Thor: Ragnarok – Ausführliche Rezension

Spoiler nach dem ersten Absatz!
ragnarok
Und ein weiteres Mal hat sich Marvel bei der Eindeutschung eines Filmtitels mit Ruhm bekleckert. Nach Perlen wie „Thor: The Dark Kingdom“ („Thor: The Dark World“) und „The Return of the First Avenger“ („Capatain America: The Winter Soldier“) kommt nun „Thor: Tag der Entscheidung“ – ein völlig generischer und nichtssagender Titel. Im Gegensatz dazu hat der Originaltitel „Thor: Ragnarok“ immerhin einen sehr direkten Bezug zum Inhalt und zur Mythologie. Nun scheint es sich hier um ein titelrechtliches Problem zu handeln, wobei ich nicht herausfinden konnte, welcher andere Film die Ursache ist. Dennoch stellt sich mir die Frage, ob man Thors dritten Solofilm nicht mit etwas passenderem wie „Schicksal der Götter“ oder „Götterdämmerung“ hätte betiteln können – beides wären angemessene Übersetzungen des altnordischen Wortes „Ragnarök“. Wie dem auch sei, „Thor: Ragnarok“ ist mal wieder ein Film, der eine ausführliche Besprechung verdient. Wie üblich gibt es zu Beginn meine spoilerfreie Kurzmeinung: Visuell ist der dritte Thor-Film mit Sicherheit der beeindruckendste und abwechslungsreichste Teil der Reihe. Auch inszenatorisch weiß Regisseur Taika Waititi dem Donnergott seinen Stempel aufzudrücken. Dies schlägt sich vor allem im extrem selbstironischen Ton des Films nieder, was allerdings zur Folge hat, dass „Thor Ragnarok“ emotional ziemlich flach bleibt und trotz eines extrem spielfreudigen Casts an einigen der üblichen MCU-Schwächen leidet.

Handlung
Zwei Jahre sind vergangen, seit Thor (Chris Hemsworth) zum letzten Mal die Erde besuchte, um mit den Avengers Ultron zu bekämpfen. Seither suchte der Donnergott in den Neun Welten nach Spuren der Infinity-Steine, nur um letztendlich in den Fängen des Feuerriesen Surtr (Clancy Brown) zu landen, der laut einer Prophezeiung Ragnarök auslösen und Asgard dereinst zerstören wird, wenn sich seine Krone mit der Ewigen Flamme von Asgard vereinigt. Trotzdem lässt sich der Riese relativ leicht besiegen. Thor bringt die Überreste nach Asgard, nur um zu entdecken, dass dort nicht mehr Odin (Anthony Hopkins), sondern sein Stiefbruder Loki (Tom Hiddleston) regiert und die Stabilität der Neun Welten gefährdet. Thor „verpflichtet“ Loki, ihm bei der Suche nach Odin zu helfen. Mithilfe des Zauberers Doctor Strange (Benedict Cumberbatch) finden sie Odin in Norwegen, doch der Allvater steht an der Schwelle des Todes. Sein Dahinscheiden befreit seine älteste Tochter Hela (Cate Blanchett), die einst verstoßen wurde und nun den in ihren Augen rechtmäßigen Platz auf Asgards Thron einnehmen möchte. Sie verbannt Thor und Loki auf die Welt Sakaar, auf der der Grandmaster (Jeff Goldblum) Gladiatorenspiele veranstaltet. Um den Fängen des Grandmasters entkommen zu können und Hela daran zu hindern, die Bevölkerung Asgards abzuschlachten, muss sich Thor mit seinem alten Kampfgefährten Hulk (Mark Ruffalo) messen und eine ehemalige, im Exil lebende Walküre aus Asgard (Tessa Thompson) davon überzeugen, ihm zu helfen…

Ein Blick auf die Vorlagen
Die Vorlagen für „Thor: Ragnarok“ lassen sich bis ins Mittelalter zurückverfolgen – die beiden primären Quellen sind die ältere Lieder-Edda und die jüngere, von Snorri Sturluson gesammelte Prosa-Edda. Generell geht es in den diversen Versionen der Götterdämmerung um den letzten Kampf der Riesen gegen die Götter, wobei auch der Feuerriese Surtr, wie im Film, eine wichtige Rolle spielt. Primärer und direkter Auslöser ist aber, anders als im Film, zumeist Loki, der zuvor von Odin an einen Felsen gekettet wurde, wobei ihm das Gift eine Schlange beständig auf den Leib tropft und ihm unbändige Schmerzen bereitet. Dieses Schicksal ist die Bestrafung dafür, dass Loki den Tod des allseits beliebten Gottes Balder herbeigeführt hat. Zu Ragnarök wird Loki befreit und kämpft mit den Riesen gegen die Götter, um letztendlich von Heimdall getötet zu werden. Lokis unmenschliche Kinder Fenrir (ein Wolf von der Größe eines Elefanten) und die gewaltige Midgardschlange, spielen ebenfalls wichtige Rollen; Ersterer verschlingt Odin. Am Ende von Ragnarök soll in manchen Versionen schließlich eine neue, bessere Welt entstehen, damit das Opfer der Götter nicht umsonst war.

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Der Donnergott (Chris Hemsworth) wird seinem Titel gerecht

Wie nicht anders zu erwarten war, wurde die Ragnarök-Thematik in Marvels Version der nordischen Mythologie des Öfteren aufgegriffen. Die vierteilige Miniserie „The Trials of Loki“ von Roberto Aguirre-Sacasa und Sebastián Fiumara etwa erzählt die oben erwähnte Vorgeschichte vom Tod Balders. Nebenbei bemerkt dürfte es sich dabei um die Thor-Comics handeln, die die nordische Mythologie am genauesten umsetzen und kaum Zugeständnisse ans Superheldengenre machen. Das Design der Figuren entspricht natürlich dem Marvel-Standard (Thor ist blond und nicht, wie in den mythologischen Quellen beschrieben, rothaarig; Loki trägt einen goldenen Hörnerhelm etc.), aber davon sowie einigen inhaltlichen Anpassungen abgesehen funktioniert diese Miniserie auch völlig vom Marvel-Universum getrennt als Adaption einer Geschichte der nordischen Mythologie. Die tatsächliche Umsetzung von Ragnarök geschieht in den Comics dann allerdings weit weniger vorlagengetreu. Bereits in den 1960ern gab es eine Ragnarök-Storyline, noch von Stan Lee und Jack Kirby persönlich, in der das Alien Mangog den Platz von Surtr einnimmt. Ein aus den 2000ern stammender Handlungsbogen trägt ebenfalls den Titel „Ragnarök“ und orientiert sich schon eher an den mythologischen Quellen, zumindest spielen Loki als Anführer der Riesen, Fenrir und die Midgardschlange wichtige Rollen, die mit denen in den Eddas immerhin vergleichbar sind. Darüber hinaus führt Ragnarök hier tatsächlich zu so einer Art Wiedergeburt einer besseren Welt. Interessanterweise spielt Hela (bzw. Hel, die mythologische Vorlage für Marvels Göttin des Todes, dazu später mehr) in keiner dieser Versionen von Ragnarök eine besonders bedeutsame Rolle.

Und schließlich wäre da noch eine wichtige Vorlage, die überhaupt nichts mit Thor oder Ragnarök zu tun hat: „Planet Hulk“, ein umfassender Handlungsbogen aus der Serie The Incredible Hulk, verfasst von Greg Pak und gezeichnet von verschiedenen Illustratoren, der von April 2006 bis Juni 2007 erschien und erzählt, wie der Hulk von den Illuminati, einer Gruppe mächtiger Marvelhelden, darunter Professor Xavier, Doctor Strange und Tony Stark, nach Sakaar verbannt wird. Dort nimmt der Hulk zuerst an Gladiatorenspielen teil, zettelt dann eine Revolution an, wird zum Herrscher von Sakaar und findet sogar eine Geliebte, nur um alles wieder zu verlieren. Die auf Sakaar spielenden Elemente des Films sind zumindest von „Planet Hulk“ inspiriert, wobei in besagtem Handlungsbogen weder Thor, noch Loki, Valkyrie oder der Grandmaster (der mit seinem Comicgegenstück ohnehin kaum etwas gemein hat) eine Rolle spielen. Lediglich Kork (Taika Waititi) und Miek sind Figuren, die direkt aus „Planet Hulk“ stammen.

Ton und Stil
Ähnlich wie „Captain America: The Winter Soldier“ ist auch „Thor: Ragnarok“ eine deutlich Abkehr von der Stilistik des bzw. der Vorgänger. Wo der zweite Leinwandauftritt von Steve Rogers allerdings weit düsterer und ernster war als der erste, geht der dritte Thor-Film genau in die entgegengesetzte Richtung und iniziiert die nordische Mythologie mit einer kräftigen Dosis Selbstironie á la „Guardians of the Galaxy“. Regisseur Taika Waitit bricht mit diversen Konstanten der beiden Vorgänger: Die Erde spielt praktisch keine Rolle mehr, dasselbe trifft auch auf die erdgebundenen Figuren zu. Jane Foster (Natalie Portman), Erik Selivg (Stellan Skarsgård) und Darcy Lewis (Kat Dennings) bekommen nicht einmal Gastauftritte; das Ende von Janes und Thors Beziehung wird nur einmal in einem Halbsatz erwähnt (nicht, dass mich das sonderlich stören würde). Selbst diverse Asen werden eher stiefmütterlich behandelt. Lady Sif fehlt ebenfalls (allerdings vor allem deshalb, weil es Terminüberschneidungen mit Jaimie Alexanders Serie „Blindspot“ gab) und die „Warrior’s Three“ Hogun (Tadanobu Asano), Volstagg (Ray Stevenson) und Fandral (Zachary Levi) tauchen zwar auf, werden aber bereits im ersten Akt eher unrühmlich von Hela niedergemetzelt. Und das ist erst der Anfang, die Änderungen im Status Quo fallen gegen Ende noch weit gravierender aus: Odin stirbt, Asgard wird völlig zerstört und Thor führt als neuer König die überlebenden Asen ins Exil.

