From a Certain Point of View

pointofview
Das Star-Wars-Franchise ist bekannt dafür, für jede noch so kleine Nebenfigur und jeden Statisten, der durchs Bild läuft, eine ausführliche Hintergrundgeschichte parat zu haben. Dieser Kerl in „Die dunkle Bedrohung“ mit einem gelben Strich im Gesicht, den man auf Tatooine in einer Szene sitzen sieht? Das ist Quinlan Vos, Held mehrerer Legends-Comics, einer Clone-Wars-Folge und eines Kanon-Romans. Gerade Werke wie das in dieser Rezension zu besprechende „From a Certain Point of View“ sind diesbezüglich äußerst ergiebig. Es handelt sich dabei um eine Kurzgeschichtensammlung, die das vierzigjährige Jubiläum von „Eine neue Hoffnung“ zelebriert; zu diesem Zweck haben sich vierzig Autoren gefunden und ebenso viele Kurzgeschichten verfasst, die im Fahrwasser von Episode IV spielen. Die Sammlung hangelt sich gewissermaßen an der Handlung des Films entlang, nimmt mal mehr, mal weniger wichtige Nebenfiguren in den Fokus und erzählt Szenen aus deren Sicht. In manchen Fällen erfahren wir auch, was Figuren wie Lando Calrissian oder Yoda, die nicht in Episode IV auftauchen, währenddessen getan haben.

Auf der Verfasserliste finden sich viele namhafte Autoren, die bereits Beiträge zum Star-Wars-Universum geliefert haben, tatsächlich sind die meisten Autoren, die in den letzten Jahren Roman oder Comics für das Franchise verfasst haben, hier vertreten: Christie Golden („Dark Disciple“, „Inferno Squad“), John Jackson Miller („A New Dawn“), Delilah S. Dawson („Phasma“), Paul S. Kemp („Lords of the Sith“), Claudia Gray („Bloodline“, „Lost Stars“) und Kieron Gillen (Darth-Vader-Comicserie) sind nur einige der namhaften Autoren. Einige andere, darunter auch Wil Wheaton, feieren mit „From a Certain Point of View“ sogar ihr Star-Wars-Debüt.

Anders als sonst im Star-Wars-Bereich bekommen die Schreiberlinge darüber hinaus einigen Raum zum experimentierten, sei mit Tempus, Perspektive oder Erzählform – das zeigt sich schon daran, dass bei Weitem nicht alle der Geschichten zur Kontinuität gezählt werden können. Einige sind ziemlich klassisch gehalten, etwa der Einstieg, „Raymus“ von Gary Whitta, der nicht nur als Drehbuchautor an „Star Wars Rebels“ und „Rogue One“ mitarbeitete, sondern bei besagtem Spin-off sogar den Titel ersann. In seiner Geschichte knüpft er direkt an „Rogue One“ an und schildert, wie Raymus Antilles, der Captain der Tantive IV, die Zeit „zwischen den Filmen“ erlebt. Bei anderen Geschichten dagegen ist es ungewiss, ob sie in den Kanon passen, etwa bei „Beru Whitesun Lars“ von Meg Cabot. Hier fungiert Lukes Tante als Ich-Erzählerin und schildert kurz, wie sie die Ereignisse ihres Lebens und Lukes Aufwachsen sieht – das tut sie allerdings post-mortem. Und schließlich wären da noch Geschichten wie „Palpatine“ von Ian Doescher oder „Whills“ von Tom Angleberger, die definitiv nicht in die Kontinuität passen. Doescher knöpft nämlich an sein Konzept „Shakespeare trifft Star Wars“, in dessen Rahmen er alle Episoden von I bis VII als Theaterstücke im Stil William Shakespeares neu abgefasst hat, an und steuert einen Monolog in diesem Stil bei, in dem der Imperator auf die Nachricht von Obi-Wans Tod reagiert. „Whills“ ist eine Metageschichte, die das ursprüngliche Konzept von Star Wars als dem „Journal der Whills“ aufgreift und von der Abfassung des Lauftexts von Episode IV berichtet.

