Mittlere Spoiler!
Story: Es ist wieder einmal soweit: Amanda Waller (Viola Davis) hat ein spezielles Anliegen, für das sie einige der übelsten inhaftierten Superschurken zwangsverpflichtet. Auf der südamerikanischen Insel Corto Maltese fand jüngst ein Putsch statt, der eine neue, antiamerikanische Regierung an die Macht gebracht hat – aus diesem Grund muss „Jötunheim“, eine Forschungseinrichtung, in der gefährliche Experimente durchgeführt werden, zerstört werden. Waller stellt zwei Teams zusammen – das erste wird nonchalant geopfert, lediglich Harley Quinn (Margot Robbie) und Rick Flagg (Joel Kinnaman) überleben und müssen sich vorerst alleine durchschlagen. Zugleich kann das zweite Team, bestehend aus Bloodsport (Idris Elba), Peacemaker (John Cena), Polka-Dot Man (David Dastmalchian), Ratcatcher 2 (Daniela Melchior) und King Shark (Sylvester Stallone), seine Mission erfolgreich beginnen. Während sich die Mitglieder der Suicide Squad auf recht blutige und rücksichtlose Weise Jötunheim nähern, um über den Chefwissenschaftler Gaius Grieves (Peter Capaldi) Zugang zu erhalten, lernen sie nicht nur einander besser kennen, im Verlauf der Mission erfahren sie auch, dass deutlich mehr hinter den Kulissen ihrer Mission lauert…
Kritik: Suicide Squad, Versuch 2 – wir erinnern uns mit Sicherheit noch alle an David Ayers Versuch, die Task Force X auf die Leinwand zu bringen – ebenso wie an Warner Bros. recht hirnverbrannte Idee, den Film als Reaktion auf die schlechten Kritiken von „Batman v Superman: Dawn of Justice“ zum Neuschnitt an eine Trailerschmiede zu geben. Das Endergebnis ist ein Musterbeispiel dafür, wie man einen Film nicht schneiden und strukturieren sollte – von den ganzen inhaltlichen Problemen gar nicht erst zu sprechen. Dennoch war „Suicide Squad“, trotz unterirdischer Rezeption, erstaunlich erfolgreich, weshalb Warner trotz allem zumindest am Konzept (und Margot Robbies Harley Quinn) festhielt. Zuerst versuchte man, mit „Birds of Prey“ die Idee eines Antihelden-Team-Films rund um Harley ein zweites Mal umzusetzen, und nun mit „The Suicide Squad“ zum dritten Mal. Die Idee hinter diesem dritten Versuch ist schon logisch – Ayers Film war im Grunde der Versuch, eine DC-Version der „Guardians of the Galaxy“ zu schaffen, warum also nicht gleich den Guardians-Regisseur für diese etwas kuriose Mischung aus Reboot und Sequel anheuern?
Tatsächlich sind viele Elemente des Plots dem des Streifens von 2016 überaus ähnlich, sowohl die Grundkonstellation als auch der Umstand, dass Waller selbst Dreck am Stecken hat. Und gerade bei Bloodsport, seiner Ausgangssituation (problematische Beziehung zur Tochter) und seiner Entwicklung werde ich das Gefühl nicht los, dass zum einen oder anderen Zeitpunkt noch geplant war, Will Smiths Deadshot an seiner statt zu verwenden. Während es keine direkten inhaltlichen Verweise auf den Ayer-Film gibt, finden sich mit Viola Davis‘ Amanda Waller, Margot Robbies Harley Quinn, Joel Kinnamans Rick Flagg und Jai Courtneys Captain Boomerang vier Rückkehrer – wobei nur die ersten drei eine wichtige Rolle spielen, während Boomerang sehr schnell das zeitliche segnet.
