JLA: Rock of Ages

154533
Zack Snyder ist definitiv nicht der erste, der auf die Idee einer dystopischen, von Darkseid beherrschten Zukunft des DC-Universums kam. Wahrscheinlich ist auch Grant Morrison nicht der erste, aber auf den Seiten der JLA-Storyline „Rock of Ages“ (erschienen in den Heften 10 bis 15) begegnete zumindest mir dieses Konzept zum ersten Mal. Ähnlich wie schon meine Rezension zu „Justice League: Origin“ kann auch dieser Artikel als Vorbereitung auf den Snyder-Cut gesehen werden – und natürlich handelt es sich dabei um die lange überfällige Fortführung meiner Artikelreihe zu Grant Morrisons JLA-Run.

Handlung
Sieben bösartige Doppelgänger des Justice League greifen Star City an und sorgen für Chaos und Zerstörung. Der Liga gelingt es gerade so, die Doppelgänger zu besiegen, wobei die Ligisten feststellen, dass es sich nicht um lebendige Wesen, sondern um ferngesteuerte Hartlichthologramme handelt. Hinter dem Angriff steckt eine Neuformation der „Injustice Gang“. Dieses Team existierte bereits in mehreren Formationen als schurkisches Gegenstück zur Justice League, dieses Mal besteht sie allerdings ausschließlich aus Erzfeinden der „Großen Sieben“. Ins Leben gerufen wurde sie von Lex Luthor, der sich durch Supermans Beteiligung an der Liga persönlich angegriffen fühlt. Als Gegenstück für Batman fungiert natürlich der Joker (wer auch sonst?), für Wonder Woman ist Circe am Start, für Aquaman der Ocean Master (der durch James Wans „Aquaman“ immerhin ein wenig mehr Bekanntheit erlangt hat) und aus Flashs Rogues Gallery macht Mirror Master mit. Green Lantern (Kyle Rayner) ist als Held noch zu neu, um einen wirklichen Erzfeind zu haben, weshalb Luthor (bzw. Morrison) mit Doctor Light einen klassischen Teen-Titans-Schurken wählte, der während des Crossovers „Underworld Unleashed“ neue Fähigkeiten und ein neues Aussehen bekam und immerhin schon das eine oder andere Mal mit Lantern aneinandergeriet. Für Martian Manhunter schickt Morrison eine eher obskure DC-Figur aus den 80ern namens Jemm bzw. „Son of Saturn“ an den Start – dieses telepathische Alien wird von Luthor mehr oder weniger ferngesteuert. Supermans Erzfeind verfügt allerdings noch über eine weitere Geheimwaffe, den legendären Stein der Weisen (auch Worlogog), der zwar weder für Gold, noch für Unsterblichkeit sorgt, dafür seinem Besitzer aber Macht über das temporale Gefüge verleiht.

Während sich die Liga, die aktuell aus Superman, Batman, Martian Manhunter, Aquaman, Green Lantern, Flash sowie den beiden Newcomern Aztek und Green Arrow besteht – Wonder Woman ist zu diesem Zeitpunkt gerade tot, allerdings, wie üblich bei Superhelden, nur temporär – mit den Machenschaften der Injustice Gang herumschlägt, taucht unvorhergesehen der New God Metron im Wachturm der Justice League auf und enthüllt den dort anwesenden Ligisten Aquaman, Green Lantern und Flash, dass sie unbedingt verhindern müssen, dass der Stein der Weisen Darkseid in die Hände fällt. Um das zu erreichen, schickt er die drei auf eine Odyssee durch Raum und Zeit. Nach einem Zwischenstopp auf Wonderworld, wo sich gewaltige Superwesen auf die Apokalpyse vorbereiten, landen sie schließlich fünfzehn Jahre in einer Zukunft, in der Darkseid die Antilebensformel errungen hat und über das Universum regiert. Mithilfe der versprengten Reste der JLA müssen die drei Ligisten, die sich in den Körpern ihrer zukünftigen Gegenstücke befinden und weder über Supertempo, noch über einen Kraftring verfügen, versuchen, in ihre Zeit zurückzugelangen, um anschließend zu verhindern, dass Superman Luthor den Stein der Weisen abnimmt und ihn zerstört – dieser Akt ermöglichte es Darkseid nämlich, die Herrschaft zu übernehmen…

Injustice for All

JLA-Rock-of-Ages-Injustice-Gang
Lex Luthors Injustice Gang

„Rock of Ages” verfügt über zwei Handlungsstränge, die ineinander verschachtelt sind. Der Kampf gegen die Injustice Gang fungiert dabei als Rahmen, pausiert für die dystopische Zukunft und wird dann wieder aufgenommen. Dieser Handlungsstrang legt seinen Fokus primär auf Lex Luthor, die anderen Mitglieder der Gang fungieren eher als Erfüllungsgehilfen. Luthor ist hier stark in seiner 90er-Charakterisierung als ruchloser Geschäftsmann verwurzelt, das heißt, er steigt nicht in einen grünen Anzug, um sich selbst an den Kämpfen zu beteiligen, sondern betrachtet die Vernichtung der Justice League als Firmenübernahme, angefeuert von seinem Hass auf Superman. Batman hat auf diesem Bereich natürlich als Geschäftsführer von Wayne Enterprises nicht weniger Erfahrung und kann so relativ gut gegen Luthor arbeiten. Zum Beispiel bringt er drei Agenten, darunter Plastic Man, in Luthors Team unter. Sehr interessant ist die Dynamik der Schurken untereinander sowie ihre Zusammenarbeit. So entstehen die Hartlichthologramme zum Beispiel aus der Kooperation zwischen Dr. Light und Mirror Master. Ein späteres Konstrukt wird genutzt, um den wirren Verstand des Jokers bildlich umzusetzen und so Superman und Martian Manhunter in die Irre zu führen. Allerdings muss auch gesagt werden, dass das eine oder andere Mitglied der Gang fast schon zur Staffage gerät, vor allem Ocean Master und Circe haben relativ wenig zu tun – Letztere wird immerhin in einen hochamüsanten Austausch mit Plastic Man verwickelt und darf Green Arrow scheinbar abwerben. Leider kommt es kaum zur Interaktion zwischen den Mitgliedern der Injustice Gang und ihren JLA-Gegenstücken; allerdings hat der Martian Manhunter eine ganz interessante Szene mit dem Joker.

