Story: Viele Jahrzehnte sind vergangen, seitdem Diana (Gal Gadot) während des Ersten Weltkriegs zusammen mit dem Piloten Steve Trevor (Chirs Pine) in die Welt der Menschen kam – dieser überlebte den Krieg allerdings nicht. Selbst im Jahr 1984 trauert Diana Steve noch hinterher. Relativ unvorhergesehen taucht im Smithsonian in Washington, in dem Diana arbeitet, ein mysteriöser Stein auf, der Wünsche erfüllen kann, der sog. „Traumstein“. Dianas unscheinbare Kollegin Barbara Minerva (Kristen Wiig) beispielsweise wünscht sich, mehr wie Diana zu sein und wird dadurch nicht nur selbstbewusster und für Männer attraktiver, sondern gewinnt auch übermenschliche Stärke, verliert dabei aber langsam ihre positiven Eigenschaften. Diana selbst wünscht sich Steve zurück; dessen Seele nimmt dafür allerdings den Körper eines anderen Mannes in Besitz. Der zwielichtige Geschäftsmann Maxwell Lord (Pedro Pascal) wittert seine Chance auf Ruhm und Macht und wünscht sich, selbst zum Traumstein zu werden. Während Diana ihre Zeit mit Steve genießt, beginnt Lord, überall in der Welt für Chaos und Anarchie zu sorgen…
Kritik: Mit „Wonder Woman 1984“, einem weiteren Opfer der Pandemie, das nur teilweise in die Kinos kam und zeitgleich auf den diversen Streamingdiensten zu sehen war, distanziert sich Regisseurin Patty Jenkins noch einmal deutlich von Zack Snyders Version des DC-Universums – nach dem Erfolg des Erstlings hatte Jenkins wohl in größerem Ausmaß freie Hand und war u.a. auch am Skript beteiligt. Verfügte ihr erster Film mit der Amazone noch über einige „Snyderismen“, gerade im Action-Bereich, ist das Sequel ein deutlicher Rückgriff auf die Superheldenfilme früherer Tage und orientiert sich stilistisch und inhaltlich vor allem an Sam Raimis Spider-Man-Trilogie und Richard Donners „Superman“ – man könnte mitunter fast meinen, der Film spiele nicht nur im Jahr 1984, sondern versuche auch, die Geisteshaltung eines Blockbusters diese Ära zu vermitteln. Das wird besonders an Dianas erstem Auftritt als Wonder Woman deutlich, gerade im Vergleich zu einer ähnlich gearteten Szene in „Zack Snyder’s Justice League“. Wo Diana bei Snyder ultrabrutal vorgeht und die Terroristen beispielswiese so gegen die Wand wirft, dass dabei größere Blutlachen entstehen, bemüht sie sich bei Jenkins darum, niemanden zu verletzen – lediglich ein Polizeiauto wird (unnötigerweise, möchte man hinzufügen) etwa ernstafter beschädigt. Per se ist das nichts Schlechtes, sofern das Konzept gut umgesetzt wird. Leider enttäuscht „Wonder Woman 1984“ in dieser Hinsicht aber auf ganzer Linie.
Müsste ich „Wonder Woman 1984“ mit einem Wort beschreiben, wäre es „inkonsequent“: Man merkt, was Jenkins und Co. mit diesem Film aussagen wollen, sie scheitern aber daran, weil sie stets den einfachsten und unelegantesten Weg nehmen, um ihre erzählerischen Ziele zu erreichen. Zudem wirkt das Drehbuch unausgegoren, gerade in Bezug auf die Funktionsweise des Traumsteins. Die Idee dahinter ist relativ eindeutig und gleicht der berühmten Affenpfote, die, wenn ich mich recht erinnere, im Film sogar einmal erwähnt wird und Wünsche erfüllt, aber stets mit einem unangenehmen Nebeneffekt. Dieser inzwischen weithin verbreitete Begriff stammt aus der Kurzgeschichte „The Monkey’s Paw“ des englischen Autors W. W. Jacobs (veröffentlicht 1902), in welcher ein Ehepaar in den Besitz des magischen Objekts kommt und sich 200 Pfund wünscht. Dieses Geld erhalten die Eheleute auch – als Kompensation für den Tod des Sohnes. Die trauernde Mutter wünscht sich daraufhin den Sohn zurück, doch als schlurfende Geräusche zu hören sind und es klopft, befürchtet der Ehemann, dass von seinem Sohn nicht mehr viel übrig ist und schickt ihn mit dem dritten Wunsch zurück ins Grab. Soweit, so gut, in „Wonder Woman 1984“ bleiben die Effekte des Traumsteins allerdings oft schwammig. Zum Beispiel verliert Diana, in bester Superhelden-Sequel-Tradition, temporär ihre Kräfte (zumindest partiell), wobei aber nie ganz klar wird, ob das nun der Nebeneffekt ihres eigenen Wunsches ist oder des Wunsches von Barbara Minerva. Oder ist Steve Trevors merkwürdig konstruierte Inbesitznahme eines fremden Körpers der Nebeneffekt? Besagte Inbesitznahme birgt einige unangenehme Implikationen, aber auch eine Menge Story-Potential, das nicht einmal ansatzweise ausgeschöpft wird. Diana und Steve halten nie einen Moment inne und fragen sich, was sie da eigentlich mit dem Körper eines völlig Fremden tun und ob es moralisch vertretbar ist – damit hätte man einen interessanten Konflikt geschaffen. Stattdessen wird der tatsächlich im Film vorhandene moralische Konflikt deutlich abstrakter und allgemeiner gestaltet.
Ähnlich schwammig ist die Absicht der Schurken, vor allem, was Maxwell Lord angeht. Lord in den Comics ist nicht per se mit Wonder Woman verknüpft, sondern tritt dort als Förderer und später als Feind der Justice League auf – im Rahmen des Großevents „Infinite Crisis“ wurde er allerdings von Diana (zumindest temporär) getötet. Die Film-Version der Figur trägt eindeutige Trump’sche Züge (Lord ist in den Comics bspw. dunkelhaarig), gleichzeitig versuchte man auch, ihm durch seinen kleinen Sohn einige nachvollziehbare Eigenschaften zu verleihen, was aber nicht so recht funktionieren will, da Pedro Pascal es mit seinem Overacting doch ein wenig zu weit treibt. Schwerwiegender ist jedoch, dass niemals wirklich klar wird, was Lord, ähnlich wie Lex Luthor in „Batman v Superman: Dawn of Justice“, eigentlich genau bezweckt. Er erfüllt munter Wünsche und stiftet Chaos, aber sein Ziel bleibt den ganzen Film über genauso schwammig wie die Funktionsweise des Traumsteins.
Immerhin Barbara Minerva ist diesbezüglich eindeutiger: Sie entspricht dem Archetypen des enttäuschten Bewunderers, den ich nicht allzu sehr schätze – man kennt ihn vom Riddler aus „Batman Forever“, Electro aus „The Amazing Spider-Man 2“ oder Snydrome aus „The Incredibels“. Leider können weder Patty Jenkins noch Kristen Wiig diesem Archetypen neue oder interessante Facetten abgewinnen, sodass auch Barbara Minerva, die am Ende ihre Schurkenidentität als raubkatzenartige Cheetah annimmt (und dabei ziemlich fürchterlich aussieht), nicht zum Gelingen des Films beiträgt.
Und dann hätten wir noch die dramaturgischen Probleme: „Wonder Woman 1984“ zieht sich und wirkt strukturell unausgegoren. Nach der opulenten Eröffnungsszene auf Themyscira und einem Wonder-Woman-Einsatz der, wie bereits erwähnt, stark an Richard Donners „Superman“ erinnert, wird den Zuschauern erst einmal eine Ladung Exposition um die Ohren gehauen. Mehr noch, für einen Film über Wonder Woman wird die Titelfigur äußerst selten als Heldin aktiv. Das kann funktionieren, wenn der Film abseits der Heldenidentität interessante Dinge mit dem Plot oder den Figuren anstellt, aber „Wonder Woman 1984“ mäandert ziemlich und schafft es auch nicht, die emotionalen Inhalte anständig zu vermitteln.
Immerhin ein Aspekt von „Wonder Woman 1984“ weiß zu überzeugen und den Vorgänger zu übertreffen: Nachdem Hans Zimmer als Komponist angekündigt wurde, war ich recht pessimistisch eingestellt, wurde aber eines Besseren belehrt. Zimmers Score ist einer der besten des DCEU und vielleicht sogar Zimmers bester Superhelden-Score überhaupt. Das düste-brütende Wummern und Dröhnen des Snyderverse ist hier endgültig Vergangenheit, Zimmers Musik ist optimistisch, melodisch und mitreißend, ohne dabei die musikalischen Wurzeln der Figur zu vergessen, denn das Action-Motiv aus „Batman v Superman: Dawn of Justice“ ist nach wie vor präsent und bildet zugleich die Grundlage für ein neues, deutlich heroischeres Wonder-Woman-Thema.
Fazit: „Wonder Woman 1984“ ist leider deutlich schwächer als der Vorgänger und leidet unter einem fürchterlich unausgegorenen Skript, strukturellen und inhaltlichen Problemen sowie zwei ziemlich schwachen Schurken. Für einen potentiellen dritten Wonder-Woman-Film würde ich mir eine stärkere Rückbesinnung auf die griechische Mythologie wünschen.
Spoiler! Da ist sie also, Zack Snyders unverfälschte Version der Justice League. Ein Triumpf der Kreativität über engstirnige Studiobosse? Oder doch der Triumpf eines lautstarken, toxischen Fandoms? Vielleicht ein wenig von beidem? Wie dem auch sei, für mich als Fan von DC und der Justice League schreit dieses vierstündige Epos geradezu nach einer ausgiebigen Besprechung. Nur eines vorneweg: Ja, insgesamt ist „Zack Snyder’s Justice League“ deutlich besser als die Schnittfassung, die 2017 ins Kino kam und zu der ich in meiner ursprünglichen Rezension wahrscheinlich deutlich zu gnädig war. Das ist nun allerdings wirklich keine besonders hohe Messlatte – wie Snyders Epos in letzter Konsequenz sowohl auf sich selbst gestellt als auch im Kontext der Comics und des, nennen wir ihn „Whedon-Cut“ abschneidet, werde ich im Folgenden en detail und ohne Rücksicht auf Spoiler erläutern.
Secret Origins „Zack Snyder’s Justice League“ ist ein bislang relativ einzigartiges Projekt. Natürlich kommt es durchaus häufiger vor, dass Studios einen Film für den Kinostart verstümmeln, nur um dann später den Director’s Cut zu veröffentlichen – Ridley Scott kann davon ein Liedchen singen. In manchen Fällen sind längere Fassungen auch Geschenke an die Fans, wie es bei den LotR-Filmen der Fall war, weshalb diese als „Special Extended Editions“ bezeichnet werden; die Kinofassungen sind kaum weniger ein Director’s Cut. Und dann gibt es auch diverse Beispiele, in denen sich Regisseure von ihren Filmen distanziert haben, man aber später trotzdem versuchte, der ursprünglichen Vision so nahe wie möglich zu kommen – ein gutes Beispiel hierfür ist der „Assembly Cut“ von „Alien 3“. Aber ein Regisseur, der ersetzt wurde, nur um später seine Vision doch noch fertigzustellen, sodass zwei Filme entstehen, die zwar dieselbe Story erzählen, das aber auf sehr unterschiedliche Art und Weise, ist eine ziemlich Seltenheit. Das einzige wirklich vergleichbare Beispiel, das mir einfällt, ist „Dominion: Prequel to the Exorcist“, bzw. „Exorcist: The Beginning“, wo ein zumindest in Ansätzen ähnlicher Fall vorliegt, der aber freilich weit weniger Aufmerksamkeit erregte.
Die Liga vereint: Cyborg (Ray Fisher), Flash (Ezra Miller), Batman (Ben Affleck), Superman (Henry Cavill), Wonder Woman (Gal Gadot), Aquaman (Jason Momoa)
Die weiteren Hintergründe des Snyder-Cut sollten soweit bekannt sein: Schon nachdem „Batman v Superman: Dawn of Justice“ zwar erfolgreich war, aber dennoch hinter den Erwartungen zurückblieb und darüber hinaus Kritiker enttäuschte und Fans spaltete, wollte Warner die ursprünglichen Pläne für „Justice League“ (angedacht waren zwei Filme) eindampfen und das Ganze leichtherziger und humoriger gestalten, angelehnt an das MCU – mit Snyders ursprünglichen Vorstellungen war man nicht allzu zufrieden. Der tragische Selbstmord seiner Tochter veranlasste Snyder verständlicherweise, sich schließlich von dem Projekt zurückzuziehen, weshalb Joss Whedon letztendlich die Fertigstellung beaufsichtigte, noch mal am Drehbuch „nachbesserte“, die nötigen Nachdrehs durchführte und für den finalen Schnitt verantwortlich war – wobei er sich an die engen Vorgaben von Warner halten musste. So durfte „Justice League“ die Zweistundenmarke beispielsweise nicht überschreiten. Das fertige Produkt, ein Lehrbuchbeispiel für den „film by committee“, überzeugte letztendlich niemanden, nicht die Kritiker von „Batman v Superman: Dawn of Justice“ und schon gar nicht die Fans. Schon bald verbreiteten sich die Gerüchte, es gäbe einen Snyder-Cut, der der wahren Vision des Regisseurs entspreche und der Hashtag „#ReleaseTheSnyderCut“ machte seine Runden. Dieses Gerücht erwies sich letztendlich als Halbwahrheit: Es existierte ein von Snyder angefertigter Rohschnitt, der jedoch alles andere als vorzeigbar war.
Kaum jemand wird leugnen, dass „Zack Snyder’s Justice League“ ohne Corona wahrscheinlich nicht existieren würde. Pläne bzw. Diskussionen, den Snyder-Cut in der einen oder anderen Form zu veröffentlichen, gab es zwar bereits 2019, doch erst die Pandemie brachte Warner dazu, ihn als Zugpferd für den essentiell werdenden Streamingdienst „HBO Max“ zu verwenden. Fakt ist: Dieser Mammutfilm ist nicht das, was 2017 in die Kinos gekommen wäre, selbst wenn Whedon Snyder nicht ersetzt hätte. Snyder hätte sich ebenfalls an das gesetzte Zweistundenlimit halten und mit diversen Auflagen kämpfen müssen. Hier hingegen hatte er praktisch fast völlig Narrenfreiheit und bekam zusätzlich zu weiteren 70 Millionen Dollar zur Fertigstellung sogar noch einige zusätzliche Nachdrehs genehmigt. Diese Freiheit merkt man, im Guten wie im Schlechten.
Handlung Was den Plot der beiden Fassungen angeht, gibt es tatsächlich nicht allzu viele Unterschiede: In beiden greift der außerirdische Kriegsherr Steppenwolf (Ciarán Hinds) mit seinem Heer aus Paradämonen die Erde an. Jahrtausende zuvor konnten die Verteidiger der Erde einen ersten Angriff abwehren, aber die feindlichen Horden hinterließen drei Mutterboxen – wenn diese zusammengebracht werden, lösen sie die „Singularität“ aus und sorgen für die Hölle (bzw. Apokolips) auf Erden. Der Tod von Superman (Henry Cavill) hat dafür gesorgt, dass eine Mutterbox nach Steppenwolf „ruft“. Während er und seine Horden alles daransetzen, die Mutterboxen, die von den Amazonen und Atlantern behütet werden, an sich zu bringen, versuchen Batman (Ben Affleck) und Wonder Woman (Gal Gadot), neue Verteidiger der Erde um sich zu scharen, doch sowohl der Halbatlanter Aquaman (Jason Momoa) als auch der durch die dritte Mutterbox erschaffene Cyborg Victor Stone (Ray Fisher) haben auf Teamwork keine rechte Lust. Nur Barry Allen alias Flash (Ezra Miller) ist sofort Feuer und Flamme. Nachdem Steppenwolf zwei von drei Boxen bereits an sich gebracht hat, sind die Helden nun doch gezwungen, zusammenzuarbeiten – dabei müssen sie allerdings feststellen, dass sie dem außerirdischen Kriegsherrn gnadenlos unterlegen sind. Mithilfe der einen Mutterbox, die Steppenwolf noch nicht an sich bringen konnte, und der Geburtskammer des kryptonischen Schiffs in Metropolis beschließen die Helden, Superman von den Toten wiederzuerwecken. Das gelingt zwar, Superman ist allerdings noch nicht wieder recht bei Verstand und greift die Liga an – erst Lois Lanes (Amy Adams) Auftauchen hält ihn davon ab, alle fünf umzubringen. Derweil kann Steppenwolf die letzte fehlende Box an sich bringen und in Osteuropa damit beginnen, seinen Plan in die Tat umzusetzen. Gemeinsam muss die Justice League nun versuchen, ihn zu stoppen und das Ende der Welt zu verhindern.
