise, sodass nun das alte Team wieder versammelt ist. Die Anomalie entpuppt sich als Wesen namens V’ger, das auf der Suche nach seinem Schöpfer ist…
Kritik: Anders als Star Wars gehört Star Trek nicht unbedingt zu meinen Kernkompetenzen. Während ich als Kind sicher die eine oder andere TOS- oder TNG-Episode gesehen habe, fand ich meinen Zugang zum Franchise erst über J. J. Abrams‘ Reboot von 2009, und selbst danach beschränkte sich dieser Zugang auf die Abrams-Filme, popkulturelle Osmose und natürlich die legendären Scores von Jerry Goldsmith und James Horner. Nachdem ich vor nicht allzu langer Zeit jedoch alle drei Staffeln von „The Orville“ durchgearbeitet habe und zudem gerade an „Star Trek: Lower Decks“ viel Gefallen finde, denke ich, dass es an der Zeit ist, mich den Klassikern des Franchise zuzuwenden. Ob die Filme diesbezüglich tatsächlich repräsentativ sind, ist freilich diskutabel, allerdings habe ich weder Zeit noch Lust, mich durch unzählige Staffeln zu arbeiten, weshalb sie genügen müssen.
„Star Trek: The Motion Picture“ hat eine recht bewegte Geschichte hinter sich. Das Skript von Harold Livingston, basierend auf einer Geschichte von Alan Dean Foster, war ursprünglich für die Pilotfolge einer neuen, angedachten Star-Trek-Serie namens „Star Trek: Phase II“ verfasst worden. Nachdem sich aber der erste Star-Wars-Film und „Close Encounters of the Third Kind“ als Hits an den Kinokassen erwiesen, entschloss man sich bei Paramount, die Revitalisierung von Star Trek lieber in Form von Filmen durchzuführen. Als Regisseur gewannen Paramount und Serienschöpfer Gene Roddenberry Robert Wise, während die Crew der klassischen Serie um William Shatner, Leonard Nimoy, Nichelle Nichols, DeForest Kelley, James Doohan, Walter Koenig und George Takei wieder komplett versammelt werden konnte, auch wenn die meisten von ihnen im Film nicht allzu viel zu tun haben.
Bei der Konzeption wollte man sich bewusst vom frisch etablierten Star-Wars-Stil abgrenzen und wählte einen deutlich philosophischeren Ansatz, explizites Vorbild war Kubricks „2001: A Space Odyssey“. Unglücklicherweise geht dieser Ansatz allerdings bestenfalls bedingt auf, denn man merkt dem Drehbuch sehr, sehr deutlich an, dass es eben ein aufgeblähtes Skript einer Fernsehfolge ist, das die Laufzeit von über zwei Stunden einfach nicht rechtfertigt. Zudem erfolgte das Aufblähen nicht durch neue Szenen, sondern durch schlichte Verlängerung – legendär ist inzwischen der sechsminütige Flug zur Enterprise, bei dem einfach nichts passiert. Dabei sind die Ideen, die Livingston und Foster zur Grundlage ihres Films machen, durchaus interessant: Das künstliche Bewusstsein V’ger, ursprünglich von irdischer Herkunft, das nach seinem Schöpfer sucht, gedacht natürlich als Metapher für unsere eigene Suche nach einem Schöpfer, so denn einer existiert. Interessanterweise wurde der Handlungsstrang um V‘ger im Franchise, zumindest soweit ich herausfinden konnte, nie wieder aufgegriffen, was in Hinblick auf die hochentwickelte Maschinenzivilisation, die für V’gers Entwicklung verantwortlich ist, durchaus merkwürdig anmutet. Vielleicht sind es ja, wie eine, je nach dem, wen man fragt, mehr oder weniger beliebte Fantheorie postuliert, tatsächlich die Borg…
Die philosophische Dimension, die Star Trek ausmacht, ist zweifellos vorhanden, und auf eine Stunde eingedampft hätte das sicher eine brauchbare Episode abgegeben. Für einen Kinofilm hingegen fehlt hier schlicht die charakterliche Substanz, von Suspense oder Grandeur abseits der Spezialeffekte gar nicht erst zu sprechen. Obwohl theoretisch die Erde bedroht wird, kommt nie ein Gefühl der Dringlichkeit auf. Figurenentwicklung und -interaktion ist zudem eine eher theoretische Angelegenheit. Auch diesbezüglich sind zweifellos Ansätze vorhanden, etwa der Konflikt zwischen Kirk und Decker, sowie Kirks beginnende Mid-Life-Crisis, in letzter Konsequenz fühlt sich das alles aber steril und statisch an. Das trifft auch auf die Kostüme und Kulissen zu, die zweifellos gegenüber der ursprünglichen Serie eine Aufwertung darstellen, aber zugleich ähnlich leblos wirken wie die Figurendynamik. Die Effekte sind ebenfalls sehr ansehnlich (und verschlangen eine Menge Geld), verkommen aber oftmals fast zum Selbstzweck, wenn sie genutzt werden, um die Laufzeit noch weiter auszudehnen.
Score: Wenn es einen Aspekt dieses Films gibt, bei dem wirklich alles richtig gemacht wurde, dann ist es der phänomenale Score von Altmeister Jerry Goldsmith. Während „Star Trek: The Motion Picture“ visuell und inhaltlich oftmals eher als ungeliebtes Stiefkind der Filmreihe wahrgenommen wird und stattdessen „Star Trek II: The Wrath of Khan“ zum Vorbild wurde, dem man nacheifert, setzte Goldsmith die musikalische Messlatte sehr hoch und schuf den wohl einflussreichsten Score der Filmserie. Neben Alexander Courages Intro-Thema der Originalserie sind es Goldsmiths Melodien, die auch noch in den neuesten Inkarnationen des Franchise erklingen, sei es in „Star Trek: Lower Decks“ oder „Star Trek: Picard“.
Auch bezüglich der Musik entschloss man sich zu einer Distanzierung von Star Wars. Vor allem mit seinem Hauptthema, das die Enterprise und die Sternenflotte repräsentiert, wollte Goldsmith ein Gefühl der Seefahrerromantik erwecken, was ihm zweifelsohne gelungen ist. Tatsächlich haben die ausgedehnten Szenen auf die Musik eine sehr positive Wirkung, da Goldsmith hier den Raum bekommt, sie wirklich atmen zu lassen. So ewig der Flug zur Enterprise auch dauert, so grandios ist die getragene Variation des Hauptthemas. Es fällt nicht besonders schwer zu verstehen, weshalb man dieses Thema als Intro-Musik für „Star Trek: The Next Generation“ wählte. Neben diesem zentralen Thema finden sich noch eine Reihe weiterer Leitmotive. Das Klingonenthema bekommt nur einen kleinen Auftritt, Goldsmith erhielt in „Star Trek V: The Final Frontier“ allerdings die Gelegenheit, dieses Motiv weiterzuentwickeln. Für die von Persis Khambatta gespielte Ilia, die später von V’ger, sagen wir, assimiliert wird, komponierte Goldsmith ein außergewöhnlich lyrisches und schönes Thema, das als Ouvertüre des Films fungiert und später, nach der Assimilation, mit subtilen Dissonanzen versehen wird. Für V’ger selbst ist ein deutlich fremdartigeres Konstrukt zu hören, eher Soundesign denn Musik; hierfür verwendete Goldsmith den „Blaster Beam“, einen im Jahr 1978 neuartigen Synthesizer, der auch danach immer wieder in der Filmmusik zum Einsatz kam. Auch das klassische Star-Trek-Thema von Alexander Courage findet Verwendung, allerdings bediente sich Goldsmith nicht, wie in den späteren Filmen üblich, der dem eigenen Thema vorangestellten Fanfare, sondern einer eher düsteren Variation der eigentlichen Melodie, die Kirks Logbucheinträge untermalt. Das Arrangement stammt von Courage selbst, der am Score von „Star Trek: The Motion Picture“ als Orchestrierer arbeitete.
Fazit: Wie man es auch dreht und wendet, „Star Trek: The Motion Picture“ ist leider kein besonders guter Einstieg ins Franchise. Der erste Star-Trek-Film repräsentiert zwar die philosophischen Ansichten und Intentionen Gene Roddenberrys recht gut, zieht sich aber ungemein und ist über weite Strecken schlicht langweilig und langatmig. Wer die ursprüngliche Crew der Enterprise kennenlernen will, ist mit „Star Trek II: The Wrath of Khan“ sicher besser bedient. Für Fans von Jerry Goldsmith ist „The Motion Picture“ allerdings Pflichtprogramm, schließlich komponierte der Altmeister hierfür einen seiner besten Scores.
Was wäre Horror im Allgemeinen und Halloween im Besonderen ohne die richtige musikalische Untermalung? Bereits in den Anfangstagen meines Blogs konzipierte ich eine Top-10-Liste der besten Horror-Scores, dieser Artikel ist gewissermaßen eine Revision und ein Update – zugleich will ich mich aber nicht mehr auf zehn beschränken und ordne die Soundtracks dieses Mal auch nicht nach Qualität, sondern nach Erscheinungsjahr. In bestimmten Fällen habe ich zwei Werke kombiniert, bei denen es sich entweder um Teile derselben Filmreihe handelt oder die stilistisch sehr gut zusammenpassen. Zugleich handelt es sich hierbei auch um den Start einer neuen Artikelreihe, in deren Rahmen ich zu einer bestimmten Thematik Empfehlungen abgeben möchte, ohne allzu sehr in die Tiefe zu gehen.
Wer meinen Musikgeschmack kennt, wird sich schon denken können, in welche Richtung die Scores auf dieser Liste gehen: Da ich ein Fan des Orchesters bin, tauchen hier keine Werke auf, die primär auf Elektronik und/oder Ambience ausgerichtet sind – gerade im Horror-Bereich finden sich derartige Soundtracks doch ziemlich häufig. Das soll nicht heißen, dass diese Scores im Kontext nicht durchaus effektiv sein können, aber ich kann ihnen nur selten abseits der Filme etwas abgewinnen, und genau darum geht es hier. Dass ich zudem eine starke Vorliebe für Gothic Horror in all seinen Ausprägungen habe, dürfte auch kein Geheimnis sein, dementsprechend viele Soundtracks dieser Liste gehören deshalb diesem Subgenre an. Natürlich gibt es noch viele, viele weitere grandiose Horror-Scores, weshalb es durchaus möglich ist, dass dieser Artikel ein oder mehrere Sequels erhält. Fürs erste konzentriere ich mich ausschließlich auf Filme, hier finden sich also weder Spiele noch Serien – auch das mag sich in Zukunft ändern.
„The Omen“, Jerry Goldmsith (1976)
Beginnen wir mit einem Klassiker, der Horror-Scores über Jahrzehnte hinaus beeinflusste und absolut stilbildend war und ist, besonders, wenn es sich um religiös motivierten Horror handelt. Ich weiß nicht, wie üblich es vor „The Omen“, war, finstere Chöre, die wie eine Perversion gregorianischer Gesänge klingen, in diesem Kontext einzusetzen, (immerhin gibt es definitiv gewisse klangliche Parallelen zu John Barrys „The Lion in Winter“ aus dem Jahr 1968); meinem Empfinden nach markiert „The Omen“ jedenfalls den Startpunkt eines essentiellen Trends im Genre. Vorzeigestück ist fraglos das finstere und verstörende Ave Satani, das in vielfältigen Variationen im Verlauf des Scores erklingt. Als Gegenpool fungiert das deutlich angenehmere Familienthema, das aber natürlich deutlich weniger Eindruck hinterlässt. Die beiden Sequel-Scores bilden ganz interessante Gegensätze, auch wenn sie die Qualität des Vorgängers nicht erreichen. In „Damien: Omen II“ ist Ave Satani quasi allgegenwärtig, in „The Final Conflict“ hingegen macht es sich eher rar und erklingt deutlich subtiler und verfremdeter. An das Original kommen beide nicht heran. Wer eine gemütliche satanische Messe planen sollte, findet in „The Omen“ definitiv die richtige musikalische Untermalung dafür.