In diesem Kontext bietet es sich an, noch ein paar Worte zu den Zeichnungen zu verlieren, da gerade der Joker von Howard Porter nicht ganz optimal dargestellt ist. Das ist wirklich schade, da Porters Interpretation der anderen Figuren mir überaus gut gefällt und er einige Jahre zuvor in der Eventminiserie „Underworld Unleashed“ einen wirklich exzellenten, herrlich dämonisch grinsenden Joker abgeliefert hat. Für die letzte Ausgabe dieses Handlungsbogens bekam Porter zusätzlich Unterstützung von Gary Frank und Greg Land, die sich um sehr fließende Übergänge bemühen, sodass der Wechsel nicht sofort auffällt – irgendwann bemerkt man es aber doch, da die meisten Figuren optisch etwas schwächer sind. Lediglich der Joker sieht bei Frank und Land besser aus.

Darkseid Is

darkseid-is-smaller
Darkseid Is

Der interessantere der beiden Teile von „Rock of Ages“ ist mit großem Abstand Lanterns, Flashs und Aquamans Ausflug in die dystopische, von Darkseid beherrschte Zukunft. Diesen Ausflug erzählt Morrison in den US-Heften 13, 14 und 15 am Stück, ohne mit der Injustice-Gang-Handlung zu alternieren. Egal, ob es sich um Elseworlds-Geschichten außerhalb der Kontinuität, Visionen oder wie hier Zeitreisen handelt, Autoren haben mit dem Konzept der düsteren Zukunft immer viel Spaß und bei Grant Morrison ist es kaum anders. Das beginnt bereits bei der Zusammensetzung der zukünftigen Liga, die neben den drei Zeitreisenden in ihren zukünftigen Körpern aus einer ins Leben zurückgekehrten Wonder Woman, dem umprogrammierten Schurken-Droiden Amazo, der zweiten Aztek und den beiden Ex-Titans Argent und The Atom besteht. Nicht vergessen werden sollte außerdem Green Arrow Connor Hawke mit dem Oliver-Queen-Gedächtnisbart. Im späteren Verlauf kommt außerdem noch eine grandiose Version von Batman hinzu, dem es zwar an einigen Fingergliedern, aber nicht an Entschlossenheit mangelt. Abermals ist es der Dunkle Ritter, der den Schlüssel zum Sieg in der Hand hält. Gerade hier zeigt sich ein weiteres Mal Morrisons Talent für Komprimierung, das seinen JLA-Run auszeichnet: Was Morrison in drei US-Ausgaben an Worldbuilding für diese finstere Zukunft unterbringt, ist beeindruckend. Er muss nicht lang und breit auswalzen, weshalb das Leben unter Darkseids Herrschaft fürchterlich ist, oft reichen Andeutungen, sei es in den Dialogen oder den Zeichnungen. Supermans Schicksal ist stellvertretend für die vielen anderen gefallenen Helden, den Rest erledigen die beschädigten Artefakte in der Zuflucht der letzten Helden, sei es Doctor Fates Helm, Starmans Stab oder die Überreste der Kostüme von Robin und Mister Miracle. Morrison gelingt es, wie schon zuvor, die Handlung erfolgreich zu komprimieren und mit verhältnismäßig wenig Platz sehr viel zu erreichen. Gerade im Vergleich mit Geoff Johns‘ „Justice League: Origin“ fällt auf, wie viel Handlung und Twists Morrison in sechs US-Heften unterbringen kann, ohne dass es sich zu überfüllt anfühlt.

