Die Hobbit-Trilogie: Resümee

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Da die Hobbit-Trilogie nun komplett ist, wird es Zeit für eine abschließende Gesamtbetrachtung. Hierzu werde ich verschiedene Einzelaspekte der Filmreihe genauer beleuchten, bewerten und gegebenenfalls auch mit der HdR-Trilogie vergleichen denn, seien wir einmal ehrlich, die Hobbit-Filme fordern das ja schon geradezu heraus.

48 frames per second: Optik und Effekte
Beginnen wir gleich mit einem Knackpunkt, nämlich dem visuellen Stil der Hobbit-Filme, der stark von Peter Jacksons Entscheidung geprägt ist, die Trilogie in 3D und mit 48 Bildern pro Sekunde (statt der üblichen 24) zu drehen, völlig egal ob man sich als Zuschauer nun die Filme in 3D, 3D HFR oder ganz klassisch in 2D und mit 24 Bildern pro Sekunde angesehen hat. Die hohe Bildrate sorgt nämlich dafür, dass viele bewährte Techniken, die in der HdR-Trilogie eingesetzt wurden, nicht mehr funktionieren, allen voran der Einsatz der grandiosen Modelle und Miniaturen – bei 48 fps wäre einfach offensichtlich, dass es sich um Miniaturen handelt, also muss alles aus dem Computer kommen. Darüber hinaus sorgt das „Ultra-HD“ für einen sehr sauberen, mitunter fast schon sterilen und künstlichen Look. Je nach Film ist das prinzipiell nicht so tragisch, aber gerade im HdR bemühte sich Jackson, alles real und „dreckig“ wirken zu lassen. Die grundsätzliche Herangehensweise war: Mittlerde soll nicht wirken wie ein „typischer“ Fantasy-Film, sondern wie ein Historienepos. Ja, der „Hobbit“ ist ein Kinderbuch mit mehr fantastischeren Elementen, aber dennoch hätte ich mir gerade bei diesem Aspekt mehr Kontinuität gewünscht, weshalb ich letztendlich der Meinung bin, dass die 48 Bilder pro Sekunde eine Fehlentscheidung waren.
Gerade die Tatsache, dass in der HdR-Trilogie viele praktische Effekte zum Einsatz kamen, sorgte zumindest bei mir dafür, dass sich alles real und authentisch anfühlte. Besonders deutlich wird dies, wenn man die Orks betrachtet. Azog und Bolg, entstanden durch Motion-Capturing, sind einfach weit weniger einschüchternd als, sagen wir, Lurtz oder Grishnákh. Besonders deutlich wird das in den Szenen, in denen „echte“ Orks (ein paar davon tauchen in den Hobbit-Filmen noch auf) mit Azog interagieren.
Trotz allem gibt es bei den Hobbit-Filmen immer noch einiges an Handarbeit. Etwa im Vergleich zu den Star-Wars-Prequels setzt Jackson immer noch stark auf echte Sets (wie im Bonusmaterial der SEEs eindrücklich dokumentiert wird) und beeindruckende Landschaftsaufnahmen. Das Problem dabei ist lediglich, dass man sie kaum zu würdigen weiß, da alles durch Aufnahmetechnik und Weichzeichner eben künstlich wirkt. Dennoch gibt es gerade im Special-Effects-Bereich viel zu loben, allen voran die Umsetzung von Gollum und Smaug – beide sind in meinen Augen Beweise dafür, wie weit die Motion-Capture-Technik inzwischen fortgeschritten ist und was man mit ihr anstellen kann, besonders, wenn man Schauspieler hat, die sich richtig in den Prozess einbringen.