Snyder-Cut vs. Whedon-Cut Die Inhaltsangabe funktioniert für beide Filme, hier ist das „Wie“ letzten Endes deutlich wichtiger als das „Was“. Ähnlich wie schon beim ersten Avengers-Film ist die eigentliche Handlung äußerst simpel – ja im Grunde fast identisch: eine außerirdische Invasion, die von einem oder mehreren MacGuffins abhängt. Das primäre Problem des Whedon-Cuts war der Zeitmangel und die stilistische Diskrepanz zum Vorgänger – Warner wollte die „Standardversionen“ der Figuren und in zwei Stunden lässt sich kaum eine derartige Entwicklung bewerkstelligen, also griff man auf Charakterisierung mit der Brechstange zurück – und viele Oneliner im typischen Whedon-Stil. Die Ereignisse haben bei Whedon keinerlei Zeit, sich in irgendeiner Form zu entfalten, weil eben alles auf Teufel komm raus in die besagten zwei Stunden gepresst werden muss. Wenn Steppenwolf die dritte Mutterbox einfach offscreen an sich bringt, wirkt das fürchterlich konstruiert. Hier hat der Snyder-Cut die eindeutigsten Vorteile, da er den Ereignissen tatsächlich Gewicht und Tragweite verleihen. Um beim Mutterbox-Beispiel zu bleiben: Bei Snyder bekommt dieses Ereignisse, das in der Kinofassung nicht einmal zu sehen ist, durch Silas Stones (Joe Morton) Tod sogar Tragik und ist ein wirklicher Wendepunkt. Auch das Finale ist im Snyder-Cut um Welten besser als bei Whedon geraten, wo Superman einfach kurz auftaucht und alles erledigt. Bei Snyder dagegen ist es Flash, der letzten Endes für den glücklichen Ausgang zuständig ist – in einer Szene, die an das Finale der Folge „Divided We Fall“ der Serie „Justice League Unlimited“ erinnert. Aber egal, ob es sich dabei um Zufall, liebevolle Hommage oder etwas zu viel Inspiration handelt, es ist definitiv ein befriedigenderer Ausgang als das Ende, das Steppenwolf in der Schnittfassung von 2017 findet.
Wonder Woman (Gal Gadot), Batman (Ben Affleck) und Flash (Ezra Miller)
Eines der größten Problem des Snyder-Cuts ist dem der Kinofassung diametral entgegengesetzt: Zu viel Zeit. Einerseits kommen die Figuren in „Zack Snyder’s Justice League“ deutlich besser weg, und auch die Entwicklung der Handlung fühlt sich entspannter und organischer an, aber andererseits wird man das Gefühl nicht los, Snyder hätte alles an Material, das ihm zur Verfügung stand, ohne Rücksicht auf Verluste einfach in die Schnittfassung gepackt. Viele Szenen sind unnötig in die Länge gezogen; das beliebteste Beispiel ist Aquamans Abgang nach seinem ersten Treffen mit Batman. Einige der weiblichen Bewohner des Dorfes begleiten sein Verschwinden mit Gesang und hören einfach nicht damit auf. Mitunter finden sich auch Dopplungen: So erstattet Steppenwolf DeSaad (Peter Guiness) zwei Mal Bericht – die Szenen wirken wie zwei verschiedene Versionen derselben und sind praktisch inhaltlich identisch. Man hätte den Snyder-Cut wahrscheinlich problemlos um mindestens eine halbe Stunde kürzen können, einfach indem man unnötige bzw. unnötig lange Szenen entfernt oder trimmt. Bei der Betrachtung von Snyders Filmografie fällt zudem immer wieder auf, dass er wohl ein Fan der LotR-Filme ist – was unter anderem auch die Anwesenheit von Orks in „300“ und „Sucker Punch“ erklären würde. Mit „Justice League“ scheint er sein Epos inszenieren zu wollen, inklusive ausgedehnter Landschaftsszenen, die gerade hier aber recht fehl am Platz wirken und die Laufzeit noch weiter ausdehnen.
Strukturell hält sich der der Whedon-Cut sehr eng an das typische Drei-Akt-Modell, während der Snyder-Cut bewusst die erzählerischen Standardregeln verletzt. Das muss theoretisch nichts Schlechtes sein – allerdings hatte Snyder schon immer gewisse Probleme mit Dramaturgie. Ähnlich wie Tarantino teilte Snyder seine Fassung in mehrere Kapitel ein, sechs davon, plus Prolog und Epilog. Wirklich Spannung kommt vor allem in den ersten ein, zwei Stunden des Films selten auf, besonders, weil die Bedrohung durch Steppenwolf immer wieder in den Hintergrund rückt, um die Hintergrundgeschichten von Flash und Cyborg zu erzählen. An dieser Stelle würde mich sehr interessieren, wie der Snyder-Cut von jemandem wahrgenommen wird, der oder die weder mit den Figuren noch mit dem Whedon-Cut vertraut ist. Tatsächlich empfand ich das Schauen des Snyder-Cuts keinesfalls als dröge oder langweilig, da hatten beispielsweise „Man of Steel“ oder „Batman v Superman: Dawn of Justice“ mehr Längen – allerdings habe ich den Film auch nicht am Stück angeschaut, sondern ihn anhand der Kapitel eingeteilt und bei mir herrschte auch primär die fachliche Neugier vor, welche Szenen neu oder anders sind und wie Snyder die Story und Charaktere im Vergleich zu Whedon angeht.
Stilistisch wird hier natürlich Snyder in Reinkultur geboten, was sich vor allem auf die Farbpalette auswirkt, die ähnlich ausfällt wie in „Batman v Superman: Dawn of Justice“. Ich bin nun wirklich kein Fan der Optik dieses Films, aber das zwanghafte, knallige Aufhellen des Whedon-Cuts war grausam – die Helden in ihren Kostümen sahen mitunter aus wie schlechte Cosplayer und auch dem CGI hat diese Optik absolut nicht gutgetan. Der Snyder-Cut ist immer noch ein Fest der digitalen Effekte, und nicht alle sind durchweg gelungen (Stichwort: Pferde der Amazonen), aber im Großen und Ganzen ist der Snyder-Cut deutlich angenehmer anzusehen als die Kinofassung. Snyders Tendenz, epische Bilder heraufzubeschwören, ist natürlich ebenfalls im Übermaß vorhanden – das war schon immer eines seiner größten Talente. Leider gelingt es ihm dabei nur selten, diese Bilder auch tatsächlich erzählerisch sinnvoll einzusetzen. Snyder in Reinkultur bedeutet selbstverständlich auch mehr Zeitlupe; gerade bei diesem Aspekt hat er sich zu sehr ausgetobt. Das alles wirkt sich in letzter Konsequenz negativ auf die Narrative des Films aus: Wenn jeder Shot episch komponiert ist und auch alle möglichen nebensächlichen Szenen Zeitlupeneffekte beinhaltet, funktionieren diese Stilmittel nicht mehr zur Hervorhebung erzählerisch zentraler Momente, sodass eine gewisse Gleichförmigkeit entsteht.
Trotz seiner Länge hat der Snyder-Cut interessanterweise einige erzählerische Probleme und Plotlöcher, die es bei Whedon in dieser Form nicht gab. Oft sind es eher Kleinigkeiten bzgl. Aufbau und Payoff: Sowohl bei Whedon als auch bei Snyder wird die Eigenschaft von Wonder Womans Lasso der Wahrheit beispielsweise sehr früh etabliert. Bei Whedon kommt sie am Ende auch zum Einsatz – zwar für komödiantische Zwecke, aber immerhin. Bei Snyder dagegen spielt das Lasso keine Rolle mehr. Im Gegensatz dazu besitzt Flash bei Snyder im Finale plötzlich Selbstheilungskräfte, die vorher nicht einmal angedeutet wurden. Gerade in diesem Kontext sind Whedons Nachdrehs mitunter sehr interessant. Manche Szenen sind schlicht unnötig, sie existieren mit kleinen Unterschieden fast genauso bei Snyder, meistens wird lediglich ein unnötiger Gag eingebaut – das riecht nach Arroganz. Andere dagegen versuchen tatsächlich, Probleme von Snyders Version zu lösen. Meistens tun sie das nicht besonders gut, aber zumindest die Absicht ist verständlich. Das betrifft beispielsweise Batmans Motivation, das Team überhaupt zusammenzustellen: Vage Andeutungen von Lex Luthor (Jesse Eisenberg) und Alpträume wirken kaum greifbar. Bei Whedon hingegen wird Batman mit einem Paradämonen, also einer handfesten Bedrohung konfrontiert. Dass dieser Paradämon explodiert und einen Hinweis auf die Mutterboxen hinterlässt, ist fraglos dämlich, aber die Motivation des Dunklen Ritters ist nachvollziehbarer. Auch der Umstand, dass den Ligisten nicht einfällt, dass bei der Wiedererweckung Supermans etwas schiefgehen und der Mann aus Stahl sie angreifen könnte, ist etwas, das bei Snyder niemandem in den Sinn kommt – von moralischen Bedenken gar nicht erst zu sprechen. Für Batman ist es geradezu out of character, dass er einerseits nicht an die Möglichkeit denkt und andererseits nicht auch gleich ein, zwei Pläne für diesen Fall in petto hat. All das wird bei Whedon zumindest angerissen – nicht gut und nicht ausreichend, aber immerhin.
Steppenwolf (Ciarán Hinds)
Schließlich und endlich gibt es noch einen weiteren Unterschied zwischen den beiden Schnittfassungen, der angesprochen werden sollte: Thema und Philosophie. Der Whedon-Cut hatte im Grunde weder das eine, noch das andere, die Philosophie des Studios war lediglich: „Mach es so wie ‚The Avengers‘.“ Wenn man großzügig ist, könnte man dem Film attestieren, sich zumindest in Ansätzen mit Angst und ihrer Überwindung auseinanderzusetzen – Whedons Paradämonen werden von Angst angezogen, im Verlauf des Films muss Flash seine Angst überwinden und am Ende wird Steppenwolf durch seine eigene Angst besiegt. In Snyders Version des Films sind die Einflüsse der Werke Ayn Rands nach wie vor sehr spürbar, wenn auch bei weitem nicht so prominent ist wie in den beiden Vorgängerfilmen. Dennoch blitzen Snyders philosophische Ansichten immer wieder durch, wenn im epischen Flashback beispielsweise die Autonomie der einzelnen irdischen Fraktionen, die gegen Darkseid kämpfen, betont wird oder im Monolog von Silas Stone über Cyborgs Kräfte, in dem plötzlich und sehr plakativ das Thema Finanzen und Märkte angesprochen wird, das im Film sonst überhaupt keine Rolle spielt – das wirkt wie ein libertärer Einschub. Das Problem dabei ist, dass die meisten Figuren in Snyders Filmen entweder Facetten dieser Philosophie sind oder den Kollektivismus bringen wollen – aus diesem Grund funktionierte „Batman v Superman: Dawn of Justice“ nicht, weil Snyder keinen philosophischen Konflikt zwischen den Figuren etablieren konnte. Faszinierenderweise ist diese Tendenz in diesem Film, bei dem Snyder Narrenfreiheit hatte, am schwächsten ausgeprägt, die DC-Figuren entsprechen, mit der Ausnahme von Batman und Superman, in weitaus größerem Ausmaß ihren Comicgegenstücken.
Wonder Woman und Aquaman Wonder Woman dürfte im Snyder-Cut die Figur sein, die sich am wenigsten verändert hat. Whedon versuchte, mehr Konflikt mit Batman einzubauen und Steve Trevors Vermächtnis stärker zu betonen, beides findet sich bei Snyder nicht – stattdessen geht Diana deutlich brutaler gegen die Terroristen zu Beginn des Films vor. Diese Brutalität in Snyders Filmen ist primär Stilmittel, um sie „edgier“ zu machen, hat aber nur selten erzählerischen Wert. Dianas rücksichtloses Vorgehen in dieser Szenen kommt sogar in Konflikt mit ihrem sehr mitfühlenden Gespräch mit dem geretteten Mädchen kurze Zeit später. Ansonsten darf Wonder Woman primär für Exposition sorgen, die Hintergründe erläutern und natürlich in den Actionszenen ordentlich zulangen. Einen wirklich eigenen Handlungsbogen hat sie hier allerdings nicht, was aber tatsächlich verhältnismäßig nachvollziehbar ist: Diana ist die mit Abstand am längsten etablierte Heldin und hat zu diesem Zeitpunkt bereits zwei Solofilme.
Im Gegensatz zu Wonder Woman hat Aquaman hier tatsächlich einen eigenen, wenn auch eher knappen Handlungsbogen – dieser war rudimentär bereits im Whedon-Cut vorhanden und wird nun noch ein wenig ausführlicher herausgearbeitet. Das Problem dabei ist, dass es im Grunde derselbe ist wie in James Wans „Aquaman“; Arthur muss sein atlantisches Erbe und seine Verantwortung akzeptieren. Nachdem bei der Kinofassung alle Szenen mit Vulko (Willem Dafoe) der Schere zum Opfer fielen und Mera (Amber Heard mit einem merkwürdigen britischen Akzent) auf das absolut notwendige Minimum reduziert wurden, liegt die Vermutung nahe, dass in Arthurs Solofilm einige Ideen aus Snyders Version übernommen wurden. Ansonsten wurden vor allem Arthurs „Surferpersönlichkeit“ und die Anzahl der Oneliner zurückgefahren. Hinzugekommen ist zudem eine wirklich gelungene Szene, in der sich Aquaman gegenüber Flash und Cyborg von seiner verständlichen Seite zeigt.
Superman und Lois Auch zu Superman gibt es relativ wenig zu sagen, was primär damit zusammenhängt, dass bis zu seiner Wiedererweckung zweieinhalb Stunden vergehen und er schlicht nicht besonders viel Zeit gewidmet bekommt. Whedon versuchte hier auf Biegen und Brechen, Supermans Standard-Charakterisierung irgendwie im Film unterzubringen, was zu all den grandiosen Szenen führte, in denen Henry Cavills Oberlippe wie ein außerirdischer Parasit aussieht. Diese Szenen sind natürlich verschwunden, was aber auch bedeutet, dass Superman kaum Präsenz hat: Er wird wiedererweckt, bekämpft die Justice League, tauscht sich mit Lois und Martha (Diane Lane) aus und taucht schließlich im Finale auf, wo er dieses Mal aber nicht den Tag im Alleingang rettet, was definitiv eine Verbesserung ist. Das alles hat leider auch zur Folge, dass sich Superman nie wirklich wie ein Teil des Teams anfühlt, da man ihn praktisch nie mit den anderen Ligisten interagieren sieht.
Superman (Henry Cavill) in schwarz
Ansonsten ist sein schwarzes Kostüm wahrscheinlich der prägnanteste Unterschied zum Whedon-Cut. Hierbei handelt es sich um einen Verweis auf die Comics, in denen Superman nach seiner Wiederweckung ebenfalls schwarz trug. Dieser Anzug hatte allerdings eine spezielle Funktion in der Vorlage, während Clark hier schwarz trägt, weil Snyder es cool fand. Es gibt nicht einmal eine storytechnisch sinnvolle Erklärung, weshalb: Im kryptonischen Schiff hat er die Wahl zwischen dem traditionellen und dem schwarzen Suit und wählt den schwarzen… weil halt.
In Snyders Filmen ist Lois Lane (Amy Adams) Supermans mit Abstand wichtigste Bezugsperson – ich wäre geneigt zu sagen, dass sie von den ganzen unterstützenden Figuren der Helden die wichtigste ist. Ich finde es in diesem Kontext allerdings etwas besorgniserregend, dass diese Version von Lois praktisch völlig von Superman abhängig zu sein scheint, nach seinem Tod regelrecht katatonisch wird und primär als Instrument dazu dient, dem Zuschauer den Verlust des Mannes aus Stahl zu vermitteln. Das ist definitiv nicht die Lois Lane, die man aus den Comics kennt und liebt. Bereits in den Vorgängern, vor allem „Batman v Superman: Dawn of Justice“, wusste Snyder nicht so recht, was er mit ihr eigentlich anfangen soll, und das setzt sich hier leider fort.