Die tonalen Unterscheide zum Vorgänger fallen allerdings am gravierendsten aus, und hier tritt auch Taika Waitits Handschrift sehr deutlich hervor. Vor allem Kenneth Branagh bemühte sich, ein Gleichgewicht zwischen Humor und Selbstironie auf der einen und Shakespear’scher bzw. mythologischer Gravitas auf der anderen Seite zu finden. In „Thor: Ragnarok“ gibt es dieses Gleichgewicht nicht, was zugleich die größte Stärke und auch die größte Schwäche des Films ist. „Thor“ wirkte oft, als hätte Branagh Kompromisse machen müssen, und „Thor: The Dark World“ merkt man diverse Probleme bei der Produktion ziemlich gut an. „Thor: Ragnarok“ dagegen ist zweifellos Taika Waititis Film, ohne Wenn und Aber. Gerade „Fünf Zimmer, Küche, Sarg“ bietet sich hier ideal als Vergleich an, in beiden Fällen reagieren äußerst abgedrehte und übernatürliche Figuren (Vampire, Götter) auf sehr selbstironisch-alltägliche Weise. Der etwas gehobenere Sprachstil der Asen ist endgültig Vergangenheit, alle beteiligten, von der Göttin des Todes an abwärts drücken sich äußerst jovial und modern aus. Ganz ähnlich wie Waititis Vampir-Mockumentary gibt es in „Thor: Ragnarok“ ein beständig gehaltenes Humor-Level, das auch noch funktioniert und niemals erzwungen wirkt. Laut Waititis eigener Aussage sind große Teile des Films improvisiert und ich habe keinerlei Probleme, das auch zu glauben. Leider wirkt sich dieser Umstand negativ auf die Momente aus, die tatsächlich dramatisch sein sollten, denn Waititis Regiestil verhindert, dass diese Momente ihre Wirkung entfalten können. Zwar gab es auch in „Thor“ ironische Seitenhiebe und auflockernden Humor, aber eben auch die durchaus eindrücklichen emotionalen Momente. In diesem Film gibt es keine Szene, die der Intensität von Thors Verbannung aus dem ersten Film auch nur nahe kommt. Im Vergleich dazu hat „Guardians of the Galaxy Vol. 2“ den Spagat zwischen konstantem Humor und emotionaler Authentizität weitaus besser gemeistert.

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Der Grandmaster (Jeff Goldblum), im Kreise seiner Untergebenen Topaz (Rachel House) und Valkyrie (Tessa Thompson)

Dafür ist „Ragnarok“ visuell zweifellos der gelungenste Film der Thor-Trilogie: Der erste Teil kämpfte mit einem optischen öden zweiten Akt in New Mexico, während „The Dark World“ uns zwar einige der neun Welten zeigte, aber keine davon wirklich interessant war. Diesbezüglich hält sich Waititi absolut nicht zurück, Sakaar ist einer der optisch interessantesten und faszinierendsten Orte des MCU. Wenn man hier einen Kritikpunkt anbringen kann, dann vielleicht den, dass Asgard im Vergleich zu Sakaar ein wenig stiefmütterlich behandelt wird – man merkt, welche Lokalität Waititi selbst am meisten interessierte.

Insgesamt ist „Thor: Ragnarok“ kaum mehr eine Darstellung der nordischen Götterwelt, sondern eine völlig abgedrehte Space Opera im 80er-Jahre-Stil, die recht gut zur aktuellen Welle der 80er-Nostalgie passt. Das reicht von der Neonfarbgebung bis hin zur Musik von Mark Mothersbaugh, die ich noch separat besprechen werde.

Die Revengers
Taika Waititis Regiestil und seine Vorliebe für Improvisation wirken sich natürlich besonders stark auf Darstellung und Charakterisierung der Figuren aus. Im Zentrum der Handlung stehen neben Thor noch drei weitere Figuren, die jeweils ihren eigenen kleinen Charakterhandlungsbogen haben: Loki, der wie schon in „Thor: The Dark World“ als unzuverlässiger Verbündeter fungiert, Hulk, der auf Bruce Banner absolut keine Lust mehr hat, und der Neuzugang Valkyrie. In den Comics ist Valkyrie (zumindest die ursprüngliche Inkarnation) tatsächlich die Marvel-Version von Brünhilde/Brynhildr und fungierte sowohl als Nebenfigur bzw. Love Interest in diversen Thor-Comics als auch als eigenständige Superheldin, die u.a. Teil der Defenders war. Interessanterweise wird ihr Name im Film nicht genannt, sie trägt die Kennung „Scrapper 142“ und wird ansonsten immer nur als eine Walküre bezeichnet (in einem kurzen, aber visuell extrem eindrucksvollen Rückblick sind auch die anderen Walküren zu sehen). Im Marvel Cinematic Universe waren die Walküren wie in den Comics und der Mythologie die Eliteinheit Odins, wurden dann aber von Hela ausgelöscht. Scrapper 142 scheint die einzige Überlebende zu sein (was im Film aber nur angedeutet und nicht bestätigt wird) und versucht, auf Sakaar ihre Schuldgefühle zu ertränken. Im Verlauf des Films überwindet sie ihre Probleme und kehrt an Thors Seite nach Asgard zurück. Valkyrie ist ohnehin der heimliche Star des Films, da überrascht es kaum, dass ihr Handlungsbogen am überzeugendsten und authentischsten ausfällt.

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Die Revengers: Hulk (Mark Ruffalo), Thor (Chris Hemsworth), Valkyrie (Tessa Thompson) und Loki (Tom Hiddleston)

Der titelgebende Donnergott setzt im Grunde die Reise fort, die er zu Beginn seines ersten Films antrat – in gewisser Weise ist „Thor: Ragnarok“ diesbezüglich ein Spiegel besagten ersten Films. Abermals verliert Thor seinen Hammer, sogar verhältnismäßig endgültig, und abermals bereitet er sich darauf vor, den Thron von Asgard zu besteigen – nur dass das dieses Mal am Ende seiner Reise steht und er nun auch wirklich würdig ist, sein Volk anzuführen. Eigentlich eine gut konstruierter Handlungsbogen – hier schadet allerdings Waititis Regiestil, weil man aufgrund der konstanten Selbstironie und der humoristischen Seitenhiebe nie ein Gefühl dafür bekommt, was das alles eigentlich für Thor bedeutet. Der Thor dieses Films ist die bislang gelassenste und lustigste Version der Figur, zugleich bekommt man aber auch das Gefühl, dass ihm nichts mehr wirklich emotional nahe geht, ganz im Unterschied zu Kenneth Branaghs Thor, der weit wütender und verzweifelter werden durfte. Ein interessantes kleines Detail in seiner Charakterisierung ist die Signifikanz, die seine Identität als Avenger einnimmt und auf die er scheinbar großen Wert legt. Dies wird am deutlichsten sichtbar, als er das Team um sich selbst, Loki, Valkyrie und Hulk zu den „Revengers“ erklärt.

In Lokis Fall sieht es ganz ähnlich aus – bei Waititi geht der Humor oft auf seine Kosten. Nicht, dass das völlig neu wäre („puny god“), aber auch hier haben vorhergegangene Filme dem Gott der Lügen zumindest hin und wieder einen, nennen wir es, „authentischen Moment“ gegönnt, etwa seine Reaktion auf den Tod seiner Mutter in „Thor: The Dark World“. Mit „Ragnarok“ wird Loki endgültig zum Antihelden, der zwar zwischendurch einmal ein bisschen Verrat übt (alte Gewohnheiten legt man schwer ab), aber letztendlich das richtige tut.

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Hulk (Mark Ruffalo) gegen Surtr (Clancy Brown)

Und dann wäre da noch der Hulk, der sich in seiner interessanten Situation befindet. Seit „Age of Ultron“ hat er sich nämlich nicht wieder in Bruce Banner zurückverwandelt, erst Thors Auftauchen (und ein wenig indirekte Hilfe von Black Widow) sorgen dafür, dass Banner zurückkehrt. Sein Schicksal ist relativ offen, da Bruce selbst befürchtet, dass er sich beim nächsten Mal überhaupt nicht mehr zurückverwandelt. Dennoch tut er am Ende das, was ohnehin jeder Zuschauer erwartet: Er wird grün und legt sich mit Fenrir und Surtr an.

Hela
Kehren wir noch einmal zur nordischen Mythologie zurück. Schon die Comicversion von Hela hat mit ihrem mythologischen Gegenstück recht wenig zu tun. Das beginnt bereits beim Namen, denn die nordische Göttin des Todes heißt Hel – von diesem Namen leiten sich die Wörter „Hell“ und „Hölle“ ab. Da die Marvel-Version der nordischen Mythologie in den 60ern entstand, als der Comics Code alle religiösen Verweise in Comics untersagte, änderten Stan Lee und Jack Kirby den Namen ab, um ihn zu entschärfen, jedenfalls meine ich, das irgendwo einmal gelesen zu haben. Vereinzelt tauchte die Hela-Schreibweise der Totengöttin aber auch schon vor der Marvel-Version auf. Wie dem auch sei, in der nordischen Mythologie ist Hel die Tochter Lokis und der Riesin Angrboða, mit der Loki auch Fenrir und die Midgardschlange zeugte. Optisch hat sie eine gewisse Ähnlichkeit mit Two Face, ihre eine Körperhälfte ist jung, schön und üppig, während die andere tot und verfault ist. In der nordischen Mythologie herrscht sie, ähnlich wie Hades, über die nach ihr benannte Unterwelt, wobei sie lediglich die Seelen derjenigen bekommt, die eines friedlichen oder natürlichen Todes sterben, während die Krieger, die in der Schlacht gestorben sind, von den Walküren nach Walhalla gebracht werden.

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Hela (Cate Blanchett)

Für die Marvel-Version der nordischen Mythologie wurden viele dieser Aspekte abgewandelt. Visuell ist nun der geweihartige Kopfschmuck Helas Markenzeichen. Sie ist nach wie vor die Herrscherin der Unterwelt, hat aber, anders als ihr mythologisches Gegenstück, Ambitionen darüber hinaus, sodass als sie als Schurkin für Thor fungieren kann. Ihre Herkunft bleibt in den Comics ziemlich undurchsichtig, sie scheint tatsächlich eine Tochter von Loki zu sein, allerdings eines anderen Loki als des aktuellen, was entweder mit wiederkehrenden Inkarnationen der Asen oder mit Zeitreisen erklärt wird.

Die von Cate Blanchett dargestellte Film-Hela entfernt sich schließlich noch weiter von der nordischen Göttin. Optisch wurde die Comicfigur fast perfekt umgesetzt, nun ist sie allerdings die älteste Tochter von Odin, die früher an seiner Seite die Neun Welten eroberte, dann aber die Macht übernehmen wollte und deshalb verbannt wurde. Ihre Rolle als Herrscherin der Unterwelt findet im Film keine Erwähnung, sie ist Göttin des Todes, weil sie den Tod bringt. Ehrlich gesagt bin ich mit der Darstellung Helas im Film nicht wirklich zufrieden. Cate Blanchett hat sichtlich Spaß dabei, so richtig aufzudrehen, und im Vergleich zum sterbenslangweiligen Malekith ist Hela definitiv eine Verbesserung, aber insgesamt ist sie mir mit ihrem Vaterkomplex Loki im ersten Thor-Film zu ähnlich, ohne dessen Nachvollziehbarkeit zu besitzen. Mehr noch, in den Comics ist Hela nie eine Sprücheklopferin, sondern enigmatisch, kalt, unnahbar und fremdartig. Hier hätte man einen schönen Kontrast zu den anderen Figuren schaffen und Hela als Widersacherin eindringlich gestalten können, leider hält sie stattdessen primär größenwahnsinnige Monologe, in denen sie ihre Hintergrundgeschichte erzählt. Somit ist Hela zwar sehr unterhaltsam, verschenkt aber gleichzeitig das Potential, eine wirklich eindringliche Schurkin zu sein.