Far over the misty mountains: Die Musik
Auch hinsichtlich der Musik gibt es bei der Hobbit-Trilogie ein paar Probleme. Howard Shores Kompositionen für die HdR-Filme gehören für mich zu den besten Soundtracks überhaupt, die Musik der Trilogie war ein entscheidender Faktor für mein Interesse an Filmmusik und Leitmotivik. Kaum ein anderer Komponist beherrscht die Leitmotivtechnik in solchem Ausmaß wie Shore – und kaum eine andere Musik schafft es, mich derart emotional zu berühren.
Die Musik der Hobbit-Trilogie würde ich persönlich ein bis zwei Stufen unter der HdR-Musik ansiedeln. Das liegt zum einen an Shores leicht veränderter Vorgehensweise; während die Verknüpfungen der Leitmotive und die narrativen Techniken Shores nichts von ihrer Komplexität eingebüßt haben, sind die neuen Themen, die er für die Hobbit-Filme geschaffen hat, bis auf das Misty-Mountains-Thema (welches ja bekanntermaßen ohnehin von Plan 9 komponiert wurde), weniger eingängig und markant. Einer der Gründe, dass die HdR-Soundtracks sowohl den Score-Fan als auch den Mainstream-Filmmusikhörer ansprachen, war die perfekte Balance aus musikalischer und vor allem leitmotivischer Komplexität auf der einen und eingängiger, melodischer Themen auf der anderen Seite (obwohl Score-Fans natürlich auch Letzteres durchaus zu schätzen wissen). Die Hobbit-Soundtracks, vor allem die Musik von „Smaugs Einöde“ und „Die Schlacht der fünf Heere“, legt den Fokus aber stärker auf Ersteres, was es dem Gelegenheits-Filmmusikhörer schwieriger macht, „rein“ zu kommen.
Und zum anderen wäre da die Platzierung der Musik in den Filmen – hierfür kann Shore freilich nichts. Genaues weiß man diesbezüglich nicht, allerdings lässt sich anhand der Resultate erraten, dass es da einige Probleme welcher Natur auch immer gab. Ein Teil davon mag eventuell mit der Erweiterung von zwei auf drei Filmen zusammenhängen, es gab wohl allgemein zeitliche und logistische Probleme (weshalb die Musik von „Smaugs Einöde“ und „Die Schlacht der fünf Heere“ auch in Wellington und nicht in London aufgenommen wurde), und auch unterschiedliche Vorstellungen. So unterscheidet sich bei „Eine unerwartete Reise“ die Musik, die im Film zu hören ist, signifikant vom Soundtrack-Album, wobei man wohl davon ausgehen kann, dass das Album Shores ursprünglicher Vision entspricht – in jedem Fall ist es subtiler und besser durchdacht als das, was letztendlich im Film gelandet ist.
Für „Smaugs Einöde“ scheint Jackson sich dann wieder anders entschieden zu haben, denn vor allem im zweiten, aber auch im dritten Teil ist auffällig, wie viele Stellen plötzlich ohne Musik sind; unter Einbeziehung der bisherigen Mittelerde-Filme, die wirklich sehr viel Musik enthielten (und gerade deshalb für mich so gut funktionierten), ist das extrem viel, und ich finde, dass es den Filmen schadet, da es für mich die Emotionen mindert.
Ebenfalls seltsam ist, dass die in „Eine unerwartete Reise“ vorgestellten neuen Themen recht einseitig weiterentwickelt werden. Während die Leitmotive der Zwerge, der Waldelben und des Drachen Smaug (die letzten beiden werden im ersten Film nur angedeutet) auf phänomenale Weise weiterentwickelt werden, bleiben andere praktisch vollkommen auf der Strecke, so absolvieren die Themen für Bilbo nur noch Gastauftritte und das Misty-Mountains-Thema und Radagasts Thema werden vollständig fallen gelassen.
Unter Einbeziehung all dessen, was einem anderen Soundtrack gut das Genick hätte brechen können, muss allerdings gesagt werden, dass die Hobbit-Soundtracks zwar schwächer als die HdR-Scores sind, aber immer noch sehr viel stärker als fast alles andere. Shores Gespür für Leitmotive, Instrumentierung und interessante musikalische Texturen ist nach wie vor brilliant – allein, was er in der Trilogie mit Smaugs Thema alles anstellt sucht in der Welt der Filmmusik Seinesgleichen. Jeder der drei Hobbit-Soundtrack war für mich bisher jeweils der beste Soundtrack des Jahres, in dem er erschienen ist.

There are far too many dwarves in my dining room: Die Schauspieler
Wenn es einen Bereich gibt, in dem die Hobbit-Filme mit den HdR-Filmen gleichziehen oder sie vielleicht sogar übertreffen (momentan will ich da noch kein Urteil fällen, das mache ich vielleicht, wenn es möglich ist, alle sechs Filme im Heimkino mit relativ wenig Zeitabstand anzusehen), dann ist das die Schauspielerei. Denn einerseits kehren viele der besten Schauspieler der HdR-Trilogie wie Ian McKellen, Andy Serkis, Cate Blanchett, Christopher Lee oder Hugo Weaving in ihre alten Rollen zurück und spielen, als hätten sie nach dem Kinostart von „Die Rückkehr des Königs“ gleich weitergemacht, und andererseits hat Jackson es geschafft, eine beeindruckende Riege an Neuzugängen zu versammeln. Um ehrlich zu sein, Martin Freeman ist eindeutig mein Lieblings-Hobbit der Mittelerde-Hexalogie. Auch Richard Armitage gefällt mir außerordentlich gut, vor allem in „Die Schlacht der fünf Heere“ darf er zeigen, was er kann. Ähnlich verhält es sich mit Lee Pace als Thranduil, Luke Evans als Bard, Benedict Cumberbatch als Smaug, und auch die restlichen zwölf Zwerge sind ziemlich gut besetzt, auch wenn sie weitaus weniger Gelegenheit bekommen, sich hervorzutun. Selbst Evangeline Lillys Tauriel hätte eine gelungene Hinzufügung sein können, gäbe es nicht dieses unsägliche Liebesdreieck – aber dafür kann man Lilly ja wohl kaum die Schuld geben.
Alles in allem hat die Hobbit-Trilogie wirklich einen herausragenden Cast. Wenn es Orlando Bloom jetzt noch hin und wieder gelingen würde, Emotionen glaubhaft darzustellen…