Und dann wäre da natürlich noch Darkseid selbst, der seinen üblichen, grau-blauen Look gegen ein tiefschwarzes Outfit getauscht hat und hier imposanter als in fast jeder anderen Geschichte wirkt. Morrison beginnt in „Rock of Ages“, sich mit dem finsteren Gott näher auseinanderzusetzen und ihn von dem außerirdischen Despoten, als der er in den 90ern meistens dargestellt wird, stärker in Richtung „platonische Verkörperung des Bösen“ zu rücken. Diese Entwicklung ist in „Rock of Ages“ noch alles andere als abgeschlossen und wird erst in Morrisons „Final Crisis“ wieder aufgegriffen, aber die Saat findet sich bereits hier, im „Slogan“ des finsteren Gottes: „Darkseid Is“. Das ist natürlich ein Verweis auf den Namen Gottes, das Tetragrammaton JHWH (meistens mit „Jahwe“ wiedergegeben), was übersetzt bzw. erläutert wohl so viel bedeutet wie „Ich bin, der ich bin“ oder „Ich werde der sein, der ich sein werde“ (die Etymologie des Gottesnamens ist ein kompliziertes Kapitel, auf das ich hier nicht eingehen werde). Dieser Slogan ist jedoch noch so viel mehr, er verweist darauf, dass Darkseid aus seiner Perspektive nicht einfach nur Gott ist, sondern das einzige Wesen, das tatsächlich existiert – eine Form von Solipsismus, die Morrison in „Final Crisis“ noch weiter ausarbeiten sollte. Alle anderen Wesen sind in Darkseids Wahrnehmung so weit unter ihm, dass sie praktisch nicht existieren. Letztendlich liegt Darkseid hier natürlich falsch, was Morrison sehr schön durch den Erzähler der JLA-Ausgaben 14 herausarbeitet. Dieser ist offensichtlich Teil der Geschichte, bleibt aber bis zum Schluss mysteriös – letztendlich entpuppt er sich als der Black Racer, die Inkarnation des Todes der New Gods, die am Ende kommt, um auch Darkseid zu holen.

Weiterführende Lektüre
Zwischen den Ausgabe 10 und 11 der JLA-Serie (also zwischen Teil 1 und 2 des Handlungsbogens) findet ein ganzes Crossover-Event statt. Diese Miniserie aus dem Jahr 1997 mit dem Namen „Genesis“ (sowie die zugehörigen Superman-Hefte) veröffentlichte der Dino-Verlag in Paperbackform als „Superman Sonderband 2“. Tatsächlich hat die dort erzählte Geschichte um die Godwave, die den New Gods und auch den Superhelden ihre Kräfte verleiht (und nun dafür sorgt, dass besagte Kräfte verrücktspielen) nur marginal etwas mit „Rock of Ages“ zu tun. Sowohl Darkseid als auch der griechische Kriegsgott Ares, der immer wieder als Gegner für Wonder Woman fungiert, versuchen, sich die Godwave für ihre finsteren Zwecke zunutze zu machen. Morrison nimmt das eine oder andere Mal Bezug auf die Miniserie, etwa als die Ligisten sich angesichts von Metrons Warnung fragen, ob Darkseid es geschafft hat, aus dem Quellenwall, in den er am Ende von „Genesis“ verbannt wurde, auszubrechen. Zum Verständnis von „Rock of Ages“ ist „Genesis“ allerdings nicht notwendig.

Wie bereits erwähnt greift Morrison viele Ideen aus „Rock of Ages“ in seinem Großevent „Final Crisis“, das 2008/09 in Zusammenarbeit mit den Zeichnern J. G. Jones und Doug Mahnke erschien, wieder auf. Nicht nur verfügt „Final Crisis“, wie für DC-Großevents üblich, über eine ganze Reihe von Tie-Ins und Begleitminiserien, die Geschichte ist zusätzlich ziemlich komplex (vielleicht sogar übermäßig kompliziert) und zudem ziemlich verschachtelt. Morrison unterwirft sich hier kaum noch den gewöhnlichen Konventionen eines Superhelden-Events, sondern begibt sich voll auf die Meta-Schiene. Gerade im Hinblick auf die New Gods ist „Final Crisis“ aber hochinteressant, da die oben beschriebene Entwicklung und die platonische Darstellung Darkseids hier auf die Spitze getrieben werden. Der finstere Gott wird als Wesen außerhalb des Multiversums etabliert. Darkseids Fall und das „Absterben“ seiner Essenz sorgen für eine interdimensionale Krise, da er auf diese Weise das Gefüge des Multiversums selbst beschädigt. Zusätzlich finden sich auch einige Handlungsparallelen zu „Rock of Ages“: Abermals erringt Darkseid (wenn auch nur kurzfristig) die Kontrolle über die Erde und ein weiteres Mal stellt sich ihm Batman entgegen, um anschließend von Darkseids Omega-Strahlen (zumindest scheinbar) pulverisiert zu werden.

Fazit: Nicht umsonst ist „Rock of Ages“ einer von Kevin Smiths absoluten Lieblings-DC-Comics und taucht auch regelmäßig in den Best-of-Justice-League-Listen auf – dieser Handlungsbogen ist der vorläufige Höhepunkt von Morrisons JLA-Run, eine epische Geschichte, die ihresgleichen sucht, einen grandiosen Moment an den anderen reiht und genug von Morrisons metaphysischen Spielereien enthält, um das Ganze wirklich faszinierend zu gestalten, aber nicht so viele, dass die Geschichte, wie es bei „Final Crisis“ der Fall ist, zu unübersichtlich gerät.