Einige Geschichten kümmern sich wirklich um geradezu mikroskopische Teile des Films. „The Sith of Datawork“ von Ken Liu etwa erklärt, welche Gründe und Folgen der nicht erfolgte Abschuss der Rettungskapsel mit den beiden Droiden hat. Namenlose Rebellenpiloten oder Sturmtruppen erhalten ihren Moment im Rampenlicht, etwa in „Change of Heart“ von Elizabeth Wein oder „Sparks“ von Paul S. Kemp. Andere Geschichten bemühen sich dagegen in größerem Ausmaß, die Ereignisse von Episode IV mit den neuen Inhalten der Einheitskontinuität zu kontextualisieren, etwa „The Verge of Greatness“ von Pablo Hidalgo; hier werden nicht nur Tarkins Gedanken und Emotionen aufgegriffen, auch die Ereignisse von „Rogue One“ und Orson Krennics Rolle bei der Entstehung des Todessterns werden noch einmal thematisiert. Selbst die Prequels und das alte EU werden nicht völlig außenvorgelassen, Claudia Grays „Master and Apprentice“ schildert ein Zwiegespräch zwischen Obi-Wan und Qui-Gons Machtgeist, während John Jackson Miller mit der Tusken-zentrischen Geschichte Rites einige Details aus seinem Legends-Roman „Kenobi“ in die Einheitskontinuität rettet.

Wie in jeder derartigen Kurzgeschichtensammlung gibt es natürlich gelungenere und weniger gelungenere Werke. Mit „The Kloo Horn and Cantina Caper“ von Kelly Sue DeConnick und Matt Fraction konnte ich beispielsweise kaum etwas anfangen – zu ausgedehnt, zu uninteressant, zu wenig mit der eigentlichen Prämisse verknüpft. Die meisten Beiträge zu diesem Band sind allerdings sehr gelungen und zum Teil auch sehr kreativ. Neben den bereits erwähnten möchte ich noch einige andere speziell hervorheben: „The Baptist“ von Nnedi Okorafor erzählt die bewegende und tragische Geschichte des Dianoga in der Müllpresse des Todessterns, „The Trigger“ von Kieron Gillen schildert die Suche der imperialen Truppen nach Rebellen auf Dantooine, wobei sie zwar erfolglos sind, aber dafür auf Doctor Aphra aus der Darth-Vader-Comicserie treffen, „Time of Death“ von Cavan Scott gibt einen Einblick in Obi-Wans Geist kurz vor seinem Tod und „Contingency“ Plan schildert, warum sich Mon Mothma während der Schlacht um Yavin nicht mehr auf dem Rebellenstützpunkt aufhält und wie sie die ganze Situation empfindet.

Fazit: „From a Certain Point of View“ ist eine gelungene und unterhaltsame Anthologie rund um Episode IV voller kreativer Ideen und Kurzgeschichten, die das Star-Wars-Universum um viele kleine, teils auch äußerst amüsante Details erweitern. Gerne mehr davon.

Bildquelle

Bloodline

Eventuell mit minimalen Spoilern!
bloodline
Ich denke, nach ihrem zweiten Roman kann man getrost sagen, dass Claudia Gray das Beste ist, was der literarischen Welt von Star Wars passiert ist, seit Disney das alte EU ad acta gelegt hat. Bereits mit „Verlorene Welten“ hat sie gezeigt, dass sie sich vorzüglich in der weit, weit entfernten Galaxis bewegen und stimmige neue Figuren kreieren kann, deren Lebensweg man als Leser gerne folgt. Mit „Bloodline“ zeigt sie nun, dass man ihr auch einen zentralen Charakter des Franchise völlig bedenkenlos anvertrauen kann – in diesem Fall Prinzessin Leia. Ich würde vielleicht sogar sagen, dass es sich hierbei um das beste Werk mit Leia-Fokus überhaupt handelt, allerdings gibt es davon nun nicht so viele und ich habe „Tatooine Ghost“, der vorher bei vielen diese Stellung einnahm, bisher nicht gelesen.