„Dracula“, John Williams (1979)
Horror ist nicht unbedingt das Genre, mit dem man John Williams primär in Verbindung bringt. Dennoch hat der Maestro Ende der Siebziger die Musik für eine Dracula-Adaption mit Frank Langella in der Rolle des Grafen geschrieben. Das Ergebnis ist in jeder Hinsicht klassisch: Ein klassischer Williams-Score und ein klassischer Gothic-Horror-Score, wie er im Buche steht: Üppig, ausladend, opulent, man sieht vor dem inneren Auge sofort neblige Berggipfel und verfallene Ruinen. Stilistisch lassen sich viele Parallelen zu Williams‘ Werken dieser Zeit ziehen, sei es die Star-Wars-OT oder „Raiders of the Lost Ark“ – nur ist alles eben ein wenig düsterer und dramatischer. „Dracula“ ist leitmotivisch allerdings weit weniger vielseitig als besagte zeitgenössische Werke, da Williams sich nur eines zentralen Themas für Dracula selbst bedient (das dafür auch ordentlich Präsenz im Score besitzt) und ansonsten nur noch auf ein sekundäres Thema für Van Helsing zurückgreift. Definitiv kein Meilenstein in Williams‘ Œuvre oder im Horror-Genre, aber ein unterhaltsamer, oft übersehener Gothic-Horror-Score ohne jeden Zweifel.
„Alien“, Jerry Goldmsmith (1979)
Und gleich noch ein Genre-Meilenstein von Jerry Goldsmith, der allerdings völlig anders ausfällt als „The Omen“. Mit „Alien“ konnte Goldsmith nicht nur ein weiteres Mal seine Kreativität beweisen, sondern auch einem ganzen Film-Franchise seinen Stempel aufdrücken. Statt satanischer Chöre fährt Goldsmith hier verstörende, fremdartige Atonalität und brillante Atmosphäre auf, hin und wieder versehen mit einem Hauch Melodik oder gar Romantik (die Ridley Scott allerdings größtenteils aus dem Film entfernte). Goldsmith verbindet hier gekonnt traditionelles Orchester, exotische Instrumente und Synth-Einlagen, um eine einzigartige Klanglandschaft zu erschaffen. Sein ebenso simples wie einprägsames Time-Motiv wurde schließlich zum Aushängeschild der Filmreihe und taucht in fast allen weiteren Alien-Scores auf. Besonders Marc Streitenfeld (mit Hilfe von Harry Gregson-Williams) und Jed Kurzel bedienen sich des Motivs und der Goldsmith-Stilmittel in „Prometheus“ und „Alien: Covenant“ – an den Score des Meisters kommen aber beide nicht heran.
„The Fly”, Howard Shore (1986)
Unglaublich aber wahr, bevor Howard Shore als Komponist der LotR-Trilogie bekannt wurde und DEN definitiven Fantasy-Soundtrack schuf, schrieb er primär Musik für Thriller und Horror-Filme – gewisse „Reste“ finden sich auch durchaus in Jacksons Trilogie, etwa in der dissonanten Musik für Kankra. Shore ist nach wie vor der Stammkomponist von David Cronenberg, mit dem er bereits in den 80ern an „The Fly“ arbeitete. Anders als beispielsweise Goldsmiths „Alien“ ist „The Fly“ äußerst melodisch und klassisch angehaucht und steht damit über weite Strecken in Kontrast zu den Dissonanzen, mit denen Shore selbst in anderen Filmen arbeitet – hin und wieder tauchen sie dann aber doch auf. Die düsteren, brütenden Passagen nehmen allerdings durchaus bereits die Stilistik späterer Thriller-Scores wie „The Silence of the Lambs“ vorweg. Im Kern ist „The Fly“ ein sehr bombastischer, opernhafter Score, weit weniger fordernd und damit deutlich hörbarer als viele andere Soundtracks dieser Liste, deshalb aber nicht weniger wirkungsvoll. Für das unterirdische Sequel schrieb Christopher Young die Musik, der Shores Motive zwar nicht direkt zitiert, den Tonfall aber beibehält – trotzdem (oder gerade deswegen) klingt der Score von „The Fly II“ wie eine inoffizielle Fortführung des nächsten Eintrags dieser Liste.
„Hellraiser” & „Hellbound: Hellraiser II”, Christopher Young (1987 & 1988)
Genau genommen knüpft Christopher Young nicht nur in „The Fly II“ an Shores Score an, sondern auch in den ersten beiden Hellraiser-Filmen. Als Clive Barker sich daran machte, seine Novelle „The Hellbound Heart“ zu verfilmen, wollte er ursprünglich, dass die Industrial-Band „Coil“ die Musik beisteuerte, das Studio strebte allerdings einen traditionelleren Sound an, was sich in letzter Konsequenz als die richtige Entscheidung erwies. Christopher Young gelang es auf unnachahmliche Weise, die Mischung aus Schmerz und Lust, die die Cenobiten darstellen, musikalisch zu verkörpern: Vor allem sein Hauptthema hat etwas merkwürdig Einnehmendes, beinahe Angenehmes an sich, bleibt dabei aber doch unheimlich, ohne in Dissonanzen abzugleiten. Die Fremdartigkeit der Cenobiten vermittelt Young durch die Verwendung von Sounddesign-Elementen. Für das von Tony Randel inszenierte Sequel „Hellbound: Hellraiser II“ knüpfte Young nahtlos an seinen Erstling an, legte aber noch einmal eine ordentliche Schippe Bombast oben drauf. Sowohl Randy Miller als auch Daniel Licht bedienten sich in „Hellraiser III: Hell on Earth“ und „Hellraiser: Bloodline“ weiterhin dem von Young etablierten Stil und der Themen – beide Scores kommen nicht an Yongs heran, sind aber durchaus brauchbare Ergänzungen.
„Bram Stoker’s Dracula“, Wojciech Kilar (1992)
Für seine Version von Stokers Roman suchte Francis Ford Coppola nach einem spezifisch osteuropäischen Sound, und den bekam er vom polnischen Komponisten Wojciech Kilar. Für mich persönlich ist Kilars Musik DER prägende Dracula-Sound: Ebenso gotisch und opulent wie Williams‘ über zehn Jahre zuvor entstandener Score, aber distinktiver, einnehmender und mitreißender. Kilar konstruierte den Score auf Basis diverser Themen, die die zentrale Rolle einnehmen – es vergeht kaum eine Minute, in der nicht eines dieser Themen in irgend einer Art und Weise zu hören ist. Hierzu zählen primär Leitmotive, die alle auf den titelgebenden Vampir zurückzuführen sind, darunter ein Liebesthema, ein recht brutales Motiv für die monströse Seite des Grafen, aber auch ein treibender Rhythmus für die Vampirjäger. Kilars Musik für „Bram Stoker’s Dracula“ erwies sich als enorm einflussreich, Elemente und stilistische Hommagen erklingen in vielen weiteren Scores, etwa Kilars Musik zu Roman Polanskis „The Ninth Gate“ oder diversen anderen Soundtracks auf dieser Liste. Es empfiehlt sich allerdings, Annie Lennox‘ Abspannsong Love Song for a Vampire aus der Playlist zu tilgen, da er stilistisch absolut nicht zu Kilars Kompositionen passt.
„Alien 3“ & „Interview with the Vampire”, Elliot Goldenthal (1992 & 1994)
Jeder der Alien-Scores, selbst die des Spin-off-Franchise „Alien vs. Predator“, verweist in irgendeiner Form auf das Original von Jerry Goldsmith, sei es durch stilistische Anleihen, direkte Zitation oder beides. Die eine große Ausnahme ist der Score, den Elliot Goldenthal für „Alien 3“ komponierte. Hier zeigt sich Goldenthals Herkunft aus dem Bereich der modernen klassischen Musik – zumindest in der Methodologie gibt es gewisse Parallelen zu Goldsmith. Beide Komponisten sind diversen Avantgarde-Techniken und eher unüblichen Stilmitteln nicht abgeneigt, was sich aber in zwei stilistisch sehr unterschiedlichen Scores manifestiert. Wo Goldsmith die Fremdartigkeit des Xenomorph und die kalte Isolation des Weltalls in den Vordergrund stellte, konzentriert sich Goldenthal auf den religiösen Aspekt des Films, den er vertont. Tracks wie Lento oder Agnus Dei verweisen nicht nur in ihren Titeln auf Kirchenmusik, sie orientieren sich auch stilistisch an ihr, sind deutlich harmonischer als alles, was Goldsmith für „Alien“ komponierte und arbeiten mit himmlischen Chören. Horror und Gewalt stellt Goldenthal zum Teil durch gotisch-bizarr anmutende, zum Teil aber auch durch von Industrial inspirierte Passagen dar, die mitunter in unhörbaren Lärm ausarten; der eher unglücklich betitelte Track Wreckage and Rape ist hierfür ein Idealbeispiel. Der nur kurz darauf entstandene Soundtrack zu Neil Jordans „Interview with the Vampire“ fühlt sich wie eine natürliche Entwicklung des „Alien 3“-Scores an. Freilich entfallen hier die Industrial-Passagen, stattdessen werden die gotischen Elemente noch stärker betont und man meint, hin und wieder den Einfluss von „Bram Stoker’s Dracula“ herauszuhören, natürlich geprägt von Goldenthals distinktivem Stil. Sofern man die Industrial-Passagen aus der Playlist wirft, passen „Alien 3“ und „Interview with the Vampire“ wunderbar zusammen, wobei ich Letzterem den Vorzug vor Ersterem geben würde.
„Mary Shelley’s Frankenstein”, Patrick Doyle (1994)
Kenneth Branaghs Adaption von Mary Shelleys Roman ist gewissermaßen der Schwesterfilm von „Bram Stoker’s Dracula“ und entstand als direkte Reaktion auf dessen Erfolg – Coppola produzierte sogar, auch wenn er der Meinung war, „Mary Shelley’s Frankenstein“ sei ein wenig zu opernhaft geraten (was an sich schon aussagekräftig genug ist). Wie dem auch sei, Branagh arbeitete hier, wie auch an den meisten anderen seiner Filme, mit seinem Stammkomponisten Patrick Doyle zusammen, dessen Score mindestens so opernhaft, opulent und grandios ausfällt wie der Film, zu dem er gehört, und auch Kilars Arbeit in kaum etwas nachsteht. Ihm fehlt natürlich das distinktive osteuropäische Element, Doyle gleicht dessen Fehlen allerdings durch eine noch ausgeprägtere Romantik und orchestrale Wucht aus. „Mary Shelley’s Frankenstein“ ist kein Score der leisen Töne, sondern der großen Emotionen und epischen Gotik (inzwischen dürfte klar sein, dass man genau damit mein Interesse wecken kann). Nach wie vor mein liebster Soundtrack von Patrick Doyle
„House of Frankenstein”, Don Davis (1997)
Ähnlich wie Howard Shore ist auch Don Davis ein Komponist, der einiges im Horror-Bereich komponierte, bevor sein Name primär mit einer bestimmten Blockbuster-Trilogie verknüpft wurde. Anders als Shore ist Davis allerdings nach „The Matrix Revolutions“ praktisch völlig von der Bildfläche verschwunden. Nicht einmal für das anstehende Sequel „The Matrix Ressurection“ kehrt er zurück, stattdessen komponieren Tom Tykwer und Johnny Klimek (der Trailer verwendet allerdings Davis‘ alternierendes Zwei-Noten-Motiv bei der Titeleinblendung). „House of Frankenstein“ ist einer der erwähnten Horror-Scores und gehört zu einer wohl ziemlich trashigen TV-Miniserie, die lose auf dem gleichnamigen Universal-Film basiert. Dementsprechend ist „House of Frankenstein“ nicht unbedingt innovativ, man merkt sofort, dass sich Davis hier der Gothic-Horror-Klischees bedient und recht direkt Goldsmiths „The Omen“ und Youngs „Hellraiser“ zitiert. Aber er ist dabei so verdammt unterhaltsam und überdreht. Vor allem in der zweiten Hälfte gibt Davis aber auch immer wieder einen Vorgeschmack auf die atonalen Techniken, die später die Musik von „The Matrix“ dominieren würden.
