Batman: The Dark Knight Strikes Again

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Während Frank Miller in den 80ern Daredevil und Batman auf Vordermann brachte, beschäftigte er sich in den 90ern primär mit eigenen Projekten, die beim Verlag Dark Horse veröffentlicht wurden. Bei „Hard Boiled“ und „Give Me Liberty“ fungierte er lediglich als Autor und arbeitete mit den Zeichnern Geof Darrow und Dave Gibbons zusammen, während er bei den aufgrund der Verfilmungen deutlich bekannteren Werken „Sin City“ und „300“ selbst den Zeichenstift schwang. Anfang des neuen Jahrtausends kehrte er dann jedoch zu Batman zurück und schrieb und zeichnete mit „The Dark Knight Strikes Again“ eine Fortsetzung zu seinem populärsten Werk. Zu sagen, dass besagte Fortsetzung hinter den Erwartungen zurückblieb, wäre eine maßlose Untertreibung. Die meisten Fans des Originals erwarteten eine stringente Fortführung der Handlung und ein Anknüpfen an den visuellen Stil des Originals – beides verwehrt Miller seinen Lesern.

Handlung und Struktur
„The Dark Knight Returns“ war sehr ordentlich und sauber strukturiert, der Handlung ließ sich gut folgen und trotz der Auftritte anderer DC-Helden wie Superman oder Green Arrow war Batman ganz ohne Zweifel der Protagonist. Die Fortsetzung dagegen ist in ihrer Erzählweise völlig diffus und chaotisch, während es, trotz des Titels, keinen eindeutigen Protagonisten gibt – Batman ist ganz sicher nicht die Hauptfigur dieses Machwerks, er kommt nämlich kaum vor. Auch der Plot an sich ist dünner als das Papier, auf dem der Comic gedruckt ist. Drei Jahre sind seit den Ereignissen des Vorgängers vergangen, Batman arbeitet nach wie vor im Untergrund und eine wachsende Anzahl an Helden hat sich ihm angeschlossen, darunter neben Green Arrow, der bereits in TDKR für den Dunklen Ritter arbeitete, Plastic Man, Flash und The Atom. Superman, Wonder Woman und Captain Marvel/Shazam arbeiten hingegen für die Regierung unter Präsident Rickard (der optisch sehr an George W. Bush erinnert), bei dem es sich allerdings nur um eine Computersimulation unter der Kontrolle der Schurken Lex Luthor und Brainiac handelt. Zusätzlich taucht auch noch ein merkwürdiger neuer Joker auf und die Flaschenstadt Kandor wird von Brainiac als Geisel genommen. Batmans Methoden im Kampf gegen die Schurken sind radikaler denn je, dennoch kommt Superman irgendwann zu dem Schluss, dass Luthor und Brainiac nur auf diese Weise aufgehalten werden können und arbeitet zähneknirschend mit Batman zusammen. Dieser lässt sich von Luthor gefangen nehmen und foltern, um von dessen Plänen zu erfahren, kurz darauf wird Luthor allerdings vom Sohn von Hawkman und Hawkgirl getötet. Der neue Joker enthüllt schließlich, dass er in Wahrheit ein wahnsinnig gewordener und beinahe-unsterblicher Dick Grayson ist, der von seinem ehemaligen Mentor in einen Vulkan geworfen wird. Batman überlebt nur Dank Supermans Hilfe. Das alles klingt willkürlich und durcheinander? Ist es auch. „The Dark Knight Strikes Again“ besteht, anders als der Vorgänger, nur aus drei Ausgaben, ist insgesamt aber trotzdem nur marginal kürzer als TDKR – die eigentliche Handlung hätte jedoch in ein Heft gepasst. Aufgebläht wird das Ganze durch ebenso flache wie unnötige Mediensatire. Diese war zwar bereits im Vorgänger vorhanden, fügte sich aber gut in die Handlung ein, während sie hier losgelöst, plakativ und völlig redundant erscheint.

Visuelle Gestaltung

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Batman und Flash in Millers Interpretation.

