„The Colour out of Space“ gilt nicht nur als eine von Lovecrafts besten Geschichten und als Schulbuchbeispiel des kosmischen Horrors, es handelt sich dabei um eine der wenigen Erzählungen, mit denen Lovecraft selbst zufrieden war. Verfasst wurde sie im März des Jahres 1927 und veröffentlicht einige Monate später, im September des selben Jahres auf den Seiten des Magazins Amazing Stories. Das wirklich faszinierende an dieser Story ist der Umstand, dass sie trotz des Status, den sie genießt, nicht im engeren Sinne zu dem gehört, was August Derleth schließlich als „Cthulhu-Mythos“ bezeichnete: Kein Necronomicon, keine Großen Alten oder Äußere Götter – lediglich die Stadt Arkham wird erwähnt und schafft so eine mehr oder weniger subtile Verknüpfung. Dennoch wird „The Colour out of Space“ wegen ihrer Beliebtheit nur allzu gerne mit dem „Mythos“ in Verbindung gebracht und taucht in den einschlägigen Mythos-Anthologien wie „The Complete Cthulhu Mythos Tales“ von Barnes and Noble (ein wirklich sehr schön aufgemachtes Buch) auf. Auch im Grundregelwerk des Pen&Paper-Rollenspiels „Cthulhu“ (im Original „Call of Cthulhu“ von Chaosium, hierzulande von Pegasus herausgebracht) taucht die titelgebende Farbe auf und wird als „Mythos-Wesenheit“ klassifiziert. Der Grund dafür ist letztendlich sehr simpel: In kaum einer anderen Geschichte kann das kosmische Grauen, das Lovecraft vermitteln wollte, so unmittelbar wahrgenommen werden.
Obwohl Lovecraft nach wie vor kaum als Mainstream bezeichnet werden kann, ist „The Colour out of Space“ wahrscheinlich diejenige seiner Geschichten, die am häufigsten direkt adaptiert wurde. Im Rahmen dieses dreiteiligen Artikels werde ich mir zumindest einige dieser Adaptionen genauer ansehen. Teil I setzt sich mit der Geschichte selbst und zwei Audio-Umsetzungen auseinander, Teil II betrachtet zwei ziemlich aktuelle Filmadaptionen, „Die Farbe“ aus dem Jahr 2010 und „Color out of Space“ aus dem Jahr 2019 und Teil III vergleicht drei verschiedene Comic-Versionen.
Handlung
Ein neues Wasserreservoire für die Stadt Arkham soll gebaut werden – hierzu ist es nötig, das Gelände eines alten Bauernhofes zu fluten. Zuvor soll es allerdings von einem Landvermesser aus Boston überprüft werden. Dieser stellt Nachforschungen an und beginnt sich für das Gelände, das bei den Einwohnern als verflucht gilt, zu interessieren. Er findet heraus, dass in der Gegend noch ein alter Einsiedler namens Ammi Pierce lebt, den er schließlich aufsucht. Ammi Pierce erzählt dem Landvermesser von der Familie, die das Gelände ursprünglich bewohnte. Die Garnders bewirtschafteten den Hof erfolgreich, bis 1882 ein Meteorit auf dem Gelände neben einem Brunnen abstürzte. Der Meteorit brachte etwas zur Erde, das sich in Form einer Farbe jenseits des bekannten Spektrums zeigt. Langsam breitete sich die Farbe aus und begann, das Land zu beeinflussen. Die Früchte der Gardners wurden riesig, schmeckten jedoch widerlich. Dann begannen nach und nach Flora und Fauna zu mutieren, zuerst nahmen sie die fremdartige Farbe aus dem All an, um anschließend abzusterben und grau und spröde zu werden. Das Vieh starb und auch die Gardners selbst wurden nicht verschont. Nabby, die Mutter, und ihr Sohn Thaddeus wurden langsam wahnsinnig, bis Letzterer starb, während sein jüngerer Bruder Merwin im Brunnen verschwand. Auch Nahum, der Vater, verlor langsam den Verstand. Bei seinem letzten Besuch auf der Farm musste Ammi Pierce feststellen, dass auch der dritte Gardner-Sohn, Zenas, gestorben war, Nahum jeden Sinn für die Realität verloren hatte und Nabby auf dem Dachboden grau und spröde geworden war. Schweren Herzens erlöste Ammi sie von ihrem Leiden. Kurz darauf starb auch Nahum, allerdings nicht, ohne vorher von dem Wesen zu erzählen, das offenbar im Brunnen existiert. Daraufhin alarmierte Ammi die Berhöden, die im Brunnen nichts mehr fanden, aber bald darauf das Leuchten der Farbe aus dem All selbst erlebten. Seither gilt die Gegend als verflucht und die grauen Überreste der Farbe breiten sich weiter aus, langsam zwar, aber unaufhaltsam. Der Landvermesser kündigt, weiß dabei aber, dass er die Flutung des Gebiets nicht aufhalten können wird – und dass das, was immer noch im Brunnen lebt, das neue Wasserreservoire beeinflussen wird.