„Sleepy Hollow“, Danny Elfman (1999)
Die Filme Tim Burtons wären ohne den gotisch-verspielten Sound von Danny Elfman nicht dasselbe: Egal ob „Beetle Juice“, „Batman“, „Edward Scissorhands“ oder spätere Werke wie „Frankenweenie“ oder „Dark Shadows“ – sie alle sind ästhetisch und klanglich an die Gothic-Horror-Tradition angelehnt, ohne aber tatsächlich Horror-Filme zu sein. Dasselbe trifft nicht auf „Sleepy Hollow“ zu, den wahrscheinlich einzigen „echten“ Horror-Film, an dem Burton und Elfman zusammen gearbeitet haben (und selbst hier finden sich parodistische Elemente). Wie dem auch sei, „Sleepey Hollow“ ist eine liebevolle Hommage an die Filme der britischen Hammer-Studios. Musikalisch schöpft Elfman hier aus den Vollen, „Sleepey Hollow“ ist düster, brutal, episch und gotisch bis zum geht nicht mehr. Technisch gesehen ist der Score beinahe monothematisch, das Titelthema fungiert als übergreifende Identität, Elfman gelingt es allerdings, dieses Thema in mehrere Motiv aufzuspalten und so gekonnt zu variieren, sodass ein erstaunlich vielseitiger Score entsteht, der nicht nur grandiose Horror- und Action-Musik, sondern auch erstaunlich berührende emotionale Zwischentöne zulässt.
„From Hell”, Trevor Jones (2001)
Für sich betrachtet ist „From Hell“ ein sehr kurzweiliger und vor allem atmosphärischer Thriller im viktorianischen London, als Adaption der grandiosen Graphic Novel von Alan Moore versagt der Film der Hughes-Brüder aber leider auf ganzer Linie. Absolut nicht versagt hat hingegen Komponist Trevor Jones, der, ähnlich wie Don Davis, irgendwann in den frühen 2000ern fast völlig von er Bildfläche verschwand. Der Score, den er für „From Hell“ komponierte, ist ein abgrundtief düsteres, brütendes Meisterwerk, voller Brutalität und verschlingender Finsternis, ebenso kraftvoll wie „Bram Stoker’s Dracula“ oder „Sleepy Hollow“. Ihm fehlen zwar die osteuropäischen Elemente von Ersterem oder die Verspieltheit von Letzterem, das gleicht Jones allerdings mit einem erhöhten Ausmaß an Tragik und instrumenteller Kreativität aus. Hier erklingt das viktorianische London Jack the Rippers in all seiner Abgründigkeit. Besonders The Compass and the Ruler, eines meiner absoluten Lieblingsstücke, ist wirklich exemplarisch für die Genialität von Jones‘ Arbeit.
„Drag Me to Hell“, Christopher Young (2009)
Christopher Young ist einer der profiliertesten Horror-Komponisten überhaupt (und darüber hinaus kriminell unterschätzte). Zwar hat er bewiesen, dass er auch in anderen Genres, etwa Action oder Fantasy, extrem fähig ist, aber irgendwann kehrt er doch immer wieder zum Horror zurück. Neben den beiden Hellraisern hätte ich auch noch „Bless the Child“, „Urban Legend“ oder „The Exorcism of Emily Rose“ auf diese Liste setzen können, aber ich wollte nicht mehr als zwei Einträge pro Komponist, und so fiel die Wahl letztendlich nicht schwer, denn abseits der ersten beiden Hellraiser-Scores ist „Drag Me to Hell“ mein Favorit von Young. Auf gewisse Weise handelt es sich hier bei um ein Best of der oben genannten Scores, die orchestralen Stilmittel, derer sich Young bedient, kulminieren hier zu einem rundum gelungenen Gesamtpaket: Chorale Macht, gotische Wucht, aber auch ebenso verstörende wie schöne Melodien. Angereichert wird das Ganze durch osteuropäische bzw. Roma-Elemente, die natürlich einen essentiellen Teil der Story ausmachen. Man lausche allein dem ebenso schönen wie beängstigenden Hauptthema…
„The Wolfman“, Danny Elfman (2010)
Wie würde es klingen, wenn sich „Bram Stoker’s Dracula“ und „Sleepy Hollow“ paaren würden, um ein unheiliges Wechselbalg zu zeugen? Mit „The Wolfman“ liefert Danny Elfman die Antwort. Da Elfman sowohl ein Fan des Originals als auch des Dracula-Scores von Kilar war (und vermutlich immer noch ist), erwies sich das als ideale Gelegenheit. Unglücklicherweise kam es zu Komplikationen, Nachdrehs und Studioeinmischung, zwischenzeitlich überlegte das Studio, einen Synth/Rock-Score von „Underworld“-Komponist Paul Haslinger zu verwenden, was völlig daneben gewesen wäre. Schließlich kehrte man doch zu Elfmans Score zurück und ließ Orchestrier Conrad Pope noch zusätzliche Musik komponieren, um durch die neue Schnittfassung entstandene Lücken zu schließen. Strukturell ist „The Wolfman“ ähnlich aufgebaut wie „Sleepy Hollow“, es gibt ein Hauptthema, das den Score dominiert, und gerade in Sachen gotischer Finsternis und Brutalität steht „The Wolfman“ dem Score zum Burton-Film in nichts nach. Was ihn vom spirituellen Vorgänger unterscheidet, sind die osteuropäischen Stilmittel, derer sich Elfman bedient, speziell in der Streichersektion – ähnlich wie bei „Drag Me to Hell“ passt diese Färbung tatsächlich sehr gut zur Story. Hier wird der Einfluss Kilars überdeutlich. Trotz seiner diversen Mängel habe ich für „The Wolfman“ eine ziemliche Schwäche, da Joe Johnstons blutige Liebeserklärung an Universals klassischen Horror genau in einer Zeit kam, als das Kino von Twilight-CGI-Werwölfen bevölkert wurde – der Score hatte einen nicht zu unterschätzenden Anteil an dieser Schwäche.
„Evil Dead“, Roque Baños (2013)
Wo wir gerade von Remakes sprechen: Fede Álvarez‘ Remake des Sam-Raimi-Klassiker gehört definitiv zu den besseren, nicht zuletzt, weil es sich zwar der Grundprämisse des Originals bediente, aber den Fokus verschob. Zugleich ließ es mich auf den spanischen Komponisten Roque Baños aufmerksam werden, der sich für diesen Score der Tonalität und des Stils von Christopher Young bedient, die Schraube schierer, orchestraler Brutalität aber noch einmal deutlich anzieht. Das Ergebnis ist komplex, schwierig, verstörend und meisterhaft. Orchester, Chor und eine enervierende Sirene entfesseln hier einen Sturm an dämonischer Intensität, der seinesgleichen sucht – was angesichts der anderen Einträge auf dieser Liste als höchstes Lob zu verstehen ist. Baños konzentriert sich dabei in größerem Ausmaß auf orchestrale und chorale Texturen als auf Themen, als primäres „Motiv“ der dämonischen Präsenz fungiert die bereits erwähnte Sirene, während der emotionale Kern des Films ein klassischeres Klavierthema erhält, das die konstante dämonische Brutalität hin und wieder durchbricht.
„The Witch“, Mark Corven (2016)
Robert Eggers Debütfilm dürfte einer der am besten recherchierten Horror-Filme überhaupt sein – das erstreckt sich auch auf den Score von Mark Korven. Gerade im Kontext dieser Auflistung ist seine Präsenz vielleicht ein wenig überraschend, da es sich hierbei nicht um eine „klassischen“ Horror-Score im Stile eines Christopher Young oder Danny Elfman handelt. Stattdessen bediente sich Korven nur eines kleinen Orchesters und vieler für das Setting authentischer Instrumente, etwa der Nyckelharpa oder des Hurdy Gurdy. Auf jegliche elektronische oder synthetische Bearbeitung verzichtet er komplett. Das Ergebnis ist zweifelsohne fordernd, aber auch enorm wirkungsvoll. Die Hexen werden primär durch Dissonanzen repräsentiert, während Corven das religiöse Element der Story durch hymnische Choreinlagen darstellt. Die Herangehensweise ist mit ihrem Fokus auf verstörende Texturen der von Roque Baños bei „Evil Dead“ gar nicht so unähnlich, durch die Instrumentierung klingt das Endergebnis aber natürlich völlig anders. Und so unterschiedlich beide auf visueller Ebene auch sind, so wirkungsvoll sind sie doch in ihren jeweiligen Filmen.
Der Brite Benjamin Wallfisch absolvierte im Verlauf der letzten zehn Jahre einen geradezu kometenhaften Aufstieg. In den 2000ern übernahm er primär das Orchestrieren für Komponisten wie Dario Marianelli, wurde dann zu einem Zimmer-Protegé und arbeitete mit dem Remote-Control-Chef an Scores wie „Dunkirk“, „Hidden Figures“ oder „Blade Runner 2049“ mit. Interessanterweise finde ich Wallfischs Soloarbeiten fast durchweg gelungener als seine Kollaborationen mit Zimmer, die meistens sehr elektronisch und Synth-lastig ausfallen. Für die Stephen-King-Verfilmungen „It: Chapter One“ und „It: Chapter Two”, beide von Andy Muschietti, wählte er hingegen einen orchestralen, aber sehr anspruchsvollen Weg; ähnlich wie Goldsmith oder Goldenthal bedient er sich dabei diverser atonaler Techniken der klassischen Musik des 20. Jahrhunderts, setzt aber auch sehr wirkungsvoll alte Kinderreime und unheimlich pervertierte Kinderlieder ein. Der Einsatz der menschlichen Stimme, zum Teil stark bearbeitet, ist in diesem Zusammenhang zentral und sorgt für die enervierendsten Momente der beiden Scores. Wallfisch gelingt es aber auch, die Freundschaft des „Loosers Club“ als Kernelement der Geschichte durch deutlich melodischeres Material wirkungsvoll darzustellen.
Enthält Spoiler!
Mit „Alien: Covenant“, Ridley Scotts drittem Film aus dem Alien-Franchise, haben wir mal wieder ein Werk, das, ähnlich wie „Suicide Squad“ und „Logan“, eine ausführliche Betrachtung rechtfertigt. Es gilt die gleiche Vorgehensweise wie bei diesen beiden Artikeln: Im Folgenden ist mein spoilerfreies Fazit zum Film zu lesen, danach nehme ich keine Rücksicht mehr. Nun denn: Oberflächlich betrachtet ist „Alien: Covenant“ ein spannender Sci-Fi-Horror-Film; Ridley Scott versteht ohne Zweifel sein Handwerk. Die Bilder sind atemberaubend, die Atmosphäre ist exzellent konstruiert, auch dramaturgisch und strukturell gibt es wenig zu meckern. Problematisch wird es allerdings, wenn man die Oberfläche hinter sich lässt und tiefer in die Materie eindringt. Das betrifft sowohl die Figurenzeichnung als auch die mythologische Dimension, was letztendlich dafür sorgt, dass „Alien: Covenant“ weder als Sequel zu „Prometheus“ noch als Prequel zu „Alien“ so richtig funktioniert und vor allem für Fans der ursprünglichen Filme ziemlich frustrierend sein dürfte.