Ich bin nicht der größte Fan von Frank Millers Stil, der in meinen Augen in „Sin City“ mit den harten schwarz-weiß-Kontrasten am besten funktioniert. In TDKR diente er jedoch unweigerlich der Geschichte und funktionierte im Zusammenspiel mit dieser exzellent – Miller bediente sich zwar grotesker Verzerrungen, hielt die Optik aber zugleich geerdet. In „The Dark Knight Strikes Again“ hingegen kennt er keine Zurückhaltung mehr, alles sieht aus wie ein völlig überdrehter, absurder Cartoon. Füße und Hände der Figuren sind gewaltig, die Posen ebenso absurd wie anatomisch unmöglich und manche Figuren kann man nicht einmal mehr als Karikaturen ihrer selbst bezeichnen – das trifft besonders auf Lex Luthor sowie auf Batman nach der ausgedehnten Foltersession zu. Wo Miller einst sehr differenziert und detailliert zeichnete, scheint er nun jedes Interesse an aufwändigeren Illustrationen verloren zu haben. Diese Tendenz ist wohl tatsächlich direkt auf „Sin City“ zurückzuführen – in ihrer Gesamtheit zeigen die diversen Geschichten, wie Millers Stil sich wandelte. Der erste Band bzw. die ersten Miniserie, „The Hard Goodbye“, erinnert optisch noch sehr stark an TDKR, während „Hell and Back“, nur ein bis zwei Jahre vor „The Dark Knight Strikes Again“ entstanden, schon viele Elemente dieses Batman-Comics vorwegnimmt. Alle anderen Sin-City-Geschichten bewegen sich entsprechend des Entstehungsjahres auf einem Spektrum dazwischen.

Bei der Panelanordnung verhält es sich ähnlich wie bei den Zeichnungen, war diese im Vorgänger noch sehr ordentlich und nachvollziehbar, so ist sie nun chaotisch und verwirrend – völlig ohne Grund. Die Panelanordnung erscheint willkürlich und macht es mitunter schwer, dem Handlungsverlauf einer Szene zu folgen. Zusätzlich finden sich viele ganz- oder sogar zweiseitige Panels, sog. „slapsh pages“, die wirken, als wolle Miller seinen Stil in all seiner Pracht präsentieren. Was jedoch bei einem Zeichner wie Alex Ross oder Lee Bermejo, deren Panels Gemälden gleichen, an denen man sich nicht sattsehen kann, gut funktioniert, wirkt hier nur arrogant und faul.

Für die Farbgebung ist abermals Millers damalige Ehefrau Lynn Varley verantwortlich, doch wo sie sich in TDKR einer gedeckten Farbpalette bediente, verwendet sie hier eine schrille, mitunter fast schon psychedelisch anmutende digitale Koloration, die, ebenso wie die Zeichnungen, jegliche Zurückhaltung vermissen lässt. Tatsächlich fungieren Varleys Farbgebilde oft als Ersatz für tatsächliche Hintergründe, was mitunter den Eindruck erweckt, beim gesamten Werk handle es sich um einen schlechten Drogentrip. Für die gewählte Optik in „The Dark Knight Strikes Again“ gibt es nur ein zutreffendes Wort: Hässlich. Wenn ich spontan den unansehnlichsten Superheldencomic, nominieren müsste, wäre „The Dark Knight Strikes Again“ das erste Werk, das ich nennen würde. Man fragt sich unweigerlich: Konnte Miller nicht oder wollte er nicht? Hat er zu lange an „Sin City“ gearbeitet und darüber hinaus jegliches Gespür für die Farbgebung verloren? Hielt er das tatsächlich für die natürlich Evolution seines Stils oder wollte er wild experimentieren? Sollte Letzteres der Fall sein, dann ist dieses Experiment jedenfalls ordentlich in die Hose gegangen. Millers nächstes Batman-Werk, „All Star Batman and Robin, the Boy Wonder” ist zwar inhaltlich mindestens genauso bescheuert wie „The Dark Knight Strikes Again“, kann aber Dank Jim Lees Zeichnungen wenigstens visuell überzeugen.