A Hobbit’s Tale: Adaption der Vorlage
Als Tolkien in den 30ern den „Hobbit“ schrieb, war dieser noch nicht Teil von Mittelerde, primär war er als märchenhaftes Kinderbuch konzipiert. Die wenigen vorhandenen Anspielungen an Tolkiens persönliche Mythen- und Sprachschöpfungen (die Erwähnung von Gondolin und die paar wenigen, elbischen Namen) waren im Grunde nichts weiter als persönliche Insidergags. Erst, als sich der Professor an die Fortsetzung machte, wuchs der „Hobbit“ langsam mit dem Proto-Silmarillion zusammen. In diesem Zusammenhang wurde aus Bilbos magischem Ring der Eine Ring des Dunklen Herrschers, weshalb Tolkien für die zweite Auflage des „Hobbit“ das Gollum-Kapitel umschrieb – ursprünglich verwettet Gollum seinen Ring und er und Bilbo trennen sich im Guten. Nach der Veröffentlichung des „Herrn der Ringe“ versuchte Tolkien sich an einer grundlegenden Überarbeitung des „Hobbit“, um ihn mit seinem „Hauptwerk“ konformer zu machen, allerdings kam er bald zum Schluss, dass dies dem Roman schaden würde. Somit enthält die dritte Auflage des „Hobbit“ von 1966 nur minimale Änderungen und Hinzufügungen. Überbleibsel von Tolkiens Versuchen finden sich unter anderem noch in den „Nachrichten aus Mittelerde“, einer von Christopher Tolkien herausgegebenen Sammlung diverser unvollendeter Schriften seines Vaters.
Im Grunde entspricht das, was Peter Jackson, Fran Walsh, Philippa Boyens und Guillermo del Toro (wobei nicht mehr klar ist, wie viel von del Toros Ideen überhaupt noch in den Filmen sind) für die Hobbit-Filmtrilogie erreichen wollten, Tolkiens Versuchen, seinen Roman mit dem HdR kompatibler zu machen, sodass viele Informationen aus dem HdR und seinen Anhängen herangezogen wurden (allerdings nicht, wie man so häufig liest, aus dem „Silmarillion“, und auch nicht aus „Nachrichten aus Mittelerde“, an beiden hat New Line nämliche keine Rechte). So weit, so gut, ich hätte an ihrer Stelle vermutlich einen ähnlichen Ansatz gewählt. Allerdings muss ich sagen, insgesamt betrachtet sind Jackson und Co. für meinen Geschmack sowohl zu weit als auch nicht weit genug gegangen. Zu weit, weil sie den „Hobbit“, vor allem durch die Anfangs- und Schlussszene, aber auch durch viele plumpe Verweise, im Grunde seiner Eigenständigkeit beraubt und zum reinen Herr-der-Ringe-Prequel gemacht haben, das vor allem in Abhängigkeit zur ursprünglichen Filmtrilogie steht. Andererseits hatten sie allerdings nicht den Mut (vor allem wohl wegen Puristen und Fanerwartungen) pragmatischer zu adaptieren und die Kinderbuchelemente auszulassen – dies betrifft vor allem „Eine unerwartete Reise“, aber auch Elemente in den anderen beiden Teilen. Beorn hätte man in der Kinofassung genauso gut auslassen und sich komplett für die SEE aufheben können.