Batman Zack Snyders Darstellung von Batman könnte einer der größten Schwachpunkte dieses Films sein. Die völlig rücksichtslose Brutalität der Figure aus „Batman v Superman: Dawn of Justice“ fehlt hier zwar ebenso wie die Oneliner des Whedon-Cuts (beide werden nicht vermisst), aber unglücklicherweise bleibt nicht mehr viel übrig, was meinen Verdacht bestätigt, dass Snyder der Dunklen Ritter nie richtig verstanden hat und lediglich seine Ästhetik cool fand. Zugegebenermaßen ist es nicht immer leicht, Batman im Kontext der Justice League bzw. zusammen mit anderen, übermächtigen Helden zu inszenieren und ihn dabei nicht die zweite Geige spielen zu lassen. Was trägt Batman zur Justice League bei? Seinen Verstand, seine Fähigkeiten als Taktiker und seine absolute Entschlossenheit und Integrität. Batman ist es für gewöhnlich, der Pläne erstellt, der die Teammitglieder gemäß ihren Fähigkeiten einsetzt und sogar schon Darkseid in seine Schranken weisen konnte. All das fehlt hier, Snyders Batman ist im Grunde Nick Fury, der die Avengers, bzw. die Justice League zusammenbringt, danach aber nur noch bedingt etwas zum Gelingen der Mission beiträgt. Snyder versucht in Ansätzen, den Weg seines Batmans vom zynischen Vigilanten zum Teammitglied der Liga zu zeichnen (was an sich eher suboptimal gelingt), allerdings vergisst er dabei, Batman auch einen tatsächlichen Platz in der Liga zu geben. Schlimmer noch, mehr als einmal agiert Batman hier schlicht idiotisch, gerade im Kontext von Supermans Wiedererweckung. Whedons Batman hatte mit Lois in der Hinterhand wenigstens in Ansätzen einen Plan B, Snyders Batman hat gar nichts, keine Strategie, keine Taktik, es kommt ihm nicht einmal in den Sinn, dass es vielleicht nicht die beste Idee sein könnte, sich Superman zu zeigen. Im Snyder-Cut taucht Lois mehr oder weniger zufällig auf, um Clark wieder zur Besinnung zu bringen. Nachdem er das Team versammelt hat, ist Batman für Snyder fast schon erzählerischer Ballast, seine Beiträge zum glücklichen Ausgang sind kaum der Rede wert. Hier wäre eine Konsultation von Grant Morrisons JLA-Serie oder der Justice-League-Animationsserie eine gute Idee gewesen, in beiden wird gezeigt, wie Batman sinnvoll in die Justice League integriert werden kann.
Flash und Cyborg Die Qualitäten des Snyder-Cuts zeigen sich bei keiner anderen Figur so sehr wie bei Flash und Cyborg, die in Whedons Version wirklich massiv gelitten haben. Flash wurde fast zum reinen Comic Relief degradiert und Cyborg war so gut wie nicht vorhanden. Snyder hingegen kümmert sich ausgiebig um diese beiden Figuren. Flash ist immer noch für einen Großteil des Humors verantwortlich, seine Kommentare sind allerdings deutlich gemäßigter und weniger „awkward“ als bei Whedon – kein mehrere Minuten dauernder Vortrag über Brunch. Stattdessen wirkt Barry Allen hier nachvollziehbarer und authentischer und muss sich nicht mit einer russischen Familie als Beschäftigungstherapie während des Endkampfs herumschlagen, sondern darf stattdessen der entscheidende Faktor sein.
Aquaman (Jason Momoa), Cyborg (Ray Fisher) und Flash (Ezra Miller)
Noch gravierender sind die Änderungen und Erweiterungen bei Cyborg, der nicht nur mehrere Szenen und Flashbacks bekommt, die seinen Hintergrund sowie die Natur seiner Kräfte und seines Zustandes erläutern, sondern auch eine komplizierte Beziehung zu seinem Vater Silas Stone, die erfreulicherweise nicht plakativ oder simpel ausfällt: Silas war seine Arbeit immer wichtiger als bspw. die Spiele seines Sohnes, als dieser jedoch in einem Unfall verunglückt, tut er alles, um Victor zu retten – er verwandelt ihn in etwas, das Victor selbst als monströs wahrnimmt. Victor gibt Silas ohnehin schon eine Teilschuld am Tod der Mutter, die mit ihm verunglückte, aber sofort starb – seine Natur als Cyborg verkompliziert dieses Verhältnis noch. Dennoch zögert Victor nicht, seinen Vater vor den Paradämonen zu retten und ist natürlich zutiefst traurig und verstört, als Silas sich opfert, um der Justice League eine Chance zu geben, Steppenwolf aufzuspüren. Wo Victor Stone bei Whedon fast nur ein „Mitläufer“ mit minimaler Plotsignifikanz war, ist er hier wirklich ein zentraler, essentieller und gerade für Snyders Verhältnisse sehr differenzierter Charakter.
Darkseid und Steppenwolf Der Schurke des Films ist eine weitere Figur, die enorm vom Snyder-Cut profitiert hat. Die Whedon-Version war mehr oder weniger eine verwässerte Version von Azog aus der Hobbit-Trilogie – ein Urteil, das angesichts des Umstandes, dass Azog kein besonders gelungener Schurke ist, schon ziemlich vernichtend ist. Im Snyder-Cut ist Steppenwolf zwar beileibe kein Widersacher von Shakespeare’scher Tragweite, aber er erfüllt immerhin die Grundanforderungen, hat eine relativ klare Motivation, anstatt nur pseudoödipalen Blödsinn über „Mutter“ von sich zu geben und sieht auch deutlich beeindruckender aus. Apropos Aussehen: Steppenwolf und DeSaad in den Comics sehen meistens menschlich aus, während sie hier deutlich monströser (um nicht zu sagen: orkischer) in Szene gesetzt werden. Anders als in Whedons Schnittfassung taucht dieses Mal auch Darkseid (Ray Porter) persönlich auf; Snyder etabliert hier ein Darth Vader/Imperator-Verhältnis zwischen ihm und Steppenwolf. Fun Fact am Rande: In den Comics, zumindest vor den „New 52“, ist Steppenwolf Darkseids Onkel.
Leider gibt es einen Aspekt, der das Ganze etwas trübt: Damit die Schurkenhintergründe funktionieren, muss Darkseid an partieller Amnesie leiden. Es fällt schwer zu glauben, dass dieser galaktische Despot die eine Welt, auf der er eine Niederlage erlitten hat, einfach so vergisst und dass ein in Ungnade gefallener Diener dann zufällig über sie stolpert. Wenn die Erde nur eine zufällige Welt ist, die Steppenwolf ausgewählt hat, um wieder in Darkseids gutes Buch zu kommen, weshalb sind dann schon Mutterboxen vorhanden, die Steppenwolf ja erst zur Erde rufen? Und noch bevor Steppenwolf die Erde als die Welt erkennt, die seinem Meister erfolgreich Widerstand geleistet hat, identifiziert er Wonder Woman als Mitglied der Amazonen, die mitgeholfen haben, die Scharen von Apokolips zurückzuschlagen. Das will alles nicht so recht zusammenpassen.
Knightmare und Fanservice Obwohl der Snyder-Cut zumindest nach aktuellem Stand das Ende von Snyders Version des DC-Universums ist, hat er beschlossen, die Saat der ursprünglich geplanten Sequels trotzdem zu pflanzen – wenn man schon einmal dabei ist und die Laufzeit ohnehin keine Rolle spielt. Anders als im Whedon-Cut, der sie vollständig ignoriert, greift Snyder die sog. „Knightmare-Sequenz“ aus „Batman v Superman: Dawn of Justice“, in der wir einen Eindruck von er dystopischen oder postapokalyptischen Zukunft bekommen, wieder auf. Wie in Grant Morrisons JLA-Story „Rock of Ages“ hat Darkseid mit seinen Horden die Antilebensformel errungen und die Erde erobert und wie in der Videospielreihe (und den damit verbundenen Tie-in-Comics) „Injustice“ bekommen es die restlichen Helden mit einem bösen Superman zu tun. Tatsächlich ist die Idee, dass Superman für Darkseid arbeiten könnte, auch nicht neu, sowohl die Miniserie „Superman: The Dark Side“ (1998) von John Francis Moore und Kieron Dwyer als auch „Legacy“, das zweiteilige Finale von „Superman: The Animated Series“ (Erstausstrahlung im Jahr 2000) spielen mit diesem Konzept, das Snyder in Fortsetzungen seines „Justice League“ weiter erforscht hätte. So bleibt es nun aber bei kurzen Visionen, die Cyborg immer wieder erhält, zum Beispiel sieht er Fragmente davon, wie ein Angriff Darkseids auf die Erde verlaufen könnte. Im Epilog des Films wird Bruce schließlich von einer weiteren, ausführlicheren Vision heimgesucht, in der wir eine zukünftige Inkarnation der Liga sehen, zu der neben Flash, Batman und Cyborg auch Mera sowie die Schurken Deathstroke (Joe Manganiello) und Joker (Jared Leto) gehören – das Ganze wird in einem von „Mad Max: Fury Road“ inspirierten Look präsentiert. Während Cyborgs kurze Visionen tatsächlich einen erzählerischen Sinn haben, lässt sich dasselbe nicht über die längere Szene im Epilog sagen, sie dient einzig dem Coolnessfaktor und um Batman und Joker ziemlich schlechte Dialoge in den Mund zu legen.
Darkseid (Ray Porter)
Ähnlich verhält es sich mit anderen Fanservice-Elementen, die ebenfalls primär im Epilog auftauchen. Die Post-Credits-Szene des Whedon-Cuts mit Lex Luthor und Deathstroke ist ebenfalls vorhanden, nur dass Luthor dieses Mal nicht plant, eine Injustice Gang zu gründen, stattdessen verrät er dem einäugigen Auftragskiller Batmans wahren Namen. Auch hier handelt es sich um Sequel-Bait für Fortsetzungen, die wohl nie entstehen werden – wir erinnern uns, im ursprünglich geplanten Batman-Film, bei dem Ben Affleck nicht nur die Hauptrolle spielen, sondern auch Regie führen sollte, wäre der von Joe Manganiello gespielte Deathstroke der Gegner gewesen. Und schließlich hätten wir noch die beiden Gastauftritte des Martian Manhunter (Harry Lennix), die Snyder sich wirklich hätte sparen sollen, da sie völlig unnötige Logiklöcher aufreißen. Snyder suggeriert hier, dass der bereits in „Man of Steel“ und „Batman v Superman: Dawn of Justice“ auftauchende Calvin Swanwick (ebenfalls Harry Lennix) die ganze Zeit der Martian Manhunter war – basierend auf einer Fantheorie. Da stellt sich die Frage: Warum haben nicht eine, sondern gleich zwei außerirdische Invasionen sowie das Auftauchen von Doomsday ihn nicht zum Eingreifen bewogen? Und selbst wenn man die halbseidene nicht-Erklärung des Films akzeptiert, wird die Lois/Martha-Szene, die eigentlich ziemlich gelungen ist, dadurch völlig entwertet, weil sich direkt danach herausstellt, dass der Manhunter als Martha posierte. Freiheit der Kreativschaffenden ist eine schöne und wichtige Sache – aber ein wenig Input von außen schadet ebenfalls nicht und kann dabei helfen, das Endresultat noch besser zu machen.
Fazit In letzter Konsequenz ist „Zack Snyder’s Justice League“ ein schwierig zu bewertendes Biest. Ist diese Schnittfassung besser als die Kinoversion? Definitiv und ganz ohne Zweifel lautet die Antwort ja. Der Whedon-Cut riecht nach Studioeinmischung, nach „film by committee“, während der Snyder-Cut die Vision eines Regisseurs darstellt, was einem seelenlosen Studioprodukt immer vorzuziehen ist – selbst wenn man einem besagte Vision nicht unbedingt zusagt. Ist „Zack Snyder’s Justice League“ das Meisterwerk, das die Fans des Regisseurs darin sehen? Zumindest nicht aus meiner Perspektive. Snyder beseitigt viele Probleme des Whedon-Cuts, schafft dabei aber einige neue. Dazu gehört neben einigen Story- und Logiklöchern primär die Laufzeit des Films, der scheinbar fast alles an Material beinhaltet, das Snyder zur Verfügung hatte. Eine halbe Stunde bis Stunde weniger hätte dem Endprodukt definitiv gutgetan. Alles in allem und zumindest im Kontext der Entstehungsgeschichte hätte der Snyder-Cut deutlich schlechter ausfallen können. Ich bin bekanntermaßen kein Fan von Snyders Interpretation des DC Universums im allgemeinen und Batmans und Supermans im Speziellen. Diese beiden Helden sind nun auch hier die schwächsten Bestandteile, bei den restlichen vier Mitgliedern leistet Snyder aber eigentlich recht gute Arbeit, vor allem was Flash und Cyborg angeht. All jene, die mit Snyders Regiestil, den Manierismen (also Zeitlupe) und der Optik absolut nichts anfangen können, werden auch von seiner Version von „Justice League“ nicht überzeugt werden. Fans von „Man of Steel“ und „Batman v Superman: Dawn of Justice” erhalten wahrscheinlich endlich den Film, auf den sie viele Jahre gewartet haben. Und all jene, die die besagten beiden Filme zwar kritisch sehen, aber doch ein gewisses Potential in ihnen erkannten, werden vielleicht sogar positiv überrascht – zu dieser Gruppe zähle auch ich mich. Denn trotz anderer Vermutung fand ich „Zack Snyder’s Justice League“ unterhaltsam – deutlich unterhaltsamer als die beiden Vorgänger, sodass ich einem Rewatch in einiger Zeit nicht unbedingt abgeneigt bin.
Spoiler nach dem ersten Absatz!
Da ist sie also, die Justice League, mein Vorletzter Pflichtfilm für dieses Jahr. Wäre das irgend ein anderer Film, würde ein normale Rezension eigentlich völlig ausreichen, aber es handelt sich hierbei nun einmal um mein liebstes Superheldenteam – und zudem kann man schon allein wegen den Produktionsschwierigkeiten und dem Theater hinter den Kulissen einiges zu diesem Film schreiben. Meine spoilerfreie Meinung kann man dieses Mal mit einem Zitat von Douglas Adams sehr knapp zusammenfassen: „Mostly harmless.“ Der Kontrast zu „Batman v Superman: Dawn of Justice“ ist schon faszinierend; wo dieser Film zu viel wollte und daran grandios scheiterte, will „Justice League“ zu wenig, um zu scheitern. Man wird mitunter den Eindruck nicht los, als wären alle beteiligten froh, dass diese Sache nun endlich vorbei ist. Dass „Justice League“ trotzdem ein besserer Film als „Dawn of Justice“ geworden ist, sagt eigentlich mehr über Letzteren denn Ersteren aus.
Was bisher geschah…
Irgendwie läuft’s bei den DC-Filmen nie wirklich rund. Manches lässt sich weder vorhersehen noch beeinflussen, vieles geht jedoch auf schlichte Unfähigkeit auf der Seite des Studios zurück. Nachdem „Batman v Superman: Dawn of Justice“ bei den Kritikern durchfiel, versuchte Warner fieberhaft, sein „DC Extended Universe“ (das laut offizieller Aussage gar nicht so heißt, was verkündet wurde, nachdem dieser Begriff bereits zwei Jahre in Gebrauch war) richtig aufzuziehen und reagierte dabei ziemlich kopflos. Schon „Batman v Superman“ wurde in der Postproduktion verstümmelt (was allerdings nur ein Problem unter vielen ist), bei „Suicide Squad“ ließ man den Film dann von einer Trailerschmiede neu schneiden. Unglaublich, aber wahr: Der Film mit der wenigsten Studioeinmischung, „Wonder Woman“ kam insgesamt am besten an und erwies sich als der Profitabelste des Franchise – vielleicht sollte man daraus eine Lehre ziehen. Wie dem auch sei, der tragische Selbstmord von Zack Snyders Tochter ist natürlich nichts, was man einkalkuliert und es ist völlig nachvollziehbar, dass sich Snyder von der Produktion zurückzieht, um diesen Verlust zu verarbeiten. Joss Whedon als Drehbuchdoktor und Regisseur für die Nachdrehs und Postproduktion ist natürlich dann wieder eine interessante Wahl und lässt darauf schließen, dass man bei Warner mal wieder versucht, den leichten Weg zu wählen (mehr Humor und mehr wie Marvel gleich Erfolg), anstatt sich auf die Umsetzung der gewählten Prämisse zu konzentrieren. Wie ich bereits bei meiner BvS-Rezension sagte: Meine Kritik bezieht sich nicht auf die Prämisse (düsterer, ernster Superheldenfilm; wie so etwas gut funktioniert haben wir erst dieses Jahr mit „Logan“ gesehen), sondern auf die katastrophale Umsetzung.