Figuren und Deutung
Noch ein letztes Mal muss TDKR zum Vergleich herangezogen werden: Millers Meisterwerk ist ohne wenn und aber eine Auseinandersetzung mit Batman, mit den Themen und Motiven, die die Figur seit ihrer Erschaffung dominieren – eine Dekonstruktion des Dunklen Ritters. Das Ergebnis und die Aussagen des Werkes müssen einem nicht zusagen, aber es ist ohne Zweifel eine Batman-Geschichte. Wie bereits erwähnt lässt sich das über die Fortsetzung nicht sagen. Nicht nur, dass Batman bestenfalls eine Nebenfigur ist, „The Dark Knight Strikes Again“ hat im Grunde nichts über den Dunklen Ritter zu sagen, Batman hat hier keinen Handlungsbogen und ist auch kein einnehmender Charakter. Miller verschärft lediglich Batmans Arschlochtendenzen, nimmt ihm den letzten Rest Menschlichkeit und Wärme und macht ihn zu einer Karikatur der Figur, die er in „The Dark Knight Returns“ war. Problematisch ist, dass Batman hier immer recht behält und dass es seine radikalen Pläne sind, die zur Lösung der Probleme führen. In früheren Werken hinterfragte Miller Batmans Methoden und zeigte ihn als durchaus zweifelhafte Figur. Es ist nicht unübliche, dass der Dunkle Ritter sich von seinen Verbündeten entfremdet, sie schlecht behandelt oder über die Stränge schlägt – allerdings erhält er normalerweise die Quittung dafür. Hier hingegen weiß nur Batman, was gut und richtig ist. Das Gebaren Bruce Waynes ist einerseits so gnadenlos überzeichnet, dass man es eigentlich nicht ernst nehmen kann, und trotzdem wird man das Gefühl nicht los, dass Miller genau diese Art des Handelns für nötig hält. Ähnlich wie Zack Snyders Version der Figur in „Batman v Superman: Dawn of Justice“ mäht der Dunkle Ritter alles gnadenlos nieder, schreckt vor Mord und großangelegter Zerstörung nicht zurück und nimmt auch sonst keinerlei Rücksicht. Eine tatsächliche, wie auch immer geartete Auseinandersetzung mit der Figur sucht man vergeblich.

Ohnehin scheint es Miller viel stärker darum zu gehen, seine eigene, satirische Version des DC-Universums zu schaffen, statt sich tatsächlich mit Batman auseinanderzusetzen. In „The Dark Knight Strikes Again“ wimmelt es von absurden, überdrehten und merkwürdigen Versionen diverser DC-Helden, die man ohne Verlust hätte aus der Geschichte streichen können. Die paar Figuren, die tatsächlich für die Handlung mehr oder weniger essentiell sind, sind, ähnlich wie Batman, absurde Parodien ihrer selbst, deren Handlungen und Motivationen fragwürdig bis undurchsichtig bleiben. Warum etwa nennt sich Carrie Kelley, Robin in TDKR, nun Catgirl? Um Selina Kyle zu ehren? Mit dieser hatte sie nie zuvor Kontakt, weshalb sie ausgerechnet Catgirl und nicht etwa Batgirl wird, bleibt schleierhaft. Ebenso absurd wirkt Supermans Beziehung zu Wonder Woman – die beiden haben hier übrigens eine gemeinsame Tochter namens Lara, die ebenfalls kaum etwas zur Handlung beiträgt. Über die Schurken zu sprechen ist ebenfalls praktisch müßig, da Miller sie kaum charakterisiert – auch sie sind bestenfalls Karikaturen ihres üblichen Selbst, ihre Bosheit und Grausamkeit ist im Grunde reiner Selbstzweck, sie sagen nichts mehr aus. Der arme Dick Grayson kommt kaum besser weg, hier wäre zumindest ein Ansatz für interessantes erzählerisches Potential vorhanden, da Batman ja eigentlich Schuld ist, dieses wird aber zusammen mit dem Ex-Robin in der Lava versenkt. Miller erlaubt seinem Batman hier keinen Moment der Selbstreflexion oder des Zweifels.

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Lex Luthor mit Riesenpranken

Millers politische und gesellschaftliche Ansichten treten in „The Dark Knight Strikes Again“ noch einmal überdeutlich zutage. Ein gewisser Einfluss von Ayn Rands Objektivismus war bei Miller stets festzustellen, in früheren Werken, gerade „The Dark Knight Returns“, war er jedoch in der Lage, sich differenzierter mit der Thematik auseinanderzusetzen. Man geht gemeinhin davon aus, dass 9/11 etwas mit dieser „Radikalisierung“ zu tun hat – Miller lebte 2001 in New York und bekam den Anschlag auf das World Trade Center direkt mit, was nicht nur Auswirkungen auf die Entstehung von „The Dark Knight Strikes Again“ gehabt haben dürfte, sondern letztendlich zur Schaffung des Comics „Holy Terror“ führte, der zurecht als absoluter Tiefpunkt in Millers Schaffen gilt und von dem er sich inzwischen distanziert hat. Wie dem auch sei, Millers „politische Satire“ hier ist so unglaublich plump und plakativ wie nur irgend möglich. Gerade die Auftritt Ronald Reagans in TDKR war nun auch nicht gerade subtil, aber Millers Anti-Establishment-Haltung (oder Anti-Haltung im Allgemeinen) in diesem Comic wird dem Leser durch den von Luthor und Brainiac kontrollierten Fake-Präsidenten sowie diverse Kommentare Batmans mit dem Holzhammer eingebläut.

