X-Men: Dark Phoenix

Spoiler!
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Story: Die X-Men unternehmen auf Anweisung von Charles Xavier (James McAvoy) eine Mission ins All, um eine Gruppe Astronauten zu retten. Dabei wird Jean Grey (Sophie Turner) von einer kosmischen Gaswolke getroffen. Nach der Rückkehr auf die Erde stellen ihre Teamkameraden merkwürdige Veränderungen bei Jeans Kräften und ihrer Persönlichkeit fest, die Jean dazu veranlasst, sich sowohl von ihrem Freund Scott (Tye Sheridan) als auch vom Rest des Teams abzukapseln. Eine Konfrontation kostet schließlich Mystique (Jennifer Lawrence) das Leben. Während Jean ausgerechnet Magneto (Michael Fassbender) um Hilfe bittet, suchen die mysteriöse Gestaltwandlerin Vuk (Jessica Chastain) und ihre Schergen nach der immer mächtiger werdenden Jean Grey…

Kritik: Während ich die ursprünglichen X-Men-Filme der 2000er im Kino verpasst habe, habe ich seit „X-Men: First Class“ doch alle von ihnen gesehen und die meisten hier auch besprochen. Die Ausnahme ist „X-Men: Dark Phoenix“, das unrühmliche Finale von Fox‘ X-Men-Saga, das nicht nur auf einer wirklich schlechten Idee basiert, sondern auch zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt in Produktion ging und ins Kino kam. Nachdem „X-Men: Apocalypse“ bereits sowohl bzgl. der Kritiken als auch des Einspielergebnisses nicht völlig überzeugen konnte und Bryan Singer derweil zur Persona non grata wurde, traf man bei Fox einige höchst merkwürdige Entscheidungen, u.a. gab man die Zügel des Franchise fast vollständig in Simon Kinbergs Hände. Kinberg hatte bereits an vielen Filmen der Reihe als Produzent und Drehbuchautor mitgearbeitet, mit gemischten Resultaten, mit „X-Men: Dark Phoenix“ lieferte er sein Regiedebüt, das leider von Anfang an unter keinem guten Stern stand. Ursprünglich sollte er 2018 fast parallel zum MCU-Giganten „Avengers: Infinity War“ starten, wurde dann aber um über ein Jahr nach hinten verlegt, da Kinberg und Fox am dritten Akt des Films noch massive Änderungen vornehmen wollten bzw. mussten, da dieser angeblich „Captainn Marvel“ zu ähnlich gewesen war. So startete „Dark Phoenix“ schließlich im Juni des Jahres 2019, also mitten in der Übernahme von 20th Century Fox durch Disney, als klar war, dass diese Inkarnation der X-Men ohnehin keine Zukunft haben würde. Dementsprechend nicht vorhanden war dann auch das Interesse von Publikum und Fans. Ich selbst habe bis ins Jahr 2022 gebraucht, um mir „Dark Phoenix“ anzuschauen, einfach weil weder die Prämisse, noch die Umstände besonders anziehend wirkten. Nebenbei: Das Thema Kontinuität und Verhältnis zu den alten Filmen sprechen wir besser gar nicht mehr an, da das bereits mit „Apcoalypse“ und „Logan“ sinnlos geworden ist. Auch das Alter der Figuren ergibt überhaupt keinen Sinn mehr, der Film spielt 1992, sodass McAvoy und Fassbender in wenigen Jahren wie Patrick Stewart und Ian McKellen aussehen müssten. Inhaltlich merkt man ohnehin kaum, dass zwischen „Apocalypse“ und „Dark Phoenix“ neun Jahre vergangen sind.