Darüber hinaus liefert „Bloodline“ einige Hintergründe zu „Das Erwachen der Macht“ und sollte vor allem von denjenigen unbedingt gelesen werden, die, wie ich, in Episode VII politischen Kontext vermissten. Wer dagegen ein klassisches Star-Wars-Abenteuer mit Raumschlachten, Action und Lichtschwertkämpfen sucht, wird hier sicher nicht fündig. Claudia Grays zweiter SW-Roman ist ein reinrassiger Politthriller, der ganz in der Tradition von James Lucenos „Schleier der Täuschung“ steht.

Die Handlung beginnt sechs Jahre vor den Ereignissen von „Das Erwachen der Macht“, noch herrscht Frieden – zumindest scheint es so. Während ihr Ehemann Han Solo seine Karriere als Rennfahrer und -organisator verfolgt und ihr Bruder Luke zusammen mit ihrem Sohn Ben in Jedi-Angelegenheiten in der Galaxis unterwegs ist, tut Leia Organa das, was sie schon immer getan hat: Sie erfüllt ihre Pflicht. Nun allerdings nicht mehr als Rebellenanführerin, sondern als Senatorin der Neuen Republik, die inzwischen tief gespalten ist. Der Senat der Republik teilt sich in zwei inoffizielle Fraktionen: Die Populisten, zu denen auch Leia gehört, setzen sich, immer noch abgeschreckt durch Palpatines Machtmissbrauch, für eine schwächere Regierung und eine stärkere Eigenverwaltung der Mitgliedswelten ein, während die Zentristen eine stärkere Zentralverwaltung anstreben. Zu diesem Zweck wollen sie einen „Ersten Senatoren“ mit größeren Macht- und Handlungsbefugnissen installieren. Obwohl die Kluft zwischen beiden Parteien immer weiter wächst, sieht Leia sich gezwungen, mit dem Zentristen-Senator Ransolm Casterfo zusammenzuarbeiten, da sich Hinweise auf eine Verschwörung anhäufen und der sich als Senat handlungsunfähig erweist. Diese Verschwörung konfrontiert Leia auf höchst unangenehme Weise mit dem dunklen Geheimnis ihrer Herkunft, das sie seit fast dreißig Jahren hütet – wer würde schon einer Senatorin trauen, deren Vater Darth Vader war?

Zwar war es nicht wirklich zu erwarten, aber dennoch sollte es noch einmal erwähnt werden: Wirkliche Enthüllungen gibt es hier nicht, Kylo Ren/Ben Solo und sein Fall zur Dunklen Seite spielen ebenso wenig eine Rolle wie Snokes wahre Identität (sofern er denn eine hat). Höchstens die eine oder andere Theorie könnte beeinflusst werden: So scheint es nun beispielsweise eher unwahrscheinlich, dass Kylo Ren selbst Rey auf Jakku versteckt hat, da er sechs Jahre vor Episode VII ja noch mit Luke als Jedi unterwegs war. Im Gegenzug erfährt man auch, dass er zu diesem Zeitpunkt noch nichts von seinem Großvater weiß und von dessen Identität wohl auf eher unangenehme Art und Weise erfährt, was seinen Fall zur Dunklen Seite begünstigt haben dürfte. Hin und wieder merkt man, dass die Story Group wohl noch Informationen zurückgehalten hat, das Gesamtbild ist jedoch, anders als bei so manchem anderen Roman der Einheitskontinuität, aufgrund der gewählten Perspektiven insgesamt stimmig.