Bildquelle Cover
Bildquelle Injustice Gang
Bildquelle Darkseid

Siehe auch:
JLA: New World Order
JLA: American Dreams
Justice League: Origin

Batman: Year One

41DLqZ6LY-L._SX328_BO1,204,203,200_
Im Rahmen des Großevents „Crisis on Infinite Earths“ entschloss man sich bei DC zu einem Großreinemachen: Man entledigte sich nicht nur des Multiversums, das zunehmend für Verwirrung sorgte, sondern beschloss auch, die Origin Storys der wichtigsten Helden einem Update zu unterziehen. Nachdem Frank Miller Batman mit „The Dark Knight Returns“ zu neuer Popularität verholfen hatte, lag es nahe, ihn Batman noch einmal neu erfinden zu lassen. Anders als ursprünglich geplant zeichnete Miller dieses Mal allerdings nicht selbst, sondern überließ diese Aufgabe David Mazzuchelli, mit dem er bereits an „Daredevil: Born Again“ gearbeitet hatte. Das Ergebnis, „Batman: Year One“, ist quasi DIE Batman-Origin schlechthin – während Supermans Entstehung selbst im Rahmen der regulären Kontinuität gefühlt alle paar Jahre neu erzählt wird (u.a. in John Byrnes „Superman: The Man of Steel“, quasi das Gegenstück zu „Batman: Year One“, Mark Waids „Superman: Birthright“ oder Geoff Johns‘ „Superman: Secret Origin“), blieb „Year One“ für lange Zeit ohne Nachahmer.

Handlung und Struktur
Nach langjähriger Abwesenheit kehrt der fünfundzwanzigjährige Bruce Wayne nach Gotham City zurück, um dem Verbrechen den Kampf anzusagen – er weiß nur noch nicht, wie. Zeitgleich erreicht auch James Gordon, noch im Rang eines Lieutenant, Gotham, da er zum Gotham City Police Departement versetzt wurde. Hier muss sich Gordon mit der allgegenwärtigen Korruption auseinandersetzen – jeder, von seinem Partner Arnold Flass bis hin zu Commissioner Gillian Loeb, steht auf der Gehaltsliste des Mafiabosses Carmine „The Roman“ Falcone. Bruce‘ erste Einsätze im Kampf gegen das Verbrechen gehen derweil ziemlich schief, eine Schlägerei im East End Gothams überlebt er kaum. Zwar verfügt er über das nötige Training, doch gelingt es ihm nicht, den Verbrechern Angst einzujagen. Eine Fledermaus liefert schließlich die nötige Inspiration. Während Bruce sich als Vigilant Batman einen Namen macht und erstmals von den Größen der Stadt wie Loeb und Falcone als Bedrohung wahrgenommen wird, versucht Gordon weiter gegen Korruption vorzugehen und verliebt sich nebenbei in seine Kollegin Sarah Essen – ein äußerst ungeschickter Zeitpunkt, ist seine Frau Barbara doch gerade mit dem gemeinsamen Sohn schwanger. Gordons und Batmans Wege kreuzen sich immer wieder, nicht zuletzt, als ein gesamtes Sonderkommando daran scheitert, der Dunklen Ritter festzunehmen oder zu töten. Und mehr noch, er inspiriert bereits Nachahmer, etwa die Prostituierte Selina Kyle, die in einem Katzenkostüm Überfälle begeht. Gordon wird der korrupten Elite zwischenzeitlich zu lästig, weshalb sie versuchen, ihn durch die Entführung seiner Frau und seines neugeborenen Sohnes gefügig zu machen, doch Bruce schreitet auch ohne Maske ein – so beginnt das Bündnis zwischen Batman und Gordon.

Ähnlich wie „The Dark Knight Returns“ erschien auch „Batman: Year One“ in vier Heften, allerdings handelte es sich dabei nicht um vier extradicke Ausgaben einer Miniserie, sondern um vier Hefte der regulären Batman-Serie (404 bis 407). Ironischerweise orientiert sich „Batman: Year One“ allerdings weitaus weniger an der Dramaturgie „gewöhnlicher“ Superheldencomics, die „The Dark Knight Returns“ aufgreift. Da Batmans reguläre Rogues Galery ohnehin noch nicht existiert, nutzt Miller die Gelegenheit, „Year One“ deutlich stärker als durchgehende Geschichte zu erzählen. Anstatt diese Fassung von Batmans Origin mithilfe der Superheldendramaturgie zu strukturieren, arbeitet Miller hier mit Charakterpaaren. Das zentrale Paar sind natürlich Bruce Wayne und James Gordon, die den Leser auch stets an ihren Gedanken teilhaben lassen und danach trachten, Gotham zum Besseren zu verändern. Es finden sich aber noch weitere Figurenpaare, die Miller einander gegenüberstellt: Gordon und Harvey Dent, die beiden Gesetzeshüter, die gegen Korruption kämpfen, Bruce und Selina Kyle, die beide in Maske und Kostüm schlüpfen, Gillian Loeb und Carmine Falcone, die als primäre Schurken fungieren, und Barbara Gordon und Sarah Essen, die beiden Frauen in James Gordons Leben.

Von Mythen und Menschen
24584124._SX540_Man könnte argumentieren, dass James Gordon der eigentliche Protagonist von „Year One“ ist und läge damit nicht unbedingt falsch – aber Batman ziert nun einmal das Cover und wegen ihm kommen dann doch die meisten Leser. Nachdem Miller Batman in „The Dark Knight Returns“ zum Mythos stilisierte und ihn als übergroßen Heroen inszenierte, tut er in „Year One“ genau das Gegenteil – in kaum einem anderen Comic erleben wir Bruce Wayne so menschlich und so fehlbar; von der üblichen Hyperkompetenz, die man von Batman gewohnt ist, fehlt jede Spur. Bruce‘ erster Einsatz als Proto-Batman endet in einem Desaster, das ihn fast tötet, bei seiner ersten Aktion im Kostüm ist er mit drei halbwüchsigen Dieben bereits überfordert, die der spätere Batman wahrscheinlich mit einem einzigen Blick hätte in die Flucht schlagen können. Bruce muss sich erst langsam nach oben arbeiten, von den kleinen Gangstern bis zu den wirklich großen Tieren, denen er immerhin im Verlauf der Geschichte näherkommt. Zu Anfang wirkt Bruce noch relativ separiert von Gotham und den anderen Figuren – wo Gordon sofort mitten im Geschehen ist (und mit dem Zug anreist), muss Bruce erst einmal lernen, seine Heimatstadt zu verstehen.