Handlung
Superman (Henry Cavill) ist tot. Ungeschickterweise tauchen gerade jetzt merkwürdige, geflügelte Wesen auf, die Ärger machen. Batman (Ben Affleck) vermutet bereits seit längerem, dass da mehr dahinter steckt. Es erweist sich, dass der Dunkle Ritter den richtigen Riecher hat, denn der außerirdische Kriegsherr Steppenwolf (Ciarán Hinds), der vor vielen Jahrtausenden bereits einmal versuchte, die Erde zu erobern, ist zurück, um sein Werk zu vollenden. Damals kämpften Menschen, Amazonen und Atlanter vereint gegen die Invasoren, ja selbst die Götter und mindestens eine Green Lantern halfen dabei, den Kriegsherren zu vertreiben. Steppenwolf ließ drei Mutterboxen zurück, die von den drei siegreichen Völkern verwahrt werden. Um seine Pläne umzusetzen, benötigt Steppenwolf alle drei. Um dies zu verhindern versammelt Batman eine Verteidigung für die Erde. Neben Diana Prince/Wonder Woman (Gal Gadot) rekrutiert er auch den Atlanter Arthur Curry/Aquaman (Jason Momoa), Barry Allen/Flash (Ezra Miller) sowie Victor Stone/Cyborg (Ray Fisher). Doch die fünf widerwilligen Helden scheinen nicht auszureichen, um Steppenwolf in seine Schranken zu weisen, denn es ist ihm bereits gelungen, die Mutterboxen der Atlanter und der Amazonen zu entwenden. Und so fragt sich Batman, ob es nicht möglich sein könnte, mit der dritten Mutterbox Superman wieder zum Leben zu erwecken…
Snyder vs. Whedon? Die Stilfrage
Insgesamt ist noch relativ unklar, wie viel Joss Whedon nun tatsächlich in „Justice League“ steckt. Einigen Szenen merkt man deutlich an, dass sie im Zuge der Nachdrehs entstanden sind (und das nicht nur wegen Whedons Handschrift), aber allein schon mit dem Schnitt kann man natürliches einiges verändern. Hinzu kommt, dass „Justice League“ laut Warner und Snyder von Anfang an darauf ausgelegt war, weniger düster und depressive zu sein als „Dawn of Justice“. Nun, zumindest das ist gelungen. Von dieser Aussage sowie einigen Eindrücken aus den ersten Trailern ausgehend denke ich, dass es falsch wäre, jeglichen Humor (und davon gibt es eine ganze Menge mehr als im Vorgännger) in diesem Film im Guten wie im Schlechten Joss Whedon anzulasten. Tatsächlich wird Whedon primär Anweisungen ausgeführt haben. Am deutlichsten fällt sein Einfluss in meinen Augen bei der Farbplatte aus, denn es ist nicht mehr alles grau in grau. Insgesamt ist der Film zwar weitaus bunter, aber es gibt einige Szenen, ziemlich auffällig hervorstechen.
Wonder Woman (Gal Gadot), Batman (Ben Affleck) und Flash (Ezra Miller) beraten sich mit James Gordon (J. K. Simmons)
Wie schon „Suicide Squad“ ist „Justice League“ ein Film, der massiv unter der Studioeinmischung leidet. Strukturell bzw. dramaturgisch ist er dabei zum Glück nicht derart misslungen wie David Ayers Beitrag zum DCEU oder die Kinofassung von „Batman v Superman“, aber eine flüssige Dramaturgie sieht anders aus – vor allem der erste Akt bleibt kaum zusammenhängendes Stückwerk. Aber ein Problem tritt nun besonders deutlich hervor. Genau wie „Batman v Superman“ handelt es sich beim Plot von „Justice League“ um eine simple, recht stereotype Superheldengeschichte. Der Vorgänger mag mit schwülstigem, prätentiösem Symbolismus und einer Myriade an unnötigen Subplots vollgestopft gewesen sein, aber im Kern erzählte er das typische Superheldencrossover: Zwei Helden treffen sich, ein Missverständnis entsteht, sie kämpfen und am Ende verbünden sie sich gegen einen gemeinsamen Feind. Bei „Justice League“ ist es das typische Zusammenkommen eines Superheldenteams aufgrund einer Alien-Invasion. Da Warner jedoch auf eine Laufzeit unter zwei Stunden bestand, ist „Justice League“ ein extrem heruntergebrochener Film, aus dem nun genau das geworden ist, was viele ohnehin befürchteten: Ein Abklatsch von „The Avengers“. Ob nun Mutterboxen oder Infinity-Steine, Chitauri oder Paradämonen spielt kaum eine Rolle. Gewisse Parallelen wären zwar sicher ohnehin entstanden, aber so, wie „Justice League“ ausgefallen ist, raubt sich der Film jegliche Eigenständigkeit. Wo „Batman v Superman“ mit Themen und Symbolik überfrachtet war, gibt es in „Justice League“ nichts dergleichen, keine übergreifende Klammer, keine Aussage, gar nichts. Gewisse Ansätze, die Snyder wohl diesbezüglich in den Film einbauen wollte, sind noch vorhanden, gerade am Anfang finden sich ein paar aktuelle Bezüge. Der von Michael McElhatton gespielte Terrorist etwa weist darauf hin, dass „Justice League“ wohl einmal die religiöse Metaphorik des Vorgängers hätte fortsetzen sollte, was angesichts eines die Erde angreifenden New Gods gar nicht so unpassend gewesen wäre, aber all das wurde letztendlich entfernt.
Aufgrund seiner Natur als Film des kleinsten gemeinsamen Nenners fühlt sich „Justice League“ fürchterlich beiläufig an. Zum Teil leidet der Film an den „Sünden der Väter“: Wenn Supermans Tod in „Batman v Superman“ schon so inszeniert wurde, dass er mich nicht sonderlich juckt, warum sollte seine Auferstehung in diesem Film mir dann irgendetwas bedeuten? Aber selbst wenn man diesen Umstand berücksichtigt, wird vieles (gerade Supermans Rückkehr) fast schon antiklimaktisch und banal inszeniert.
Die Ligisten
Das Element, das „Justice League“ für mich erträglich gemacht hat, waren tatsächlich die Ligisten selbst und ihre Teamdynamik – ein Element, das wohl tatsächlich eher auf Joss Whedon zurückgeht, denn Chemie zwischen Figuren ist etwas, das in Zack Snyders Repertoire eher selten vorkommt. Tatsächlich bemüht sich der Film, jedem der Helden einen eigenen kleinen Handlungsbogen zu geben und auf kommende Filme hinzuarbeiten. Das wirkt freilich sehr gehetzt – hier zeigt sich, warum „The Avengers“ diesbezüglich einen sehr klaren Vorteil hat. Wonder Womans emotionale Reise ist mit Abstand am besten nachzuvollziehen, eben weil sie schon ihren eigenen Film hatte (auf den auch immer wieder eifrig verwiesen wird).
In dieser Version von Barry Allen entdecke ich recht wenig von der Figur, wie ich sie aus den Comics kenne. Nicht, dass Flash als Comic Relief neu wäre (auch wenn das sonst eher Wally West ist), aber gerade Barry Allen hatte sonst eher selten leicht autistische Züge. Grant Gustins Darstellung aus der Serie passt da besser zur Vorlage. Flashs persönlicher Handlungsstrang hängt mit seinem inhaftierten Vater Henry (Billy Crudup) zusammen (der in einem wie auch immer gearteten Solofilm der Figur sicher eine Rolle spielen wird) und einem Ausbruch aus sozialer Isolation zusammen.
Aquaman (Jason Momoa)
Aquamans Handlungsstrang ist dem nicht ganz unähnlich, der theoretische Thronerbe von Atlantis treibt sich im Exil herum, weil er keine Lust auf sein Volk hat, wird aber ebenfalls von den Umständen gezwungen, sein Erbe zumindest in Ansätzen anzunehmen. Wir bekommen einen kleinen Eindruck von Atlantis und Aquamans zukünftigem Love Interest Mera (Amber Heard), der auf eine potentielle Ausarbeitung in James Wans Aquaman-Film hindeutet. Arthur Curry ist hier weder der noble König, noch der grimmige Herrscher, als der er mitunter in den Comics porträtiert wird, sondern eher ein Rocker, der in Ruhe gelassen werden will.
Cyborg ist vielleicht der interessanteste Neuzugang, zumindest ist sein Schicksal am engsten mit dem Plot um die Mutterboxen verknüpft, da er ihnen seine Entstehung verdankt. Victor Stones Identitätsfindung und der Konflikt mit seinem Vater hat ziemlich viel Potential, abermals wird das alles jedoch viel zu schnell und oberflächlich abgehandelt. Zusätzlich tut das CGI, mit dem Cyborg animiert wurde, Ray Fisher keinen Gefallen.
Batman und Wonder Woman führen mehr oder weniger ihre Handlungsstränge aus „Batman v Superman“ fort, wobei Batman sich im Grunde gar nicht verändert, da er ja bereits am Ende des Vorgängers beschließt, dass die Welt ein Superheldenteam braucht. Sein größtes Problem in diesem Film ist, dass er besonders im dritten Akt praktisch nutzlos ist. Es ist immer eine Herausforderung, Batman im Kontext der Justice League zu inszenieren, da er nun einmal ein Sterblicher ohne Kräfte ist. Normalerweise kommt ihm die Rolle des Taktikers und Problemlösers zu. Der Film scheitert allerdings daran, Batman zu einem nützlichen Mitglied des Teams zu machen.
Wonder Woman schließlich setzt sich mit ihrer Abkehr von der Welt auseinander und lernt zu akzeptieren, wer und was sie ist. Gerade diese Elemente sorgen für einige der besten Dialogszenen zwischen Ben Affleck und Gal Gadot. Insgesamt sind die Figuren und ihre Entwicklung zumindest in Ansätzen gelungen und weitaus klarer und nachvollziehbarer als beispielsweise in „Batman v Superman“, aber aufgrund der von Warner verordneten Kürzungen bleibt das alles unbefriedigendes Stückwerk.
Cyborg (Ray Fisher)
Und schließlich hätten wir da noch Superman, dessen Rückkehr mehr wie eine Pflichtübung absolviert wird und die ohnehin niemanden überrascht. Ein paar lose Enden der beiden Vorgänger werden fast schon alibimäßig aufgegriffen, aber insgesamt fehlt der Rückkehr des theoretisch größten Helden der Welt die emotionale Wucht. Am Ende fungiert er dann doch nur als Deus Ex Machina, der Steppenwolf nicht gewachsen ist.
Was die Interpretation der Figuren angeht, so ist diese weitaus näher am Standard der Comics, als es bei den Vorgängern der Fall war, was besonders bei Superman sehr auffällig ist, der tatsächlich lächelt und nicht die ganze Zeit vor sich hinbrütet – dieser Umstand zeigt sich auch an seinem Kostüm, das zum ersten Mal nicht graublau bzw. graurot ist, sondern tatsächlich über ziemlich kräftige Farben verfügt. Es gibt ja durchaus eine kleine, aber mitunter sehr lautstarke Minderheit, die mit Zack Snyders ursprünglicher Interpretation dieser Figuren sehr zufrieden war – deren schlimmste Befürchtungen dürften nun wahrgeworden sein. Ich persönlich bin mit der grundsätzlichen Richtung, die für die Charakterisierung dieser Figuren eingeschlagen wurde, dagegen durchaus zufrieden. Es hapert allerdings abermals an der Umsetzung, da es keinerlei Entwicklung vom brütenden Superman der Vorgänger zur übertrieben fröhlichen Version dieses Films gibt, die oftmals an Selbstparodie grenzt. Nichts gegen eine gelungene Kurskorrektur, aber den Holzhammer sollte man dazu nicht auspacken.
Steppenwolf
Kommen wir nun zum schwächsten Element eines ohnehin nicht besonders starken Films. Wie üblich gibt es eine Alieninvasion, angeführt vom sinisteren Steppenwolf, der sich perfekt in die Riege der DCEU-Schurken einpasst: Er ist groß, monströs, wurde mit CGI aufgepumpt und bleibt völlig profillos und uninteressant. Im Grunde ist er noch einmal Ares nur ohne Twist: Statt sich als Mensch zu verstecken, kommt Steppenwolf einfach auf die Erde und greift an, weil er das halt gerne macht (bzw. weil er sich bei seinem Boss rehabilitieren will, das zumindest deutet der Film an). An dieser Stelle merkt man als Comickenner am deutlichsten, dass „Justice League“ ursprünglich ein Zweiteiler hätte werden sollen, den Warnern in letzter Sekunde doch zum in sich geschlossenen Film umfunktionierte. Denn hätte man „Justice League“ von Anfang an als in sich geschlossenen Film konzipiert, hätte man wohl kaum Steppenwolf als Schurken genommen.
„Dawn of Justice“ verteilte bereits großzügige Anspielungen auf die von Jack Kirby geschaffenen New Gods: Paradämonen in der Alptraumsequenz, das Omega-Symbol im Sand und natürlich die aus der Kinofassung geschnittene Szene mit dem Steppenwolf-Hologramm. Die beiden ursprünglichen Justice-League-Filme sollten Darkseids Invasion der Erde schildern, wobei sein Genereal (und Onkel) Steppenwolf die Invasion anführen würde. Da man sich bereits für Steppenwolf entschieden hatte, blieb man dabei, entfernte aber die meisten Elemente, die auf eine größere kosmische Bedrohung hindeuten. Das wäre nicht so tragisch, wäre Steppenwolf in irgendeiner Weise interessant, aber wie bereits erwähnt unterscheidet er sich nicht im geringsten von den diversen Motion-Capture-Schurken, die in den letzten Jahre alle möglichen Filme unsicher machten. Er ist nicht im geringsten interessant oder bedrohlich und hat im Grunde keinerlei Motivation. In den paar Sätzen, die er von sich gibt, kann der Comicleser natürlich Darkseids Philosophie bezüglich der Antilebensformel, die die völlige Vernichtung des freien Willens zur Folge hat, erkennen, aber rein im Kontext dieses Films bleibt das alles eine extrem dürftige Rechtfertigung. Mehr noch als Ares gleicht Steppenwolf Azog aus der Hobbit-Trilogie: Der scheinbar Besiegte, der zurückkehrt, um Rache zu nehmen – und natürlich ist auch Azog eine übergroße CGI-Kreation, die über kaum Ausstrahlung verfügt. Ich kann nach wie vor nicht verstehen, weshalb man diesen Weg wählte. In den Comics ist Steppenwolf nämlich nicht einmal ein Ork-artiges Wesen, sondern sieht aus wie ein Mensch in Rüstung. Ciarán Hinds ist ein wunderbarer Schauspieler, der über eine beeindruckende Präsenz verfügt, wenn man sein Spiel nicht mit schlechtem CGI zukleistert. Außerdem, warum nur Steppenwolf? Ich finde es gut, dass Darkseid, immerhin einer größten und mächtigsten Schurken des DC-Universums, nicht schon im ersten Film verheizt wird, aber von all seinen Lakaien, die man als Vorhut hätte verwenden können, ist Steppenwolf der mit Abstand langweiligste. Warum hat man ihn nicht mit einem oder gleich mehreren von Darkseids anderen Speichelleckern kombiniert, um auf Schurkenseite eine interessante Figurendynamik zu etablieren? Egal ob Darkseids illegitimer Sohn Kalibak, der Foltermeister DeSaad, der Manipulator Glorious Godfrey oder Granny Goodness und ihre Female Furies, sie alle sind interessantere Figuren als Steppenwolf.