Struktur und Kontext
Abgesehen vom bereits erwähnten Mangel an „Cthulhu-Mythos-Komponenten“ wie dem Necronomicon und ähnlichen Schriften, den Gottheiten oder sonstigen Kreaturen, ist „The Colour out of Space“ in vielerlei Hinsicht ein Paradebeispiel für viele typische Lovecraft-Stilmittel. Die Rahmenhandlung wird von einem namenlosen Ich-Erzähler, besagtem Landvermesser, erzählt, während die eigentlichen Ereignisse rund um die Aktivitäten der Farbe (sofern man davon sprechen kann) als Binnenerzählung vermittelt werden. Einer derartigen Struktur bediente sich Lovecraft immer wieder gerne, am prominentesten und verschachteltsten natürlich in „The Call of Cthulhu“. Im Vergleich dazu ist „The Colour out of Space“ noch recht unkompliziert, auch wenn Binnenerzähler Ammi Pierce seinerseits nicht bei allen Ereignissen zugegen ist und mitunter Dinge wiedergibt, die ihm Nahum Gardner erzählt hat.
Ort der Handlung ist – ebenfalls kaum verwunderlich – Lovecrafts Heimat Providence. Auch sonst passt „The Colour out of Space“ gut ins Œuvre; an Geschichten wie dieser zeigt sich besonders gut, wie sich Lovecraft als Autor vom Horror á la Poe langsam in Richtung Science Ficition entwickelte, was schließlich in Geschichten wie „At the Mountains of Madness“ oder „The Shadow out of Time“ kulminierte. Noch immer finden sich typische Elemente des Horror-Genres und der Gothic Fiction, deren Ursprung jedoch in den Tiefen des Kosmos liegt. Die Ergebnisse sind ebenfalls recht bekannt: Wahnsinn, Mutationen, Body Horror. Was „The Colour out of Space“ zu so einer herausragenden Beispiel des kosmischen Horrors macht, ist die schiere Fremdartigkeit der Farbe. Tatsächlich denke ich, sollte die Menschheit jemals auf außerirdisches Leben stoßen, wird es sich dabei wahrscheinlich um etwas wie diese Farbe handeln, ein Wesen, sofern man hier von einem Wesen sprechen kann, das kaum greifbar und jenseits unseres Verstehens ist. Selbst Cthulhu und die meisten seiner Konsorten sind leichter zu begreifen als die Farbe, der es an jedweder nachvollziehbarer Motivation fehlt. Folgt sie nur ihrer Natur, so sie denn eine hat? Ist sie ein lebendiges Wesen? Oder doch etwas völlig anderes? Besonders die schleichende Verderbnis und den Verfall, die die Farbe mit sich bringt, schildert Lovecraft äußerst effektiv und eindringlich.
Wenn es einen Kritikpunkt gibt, dann ist es das Verhalten der Familie Gardner: Jeder halbwegs vernünftige Mensch hätte in ihrer Situation längst das Weite gesucht, Nahum Gardner besteht allerdings stur darauf, seine Farm nicht aufzugeben und reißt seine Familie so in den Abgrund. Allerdings wird zumindest angedeutet, dass dieses Verhalten ebenfalls auf die Farbe zurückzuführen ist und sie den Verstand der Gardners deutlich früher und subtiler beeinflusst, als es den Anschein hat. Immerhin: Auch Ammi Pierce ist trotz allem nicht aus der Gegend weggezogen.
Im Aufbau der Geschichte offenbart sich außerdem noch eine weitere Parallele zu „The Call of Cthulhu“. Der eigentliche Erzähler kommt nie wirklich in Kontakt mit dem Schrecken, sei es die Farbe oder der schlummernde Große Alte. Als Ammi Pierce mit dem Landvermesser spricht, liegen die eigentlichen erschreckenden Ereignisse bereits mehrere Jahrzehnte zurück, während der Erzähler in „The Call of Cthulhu“ vom titelgebenden Schrecken nur aus Berichten erfährt. In beiden Fällen scheint das Grauen überwunden zu sein, beide Protagonisten erfahren jedoch, dass dem keines Falls so ist und dass die Ereignisse, von denen sie gehört bzw. gelesen haben, lediglich ein Vorspiel sein könnten.