Tatsächlich ist „Dark Phoenix“ nicht ganz so unterirdisch, wie ich es mir im Vorfeld, nicht zuletzt anhand diverser Kritiken, ausgemalt hatte. Das bedeutet allerdings nicht, dass dieses unrühmliche Finale der X-Men-Saga nicht wirklich massive Probleme hätte – vor allem, weil die Handlung gegen die Konzeption des Films arbeitet. Da „X-Men: Apocalypse“ nicht den Erwartungen entsprach und man in Sachen epische, weltzerstörende Action ohnehin nicht mit „Infinity War“ und „Endgame“ würde konkurrieren können, wollte das Studio einen intimeren, stärker auf die Charaktere zugeschnittenen Film – per se nicht die schlechteste Entscheidung. Simon Kinberg hingegen wollte, nachdem „X-Men: The Last Stand“ im Fandom einen äußerst schlechten Ruf genießt, noch einmal versuchen, der Dark-Phoenix-Saga aus den X-Men-Comics der 80er gerecht zu werden. Die Dark-Phoenix-Saga ist aber nun einmal die Antithese zur oben geschilderten Herangehensweise des Studios, weshalb „Dark Phoenix“ weder als intimeres Charakterdrama, noch als Adaption besagter Story von X-Men-Guru Chris Claremont funktioniert. Man wird zudem das Gefühl nicht los, dass sich Kinberg nicht von den Ideen und Strukturen lösen konnte, derer er sich im Drehbuch von „The Last Stand“ bediente. In mancher Hinsicht hat er lediglich die Figuren ausgetauscht, statt Professore X stirbt Mystique (inklusive Begräbnis), Magnetos Rolle wird von Vuk übernommen etc. Das hat zur Folge, dass sich „Dark Phoenix“ oft anfühlt wie eine verwässerte Version von „The Last Stand“.

Ein weiteres Hauptproblem ist, dass Jean Grey als gespaltener Charakter noch mehr mäandert als in „The Last Stand“, da Kinberg anscheinend nicht weiß, was er mit ihr als Phoenix eigentlich anfangen soll. Auch Sophie Turner gelingt es nicht unbedingt, den inneren Konflikt der Figur glaubhaft zu vermitteln. Vuk funktioniert leider ebenfalls nicht als Schurkin, ihre Rolle wurde im Zuge der Nachdrehs wohl massiv geändert, sodass sie kaum als Charakter funktioniert. Im Grund gab Kinberg Jessica Chastain eine weiße Perücke und ließ sie für die Dauer des Films völlig monoton agieren. Jennifer Lawrence‘ Mystique wirkt hier, mehr noch als in „X-Men: Apocalypse“, völlig desinteressiert, sodass ihr eigentlich tragischer Tod so gut wie keine emotionale Wirkung entfaltet. Ähnlich uninspiriert ist Magnetos Beteiligung an der Story, auch wenn ich Fassbender absolut keinen Vorwurf machen kann, er holt wie üblich raus, was rauszuholen ist.

Dieses ganze Desaster ist besonders schade, da es immerhin einige interessante Ansätze gibt, primär Charles Xaviers Charakterisierung, die (hier allerdings im Positiven) an die aus „The Last Stand“ anknüpft und sie weiterführt, sehr gut dargestellt von James McAvoy. Auch die Zusammenarbeit der X-Men mit dem Fokus auf die ergänzende Wirkung der Kräfte zu Beginn im Weltraum und im Finale fand ich durchaus gelungen – angesichts der Tatsache, dass die X-Men ein Superheldenteam sind, agieren sie in den Filmen tatsächlich ziemlich selten auf diese Weise. Leider werden diese positiven Aspekte oft durch Kinbergs ungenügende Fähigkeiten als Regisseur unterminiert. Hans Zimmers Score ist ebenfalls eher hinderlich denn hilfreich, da Kinberg auch über die Musik versucht, „Dark Phoenix“ als ernstzunehmendes Superhelden-Charakterdrama zu etablieren. Dementsprechend verwirft Zimmer nicht nur (ein weiteres Mal) alles an relevantem leitmotivischem Material, sondern liefert etwas ab, das fast schon wie die Parodie eines Nolan-Scores klingt: Noch mehr tiefes, düsteres Brüten in der Bassregion, noch minimalistischere Motive, noch mehr Rumpeln und Dröhnen ohne irgendwelche distinktiven, geschweige denn interessanten Aspekte.

Fazit: „X-Men: Dark Phoenix“ mag nicht ganz so unterirdisch sein, wie ich es mir vorgestellt habe, aber leider bleibt Simon Kinbergs Regiedebüt ein ebenso uninspiriertes wie vergessenswertes Machwerk – als Finale dieser alteingesessenen Superhelden-Filmreihe wirklich eine Schande, als Abgesang funktioniert „Logan“ deutlich besser.