Nun stellt sich die Frage, was Miller mit „The Dark Knight Strikes Again“ eigentlich bezweckte, von der oben erwähnten politischen Botschaft einmal abgesehen. In einem Interview erklärte Miller: „I was out to remind readers about the inherent joy and wonder these superheroes offer, and also to celebrate their delicious absurdity. I saw the superheroes as Gods and Heroes in the Classic sense: Mighty, quirky, lustful, capricious, noble, petty, wrathful, unpredictable. Superman, Wonder Woman, Lara, Batman, Brainiac, Luthor, and Green Lantern are Gods. Carrie Kelley and the rest are heroes, offspring of Gods and men. Batman is the greatest of these Gods. Even though he can’t leap tall buildings or throw cars around, he knows what he wants, and he’s smarter than any of them. He uses his Pantheon to save humanity from its own self-embraced slavery.” (Quelle). Ähnlich wie viele andere Autoren, Beispielsweise Alan Moore, Grant Morrison oder Mark Waid, scheint auch Miller Probleme mit dem Einfluss gehabt zu haben, den Werke wie „Watchmen“ oder „The Dark Knight Returns“ auf die Comicindustrie und das Superhelden-Genre hatten. Das, was er in „The Dark Knight Strikes Again“ jedoch als Gegenthese präsentiert, ist weder Dekonstruktion der Trends der 90er noch Rekonstruktion der klassischen Superhelden, sondern nur ein wirres und schlecht erzähltes Konglomerat merkwürdiger Ideen und Konzepte. Oder war es Millers Absicht, zu irritieren und seine Leser und Fans vor den Kopf zu stoßen (zumindest behauptet er das im oben verlinkten Interview)? Wenn ja hat er sein Ziel definitiv erreicht.

Fazit: „The Dark Knight Strikes Again“ ist ein absoluter Tiefpunkt im Schaffen Frank Millers und in der Geschichte Batmans, ein schlecht erzähltes, visuell hässliches Machwerk, das weder mit seiner angeblichen Hauptfigur, noch mit einem der anderen Charaktere etwas sinnvolles anstellt und wie eine Sammlung aller stilistischen und inhaltlichen Schwächen Millers wirkt. Nur für Masochisten geeignet.

Titelbildquelle
Bildquelle Flash
Bildquelle Luthor

Siehe auch:
Batman: The Dark Knight Returns
Batman: Year One
Holy Terror

JLA: American Dreams

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Aufgrund der zumeist eher kürzeren Handlungsbögen von Grant Morrisons JLA-Serie erhielten einige der Paperbacks ziemlich generische Titel, die alles oder gar nichts aussagen. „American Dreams“, das zweite Paperback, das die Einzelhefte 5 bis 9 enthält, ist hierfür vielleicht nicht das Paradebeispiel, da Träume tatsächlich ein Handlungselement in einer der Storys darstellen, aber diese Träume sind weder spezifisch amerikanisch, noch hängt der Inhalt wirklich mit dem „American Dream“ zusammen. Wie dem auch sei, bei dieser Artikelreihe kann sich die Struktur von Band zu Band ändern, je nachdem, wie viele Handlungsbögen enthalten sind.

Neue Gesichter
Je nach Betrachtungsweise bekommt die JLA eineinhalb bis drei neue Mitglieder. Tomorrow Woman ist Fokus der ersten Story des Bandes und wird dort behandelt. Bei den anderen beiden handelt es sich um Green und Arrow und… Superman.