Einordnung ins MCU
Insgesamt nimmt „Ragnarok“ sehr viel inhaltlichen Bezug auf bisherige MCU-Filme, mitunter auf ziemlich amüsante und kreative Weise. So wird Lokis Pseudosterbeszene aus „The Dark World“ in Asgard aufgeführt, wobei Matt Damon Loki spielt, Sam Neill als Odin zu sehen ist und Chris Hemsworths Bruder Luke Thor mimt. Auf Sakaar gibt es viele Bezüge zu „Age of Ultron“ und, in geringerem Maße, zum ersten Avengers-Film. Am interessantesten sind allerdings die kleinen und größeren Details, die auf Kommendes hindeuten. So wurde beispielsweise bestätigt, dass es sich beim Grandmaster und den Bruder des von Benicio del Toro dargestellten Collector aus „Guardians of the Galaxy“ handelt – steht da irgendwann ein familiäres Wiedersehen bevor? Darüber hinaus finden sich einige Verweise auf den anstehenden Krieg um die Infinity-Steine: Dass Loki kurz vor Schluss den Tesserakt aus Odins Schatzkammer stiehlt, dürfte ja wohl klar sein und das Schiff, auf das die Asen in der Mid-Credits-Szene stoßen, hat sicher direkt oder indirekt etwas mit Thanos zu tun. In Fankreisen wird darüber hinaus spekuliert, ob Hela im Kontext des dritten Avengers-Film noch eine größere Rolle spielen könnte. Thanos‘ primäre Motivation dafür, die Infinity-Steine zu sammeln und Allmacht zu erlangen, ist seine Liebe zur Personifikation des Todes. Könnte Hela im MCU diese Personifikation sein? Nach „Ragnarok“ halte ich das allerdings eher für unwahrscheinlich oder doch zumindest für ziemlich unpassend, nicht zuletzt weil ich hoffe, dass „Avengers: Infinitiy War“ einen deutlich anderen Ton hat als „Ragnarok“

Fazit
„Thor: Ragnarok“ ist eine visuell überbordende Space Opera im 80er-Stil, deren selbstironischer Humor zugleich Stärke und Schwäche ist. Thors dritter Solo-Leindwandausflug ist durchweg unterhaltsam und kurzweilig, äußerst lustig, aber selbst im Vergleich zu anderen MCU-Filmen emotional verhältnismäßig eindimensional.

Bildquelle

Trailer

Siehe auch:
Thor
Thor: The Dark World

Der Hobbit: Die Schlacht der fünf Heere – Analytische Rezension

botfaEine kleine Anekdote zu Beginn: Wer einen Blick auf die Tracktitel der Soundtrackalben der Hobbit-Trilogie wirft, wird merken, dass Shore, wie schon bei der HdR-Trilogie, auf diese Weise viele der Kapitelnamen von Tolkiens Roman untergebracht hat, 14 von 19, um genau zu sein. Für meine abschließende, ausführliche Besprechung von „Die Schlacht der fünf Heere“ habe ich mir die Überschriften der einzelnen Abschnitte dieses Mal vom Soundtrackalbum geliehen, da sie in meinen Augen wirklich wunderbar passen. Wie schon zuvor gehe ich nicht immer ganz streng chronologisch vor, sondern arbeite zum Teil auch nach zusammengehörenden Handlungssträngen. Und wie üblich gibt es zu Beginn einige allgemeine Beobachtungen.
„Die Schlacht der fünf Heere“ umfasst ziemlich genau das letzte Drittel des Romans, nämlich die Kapitel 14 bis 19, und beginnt dort, wo „Smaugs Einöde“ aufgehört hat, was ihm eine Sonderstellung unter allen Mittelerde-Filmen einräumt: Der letzte Teil der Hobbit-Trilogie ist der einzige Film dieses Franchise, der nicht mit einem Prolog in Form eines Rückblicks beginnt. Dies sorgt auch dafür, dass sich „Die Schlacht der fünf Heere“, trotz einer relativ einfach zu identifizierenden und ziemlich klassisch anmutenden Drei-Akt-Struktur, nicht wie ein kompletter Film anfühlt. Der erste Akt besteht dabei aus den ganzen Kriegsvorbereitungen und geht etwa bis zum Auftauchen von Dáin Eisenfuß, der zweite umfasst die titelgebende Schlacht, während der dritte das Finale auf dem Rabenberg und das Ende des Films beinhaltet.
Wie ich bereits in meiner kürzeren Kritik zum Film geschrieben habe, fand ich „Die Schlacht der fünf Heere“ zumindest gelungener als „Smaugs Einöde“ – dieses Urteil gilt vor allem den ersten beiden Akten des Films die, mit Abstrichen und Einschränkungen, im Großen und Ganzen ziemlich gelungen sind. Die meisten Probleme des Streifens häufen sich leider im Finale.

Fire and Water
In Anbetracht des Cliffhangers, mit dem der Vorgänger endete, ist es natürlich naheliegend, dass „Die Schlacht der fünf Heere“ direkt an diesen anknüpft, aber ein wenig fehlt ein Prolog schon. In den Weiten des Internets finden sich da auch durchaus brauchbare Ideen, so wäre es zum Beispiel interessant gewesen, das Treffen der Zwergenfürsten, von dem Thorin in „Eine unerwartete Reise“ erzählt, zu zeigen. Dabei hätte auch Dáin dem Zuschauer gleich vorgestellt werden können. Aber nun gut, dann eben kein Prolog. Stattdessen beginnt Smaug seinen Angriff auf Seestadt direkt. Bei Tolkien wird dies eher distanziert geschildert, was vor allem auch daran liegt, dass im Roman keine Figur dort ist, die den Leser interessiert – Bard wird hier erst vorgestellt. Im Film dagegen ist Smaugs Angriff intensiver und persönlicher gestaltet, und natürlich sind eigentlich sogar zu viele bekannte Figuren hier, neben Bard und seinen Kindern auch Tauriel, Fíli, Kíli, Bofur und Óin. Die Zwerge und Tauriel haben aber kaum etwas zu tun, was mich in meiner Ansicht bestärkt, dass ihr ganzer Subplot im Finale von „Smaugs Einöde“ ziemlich unnötig war.
Den Angriff und die anschließende Drachentötung finde ich im Große und Ganzen eigentlich ziemlich gelungen. Auch hier findet sich bei Tolkien nicht besonders viel, mit dem man arbeiten kann, Bard ist Teil einer Gruppe Bogenschützen und schafft es, Smaug abzuschießen, es gibt keine Windlanze und der schwarze Pfeil ist ein normaler Pfeil für den Bogen. Als Fan von Benedict Cumberbatches Darstellung des Drachen freut es mich, dass er auch noch einmal zu Wort kommen darf. Leider leidet die Szene unter einer für Jacksons Hobbit-Trilogie übliche Überdramatisierung, da Bard die Windlanze nicht erreicht und sich erst einen Ersatz macgyvern muss. Es ist wohl müßig zu erwähnen, dass Bain durch die Aktion eigentlich zumindest eine aufgeschnittene Wange haben sollte, wenn nicht viel mehr.
THE HOBBIT: THE DESOLATION OF SMAUG
Smaug (Benedict Cumberbatch) in den brennenden Trümmern von Seestadt

Nun denn, der Drache ist tot, für die Einwohner Esgaroths ist das aber nicht unbedingt ein Grund zu feiern, wer überlebt hat, hat dennoch so gut wie alles verloren, was der Film auch durchaus gut zeigt. Ebenfalls gelungen finde ich, wie Bard sich langsam und widerwillig in seine Führungsrolle einfindet – ganz allgemein finde ich Luke Evans hier noch besser als in „Smaugs Einöde“, er sorgt dafür, dass seine Figur zugleich glaubhaft und bodenständig bleibt, aber genug Charisma besitzt, sodass sich die Menschen von Esgaroth automatisch zu ihm als Anführer gezogen fühlen. Leider tritt an dieser Stelle nun auch einer der Problemfaktoren des Films auf, der den Namen Alfrid trägt. Während Stephen Frys Brügermeister zusammen mit Smaug das Zeitliche gesegnet hat (der Drache ist auf ihn drauf gefallen), hat sein von Ryan Gage gespielter Assistent leider überlebt und bekommt im Rest des Films viel zu viel Leinwandpräsenz, wohl vor allem, um die düstere Stimmung ein wenig mit Humor aufzulockern. Das Problem ist nur: Alfrid ist weder besonders witzig, noch besonders interessant, er ist lediglich ein unsubtiler, übertrieben dargestellter, absolut selbstsüchtiger Speichellecker, dessen Tiraden einfach nicht amüsant sind, selbst wenn er ein Korsett trägt.

Guardians of the Three
Ach ja, da war ja noch ein Subplot, Gandalf ist immer noch in Dol Guldur gefangen. Zum Glück schauen die Mitglieder des Weißen Rates persönlich vorbei, um ihn wieder zu befreien und Sauron auch gleich aus seiner Festung zu werfen.
Über diesen Angriff auf die Festung des Dunklen Herrschers schreibt Tolkien nicht sehr viel, in den Anhängen des HdR findet sich lediglich die Information, dass der Weiße Rat sich endlich darauf geeinigt habe, den Nekromanten anzugreifen, und dass es ihnen gelungen sei, diesen aus Dol Guldur zu verbannen. Wie genau man sich diesen Angriff vorzustellen hat, ob Galadriel und Elrond die Armeen von Lothlórien und Bruchtal in die Schlacht führten oder es sich um eine persönliche Konfrontation handelt, hat Tolkien nie festgelegt. Jackson, Walsh und Boynes entschieden sich letztendlich für Letzteres. Mit der grundsätzlichen Entscheidung bin ich einerseits zufrieden, und ich habe mich auch sehr auf diese Szene gefreut, andererseits ist die Umsetzung allerdings sehr zwiespältig – wie so oft in der Hobbit-Trilogie ist Jacksons mal wieder übers Ziel hinausgeschossen. Das betrifft vor allem die Nazgûl, bzw. den Kampf mit ihnen, und Galadriel. Gerade bezüglich der Ringgeister hätte ich mir etwas Abstrakteres gewünscht – schließlich sollte man sie ja in der materiellen Welt überhaupt nicht sehen können. Zum Beispiel hätten sie als sich verformende, schwarze Schattengebilde dargestellt werden können, quasi als Teile von Saurons Nekromanten-Form. So, wie sie jetzt sind, erinnern sie an die Armee der Toten aus „Die Rückkehr des Königs“, wenn auch weniger grün. Das ist besonders schade, weil sich in dem Begleitbuch „Der Hobbit: Die Schlacht der fünf Heere – Kunst & Gestaltung“ einige sehr interessante Entwürfe finden. Auch die Art des Kampfes gegen die Neun behagt mir nicht besonders, die Auseinandersetzung wirkt viel zu Martial-Arts-mäßig und irgendwie schlicht unpassend.
med_1421083787_imageGaladriel (Cate Blanchett), die so aussieht, als sei sie gerade aus einem Fernseher gekrochen