Strukturell ist James Gunns „The Suicide Squad” deutlich solider als der Ayer-Film – wobei gerade hier Ayer kaum ein Vorwurf gemacht werden kann, schließlich war er zumindest für diesen Aspekt des Debakels nicht verantwortlich. Gunn hält sich im Großen und Ganzen an die klassische Drei-Akt-Struktur, allerdings mit Ausnahmen, die zeigen, dass man die Regeln durchaus verletzen kann, wenn man sein Handwerk beherrscht. Man könnte sagen, dass Gunn zwei separate Kurzfilme in diesen Langfilm integriert hat. Zum einen wäre das der Anfang, in dem wir dem Schurken Savant (Michael Rooker) folgen, der für die Suicide Squad rekrutiert wird, die anderen Mitglieder trifft, zum Einsatz geflogen wird und anschließend, wie fast alle anderen, äußerst unrühmlich (und sehr blutig) zu Tode kommt, bevor wir dann anschließend dem echten Ensemble, dem wir in diesem Film folgen, vorgestellt werden. Rein storytechnisch wäre dieser Prolog, der auch als in sich geschlossener DC-Kurzfilm funktionieren könnte, nicht nötig gewesen, zugleich ist er aber verdammt unterhaltsam und gibt einen guten Vorgeschmack auf die Tonalität des Films. Ähnlich von der Haupthandlung isoliert wirkt Harleys kurze, nennen wir es in Ermangelung eines besseren Wortes, „Romanze“ mit dem Präsidenten von Corto Maltese – diese ist ebenfalls eine relativ in sich geschlossene Episode, die ein wenig wie ein Fremdkörper wirkt, zugleich aber nicht nur äußerst kreativ und lustig ist, sondern auch Harleys Charakterentwicklung von der „Freundin des Jokers“ zu einer eigenständigen Person deutlich besser darstellt, als es „Birds of Prey“ gelingt.
Trotz aller Gemeinsamkeiten mit dem indirekten Vorgänger, sei es Handlung oder ungewöhnliche Struktur, gibt es vor allem einen großen Unterschied zum 2016er-Film: „The Suicude Squad“ funktioniert. Man merkt sofort, dass dies genau der Film ist, den James Gunn drehen wollte, ohne dass ihm jemand reingeredet hat. Und anders als andere Regisseure inner- wie außerhalb des DC-Universums besitzt Gunn genug Kompetenz, damit das auch klappt. Zwar wird es „The Suicide Squad“ nicht völlig gerecht, aber man kann durchaus stilistisch von einer Mischung aus Gunns früherer Superhelden-Dekonstruktion „Super“ und den beiden „Guardians of the Galaxy“ sprechen. Gewaltgrad und kruder Humor, der oft unter der Gürtellinie einschlägt, erinnern eindeutig an Ersteren, während die Teamdynamik und die Figurenzeichnung und -entwicklung Parallelen zu den „Guardians“ aufweisen – dieses Mal allerdings ohne, dass Gunn an die Vorgaben des MCU gefesselt wäre. Unter all dem Blut und den perfiden Gags steckt nämlich verdammt viel Herz, gerade wenn es um Bloodsport, Ratcatcher 2 und Polka-Dot Man geht. Selbst King Shark, von dem man meinen könnte, er sei eher ein wandelnder Gag, wird von Gunn als Figur ernst genommen. Apropos Figuren: Gunn hat sich hier wirklich in die Tiefen des DC-Universums begeben und, mit nur einigen wenigen Ausnahmen (primär Harley) wirklich die C- und D-Liste der Schurken abgearbeitet. Zudem bekommt hier Starro, der Eroberer, ein essentieller Justice-League-Feind, seinen ersten Leinwandauftritt.
Alles in allem scheint „The Suicide Squad“ viele der „normalen“ Kinogänger, die sich nicht unbedingt in die Materie einarbeiten, eher irritiert oder überfordert zu haben, sei es wegen des nicht besonders gelungenen Marketings, des Umstandes, dass hier ein Sequel zu einem Film geliefert wird, der einen ziemlich schlechten Ruf hat (und zudem fast gleich heißt), der eher antiamerikanischen Botschaft zum vielleicht falschen Zeitpunkt oder aufgrund der oben aufgezählten inhaltlichen Eigenheiten. Jedenfalls kann sich Gunns Werk an den Kinokassen nicht behaupten, wobei es angesichts von Corona und dem damit zusammenhängenden Umstand, dass der Film in den USA parallel auf HBO Max veröffentlicht wurde, schwer zu sagen ist, wie die Zahlen tatsächlich zu interpretieren sind. Bei all dem sollte man über eine simple Tatsache aber nicht hinwegsehen: James Gunns „The Suicide Squad“ sieht nicht nur grandios aus und verfügt über einen tollen Cast, der zweite Leinwandausflug der Task Force X ist ein vollkommen gelungener Anti-Helden-Film mit viel krudem Humor, viel Blut und vor allem viel Herz.
Fazit: Wenn der Suicide-Squad-Film von 2016 nötig war, um „The Suicide Squad“ zu bekommen, dann war es das wert. James Gunn liefert einen ebenso kompromisslosen wie lustigen und berührenden DC-Film ab, der ohne Frage der bislang beste des immer weiter ausfransenden DC Extended Universe ist.