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Green Arrow/Connor Hawke (Bildquelle)

Ich erwähnte ja bereits in meiner Rezension zum letzten Band, dass DC in den 90ern sehr experimentierfreudig war. Ähnlich wie Barry Allan und Hal Jordan hatte man auch Oliver Queen, ein weiteres Urgestein des Silbernen Zeitalters, in dieser Comic-Ära entfernt und durch einen Nachfolger ersetzt. Bei diesem Nachfolger handelt es sich um Connor Hawke, Sohn von Oliver Queen, der nach dessen Heldentod die Green-Arrow-Identität annimmt. Anders als der zum Teil zynische Oliver ist Connor weitaus zurückhaltender und naiver, nicht zuletzt, da er in einem Hindu-Kloster aufgewachsen ist. Oliver Queens Tod wurde, wie so viele andere auch, in den 2000ern rückgängig gemacht. Im Rahmen des New-52-Reboots von 2011 verschwand Connor fast vollständig von der Bildfläche und tauchte nur noch einmal während des Convergence-Crossovers auf, das viele Helden und Schurken aus der DC-Historie und diversen Alternativwelten gegeneinander kämpfen ließ.

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Des Kryptoniers neue Kleidung (Bildquelle)

Superman selbst wurde zwar nicht auf diese Weise ersetzt, nachdem er Anfang der 90er kurzzeitig umgebracht und von diversen Ersatzmännern vertreten wurde, versuchten die kreativen Köpfe von DC Ende der Dekade, ihn auf anderem Wege jung und frisch zu halten – und zwar, in dem sie sein Design und seine Kräfte völlig veränderten. In den regulären Superman-Serien begannen sich seine Kräfte zu entwickeln; so prallten Pistolenkugeln nicht mehr von ihm ab, sondern flogen durch ihn durch. Nach und nach wurde er immer elektrischer und schließlich musste ein weiß-blauer Eindämmungsanzug her, damit Superman sich nicht einfach in reine Elektrizität verwandelt. Diese Veränderung wirkte sich natürlich auch auf die JLA-Serie aus, Morrison machte allerdings kein großes Aufheben darum, benutzte die neuen Kräfte, wo es gerade passte, setzte sich aber kaum mit der Wandlung auseinander. In Supermans eigenen Serien wurde ganze Angelegenheit noch merkwürdiger, als klar wurde, dass seine Fans von der Veränderung nicht allzu begeistert waren. Der „Mann aus Elektrizität“ spaltete sich in eine rote und eine blaue Version seiner selbst und kehrte am Schluss zu seinen alten Kräften und seinem alten Design zurück; lediglich die Kurzhaarfrisur seines elektrischen Alter Egos behielt er.

Woman of Tomorrow

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Tomorrow Woman (Bildquelle)

Die fünfte US-Ausgabe der JLA-Serie erzählt eine in sich abgeschlossene Geschichte. Als Kind liebte ich vor allem den Anfang, während mich der Rest verhältnismäßig kalt ließ. Der Plot ist recht simpel: Die JLA sucht neue Mitglieder und bekommt eines in Form von Tomorrow Woman, die sich jedoch als trojanisches Pferd erweist. „Woman of Tomorrow“ zeigt, wie viel Grant Morrison in einer einzigen US-Ausgabe unterbringt. Am Anfang wird (sehr knapp) Supermans neues Outfit vorgestellt, gefolgt von einem Casting für neue Ligisten. Beides ist von äußerst trockenem, sehr gelungenem Humor geprägt, der Auftritt von Tommy Monaghan alias Hitman ist definitiv ein Highlight. Die zweite Hälfte der Story ist ernster, mit Tomorrow Woman greift Morrison die Thematik eines großen Werkes der Science-Fiction-Literatur auf: „Blade Runner“ von Philip K. Dick. Tomorrow Woman ist ein Androide, geschaffen von den beiden notorischen Justice-League-Gegnern Professor Ivo (Schöpfer von Amazo, ebenfalls ein Gegner der Liga, der in einem späteren Paperback noch auftaucht) und Professor T. O. Morrow (Schöpfer des Justice-League-Mitglieds Red Tornado, der später zum Mentor des Teenager-Teams Young Justice wird). Nach und nach erweist sich, dass Tomorrow Woman zu perfekt ist, denn letztendlich opfert sie sich für die Liga, anstatt sie zu vernichten. Man wird den Eindruck nicht los, dass man aus dem Konzept dieses Hefts noch einiges mehr hätte machen können (siehe auch die Kategorie „Weiterführende Lektüre“), aber so wie es ist, ist es ein kurzweiliger Lückenfüller zwischen zwei größeren, sehr epischen Handlungsbögen.