Im Grunde ist der erste Hobbit-Film sogar eine ziemlich genaue Adaption, bei der es weniger Änderungen als viel mehr Hinzufügungen in Form von HdR-Foreshadowing bzw. -Hintergrundmaterial gibt, was dazu führt, dass Kinderbuchinhalte wie die Trolle und der Großork und die eher düsteren Vorausdeutungen ein relativ ungleichmäßiges Bild abgeben. Allerdings konzentriert sich „Eine unerwartete Reise“ trotz allem auf die wichtigsten Figuren, nämlich Bilbo und Thorin, und, mehr noch, er hat es bei mir geschafft, das alte Mittelerde-Feeling zu erwecken.
„Smaugs Einöde“ hat es zwar geschafft, eine einheitlichere Atmosphäre zu etablieren als „Eine unerwartete Reise“, hat dafür aber ganz andere Probleme, die sich in zwei Wörtern zusammenfassen lassen: Unnötige Subplots. Gerade hier merkt man die Ausdehnung der Vorlage am meisten und am unangenehmsten. Wurde „Eine unerwartete Reise“ vor allem mit mehr oder weniger von Tolkien stammendem Hintergrundmaterial (die Schlacht von Azanulbizar, das Auftauchen des Nekromanten etc.) erweitert, sind es in „Smaugs Einöde“ vor allem Erweiterungen von den Drehbuchautoren, die qualitativ leider einfach abfallen und platt wirken. Dabei sind durchaus einige gute Ideen dabei, etwa Bard, der bereits sehr früh eingeführt wird und im Film um einiges interessanter und plastischer ist als im Roman (nicht zuletzt dank Luke Evans). Aber die Dreiecksbeziehung von Legolas, Tauriel und Kili oder die Leinwandzeit des Bürgermeisters von Esgaroth und seines Gehilfen Alfrid sind nun wirklich unnötig und tragen im Grunde nichts sinnvolles zur eigentlichen Handlung bei. Das Hauptproblem bei diesem Film ist, dass die eigentlichen Hauptfiguren stagnieren – die Hauptentwicklung des Verhältnisses zwischen Bilbo und Thorin fand bereits in „Eine unerwartete Reise“ statt und wird erst in „Die Schlacht der fünf Heere“ wieder fortgesetzt. Im Grunde verhält sich Thorin Bilbo gegenüber in „Smaugs Einöde“ einfach zu kalt. Allgemein geht Bilbo für einen Film, der „Der Hobbit“ heißt, irgendwie unter. Im ersten Drittel tötet er ein paar Spinnen, befreit die Zwerge aus Thranduils Verließen… und dann läuft er bis zum Dialog mit Smaug eigentlich nur den Zwergen hinterher. Und dann ist da natürlich noch die unterirdische Jagd durch den Erebor…
Diese Nebenbaustellen hat „Die Schlacht der fünf Heere“ zwar auch noch (und sie stören mich), dafür ist aber der emotionale Kern, sprich Thorin und Bilbo, wieder intakt, was das Ganze gegenüber „Smaugs Einöde“ eindeutig aufwertet, auch wenn immer noch zu viel gestreckt wird. Stattdessen kommen andere Figuren zu kurz: Ich hätte viel lieber mehr von Dáin Eisenfuß gesehen statt von Alfrid – wenn man schon erweitert, warum dann nicht die Figuren, die auch tatsächlich in der Vorlage da sind, anstatt denen, die man extra dazu erfunden hat? So hätten auch Thorins Tod (und der von Fili und Kili) sehr viel emotionaler sein können, hätte man nicht ständig wieder bei irgendwelchen Nebenschauplätzen vorbeigeschaut.

