In den frühen 2000er-Jahren lief auf dem amerikanischen Kabelsender Showtime eine Anthologieserie mit dem Titel „Masters of Horror“. Jede der knapp einstündigen Folgen, die eine in sich abgeschlossene Geschichte erzählt, wurde von einem mehr oder weniger prominenten Regisseur des Genres inszeniert, darunter auch Größen wie John Carpenter oder Dario Argento – der Titel der Serie bezieht sich primär auf diesen Umstand. Viele der Folgen basieren darüber hinaus auf den Werken literarischer Meister des Horrors, darunter Clive Barker, Edgar Allan Poe und natürlich auch H. P. Lovecraft. Tatsächlich handelt es sich bereits bei der zweiten Folge um eine Adaption einer Lovecraft-Geschichte. Verantwortlicher Regisseur und, zusammen mit Dennis Paoli, auch Drehbuchautor ist Stuart Gordon, der bereits andere Werke Lovecrafts adaptiert hat, wenn auch nicht mit allzu großem Erfolg.
Nach „Herbert West – ReAnimator“ und „The Shadow over Innsmouth“ bzw. „Dagon“ widmete sich Gordon für „Masters of Horror“ der Kurzgeschichte „The Dreams in the Witch House“, einem meiner bescheidenen Meinung nach eher unebenen Werk des Schriftstellers aus Providence. Während die Konzeption durchaus interessant ist, schafft es die Geschichte nicht, über die Summe ihrer Teile hinauszuwachsen. In ihr versuchte Lovecraft, klassische Topoi der Schauerliteratur bzw. des europäischen und nordamerikanischen Hexenmythos mit kosmischem Horror und Proto-Science-Fiction zu verbinden. Die Hexe Keziah Mason (eine der wenigen weiblichen Figuren, die bei Lovecraft eine wichtige Rolle spielt) benutzt nicht wirkliche Magie, um Zeit und Raum zu durchqueren, sondern extrem fortgeschrittene Mathematik und non-euklidische Geometrie und die satanartige Figur, der sie ihre Seele verschrieben hat, ist Nyarlathotep, der Bote der Äußeren Götter. Mit ein wenig mehr Feinschliff hätte „The Dreams in the Witch House“ eine wirklich gute kosmische Horrorgeschichte werden können. In manchen Fällen schafft ein Medienwechsel dann ja auch durchaus die Gelegenheit, das zugrunde liegende Werk zu optimieren. Leider ist das hier nicht der Fall.
Insgesamt ist „Dreams in the Witch-House“ etwas besser gelungen als Gordons nur wenige Jahre zuvor entstandene Lovecraft-Verfilmung „Dagon“, aber das sagt leider nicht allzu viel aus. Zumindest was die oberflächliche Handlung angeht, hält sich Gordon verhältnismäßig genau an die Vorlage: Der Student Walter Gilman (Ezra Godden, der bereits in „Dagon“ die Hauptrolle spielte) sucht eine billige Bleibe, um für sein Abschlussexamen zu lernen, und landet schließlich im Dachgeschoss eines alten Hauses, das früher von der Hexe Keziah Mason (Susanna Uchatius) bewohnt wurde. Schon bald plagen ihn schlimme Albträume, er schlafwandelt, sieht Ratten mit menschlichen Gesichtern und schließlich erscheint ihm auch die Hexe selbst. Anders als die Vorlage spielt die Adaption nicht in den 20ern, sondern in der Gegenwart (bzw. den frühen 2000ern), sodass Gilman mit einem Laptop arbeitet und sich statt mit non-euklidischer Geometrie mit der String-Theorie auseinandersetzt. Mit der alleinerziehenden Mutter Frances Elwood (Chelah Horsdal) wurde darüber hinaus eine weitere weibliche Figur sowie ein romantischer Subplot hinzugefügt. Diese beiden Änderungen sind nicht weiter störend, was dagegen unangenehm auffällt, ist die Reduktion des kosmischen Horrors auf ein absolutes Minimum. Wie schon bei „Dagon“ konzentriert sich Gordon vor allem auf den oberflächlichen Horror, vernachlässigt aber das, was Lovecrafts Geschichten eigentlich besonders macht. Fast jegliche Verbindung zum „Cthulhu-Mythos“ bleibt außen vor, nur das Necronomicon (hier scheinbar gebunden in die Haut von geopferten Säuglingen) hat einen kurzen Gastauftritt. Ohne diese Verknüpfung aus traditionellem und kosmischem Horror ist „Dreams in the Witch-House“ eine reichlich konventionelle, nicht besonders erschreckende Angelegenheit. Schon Keziah Mason ist nicht allzu grauenerregend, und Brown Jenkin, die Riesenratte mit dem Menschengesicht, hat schon in Lovecrafts Geschichte nicht wirklich funktioniert, hier wirkt er völlig lächerlich. Leider gelingt es Gordon auch nicht, wirkliche Spannung oder eine überzeugende Amtosphäre zu erzeugen.
Fazit: Wer einen gelungenen Film über die Hexenthematik sucht, sollte lieber zu „The Witch“ greifen; „Dreams in the Witch-House“ ist schlicht zu bieder und konventionell, um ein interessanter Genre-Beitrag zu sein. Als Lovecraft-Adaption funktioniert Gordons Arbeit noch weniger, da fast jede Spur kosmischen Horrors aus der Geschichte entfernt wurde.
Lovecrafts Vermächtnis:
Der Cthulhu-Mythos
Nathaniel
Dagon
Die Opferung
Das Alien-Franchise
Revival
Cthulhu in Westeros
The Courtyard/Neonomicon/Providence
Echo des Wahnsinns