Handlung
Im Jahr 2106, elf Jahre nach den Ereignissen von „Prometheus“, befindet sich das Kolonisationsschiff Covenant, bemannt mit einer Crew aus Pärchen sowie 2000 Kolonisten im Cryoschlaf und 1000 Embryos, auf dem Weg nach Origae-6. Lediglich der Androide Walter (Michael Fassbender) ist wach und sorgt dafür, dass alles klappt. Unglücklicherweise kann er nichts gegen einen Weltraumsturm und die dadurch ausgelöste Neutrinoexplosion tun, die den Captain der Covenant (James Franco in einem kleinen Cameo-Auftritt) das Leben kostet. Somit ruht die Last der Verantwortung auf den Schultern des gläubigen ersten Offiziers Christopher Oram (Billy Crudup), der nun als Captain übernimmt und Daniels Branson (Katherine Waterston), Terraforming-Expertin und Witwe des Verstorbenen, zur neuen ersten Offizieren macht. Noch bevor die Covenant ihre Reise fortsetzen kann, erreicht sie ein merkwürdiges Signal von einem anderen Planeten, der sich sogar noch weitaus besser für die Kolonisation eignet als Origae-6. Oram entscheidet schließlich, das Risiko einzugehen, dem Ruf zu folgen und den Planeten zu erforschen. Er selbst, Branson und neun weitere Besatzungsmitglieder, inklusive Orams Frau Karine (Carmen Ejogo) und des Androiden Walter, begeben sich zur Oberfläche und entdecken eine üppig bewachsene Welt. Schon bald kommt es jedoch zu Unstimmigkeiten: Zwar ist pflanzliches Leben im Übermaß vorhanden, aber kein tierisches. Das Team stößt auf ein abgestürztes Alien-Schiff, auf dem sich Spuren der Prometheus-Expedition finden, was nahelegt, dass ein Mitglied der Besatzung dieses Schiffes für das Signal verantwortlich ist. Unglücklicherweise atmen zwei der Expeditionsteilnehmer merkwürdige Sporen ein, die sie krank machen, bis schließlich eine mörderische, bleiche Kreatur aus ihnen herausbricht und die Crew noch weiter dezimiert. Erst ein merkwürdiger Fremder kann die Aliens vertreiben. Bei diesem Fremden handelt es sich um das letzte Überbleibsel der Prometheus-Expedition, den Androiden David (nochmal Michael Fassbender). David bringt die Überlebenden zu einer mysteriösen Stadt, in der sie vorerst in Sicherheit zu sein scheinen. Doch schon bald müssen Branson und Oram feststellen, dass David und Walter zwar gleich aussehen, aber völlig unterschiedlich ticken…
Sequel vs. Prequel
Die Reaktionen auf „Prometheus“ waren insgesamt eher negativ, was sich dann auch stark in der Konzeption dieser Fortsetzung niederschlug. Es gibt viel, das man an diesem Film zurecht kritisieren kann, einer der Hauptkritikpunkte war im Grunde jedoch der Mangel an Xenomorphs – hier gingen die Vorstellungen von Ridley Scott und die Wünsche der Fans deutlich auseinander. Zwar gab es mit dem Trilobiten und dem Deacon einen Proto-Facehugger und ein Proto-Xenomorph, doch deren Auftritte sind nicht nur sehr kurz, sondern haben auch kaum Auswirkungen auf die eigentliche Handlung und wirken eher wie eine Last-Minute-Entscheidung, nach dem Motto: „Sollte nicht irgendwo in diesem Film ein Alien auftauchen?“ Ridley Scott war wohl viel eher daran interessiert, die Hintergründe des abgestürzten Schiffes zu erläutern und sich mit Themen wie Schöpfer und Schöpfung, Herkunft der Menschheit etc. auseinanderzusetzen.
Die Konstrukteure in „Alien: Covenant“ (Bildquelle)
„Alien: Covenant“ soll nun eine inhaltliche Brücke zwischen „Prometheus“ und „Alien“ schlagen. Ich bin mir ziemlich sicher (Ridley Scott hat das in Interviews praktisch bestätigt), dass die ursprünglichen Pläne eines Prometheus-Sequels anders ausgehen hätten. Zwar werden die philosophischen Gedankengänge des Vorgängers durchaus fortgesetzt, das Verhältnis zwischen Schöpfer und Schöpfung ist nach wie vor DAS dominante Thema des Films, inhaltlich gibt es aber einen sehr deutlichen Bruch. Der Plot in „Prometheus“ dreht sich um die Konstrukteure, die mysteriösen außerirdischen Schöpfer der Menschheit, die dieser wohl nun den Gar ausmachen wollen; weshalb erklärte der Film aber nicht wirklich. Nicht nur liefert „Covenant“ ebenfalls keine Antwort auf diese Frage, die Konstrukteure werden in einem kurzen Flashback abgehandelt und sind bereits zu Beginn des Films ausgelöscht Natürlich könnte es im Universum anderswo noch mehr von ihnen geben, zum gegenwärtigen Zeitpunkt weiß man aber nicht mehr; und dann wäre da auch noch der Umstand, dass sich das Design der Covenant-Konstrukteure deutlich von dem der Prometheus-Exemplare unterscheidet. Die Thematik des Films wird jedenfalls fast ausschließlich über David abgehandelt, der sowohl Geschöpf als auch Schöpfer ist (zu ihm später mehr). Ein paar Details, die die Lücke zwischen „Prometheus“ und „Covenant“ immerhin ansatzweise schließen, gibt es im Online-Prolog „The Crossing“, in dem auch Noomi Rapace noch einmal als lebendige Elizabeth Shaw zu sehen ist.
Rein handlungstechnisch sind sich „Alien“, „Prometheus“ und „Alien: Covenant“ ohnehin alle ziemlich ähnlich, der Grundplot ist eigentlich jedes Mal derselbe, wobei „Alien“ ihn am besten ausführt, während die anderen beiden einen komplexeren thematischen Überbau haben, wobei dieser bei „Prometheus“ vielleicht zu sehr im Zentrum steht. „Covenant“ nähert sich „Alien“ vor allem im dritten Akt ziemlich. Abermals haben wir die klassische Situation: Ein Xenomorph ist auf dem Schiff und versucht, nach und nach alles niederzumetzeln, was sich bewegt. Das Problem dabei ist, dass die Prometheus-Sequel-Elemente und die Alien-Prequel-Elemente alle nicht so recht ineinandergreifen wollen, sodass fast der Eindruck entsteht, es würde noch ein kompletter Film zwischen „Prometheus“ und „Covenant“ fehlen.
Figuren und Darsteller
Einer der Gründe, weshalb „Alien“ so gut funktioniert, sind die Figuren, die sich in ihrem Zusammenspiel äußerst authentisch anfühlen und ausgezeichnet miteinander interagieren. Bei „Prometheus“ war das, gelinde gesagt, nicht der Fall. Es ist schon ein bisschen her, dass ich „Prometheus“ gesehen habe, aber ich weiß kaum etwas über die Figuren, und sonst kann ich mir Figurennamen und -konstellationen recht gut merken. Natürlich erinnere ich mich noch an Elizabeth Shaw und David. Da war noch Guy Pearce als Firmengründer von Wayland mit schlechtem Senioren-Make-up, Charlize Theron hat mitgespielt und es gab noch einige nervende Wissenschaftler, von denen einer aussah wie Tom Hardy. „Alien: Covenant“ ist in mancher Hinsicht ein wenig besser, es wirkt immerhin so, als hätten sich die Drehbuchschreiber John Logan und Dante Harper zumindest bemüht, ihre Figuren etwas besser oder doch zumindest weniger nervig zu gestalten, wobei der Umstand, dass wir sie direkt in einer Krise kennenlernen, nicht unbedingt dafür sorgt, dass sie besser im Gedächtnis bleiben. Auch zur Covenant-Crew gibt es einen Prolog, der als Eröffnungsszene des Films vielleicht gar nicht so verkehrt gewesen wäre.
Wie sich im Verlauf des Films leider zeigt, ist die Covenant-Crew nicht unbedingt intelligenter oder kompetenter als die Prometheus-Crew. Dennoch, der gläubige Oram, die mit der Trauer um den Verlust ihres Mannes ringende Branson – das sind zumindest interessante Ansätze, die aber leider kaum ausgeschöpft werden. Die meisten anderen Besatzungsmitglieder der Covenant bleiben profillos und sind vor allem dazu da, um eines äußerst unangenehmen Todes zu sterben (abermals mit einer Ausnahme – wie gesagt, Michael Fassbender als David und Walter wird weiter unten besprochen). Aliens platzen ihnen aus dem Rücken und der Brust, sie werden gefressen oder, besonders heimtückisch, beim Sex unter der Dusche gemeuchelt. Die Leistungen der Schauspieler sind eigentlich durchgehend funktional, aber nicht herausragend. Billy Crudup fand ich in seiner Rolle recht überzeugend, auch Katherine Waterston, die nun schon in ihrem zweiten großen Franchise-Blockbuster mitspielt, ist in Ordnung. Daniels Branson fehlt allerdings die liebenswerte Verschrobenheit, die Waterston in „Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind“ anbringen durfte. Somit bleibt auch die neue Alien-Protagonistin eher auf der funktionalen Seite. So ungern ich diesen Vergleich auch anbringe: Sie kann Ellen Ripley einfach nicht das Wasser reichen.
Alien(s)
Das Xenomorph in „Alien Covenant“: Fast, aber noch nicht ganz (Bildquelle)
Wie setzt man das ikonische Xenomorph am besten ein? Es gibt im Grunde zwei Vorlagen, alle anderen Filme orientieren sich an ihnen oder versuchen, eine Balance zwischen ihnen zu finden. In „Alien“ gibt es eine Kreatur, mit der Ripley Katz und Maus spielt – der Horror dominiert. In „Aliens“ gibt es viele Kreaturen, die in größere Zahl niedergemäht werden, und die Königin, die als Endgegner fungiert – die Action dominiert, das einzelne Xenomorph verliert seinen Schrecken, wenn es im Rudel auftritt und mit großkalibrigen Waffen niedergemäht wird. In „Alien: Covenant“ gibt es zwar mehr als ein Alien, aber Scott orientiert sich doch viel eher an seinem ursprünglichen Film als an James Camerons Sequel. Neben dem klassischen Xenomorph gibt es auch eine neue Variante, das sog. „Neomorph“, das eine ähnliche Körperform wie die ikonische Verwandtschaft aufweist (keine Augen, langgezogener Schädel), aber über keinerlei biomechanische Elemente verfügt, sondern eine glatte, weiße Haut hat. Diese Kreatur, die durch Sporeninfektion entsteht und nicht aus dem Brustkorb, sondern aus dem Rücken hervorbricht, soll den Zuschauer wohl über Wasser halten, bis im dritten Akt das tatsächliche Xenomorph auftaucht – oder zumindest ein sehr naher Vorgänger. Es gibt ein paar Designunterschiede, die Kreatur ist noch nicht ganz das Wesen, mit dem sich Ripley ein paar Jahrzehnte später herumärgern muss, aber es ist doch schon sehr nahe dran. Aufgrund des technischen Fortschritts kann Scott es sich erlauben, sehr viel mehr mit dem Xenomorph anzustellen als 1979 – damals musste er das Alien sehr sparsam einsetzen, da es sich um Schauspieler im Anzug handelte. Zu viel oder die falsche Belichtung konnte die Illusion und den Horror nachhaltig zerstören, weshalb das Alien meistens im Dunklen auftauchte oder bestenfalls teilweise oder ungenau zu sehen war. Anders die Aliens in „Covenant“. Immerhin verließ sich Scott nicht ausschließlich auf CGI und Motion Capture, sondern ließ tatsächlich auch Darsteller in Anzügen aufmarschieren.