Und schließlich wäre da noch die eigentliche Vertreibung Saurons durch Galadriel. Anders als viele andere finde ich es wenige bedenklich, dass Galadriel den Dunklen Herrscher fast im Alleingang besiegt, wenn man sich den Rest von Tolkiens Legendarium ansieht (ich denke da vor allem an den Kampf Fingolfins gegen Morgoth und die Tatsache, dass die Elbenfürsten des Ersten Zeitalters, zu denen Galadriel letztendlich ja auch gehört, durchaus in der Lage waren, es mit Balrogs aufzunehmen), passt das durchaus, auch wenn ich mir noch ein wenig mehr Zusammenarbeit des Weißen Rates gewünscht hätte. Was mich stört, ist die Art und Weise, wie die Vertreibung inszeniert ist. Oder, genauer: Warum sieht Galadriel aus, als wäre sie gerade aus einem Fernsehr gekrochen, nachdem jemand eine Woche zuvor ein bestimmtes Video angeschaut hat? Galadriel im dunkle-Königin-Modus halte ich an dieser Stelle für fehlplatziert. In „Die Gefährten“ war es die Verführungsmacht des Einen Ringes, der diese Verwandlung bewirkt hat. Hier benutzt sie allerdings nur Nenya, ihren Elbenring, den Sauron niemals berührt hat und über den er nur Macht hat, wenn er den Einen Ring am Finger trägt.
Ein weiteres Problem mit dieser Szene ist, dass sie vom Rest völlig losgelöst scheint und so wirkt, als wolle Jackson sie nur schnell abhaken. Dieser Eindruck entsteht vor allem, weil später praktisch kein Bezug mehr auf sie genommen wird, vielleicht kann die Special Extended Edition hier ja Abhilfe schaffen.
Noch eine kleine Anekdote zum Schluss: Zu Beginn der Szene sieht man kurz den ursprünglichen, von Conan Stevens dargestellten Azog/Bolg. Und ja, ich bin nach wie vor der Meinung dass er weitaus besser gewesen wäre als die jeweilige Motion-Capture-Version der beiden.

Dragon-sickness
Während die heimatlosen Bewohner von Seestadt in den Ruinen von Thal nach Schutz suchen und sich Elbenfürsten, Maiar und Ringgeister in Dol Guldur bekämpfen, nehmen die Zwerge den Erebor in Besitz. In der Tat finden sich hier auch die mitunter besten Szenen des Films, denn die Erebor-Abschnitte gehören ganz eindeutig Richard Armitage, der den immer wahnsinniger werdenden Thorin grandios verkörpert, sowie Martin Freeman, dessen Bilbo konstant mit sich hadert, ob er seinem Freund den Arkenstein nun aushändigen soll oder nicht. Gerade die Eichelszene ist diesbezüglich wunderbar gelungen: So sieht eine gute, passende Erweiterung des Quellenmaterials aus. Genau derartige Szenen hätte es in „Smaugs Einöde“ gebraucht, anstatt der unnötigen Drachenhatz oder des Liebesdreiecks. Auf diese Weise hätte man auch gut die Beziehung Thorin/Bilbo entwickeln können: Am Ende von „Eine unerwartete Reise“ verdient sich Bilbo Thorins Respekt und in „Smaugs Einöde“ steigert sich die gegenseitige Sympathie – um wie viel stärker wären etwa der Höhepunkt von Thorins Wahnsinn (als er versucht ist, Bilbo zu töten), seine Todesszene oder Bilbos Ausspruch bei der Auktion, Thorin sei sein Freund, gewesen, hätte der Aufbau hierfür schon in „Smaugs Einöde“ stattgefunden. Nun ja…
THE HOBBIT: THE BATTLE OF THE FIVE ARMIES
Thorin (Richard Armitage), König unter dem Berg

Was viele in diesem Zusammenhang kritisiert haben, ist Thorins Überwindung der Drachenkrankheit, sowohl was Geschwindigkeit als auch die eigentliche Überwindungsszene anging, wobei ich allerdings ehrlich sagen muss: Das hat mich kaum gestört. In der Tat scheint das vor allem ein Kritikpunkt von Nichtbuchlesern zu sein. Wer Tolkiens Roman kennt, weiß, dass das dort praktisch überhaupt nicht thematisiert wird, Thorins wachsender Wahnsinn wird eher berichtet denn detailliert geschildert, und nachdem Bilbo aus dem Erebor verschwunden ist, gibt es von dieser Front überhaupt nichts mehr, das nächste Mal tauchen Thorin und Kompanie auf dem Höhepunkt der Schlacht wieder auf, und dann gibt es noch eine letzte Unterhaltung zwischen ihm und Bilbo auf seinem Totenbett. Von einer wirklichen Entwicklung oder Überwindung kann hier keine Rede sein, insofern wurde dieser Teil gegenüber der Vorlage schon stark erweitert, und ehrlich gesagt hat mir die Szene mit dem symbolischen Versinken in Gold recht gut gefallen. Hätte Jackson das Ganze noch besser, ausführlicher und subtiler darstellen können? Höchstwahrscheinlich, aber angesichts der anderen Schwächen des Films bin ich mit diesem Subplot im Großen und Ganzen ziemlich zufrieden.

The Gathering of the Clouds
Da ich auch diesen Teil des Films ziemlich gerne mag, fangen wir gleich mit dem Unangenehmen an, nämlich einem weiteren, völlig unnötigen Subplot: Tauriel und Legolas gehen nach Gundabad. Warum? Weil sie bis zum letzten Drittel des Films sonst nichts zu tun haben. Das Beste, was sich über diesen Handlungsstrang sagen lässt, ist, dass er wenigstens nicht viel Platz einnimmt, ansonsten gehört er zu den schlechtesten Streckungen. Schon allein geographisch ergibt das überhaupt keinen Sinn, inhaltlich ist das Ganze auch so unnötig wie ein Kropf (die aus Gundabad kommende Armee wird später von Beorn und den Adlern innerhalb von weniger als fünf Minuten besiegt, sodass es praktisch kaum einen Unterschied macht) und darüber hinaus finden sich hier auch noch mitunter die schlechtesten Dialoge, die Jackson und Co. wohl jemals verfasst haben. „These bats are bred for a single purpose.“ „Which purpose?“ „For war.” In „Die zwei Türme“ war das ähnliche Zitat immerhin noch halbwegs passabel (wenn auch da schon ein wenig plakativ), hier ist der Dialog einfach nur noch peinlich.
Dain
Dáin Eisenfuß (Billy Connolly)

Aber wenden wir uns dem angenehmeren Teil zu: Bards weiteres Hineinwachsen in seine Rolle als Anführer, Thranduils Auftauchen, die Kriegsvorbereitungen und letztendlich die Verhandlung – all das hat mir ziemlich gut gefallen, was wohl in erster Linie Luke Evans und Lee Pace zu verdanken ist. Vor allem aber sind dies wirklich sinnvolle Erweiterungen, Tolkien deutet das meiste davon nur an, der Film gestaltet es aus und gerade hier ist das auch ziemlich gut gelungen. Der Höhepunkt ist natürlich Bilbo, der Thranduil und Bard den Arkenstein bringt, allein wegen des Zusammenspiels von Ian McKellen, Lee Pace, Luke Evans und Martin Freeman – das sind die Momente, in denen der Geist der Vorlage am deutlichsten hervortritt und die einem vor Augen führen, wie gut die Hobbit-Filme hätten werden können.
Lediglich Alfrids weitere Präsenz nervt nach wie vor, wobei ich hier differenzieren muss: Es gibt zwei gelungene Alfrid-Szenen, die in der Tat durchaus ein wenig passenden Humor in den Film bringen: Die Elbenarmee, die sich an ihm vorbeigeschlichen hat, und der verschwundene Bilbo. Diese beiden Szenen sind lustig, weil sie nicht erzwungen wirken, sondern natürlich und subtil sind. Alle anderen Auftritte von Alfrid sind dagegen völlig übertrieben und hätten am besten ersatzlos der Schere zum Opfer fallen sollen, vor allem, weil sie Zeit fressen, die an anderer Stelle fehlt. So hätte ich zum Beispiel lieber mehr von Dáin Eisenfuß gesehen. Ja, bei Tolkien bekommt der Herr der Eisenberge auch nicht viel mehr Platz, aber das ist eine Figur, bei der sich Erweiterungen auch wirklich lohnen würden, denn mir gefällt Billy Connollys Interpretation des Charakters durchaus gut (so schottisch). Interessanterweise ist er der erste digitale Zwergencharakter, was mir beim ersten Kinobesuch eher unangenehm aufgefallen ist, während es beim zweiten weniger offensichtlich schien.

The Battle for the Mountain
Die eigentliche, titelgebende Schlacht beginnt, als sich die Heere der Zwerge und Elben (Letzteres unterstützte von den Menschen von Seestadt) gerade aufeinander stürzen wollen und die Orks wie aus dem Nichts auftauchen.
Klären wir nun zuerst einmal, was mit den fünf Heeren überhaupt gemeint ist. Auf der Seite der freien Völker gibt es keine Probleme: Elben, Menschen, Zwerge. Bei den Dienern des Bösen finden sich allerdings Änderungen gegenüber der Vorlage, im Roman waren es ein Wargheer und ein Orkheer, während es hier zwei Orkheere sind, das, mit dem Azog anrückt und das bereits erwähnte Ersatzheer aus Gundabad. Von Wargen ist während der Schlacht im Film überhaupt nichts zu sehen, stattdessen gibt es aber Trolle, die allesamt weitaus weniger beeindruckend sind als ihre Vettern aus der Ring-Trilogie.
Ebenso ist der Grund für das anrückende Orkheer ein anderer. Bei Tolkien ist der auslösende Faktor der von den Zwergen verursachte Tod des Großork. Im Anschluss an diesen versammelt Bolg die Orkstämme des Nebelgebirges und rückt aus, sobald er von Smaugs Ende erfährt. Im Film wird Azog dagegen von Sauron mit der Eroberung des Erebor beauftragt.
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Thranduil (Lee Pace), bereit für die Schlacht

Die Schlacht selbst ist, trotz einiger Logikprobleme, ganz in Ordnung, allerdings fehlt ihr sowohl die Intensität der Schlacht um Helms Klamm als auch die schiere Größe der Schlacht auf den Pelennorfeldern. Der interessanteste Aspekt ist, dass die Orks dieses Mal sehr viel strategischer vorgehen, nicht zuletzt Dank einer durchaus ausgefeilten Signalmechanik. Nebenbei, Azog ist in diesem Film optisch eindeutig am gelungensten, vor allem gegenüber „Eine unerwartete Reise“ wurden die Animationen des Charakters noch einmal deutlich verfeinert und mit Rüstung und Schwert-Prothese sieht er um einiges beeindruckender aus.
Leider gibt es immer wieder einige Aspekte, die das eigentlich halbwegs gelungene Kampfgeschehen runterziehen. Muss Dáin wirklich behelmte und gerüstete Orks mit bloßem Schädel ausschalten? Und wozu die Werwürmer (die wirklich verdammt nach „Dune“ aussehen), wenn sie in der eigentlichen Schlacht nicht einmal zum Einsatz kommen?
Aber es gibt aber auch viele gelungene Momente. Besonders einprägsam fand ich Thranduils Schock darüber, wie viele seiner Soldaten getötet wurden, und auch der Ausbruch von Thorin und Kompanie aus dem Berg hatte die gewünschte Wirkung, auch wenn ich an dieser Stelle noch einmal gerne das Misty-Mountains-Thema gehört hätte.