Fazit: Und was bleibt zum Schluss zu sagen? Es ist nicht so, dass die Hobbit-Trilogie völlig misslungen wäre, es gibt viele gelungene Elemente und gute Ideen, aber auch vieles, das unnötig , platt oder schlicht unpassend ist. So schaffen es die Filme letztendlich nicht, über die Summe ihrer Teile hinauszuwachsen und sich zu einem Gesamtwerk zu verbinden, so wie es bei der HdR-Trilogie der Fall war. Das Ganze wäre nicht einmal so tragisch, wenn es sich dabei nur um eine „gewöhnliche“ Fantasy-Trilogie handeln würde, aber es ist nun einmal Mittelerde, da reicht das Schlussurteil „ganz in Ordnung“ einfach nicht aus. Ich denke, letztendlich war die Teilung in drei Filme der größte Fehler, denn ich wage einmal die These, dass irgendwo in diesen drei mäßigen Streifen zwei gute Filme stecken.

Siehe auch:
Der Hobbit: Eine unerwartete Reise
Der Hobbit: Eine erwartete Rezension Teil 1
Der Hobbit: Eine erwartete Rezension Teil 2
Der Hobbit: Eine erwartete Rezension Teil 3
Der Hobbit: Smaugs Einöde
Der Hobbit: Smaugs Einöde – Analytische Rezension
Der Hobbit: Die Schlacht der fünf Heere

Der Hobbit: Eine erwartete Rezension – Teil 2

THE HOBBIT: AN UNEXPECTED JOURNEY

„I’ve got parasites the size of my arm!“ – Die drei Trolle
Die Szene, in der die drei Trolle Bert, William und Tom Bilbo und die Zwerge fangen und überlegen, wie man sie am besten zubereitet, gehört zu den ikonischsten des Romans – aber auch zu denen, die einen starken Kinderbuchcharakter haben und unter Betrachtung des „Herrn der Ringe“ und des „Silmarillion“ ein wenig fehl am Platz wirken. Die Trolle im HdR und auch in Jacksons Verfilmung waren Kampfmaschinen, die kein Wort von sich geben und lediglich als besonders zähe Gegner fungiert haben – man denke nur an den Höhlentroll in „Die Gefährten“. Bert, William und Tom dagegen sind klassische, dumme, für ein Kinderbuch recht typische Antagonisten, die überlistet werden sollen.
Ich könnte mir vorstellen, dass diese Szene Peter Jackson und seinen Co-Autoren durchaus Kopfzerbrechen bereitet haben dürfte, da sie einerseits von dem bisher etablierten Bild der Trolle stark abweicht, es andererseits aber enorme Proteste gegeben hätte, wäre sie nicht oder stark verfremdet enthalten.
Letztendlich entschied man sich, sie mit nur geringen Abweichungen zu integrieren. Die sprechende Geldbörse, die Bilbo im Roman von einem der Trolle stehlen will, wurde entfernt, stattdessen wird er durch Zufall geschnappt, als er versucht, die Ponys der Zwerge zu befreien (und ist damit schon der zweite Held, der sich mit Trollpopel herumärgern muss). Insgesamt lässt sich beobachten, dass die Trolle eigentlich noch dümmer sind als im Roman – womit quasi ein Kompromiss zwischen den nicht sprachfähigen Trollen der HdR-Trilogie und den Trollen, wie sie in Tolkiens „Hobbit“ auftauchen, geschlossen wird. Im Film werden die drei von Zwergendarstellern per Motion Capture gespielt, Bert von Mark Hadlow (Dori), William von Peter Hambleton (Glóin) und Tom von William Kircher (Bifur). Das Design wirkt ein wenig menschlicher als bei den HdR-Trollen. Zugegebenermaßen erreicht die Qualität der Troll-Animationen nicht die Gollums.
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Die drei Trolle Willam (Peter Hambleton), Tom (William Kircher) und Bert (Mark Hadlow)

Eine weitere Änderung findet sich in der Art, wie die Zwerge gefangen genommen werden: Im Roman werden sie einfach eingesammelt, während sie im Film vorinformiert sind und die Trolle unter Begleitung und einer markanten und sehr heroischen Blechbläservariation des Misty-Mountain-Themas angreifen – jedenfalls bis die Trolle drohen, Bilbo auseinander zu reißen. Auch ist es im Film nicht Gandalf, der die Trolle mit verstellter Stimme beschäftigt, sondern Bilbo. Gandalf taucht erst auf, als die Sonne auch wirklich aufgeht, und spaltet in bester Moria-Manier einen Felsen.
Besonders auffällig an dieser Szene ist, dass Bilbo im Film weitaus besser dasteht als im Buch. Anstatt Unnützes zu tun wie eine Trollbörse zu stehlen, versucht er, die Ponys zu befreien, was durchaus logisch ist und auch funktioniert hätte, hätte einer der Trolle sich nicht die Nase putzen müssen. Ebenso verrät Bilbo die Anwesenheit der Zwerge im Film nicht (im Buch fällt ihm immerhin noch ein, dass man so etwas ja eigentlich nicht tut). Und natürlich ist er es, der die Trolle zu einer Diskussion veranlasst, während die Zwerge vor allem komödiantische Zwecke erfüllen – der Zwergenspieß ist wirklich unheimlich albern. Dass diese Szene so funktioniert ist vor allem Martin Freeman zu verdanken, der das Ganze dominiert und Bilbos Handlungen großartig und nachvollziehbar darstellt.
Der auf die Trollszene folgende Schwertfund ist sehr buchgetreu dargestellt, auch wenn der Fokus noch einmal auf Thorins Abneigung gegen die Elben (und auch das, was sie geschaffen haben) gelegt wird. Das Aussehen von Glamdring und Stich ist ja bereits aus den HdR-Filmen bekannt. Orcrists Design ist recht interessant: Das Elbenschwert ist kürzer, einschneidig und alles in allem ein wenig kompakter, um so besser zu Thorin zu passen. Von Glamdring unterscheidet es sich ziemlich stark, die Klinge erinnert jedoch an Stich (obwohl Letzteres zweischneidig ist). Dies legt die Vermutung nahe, dass Stich ursprünglich als Zweitwaffe von demjenigen, der Orcrist führte, benutzt wurde – jedenfalls scheint dies die Intention der Filmemacher gewesen zu sein.
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Thorin mit Orcrist