Kann man Farben hören?
Zumindest diese Farbe kann man hören. „The Colour out of Space“ wurde, wie so viele andere Lovecraft-Geschichten auch, mehrfach als Hörbuch und Hörspiel adaptiert. Vor allem im englischsprachigen Bereich gibt es einige, wer diesbezüglich auf Audible sucht, wird diese Story sowohl separat als auch als Teil diverser Anthologien problemlos finden. Auch Deutsch existiert ebenfalls die eine oder andere Version, Miss Booleana hat hier beispielsweise eine Lesung mit Ernst Meincke besprochen. Die erste Audio-Version dieser Geschichte, die ich mir zu Gemüte geführt habe, findet sich in der Hörbuchproduktion „H. P. Lovecraft Gruselbox“, die ausnahmsweise nicht von LPL Records stammt und auch ein wenig anders konzipiert ist als die Lovecraft-Anthologie-Hörbücher dieses Labels. Zusätzlich zu den Erzählungen „The Hound“, „The Festival“, „The Picture in the House“ und natürlich „The Colour out of Space” werden auch einige Gedichte Lovecrafts im Original vorgetragen, während das „Orchester der Schatten“ für musikalische Untermalung sorgt – für meinen Geschmack ein wenig zu aufdringlich, hier wäre weniger mehr gewesen. Die Geschichten werden routiniert von Simon Jäger, bekannt als deutsche Stimme von Heath Ledger, Josh Hartnett und Matt Damon vorgelesen. Seine Interpretation von „The Colour out of Space“ ist solide und gut hörbar, allerdings nicht herausragend oder in irgend einer Form besonders erwähnenswert.
Die wirklich interessante Audio-Adaption von „The Colour out of Space” findet sich, wie so häufig, in der Reihe in der Reihe „Gruselkabinett“ von Titania Medien. Wenn Marc Gruppe, der nicht nur mit Stephan Bosenius das Label leitet, sondern auch für die Drehbücher der Hörspiele verantwortlich ist, klassische Schauerliteratur adaptiert, tut er das meistens sehr vorlagengetreu. Bei den Lovecraft-Hörspielen ist das allerdings nicht immer der Fall, gerade „Berge des Wahnsinns“ fühlte sich mit den eingefügten weiblichen (bzw. fast schon feministischen) Figuren und der Eliminierung aller Verweise auf den „Cthulhu-Mythos“ tatsächlich eher wie eine Hollywood-Bearbeitung des Stoffes an. Auch in „Die Farbe aus dem All“ (deutscher Titel verweist von nun an auf das Hörspiel, der englische auf Lovecrafts Geschichte) wurde eine zusätzliche weibliche Figur hinzugefügt, die sich allerdings deutlich weniger fremdartig anfühlt als ihr Gegenstück in „Berge des Wahnsinns“. Dem bei Lovecraft namenlosen Landvermesser, der im Hörspiel den Namen Frank Burger (Johannes Berenz) trägt, wird eine Kollegin namens Rose Kenny (Melanie Pukaß) an die Seite gestellt, die wohl einerseits den eklatanten Mangel an weiblichen Figuren bei Lovecraft kompensieren soll, andererseits aber auch dazu dient, Informationen im Dialog anschaulicher zu vermitteln. So verarbeitet der Landvermesser das Gehörte in „The Colour out of Space“ in seinem Bericht, während Frank Burger und Rose Kenny diskutieren können.
An der eigentlichen Handlung der Geschichte ändert sich kaum etwas, die beiden Landvermesser fahren zu Ammi Pierce (Jochen Schröder) und lassen sich von ihm die Geschichte der Familie Gardner erzählen. Im Hörspiel bekommt man die Geschehnisse als Flashback dann natürlich live mit, was sie noch einmal deutlich intensiver macht, besonders, da Peter Reinhardt und Cornelia Meinhardt als Nahum und Nabby Gardner die mentale Zermürbung und den geistigen Verfall, die die Farbe auslöst, sehr gut vermitteln. Die kleinen Änderungen sind vor allem der Adaption in ein anderes Medium geschuldet. Etwas ironisch ist vielleicht der Umstand, dass Gruppe ausgerechnet in dieses Hörspiel Verknüpfungen zum „Cthulhu-Mythos“ in Form von Gebrabbel im Delirium einbaut, die in der Geschichte selbst gar nicht zu finden sind.