To the Death
Auch wenn die ersten beiden Akte alles andere als fehlerlos waren, waren sie doch zumindest im Große und Ganzen in Ordnung – die meisten Probleme des Hobbit-Finales sammeln sich, wie bereits erwähnt, im dritten Akt. Im Grunde ist es auch hier wieder die Vorlage (und Tolkiens Angewohnheit, sich nicht an dramaturgische Grundregeln zu halten), aus der das grundsätzliche Problem erwächst: Ein wirkliches Finale gibt es dort nicht. Die Schlacht wird sehr distanziert geschildert, vieles erfahren wir sogar erst im Nachhinein, und zu allem Überfluss wird der Protagonist auch noch ohnmächtig. Jackson, Walsh, und Boyens standen nun vor der Aufgabe, aus Tolkiens sehr knappen Schilderungen ein emotional mitreißendes Finale zu machen. Zu diesem Zweck wählten sie einige Figuren aus, die sie von der Hauptschlacht separierten, um ein intimeres und persönlicheres Finale zu bekommen. Dieses findet auf dem Rabenberg statt, bei dem es sich um einen im Roman erwähnten Aussichtsturm handelt, in der Tat verliert Bilbo dort auch in der Vorlage das Bewusstsein.
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Azog (Manu Bennett) überblickt sein Heer

Die Probleme des Finales fangen mit der Figurenauswahl an. Dass Thorin, Fíli und Kíli dort sein würden, war ziemlich klar, immerhin müssen sie noch den Heldentod sterben. Als Titelheld des Romans ist auch Bilbos Anwesenheit vonnöten, und dass Azog dort sein würde, war ebenfalls absehbar, denn wer sonst sollte als Thorins Endgegner fungieren? Aber Legolas, Tauriel und Bolg? Natürlich, dies setzt die unnötigen Handlungsstränge aus „Smaugs Einöde“ fort, und auch hier war klar, dass diese irgendwie beendet werden, aber leider mal wieder zugunsten von Charakteren, die die Leinwandzeit viel eher verdient hätten. Die Hauptschlacht vor den Toren des Erebor wird im dritten Akt völlig ausgeblendet, was bedeutet, dass Gandalf, Bard und neun von 13 Zwergen abwesend sind.
Beinahe ebenso problematisch ist, dass sich dieses Finale fürchterlich hinzieht und sich hier fast alle Negativaspekte der Hobbit-Trilogie noch einmal auf einem Haufen ansammeln: Unnötige Actionausdehnung, Stunts weit jenseits jeder physikalischen Glaubwürdigkeit (Legolas rennt eine abstürzende Treppe hinauf, die Feldermausaktion etc.) und die kontraproduktive Charakterisierung.
Werfen wir noch einmal einen Blick auf Tauriel. Wie ich schon mehrfach sagte, bin ich nicht grundsätzlich gegen diese Figur, ich denke, Evangeline Lilly spielt sie ganz in Ordnung, und wäre sie eine hinzugefügte Nebenfigur wie Gamling oder Lurtz in den HdR-Filmen, hätte ich mit ihr sicher kein Problem. Aber so, wie sie im fertigen Film ist, halte ich Tauriel letztendlich für kontraproduktiv, gerade unter dem Gesichtspunkt „weibliche Repräsentation“ bzw. „starke Frauenfigur“ – sie ist ganz schlicht und einfach ziemlich schlecht geschrieben und in die Geschichte integriert. In erster Linie wird sie über ihre Beziehung zu Männern definiert (Kíli, Legolas), verfügt kaum über eigenständige Charaktereigenschaften, muss während des Finales von Legolas gerettet werden und darf dann noch nicht einmal Bolg, der zuvor Kíli getötet hat, selbst den Garaus machen – auch das übernimmt Legolas. Wahrscheinlich überinterpretiere ich nur, aber auf mich wirkt das so, als sei das, was Bolg Legolas angetan hat (die blutige Nase in „Smaugs Einöde“), schlimmer als das, was er Tauriel angetan hat. Das ist wohl kaum im Sinne des Erfinders.
Dabei hätte man aus ihr relativ problemlos einen gut funktionierenden, autonomen Teil der Handlung machen können. Statt der flachen Romanze hätte sie einfach eine junge, aufgeschlossene Elbin sein können, die entdeckt, dass sie Thranduils Abneigung gegen alles nicht-elbische nicht teilt und dass Zwerge durchaus auch anständige Leute sein können. Statt Kíli aus Liebe zu folgen, hätte Thranduil sie (und meinetwegen auch Legolas) damit beauftragen können, den Zwergen zu folgen, schließlich hat er ja durchaus ein Interesse an ihrer Mission. Bei Smaugs Angriff helfen sie den Menschen von Seestadt (indem sie zum Beispiel Bards Kinder retten, ohne Athelas-Heilungsszene und am besten auch ganz ohne zurückgebliebene Zwerge), und anschließend kehren sie nach Smaugs Tod zu Thranduil zurück, um ihm Bericht zu erstatten und dann später mit ihm und der Elbenarmee wieder anzurücken. Während der Schlacht bekommen sie noch ein paar nette Actionszenen, und das war’s dann auch, keine Beteiligung am Finale, keine unverdiente Beförderung zu Hauptfiguren.
Ebenso wirken auch die anderen Kämpfe in die Länge gezogen, und vor allem die Tode von Fíli und Kíli sind erstaunlich unemotional inszeniert, vor allem, wenn man sich da die Todesszenen der HdR-Trilogie vor Augen führt. Und schließlich ist da noch das Auftauchen der Adler und Beorns, das so wirkt, als sei es nur da, weil es im Roman eben an dieser Stelle vorkommt, aber im Grunde macht es keinen Unterschied.
Der mit Abstand gelungenste Augenblick dieses Abschnitts ist Thorins Tod, was abermals vor allem an Richard Armitage und Martin Freeman liegt, zusammen mit der Übernahme von Tolkiens Dialog und dem Rückbezug auf die Eichelszene. Wäre nur der Weg dorthin nicht so holprig gewesen.

The Journey Home
Leider enden die Probleme nicht mit dem Rabenberg. Der Schluss des Films wirkt merkwürdig unfertig. Während Tauriel, Thranduil und Legolas gewissermaßen Abschiedsszenen erhalten, inklusive einer weiteren Holzhammerverbindung zum HdR (was hat Thranduil mit Arathorn zu tun?), kommen viele andere Figuren zu kurz. Bard sehen wir einmal kurz bei etwas, das ein Teil von Thorins Begräbnis sein könnte, und von Dáin bekommen wir auch nichts mehr mit. Dieses Ende wirkt geradezu unzweckmäßig grimmig und zeigt wieder einmal die gespaltene Natur der Hobbit-Filme. Hier haben wir einen Fokus auf Bilbo und den Verlusten. Nach allem, was wir wissen, könnte Dáin genauso gut tot sein, die Linie Durins wäre damit ausgelöscht, was mit Bard und den Menschen von Seestadt passiert, erfahren wir auch nicht, und alles was Bilbo letztendlich davon hat, ist die Bürde des Einen Rings und ein aufgelöster Hausstand. Genau das passt allerdings nicht wirklich zum Rest des Films mit seinem Zwergen-, Elben- und Menschenfokus, den Albernheiten und physikalischen Absurditäten. Natürlich kann eine Mischung aus ernst und humorvoll wirken, aber hier liegen die Pole einfach zu weit auseinander – ein weiterer Grund, weshalb die Hobbit-Trilogie, anders als die Verfilmung des HdR, niemals über die Summe ihrer Teile hinauswächst.
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Bilbo (Martin Freeman) ist nicht der, der er einmal war

Bleibt die Frage, wer dafür verantwortlich ist. Wollte Jackson eine ähnliche Reaktion wie bei „Die Rückkehr des Königs“ verhindern, als viele meinten, der Film habe zu viele Enden? In der Tat gibt es im Roman noch einen ganzen Haufen kurzer Abschiedsszenen, u.a. mit Bard, Thranduil, Beorn und Elrond. Oder waren es doch eher die Verantwortlichen bei Warner, die auf eine bestimmte Laufzeit pochten? Vielleicht schafft es ja die Special Extended Edition, das Ende des Films ein wenig runder zu machen.
Allerdings muss ich sagen, Bilbos Abschied von den Zwergen fand ich extrem gelungen. Optimal gespielt, eine schöne Umsetzung der Szene im Roman, subtil aber gleichzeitig emotional – gerade, wenn man sich den Anfang von „Eine unerwartete Reise“ in Erinnerung ruft. Wenn Bilbo sagt, die Zwerge dürften jederzeit und auch noch unangemeldet bei ihm auftauchen, ist das nach seinen Maßstäben wirklich etwas Besonderes.

Fazit:
Meinen bisherigen Fazits zu „Die Schlacht der fünf Heere“ (und der Hobbit-Trilogie im Allgemeinen) bleibt kaum etwas hinzuzufügen. Während der finale Teil zwar besser gelungen ist als „Smaugs Einöde“, gibt es doch immer noch massive Probleme bei Struktur, Figuren und, vor allem, Gesamtkonzept. Leider lassen sich die Parallelen zu den Star-Wars-Prequels kaum leugnen…

Siehe auch:
Der Hobbit: Die Schlacht der fünf Heere
Der Hobbit: Die Schlacht der fünf Heere – Soundtrack
Der Hobbit: Eine erwartete Rezension Teil 1
Der Hobbit: Eine erwartete Rezension Teil 2
Der Hobbit: Eine erwartete Rezension Teil 3
Der Hobbit: Smaugs Einöde – Analytische Rezension
Die Hobbit-Trilogie: Resümee

Die Hobbit-Trilogie: Resümee

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Da die Hobbit-Trilogie nun komplett ist, wird es Zeit für eine abschließende Gesamtbetrachtung. Hierzu werde ich verschiedene Einzelaspekte der Filmreihe genauer beleuchten, bewerten und gegebenenfalls auch mit der HdR-Trilogie vergleichen denn, seien wir einmal ehrlich, die Hobbit-Filme fordern das ja schon geradezu heraus.