Und wo wir gerade bei Elbenschwertern sind: In den Filmen (sowohl HdR als auch „Hobbit“) scheint ausschließlich Stich blau zu glühen, während in den Romanen sämtliche Schwerter aus Gondolin blau leuchten, wenn Orks in der Nähe sind. Allerdings fällt auf, dass sowohl Glamdring als auch Orcrist zumindest ein wenig zu glühen scheinen – besonders gut sichtbar in „Die Rückkehr des Königs“ (Special Extended Edition) in der Szene, in der Pippin und Gandalf über das Leben nach dem Tod sprechen.

„A dark power has found a way back into the world.“ – Radagast der Braune und Dol Guldur
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Gandalf (Ian McKellen) und Radagast (Sylvester McKoy)

Nach Azog ist Radagast der Braune (gespielt von Sylvester McCoy) die zweite Figur, die die Gemüter enorm erhitzte. Ein Kritiker sprach gar von einem Jar-Jar-Binks-Äquivalent. So schlimm ist es gottseidank nicht, zugegebenermaßen wäre in Bezug auf Radagast aber weniger mehr gewesen. Die Figur an sich, ebenso wie ihre Darstellung, stört mich nicht, allerdings wird Radagast wohl auch nicht zu meiner Lieblingsfigur werden. Sein Debüt feiert er bereits vor der Trollszene: Gandalf erzählt Bilbo von den anderen vier Zauberern. Der Grund, weshalb er sich nicht an die Namen der beiden blauen Zauberer erinnert (sie heißen Alatar und Pallando), findet sich in den verfügbaren Lizenzen: Für die Hobbit-Filme stehen der „Herr der Ringe“ und der „Hobbit“ zur Verfügung, nicht aber die Tolkien-Schriftensammlung „Nachrichten aus Mittelerde“, in der die beiden blauen Zauberer namentlich genannt werden.
Kurz nach besagtem Dialog entfernt sich die Filmhandlung erst einmal von den Zwergen und Bilbo und wendet sich stattdessen Radagast und den Vorkommnissen im Grünwald bzw. Düsterwald zu. Der braune Zauberer stellt fest, dass eine dunkle Macht sich in der alten Festung Dol Guldur (deren Design phänomenal ist) eingenistet hat und von dort aus den Wald regelrecht vergiftet. Nebenbei bemerkt: Bei Tolkien ist diese dunkle Macht, Sauron in Gestalt des „Nekromanten“ (im Film nur einmal als schattenhafter Umriss zu sehen) schon ein wenig länger aktiv. Ich persönlich habe allerdings die Theorie, dass die erste Radagast-Szene bereits vor dem Beginn der eigentlichen Hobbit-Handlung stattfindet und nicht parallel zur ersten Reiseetappe der Gemeinschaft. Das würde auch erklären, wie Radagast so unwahrscheinlich schnell vom Düsterwald nach Eriador gekommen ist – Rhosgobel-Kaninchen hin oder her. Genau diese sind übrigens, ebenso wie die Geschichte mit der Heilung des Igels Sebastian und Radagasts Reaktion auf Pfeifenkraut, die besagten Fälle, bei denen weniger mehr gewesen wäre. Von diesen „Ausrutschern“ einmal abgesehen hat Radagast durchaus auch klarere, sprich: ernsthafterer Momente (speziell der kurze Kampf mit dem Hexenkönig) und trägt auch wirklich etwas zur Geschichte bei. Wenn man einmal außen vorlässt, dass die Szenen im Düsterwald nach Tolkien sehr viel früher hätten spielen müssen – in den Büchern war sich der Weiße Rat zu diesem Zeitpunkt bereits darüber im Klaren, wer sich da im Düsterwald niedergelassen hat, stattdessen diskutierte man darüber, ob man ihn austreiben sollte oder nicht – hätte es in der Tat Radagast sein können, der Saurons Rückkehr bemerkt und dem Weißen Rat davon berichtet.
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Die finstere Festung Dol Guldur