Quo vadis, DCEU?
Eine interessante Frage. Ganz in bester Tradition teasert „Justice League“ einiges an. Die Bezüge zu den New Gods wurden zwar stark reduziert, aber nicht völlig entfernt; Darkseids Name fällt immerhin einmal. Im Rückblick ist eine Green Lantern zu sehen und dann wären da natürlich noch die Mid- bzw. Postcreditsszenen. Ersterer spielt auf das berühmte Wettrennen zwischen Superman und Flash an, Letztere deutet an, worum es in einem potentiellen Justice-League-Sequel gehen könnte: Lex Luthor (Jesse Eisenberg) ist aus dem Gefängnis ausgebrochen und unterhält sich mit dem Auftragsmörder Deathstroke (Joe Manganiello) – das riecht nach einer Schurkenvereinigung, egal ob sie nun „Injustice Gang“, „Injustice League“ oder „Legion of Doom“ heißt. Die Tatsache, dass diese Szene im Film enthalten ist, zeigt immerhin, dass Warner an weiteren Plänen festhält, auch wenn sonst noch vieles unklar bleibt: Wird Ben Affleck in Matt Reeves Batman-Film zu sehen sein? Will Warner tatsächlich „Flashpoint“ umsetzen und damit einen Semi-Reboot einleiten? Und was ist mit potentiell unabhängigen Filmen wie dem von Martin Scorsese produzierten Joker-Film, der angeblich kommen soll? Auch weiterhin herrscht Unklarheit.
Fazit
Meiner ursprünglichen Einschätzung gibt es kaum etwas hinzuzufügen – „Justice League“ ist im Grunde nicht mehr als einfach ein weiterer Superheldenfilm mit ein paar Stärken und vielen, vielen Schwächen, nicht zuletzt dank der Einmischung des Studios. Das ist zwar eine geringfügige Verbesserung gegenüber „Batman v Superman: Dawn of Justice“, aber für einen Film über mein Lieblingssuperheldenteam bei Weitem nicht genug.
Achtung, Spoiler!
Die Filme des DCEU sind ja bekanntermaßen nicht gerade Kritikerlieblinge. Wurde „Man of Steel“ noch gemischt aufgenommen, so wurden „Batman v Superman: Dawn of Justice“ und „Suicide Squad“ fast durchgehend (und nicht ganz zu Unrecht) niedergemacht. „Wonder Woman“ ist nun entweder die große Trendwende oder die große Ausnahme – das wird sich erst in den kommenden Jahren zeigen. Jedenfalls erhält das erste Leinwandabenteuer der Amazone eigentlich durchweg positive Kritiken. Wie schon bei „Batman v Superman“ und „Suicide Squad“ drängt sich auch dieses Mal wieder eine ausführliche Rezension fast schon auf. Darum wie üblich, mein kurzes, spoilerfreies Fazit, danach nehme ich keine Rücksicht mehr: „Wonder Woman“ ist mit Abstand der beste Film des DCEU. Das allein ist freilich noch nicht wirklich ein Qualitätsmerkmal, aber insgesamt empfand ich ihn als gelungen. Leider gibt es dennoch ein paar kleinere und größere Schönheitsfehler, aber unterm Strich kann sich Dianas erstes Soloabenteuer im Kino durchaus sehen lassen, nicht zuletzt dank der Chemie und Spielfreude von Gal Gadot und Chris Pine.
Handlung und Struktur
Seit Jahrtausenden leben die unsterblichen Amazonen unter dem Schutz von Zeus und der Führung ihrer Königin Hippolyta (Connie Nielsen) abgeschottet von der Menschenwelt auf der Insel Themyscira. Das einzige Kind der Insel ist Diana (zuerst Lilly Aspel und Emily Carey, später Gal Gadot), Tochter der Königin, die von ihrer Mutter behütet und beschützt wird, aber ebenfalls die Kampfkünste der Amazonen erlernen möchte. Schließlich nimmt ihre Tante Antiope (Robin Wright) Diana unter ihre Fittiche, zuerst gegen den Willen der Mutter, später mit ihrem Einverständnis. Diana wird letztendlich zur besten Kämpferin der Insel, als auch schon die Idylle gestört wird: Der junge amerikanische Pilot Steve Trevor (Chris Pine) gelangt durch Zufall durch den magischen Schutzwall, der Themyscira vor der Außenwelt schützt, gefolgt von deutschen Soldaten. Die Amazonen machen zwar kurzen Prozess mit den kaiserlichen Truppen, die Schlacht fordert allerdings das Leben von Antiope und verunsichert die Amazonen zutiefst, nicht zuletzt deshalb, weil Steve ihnen vom Ersten Weltkrieg berichtet. Könnte es sein, dass ihr alter Feind Ares, der Gott des Krieges, zurück ist? Die Amazonen sind zögerlich, doch Diana beschließt zu handeln: Sie stiehlt den „Gotttöter“, ein Schwert, das Ares angeblich vernichten kann, sowie eine zeremonielle Rüstung und das Lasso der Wahrheit und macht sich mit Steve auf in die Welt der Menschen. Kurz vor ihrer Abreise erhält sie allerdings noch den Segen ihrer Mutter.
Die Amazonen von Themyscira: Menalippe (Lisa Loven Kongsli), Diana (Gal Gadot), Hippolyta (Connie Nielsen) und Antiope (Robin Wright, Bildquelle)
Bevor Steve Diana an die Front bringen kann, geht es jedoch zuerst nach London, wo er seinen Vorgesetzten Bericht erstatten muss, denn er hat schreckliches herausgefunden: Mithilfe der Chemikerin Isabel Maru (Elena Anaya), die den Spitznamen „Doctor Poison“ trägt, möchte der deutsche General Erich Ludendorff (Danny Huston) ein neues, extrem tödliches Gas an der Westfront entfesseln. Obwohl die britische Heeresleitung die aktuell laufenden Friedensverhandlungen mit dem deutschen Reich nicht gefährden möchte, unterstützt Sir Patrick Morgan (David Thewlis) Steves und Dianas Vorhaben, Ludendorff und Maru aufzuhalten. Zusammen mit einigen Spezialkräften begeben sie sich an die belgische Front, wo Diana die Gräuel des Krieges zum ersten Mal mit eigenen Augen sieht. Dies bringt sie zu der Überzeugung, dass es sich bei Ludendorff um Ares handeln muss; sie glaubt, ihre Mission läge klar vor ihr: Ares muss sterben, damit der Krieg endet. Ein Fest der deutschen Heeresleitung in der Nähe scheint sowohl für Steve als auch für Diana die beste Möglichkeit zu sein, ihre Vorhaben umzusetzen…
Isabel Maru alias Doctor Poison (Elena Anaya, Bildquelle)
Rein strukturell gibt es in „Wonder Woman“ keine großen Experimente, was ich angesichts der bisherigen DCEU-Filme als sehr positiv empfinde, denn bislang hatte jeder von ihnen massive Strukturprobleme. Bei „Man of Steel“ waren es die Flashbacks, mit denen Snyder und Goyer wohl „Batman Begins“ nacheifern wollten, ihr Ziel aber weit verfehlten. „Batman v Superman“ litt vor allem unter der verstümmelten Kinofassung, doch selbst im besser ausbalancierten Extended Cut kommt es zu Längen und anderen dramaturgischen Problemen. Beide Filme leiden außerdem darunter, dass sich fast die gesamte Action im letzten Akt konzentriert. Und dann hätten wir noch „Suicide Squad“ – ich bin immer noch nicht dazugekommen, den Extended Cut dieses Films anzuschauen, aber nach dem, was ich darüber gelesen habe, ändert sich durch die zusätzlichen Szenen kaum etwas. „Suicide Squad“ dürfte der DC-Film mit dem katastrophalsten Schnitt sein, denn Warner war mit David Ayers ursprünglicher Schnittfassung nicht zufrieden und ließ von der Trailer-Firma, die den Bohemian-Rhapsody-Trailer des Films geschnitten hatte, nachbessern. Was für eine bescheuerte Idee.
„Wonder Woman“ dagegen arbeitet mit einer ganz klassischen Drei-Akt-Struktur, man merkt aber, dass Regisseurin Patty Jenkins ihr Handwerk versteht, denn schon allein dramaturgisch ist ihr Film der beste des DCEU. „Wonder Woman“ ist durchgehend spannend und es gibt eigentlich keine Längen. Die nicht gerade kurzen 141 Minuten Laufzeit vergehen wie im Flug, ohne dass die Handlung eine Bruchlandung hinlegt, wie es beispielsweise in „Batman v Superman“ der Fall war, als sich Diana auf ihrem Laptop den Quasi-Teaser für „Justice League“ ansieht. Humor und Action sind insgesamt sehr gut ausbalanciert, jeder Akt verfügt über ein größeres und durchaus beeindruckendes Action-Set-Piece – die Schlacht der Amazonen gegen die deutschen Soldaten in Akt 1, Wonder Womans Eroberung des „No Man’s Land“ in Akt 2 und der Kampf gegen Ares in Akt 3. Bei der Action bemerkt man noch den Einfluss Zack Snyders, dem sich Patty Jenkins wohl ein wenig annähern wollte oder musste: Sie macht ausgiebig Gebrauch von Zeitlupeneffekten, sodass die Kämpfe mitunter an „Watchmen“ erinnern. Mir persönlich hat tatsächlich der Amazonen-Kampf im ersten Akt am besten gefallen, Dianas Auftritt auf dem Schlachtfeld war ebenfalls gut, nur ihr Kampf gegen Ares war für meinen Geschmack zu CGI-lastig, das weckt unangenehme Erinnerungen an „Batman v Superman“ und „Suicide Squad“, wobei man diesbezüglich in den letzten Jahren einfach besseres gesehen hat. Aber das ist verzeihlich.
Setting
Beim Setting trafen Warner, Patty Jenkins und die Storyverantwortlichen Zack Snyder, Jason Fuchs und Allan Heinberg, Letzterer verfasste auch das Drehbuch, eine eher unorthodoxe Entscheidung: Sie verlegten die Handlung in den Ersten Weltkrieg. Wonder Woman debütierte bekanntermaßen in den 40ern, weshalb der Zweite Weltkrieg vielleicht die naheliegendere Wahl gewesen wäre. In den späteren Neufassungen ihrer Origin-Story (das aktuellste Beispiel stammt von Greg Rucka und wurde im Rahmen des DC-Rebirth-Events verfasst) wurde diese dann zumeist in die Gegenwart verlegt. Im DC Extended Universe scheint Wonder Woman nun jedoch das Gegenstück zu Captain America im MCU zu sein: Der chronologisch erste Superheld, dem andere nacheifern (was auch in moralischer Hinsicht ganz gut zu Diana passt, siehe unten). Der Erste Weltkrieg wurde wohl ausgewählt, um nicht allzu sehr mit „Captain America: The First Avenger“ verglichen zu werden. Außerdem meine ich gelesen zu haben, dass die Verantwortlichen auch eine zu starke Schwarz/Weiß-Perspektive vermeiden wollten – wenn Nazis vorkommen, sind sie halt die Bösen. Ich muss jedoch leider sagen, dass die Rechnung nicht wirklich aufgeht, denn der Film arbeitet zu wenig mit der gewählten Zeitperiode. Aus historischer Sicht ist „Wonder Woman“ sowieso Unsinn, schon allein weil Ludendorff erst 1937 starb, aber selbst wenn man derart Plakatives ignoriert, hätte der Film fast ebenso gut während des Zweiten Weltkriegs spielen können (mit Ausnahme des Endes und der kleinen Rolle, die ein gewisser Friedensvertrag spielt). Die beiden Unterschurken, Ludendorff und Doctor Poison, wirken wie die typischen Pulp-Nazis, die einem in der Popkultur von „Indiana Jones“ über „Hellboy“ bis zu „Captain America: The First Avenger“ überall über den Weg laufen; es fehlt lediglich die Hakenkreuz-Armbinde, denn Ludendorffs Uniform sieht schon verdammt nach Wehrmacht aus. Auch sonst sind die Deutschen primär einfach nur die Bösen – so viel also zur Schwarz/Weiß-Perspektive. Ich erwarte ja nun nicht, dass ein Superhelden-Popcorn-Film wie „Wonder Woman“ ein derart komplexes Ereignis wie den Ersten Weltkrieg völlig angemessen darstellt, aber ein bisschen mehr wäre nett gewesen, besonders, da einiges sehr gut zur Botschaft des Films gepasst hätte; etwa der Umstand, dass die anderen Parteien 1914 kaum weniger kriegslüstern waren als das Kaiserreich oder dass Hindenburg und Ludendorff gegen Ende praktisch eine Militärdiktatur etablierten. Ein paar derartige in die Handlung eingewobene Details hätten den Film und sein Setting runder gemacht.
Einen Aspekt möchte ich, davon fast schon unabhängig, jedoch noch hervorheben: Farben, Design und Atmosphäre. Auch diesbezüglich hatten die bisherigen DCEU-Filme massive Probleme in Form von hässlichen, hässlichen Farbfiltern. Bei „Man of Steel“ versuchte man, alles möglichst realistisch zu halten, übertrieb es dabei aber – alles war ausgewaschen und graublau. „Batman v Superman“ war zwar weniger auf Pseudorealismus aus, aber die Farbfilter waren noch stärker und irgendwann versank alles in einem schwarzgrauen Meer. „Suicide Squad“ versuchte es mit dem entgegengesetzten Ansatz und ertränkte den Zuschauer in grellen Neonfarben, die unangenehme Erinnerungen an Joel Schumacher wecken. „Wonder Woman“ fühlt sich diesbezüglich richtig an, die Farben wirken natürlich und passen. Die Paradiesinsel erstrahlt in sattem Grün, London und die Westfront sind zwar in Grau gehalten, aber es ist ein passendes, natürliches Grau, das zum Ambiente und entsprechenden Szene passt.
Diana
Im Zentrum dieses Artikels muss natürlich die Titelheldin stehen. Wonder Woman feierte ihr Debüt bereits im Jahr 1941 auf den Seiten von All Star Comics #8 und wurde von William Moulton Marston, seines Zeichens Psychologe und Erfinder des Lügendetektors (das Lasso der Wahrheit kommt nicht von ungefähr) geschaffen, der mit ihr einen Gegenentwurf zu maskulinen Helden wie Batman und Superman schaffen wollte. Mehr noch, Marston war feministischer Theoretiker und kreierte mit den Amazonen von Themyscira eine aus seiner Sicht ideale weibliche Gesellschaft. Diana, die Prinzessin der Amazon, kann praktisch als deren Höhepunkt verstanden werden, da sie von ihrer Mutter aus Lehm geformt und von den Göttern zum Leben erweckt wurde, also im Grunde ohne männliche Direktbeteiligung entstand. Insofern ist es eher fraglich, ob Marston mit dem Wonder-Woman-Film zufrieden wäre. Allerdings hat die Figur in ihrer inzwischen über fünfundsiebzigjährigen Geschichte viele Veränderungen durchgemacht, die im Kontext des Films ebenfalls berücksichtigt werden müssen.
Diana (Gal Gadot) auf dem Schlachtfeld (Bildquelle)
Primär zwei Inkarnationen Dianas scheinen für den Ursprung der Filmversion Pate gestanden zu haben: Die New-52-Version, die vor allem von Brian Azzarello geprägt wurde, und die animierte Verkörperung aus der Serie „Justice League Animated“. Die Film-Wonder-Woman ist ebenso wie die New-52-Wonder-Woman keine lebendig gewordene Lehmfigur, sondern eine Tochter des Zeus – die Lehmgeschichte ist lediglich Tarnung, um Dianas wahre Herkunft zu verschleiern. In beiden Fällen ist das keine willkürliche Änderungen, sondern ein wichtiges Handlungselement: Hier ist Diana der eigentlich „Gotttöter“, die lebendige Waffe, die Ares aufhalten kann. Natürlich hätte dieser Plottwist auch mit der ursprünglichen Origin umgesetzt werden können – Zeus verleiht der aus Lehm geformten Diana Leben, um sie als Waffe gegen Ares einzusetzen (wobei die klassische Zeugung aus Zeus‘ Perspektive natürlich ansprechender gewesen sein dürfte). Es hätte allerdings noch schlimmer kommen können, denn man hätte auch Ares zum leiblichen Vater machen und einen Vader-Plottwist einbauen können. In der bereits erwähnten aktuellsten Neuerzählung von Wonder Womans Ursprüngen wurde die New-52-Anpassung rückgängig gemacht, in den Comics ist sie damit wieder eine Lehmgeburt.