48 frames per second: Optik und Effekte
Beginnen wir gleich mit einem Knackpunkt, nämlich dem visuellen Stil der Hobbit-Filme, der stark von Peter Jacksons Entscheidung geprägt ist, die Trilogie in 3D und mit 48 Bildern pro Sekunde (statt der üblichen 24) zu drehen, völlig egal ob man sich als Zuschauer nun die Filme in 3D, 3D HFR oder ganz klassisch in 2D und mit 24 Bildern pro Sekunde angesehen hat. Die hohe Bildrate sorgt nämlich dafür, dass viele bewährte Techniken, die in der HdR-Trilogie eingesetzt wurden, nicht mehr funktionieren, allen voran der Einsatz der grandiosen Modelle und Miniaturen – bei 48 fps wäre einfach offensichtlich, dass es sich um Miniaturen handelt, also muss alles aus dem Computer kommen. Darüber hinaus sorgt das „Ultra-HD“ für einen sehr sauberen, mitunter fast schon sterilen und künstlichen Look. Je nach Film ist das prinzipiell nicht so tragisch, aber gerade im HdR bemühte sich Jackson, alles real und „dreckig“ wirken zu lassen. Die grundsätzliche Herangehensweise war: Mittlerde soll nicht wirken wie ein „typischer“ Fantasy-Film, sondern wie ein Historienepos. Ja, der „Hobbit“ ist ein Kinderbuch mit mehr fantastischeren Elementen, aber dennoch hätte ich mir gerade bei diesem Aspekt mehr Kontinuität gewünscht, weshalb ich letztendlich der Meinung bin, dass die 48 Bilder pro Sekunde eine Fehlentscheidung waren.
Gerade die Tatsache, dass in der HdR-Trilogie viele praktische Effekte zum Einsatz kamen, sorgte zumindest bei mir dafür, dass sich alles real und authentisch anfühlte. Besonders deutlich wird dies, wenn man die Orks betrachtet. Azog und Bolg, entstanden durch Motion-Capturing, sind einfach weit weniger einschüchternd als, sagen wir, Lurtz oder Grishnákh. Besonders deutlich wird das in den Szenen, in denen „echte“ Orks (ein paar davon tauchen in den Hobbit-Filmen noch auf) mit Azog interagieren.
Trotz allem gibt es bei den Hobbit-Filmen immer noch einiges an Handarbeit. Etwa im Vergleich zu den Star-Wars-Prequels setzt Jackson immer noch stark auf echte Sets (wie im Bonusmaterial der SEEs eindrücklich dokumentiert wird) und beeindruckende Landschaftsaufnahmen. Das Problem dabei ist lediglich, dass man sie kaum zu würdigen weiß, da alles durch Aufnahmetechnik und Weichzeichner eben künstlich wirkt. Dennoch gibt es gerade im Special-Effects-Bereich viel zu loben, allen voran die Umsetzung von Gollum und Smaug – beide sind in meinen Augen Beweise dafür, wie weit die Motion-Capture-Technik inzwischen fortgeschritten ist und was man mit ihr anstellen kann, besonders, wenn man Schauspieler hat, die sich richtig in den Prozess einbringen.

Far over the misty mountains: Die Musik
Auch hinsichtlich der Musik gibt es bei der Hobbit-Trilogie ein paar Probleme. Howard Shores Kompositionen für die HdR-Filme gehören für mich zu den besten Soundtracks überhaupt, die Musik der Trilogie war ein entscheidender Faktor für mein Interesse an Filmmusik und Leitmotivik. Kaum ein anderer Komponist beherrscht die Leitmotivtechnik in solchem Ausmaß wie Shore – und kaum eine andere Musik schafft es, mich derart emotional zu berühren.
Die Musik der Hobbit-Trilogie würde ich persönlich ein bis zwei Stufen unter der HdR-Musik ansiedeln. Das liegt zum einen an Shores leicht veränderter Vorgehensweise; während die Verknüpfungen der Leitmotive und die narrativen Techniken Shores nichts von ihrer Komplexität eingebüßt haben, sind die neuen Themen, die er für die Hobbit-Filme geschaffen hat, bis auf das Misty-Mountains-Thema (welches ja bekanntermaßen ohnehin von Plan 9 komponiert wurde), weniger eingängig und markant. Einer der Gründe, dass die HdR-Soundtracks sowohl den Score-Fan als auch den Mainstream-Filmmusikhörer ansprachen, war die perfekte Balance aus musikalischer und vor allem leitmotivischer Komplexität auf der einen und eingängiger, melodischer Themen auf der anderen Seite (obwohl Score-Fans natürlich auch Letzteres durchaus zu schätzen wissen). Die Hobbit-Soundtracks, vor allem die Musik von „Smaugs Einöde“ und „Die Schlacht der fünf Heere“, legt den Fokus aber stärker auf Ersteres, was es dem Gelegenheits-Filmmusikhörer schwieriger macht, „rein“ zu kommen.
Und zum anderen wäre da die Platzierung der Musik in den Filmen – hierfür kann Shore freilich nichts. Genaues weiß man diesbezüglich nicht, allerdings lässt sich anhand der Resultate erraten, dass es da einige Probleme welcher Natur auch immer gab. Ein Teil davon mag eventuell mit der Erweiterung von zwei auf drei Filmen zusammenhängen, es gab wohl allgemein zeitliche und logistische Probleme (weshalb die Musik von „Smaugs Einöde“ und „Die Schlacht der fünf Heere“ auch in Wellington und nicht in London aufgenommen wurde), und auch unterschiedliche Vorstellungen. So unterscheidet sich bei „Eine unerwartete Reise“ die Musik, die im Film zu hören ist, signifikant vom Soundtrack-Album, wobei man wohl davon ausgehen kann, dass das Album Shores ursprünglicher Vision entspricht – in jedem Fall ist es subtiler und besser durchdacht als das, was letztendlich im Film gelandet ist.
Für „Smaugs Einöde“ scheint Jackson sich dann wieder anders entschieden zu haben, denn vor allem im zweiten, aber auch im dritten Teil ist auffällig, wie viele Stellen plötzlich ohne Musik sind; unter Einbeziehung der bisherigen Mittelerde-Filme, die wirklich sehr viel Musik enthielten (und gerade deshalb für mich so gut funktionierten), ist das extrem viel, und ich finde, dass es den Filmen schadet, da es für mich die Emotionen mindert.
Ebenfalls seltsam ist, dass die in „Eine unerwartete Reise“ vorgestellten neuen Themen recht einseitig weiterentwickelt werden. Während die Leitmotive der Zwerge, der Waldelben und des Drachen Smaug (die letzten beiden werden im ersten Film nur angedeutet) auf phänomenale Weise weiterentwickelt werden, bleiben andere praktisch vollkommen auf der Strecke, so absolvieren die Themen für Bilbo nur noch Gastauftritte und das Misty-Mountains-Thema und Radagasts Thema werden vollständig fallen gelassen.
Unter Einbeziehung all dessen, was einem anderen Soundtrack gut das Genick hätte brechen können, muss allerdings gesagt werden, dass die Hobbit-Soundtracks zwar schwächer als die HdR-Scores sind, aber immer noch sehr viel stärker als fast alles andere. Shores Gespür für Leitmotive, Instrumentierung und interessante musikalische Texturen ist nach wie vor brilliant – allein, was er in der Trilogie mit Smaugs Thema alles anstellt sucht in der Welt der Filmmusik Seinesgleichen. Jeder der drei Hobbit-Soundtrack war für mich bisher jeweils der beste Soundtrack des Jahres, in dem er erschienen ist.

There are far too many dwarves in my dining room: Die Schauspieler
Wenn es einen Bereich gibt, in dem die Hobbit-Filme mit den HdR-Filmen gleichziehen oder sie vielleicht sogar übertreffen (momentan will ich da noch kein Urteil fällen, das mache ich vielleicht, wenn es möglich ist, alle sechs Filme im Heimkino mit relativ wenig Zeitabstand anzusehen), dann ist das die Schauspielerei. Denn einerseits kehren viele der besten Schauspieler der HdR-Trilogie wie Ian McKellen, Andy Serkis, Cate Blanchett, Christopher Lee oder Hugo Weaving in ihre alten Rollen zurück und spielen, als hätten sie nach dem Kinostart von „Die Rückkehr des Königs“ gleich weitergemacht, und andererseits hat Jackson es geschafft, eine beeindruckende Riege an Neuzugängen zu versammeln. Um ehrlich zu sein, Martin Freeman ist eindeutig mein Lieblings-Hobbit der Mittelerde-Hexalogie. Auch Richard Armitage gefällt mir außerordentlich gut, vor allem in „Die Schlacht der fünf Heere“ darf er zeigen, was er kann. Ähnlich verhält es sich mit Lee Pace als Thranduil, Luke Evans als Bard, Benedict Cumberbatch als Smaug, und auch die restlichen zwölf Zwerge sind ziemlich gut besetzt, auch wenn sie weitaus weniger Gelegenheit bekommen, sich hervorzutun. Selbst Evangeline Lillys Tauriel hätte eine gelungene Hinzufügung sein können, gäbe es nicht dieses unsägliche Liebesdreieck – aber dafür kann man Lilly ja wohl kaum die Schuld geben.
Alles in allem hat die Hobbit-Trilogie wirklich einen herausragenden Cast. Wenn es Orlando Bloom jetzt noch hin und wieder gelingen würde, Emotionen glaubhaft darzustellen…