Fire in the Sky/Heaven and Earth
In der zweiten Story von „American Dreams“ wird es buchstäblich biblisch, denn ein Engel fällt zur Erde. Zauriel, ehemaliger Schutzengel der Adlerkaste, hat sich in einen Menschen verliebt und ist deshalb sterblich geworden. Unglücklicherweise hat er zuvor mitbekommen, dass Asmodel, Anführer der Bullen-Kaste und einer der mächtigsten Kriegsengel des Himmels, den Aufstand proben möchte. Die Gelegenheit ist für Asmodel natürlich ideal, denn nun ist Zauriel verwundbar und sterblich. Allerdings hat er nicht mit der Justice League gerechnet, die verständlicherweise etwas dagegen hat, wenn die himmlischen Heerscharen ausgerechnet in Los Angeles randalieren. Während die JLA also gegen leibhaftige Engel kämpft, kocht der Dämonenfürst Neron sein eigenes Süppchen, um es den Ligisten noch schwerer zu machen.

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Superman ringt mit Asmodel (Bildquelle)

Was Morrison hier an Epik in nur zwei US-Heften auffährt ist beeindruckend. Gerade bei diesem Handlungsbogen zeigt sich, wie gut Morrisons komprimierte Erzählweise wirkt – ein bombastischer Moment reiht sich an den nächsten, bis hin zum Kampf zwischen Superman und Asmodel (mit Flashs Kommentar als Highlight). Für diese Geschichte hatte ich schon als Kind stets eine besondere Wertschätzung, vor allem von Zauriel war ich begeistert. Mit dem gefallenen Engel bereitet Morrison hier bereits den späteren Verlauf der Serie vor. Ursprünglich wollte er Hawkman als Teil der Liga sehen, doch aufgrund diverser Kontinuitätsprobleme erlaubte ihm DC die Verwendung des klassischen geflügelten Helden nicht, weshalb ein neuer geflügelter Held her musste.

Imaginary Stories/Elseworlds
Als Autor ist Grant Morrison vor allem für seine schrägen Meta-Geschichten bekannt. Seine JLA-Arbeiten sind diesbezüglich noch zahm, gerade im Vergleich zu Werken wie „Flex Mentallo“, „Animal Man“ oder „Final Crisis“. Doch auch hier finden sich diverse Meta-Elemente. Nachdem die Liga mit den marodierenden Engeln fertig geworden ist, werden sie vom Schurken The Key überrumpelt. The Key ist schon eine ganze Weile im Geschäft, hat sein Gehirn zur Hochleistung modifiziert und dabei eine Gesetzmäßigkeit entdeckt: Die Justice League gewinnt immer. Natürlich ist das letztendlich eine narrative Gesetzmäßigkeit, gerade bei einem fortlaufenden Medium wie der Comicserie. Diese Gesetzmäßigkeit möchte The Key für einen typischen, unnötig komplizierten Plan verwenden, der im Grunde sowieso nicht einmal zweitrangig ist, da er ohnehin keine Rolle spielt. Um sein Ziel zu erreichen verfrachtet er die Ligisten in simulierte Träume, aus denen sie entkommen müssen und die der eigentliche Fokus der Geschichte darstellen. In den 90ern war das Elseworld-Konzept gerade sehr beliebt; alle möglichen Autoren konnten sich ohne Rücksicht auf Verluste austoben und mit bekannten Figuren experimentieren. Morrison jongliert hier mit mehreren derartigen Ideen: Krypton explodiert nicht, stattdessen wird Kal-El zur Green Lantern, Batman hat Catwoman geheiratet und mit ihr einen Sohn gezeugt, der nun Robin zu Tim Drakes Batman ist, Wonder Woman ist als Schatzsucherin unterwegs etc. Ich persönlich hatte auch immer ein Faible für Elseworlds, weshalb ich die Alternativversionen der Helden, die dieser Storybogen präsentiert, sehr kurzweilig finde.

Zugleich führt Morrison Green Arrow auf sehr gelungene Weise ein, ohne groß dessen Hintergrund zu rekapitulieren. Connor Hawke ist im Verlauf gezwungen, auf die Trickpfeile seines Vaters zurückzugreifen, die er selbst nicht verwendet – Morrison nutzt diesen Umstand aus, um Connors Ringen mit seinem Vermächtnis und die Unterschiede zwischen Vater und Sohn auf prägnante Weise darzustellen.