Wenden wir uns nun Dianas Aufbruch zu: In ihrer klassischen Origin-Stroy wird nach dem Eintreffen von Steve Trevor ein Wettbewerb abgehalten, bei dem entschieden wird, welche der Amazonen ihn in die „Welt der Männer“ zurückbegleitet. Gegen den Willen ihrer Mutter nimmt Diana teil und gewinnt, sodass sie als Botschafterin ausgewählt wird. In der Justice-League-Zeichentrickserie dagegen kommt Steve Trevor in diesem Kontext ebenso wenig vor wie der Wettbewerb, stattdessen greifen Aliens die Erde an und Diana stiehlt Lasso und Rüstung, um gegen den Willen ihrer Mutter die Erde zusammen mit der Justice League vor den Invasoren zu schützen. Die Folgen dieser Tat werden in späteren Episoden der Serie verarbeitet, sodass Diana dann letztendlich doch auch offiziell als Botschafterin fungieren kann. Ähnlich verhält es sich im Film; natürlich ist Steve Trevor beteiligt, aber auch hier stiehlt Diana Lasso und Rüstung, um gegen den Willen Hippolytas das zu tun, was sie für richtig hält.
Noch wichtiger als die Origin Story ist selbstverständlich die eigentliche Interpretation von Diana. Wir sehen diese Inkarnation von ihr zwar nicht zum ersten Mal, schließlich debütierte sie bereits in „Batman v Superman: Dawn of Justice“, in diesem Film bekam sie allerdings nicht sehr viel Raum zur Entfaltung und man erfuhr nicht besonders viel über sie. Zudem liegen zwischen „Batman v Superman“ und der Haupthandlung von „Wonder Woman“ über neunzig Jahre. Ein weiterer Grund, weshalb „Wonder Woman“ der beste DCEU-Film ist, findet sich in Dianas klarer, nachvollziehbarer Entwicklung über den Verlauf des Films. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal eine Parallele zu Captain America ziehen: Sowohl Diana als auch Steve Rogers sind keine Figuren, die sich wirklich zu Helden entwickeln müssen, wie etwa Tony Stark oder Bruce Wayne. Die heroische Grundhaltung besitzen sie von Anfang an. Stattdessen müssen beide lernen, wie sie diese heroische Grundhaltung sinnvoll einsetzen. Gerade diesbezüglich unterscheidet sich Diana von den anderen Heroen des DCEU. Zack Snyders Versionen von Batman und Superman sind bestenfalls wiederwillige Helden und schlimmstenfalls rücksichtslose Heuchler. Wonder Woman, zumindest Patty Jenkins‘ Wonder Woman, folgt nicht diesem Konzept. Man könnte fast schon von einer Rückbesinnung auf den klassischen DC-Helden sprechen. Vor allem zwischen den 40ern und 60ern waren die DC-Helden eher moralische Vorbilder, zu denen man aufschaute, während die Marvel-Helden menschlicher und alltäglicher waren, sodass man sich mit ihnen identifizieren konnte. Das bedeutet nicht, dass Wonder Woman in diesem Film allzu abgehoben wäre, aber sie ist nicht gebrochen oder ständig geplagt von Selbstzweifeln, sie ist ehrlich, aufrichtig, neugierig und hat Spaß an ihrer Existenz – Eigenschaften, die man in den ewig grimmigen Snyder-Filmen kaum findet. Mehr noch, sie wirkt auf positive Art überlebensgroß, eine klassische Heldin, die nicht fragt, ob sie eine Heldin sein soll oder nicht, sondern die einfach aufrichtig Menschen helfen möchte – vor allem die Szenen im Schützengraben sind da exemplarisch. Was früher langweilige Norm war, wird nun wieder erfrischend, weil es in den letzten Jahren fast nur noch geplagt Selbstzweifler als Superhelden gab. Was lernen wir daraus? Abwechslung ist der richtige Weg. Dass das alles so exzellent funktioniert liegt natürlich auch an Gal Gadot, die nun bewiesen hat, dass sie einen Film problemlos tragen kann. Ja, ihr Auftritt in „Batman v Superman“ war cool, aber er hat ihr nicht gerade viel abverlangt. Die wirkliche Leistung erbringt sie in „Wonder Woman“. Man merkt, wie involviert und leidenschaftlich sie ist – sie weiß, dass das mit großer Wahrscheinlichkeit die Rolle ist, wegen der man sie im Gedächtnis behalten wird.
Das, äh, Wonder-Team? Sameer (Saïd Taghmaoui), Steve Trevor (Chris Pine), Diana (Gal Gadot), Chief (Eugene Brave Rock) und Charlie (Ewen Bremner, Bildquelle)
Wie fast jeder Superheldenfilm folgt auch „Wonder Woman“ der klassischen Heldenreise. Schon im Konzept der Figur gibt es da die eine oder andere interessante Variation. Normalerweise bricht der Held aus der profanen Welt in die Welt des Mythos auf. Bei Diana ist es umgekehrt: Sie lebt in der Welt des Mythos, für sie wartet das Abenteuer in der profanen Welt. Wie nicht anders zu erwarten rührt der Humor des Films deshalb zum Großteil aus der Konfrontation Dianas mit der Menschenwelt des frühen zwanzigsten Jahrhunderts her. Interessanterweise spielt der Status der Frau in dieser Ära dabei eine eher untergeordnete Rolle. Zwar gibt es den einen oder anderen Seitenhieb, gerade im Dialog zwischen Diana und Etta Candy (Lucy Davis), aber davon abgesehen ist „Wonder Woman“ diesbezüglich geradezu zahm, obwohl die Zeit Derartiges fast schon provoziert. Ein interessantes Gegenstück wäre in mehr als einer Hinsicht der Wonder-Woman-Animationsfilm aus dem Jahr 2009, der Dianas Origin Story ins 21. Jahrhundert verlegt, die Stellung der Frau (und Dianas Irritation über das Verhalten der Frauen in der „Männerwelt“) aber in weit größerem Ausmaß thematisiert. In diesem Film ist auch ihr ursprünglicher Hintergrund intakt (Lehmgeburt, Wettkampf etc.).
Steve
Eine weitere Säule dieses Films ist Chris Pine, der ebenfalls einen großen Teil zum Gelingen von „Wonder Woman“ beiträgt. Die Chemie zwischen ihm und Gal Gadot stimmt einfach, anders als es zum Beispiel bei Henry Cavill und Amy Adams in „Man of Steel“ der Fall war – deren Beziehung war nie greifbar, sie haben sich am Ende geküsst, weil es im Drehbuch stand, aber nicht weil sie sich als Charaktere zu diesem Punkt hinentwickelt hätten. Ganz anders Chris Pine und Gal Gadot, deren Interaktion immer authentisch und nachvollziehbar wirkt und die sich ihre Filmromanze verdient haben. Ähnliches lässt sich auch über die anderen Nebenfiguren wie Chief (Eugene Brave Rock), Sameer (Saïd Taghmaoui) und Charlie (Ewen Bremner) sagen, die einen Grad an Authentizität und Einprägsamkeit mitbringen, den man bei den DC-Nebenfiguren bislang vermisst hat.
Steve Trevors Rolle als Love Interest ist allerdings fast schon zweitrangig. Im Vorfeld gab es Bedenken, Steve Trevor könnte als eigentlicher Held des Films inszeniert werden, während die Titelheldin zur zweiten Geige degradiert wird. Der eine oder andere Kritiker scheint sogar der Meinung zu sein, dass dem so ist, ich würde diesem Urteil allerdings widersprechen. Wenn wir noch einmal zur Heldenreise zurückkehren, dann ist Steve Trevor nicht einfach nur Love Interest, sondern auch Mentor Dianas. Ihre erste Mentorenfigur ist freilich nicht schwer auszumachen: Antiope bringt ihr das Kämpfen bei und stirbt dann auch schon im ersten Akt. Ab diesem Zeitpunkt übernimmt Steve die Rolle des Mentors, er bringt Diana in die Menschenwelt und schließlich an die Front. Er ist aber vor allem deshalb für Dianas Entwicklung unerlässlich, weil er ihr durch Worte und Taten zeigt, wie es um das Wesen der Menschen bestellt ist. Im zweiten Akt folgt Diana stur ihrer Mission: Sie glaubt, dass Ares die Gestalt von Ludendorff angenommen hat und sie ihn töten muss, um den Krieg zu beenden. Als sie Ludendorff dann tötet und er sich als normaler Mensch entpuppt, ist es Steve, der ihr zeigt und erklärt, womit sie eigentlich zu kämpfen hat. Da er aber kein klassischer Mentor á la Dumbledore oder Gandalf ist, durchläuft auch er einen Lernzprozess und beginnt, vorgefertigte Meinungen zu hinterfragen. Dennoch, wie es sich für einen guten Mentor gehört, opfert sich Steve letztendlich, damit Diana erkennt, wie und warum sie zur Heldin geworden ist – erst ab diesem Moment wird sie wirklich zu Wonder Woman. Die Erkenntnis (Liebe allein kann das Böse nicht vernichten, aber sie ist es wert, dafür zu kämpfen) selbst scheint dabei verhältnismäßig plakativ zu sein, spricht aber eher für einen Kompromiss als für die Philosophie der Extreme, die die bisherigen DCEU-Filme vertraten. Mich hat das ein wenig an Visions Erkenntnis am Ende von „Avengers: Age of Ultron“ erinnert.
Ares
Es heißt immer, das größte Problem der MCU-Filme seien die Schurken, aber ehrlich gesagt ist dieses Problem beim DCEU sogar noch größer. General Zod hatte ein paar interessante Ansätze, die aber im Sand verliefen, Lex Luthor war komplett für die Tonne und über die Enchantress reden wir besser gar nicht erst. Leider sind auch in „Wonder Woman“ die Schurken eher problematisch. Wie ich bereits erwähnte, sind sowohl Ludendorff als auch Doctor Poison im Grunde ziemlich langweilig. Ares ist interessanter – nicht unbedingt gelungen, aber interessanter. Letztendlich stellt sich heraus, dass nicht Ludendorff, sondern der von David Thewlis gespielte Sir Patrick Morgan tatsächlich der Gott des Krieges ist. Ares ist ein klassischer Wonder-Woman-Gegner und bei diesem Setting drängt er sich geradezu auf. Jenkins und Co. versuchen allerdings, ihn eher unkonventionell aufzuziehen. Normalerweise wird Ares durch Krieg stärker – ich verweise abermals auf den Wonder-Woman-Animationsfilm. Die Philosophie, die Ludendorff erläutert, kurz bevor Diana ihn aufspießt, DAS ist die Geisteshaltung des Comic-Ares. Die Filmversion dagegen scheint sich eher bei Magneto und Ra’s al Ghul inspiriert zu haben und verachtet die Menschheit für ihre Kriege, statt stärker zu werden. Ab hier werden Motivation und Absicht allerdings etwas schwammig, obwohl er nach bester Schurkentradition einen Monolog hält. Das Endziel ist wohl die Menschheit endgültig auszurotten. Mir gefällt die Idee, dass Ares die Menschen nicht tatsächlich zum Krieg zwingt, sondern ihnen lediglich die Ideen für Waffen u.ä. eingibt, aber was er dann genau zu erreichen versucht ist nicht so ganz klar. Man könnte vermuten, dass das eine Art „Foreshadowing“ auf den Zweiten Weltkrieg sein soll – Ares will ja tatsächlich, dass der Friedensschluss vonstattengeht, dass es aber ein inakzeptabler Friede wird – klingt nach dem Versailler Vertrag, der dann zum Entstehen des Dritten Reiches und dem Zweiten Weltkrieg zumindest beiträgt. Ares‘ Motivation, Absicht und Handlungen greifen alle nicht so recht ineinander – der klassische Ares hätte hier wohl besser funktioniert. Alternativ hätte man sich auch am New-52-Ares orientieren können, der aus den unpersönlichen Kriegen der Moderne keine Kraft mehr schöpfen kann, seine Stellung als Kriegsgott leid ist und die Menschheit deshalb vernichten will – denn solange es Menschen gibt, wird es auch Kriege geben. Letztendlich wird Ares Diana untergeordnet; er fungiert primär als Vehikel, damit sie ihre endgültige Lektion über Natur und Wert der Menschen lernen kann.
In diesem Zusammenhang sollte das Setting noch einmal erwähnt werden. Ich fand es gut, dass Ares‘ Deckidentität britisch ist und er nicht einfach nur der Drahtzieher hinter den Deutschen ist. Zugleich hätte der Film diese Inhalte noch weit besser vermitteln können, hätte er die Deutschen etwas differenzierter dargestellt – etwa ein Ludendorff, der kein Superdrogen schnüffelt und einfach alles sinnlos mit Gas niedermähen möchte. Mit Ares‘ Inszenierung bin ich auch nicht wirklich einverstanden. David Thewlis macht sich gut als Tarnidentität, aber muss der Gott des Krieges wirklich noch sein Gesicht haben, nachdem er seine wahre Gestalt angenommen hat? Das wirkt ziemlich lächerlich, ich hätte hier den klassischen Ares-Look mit nicht sichtbarem Gesicht und rot leuchtenden Augen definitiv bevorzugt.
Fazit
Im Großen und Ganzen ist „Wonder Woman“ der erste Film des DCEU, den ich als gelungen bezeichnen würde. Es gibt diverse Schwächen, die ihn etwas herunterziehen, vor allem die Schurken und mangelnde Sensibilität für das Setting und die Mythologie der Figur. Die gelungene Darstellung der Titelheldin und die Chemie zwischen Gal Gadot und Chris Pine wiegen allerdings einiges wieder auf. Wichtiger noch: „Wonder Woman“ trifft den richtigen Ton. Seit „The Dark Knight“ scheint die DC-Prämisse „düsterer und ernster“ zu sein – die Filme des DCEU scheiterten allerdings daran, das auch passend umzusetzen und die Prämisse nicht zum Selbstzweck verkommen zu lassen. „Wonder Woman“ gelingt die richtige Balance, düster und grimmig wenn nötig, hoffnungsvoll und optimistisch wo angebracht. Patty Jenkins kopiert nicht einfach nur die Formel der MCU-Filme, noch macht sie dieselben Fehler wie Zack Snyder – sie zeigt, wie die DCEU-Filme eigenständig funktionieren können. Hoffen wir, dass Warner Bros. aufgepasst hat.
Wenn man sich die Rezeption von „Suicude Squad“ so ansieht, scheint Warner Bros. nicht wirklich dazuzulernen. Andererseits spricht das bisherige Einspielergebnis dann wieder eine andere Sprache. Wie dem auch sei, die Reaktionen scheinen sehr ähnlich wie bei „Batman v Superman: Dawn of Justice“. Bislang bin ich noch nicht dazugekommen, die Qualitäten der Schurkentruppe um Deadshot und Harley Quinn selbst zu beurteilen, und es gilt ohnehin noch, das Thema „Dawn of Justice“ abzuschließen, und zwar in Form einer Besprechung des Ultimate Cut. Dieser wurde bereits vor Kinostart angekündigt und wirkte wie eine Reaktion auf den durchschlagenden Erfolg von „Deadpool“, der trotz (oder wegen?) seines R-Ratings ziemlich viel Geld einspielte.