Was „Alien: Covenant“ für einen Hardcore-Fan des Franchise allerdings den Rücken brechen dürfte, ist nicht der eigentliche Einsatz der Xenomorphs, sondern der Umstand, dass Scott hier tatsächlich zeigt, woher die ikonischen Kreaturen kommen: David war’s. Ich selbst betrachte mich bestenfalls als „Casual Fan“ der Alien-Filme, aber auch ich finde es doch relativ banal, dass ein abtrünniger Androide letztendlich für die Erschaffung des Xenomorph verantwortlich ist. Die Frage ist nun, ob „Alien: Covenant“ diesbezüglich tatsächlich das letzte Wort ist, denn einerseits bleiben noch eine ganze Menge Fragen offen und anderseits ist da das Relief im Konstrukteur-Schiff in „Prometheus“, das einen Xenomorph zeigt, lange bevor diese laut „Covenant“ von David erschaffen werden. Wie ich an anderer Stelle bereits schrieb: „Alien“ ist gerade deshalb so wirkungsvoll, auch als Kosmische Horrorgeschichte, weil es eben rätselhaft bleibt, woher diese Kreatur kommt.
Paradise Lost
Kommen wir nun zur mit Abstand interessantesten Figur nicht nur dieses Films, sondern auch des Vorgängers. Durch „Prometheus“ bekam das Alien-Franchise eine mythologische Dimension, die bis dahin fehlte oder bestenfalls in subtilen Andeutungen vorhanden war. Schon der Titel, obwohl er sich oberflächlich betrachtet auf das Schiff bezieht, das die Wissenschaftler nach LV-223 bringt, verweist auf die griechische Mythologie und den Titanen Prometheus, der den Menschen das Feuer bringt (und sie in manchen Versionen sogar erschaffen hat) und dafür von Zeus bestraft wird. Wie bereits erwähnt ist die Schöpfer/Schöpfung-Thematik in „Prometheus“ dominant: Die Konstrukteure erschaffen die Menschen, die Menschen erschaffen Androiden und alle drei erschaffen durch Zufälle, böse Absichten und den unvorsichtigen Umgang mit einer schwarzen Flüssigkeit diverse Monstrositäten. „Alien: Covenant“ greift die Thematik auf, bewegt sich aber in eine andere mythologische Richtung, dieses Mal mit christlichen Implikationen. Ursprünglich sollte „Covenant“ den Titel „Paradise Lost“ tragen, bevor sich Ridley Scott (oder die Studioverantwortlichen) dafür entschieden, abermals den Namen des Schiffs, das die Protagonisten zu den Aliens bringt, zu verwenden. Auch „Covenant“ verweist auf christliche bzw. jüdische Mythologie, damit ist das Abkommen zwischen Gott und dem Volk Israel gemeint, das mit der Bundeslade („Ark of the Covenant“) besiegelt wird. Ich persönlich denke allerdings, dass „Paradise Lost“ tatsächlich der passendere Titel ist, da er inhaltlich und thematisch weitaus besser zum Endprodukt passt. Zum Einen landen die Kolonisten tatsächlich in einem verlorenen Paradies, nämlich der nun leeren Heimatwelt der Konstrukteure (viele Rezensenten haben offenbar nicht ganz verstanden, dass der Planet aus „Covenant“ nicht LV-223 ist) und zum Anderen liefert der Verweis auf John Miltons berühmtes Gedicht mit demselben Namen einen Interpretationsschlüssel. David ist praktisch Satan, der gegen seine Schöpfer rebelliert. Zuerst vernichtet er die Schöpfer seiner Schöpfer, um anschließend selbst schöpferisch tätig zu werden und den perfekten Organismus zu kreieren. Definitiv eine interessante Entwicklung, besonders für einen Androiden. David bekommt mit Walter ein Gegenstück, das optimiert wurde, indem es weniger menschliche und somit auch weniger selbstständig ist. Besonders die Interaktion der beiden identischen Androiden ist faszinierend (und zeigt, was für ein grandioser Schauspieler Michael Fassbender ist), auch wenn der folgende Austausch (David gibt sich als Walter aus) nicht nur vorhersehbar, sondern auch etwas unmotiviert ist und Logiklöcher oder zumindest Klärungsbedarf hinterlässt. Apropos: Davids Motivation für die ganzen genetischen Experimente, ebenso wie das damit zusammenhängende Endziel, bleibt auch etwas nebulös. Frustration mit seinen eigenen Schöpfern ist die offensichtlichste Möglichkeit, es könnte aber auch mit schierer Langeweile zusammenhängen. Insgesamt bleibt in Bezug auf David vieles nach wie vor unklar, auch was seine Beziehung zu Elizabeth Shaw angeht: Hat er sie wirklich selbst getötet? Und gibt es eine definitive, überzeugende Antwort auf die unzähligen offenen Fragen oder sind die Autoren einfach nur faul und schlampig?
Die beiden Szenen des Films, die mir persönlich am besten gefallen haben, waren die Anfangs- und die Schlussszene, weil sie einen schönen Rahmen bilden und der mythologischen Komponente des Films noch eine zusätzliche Ebene verleihen. Am Anfang sehen wir, wie sich Peter Wayland, gespielt von Guy Pearce ohne schlechte Seniorenmaske, mit einem frisch geschaffenen David über die Schöpferthematik unterhält. Dabei spielt David ein Stück von Richard Wagner, Einzug der Götterin Walhall aus dem „Rheingold“ auf dem Klavier. Dieses Stück kehrt in der Schlussszene zurück, als sich David mit den Kolonisten im Cryoschlaf, den menschlichen Embryos sowie zwei Facehugger-Embryos zum eigentlichen Ziel der Mission, Origae-6, begibt. Hierdurch wird nach der griechischen und der jüdisch-christlichen nun auch die nordisch-germanische Mythologie miteinbezogen, wenn auch nur sehr implizit. Vielleicht handelt es sich um eine Vorausdeutung auf die Thematik des geplanten Sequels von „Alien: Covenant“.
Der Score
Ursprünglich sollte Harry Gregson-Williams, der bereits ein Thema zu „Prometheus“ beisteuerte, den Score für „Alien: Covenant“ komponieren, er wurde dann allerdings kurzfristig durch Jed Kurzel ersetzt. Nach seinem katastrophalen Score zur Spieleadaption „Assassin’s Creed“ hatte ich da ziemliche Bedenken, aber für „Alien: Covenant“ hat Kurzel eine sehr kompetente Arbeit abgeliefert. Die bisherigen Scores des Alien-Franchise waren alle sehr eigenständig und individuell – das gilt in besonderem Maße für die beiden Sequel-Scores von James Horner und Elliot Goldenthal, die nur wenig oder keinen Bezug zu Goldsmiths Arbeit haben. Kurzel dagegen orientiert sich sehr stark am Alien-Score, sowohl das Hauptthema als auch das alternierende Zeit-Motiv, dessen sich auch Horner bediente, werden in „Covenant“ ausgiebig verwendet. Stilistisch verhält es sich ähnlich, die oft dissonante Suspense-Musik steht definitiv in der Tradition des ersten Alien-Scores. Erfreulicherweise vergisst Kurzel „Prometheus“ nicht und arbeitet Gregson-Williams‘ Life-Thema in den Score ein. Insgesamt ist die Musik von „Alien: Covenant“ zwar nicht so frisch und innovativ, wie es andere Soundtracks der Reihe waren, weiß aber durch die clevere Verarbeitung der Themen von Goldsmith und Gregson-Williams zu gefallen.
Fazit
Oberflächlich betrachtet liefert „Alien: Covenant“ das, was vielen Fans des Franchise in „Prometheus“ zu fehlen schien: Horror, Blut, Suspense und natürlich Xenomorphs, die Menschen metzeln. Unter eingehender Betrachtung stellt sich allerdings heraus, dass Scott abermals mit denselben Problemen ringt wie beim Vorgänger: Über die philosophischen und thematischen Ambitionen vergessen Regisseur und Autoren, die Charaktere interessant und erinnerungswürdig und den Plot kohärent und logisch zu gestalten. Mehr noch, ihnen entgeht, was das Franchise für viele ursprünglich so anziehend gemacht hat: Das Mysterium. Während die Fragen nach Schöpfer, Schöpfung und Herkunft definitiv interessant sind, gelingt es Scott nicht, diese angemessen zu bearbeiten. Indem er die ikonischen Aliens mehr oder weniger zu einem Nebenprodukt der Ambitionen eines satanischen Androiden macht, banalisiert er diese ikonischen Filmmonster. Ich kann es sehr gut nachvollziehen, dass die meisten Liebhaber des Xenomorph lieber die abgesagte Fortsetzung der ursprünglichen Filme von Neill Blomkamp als ein entmystifizierendes Prequel gesehen hätten.
Es geistert eine inoffizielle Blogparade (Einträge finden sich hier und hier) mit dem Thema „Musik der 90er“ umher (eigentlich mit nur 15 Beiträgen, aber ich konnte mich einfach nicht entscheiden). Nun hat die Musik der 90er, gerade was Mainstream und Charts angeht, insgesamt einen eher schlechten Ruf. Das kann mir als Anhänger eines Nischengenres allerdings relativ egal sein, denn was Filmmusik angeht, waren die 90er eine großartige Dekade – es ist mir ziemlich schwergefallen, nur 15 Stücke auszuwählen. Aber ich habe es letztendlich sogar geschafft, jedes Jahr zumindest mit einem Titel abzudecken. Insgesamt hat sich gezeigt, dass 1999, auf dieser Liste durch ganze fünf Titel vertreten, wirklich ein verdammt gutes Filmmusikjahr war. Wie auch immer, da ich es ziemlich unmöglich finde, diese Titel in eine Qualitätsreihenfolge zu bringen, habe ich sie nach Erscheinungsjahr geordnet.
Hymn to Red October von Basil Poledouris („Die Jagd nach dem roten Oktober“, 1990)
Basil Poledouris ist ein Komponist, der für meinen Geschmack viel zu wenig Aufmerksamkeit bekommt. Das könnte daran liegen, dass er leider 2006 verstarb, aber trotzdem. Zwar hat er sowohl seinen besten Score („Conan, der Barbar“) als auch sein bestes Thema (das Titelthema aus „RoboCop“) in den 80ern komponiert, was aber nicht bedeutet, dass er nicht auch in den 90ern wirklich gelungene Musik abgeliefert hat. Die einprägsame Hymne des Sean-Connery-Films „Die Jagd nach dem roten Oktober“ gehört definitiv zu seinen distinktivsten Stücken, der russische Chor schafft sofort die perfekte Atmosphäre, sodass man sich zumindest für die Laufzeit dieses Stückes sofort der Roten Armee anschließen möchte.
Prologue von John Williams („Hook”, 1991)
In John Williams Œuvre gibt es eine ganze Menge Scores, die für jeden anderen Komponisten DAS Opus Magnum wären. Anfang der 90er hat Williams drei Stück davon für Steven Spielberg komponiert. Zwei davon sind hier aufgeführt, auf „Schindlers Liste“ habe ich dagegen verzichtet, weil das zwar ein grandioser Score ist, ich aber nicht sehr oft zu ihm zurückkehre – zu deprimierend. Im Gegensatz zu den anderen beiden findet Williams Score für Spielbergs Peter-Pan-Adaption „Hook“ außerhalb von Filmmuiskfans verhältnismäßig wenig Beachtung – zu Unrecht, wie ich finde. „Hook“ ist ein vielschichtiger, opulenter Fantasy-Score, der in mehr als einer Hinsicht auf Harry Potter hindeutet. Williams komponiert selten für Trailer, aber sowohl bei „Hook“ als auch bei „Harry Potter und der Stein der Weisen“ schrieb er ein Stück für den Trailer, das später zum Hauptthema das Films werden sollte. Und was für eines: Prologue fängt die Magie des Fliegens, bei Peter Pan stets ein wichtiges Thema, perfekt ein.