Statt großer Enthüllungen gibt „Bloodline“ Kontext und zeigt die politischen Anfänge der Ersten Ordnung. Die Ausgangslage besitzt dabei sowohl ein historische wie auch aktuelle Bezüge. Zumindest mich haben die Parteien der Neuen Republik zuerst ein wenig an den römischen Senat erinnert, der sich ebenfalls in zwei inoffizielle Lager teilte: Optimaten und Popularen. Diese unterschieden sich allerdings nicht so sehr in inhaltlichen Fragen, sondern eher in der Art und Weise, wie sie Politik machten und ihre Ziele erreichten. Noch stärker sind die Parallelen zur aktuellen politischen Situation in den USA, die ebenfalls droht, das Land auseinander zu reißen. Es hätte mich tatsächlich nicht überrascht, wenn ein Zentristen-Senator etwas gesagt hätte wie: „We’ll make the Republic great again.“ Und es dürfte wohl auch kaum überraschen, dass die Erste Ordnung letztendlich aus den Zentristen „herauswächst“. Rian Johnson, Drehbuchautor und Regisseur von Episode VIII, hat einige Ideen zum Roman beigesteuert, was in mir die Hoffnung weckt, dass die politische Dimension in kommenden SW-Filmen wieder an Wichtigkeit gewinnt und dass die Erste Ordnung in Zukunft nicht nur wie das Imperium 2.0 wirkt, sondern die stärkere Eigendynamik entwickelt, die durch die Zentristen hier angedeutet wird.

Die wirkliche Stärke des Romans liegt jedoch vor allem in der Figurenzeichnung. Gray arbeitet mit einem verhältnismäßig kleinen Personal, dessen Potential sie deshalb sehr gut ausschöpfen kann. Vor allem Leias Charakterisierung ist vollauf gelungen, man erkennt sowohl die junge Rebellenführerin der OT, als auch die abgeklärte Generalin aus „Das Erwachen der Macht“ und sogar die Politikerin, als die Leia im alten EU dargestellt wurde. Ihre Frustration mit der Unfähigkeit des Senats, ihr Hadern mit der Vergangenheit und ihrem Vater – all das wird sehr authentisch und nachvollziehbar dargestellt. Die interessanteste Figur des Romans ist allerdings Ransolm Casterfo, der als Zentrist höchst differenziert und komplex gezeichnet wird. Einerseits sammelt er imperiale Memorabilia und bewundert die Einigkeit und Stärke des alten Imperiums, bzw. das Potential, das es in seinen Augen hatte, andererseits hasst er Darth Vader aus sehr persönlichen Gründen. Casterfo glaubt tatsächlich und aufrichtig daran, dass die zentrale Machtausübung, die seine Partei anstrebt, für die Galaxis das Beste wäre. Auch er ist authentisch und besitzt einen sehr nachvollziehbaren Standpunkt – ich hoffe, dass er in absehbarer Zeit wieder auftaucht. Auch die weniger wichtigen Nebenfiguren, etwa Greer Sonnel und Joph Seastriker (beide gehören zu Leias Stab) oder die Zentristen-Senatorin Carise Sindian, die man zu Beginn vielleicht nicht allzu ernst nimmt, was sich im Verlauf des Romans allerdings ändert, sind sehr gelungen.

Ebenso weiß „Bloodline“ stilistisch zu überzeugen; der Roman ist sehr angenehm und flüssig lesbar, ohne dass die Sprache allzu simpel oder banal wäre. Wie schon in „Verlorene Welten“ versteht es Gray, den Leser zu packen, selbst Nebenfiguren plastisch darzustellen und das Innenleben in ausreichendem Maße zu erforschen. Anders als in Alan Dean Fosters Episode-VII-Roman gibt es auch keine nervigen Perspektivwechsel mitten im Absatz.

Die eine oder andere Schwäche hat der Roman leider dennoch. Die Entwicklung der Handlung ist ziemlich vorhersehbar; sobald man sich als Leser in den aktuellen Status Quo eingefunden hat, ist es nicht schwer zu erraten, wie der Plot weitergeht, was noch geschieht und welcher Natur die Verschwörung ist. Das hängt aber natürlich auch damit zusammen, dass wir wissen, worauf das Ganze hinausläuft. Und da die Handlung ansprechend gestaltet ist, ist das auch nur eine kleine Schwäche, die einem unglaubwürdigen Twist allemal vorzuziehen ist. Eine weitere kleine Schwäche findet sich bei den Lokalitäten. Gray schafft es nicht, bei mir ein wirkliches Gefühl für die besuchten Planeten zu wecken. Das betrifft vor allem Hosnian Prime; auf der aktuellen Zentralwelt der Republik spielt ein Großteil der Handlung. Leider wird zu keinem Zeitpunkt klar, was diesen Planeten wirklich ausmacht und was ihn beispielsweise von Coruscant abhebt. Ebenso bleiben manche Aspekte des politischen Funktionsweise der Neuen Republik ein wenig schwammig. Aber insgesamt ist das nur Meckern auf hohem Niveau.