A Hobbit’s Tale: Adaption der Vorlage
Als Tolkien in den 30ern den „Hobbit“ schrieb, war dieser noch nicht Teil von Mittelerde, primär war er als märchenhaftes Kinderbuch konzipiert. Die wenigen vorhandenen Anspielungen an Tolkiens persönliche Mythen- und Sprachschöpfungen (die Erwähnung von Gondolin und die paar wenigen, elbischen Namen) waren im Grunde nichts weiter als persönliche Insidergags. Erst, als sich der Professor an die Fortsetzung machte, wuchs der „Hobbit“ langsam mit dem Proto-Silmarillion zusammen. In diesem Zusammenhang wurde aus Bilbos magischem Ring der Eine Ring des Dunklen Herrschers, weshalb Tolkien für die zweite Auflage des „Hobbit“ das Gollum-Kapitel umschrieb – ursprünglich verwettet Gollum seinen Ring und er und Bilbo trennen sich im Guten. Nach der Veröffentlichung des „Herrn der Ringe“ versuchte Tolkien sich an einer grundlegenden Überarbeitung des „Hobbit“, um ihn mit seinem „Hauptwerk“ konformer zu machen, allerdings kam er bald zum Schluss, dass dies dem Roman schaden würde. Somit enthält die dritte Auflage des „Hobbit“ von 1966 nur minimale Änderungen und Hinzufügungen. Überbleibsel von Tolkiens Versuchen finden sich unter anderem noch in den „Nachrichten aus Mittelerde“, einer von Christopher Tolkien herausgegebenen Sammlung diverser unvollendeter Schriften seines Vaters.
Im Grunde entspricht das, was Peter Jackson, Fran Walsh, Philippa Boyens und Guillermo del Toro (wobei nicht mehr klar ist, wie viel von del Toros Ideen überhaupt noch in den Filmen sind) für die Hobbit-Filmtrilogie erreichen wollten, Tolkiens Versuchen, seinen Roman mit dem HdR kompatibler zu machen, sodass viele Informationen aus dem HdR und seinen Anhängen herangezogen wurden (allerdings nicht, wie man so häufig liest, aus dem „Silmarillion“, und auch nicht aus „Nachrichten aus Mittelerde“, an beiden hat New Line nämliche keine Rechte). So weit, so gut, ich hätte an ihrer Stelle vermutlich einen ähnlichen Ansatz gewählt. Allerdings muss ich sagen, insgesamt betrachtet sind Jackson und Co. für meinen Geschmack sowohl zu weit als auch nicht weit genug gegangen. Zu weit, weil sie den „Hobbit“, vor allem durch die Anfangs- und Schlussszene, aber auch durch viele plumpe Verweise, im Grunde seiner Eigenständigkeit beraubt und zum reinen Herr-der-Ringe-Prequel gemacht haben, das vor allem in Abhängigkeit zur ursprünglichen Filmtrilogie steht. Andererseits hatten sie allerdings nicht den Mut (vor allem wohl wegen Puristen und Fanerwartungen) pragmatischer zu adaptieren und die Kinderbuchelemente auszulassen – dies betrifft vor allem „Eine unerwartete Reise“, aber auch Elemente in den anderen beiden Teilen. Beorn hätte man in der Kinofassung genauso gut auslassen und sich komplett für die SEE aufheben können.
Im Grunde ist der erste Hobbit-Film sogar eine ziemlich genaue Adaption, bei der es weniger Änderungen als viel mehr Hinzufügungen in Form von HdR-Foreshadowing bzw. -Hintergrundmaterial gibt, was dazu führt, dass Kinderbuchinhalte wie die Trolle und der Großork und die eher düsteren Vorausdeutungen ein relativ ungleichmäßiges Bild abgeben. Allerdings konzentriert sich „Eine unerwartete Reise“ trotz allem auf die wichtigsten Figuren, nämlich Bilbo und Thorin, und, mehr noch, er hat es bei mir geschafft, das alte Mittelerde-Feeling zu erwecken.
„Smaugs Einöde“ hat es zwar geschafft, eine einheitlichere Atmosphäre zu etablieren als „Eine unerwartete Reise“, hat dafür aber ganz andere Probleme, die sich in zwei Wörtern zusammenfassen lassen: Unnötige Subplots. Gerade hier merkt man die Ausdehnung der Vorlage am meisten und am unangenehmsten. Wurde „Eine unerwartete Reise“ vor allem mit mehr oder weniger von Tolkien stammendem Hintergrundmaterial (die Schlacht von Azanulbizar, das Auftauchen des Nekromanten etc.) erweitert, sind es in „Smaugs Einöde“ vor allem Erweiterungen von den Drehbuchautoren, die qualitativ leider einfach abfallen und platt wirken. Dabei sind durchaus einige gute Ideen dabei, etwa Bard, der bereits sehr früh eingeführt wird und im Film um einiges interessanter und plastischer ist als im Roman (nicht zuletzt dank Luke Evans). Aber die Dreiecksbeziehung von Legolas, Tauriel und Kili oder die Leinwandzeit des Bürgermeisters von Esgaroth und seines Gehilfen Alfrid sind nun wirklich unnötig und tragen im Grunde nichts sinnvolles zur eigentlichen Handlung bei. Das Hauptproblem bei diesem Film ist, dass die eigentlichen Hauptfiguren stagnieren – die Hauptentwicklung des Verhältnisses zwischen Bilbo und Thorin fand bereits in „Eine unerwartete Reise“ statt und wird erst in „Die Schlacht der fünf Heere“ wieder fortgesetzt. Im Grunde verhält sich Thorin Bilbo gegenüber in „Smaugs Einöde“ einfach zu kalt. Allgemein geht Bilbo für einen Film, der „Der Hobbit“ heißt, irgendwie unter. Im ersten Drittel tötet er ein paar Spinnen, befreit die Zwerge aus Thranduils Verließen… und dann läuft er bis zum Dialog mit Smaug eigentlich nur den Zwergen hinterher. Und dann ist da natürlich noch die unterirdische Jagd durch den Erebor…
Diese Nebenbaustellen hat „Die Schlacht der fünf Heere“ zwar auch noch (und sie stören mich), dafür ist aber der emotionale Kern, sprich Thorin und Bilbo, wieder intakt, was das Ganze gegenüber „Smaugs Einöde“ eindeutig aufwertet, auch wenn immer noch zu viel gestreckt wird. Stattdessen kommen andere Figuren zu kurz: Ich hätte viel lieber mehr von Dáin Eisenfuß gesehen statt von Alfrid – wenn man schon erweitert, warum dann nicht die Figuren, die auch tatsächlich in der Vorlage da sind, anstatt denen, die man extra dazu erfunden hat? So hätten auch Thorins Tod (und der von Fili und Kili) sehr viel emotionaler sein können, hätte man nicht ständig wieder bei irgendwelchen Nebenschauplätzen vorbeigeschaut.

Fazit: Und was bleibt zum Schluss zu sagen? Es ist nicht so, dass die Hobbit-Trilogie völlig misslungen wäre, es gibt viele gelungene Elemente und gute Ideen, aber auch vieles, das unnötig , platt oder schlicht unpassend ist. So schaffen es die Filme letztendlich nicht, über die Summe ihrer Teile hinauszuwachsen und sich zu einem Gesamtwerk zu verbinden, so wie es bei der HdR-Trilogie der Fall war. Das Ganze wäre nicht einmal so tragisch, wenn es sich dabei nur um eine „gewöhnliche“ Fantasy-Trilogie handeln würde, aber es ist nun einmal Mittelerde, da reicht das Schlussurteil „ganz in Ordnung“ einfach nicht aus. Ich denke, letztendlich war die Teilung in drei Filme der größte Fehler, denn ich wage einmal die These, dass irgendwo in diesen drei mäßigen Streifen zwei gute Filme stecken.

Siehe auch:
Der Hobbit: Eine unerwartete Reise
Der Hobbit: Eine erwartete Rezension Teil 1
Der Hobbit: Eine erwartete Rezension Teil 2
Der Hobbit: Eine erwartete Rezension Teil 3
Der Hobbit: Smaugs Einöde
Der Hobbit: Smaugs Einöde – Analytische Rezension
Der Hobbit: Die Schlacht der fünf Heere

Der Hobbit: Eine erwartete Rezension – Teil 2

THE HOBBIT: AN UNEXPECTED JOURNEY

„I’ve got parasites the size of my arm!“ – Die drei Trolle
Die Szene, in der die drei Trolle Bert, William und Tom Bilbo und die Zwerge fangen und überlegen, wie man sie am besten zubereitet, gehört zu den ikonischsten des Romans – aber auch zu denen, die einen starken Kinderbuchcharakter haben und unter Betrachtung des „Herrn der Ringe“ und des „Silmarillion“ ein wenig fehl am Platz wirken. Die Trolle im HdR und auch in Jacksons Verfilmung waren Kampfmaschinen, die kein Wort von sich geben und lediglich als besonders zähe Gegner fungiert haben – man denke nur an den Höhlentroll in „Die Gefährten“. Bert, William und Tom dagegen sind klassische, dumme, für ein Kinderbuch recht typische Antagonisten, die überlistet werden sollen.
Ich könnte mir vorstellen, dass diese Szene Peter Jackson und seinen Co-Autoren durchaus Kopfzerbrechen bereitet haben dürfte, da sie einerseits von dem bisher etablierten Bild der Trolle stark abweicht, es andererseits aber enorme Proteste gegeben hätte, wäre sie nicht oder stark verfremdet enthalten.
Letztendlich entschied man sich, sie mit nur geringen Abweichungen zu integrieren. Die sprechende Geldbörse, die Bilbo im Roman von einem der Trolle stehlen will, wurde entfernt, stattdessen wird er durch Zufall geschnappt, als er versucht, die Ponys der Zwerge zu befreien (und ist damit schon der zweite Held, der sich mit Trollpopel herumärgern muss). Insgesamt lässt sich beobachten, dass die Trolle eigentlich noch dümmer sind als im Roman – womit quasi ein Kompromiss zwischen den nicht sprachfähigen Trollen der HdR-Trilogie und den Trollen, wie sie in Tolkiens „Hobbit“ auftauchen, geschlossen wird. Im Film werden die drei von Zwergendarstellern per Motion Capture gespielt, Bert von Mark Hadlow (Dori), William von Peter Hambleton (Glóin) und Tom von William Kircher (Bifur). Das Design wirkt ein wenig menschlicher als bei den HdR-Trollen. Zugegebenermaßen erreicht die Qualität der Troll-Animationen nicht die Gollums.
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Die drei Trolle Willam (Peter Hambleton), Tom (William Kircher) und Bert (Mark Hadlow)

Eine weitere Änderung findet sich in der Art, wie die Zwerge gefangen genommen werden: Im Roman werden sie einfach eingesammelt, während sie im Film vorinformiert sind und die Trolle unter Begleitung und einer markanten und sehr heroischen Blechbläservariation des Misty-Mountain-Themas angreifen – jedenfalls bis die Trolle drohen, Bilbo auseinander zu reißen. Auch ist es im Film nicht Gandalf, der die Trolle mit verstellter Stimme beschäftigt, sondern Bilbo. Gandalf taucht erst auf, als die Sonne auch wirklich aufgeht, und spaltet in bester Moria-Manier einen Felsen.
Besonders auffällig an dieser Szene ist, dass Bilbo im Film weitaus besser dasteht als im Buch. Anstatt Unnützes zu tun wie eine Trollbörse zu stehlen, versucht er, die Ponys zu befreien, was durchaus logisch ist und auch funktioniert hätte, hätte einer der Trolle sich nicht die Nase putzen müssen. Ebenso verrät Bilbo die Anwesenheit der Zwerge im Film nicht (im Buch fällt ihm immerhin noch ein, dass man so etwas ja eigentlich nicht tut). Und natürlich ist er es, der die Trolle zu einer Diskussion veranlasst, während die Zwerge vor allem komödiantische Zwecke erfüllen – der Zwergenspieß ist wirklich unheimlich albern. Dass diese Szene so funktioniert ist vor allem Martin Freeman zu verdanken, der das Ganze dominiert und Bilbos Handlungen großartig und nachvollziehbar darstellt.
Der auf die Trollszene folgende Schwertfund ist sehr buchgetreu dargestellt, auch wenn der Fokus noch einmal auf Thorins Abneigung gegen die Elben (und auch das, was sie geschaffen haben) gelegt wird. Das Aussehen von Glamdring und Stich ist ja bereits aus den HdR-Filmen bekannt. Orcrists Design ist recht interessant: Das Elbenschwert ist kürzer, einschneidig und alles in allem ein wenig kompakter, um so besser zu Thorin zu passen. Von Glamdring unterscheidet es sich ziemlich stark, die Klinge erinnert jedoch an Stich (obwohl Letzteres zweischneidig ist). Dies legt die Vermutung nahe, dass Stich ursprünglich als Zweitwaffe von demjenigen, der Orcrist führte, benutzt wurde – jedenfalls scheint dies die Intention der Filmemacher gewesen zu sein.
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Thorin mit Orcrist

Und wo wir gerade bei Elbenschwertern sind: In den Filmen (sowohl HdR als auch „Hobbit“) scheint ausschließlich Stich blau zu glühen, während in den Romanen sämtliche Schwerter aus Gondolin blau leuchten, wenn Orks in der Nähe sind. Allerdings fällt auf, dass sowohl Glamdring als auch Orcrist zumindest ein wenig zu glühen scheinen – besonders gut sichtbar in „Die Rückkehr des Königs“ (Special Extended Edition) in der Szene, in der Pippin und Gandalf über das Leben nach dem Tod sprechen.