The Beginning von Wojciech Kilar („Bram Stoker’s Dracula”, 1992)
Für Francis Ford Coppolas Adaption des berühmtesten Vampirromans schrieb der polnische Komponist Wojciech Kilar einen beeindruckenden, düsteren, gotischen, teilweise osteuropäisch angehauchten Score, dessen Brillanz sich bereits im ersten Track offenbart. Kilar kreiert sofort eine passende Atmosphäre, stellt das Thema des Titelschurken vor und untermalt seine Vampirwerdung mit einem sich stetig steigernden Stück, das in einem finsteren, choralen Höhepunkt endet. So macht man Gothic Horror.
Birth of a Penguin von Danny Elfman („Batmans Rückkehr“, 1992)
Und gotisch bleibt’s. In „Batmans Rückkehr“ knüpft Danny Elfman zwar an die Klänge des ersten Films an, geht aber gleichzeitig in eine neue Richtung. Während im Batman-Score durchaus schon viele Stilmittel vorhanden waren, suchte Elfman zu dieser Zeit noch nach seinem Sound. Mit „Batmans Rückkehr“ hat er ihn definitiv gefunden – zwischen diesem Score und „Edward mit den Scherenhänden“ aus demselben Jahr gibt es einige Gemeinsamkeiten. Während die Tonqualität leider schlechter ist als bei „Batman“, ist die Musik für „Batmans Rückkehr“ um einiges opernhafter und opulenter, hier dominiert nicht mehr nur ein Thema, stattdessen ringen gleich drei miteinander. Das zeigt sich im Eröffnungsstück besonders schön, da hier die Themen von Batman und dem Pinguin regelrecht miteinander kämpfen und sich immer wieder ablösen.
Journey to the Island von John Williams („Jurassic Park”, 1993)
Ich glaube, ich habe schon das eine oder andere Mal subtil erwähnt, dass mir Williams’ „Jurassic Park“ ziemlich viel bedeutet. Journey to the Island ist zweifellos der Höhepunkt und untermalt eine der einprägsamsten Szenen des Films: Der Anflug auf die Insel. Hier erklingt zum ersten Mal in all ihrer Pracht die Fanfare des Parks, noch erfüllt von Optimismus und Vorfreude, bevor nach und nach alles schief geht. In der zweiten Hälfte des Tracks ist dann auch das getragen, lyrische Hauptthema des Films zu hören, während die Dinos friedlich grasen. Ich kann mir nicht helfen, dieses Thema hat eine unglaublich beruhigende Wirkung auf mich.
Theme from Batman: Mask of the Phantasm von Shirley Walker („Batman: Mask of the Phantasm”, 1993)
Shirley Walkers Score, und mehr noch dieses eine Stück, das ihrem Batman-Thema Gelegenheit gibt zu glänzen, ist für mich die musikalische Essenz des Dunklen Ritters. DAS ist Batman, dieses Thema repräsentiert ihn perfekt, es ist düster, tragisch, heroisch, gotisch, opulent… Wenn es doch nur mal wieder einen Batman-Score gäbe, der sich dieser Stilistik annimmt. Stattdessen hört man immer nur Wummern und Dröhnen. Nachdem Tom Holkenborg (alias Junkie XL) nun für den Justice-League-Film bestätigt wurde (würg!), hoffe ich, dass wenigstens Ben Afflecks Batman-Film nicht von ihm vertont wird. Debbie Wiseman, Christopher Young, meinetwegen auch Alexandre Desplat, aber haltet Holkenborg in Zukunft von Batman fern!
To Think of a Story von Patrick Doyle („Mary Shelley’s Frankenstein“, 1994)
Noch ein hervorragend vertonter Klassiker der Schauerliteratur. „Mary Shelley’s Frankenstein“ dürfte sogar mein liebster Score von Patrick Doyle sein. Wie Kilar nutzt auch Doyle den Anfang des Films, um die Atmosphäre und Stil zu etablieren. Bei einem Regisseur wie Kenneth Branagh wird es selbstverständlich theatralisch, Doyles Score ist opulenter und theatralischer als „Bram Stoker’s Dracula“, dafür aber nicht ganz so brutal. Dennoch stahlt besonders dieses Stück eine herrliche Düsternis aus, die einen sofort in eine finstere Version des 18. Jahrhunderts zurückversetzt, gleichzeitig klassisch-elegant und abgründig.
This Land von Hans Zimmer („Der König der Löwen“, 1994)
Irgendetwas aus „Der König der Löwen“ musste unbedingt in diese Liste. Circle of Life? Oder doch lieber Be Prepared? Ich habe mich dann aber doch letztendlich für das Hauptthema des Films entschieden, schon allein weil es eines von Zimmers besten Themen ist und zu den Melodien gehört, die meine Kindheit prägten, und zwar mindestens ebenso sehr wie Elton John unvergessliche Lieder.
Main Title and Morgan’s Ride von John Debney („Cutthroat Island“, 1995)
Es freut mich immer wieder, wenn schlechte Filme gute Scores haben. Natürlich hätten grandiose Scores auch grandiose Filme verdient, aber gleichzeitig gibt es besagten Filmen gewissermaßen eine Existenzberechtigung, wenn zumindest die Musik das genießbare Element ist. Der Vorteil ist natürlich, dass man die Musik einfach losgelöst vom Film genießen kann. Nehmen wir „Cutthroat Island“ („Die Piratenbraut“): Was für ein energetisches, mitreißendes Main-Title-Stück, was für ein piratiges, säbelrasselndes Thema für die Protagonistin.
End Titles von David Arnold („Independence Day”, 1996)
Heute wie in den 90ern dreht Roland Emmerich große, dumme Filme. Was hat sich geändert? In den 90ern wurden seine großen, dummen Filme von David Arnold vertont, der die einzige Art von Musik schrieb, die solche Filme erträglich und erwähnenswert macht: Große, extrovertierte, komplexe und übertriebene Musik. Ich persönlich vermisse Arnolds Stimme als Komponist im Blockbusterbereich ziemlich – das letzte, was man aus dieser Richtung gehört hat, was „Die Chroniken von Narnia: Die Reise auf der Morgenröte“, ein hinreißender Fantasy-Score. Es wird Zeit für ein Comeback, damit es wieder neues Material im Stil von „Independence Day“ gibt. Das End-Title-Stück fasst das gesamte Material des Films zusammen, sowohl die opulenten als auch die ruhigeren, lyrischen Passagen.
Hellfire von Alan Menken und Stephen Schwartz („Der Glöckner Notre-Dame“, 1996)
Nochmal etwas, das in meiner 90er-Playlist definitiv nicht fehlen darf: Disney’s Darkest Moment. Ich denke, ich habe mich an anderer Stelle schon ausführlich genug über dieses Lied geäußert: Disneys bester Schurkensong, optisch, musikalisch und inhaltlich grandios, düster, voll von lateinischen Chören – was will man mehr?
Klendathu Drop von Basil Poledouris („Starship Troopers“, 1997)
Basil Poledouris die Zweite. Für „Starship Troopers“ bediente sich Poledouris der Stilistik von „RoboCop“und drehte dann noch mal ordentlich auf. Das Ergebnis passt perfekt zu Paul Verhovens Sci-Fi-Satire. Klendathu Drop ist dabei ein herausragendes Action-Stück, voller Blechbläser und militärischer Percussions, in dem das Hauptthema des Films zu voller Geltung kommt. Score und Track mangelt es natürlich an Subtilität, aber die ist in diesem Kontext eh nicht gefragt.
White Knight von David Arnold („James Bond: Der Morgen stirb nie“, 1997)
Die 90er sind die Pierce-Brosnan-Bond-Ära. Leider war es ihm nicht vergönnt, auch musikalisch einen guten Start hinzulegen, denn Eric Serras Score für „GoldenEye“ war unterirdisch. Glücklicherweise besann man sich und heuerte für „Der Morgen stirbt nie“ David Arnold an, der sich als würdiger Erbe des Bond-Stammkomponisten John Barry erwies. Arnold bleibt dem Jazz-Sound des Franchise treu, modernisiert ihn aber gleichzeitig, wie sich in White Knight sehr schön zeigt. Das Stück ist von einem langsamen, aber gelungenen Spannungsaufbau geprägt, der in einem furiosen Finale gipfelt, und dazu vom Bond-Thema durchzogen. Sogar eine Referenz an Tina Turners GoldenEye hat Arnold bei der Einminutenmarke eingebaut. Da Sam Mendes beim nächsten Bond-Film nicht Regie führen wird, könnte man doch Arnold reaktivieren…
The Ride von James Horner („Die Maske des Zorro“, 1998)
James Horners Scores haben manchmal den Ruf, sehr austauschbar zu sein, da der Komponist durchaus gerne bei sich selbst abschrieb (sein Gefahrenmotiv taucht in seinem Œuvre ziemlich häufig auf). Natürlich gibt es aber auch die Horner-Scores, die sehr distinktiv sind. Zwar ist „Die Maske des Zorro“ sehr gut als Werk des Komponisten zu erkennen, gleichzeitig hat die Musik für den schwarzgekleideten Vigilanten allerdings eine Frische und Energie, die ihresgleichen sucht, was auch mit der spanischen bzw. lateinamerikanischen Instrumentierung zusammenhängen dürfte. The Ride ist hier ein exzellentes Beispiel, setzt das Thema des Titelhelden schön in Szene und gleicht einem dynamischen, nun ja, Ritt.
The Plagues von Stephen Schwartz („Prinz von Ägypten“, 1998)
Es wird biblisch. „Der Prinz von Ägypten“ ist in meinen Augen die bisher beste Bibelverfilmung und ein Film, der definitiv mehr Beachtung verdient; zwar war er bei Erscheinen erfolgreich, danach ist er aber völlig zu Unrecht in der Versenkung verschwunden. The Plagues zeigt exemplarisch, wie gut die Moses-Geschichte als Musical funktioniert und wie die Lieder den emotionalen Kern kanalisieren: Hier kämpfen zwei Brüder gegeneinander, die sich absolut nicht bekämpfen wollen, aber es für ihre Pflicht (gegenüber einem Gott oder ihrem Erbe) halten, es dennoch zu tun, auch wenn es ihnen das Herz zerreißt. Nebenbei zeigt das Lied auch, wie gut Val Kilmer und Ralph Fiennes singen können.
Main Titles von Danny Elfman („Sleepy Hollow”, 1999)
Erwähnte ich schon, dass ich Gothic Horror liebe? Mit Danny Elfman kann man in diesem Bereich jedenfalls kaum etwas falsch machen. Sein Main-Titles-Stück für Tim Burtons Adaption der Washington-Irving-Geschiche im Hammer-Stil erzeugt jedenfalls die perfekte Atmosphäre für diesen Film. Nebenbei stellt Elfman auch gleich das Hauptthema vor, das sich in allen möglichen Variationen durch den gesamten Score zieht. Interessanterweise komponierte Elfman einige Jahre später mit „The Wolfman“ einen Soundtrack, der quasi ein Hybrid aus „Sleepy Hollow“ und „Bram Stoker’s Dracula“ ist und mit beiden hervorragend harmoniert.