Miller versteht es auf sehr geschickte Weise, Bruce Wayne und James Gordon einander gegenüberzustellen. Wo Bruce mit dem Flugzeug ankommt, abermals separiert von der Stadt, nimmt Gordon den Zug – und beide wünschen sich, das jeweils andere Transportmittel genommen zu haben. Wie so häufig hat Bruce keine „normalen“ Probleme, er hat ein Anwesen, einen Butler und mehr Geld, als er sich wünschen könnte. Stattdessen sucht er ein Ventil, er hat die Absicht, etwas zu verändern, weiß aber nicht wie. Gordons Probleme hingegen sind nur allzu nachvollziehbar: Wenig Geld, eine schwangere Frau und völlig korrupte Kollegen und Vorgesetzte. Gordon könnte sich schmieren lassen und wie alle anderen Polizisten von Gotham werden, was viele seiner Probleme lösen würde, doch dazu ist er zu aufrecht und ehrenhaft. Gleichzeitig ist er alles andere als perfekt, er verliebt sich in seine Kollegin Sarah Essen und beginnt eine kurze Affäre mit ihr. Und natürlich war Gordon in kaum einem anderen Batman-Comic jemals so aktiv wie hier. Normalerweise aktiviert er das Bat-Signal, erklärt, wo es Probleme gibt und räumt dann hinterher auf. Millers Gordon dagegen ist deutlich jünger, dynamischer, wir beobachten ihn bei den Ermittlungen und bei seinem Kampf gegen die Korruption in Gotham. Immer wieder lässt Miller Batman und Gordon als Gegenstücke zueinander auftreten, der Schicksale einander widerspiegeln und miteinander verknüpft sind. Zusätzlich deutet er an, dass Gordon bereits seit dem Finale dieser Geschichte wissen könnte, dass Batman Bruce Wayne ist.

Stadt der Sünde
Frank Millers Faszination mit dem Konzept eines modernen Sodom (oder Gomorrha, wer das bevorzugt) ist nur allzu bekannt. Bereits in seinen Daredevil-Geschichten zeigte Miller New York und Hell’s Kitchen als einen urbanen, von Kriminalität verseuchten Moloch. Gotham City ist die nächste, logische Stufe der Evolution, die schließlich im von Miller für Dark Horse geschaffenen „Sin City“ gipfelt. Viele Ideen, die Miller später auf den Gipfel treiben würde, werden hier bereits angeschnitten, etwa das Rotlichtviertel mit sehr wehrhaften Prostituierten, die völlig korrupte Polizei oder die übermächtigen Gangster. Wo in „The Dark Knight Returns“ groteske Superschurken Gotham dominierten, sind die Dämonen dieser besonderen Hölle in „Year One“ nur allzu menschlich – und damit deutlich interessanter als beispielsweise der Mutantenanführer. Die primären Widersacher Batmans (und Gordons) sind Arnold Flass, Gordons Partner, Commissioner Gillian Loeb und der Mafiaboss Carmine Falcone. Alle drei repräsentieren verschiedene Stufen der Korruption. Flass ist lediglich ein Erfüllungsgehilfe, ebenso sehr Gefangener des Systems wie Wärter – mit ihm wird Gordon selbst fertig, er bleibt nicht besonders lang eine Bedrohung. Loeb hingegen ist als hochrangiger Beamter deutlich gefährlicher, ein dunkles Spiegelbild des Commissioners, der Gordon später einmal werden wird. Und dann wäre da noch Carmine Falcone, der hier Gothams Unterwelt repräsentiert und als die Wurzel allen Übels wahrgenommen wird, was er in letzter Konsequenz natürlich nicht ist. Tatsächlich wird Falcone in „Year One“ auch nicht wirklich besiegt, lediglich von Batman und Catwoman gedemütigt, während Loeb immerhin als Commissioner zurücktreten muss, nachdem der Versuch, Gordon durch die Bedrohung seiner Familie gefügig zu machen, scheitert. Interessanterweise fühlt sich „Year One“ trotzdem wie eine runde Sache – Miller ist hier ein sehr guter Balanceakt gelungen. Man kann „Year One“ als eigenständige, in sich abgeschlossene Geschichte lesen, aber eben auch als ersten Teil einer größeren Saga. Mit Jeph Loebs und Tim Sales „Batman: The Long Halloween” gibt es erfreulicherweise eine relativ direkte Fortsetzung, die „Year One“ mindestens ebenbürtig ist. Wie dem auch sei, „Year One“ mutet nie als Superhelden-Geschichte, sondern eher als Crime Thriller an, Batman verfügt noch nicht über die überlegen Technik und die Gewalt ist verhältnismäßig realistisch und bodenständig.