Schließlich wäre da noch die Konfrontation mit den Wargreitern. Generell habe ich gegen die Konzeption dieser Szene nichts einzusetzen – es ist verständlich, dass hier die Spannung noch etwas aufgebaut wird – die Umsetzung schmeckt mir allerdings auch nicht wirklich. Die Warge selbst gefallen mir eigentlich recht gut und ich sehe auch kein Problem mit der Art und Weise, wie Warge in der HdR-Trilogie in Erscheinung treten; während sie im „Hobbit“ einfach sehr große und bösartige Wölfe sind (so hatte ich sie mir auch ursprünglich beim Lesen vorgestellt), hatten sie in der HdR-Trilogie mehr mit Hyänen gemein. Die Lösung für diese Inkonsistenz: Bei den HdR-Wargen handelt es sich um eine südliche Rasse, während die Hobbit-Warge aus Gundabad, einer Orkfestung im Norden des Nebelgebirges stammen.
Was dagegen stört ist die Landschaft, die einfach nicht so wirklich in die Gegend um Bruchtal passen will und mehr nach Rohan aussieht. Und schließlich ist die Jagd mit dem Kaninchenschlitten doch ein wenig zu viel Slapstick.

„You are not the only guardian to stand watch over Middle-earth.“ – Bruchtal und der Weiße Rat
Bruchtal entschädigt glücklicherweise für die erste Konfrontation mit den Wargreitern. Gerade hier finden sich natürlich verdammt viele Verweise auf die HdR-Trilogie. Die meisten davon sind sehr gut gelungen. Beispielsweise ist es sehr schön, noch einmal vollgerüstete Elbenkrieger und Elrond (Hugo Weaving) in voller Montur zu sehen. Einige haben es auch nicht in die Kinoversion geschafft, etwa die Szene (im ersten Trailer zu sehen), in der Bilbo die Bruchstücke von Narsil entdeckt.
Nach der Ankunft der Zwerge ist alles ziemlich buchgetreu inszeniert, allerdings sind Elben weniger verspielt als im Roman und Thorins Abneigung gegen sie wird noch einmal besonders betont. Recht auffällig in diesem Abschnitt ist, dass Bilbo in den Hintergrund tritt, zwar ist er überall dabei, bekommt aber kaum Gelegenheit, etwas beizutragen.
Von größtem Interesse ist natürlich die Zusammenkunft des Weißen Rates. Auch diese finde ich prinzipiell sehr gelungen, auch wenn sie ein paar kleine, wenn auch nahvollziehbare, Schönheitsfehler hat. Dem Kenner fällt natürlich sofort auf, dass der Rat mit lediglich vier Mitgliedern zu klein ist. Die Intention ist klar, die Macher wollten die unbedarften Zuschauer nicht mit zusätzlichen, unbekannten Figuren verwirren, aber zumindest Radagast hätte ebenfalls dazugehört – er war ja sowieso gerade in der Gegend. Und ich hätte auch gerne Círdan, Glorfindel, Erestor oder andere wichtige Elben gesehen. Davon abgesehen gibt es noch in der Diskussion etwas, das ein wenig merkwürdig anmutet. Ob der Dolch des Hexenkönigs von Angmar wirklich vonnöten gewesen wäre, ist sicherlich diskutabel, aber ich fand vor allem das Gespräch über das Grab des Hexenkönigs ein wenig seltsam, da sie den Anschein erweckt, der Fürst der Nazgûl habe zu Lebzeiten über Angmar geherrscht, sei begraben worden und dann als Ringgeist zurückgekehrt. Das widerspricht zumindest Tolkien direkt, und auch der Prolog von „Die Gefährten“ suggeriert, dass die neuen Ringgeister bereits seit dem Zweiten Zeitalter aktiv sind. Die beiden kommenden Filme werden zeigen, was sich aus diesen Andeutungen entwickelt.
Davon abgesehen finde ich die Szene allerdings grandios, vor allem wegen Cate Blanchett und Christopher Lee. Erstere ist (wie Gandalf korrekt feststellt) wirklich nicht gealtert, und spielt sogar fast noch besser als in der HdR-Trilogie. Und Christopher Lee verdient den höchsten Respekt; mit 90 noch in Filmen mitzuspielen ist eine beeindruckende Leistung. Hier wurde er sogar erfolgreich verjüngt, sein Gesicht ist ein wenig faltenfreier und sein Bart ein wenig dunkler als in der HdR-Trilogie.
THE HOBBIT: AN UNEXPECTED JOURNEY
Der Weiße Rat von links nach rechts: Gandalf (Ian McKellen), Galadriel (Cate Blanchett), Saruman (Christopher Lee) und Elrond (Hugo Weaving)