Victorious Titus von Elliot Goldenthal („Titus”, 1999)
Ja, das hier verlinkte Stück ist Returns a King aus Tyler Bates‘ 300-Soundtrack. Es kommt durchaus öfter mal vor, dass man bei Filmkomponisten heraushört, wo sie sich inspiriert haben, besonders, wenn der Regisseur sich in seinen Temp-Track (die provisorische Musikauswahl, die im Rohschnitt verwendet wird und an der sich Komponisten oft orientieren (müssen)) verliebt hat. Aber im Fall von „300“ wurde das Titelstück aus Elliot Goldenthals „Titus“ wirklich Note für Note, mit derselben Orchestrierung, verwendet. Es ist wirklich ein grandioses Chorstück, das Tyler Bates auf sich gestellt so wahrscheinlich nicht hinbekommen hätte, aber trotzdem. Wie dem auch sei, ich kann nur jedem empfehlen, sowohl Elliot Golenthals Score als auch Julie Taymors Film eine Chance zu geben – es lohnt sich definitiv.
Cleopatra von Tevor Jones („Cleoptra“, 1999)
Trevor Jones ist ein toller Komponist, der leider irgendwann Anfang der Nullerjahre in der Obskurität verschwand. Ich bin vor allem ein Fan seines finsteren Gothic-Horror-Scores „From Hell“, aber auch für den Fernsehfilm „Cleopatra“ hat er ein wirklich tolles Hauptthema komponiert, mysteriös, erotisch, ägyptisch – das volle Programm. Ganz allgemein: Wer ich auf Hollywoods Ägypten-Sound steht, macht mit diesem Kleinod definitiv nichts falsch.
Imhotep von Jerry Goldsmith („Die Mumie“, 1999)
Ja, gleich nochmal Ägypten, und dazu noch ein Spätwerk aus Jerry Goldsmiths Karriere. Tatsächlich ist „Die Mumie“ der erste Goldsmith-Score, den ich gehört habe, weshalb dieser Soundtrack einen besonderen Platz in meinem Herzen hat. Für das Indiana-Jones-artige Remake des 30er-Jahre-Horror-Klassiker zieht Goldsmith alle Register des altägyptischen Bombasts bereits im ersten Track und lässt sein düster-orientalisches Imhotep-Thema auf den Zuhörer los, das den Schurken sofort passend definiert.
Duel of the Fates von John Williams („Star Wars Episode I: Die dunkle Bedrohung”, 1999)
Last but not least: Williams’ Rückkehr in die weit, weit entfernte Galaxis. Man mag ja über „Die dunkle Bedrohung“ sagen, was man will, aber der Score ist brillant, nicht zuletzt wegen dieses Vorzeigestücks, das es schafft, den epischen Konflikt zwischen Licht und Dunkelheit phänomenal umzusetzen. Nebenbei bemerkt: Der Chor singt hier eine keltisches Gedicht auf Sanskrit. Duel of the Fates ist primär ein szenenspezifisches Thema für den Endkampf von Episode I, war aber aufgrund seiner Beliebtheit auch in Schlüsselmomenten in Episode II und III wieder zu hören.
Es lässt sich nicht leugnen: Disney war ein wichtiger Teil meiner Kindheit. Obwohl der Konzern mit der Maus in den letzten Jahren, etwa durch den Kauf von Lucasfilm und Marvel, kräftig expandiert und auch schon davor durch Tochterstudios wie Miramax oder Touchstone andere Dinge getan hat, wird das Studio letztendlich doch in erster Linie mit Zeichentrick- oder Animationsfilmen in Verbindung gebracht. Eine persönliche Top 10 der besten Disney-Filme drängt sich da geradezu auf. Wie üblich gibt es dabei aber ein paar Regeln: Ich beschränke mich auf die klassischen Zeichentrickfilme des Meisterwerke-Kanons, das bedeutet keine Direct-to-Video-Fortsetzungen wie „Dschafars Rückkehr“ oder „Der König der Löwen 2: Simbas Königreich“ (diese befinden sich ohnehin auf einer Skala zwischen „unnötig“ und „Beleidigung des Originals“), keine anderweitigen Zeichentrickfilme wie „Der Goofy-Film“, kein Pixar-Filme, keine Meisterwerke-Animationsfilme wie „Die Eiskönigin“ und keine Zeichentrick-Real-Mischfilme wie „Falsches Spiel mit Roger Rabbit“ oder „Mary Poppins“. Und natürlich erhebe ich keinen Absolutheitsanspruch, bei dieser Liste geht es nicht einmal darum, welche Disney-Filme ich für am besten halte, sondern welche mir besten gefallen.
Platz 10: Hercules
Das geht schon fast ins Guilty-Pleasure-Territorium, denn Disneys „Hercules“ ist in meinen Augen kein wirklich guter Film, zu groß sind die Logiklöcher, und weshalb gerade Gospel zur griechischen Antike passen soll ist mir bis heute ein Rätsel. Apropos, die griechische Mythologie wird hier natürlich absolut nicht vorlagengetreu wiedergegeben, was allerdings auch kaum jemand erwartet hätte; allein die Zeus/Hera-Beziehung ist für einen Disney-Film ziemlich ungeeignet. Die eigentliche Vorlage des Films ist auch nicht griechische, sondern amerikanische Mythologie, vor allem „Superman“ und „Rocky“.
Trotzdem liebe ich diesen Film, und das vor allem aus drei Gründen: Da wäre erstmal der sehr eigenwillige Stil, denn kein anderer Disney-Film sieht aus wie „Hercules“. Außerdem war es „Hercules“, der mein Interesse an und meine Faszination für die griechische Mythologie geweckt hat, etwas, das man ihm nicht hoch genug anrechnen kann, selbst wenn er mit griechischer Mythologie wirklich nicht allzu viel zu tun hat. Und letztendlich ist da natürlich Hades, gesprochen vom grandiosen James Woods. Ursprünglich wäre Hades wohl, wie so viele andere Versionen des Gottes in der Populärkultur, ein stereotyper machthungriger Gott geworden, aber James Woods machte sich Hades zu Eigen und schuf so einer einzigartige Figur, eine Kreuzung aus Satan und einem Gebrauchtwagenhändler. Jedes Mal, wenn Hades auftaucht, dominiert er den Film, und ohne ihn wäre „Hercules“ nicht einmal halb so sehenswert.
Platz 9: Das Dschungelbuch
„Das Dschungelbuch“ dürfte der erste Film sein, den ich als Kind gesehen habe; nicht im Kino, sondern überhaupt. Tatsächlich habe ich ihn in der Zwischenzeit vielleicht ein, zwei Mal zu oft gesehen, deshalb ist er „nur“ auf Platz 9 gelandet. Über die Vorzüge des „Dschungelbuch“ muss ich mich ja wohl kaum auslassen, der letzte Film, an dem Walt Disney noch persönlich mitgewirkt hat, gehört zweifellos zu den großen Klassikern, die Figuren sind ikonisch, die Songs sind ikonisch, einzig Mowgli ist irgendwie langweilig und ein wenig unsympathisch – seine Hauptaufgabe ist eigentlich, die ganzen tierischen Figuren zur Interaktion zu bringen. Egal ob Balu mit King Louie tanzt, Baghira sich mit Colonel Hati unterhält oder Shere Kahn von Geiern angegriffen wird, jede animalische Interaktion sorgt für einen klassischen Moment der Filmgeschichte.
Platz 8: Dornröschen
„Dornröschen“ ist ein ähnlicher Fall wie „Hercules“: Der Film hat einige massive Schwächen, aber wenn er gut ist, ist er richtig gut. Zu den Schwächen gehört zum Beispiel die Tatsache, dass Aurora, die ja, zumindest dem Titel nach, die Protagonistin des Films ist, die wohl profilloseste Disney-Prinzessin ist – nach Cinderella und Schneewittchen muss man das erst einmal hinbekommen. Aber eigentlich geht es ohnehin nicht um Aurora oder ihren Angebeteten Prinz Philip, sondern um die Auseinandersetzung zwischen Malefiz und den drei Feen Flora, Fauna und Sonnenschein – Prinz und Prinzessin sind im Grunde lediglich Spielfiguren, die Feen sind die handelnden Personen und, neben Tschaikowskys grandioser Musik und dem Stil, der an mittelalterliche Wandteppiche erinnert, die größte Stärke des Films. Malefiz ist ohne Zweifel eine der besten und ikonischsten Disney-Schurken, während die drei Feen liebenswürdig, lustig, aber bestimmt sind. Gerade deshalb fand ich ihre Darstellung in „Maleficent“ übrigens auch geradezu beleidigend: Während sie im Original zwar durchaus ihre etwas exzentrischeren Momente haben, sind sie letztendlich aber doch durchaus fähig. In „Maleficent“ dagegen werden sie als völlig hirnlos dargestellt – und das haben sie nun wirklich nicht verdient.
Platz 7: Arielle, die Meerjungfrau
„Arielle, die Meerjungfrau“ startete die Disney-Renaissance der 90er und war der erste Disney-Erfolg des großartigen Teams Howard Ahsman/Alan Menken (Text und Musik). Die Macher des Films revitalisierten die klassische Disney-Märchenformel von „Schneewittchen“, „Cinderella“ und „Dornröschen“ und verbesserten sie bzw. passten sie der Zeit an. Bei allen drei Filmen geht es eigentlich eher um die diversen Nebenfiguren (Zwerge, Mäuse, Feen) und diese besitzen auch Profil, während die Prinzessinnen quasi völlig eigenschaftslos sind. Im Gegensatz dazu hat Arielle tatsächlich eine Persönlichkeit und sie und Prinz Eric (der leider immer noch ziemlich gut ins alte Prince-Charming-Raster passt) müssen tatsächlich für ihre Beziehung arbeiten, zwar nur drei Tage, aber im Gegensatz zur alten Liebe auf den ersten Blick ist das schon ziemlich lange. Natürlich sind es trotz allem letztendlich wieder die Nebenfiguren, die „Arielle, die Merrjungfrau“ unvergesslich machen, in erster Linie eine gewisse Krabbe mit jamaicanischem Akzent und eine gewisse Meerhexe, die auf einer Drag-Queen basiert. Mit „Arielle“ lieferte Disney die Formel für die Renaissance-Filme.
Platz 6: Mulan
Wo wir gerade dabei sind: Die Disney-Renaissance umfasst zehn Jahre und zehn Filme, „Arielle“ startete sie 1989 (übrigens mein Geburtsjahr – da gibt’s sicher einen Zusammenhang), danach kamen „Bernhard und Bianca im Kängururland“, „Die Schöne und das Biest“, „Aladdin“, „Der König der Löwen“, „Pocahontas“, „Der Glöckner von Notre-Dame“, „Hercules“, „Mulan“ und „Tarzan“. Da ich „Tarzan“ nie allzu viel abgewinnen konnte (nicht schlecht, konnte mich aber nie wirklich für sich einnehmen), ist „Mulan“ in meinen Augen der letzte richtig gute Renaissance-Film. Das hat natürlich mehrere Gründe, unter anderem die Atmosphäre, die Protagonistin, die diversen Sidekicks und den tollen Score von Jerry Goldsmith (einer seiner letzten). Die Songs sind leider, bis auf I’ll Make a Man out of You, das ein brutaler Ohrwurm ist, leider kaum mehr als funktional, aber dafür kann Goldsmith nichts, denn bei den Songs war er nicht involviert.