Visuelle Umsetzung
David Mazzucchelli arbeitete vor allem in den 80ern für die beiden Großverlage Marvel und DC, während er sich ab den 90ern stärker auf persönliche Projekte wie die Anthologieserie „Rubber Blanket“ konzentrierte. Vor „Year One“ zeichnete Mazzucchelli unter anderem viele Ausgaben von Marvels „Daredevil“, darunter auch „Daredevil: Born Again“, ebenfalls verfasst von Frank Miller. Im direkten Vergleich fällt, auf, wie stark Mazzuchelli seinen Stil modifiziert bzw. weiterentwickelt hat. „Born Again“, nur etwa ein Jahr vor „Year One“ erschienen, entspricht etwa dem Superhelden-Standard dieser Dekade, Millers eigner Zeichenarbeit vor „The Dark Knight Returns“ gar nicht so unähnlich. „Year One“ dagegen wirkt, in Ermangelung eines besseren Wortes, deutlich „europäischer“, der Stil ist reduzierter, klare Linien dominieren. Vor allem Mazzucchellis Figurenoptik ist von „The Dark Knight Returns” so weit entfernt wie nur vorstellbar. Wo Millers Panels von oft grotesk überzeichneten Charakteren dominiert werden, herrscht in „Year One“ ein deutlich stärkerer Realismus vor. Batman ist nicht riesig und übertrieben muskulös, kein Halbgott in Spandex, sondern ein zwar durchtrainierter, aber normal proportionierter Mann in einem Kostüm. Dennoch bauen Autor und Zeichner sie auch die typischen, stilistisch überhöhten Batman-Momente ein, etwa wenn er sich den versammelten korrupten Eliten Gothams zum ersten Mal im Haus des Bürgermeisters präsentiert, um so auf die Figur zu verweisen, die Batman einmal werden wird.
James-Gordon-Batman-Year-One-
Mazucchelli und Miller entschlossen sich bewusst, sich visuell an den stärker reduzierten Batman-Comics der Jahre 1939 und 1940 zu orientieren und den Dunklen Ritter so zu seinen Noir-Wurzeln zurückzuführen. Alles wirkt bodenständig, schmutzig, grimmig und realistisch, nicht zuletzt dank der hervorragenden Farbgebung von Richmond Lewis. Besonders hervorzuheben sind in diesem Kontext auch die vielen kleinen Details, die Millers und Mazzucchellis Gotham lebendig werden lassen. Im Umfeld von Comissioner Loeb tauchen beispielsweise immer wieder Cartoon-Figuren oder ähnliche, zynisch platzierte Sinnbilder der Unschuld auf: eine Peanuts-Lampe auf dem Schreibtisch, ein Clown-Porträt im Büro oder Micky Maus auf dem Revers. Hierdurch wird visuell auf den Kontrast zwischen der jovialen Art, mit der sich Loeb präsentiert, und seinem wahren Wesen hingewiesen. Sehr gelungen ist auch die optische Darstellung der wechselnden Jahreszeiten, da „Year One“ tatsächlich im Januar beginnt und im Dezember endet.

Adaptionen und Einfluss
Der Einfluss, den „Batman: Year One“ hatte, ist kaum geringer als der von „The Dark Knight Returns“. Wie bereits erwähnt galt dieser Handlungsbogen lange als DIE definitive Origin der Figur. Und mehr noch, Millers und Mazzuchellis Werk inspirierte eine ganze Reihe an Serien, Miniserien und One-Shots, die in Batmans Anfangsjahren spielen und ihn als jungen Verbrechensbekämpfer zeigen. 1989 startete DC beispielsweise die Serie „Batman: Legends of the Dark Knight“, deren Handlungsbögen genau dieser Prämisse folgten und an „Year One“ anknüpften, auch wenn sich das im späteren Verlauf änderte. Die 2006 gestartete Serie „Batman Confidential“ kehrte ebenfalls in die Anfangszeit des Dunklen Ritters zurück. Und dann sind da natürlich noch die Miniserien und One-Shots, die „Year One“ direkt fortsetzen – zu diesen gehört unter anderem Ed Brubakers und Doug Mahnkes „Batman: The Man Who Laughs“ (die erste Begegnung zwischen Batman und dem Joker, die am Ende von „Year One“ angedeutet wird), „Batman and the Monster Men“ und „Batman and the Mad Monk“, in welchen Autor und Zeichner Matt Wagner klassische Geschichten aus dem Jahr 1939 modernisierte und natürlich „The Long Halloween“ und „Dark Victory“, in welchem Jeph Loeb und Tim Sale darstellen, wie aus dem von Gangstern regierten Gotham eine Stadt der durchgedrehten Superschurken wird und wie Carmine Falcones Herrschaft endet. Darüber hinaus gab es auch zwei (zumindest dem Namen nach) direkte Sequels, „Batman: Year Two“ (von Mike W. Barr und diversen Zeichnern) und „Batman: Year Three“ (von Marv Wolfman und Pat Broderick), die allerdings bald wieder aus der Kontinuität flogen und durch die beiden Graphic Novels von Loeb und Sale quasi ersetzt wurden. Darüber hinaus wurde der Titel „Year One“ bei DC sehr beliebt, eine ganze Reihe von Figuren (Robin, Batgirl, Green Arrow, Superman) erhielten im Lauf der Jahrzehnte ebenfalls Year-One-Miniserien. Und als DC im Rahmen der New 52 einen Reboot veranlasste, beauftragte man Scott Snyder und Greg Capullo damit, Batmans Origin zu aktualisieren – sowohl inhaltlich als auch bezüglich des Titels verweist „Batman: Zero Year“ natürlich auf „Year One“.