Fazit: „Bloodline“ ist ein überzeugender Politthriller mit gelungenen Charakteren, der die Hintergründe von Episode VII erforscht und sowohl die Erste Ordnung als auch die Neue Republik ein wenig greifbarer macht. Eine Fortsetzung würde sich hier definitiv anbieten, bis zu „Das Erwachen der Macht“ sind es ja noch sechs Jahre, die man füllen kann.

Siehe auch:
Verlorene Welten

Verlorene Welten

LostStars
In den letzten Monaten sind zwei Romane erschienen, die die Situation der Galaxis nach Endor beschreiben oder doch zumindest anschneiden: Claudia Grays „Verlorene Welten“ (Originaltitle: „Lost Stars“) und Chuck Wendigs „Aftermath“. Ursprünglich wollte ich mir vor allem Letzteren zulegen, da Ersterer das Label „Young Adult“ verpasst bekam (das übrigens niemand abschrecken sollte, wie ich selbst feststellen musste). Dann kamen die Kritiken, die Grays Roman einhellig lobten und „Aftermath“ fast ausschließlich verrissen, also änderte ich meine Prioritäten. Eigentlich wollte ich mir „Verlorene Welten“, wie die anderen bisherigen Kanon-Romane auch, auf Englisch zulegen, aber da die deutsche Ausgabe mit verhältnismäßig wenig Verzögerung kam und ich hin und wieder auch zur Faulheit neige, habe ich mir direkt die Übersetzung besorgt, man muss ja ab und zu auch die heimischen Verlage unterstützen.

Wie dem auch sei, wollte man „Verlorene Welten“ kurz und knapp inhaltlich zusammenfassen, könnte man es wohl als „‚Romeo und Julia‘ + ‚Forrest Gump‘ im Star-Wars-Universum“ zusammenfassen: Thane Kyrell und Ciena Ree stammen beide von Jelucan, und obwohl sie aus unterschiedlichen sozialen Schichten kommen, sind sie seit ihrer Kindheit eng befreundet. Beide verbindet eine Leidenschaft fürs Fliegen und beide landen schließlich auf der Imperialen Akademie. Nach dem Ende der Ausbildung trennen sich die Wege der beiden allerdings: Während Ciena in den Diensten des Imperiums bleibt, schließt sich Thane, verstört und desillusioniert durch die Zerstörung Alderaans, schließlich der Rebellion an. Obwohl beide immer noch tief miteinander verbunden sind, stehen sie nun auf unterschiedlichen Seiten eines galaktischen Krieges.

Der Romeo-und-Julia-Aspekt des Ganzen dürfte offensichtlich sein, die Ähnlichkeit zu „Forrest Gump“ kommt von dem Umstand, dass die beiden bei allen wichtigen Ereignissen der OT mehr oder weniger anwesend sind: Bei der Schlacht um Yavin sind beide noch in imperialen Diensten, Thane als Tie-Pilot auf Sondermission nach Dantooine (so entgeht er der Zerstörung des Todessterns), Ciena als Offizierin auf Vaders Flagschiff, der Devastator. Auch in der Schlacht um Hoth kämpfen beide mit, Ciena wurde auf die Executor versetzt, während Thane nun für die Rebellen fliegt. Ähnlich verhält es sich auch bei der Schlacht um Endor.