Platz 5: Küss den Frosch
„Küss den Frosch“ ist der Beweis, dass es nicht nur auf Nostalgie ankommt, immerhin ist dieser Film bei Weitem der jüngste auf der List und nimmt eine ziemlich interessante Stellung ein. Nachdem mit „Tarzan“ die Disney-Renaissance endete, änderte sich das Vorgehen des Studios. Die Filme, die danach kamen, waren keine Musicals mehr und legten bezüglich Thematik und Stil andere Schwerpunkte. Manche davon sind noch durchaus gelungen und haben viele Fans, etwa „Lilo und Stich“ oder „Ein Königreich für ein Lama“, andere dagegen zählen zu den schlechtesten Disney-Filmen überhaupt, vor allem, als das Studio begann, Animationsfilme ohne Pixar zu produzieren und sie als Teil des Meisterwerkekanons zu etablieren – wer erinnert sich schon noch an „Himmer und Huhn“? „Küss den Frosch“ dagegen ist ein Film, der sich gezielt auf die Traditionen der Renaissance (modernisiertes Märchen-Musical) besinnt und eventuell eine neue Renaissance eingeläutet hat, denn auch „Rapunzel“ und „Die Eiskönigin“ setzen, trotz der Tatsache, dass sie keine Zeichentrickfilme mehr sind, ähnlich Schwerpunkte und werden von Fans und Kritikern bejubelt. Wie dem auch sei, nach Jahren minderwertiger Disney-Filme ist „Küss den Frosch“ geradezu eine Offenbarung, mit großartiger Südstaatenatmosphäre, einem grandiosen Schurken und liebenswerten Haupt- und Nebencharakteren. Die Musik von Randy Newman ist nicht ganz so meins, passt stilistisch aber sehr gut und zumindest Friends on the Other Side ist definitiv einer von Disneys besten Schurkensongs.
Platz 4: Die Schöne und das Biest
Es gibt Disney-Filme, die haben bessere Songs als „Die Schöne und das Biest“, oder lustigere oder interessantere Figuren, oder einen markanteren Schurken. Insgesamt bin ich allerdings der Meinung, dass „Die Schöne und das Biest“ das rundeste aller Disney-Meisterwerke ist. In Einzelaspekten mögen andere Filme diesen übertreffen, nicht aber im Zusammenspiel, alles passt hier wie ein Uhrwerk genau ineinander. Würde es in dieser Liste um den meiner Meinung nach besten Disney-Film gehen, wäre „Die Schöne und das Biest“ wahrscheinlich auf Platz 1 oder 2, aber da es um persönliche Favoriten geht, ist es eben „nur“ Platz 4 geworden.
Wie schon „Arielle“ basiert auch „Die Schöne und das Biest“ auf der Disney-Märchenformel, und wo „Arielle“ verbesserte, arbeitet „Die Schöne und das Biest“ der Perfektion entgegen, denn hier stimmt einfach alles, von Belle über das Biest, die diversen Sidekicks und natürlich Gaston. Vor allem die Parallelen und die entgegengesetzte Entwicklung des Biests und Gaston sind ganz großes Kino. Nicht nur ist Gaston das dunkle Spiegelbild früherer Disney-Prinzen, seine Reise endet gewissermaßen dort, wie die des Biests begann; beide Figuren entwickeln sich über den Film hinweg umgekehrt proportional – das Biest wird menschlicher, Gaston wird monströser.
Platz 3: Aladdin
Noch so ein Film, zu dem ich eine sehr tiefe, nostalgische Verbundenheit spüre. Disneys „Aladdin“ ist wahrscheinlich einflussreicher, als viele denken, denn im Grunde lieferte er die Vorlage für viele der späteren Dreamworks-Filme, was natürlich in erster Linie Robin Williams als Dschinni zu verdanken ist. „Aladdin“ ist gespickt mit popkulturellen Verweisen und intertextuellem Humor. Natürlich ist auch jeder andere Disney-Film anachronistisch, aber „Aladdin“ erhebt erhebt den Anachronismus quasi zur Kunstform. Dschinni macht aus diesem Grund einen Großteil des Reizes von „Aladdin“ aus, aber auch der Rest weiß zu überzeugen, vom Tempo und dem Humor über die Musik (das letzte Mal, das Alan Menken mit Howard Ashman zusammenarbeitete, der starb, bevor Aladdin vollendet werden konnte) bis hin zu Dschafar, der nach wie vor zu meinen liebsten Disney-Schurken gehört.
Platz 2: Der König der Löwen
„Der König der Löwen“ war nicht der erste Disneys-Film, den ich im Kino gesehen habe (das war tatsächlich „Aristocats“), aber immerhin der zweite. Dafür war er aber wohl der erste Film, der mich im Vorfeld gehypt hat. Damals muss ich etwa vier oder fünf Jahre alt gewesen sein, und Promomaterial für einen Film war damals noch eher rar, speziell, wenn man sich in diesem Alter befindet – trotzdem haben ein paar Bilder oder etwas ähnlich gereicht, um die Vorfreude ins Unermessliche zu steigern.
Ganz ähnlich wie „Die Schöne und das Biest“ ist auch „Der König der Löwen“ eine äußerst runde Angelegenheit, ein in sich sehr stimmiger Streifen. Was ihn für mich noch über „Die Schöne und das Biest“ erhebt, ist die Tatsache, dass er es schafft, mich noch in weitaus größerem Maße emotional miteinzubeziehen. Interessanterweise handelt es sich hierbei um den ersten Disney-Film, der nicht direkt auf irgendeiner Vorlage beruht, auch wenn die Prämisse „Bambi meets Hamlet in Africa“ lautet. Vielleicht ist es genau die, nennen wir es mal „Shakespear’sche Gravitas“, die den Film für mich und so viele andere so besonders macht. Und dann sind da natürlich noch die brillanten Figuren und Sprecher, die großartige Atmosphäre und der grandiose Score, der zu Ersterer maßgeblich beiträgt. Tatsächlich gibt es nur einen anderen Disney-Film, der dasselbe epische Ausmaß erreicht wie der „König der Löwen“ und das ist…
Platz 1: Der Glöckner von Notre-Dame
Disneys Adaption von Victor Hugos Roman um Sünde, Religion und Architektur ist eine ähnlich Kreatur wie „Hercules“ oder „Dornröschen“. Es handelt sich dabei um eine recht unrunde Angelegenheit, die weit weniger in sich stimmig ist als „Der König der Löwen“ oder „Die Schöne und das Biest“, denn manchmal wollen die einzelnen Elemente einfach nicht so recht ineinander greifen, vor allem, wenn die drei Wasserspeier involviert sind. Das Gesamtbild ist unausgewogen und geprägt von Höhen und Tiefen, in seinen Höhen kommt „Der Glöckner von Notre-Dame“ allerdings weiter hinaus als alle anderen Disney-Filme. Die Unebenheit könnte an der Gewagtheit dieses Projekts liegen, denn die oben erwähnten Themen des Romans sind ja nun nicht unbedingt typisch Disney; der „Glöckner“ dürfte der erste Film des Studios mit der Maus sein, der einen Schurken hat, der mit seiner eigenen Lust kämpft und eine ethnische Säuberung durchführt. Wahrscheinlich wollten die Studiobosse zum Ausgleich den eher infantilen Wassersepeierhumor und das recht seichte Happy-End. Aber das sind letztendlich Kompromisse, dich ich gerne eingehe. Atmosphäre, epische Breite, Schurke und Musik dieses Films sind von außerordentlicher Qualität und suchen im Kanon der Disney-Meisterwerke ihresgleichen – was eine enorme Leistung ist.
Story: 2089: Die Wissenschaftler Elizabeth Shaw (Noomi Rapace) und Charly Holloway (Logan Marshall-Green) entdecken Spuren einer mythischen Schöpferrasse, der sogenannten „Konstrukteure“, die möglicherweise auch die Menschheit geschaffen hat. Zu diesen Spuren gehört auch eine Sternenkarte. Die Weyland Corporation, eine mächtige Firma, stellt den beiden ein Schiff samt Besatzung, inklusive des mysteriösen Androiden David (Michael Fassbender), zur Verfügung, um diesen Spuren nachzugehen. Die Crew landet schließlich auf einem Mond mit Atmosphäre, auf welchem sie in der Tat Spuren der Konstrukteure finden – Spuren, die sich schon bald als lebendige, tödliche Gefahr erweisen. Dass einige Mitglieder der Crew ein doppeltes Spiel spielen ist dabei auch nicht sonderlich hilfreich…
Kritik: „Prometheus“ stellt Ridley Scotts Rückkehr ins Alien-Franchise dar, welches er 1979 mit gleichnamigem Film begründete. Ursprünglich sollte dieser Film ein direktes Prequel werden, das die Herkunft des Xenomorph zeigen sollte. Ein Prequel ist „Prometheus“ immer noch – in gewisser Weise; und auch der Alien-Ursprung wird thematisiert – in gewisser Weise. Im Alien-Fandom ist „Prometheus“ jedenfalls nach allem, was man so hört, nicht besonders gut angekommen, und ich kann mir auch recht gut vorstellen weshalb. Es gibt natürlich viele Parallelen zum ursprünglichen Film, u.a. in Aufbau, Atmosphäre, Figurenkonstellation (überlebende Protagonistin, Android), sogar Jerry Goldsmiths Alien-Thema wird an einer Stelle zitiert. Der eigentliche Ursprung des Aliens – der Film endet mit der „Geburt“ eines Alien-Prototyps, von den Filmemachern als „Deacon“ bezeichnet – ist letztendlich einer Kette von Zufällen zu verdanken und für den Verlauf dieses Films ziemlich obsolet. Wären die entsprechenden Szenen geschnitten worden, man hätte wohl kaum etwas vermisst. Möglicherweise wird das Ganze ja noch für ein potentielles Sequel wichtig, aber wenn man sich „Prometheus“ alleine ansieht, ist die Entstehung des Alien vor allem deshalb im Film, um die Fans zufrieden zu stellen – so erscheint es zumindest mir, und dieses Vorhaben ist dann ja wohl auch irgendwie misslungen. Trotz der Parallelen und des Alien-Handlungsstranges ist „Prometheus“ weniger ein Prequel zu „Alien“ als eine Verfilmung von H.P. Lovecrafts „Berge des Wahnsinns“. Strukturell und inhaltlich sind sich beide Werke extrem ähnlich: Eine Forschergruppe findet an einem abgelegenen Ort (bei Scott auf dem Mond eines fremden Planeten, bei Lovecraft in der Arktis) Spuren einer überlegenen Schöpferrasse (bei Scott die Konstrukeure, bei Lovecraft die Alten Wesen bzw. „Elder Beings“), welche die Menschheit aus Zufall, zum Spaß oder aus einem anderen Grund erschaffen hat und nun scheinbar nicht mehr da ist. Allerdings hat besagte Rasse biologische Spuren ihres Schaffens hinterlassen, welche dem Forscherteam ziemlich Probleme bereiten und sich als äußerst mörderisch erweisen. Und ein großes, schleimiges Etwas mit Tentakeln gibt es auch.
In der Tat funktioniert „Prometheus“ als Lovecraft-Verfilmung fast besser denn als Alien-Prequel. Während vor allem in den ersten beiden Dritteln der Geist von „Berge des Wahnsinns“ wirklich gut eingefangen wird, sind für einen Alien-Film (wenn man die guten als Maßstab nimmt und nicht die schlechten) vor allem die Figuren zu schwach und uninteressant. Gerade diesbezüglich sticht lediglich der von Michael Fassbender verkörperte Androide David hervor, der Rest ist sowohl charakterlich als auch schauspielerisch relativ uninteressant, Charlize Theron wirkt sogar irgendwie Fehl am Platz. Enttäuschend ist auch das Finale das, gemessen an dem, was unternommen wurde, um es aufzubauen, viel zu unkreativ ausfällt. Fazit: Netter, atmosphärischer Sci-Fi-Horror, der allerdings weit hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt und als Lovecraft-Verfilmung besser funktioniert als als Alien-Prequel.