Nun denn, was hat der Ultimate Cut zu bieten? Eine ganze Menge an zusätzlichem Material, zusammengenommen etwa eine halbe Stunde. Vergleicht man die Kinoversion mit dem Ultimate Cut, fühlt man sich unweigerlich ein wenig an Ridley Scotts „Königreich der Himmel“ erinnert. Oder, um es etwas direkter auszudrücken: Der ursprüngliche Schnitt hätte nie ins Kino kommen dürfen. Der Ultimate Cut sorgt zwar weder dafür, dass „Dawn of Justice“ ein guter Film wird, noch behebt er viele der wirklich essentiellen Probleme, aber er macht den Film immerhin weitaus anschaubarer. Vor allem bezüglich der Struktur und Logik gibt es massive Verbesserungen, Subplots, die in der Kinoversion nur angedeutet werden und dadurch rätselhaft, schwer nachvollziehbar und unlogisch waren, werden im Ultimate Cut ausführlicher beleuchtet. Das beste Beispiel ist der Afrika-Handlungsstrang, der im ursprünglichen Cut schlicht keinen Sinn ergibt und nun endlich nachvollziehbar ist. Darüber hinaus wird gezeigt, wie weit Lex Luthors Pläne tatsächlich das Geschehen beeinflusst haben. Warum er seinen übermäßig komplexen Plan überhaupt geschmiedet und durchgeführt hat, bleibt zwar nach wie vor sehr undurchsichtig, aber immerhin gibt es bezüglich der Umsetzung seiner Machenschaften ein wenig mehr Klarheit. Darüber hinaus ist das Erzähltempo nun weitaus entspannter; der Schnitt des Films wirkt nicht mehr wie der eines zweieinhalbstündigen Trailers.
Die Figur, die von der erweiterten Fassung eindeutig am meisten profitiert, ist Clark Kent/Superman. Der Mann aus Stahl kam in der Kinoversion eindeutig zu kurz, da die Verantwortlichen von Warner von Ben Afflecks Batman-Darstellung sehr beeindruckt waren und den Fokus stärker auf den Dunklen Ritter legen wollten. Das hatte wiederum zur Folge, dass Supermans Motivationen völlig hanebüchen wirkten und er als Figur kaum greifbar blieb. Der Ultimate Cut arbeitet den Mann aus Stahl zumindest ein wenig besser aus. Nun sieht er nicht mehr nur einen Bericht über Batman im Fernsehen und beschließt dann, dass es so nicht geht, er ist tatsächlich in Gotham, stellt Nachforschungen an und erfährt aus erster Hand, welche Auswirkungen Batmans Handeln hat. Es gibt auch diverse andere kleine Szenen, die die Figur etwas runder und greifbarer machen, etwa als Clark vom Selbstzweifel getrieben mitten in der Nacht seine Mutter anruft. Zwar ist dieser Superman immer noch nicht der Superman, den ich gerne sehen würde, aber er ist ihm immerhin ein wenig näher, er wirkt nicht mehr ganz so unnahbar und heuchlerisch, ein wenig menschlicher und darüber hinaus sehen wir sogar Clark Kent, der als Reporter agiert.
Fazit: „Batman v Superman: Dawn of Justice“ hat nach wie vor viele Probleme, aber einige davon kann der Ultimate Cut immerhin beheben, vor allem bezüglich der Logik, des Erzähltempos und des Schnitts. Auch die Darstellung Supermans wird zumindest in Ansätzen verbessert, die Charakterisierung Lex Luthors und Batmans bleibt dagegen nach wie vor mangelhaft. Sollte sich jemand dazu entscheiden, „Dawn of Justice“ anzusehen, sollte es definitiv diese Version und nicht die verstümmelte Kinofassung sein.
Enthält die volle Ladung Spoiler!
Es gibt Filme, die wissen einen im Kino noch zu fesseln, fallen aber auseinander, wenn man beginnt, hinterher über sie nachzudenken. „Batman v Superman: Dawn of Justice“ gehört nicht zu diesen Filmen, für mich ist er schon während des Kinobesuchs auseinander gefallen. Den Titel meiner ausführlichen Rezension habe ich nicht von ungefähr gewählt, und ich habe es auch schon in meiner kürzeren Kritik gesagt: „Batman v Superman: Dawn of Justice“ macht minutiös dieselben Fehler wie „The Amazing Spider-Man 2“. In beiden Fällen handelt es sich um einen Film, der auf Basis des Vorgängers ein größeres Superheldenuniversum initiieren soll, und in beiden Fällen merkt man ihm an, dass es eine Liste von Studioseite gab, die es abzuarbeiten galt, die aber oft einfach nicht mit dem Film harmoniert. Beide Filme haben Plotstränge, die nicht ineinandergreifen und zusammenpassen wollen, genau deshalb haben beide auch massive Probeleme bezüglich Struktur und Narrative und darüber hinaus gibt es in beiden Filmen viel zu viele plumpe Hinleitungen zu besagtem größerem Superheldenuniversum, die von der eigentlichen Handlung zu abgekapselt sind. Unter all dem leiden die Figuren, was besonders den Schurken betrifft. Und dann taucht im jeweiligen dritten Akt sehr plötzlich ein neuer Schurke auf, um noch in letzter Sekunde ein bahnbrechendes, schockierendes und klassisches Ereignisse aus der Comic-Historie einzubauen, das sich im Film sehr unnatürlich anfühlt, weil er nicht darauf hinarbeitet.
„Batman v Superman: Dawn of Justice“ ist ein höchst ambitionierter Film, der zu viel will. Je länger ich über ihn nachdenke, des problematischer wird er auch; aber gleichzeitig handelt es sich hierbei auch um einen höchst interessanten Film, schon allein wegen seiner Rezeption. Auf der einen Seite wird er von professionellen Filmkritikern fast ausnahmslos verrissen. Natürlich gibt es auch immer mal wieder eine positive Rezension, aber selbst diese sind höchstens verhalten positiv. Das bisherige Einspielergebnis spricht dagegen eine andere Sprache, und auch in Fankreisen findet Snyders zweiter DCEU-Film weitaus mehr Zuspruch. Insofern ist es ironisch, dass mich gerade meine eigene Fanperspektive eher den Kritikern zustimmen lässt. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich an einen Batman-Film einfach zu hohe Ansprüche habe, wer weiß. Jedenfalls hätte dieser Film bzw. das Unterfangen eines großangelegten cinematischen DC-Universums grandios werden können, aber „Dawn of Justice“ ist nicht nur für sich gesehen ziemlich problematisch, sondern auch in Bezug auf die kommenden Filme.
Dabei bedient Snyder die Fans in mancher Hinsicht durchaus großzügig, es finden sich viele, viele Anspielungen, manche subtil, andere ziemlich unsubtil, auf die diversen Vorlagen. Oft wurde Panels fast eins zu eins umgesetzt und Dialogzeilen direkt übernommen. Der Prolog etwa, der die Ermordung der Waynes zeigt, stammt fast genau so aus „The Dark Knight Returns“, und viele Zitate sowie der eigentliche, titelgebende Kampf schulden Frank Millers Graphic Novel sehr viel. Einige dieser Fanboymomente haben mich durchaus beeinflusst: Zum ersten Mal DCs Trinität vereint auf der Leinwand zu sehen war schon etwas, für das ich als Kind ziemlich viel gegeben hätte. Das Problem dabei ist die Direktübernahme dieser Elemente in einem veränderten Kontext, einem Kontext, in dem diese Elemente einfach nicht mehr auf die gleiche Weise funktionieren, aber nicht ausreichend angepasst sind.
Drei zum Preis von einem
„Dawn of Justice“ hat einige interessante Ideen und stellt auch ein paar interessante Fragen, hat aber Probleme, besagte Elemente sinnvoll umzusetzen. Schon in „Man of Steel“ war es ganz ähnlich: In der ersten Hälfte wurde viel Zeit damit verbracht, darüber zu diskutieren, was es heißt, Superman zu sein. Diese Frage ist natürlich für eine Neuinterpretation sehr interessant, aber „Man of Steel“ hat es nie geschafft, zu vermitteln, was es heißt, Superman zu sein, anstatt nur darüber zu reden. Sämtliche philosophischen Ansätze wurden in der Materialschlacht des dritten Aktes erstickt. Das wiederholt „Dawn of Justice“ leider, aber dabei liegt nicht einmal das Hauptproblem. Dieses sieht folgendermaßen aus: In „Dawn of Justice“ stecken mindestens drei, wenn nicht sogar vier unterschiedliche Filme mit unterschiedlichen Zielen, die meistens gegeneinander arbeiten und den anderen die Luft abschnüren.
Da hätten wir zum einen das eigentliche Sequel zu „Man of Steel“, das sich mit den Konsequenzen des Angriffs der Kryptonier beschäftigt, einen Batman-Film, der die neue Inkarnation des Dunklen Ritters vorstellt und dann das eigentliche Aufeinandertreffen der beiden. Oh, und vergessen wir auch Supermans Tod nicht. Ich hatte schon die Befürchtung, dass das kommen würde, als Doomsday in diesem unsäglichen Trailer auftauchte, da er nun einmal untrennbar mit Supermans (zumindest vorübergehendem) Tod verbunden ist – so geschehen in den 90ern, im Rahmen der Storyline „The Death of Superman“. Mal ehrlich, bei einer so ikonischen Figur wie dem Mann aus Stahl finde ich es unangemessen, dass ein derartiges Ereignis in einem Film kommt, in dem er fast schon eine Nebenfigur ist. Ein Film, der den Tod Supermans thematisiert, sollte auch ein Film sein, der IHM gehört und der auf dieses Ereignis hinarbeitet. Der Grund, weshalb Geschichten wie diese in den Comics funktionieren ist, dass sie ausgiebig darauf hinarbeiten. In „Dawn of Justice“ wirkt Supermans Tod auf mich wie etwas, dass das Studio in letzter Sekunde entschieden hat, um die größtmögliche Wirkung mit dem kleinstmöglichen Aufwand zu bekommen (etwas ganz Ähnliches hat man auch in „Star Trek Into Darkness“ und natürlich in „The Amazing Spider-Man 2“ versucht). Was noch erschwerend hinzukommt: Superman ist kaum etabliert. Wir haben mit dieser Inkarnation des Mannes aus Stahl kaum Zeit verbracht; im ersten Film kommt er, im zweiten geht er. Natürlich wird Superman auch hier nicht tot bleiben, „Dawn of Justice“ selbst kündigt das ja bereits an, aber dennoch verliert die ganze Aktion hier jedwede Wirkung, weil Superman im DCEU nie zu dem Symbol geworden ist, das er in den Comics oder anderen Adaptionen wurde.
Selbst, wenn wir Supermans Tod einmal ignorieren, ist „Dawn of Justice“ noch gnadenlos überfrachtet. Das wird umso deutlicher, da dieser Film eine ähnliche Struktur besitzt wie „Man of Steel“: In der erste Hälfte gibt es vornehmlich Exposition, in der zweiten Action. Immerhin kann man „Man of Steel“ diesbezüglich zugutehalten, dass die Geschichte, die der Film erzählt, in sich halbwegs kohärent ist, auch wenn das auf die Erzählweise nicht zutrifft. Die Erzählweise von „Dawn of Justice“ ist nicht nur ebenfalls inkohärent, wenn auch auf andere Weise, der Plot ist es sogar in noch größerem Ausmaß: Aufgrund der vielen Elemente, die erklärt und vorgestellt werden müssen, kommt aber nie ein passender, narrativer Fluss auf. Die Exposition bleibt ziemlich inhaltsleer, weil Snyder sofort wieder zur nächsten Baustelle hastet; der Film springt wild hin und her, ohne dass das Gezeigte Wirkung entfalten könnte. Alles wird angerissen, aber nichts wird ausgeführt – es hat sich für mich wirklich so angefühlt, als würde in „Dawn of Justice“ immer zwischen zwei Filmen hin und her geschnitten, ohne dass man beide vollständig zu sehen bekommt. Darunter leider nicht nur die Charakterentwicklung, es öffnet auch massive Logiklöcher. Auf einmal kennt Lex Luthor plötzlich sowohl Batmans als auch Supermans Geheimidentität, völlig ohne Erklärung. Außerdem wird alles, was es an interessanten Ansätzen gibt, kaum wieder aufgegriffen, etwa, wie Superman selbst mit den Ereignissen des Vorgängers hadert. Es gibt ein, zwei Szenen, in denen er ein wenig reflektiert, diese haben aber so gut wie keine Auswirkungen auf den restlichen Film. Ebenso die Wirkung, die sein Tun auf die Welt hat. Seine Wirkung bleibt schwer fassbar, weil der Film immer nur Einzelne zeigt, die auf ihn reagieren, aber es nie schafft, ein stimmiges Gesamtbild zu erzeugen. Oder Alfreds Satz, der bereits in einem der Trailer sehr prominent war: „The fever, the rage, the feeling of powerlessness that turns good men… cruel.” Ein sehr interessanter Ansatz, der eine Differenz zwischen Alfred und Bruce andeutet. Leider wird dieser potentielle Konflikt nie wieder auch nur angesprochen.
Auch manche Figuren fallen dem zum Opfer. Lois Lane etwa, die in diesem Film im Grunde fast völlig überflüssig ist und in ihre alte Klischeerolle zurückfällt: Sie muss ständig gerettet werden, und zwar gefühlt öfter als die von Margot Kidder dargestellte Lois in „Superman“ von 1978. Vor allem im Finale des Films ist auffällig, wie sehr man versucht hat, ihr etwas zu tun zu geben, es aber nicht geschafft hat: Erst wirft sie den Kryptonitspeer ins Wasser, dann versucht sie ihn herauszufischen und darf es nicht mal schaffen, sodass sie immerhin einen marginalen Beitrag liefern kann, nein, Superman muss sie erneut retten. Dagegen ist die von Holly Hunter dargestellte Senatorin Finch sehr interessant und ein guter Gegenpol zu Lex Luthor, wird aber viel zu schnell abserviert, als dass sie wirklich etwas bewirken könnte.
Insgesamt hätte „Dawn of Justice“ weitaus besser funktioniert, hätte er nicht die gesamte Exposition stemmen müssen – vor einem Aufeinandertreffen der beiden Ikonen hätte es mindestens noch einen weiteren Batman-Film sowie ein Sequel zu „Man of Steel“ geben müssen. Ersterer hätte die neue Inkarnation des Dunklen Ritters in aller Ruhe vorstellen können, Letzterer hätte sich mit Supermans Etablierung als größter Held der Welt beschäftigen müssen.
Ich hätte mir für ein solches Unterfangen gut die Schurkenkombo Lex Luthor/Metallo vorstellen können. In diesem hypothetischen Sequel setzt sich Superman tatsächlich mit den Folgen des Kryptonierangriffs und auch mit der öffentlichen Wahrnehmung auseinander und versucht gleichzeitig, die Menschen für sich zu gewinnen, zum Beispiel durch Offenheit: Superman bietet der Menschheit offiziell seine Dienste an, hilft beim Wiederaufbau von Metropolis etc. Luthor gibt sich zu Beginn als Unterstützer des Mannes aus Stahl aus, will ihn aber insgeheim kontrollieren. Als sich herausstellt, dass ihm das nie gelingen wird, versucht er eine Anti-Superman-Waffe zu schaffen: Metallo. Bei diesem handelt es sich um einen Mann namens John Corben, der während der Ereignisse von „Man of Steel“ schwer verletzt wurde und den Luthor nun zu einem mit Kryptonit angetriebenen Cyborg macht, der dadurch aber seine Menschlichkeit, bzw. seine Fähigkeit, menschliche Emotionen wahrzunehmen verliert. Dieses MoS-Sequel würde die Themen Menschlichkeit und Verantwortung anhand von Superman, Luthor und Metallo erforschen und wäre idealerweise nicht unter der Federführung von Zack Snyder und David S. Goyer entstanden.
Lex Luthor
Eine der größten singulären Schwächen des Films ist für mich Lex Luthor. Jesse Eisenberg funktioniert für mich in dieser Rolle auf keiner Ebene, wobei das nicht unbedingt die Schuld des Darstellers ist. Die Konzeption ist zugegebenermaßen noch ganz interessant und etwas gewagt, aber sie geht nicht auf. Dieser Lex soll weniger der skrupellose Großindustrielle, sondern eher ein exzentrischer moderner Internetmilliardär des 21. Jahrhunderts sein. Im Vorfeld wurde immer wieder betont, es handle sich hierbei um Alexander Luthor junior, dessen gleichnamiger Vater eher dem Luthor aus den Comics entspricht. Im Grunde ist das aber ziemlich irrelevant, da es trotz allem der Junior ist, der hier als Supermans Gegner und potentieller Erzfeind fungiert.