Ähnlich wie „The Dark Knight Returns“ hinterließ „Year One” auch in andere Medien Spuren. 2011 erschien im Rahmen der „DC Universe Animated Original Movies“ eine Direktadaption mit Bryan Cranston als James Gordon, Ben McKenzie (der in „Gotham“ später einen jungen Gordon spielen sollte) als Bruce Wayne, Eliza Dushku als Selina Kyle und Jon Polito als Gillian Loeb. Bei diesem Animationsfilm handelt es sich im Grunde um eine bewegte Version des Comics, die allerdings kaum etwas hinzufügt oder anderweitigen Mehrwert bietet. Deutlich interessanter sind die Elemente von „Year One“, die in diversen anderen Adpaitonen auftauchen.

Bereits in „Batman: Mask of the Phantasm“ (1993), der ersten Film-Ausgliederung von „Batman: The Animated Series“, finden sich einige Verweise auf „Year One“, etwa in Bruce‘ missglücktem erstem Einsatz als Proto-Batman. Nachdem „Batman & Robin“ sich als Flop erwies, spielte man immer wieder mit dem Gedanken, „Year One“ zu adaptieren, zuerst überlegte Joel Schumacher selbst, sich an die Umsetzung zu machen, später verpflichtete Warner Bros. Darren Aronofsky – aus beiden Plänen wurde bekanntermaßen nichts. Dennoch beinhaltet der Batman-Film, der 2005 schließlich in die Kinos kam, immer noch viele Inhalte, die direkt aus „Year One“ stammen. Gerade die Figurenkonstellation in Chris Nolans „Batman Begins“ orientiert sich sehr stark an Millers und Mazzucchellis Geschichte, auch wenn die Charaktere nicht immer unbedingt ihrem Comicgegenstück entsprechen. Der von Gary Oldman gespielte James Gordon kommt zwar nicht frisch aus Chicago nach Gotham, entspricht aber sonst sehr genau der Vorlage. Auf Arnold Flass‘ Persönlichkeit trifft dasselbe zu, auch wenn er im Film klein, dick und dunkelhaarig statt groß, muskulös und blond ist. Nolans Commissioner Loeb hat hingegen nur den Namen der Figur aus „Year One“, entspricht aber optisch und charakterlich eher Michael Akins, der in der Zeit, als „Batman Begins“ in die Kinos kam, als Gordons Nachfolger dem GCPD vorstand. Carmine Falcone, gespielt von Tom Wilkinson, ist in Nolans Gotham ebenfalls der mächtigste Gangsterboss, erinnert optisch allerdings eher an seinen Rivalen Salvatore Maroni, während der in „The Dark Knight“ auftauchende Maroni dem Comic-Falcone visuell viel eher entspricht. Darüber hinaus taucht Falcone, gespielt von John Doman, in der Fox-Serie „Gotham“ auf, die sie sich außerdem immer wieder bei „Year One“ bedient. Und als wäre das nicht genug, wird Falcone in Matt Reeves‘ allem Anschein nach ebenfalls von „Year One“ beeinflussten „The Batman“ eine Rolle spielen, dieses Mal dargestellt von John Turturro. Grundsätzlich gilt: Wann immer sich ein Medium, sei es Film, Comic, Serie oder Spiel („Arkham Origins“ ist das perfekte Beispiel) mit Batmans Anfangszeit beschäftigt, werden fast immer Elemente aus „Year One“ aufgegriffen.

Fazit: „Batman: Year One“ ist nicht nur eine der besten, wichtigsten und einflussreichsten Batman-Comics, sondern auch der ideale Einstiegspunkt. Wie schon bei „The Dark Knight Returns“ gilt: Wer sich mit Batman auch nur ansatzweise beschäftigen möchte, kommt an „Year One“ nicht vorbei.

Siehe auch:
Batman: The Dark Knight Returns

Bildquellen:
Titel
Batman
Gordon

Batman: The Killing Joke

killingjoke
Story: Nach einem verpatzten Fall haben Batman (Kevin Conroy) und Batgirl (Tara Strong) ein Zerwürfnis, was zur Folge hat, dass Barbara Gordon das Cape an den Nagel hängt. Derweil bricht der Joker (Mark Hamill) aus dem Arkham Asylum aus, dieses Mal mit einem besonders beunruhigenden Vorhaben: Er will der Welt zeigen, dass jeder Mensch so sein kann wie er, wenn er nur einen wirklich schlechten Tag hat. Das Opfer seiner Wahl ist Comissioner Gordon (Ray Wise): Der Joker paralysiert Barbara und entführt Gordon, um ihn mental zu brechen, während Batman alles in seiner Macht stehende tut, um den Wahnsinnigen zu finden und seinen Freund zu retten…

Kritik: Kaum eine Liste der besten Batman-Comics kommt ohne Alan Moores und Brian Bollands „The Killing Joke“ aus; die bahnbrechende Graphic Novel gilt als DIE Joker-Geschichte und ist einer der einflussreichsten Comics in Batmans inzwischen fast achtzigjähriger Geschichte. Eine Umsetzung im Rahmen der „DC Universe Animated Original Movies“, am besten mit Kevin Conroy und Mark Hamill in ihren ikonischen Rollen, war lange ein Fantraum, der sich nun erfüllt hat. Leider ist dieser Film mal wieder ein Beweis dafür, dass erfüllte Träume oft einen bitteren Beigeschmack haben.