„A dark power has found a way back into the world.“ – Radagast der Braune und Dol Guldur
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Gandalf (Ian McKellen) und Radagast (Sylvester McKoy)

Nach Azog ist Radagast der Braune (gespielt von Sylvester McCoy) die zweite Figur, die die Gemüter enorm erhitzte. Ein Kritiker sprach gar von einem Jar-Jar-Binks-Äquivalent. So schlimm ist es gottseidank nicht, zugegebenermaßen wäre in Bezug auf Radagast aber weniger mehr gewesen. Die Figur an sich, ebenso wie ihre Darstellung, stört mich nicht, allerdings wird Radagast wohl auch nicht zu meiner Lieblingsfigur werden. Sein Debüt feiert er bereits vor der Trollszene: Gandalf erzählt Bilbo von den anderen vier Zauberern. Der Grund, weshalb er sich nicht an die Namen der beiden blauen Zauberer erinnert (sie heißen Alatar und Pallando), findet sich in den verfügbaren Lizenzen: Für die Hobbit-Filme stehen der „Herr der Ringe“ und der „Hobbit“ zur Verfügung, nicht aber die Tolkien-Schriftensammlung „Nachrichten aus Mittelerde“, in der die beiden blauen Zauberer namentlich genannt werden.
Kurz nach besagtem Dialog entfernt sich die Filmhandlung erst einmal von den Zwergen und Bilbo und wendet sich stattdessen Radagast und den Vorkommnissen im Grünwald bzw. Düsterwald zu. Der braune Zauberer stellt fest, dass eine dunkle Macht sich in der alten Festung Dol Guldur (deren Design phänomenal ist) eingenistet hat und von dort aus den Wald regelrecht vergiftet. Nebenbei bemerkt: Bei Tolkien ist diese dunkle Macht, Sauron in Gestalt des „Nekromanten“ (im Film nur einmal als schattenhafter Umriss zu sehen) schon ein wenig länger aktiv. Ich persönlich habe allerdings die Theorie, dass die erste Radagast-Szene bereits vor dem Beginn der eigentlichen Hobbit-Handlung stattfindet und nicht parallel zur ersten Reiseetappe der Gemeinschaft. Das würde auch erklären, wie Radagast so unwahrscheinlich schnell vom Düsterwald nach Eriador gekommen ist – Rhosgobel-Kaninchen hin oder her. Genau diese sind übrigens, ebenso wie die Geschichte mit der Heilung des Igels Sebastian und Radagasts Reaktion auf Pfeifenkraut, die besagten Fälle, bei denen weniger mehr gewesen wäre. Von diesen „Ausrutschern“ einmal abgesehen hat Radagast durchaus auch klarere, sprich: ernsthafterer Momente (speziell der kurze Kampf mit dem Hexenkönig) und trägt auch wirklich etwas zur Geschichte bei. Wenn man einmal außen vorlässt, dass die Szenen im Düsterwald nach Tolkien sehr viel früher hätten spielen müssen – in den Büchern war sich der Weiße Rat zu diesem Zeitpunkt bereits darüber im Klaren, wer sich da im Düsterwald niedergelassen hat, stattdessen diskutierte man darüber, ob man ihn austreiben sollte oder nicht – hätte es in der Tat Radagast sein können, der Saurons Rückkehr bemerkt und dem Weißen Rat davon berichtet.
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Die finstere Festung Dol Guldur

Schließlich wäre da noch die Konfrontation mit den Wargreitern. Generell habe ich gegen die Konzeption dieser Szene nichts einzusetzen – es ist verständlich, dass hier die Spannung noch etwas aufgebaut wird – die Umsetzung schmeckt mir allerdings auch nicht wirklich. Die Warge selbst gefallen mir eigentlich recht gut und ich sehe auch kein Problem mit der Art und Weise, wie Warge in der HdR-Trilogie in Erscheinung treten; während sie im „Hobbit“ einfach sehr große und bösartige Wölfe sind (so hatte ich sie mir auch ursprünglich beim Lesen vorgestellt), hatten sie in der HdR-Trilogie mehr mit Hyänen gemein. Die Lösung für diese Inkonsistenz: Bei den HdR-Wargen handelt es sich um eine südliche Rasse, während die Hobbit-Warge aus Gundabad, einer Orkfestung im Norden des Nebelgebirges stammen.
Was dagegen stört ist die Landschaft, die einfach nicht so wirklich in die Gegend um Bruchtal passen will und mehr nach Rohan aussieht. Und schließlich ist die Jagd mit dem Kaninchenschlitten doch ein wenig zu viel Slapstick.

„You are not the only guardian to stand watch over Middle-earth.“ – Bruchtal und der Weiße Rat
Bruchtal entschädigt glücklicherweise für die erste Konfrontation mit den Wargreitern. Gerade hier finden sich natürlich verdammt viele Verweise auf die HdR-Trilogie. Die meisten davon sind sehr gut gelungen. Beispielsweise ist es sehr schön, noch einmal vollgerüstete Elbenkrieger und Elrond (Hugo Weaving) in voller Montur zu sehen. Einige haben es auch nicht in die Kinoversion geschafft, etwa die Szene (im ersten Trailer zu sehen), in der Bilbo die Bruchstücke von Narsil entdeckt.
Nach der Ankunft der Zwerge ist alles ziemlich buchgetreu inszeniert, allerdings sind Elben weniger verspielt als im Roman und Thorins Abneigung gegen sie wird noch einmal besonders betont. Recht auffällig in diesem Abschnitt ist, dass Bilbo in den Hintergrund tritt, zwar ist er überall dabei, bekommt aber kaum Gelegenheit, etwas beizutragen.
Von größtem Interesse ist natürlich die Zusammenkunft des Weißen Rates. Auch diese finde ich prinzipiell sehr gelungen, auch wenn sie ein paar kleine, wenn auch nahvollziehbare, Schönheitsfehler hat. Dem Kenner fällt natürlich sofort auf, dass der Rat mit lediglich vier Mitgliedern zu klein ist. Die Intention ist klar, die Macher wollten die unbedarften Zuschauer nicht mit zusätzlichen, unbekannten Figuren verwirren, aber zumindest Radagast hätte ebenfalls dazugehört – er war ja sowieso gerade in der Gegend. Und ich hätte auch gerne Círdan, Glorfindel, Erestor oder andere wichtige Elben gesehen. Davon abgesehen gibt es noch in der Diskussion etwas, das ein wenig merkwürdig anmutet. Ob der Dolch des Hexenkönigs von Angmar wirklich vonnöten gewesen wäre, ist sicherlich diskutabel, aber ich fand vor allem das Gespräch über das Grab des Hexenkönigs ein wenig seltsam, da sie den Anschein erweckt, der Fürst der Nazgûl habe zu Lebzeiten über Angmar geherrscht, sei begraben worden und dann als Ringgeist zurückgekehrt. Das widerspricht zumindest Tolkien direkt, und auch der Prolog von „Die Gefährten“ suggeriert, dass die neuen Ringgeister bereits seit dem Zweiten Zeitalter aktiv sind. Die beiden kommenden Filme werden zeigen, was sich aus diesen Andeutungen entwickelt.
Davon abgesehen finde ich die Szene allerdings grandios, vor allem wegen Cate Blanchett und Christopher Lee. Erstere ist (wie Gandalf korrekt feststellt) wirklich nicht gealtert, und spielt sogar fast noch besser als in der HdR-Trilogie. Und Christopher Lee verdient den höchsten Respekt; mit 90 noch in Filmen mitzuspielen ist eine beeindruckende Leistung. Hier wurde er sogar erfolgreich verjüngt, sein Gesicht ist ein wenig faltenfreier und sein Bart ein wenig dunkler als in der HdR-Trilogie.
THE HOBBIT: AN UNEXPECTED JOURNEY
Der Weiße Rat von links nach rechts: Gandalf (Ian McKellen), Galadriel (Cate Blanchett), Saruman (Christopher Lee) und Elrond (Hugo Weaving)

Auch das Verhältnis der Figuren, wie es in dieser Szene dargestellt wird, gefällt mir ausnehmend gut und erinnert sehr an die „Nachrichten aus Mittelerde“ (natürlich ohne, dass besagtes Buch wirklich miteinbezogen würde): Saruman, der auf Gandalf herabblickt, gleichzeitig eifersüchtig ist und prinzipiell gegen ihn spricht (was auch die Frage aufwirft, in wie weit Saruman hier bereits eigene Ambitionen verfolgt) und Gandalf, der sich als geringer sieht als er ist, aber trotzdem gegen das Haupt des Ordens arbeitet und sowieso tut, was er will. Allgemein ist der Gandalf dieses ersten Hobbit-Films ein wenig unsicherer und weniger energisch als der Gandalf der HdR-Trilogie.
Unbedingt erwähnenswert ist im Zusammenhang mit dieser Szene noch Howard Shores Musik, denn was er hierfür komponiert hat, ist wunderbar vielschichtig und gehört zu den besten Verarbeitungen von HdR-Themen im Hobbit-Score. Gekonnt verwendet er Andeutungen des Isengart- und Sauron-Themas, um Zukünftiges anzudeuten, verwoben mit neuen Variationen der Themen für Bruchtal und Lórien.
Der Aufbruch der Gemeinschaft (ohne Gandalf wohlgemerkt, der im Buch dabei ist) schließlich spiegelt, wie nicht anders zu erwarten, den Aufbruch der Gefährten wieder. Statt einer epischen Variation des Gefährtenthemas gibt es eine nicht minder epische des Misty-Mountain-Themas, dazu umwerfende Landschaftsaufnahmen von Neuseeland.
Letztendlich ist das größte Manko des Bruchtal-Abschnitts ist wohl, dass er ein wenig zu kurz geraten ist – hier wird allerdings mit ziemlicher Sicherheit die Extended Edition Abhilfe schaffen.

Siehe auch:
Der Hobbit: Eine unerwartete Reise
Der Hobbit: Eine erwartete Rezension – Teil 1
Der Hobbit: Eine erwartete Rezension – Teil 3
Der Hobbit: Eine unerwartete Reise – Soundtrack