Alexander Luthor jr. (Jesse Eisenberg)
Selbst wenn man diesen Lex Luthor mit den diversen, eher schwächeren Marvel-Schurken vergleicht, zieht er den Kürzeren. Red Skull oder Ronan der Ankläger waren als Figuren ziemlich uninteressant und flach, waren aber für den Plot funktional, weil sie eine klare Agenda hatten. Lex Luthors Agenda und Motivation wandelt sich dagegen fast ständig. Will er nur Superman tot sehen, und wenn ja warum? Es gibt hier weder ein persönliches Verhältnis, noch macht der Film klar, ob Superman in irgend einer Art und Weise Lex in die Quere gekommen ist, sodass seine Motivation extrem vage bleibt. Hin und wieder lässt er ein paar kryptisch-metaphysische Sätze oder religiöse Metaphern vom Stapel, an einer anderen Stelle deutet er einen Vaterkomplex an, plötzlich will er ohne ersichtlichen Grund Batman tot sehen usw. Diese Inkohärenz erstreckt sich auch auf Luthors Plan, der unnötig kompliziert und unlogisch ist. Wenn er Angst hat, Superman könne sich gegen die Menschheit wenden und ließe sich nicht kontrollieren, wieso erschafft er dann mit Doomsday ein Monster, dass sich, wie wir gesehen haben, auf jeden Fall gegen die Menschheit wendet und genauso wenig aufzuhalten ist? Und falls es doch einen Kontrollmechanismus gibt, wird er im Film jedenfalls nicht erwähnt.
Hinzu kommt, dass dieser Luthor für mich auch auf einer inszenatorischen Ebene versagt. Eisenberg spielt ihn irgendwo zwischen Kevin Spaceys Lex Luthor und Heath Ledgers Joker, was dafür sorgt, dass ich ihn absolut nicht ernst nehmen kann. Ich denke, der Lex Luthor aus Brian Azzrellos „Lex Luthor: Mann aus Stahl“ hätte in diesem Kontext exzellent funktioniert.
Kampf der Giganten
In meiner Artikelreihe „Kampf der Giganten“ habe ich mich unter anderem bemüht aufzuzeigen, wie ein Konflikt zwischen Batman und Superman in den Comics gewöhnlich gehandhabt wird und wie er in meinen Augen auch aussehen sollte. Egal ob im Guten oder im Schlechten, wenn Batman und Superman aufeinandertreffen, sollte es zu einer Kollision der Weltanschauungen kommen, gleich, ob die beiden darüber in Konflikt geraten oder erkennen, dass sie sich trotz ihrer unterschiedlichen Ideologien respektieren oder sogar ausgezeichnet ergänzen. Dieser Ansatz wäre meiner Meinung nach essentiell gewesen, ist im Film aber praktisch überhaupt nicht vorhanden, und das aus einem simplen Grund: Batman und Superman sind sich hier viel zu ähnlich, als dass der Konflikt wirklich funktionieren könnte.
Der Robin-Anzug in der Bathöhle
Betrachten wir zuerst einmal die neue Inkarnation des Dunklen Ritters: Zack Snyder hat definitiv ein gutes Händchen dafür, Batman zu inszenieren, aber nicht, ihn zu konzipieren. Ben Affleck gefällt mir darstellerisch in der Rolle ausgezeichnet, und die Szenen mit ihm als Batman sind meistens sehr ansehnlich; der Kampf im Lagerhaus könnte fast direkt aus einem der Arkham-Spiele stammen (was hier als Kompliment zu verstehen ist), und jede Szene mit ihm und Jeremy Irons als Alfred ist grandios. Als Figur bleibt Batman aber hier viel zu undefiniert. Im Grunde bedienen sich Snyder, Goyer und Terrio desselben Batman-Konzepts wie Tim Burton: Dieser Dunkle Ritter hat scheinbar keinerlei Achtung vor Menschenleben; er ist bereit, massive Kollateralschäden in Kauf zu nehmen. Außerdem bleibt seine Vergangenheit größtenteils im Dunkeln, im Film gibt es nur ein paar subtile Andeutungen, zusätzlich zur Ermordung der Waynes, die schon wieder dargestellt wird. Gerade in diesem Film, der eigentlich ein Aufeinanderprallen von Weltanschauungen darstellen sollte, funktioniert das für mich nicht so recht und wirkt fast schon unzeitgemäß. Als Kenner der Figur kann man anhand der zum durchaus gelungenen visuellen Anspielungen durchaus nachvollziehen, was Snyder und Co. eigentlich bezwecken – das in Ruinen liegende Wayne Manor, das vom Joker gezeichnete Robin-Kostüm etc. Es ist wohl anzunehmen, dass dieser Batman früher heroischer war, ihn aber diverse Ereignisse, etwa der Tod eines Robins und schließlich Superman und die Invasion von General Zod, dazu verleitet haben, seine alten moralischen Vorstellungen größtenteils über Bord zu werfen. Das Ende wiederum deutet an, dass er langsam zu diesen zurückkehrt, weil er davon spricht, Superman gerecht zu werden und Lex Luthor nicht brandmarkt. Eigentlich wäre das eine durchaus interessante Charakterentwicklung, der Film schafft es aber nicht, diese zu vermitteln, sie geht in den anderen Handlungssträngen unter und basiert zu sehr auf Vorwissen, als dass ein Zuschauer, der mit den Comics nicht vertraut ist oder sich nicht mit dem Promotionsmaterial des Films beschäftigt hat, das deutlich erkennen könnte. Es fehlt der Kontrast, Alfred erwähnt in einem Halbsatz, dass Batman jetzt härter ist, und auch in einer Zeitungsschlagzeile ist kurz zu sehen, dass das Branntzeichen erst seit Kurzem zum Repertoire des Dunklen Ritters gehört, aber trotzdem hat man kaum einen Eindruck davon, wie Batman früher war. Zudem steht Batmans exzessive Rücksichtslosigkeit in keinem Verhältnis zu der Entwicklung, die Snyder und Co. (vermutlich) im Sinn hatten. Ein zusätzlicher Batman-Film, der diese neue Version des Dunklen Ritters etabliert und besagte Entwicklung verdeutlicht, hätte da Abhilfe geschafft, aber Warner will ja unbedingt so schnell wie möglich zur Justice League.
Batmans exzessive Rücksichtlosigkeit bringt uns auch gleich zum nächsten Problem, nämlich dem eigentlichen Konflikt der beiden Helden. Wie bereits gesagt, beide Helden sind sich zu ähnlich. Sowohl Superman als auch Batman könnten nachvollziehbare Gründe für ihre Verurteilung des jeweils anderen haben, so, wie „Dawn of Justice“ das herüberbringt, erscheinen aber beide als Heuchler. Ich fand die Szene, in der Bruce Wayne die Zerstörung von Metropolis aus der Normalo-Sicht mitbekommt, unheimlich stark. Die Kollateralschäden, die Batman allerdings im späteren Verlauf einzugehen bereit ist, arbeiten gegen diese Szene und die in ihr etablierte Motivation, und zudem sind sie Batmans Ziel schlich nicht zweckdienlich. Was ist aus dem Batman geworden, der infiltriert, tarnt und täuscht, statt alles brachial niederzuwalzen und zu –schießen?
Batman (Ben Affleck) versus Superman (Henry Cavill) im Miller-Stil
Superman hat es fast noch schlimmer erwischt, weil seine Abneigung gegen Batman kaum begründet wird. Wäre sie aufgrund besagter Kollateralschäden entstanden, wäre sie vielleicht sogar noch nachvollziehbar, aber es geht lediglich um die Branntzeichen, die Batman den Kriminellen verpasst. Im Vergleich dazu löst Superman internationale Zwischenfälle aus, nur um seine Freundin zu retten und scheint sich auch sonst nicht darum zu kümmern, wie man ihn wahrnimmt. Ich habe mit dem Superman dieses Films so ganz allgemein meine Probleme. In „Man of Steel“ habe ich Superman zumindest noch ansatzweise erkannt, aber in „Dawn of Justice“ zieht Henry Cavill die ganze Zeit eine Miene, die grimmiger ist als Batmans und kommt allgemein als fürchterlich arrogant und selbstgerecht rüber. Somit bleibt der eigentlich Kern des Films, der Konflikt der beiden Heroen, schlampig und halbherzig inszeniert, vor allem, weil es im Grunde zwei Mal dieselbe Figur ist, nur einmal mit und einmal ohne Superkräfte, wo die Dynamik doch eigentlich von Gegensätzen geprägt sein sollte. Entsprechend uninspiriert ist dann auch der Ausgang des eigentlichen, visuell durchaus ansprechend inszenierten Kampfes; Batman und Superman werden von einem Moment auf den anderen plötzlich Kumpel, weil ihre Mütter zufällig den gleichen Namen haben, anstatt dass sie lernen, sich gegenseitig zu respektieren. Entsprechend hohl wirkt dann auch das Ende des Films mit Supermans Begräbnis: Warum sollte man sich emotional fühlen angesichts der Art und Weise, wie Superman in diesem Film handelt? Warum sollte Batman seine Methoden ändern, um sich Supermans Opfer würdig zu erweisen, wo Superman doch fast genauso rücksichtslos vorgeht?
Dawn of Justice
Der Untertitel verweist nicht auf eine Thematisierung oder Verarbeitung des Begriffs „Gerechtigkeit“ und seiner Bedeutung, sondern ausschließlich auf Warner Bros. Vorhaben, die Justice League zusammen zu bringen, um mit Marvels Avengers konkurrieren zu können. Zu diesem Zweck wird „Dawn of Justice“ immer mal wieder angehalten, um einen Justice-League-Verweis einzubauen, der dramaturgisch völlig unsinnig ist, Zeit frisst, die an anderer Stelle fehlt und dazu noch völlig plump und uninspiriert daherkommt, so als kämen besagte Szenen direkt von den Produzenten des Studios (was wahrscheinlich auch der Fall ist). Zwei Elemente fallen da besonders auf. Zum ersten wäre da Batmans Vision in der Vision, die ich auch gerne als „Bat Max: Fury Road“ bezeichne: Wir sehen Batman in einem apokalyptischen Alptraum, in dem Superman offenbar als Diktator über eine verwüstete Erde regiert. Diese Thematik ist nicht neu, schon in „Superman: The Animated Series“ verschlägt es Lois Lane in einer Episode in eine Parallelwelt, auf der sie gestorben ist, was Superman dazu veranlasst hat, mit Lex Luthors Hilfe aus Metropolis einen Polizeistaat zu machen. Das Spiel „Injustice: Gods Among Us“ und die zugehörigen Comics bedient sich eines ähnlichen Plots; auch hier wird Superman nach Lois Lanes Tod zum Diktator und Batman zum Widerstandskämpfer. Das Omegasymbol im Sand und das Auftauchen dämonischer, geflügelter Wesen sind Indizien, doch noch auf etwas anderes hindeuten: Darkseid, einer von DCs größten Schurken, wird wohl früher oder später mit seine Paradämonen der Erde einen Besuch abstatten. Das Bild mit den Dämonen, die aus dem Himmel kommen, und die völlig aus dem Nichts kommende letzte Szene mit Lex Luthor deuten ebenfalls in diese Richtung. Tatsächlich wurde bereits eine geschnittene Szene veröffentlicht, die zeigt, woher Luthors plötzliches Wissen um eine potentielle Alieninvasion eigentlich herkommt und die uns eventuell auch Steppenwolf, Darkseids Onkel und Feldherrn, sowie die Mother-Box, einen göttlichen Supercomputer, zeigt. Da stellt sich nun die Frage: Arbeitet Superman in dieser Vision für Darkseid? Auch das gab es schon mal, nämlich im Serienfinale von „Superman: The Animated Series“, in welchem Darkseid Superman einer Gehirnwäsche unterzieht, sodass er glaubt, Darkseids Adpotivsohn zu sein.
„Bat Max: Fury Road“ ist in eine andere Vision eingebettet, in der der von Ezra Miller gespielt Flash auftaucht und Batman erklärt, Lois sei der Schlüssel (was wieder auf „Injustice: Gods Among Us“ hindeutet). Flash als Teil einer Zeitreisekrise verweist außerdem auf Geschichten wie „Crisis on Infinte Earths“ oder „Flashpoint“. Das Ganze bleibt allerdings ziemlich konfus und ich bin mir absolut nicht sicher, ob mir die Richtung gefällt, in die sich das Ganze bewegt.
Und dann wäre da natürlich noch die Vorstellung der anderen Justice-League-Mitglieder, die derart plakativ herüberkommt, dass ich im Kino meinen Augen kaum getraut habe: Da schickt Batman Wonder Woman doch tatsächlich eine E-Mail mit von Lex Luthor gestohlenen Dateien. Zu jedem späteren Mitglied der Liga (Flash, Aquaman, Cyborg) gibt es ein Video, das man sich ansehen kann. Das wirkt auf mich wie Promomaterial, das begleitend für einen Justice-League-Film als Teil einer Marketingkampagne veröffentlicht wird, nicht wie Teile dieses Films. Apropos Wonder Woman: Sie war definitiv eines der besten Elemente des Films, hat jede Szene gestohlen, in der sie war und zwischen ihr und Ben Affleck war so unendlich viel mehr Chemie als zwischen Amy Adams und Henry Cavill, aber wenn wir ehrlich sind, ist auch sie für diesen Film ziemlich irrelevant, da sie kaum etwas zur Handlung beiträgt. Mit einer minimalen Abänderung hätte der Endkampf auch nur zwischen Batman, Superman und Doomsday stattfinden können.
Bat Max, äh, Batman (Ben Affleck) betrachtet das Omega-Symbol im Sand
Was ist nun für die Zukunft des „DC Extended Universe“ zu erwarten? Zuerst einmal zwei Filme, für dich ich nach wie vor Hoffnung habe, nämlich „Suicide Squad“ (August 2016) und „Wonder Woman“ (Juni 2017). Beide sind nämlich erst einmal primär von der kommenden Justice-League-Adaption gelöst und Snyder, Goyer und Terrio sind auch nicht beteiligt (Ersterer ist zwar als ausführende Produzent genannt, aber das muss nicht unbedingt etwas heißen). „Suicide Squad“ beschäftigt sich in erster Linie mit Schurken und/oder eher unbekannten Nebenfiguren, während „Wonder Woman“ während des Ersten Weltkriegs spielt – die Möglichkeiten, die Justice League weiter vorzubereiten, sind damit eher begrenzt. Außerdem sehen die Suicide-Squad-Trailer und das, was wir von Wonder Woman in „Dawn of Justice“ gesehen haben, sehr vielversprechend aus. Wirklich Sorgen mache ich mir dann um „Justice League Part One“, bei dem wieder Zack Snyder Regie führt. Ich bin gespannt, ob und wie Warner auf die vernichtenden Kritiken reagiert. Auch der angekündigte Director’s Cut von „Dawn of Justice“ könnte zumindest interessant werden, da er dem Film tatsächlich helfen könnte, wenn er es schafft, die Struktur zu verbessern.
Fazit
An meinem ursprünglichen Fazit hat sich eigentlich nichts geändert, weshalb ich zum Schluss noch einmal auf einige Fan-Reaktionen eingehen möchte, die Kritikern vorwerfen, sie wollten nur einen Marvel-Film sehen, die DC-Filme seien düster und erwachsen, dies sei ein Film für die Comicfans etc. Ich hoffe, ich habe klar dargelegt, warum „Dawn of Justice“ für mich als Fan nicht funktioniert. Snyder, Goyer und Terrio mögen die Comics auf visueller Ebene zitieren, inhaltlich bleibt dies aber nur oberflächlicher Fanservice, da sie offenbar nicht begriffen haben (oder sich einfach nicht darum kümmern), was die Comics, die sie da zitieren, eigentlich aussagen. Und ich denke, niemand ist der Meinung, alle Superheldenfilme müssten wie die Streifen des MCU sein. Es geht nicht um die Prämisse bzw. die Stimmung an sich, sondern darum, wie sie umgesetzt wird. Die MCU-Filme sind im Großen und Ganzen selbstironischer, leichter und „heller“, während die (bisherigen) Filme des DCEU versuchen, düster, grimmig und ernsthaft zu sein – sie wären gerne eine Superheldencharakterstudie. Das Problem ist nicht, dass sie das versuchen, sondern dass sie an ihrer Prämisse ziemlich grandios scheitern. Wie dieses Vorhaben funktionieren kann, zeigen die Marvel-Serien von Netflix. So bleibt „Batman v Superman: Dawn of Justice“ ein sowohl faszinierendes als auch unendlich frustrierendes misslungenes Projekt, ein widersprüchlicher Film, der gleichzeitig zu lang und zu kurz und zu vorlagentreu und zu abweichend ist.