„The Killing Joke“ ist ein verhältnismäßig kurzes Werk und erzählt seine Geschichte knapp und schnörkellos ohne unnötigen Ballast – für eine Filmadaption mit über einer Stunde Laufzeit ist der Comic jedoch definitiv zu kurz. Deshalb entschied man, die Handlung zu strecken: Dem eigentlichen Plot des Comics ist ein Prolog vorangestellt, der dem Publikum Batgirl als Figur näher bringen soll. Auf dem Papier klingt das eigentlich ganz gut: Hin und wieder wird Moore (mitunter sogar von sich selbst) dafür kritisiert, dass Barbara Gordon in „The Killing Joke“ auf ihre Rolle als Opfer reduziert und lediglich durch ihre Beziehungen zu Batman und ihrem Vater definiert wird – eine größere Rolle für die Figur könnte dem Abhilfe schaffen. Und dann fungiert Brian Azzarello, eine Experte für düstere und grimmige Stoffe, auch noch als Autor. Leider ist der Schuss trotzdem nach hinten losgegangen und löste eine Kontroverse aus, vor allem deshalb, weil Batman und Batgirl in diesem Prolog miteinander schlafen. Irgendwie glaube ich, dass Produzent Bruce Timm dahinter steckt, schon im DC Animated Universe hat er Bruce und Barbara miteinander verkuppelt. Wie dem auch sei, mal wieder schießt die Kontroverse leicht am Ziel vorbei, die (praktisch nicht vorhandene) Sexszene ist nicht das eigentliche Problem, sondern ihr Kontext. Der Prolog versagt nämlich auf ganzer Linie und hat für die eigentliche Geschichte keinerlei Mehrwert. Entweder hätte man den Prolog anders konzipieren oder die Handlung von „The Killing Joke“ besser anpassen müssen, so besteht dieser Film aus zwei Hälften, die thematisch und atmosphärisch einfach nicht zusammenpassen – man merkt deutlich, dass ab der zweiten Hälfte die Vision eines anderen Autoren übernimmt. Egal, wie man Barbara Gordons Rolle in Moores Comic nun bewertet, in ihrem Kern ist es nun einmal eine Geschichte, die das Verhältnis zwischen Batman und dem Joker thematisiert. Schlimmer noch: Der Prolog hat keinen Mehrwehrt, er ist nicht interessant oder spannend und zeigt Barbara nur in noch stärkerem Ausmaß als von Batman abhängig. Hätte ich diesen Film konzipieren müssen, hätte ich für die erste Hälfte einen weiteren Comic herangezogen: „The Man Who Laughs“ von Ed Brubaker und Doug Mahnke. Diese Graphic Novel hat eine ähnliche Länge wie „The Killing Joke“, baut stark auf dem Inhalt von Moores Meisterwerk auf, thematisiert die erste Begegnung zwischen Batman und dem Joker und ist das ideale Begleitwerk. Und selbst mit dem Vorsatz, Batgirl als Figur auszugestalten hätte man den Prolog weitaus besser gestalten können.

Der Teil des Films, der tatsächlich „The Killing Joke“ adaptiert, tut das, ähnlich wie die Filmversion von „Batman: Year One“ auch sehr vorlagengetreu und ohne nennenswerte Änderungen, Hinzufügungen oder Auslassungen. In einem Aspekt geht diese Adaption auch vollständig auf: Der Cast ist exzellent. Kevin Conroy, Mark Hamill und Tara Strong sprechen Batman, den Joker und Batgirl nun teilweise schon seit über zwanzig Jahren, man merkt, dass sie ihre Figuren in- und auswendig kennen. Ray Wise, bekannt als Charles Scherbatsky in „How I Met Your Mother“ und Satan in „Reaper“, macht sich als James Gordon ebenfalls sehr gut. Das selbe lässt sich über die Animationen leider nicht immer sagen. Brian Bollands Stil ist natürlich viel zu detailreich, als dass man ihn so gut übernehmen könnte, wie es beispielsweise bei Ed McGuiness („Superman/Batman: Public Enemies“) oder David Mazzuchelli („Batman: Year One“) der Fall war. Es gibt zwei, drei Szenen, die es tatsächlich schaffen, die alptraumhafte Intensität von Bollands Zeichnungen zu reproduzieren, darunter der Angriff auf Barabara Gordon und der erste Blick des Jokers auf sein entstelltes Gesicht, aber davon abgesehen bleibt die Animation oft hinter ihren Möglichkeiten zurück, wirkt zum Teil ungelenk und ist einfach nicht ganz so, wie man das bei einem derart prestigeträchtigen Projekt erwarten würde.

Fazit: Im Großen und Ganzen ist die Adaption von „The Killing Joke“ eher enttäuschend. Die erste halbe Stunde taugt leider nichts und sollte am besten übersprungen werden. Und obwohl sich der Rest des Films penibel an die Vorlage hält, wird man doch das Gefühl nicht los, dass da noch mehr drin gewesen wäre. Ich würde sogar so weit gehen zu behaupten, dass der zumindest halbwegs ähnlich gelagerte „Batman Beyond: Return of the Joker“ als Film weitaus intensiver und eindrücklicher ist als die Killing-Joke-Adaption.

Trailer

Siehe auch:
Batman: Year One
Batman: Under the Red Hood
Batman: The Dark Knight Returns Teil 1
Batman: The Dark Knight Returns Teil 2