Das Young-Adult-Label des Romans kommt wohl vor allem von Konzeption und Format und weniger vom tatsächlichen Inhalt, der ist gleichauf mit den Erwachsenenromanen. Gerade, was die explizite Natur der Beziehung angeht, geht „Verlorene Welten“ weiter als die meisten anderen SW-Romane. Es gibt zwar keine detaillierten Sexszenen, aber es ist doch sehr viel eindeutiger als sonst.

Stilistisch ist „Verlorene Welten“ sehr leicht und angenehm zu lesen und hat tatsächlich viel mit anderen YA-Werken gemein. Grays Stil funktioniert sehr gut, hat aber den Nachteil, dass die Beschreibungen und emotionalen Schilderungen manchmal ein wenig flach bleiben – in Bezug auf Erstere hilft natürlich, dass man als Fan ohnehin weiß, wie man sich Welten und Raumschiffe vorzustellen hat, sodass dieses Manko zumindest ein Stück weit ausgeglichen wird. Ebenso ist das Erwachsenwerden der beiden Protagonisten relativ YA-typisch. Gerade im ersten Drittel, das an der Akademie spielt, lassen sich die Harry-Potter-Parallelen, auf die diverse andere Reviewer hingewiesen haben, kaum leugnen.

Das Konzept des Romans funktioniert insgesamt sehr gut: Die beiden Protagonisten sind sehr sympathisch, die meisten Nebenfiguren ebenfalls, auch wenn sie eher oberflächlich bleiben, der Fokus liegt eindeutig auf Thane und Ciena. Gerade die Entwicklung ist äußerst gut nachvollziehbar. Es ist vor allem schön, dass es nun auch im Einheitskanon fähige Imperiale gibt, die mit den Taten des Imperiums auf der einen und ihrem Loyalitätsschwur auf der anderen Seite hadern, nachdem gerade „Rebels“ derartige Elemente kaum berücksichtigt und die meisten Imperiumstreuen dort flach und unfähig sind. Thanes Entwicklung ist nachvollziehbarer, Cienas aber definitiv interessanter.

Ähnliches gilt für die Beziehung der beiden Protagonisten, die ziemlich gut funktioniert. Zwar gibt es auch hier einen gewisse Mangel an Tiefe, der auch daher rührt, dass Thane und Ciena in den beiden letzten Dritteln des Romans kaum Zeit miteinander verbringen, sondern sich zwischen Einsätzen eher zufällig begegnen. Tatsächlich ist das bei der Handlungskonstruktion einer meiner größten Kritikpunkte, der Zufall wird da schon sehr stark ausgereizt. Andererseits, das hier ist Star Wars, wo so etwas gewissermaßen Tradition hat – man könnte immer noch mit dem Willen der Macht argumentieren. Tatsächlich ist der größte Kritikpunkt, dass das Konzept des Romans noch mehr Potential gehabt hätte und Gray die Entwicklung der Figuren noch ausführlicher hätte schildern können – vielleicht wäre hier ein Mehrteiler durchaus angebracht gewesen. Gerade in der Mitte wirkt die Handlung mitunter sehr gehetzt, wenn sie von einem OT-Schauplatz zum nächsten springt.

Wirklich interessant wird es im letzten Drittel des Romans, da der geneigte Leser unter anderem etwas darüber erfährt, wie es im neuen Einheitskanon nach Endor aussieht, es wird allerdings nicht allzu detailreich geschildert – als Leser sind wir an Thanes und Cienas Perspektive gekettet, und beide stehen dann doch nicht hoch genug im Rang, um tatsächlich einen Überblick zu haben. Immerhin erfahren wir, wie das Wrack des Sternenzerstörers auf Jakku, das im Trailer von Episode VII zu sehen ist, dort hinkam.

Fazit: „Verlorene Welten“ lohnt sich definitiv und ist ohne Frage eines der besseren Werke der neuen Einheitskontinuität. Darüber hinaus hilft es, die OT noch einmal in Kurzform zu rekapitulieren und zeigt den Galaktischen Bürgerkrieg aus der Perspektive des kleinen Soldaten bzw. Piloten.