Die Zeichnungen dieser dritten Geschichte stammen erstmals nicht von Howard Porter, sondern von Oscar Jimenez, dessen Stil mir ebenfalls ganz gut gefällt. Seine Zeichnungen sind etwas rauer als Porters und etwas weniger stilisiert, vermitteln im Großen und Ganzen aber eine ähnliche Atmosphäre, sodass der Wechsel nicht allzu schwer ins Gewicht fällt.

Weiterführende Lektüre
Tomorrow Woman erwies sich als erstaunlich populär und bekam, trotz ihres Ablebens, noch einige weitere Auftritte spendiert. Auf den Seiten des One Shots Girlfrenzy! JLA: Tomorrow Woman #1 (erschien auch im Rahmen der Dino-JLA-Serie) gingen Autor Tom Peyer und Zeichner Yanick Paquette näher auf ihre Zeit bei der JLA ein, während sie in der Serie „Hourman“ zumindest temporär wiederbelebt wurde und noch einen weiteren Auftritt in „Trinity“ spendiert bekam.

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Neron (Bildquelle)

Der Dämon Neron debütierte nur zwei Jahre vor dem Beginn von Morrisons JLA-Run in der Miniserie „Underworld Unleashed“, geschrieben von Mark Waid (ja, der gute Mark war in den 90ern extrem fleißig) und gezeichnet von niemand anderem als Howard Porter persönlich. „Underworld Unleashed“ diente vor allem dazu, einige Schurken des DC-Universums auf Vordermann zu bringen und sie wieder bedrohlicher zu machen. Neron tritt als Seelenhändler auf, der im Austausch für Seelen neue Superkräfte, Optimierungen und ähnliches anbietet. Unter den Event-Miniserien der 90er war (und ist) „Underworld Unleashed“ immer einer meiner heimlichen Favoriten. Zwar gab es auch eine ganze Menge Tie-Ins, aber die Geschichte funktioniert auch ohne sie, anders als es bei diversen anderen Event-Comics der Fall war und ist. Außerdem finde ich den Plottwist ziemlich clever und ich mag auch Jesse James alias Trickster als Protagonisten. Darüber hinaus beinhaltet diese Miniserie einen der besten Joker-Momente überhaupt. Im Gespräch mit einigen anderen Schurken enthüllt er, was er von Neron für seine Seele bekommen hat: Zigarren (natürlich kubanische). „Underworld Unleashed“ ist auf Deutsch als „JLA Sonderband 2: Underworld – Hölle auf Erden“ erschienen.

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Zauriel auf dem Cover von „Paradise Lost“ (Bildquelle)

Zauriels weiteres Schicksal wird in der gelungenen dreiteiligen Miniserie „JLA: Paradise Lost“, geschrieben von Mark Millar und gezeichnet von Ariel Olivetti, erzählt. Hier kommt es zur Kontaktaufnahme zwischen dem Engel und der Frau, in die er sich verliebt hat (sowie ihrem Verlobten, der die ganze Angelegenheit nicht besonders toll findet). Außerdem wird weiter geschildet, welchen Plan Asmodel und Neron eigentlich verfolgen und wie er letztendlich scheitert. Sowohl die JLA als auch der Dämon Etrigan absolvieren Gastauftritte. Auf Deutsch erschien die Miniserie in Dinos „JLA Special 2: Zauriel – Die Vertreibung aus dem Paradies“.

Fazit
„American Dreams“ ist der erste JLA-Band, der mehrere kürze Storys beinhaltet. Während „Tomorrow Woman“ und „Imaginary Stories/Elseworlds“ eher kleinere, geschlossene, aber nicht weniger gelungene Geschichten sind, muss sich „Fire in the Sky/Heaven and Earth“ bezüglich der schieren Epik definitiv nicht vor „New World Order“ verstecken. Darüber hinaus erwies sich diese Geschichte als sehr folgenreich, beeinflusste die Darstellung von Himmel und Hölle im DC-Universum nachhaltig und inspirierte mehrere direkte und indirekte Fortsetzungen.

Titelbildquelle

Siehe auch:
JLA: New World Order