Auch das Verhältnis der Figuren, wie es in dieser Szene dargestellt wird, gefällt mir ausnehmend gut und erinnert sehr an die „Nachrichten aus Mittelerde“ (natürlich ohne, dass besagtes Buch wirklich miteinbezogen würde): Saruman, der auf Gandalf herabblickt, gleichzeitig eifersüchtig ist und prinzipiell gegen ihn spricht (was auch die Frage aufwirft, in wie weit Saruman hier bereits eigene Ambitionen verfolgt) und Gandalf, der sich als geringer sieht als er ist, aber trotzdem gegen das Haupt des Ordens arbeitet und sowieso tut, was er will. Allgemein ist der Gandalf dieses ersten Hobbit-Films ein wenig unsicherer und weniger energisch als der Gandalf der HdR-Trilogie.
Unbedingt erwähnenswert ist im Zusammenhang mit dieser Szene noch Howard Shores Musik, denn was er hierfür komponiert hat, ist wunderbar vielschichtig und gehört zu den besten Verarbeitungen von HdR-Themen im Hobbit-Score. Gekonnt verwendet er Andeutungen des Isengart- und Sauron-Themas, um Zukünftiges anzudeuten, verwoben mit neuen Variationen der Themen für Bruchtal und Lórien.
Der Aufbruch der Gemeinschaft (ohne Gandalf wohlgemerkt, der im Buch dabei ist) schließlich spiegelt, wie nicht anders zu erwarten, den Aufbruch der Gefährten wieder. Statt einer epischen Variation des Gefährtenthemas gibt es eine nicht minder epische des Misty-Mountain-Themas, dazu umwerfende Landschaftsaufnahmen von Neuseeland.
Letztendlich ist das größte Manko des Bruchtal-Abschnitts ist wohl, dass er ein wenig zu kurz geraten ist – hier wird allerdings mit ziemlicher Sicherheit die Extended Edition Abhilfe schaffen.

Siehe auch:
Der Hobbit: Eine unerwartete Reise
Der Hobbit: Eine erwartete Rezension – Teil 1
Der Hobbit: Eine erwartete Rezension – Teil 3
Der Hobbit: Eine unerwartete Reise – Soundtrack

The Wolfman

Story: Nach langer Zeit der Abwesenheit kehrt der Schauspieler Lawrence Talbot (Benicio del Toro) zu seinem Elternhaus in dem abgeschiedenen englischen Ort Blackmoor zurück, da sein Bruder brutal ermodert wurde. Die Umstände dieses Mordes sind allerdings nicht wirklich klar. War es ein Wahnsinniger? Oder der Tanzbär der Ziegeuner, die sich derzeit im Dorf aufhalten? Oder handelt es sich doch um einen Werwolf?
Natürlich ist Letzteres der Fall, und kurz darauf wird Lawrence von der Bestie gebissen, was nicht nur zu Komplikationen mit den Dorfbewohnern führt, sondern auch von Talbots Vater (Anthony Hopkins), der Witwe seines Bruders (Emily Blunt) und dem bekannten Inspektor Abberline (Hugo Weaving) mit „Interesse“ verfolgt wird…

Kritik: Dieses Remake des Schwarzweiß-Klassikers von Universal nutzt seine Möglichkeiten leider bei Weitem nicht aus. Die Charaktere bleiben relativ blass, die Story ist äußerst traditionell und vorhersehbar und der eine oder andere Logikfehler, vor allem bezüglich des Vollmondes, schleicht sich hin und wieder ein. Das heißt aber nicht, dass „The Wolfman“ nicht trotzdem Spaß macht. Die Atmosphäre des Films ist tadellos gelungen, das alte Herrenhaus der Talbots und das nächtliche London sind vorzüglich im Stil der Gothic Novels getroffen. Auch die Schauspieler liefern durchaus gute Arbeit ab; Benicio del Toro, der Lawrence Talbot spielt, kommt zwar nicht an seine Darstellung des Jack Rafferty in „Sin City“ heran, liefert aber einen soliden Werwolf. Hugo Weavings Abberline ist leider bei weitem nicht so interessant wie Johnny Depp in dieser Rolle oder Depp als Ichabod Crane in ähnlicher Konstellation, was aber vor allem dem Drehbuch geschuldet ist; Weaving holt aus der Rolle heraus, was herauszuholen ist. Die beste Darstellung liefert allerdings Anthony Hopkins ab, der beweist, dass er auch in seinem fortgeschrittenen Alter noch sehr gut dazu in der Lage ist, eine hintergründige Bestie zu verkörpern, die dieses Mal sogar ein „echtes“ Monster ist. Einzig Emily Blunt ist so blass wie ihre Rolle.
Fazit: Kein Meisterwerk des Horrorfilms, aber ein amüsanter und traditioneller Werwolffilm mit ein paar nett-blutigen Einlagen und gutem Cast. Werwolfverhunzungen á la Twilight-Saga auf jeden Fall vorzuziehen.

Trailer