Trailer

Bildquelle

Siehe auch:
X-Men: Days of Future Continuity
X-Men: Apocalypse

X-Men: Apocalypse – Soundtrack

xost
Track Listing:

01. Apocalypse
02. The Transference
03. Pyramid Collapse/Main Titles
04. Eric’s New Life
05. Just a Dream
06. Moira’s Discovery/Apocalypse Awakes
07. Shattered Life
08. Going Grey/Who the F are You?
09. Eric’s Rebirth
10. Contacting Eric/The Answer!
11. Beethoven Havok
12. You Can See
13. New Pyramid
14. Recruiting Psylocke
15. Split them Up!
16. A Piece of his Past
17. The Magneto Effect
18. Jet Memories
19. The Message/Some Kind of Weapon
20. Great Hero/You Betray Me
21. Like a Fire
22. What Beach?
23. Rebuilding/Cuffed/Goodbye Old Friend
24. You’re X-Men/End Titles
25. Rest Young Child (Vocal Version)

Während „X-Men: Days of Future Past“ ein toller Film war, stellte der zugehörige Score von John Ottman für mich eine massive Enttäuschung dar, hatte doch dieser beste Eintrag in der Kinosaga der Mutanten einen Score bekommen, der von all dem geprägt war, was mich an der modernen Filmmusiklandschaft nach wie vor nervt. Für „X-Men: Apocalypse“ wurde erneut Ottman verpflichtet, und während auch dieser Score noch weit von John Powels Meisterwerk „X-Men: The Last Stand“ (nach wie vor der beste X-Men-Score und somit die Messlatte) entfernt ist, ist die apokalyptische Musik von Ottmans drittem X-Men-Soundtrack doch definitiv ein Schritt in die richtige Richtung. Das größte Problem von „Days of Future Past“ ist, dass man als kundiger Konsument von Filmmusik ganz genau weiß, wie der Temp-Track besagten Films aussah, was dazu führt, dass dieser Score ein inkohärentes Stückwerk bar jeder eigenen Identität ist und über weite Strecken wie ein „Best of (bzw. Worst of) Hans Zimmer/Remote Control“ klingt. Ein Stück weit ist dieses Problem in „Apocalypse“ immer noch vorhanden, aber in weitaus geringerem Ausmaß. Zugegeben, man sollte vielleicht auch nicht zu hart urteilen, da Ottman bei diesem Film nicht nur als Komponist fungierte, sondern ihn auch mitproduzierte und für den (hervorragenden) Schnitt verantwortlich war.

Wie dem auch sei, an manchen Stellen hört man auch in „Apocalypse“ den Einfluss des Temp-Scores, aber insgesamt klingt dieser Soundtrack weitaus kohärenter, was nicht zuletzt daran liegt, dass es dieses Mal ein wirklich gelungenes neues Thema gibt, das den Film auch trägt. Die Rede ist vom vage orientalisch und sakral klingenden Leitmotiv des titelgebenden Schurken. In Apocalpyse wird es direkt nach den Inception-Hornstößen, auf die Ottman besser verzichtet hätte (auch wenn sie tatsächlich die ersten beiden Noten besagten neuen Themas spielen), langsam und subtil aufgebaut, zuerst geradezu gehaucht von einem Frauenchor, dann übernimmt das Orchester, ein gemischter Chor kommt hinzu und das Thema gewinnt an Stärke, bis bei 1:51 die erste richtig kräftige Version erklingt. En Sabah Nurs Musik dominiert die ersten drei Tracks mit massivem Einsatz von Chor, Blechbläsern und einigen elektronischen Akzenten, die es nicht unbedingt gebraucht hätte. Natürlich taucht das Apocalypse-Thema auch im weiteren Verlauf des Scores immer wieder auf. Subtile Andeutungen finden sich in der zweiten Hälfte von Moira’s Discovery/Apocalypse Awakens, eine bedrohliche Version erklingt am Ende von Going Grey/Who the F Are You, Eric’s Rebirth scheint von Fragmenten durchsetzt zu sein, Contacting Eric/The Answer enthält ein Statement am Ende, eine kräftigere Version erklingt in New Pyramide, Magneto Effect ist ebenfalls vom Apocalypse-Thema durchsetzt und schließlich erklingt es ein letztes Mal in Great Hero/You Betray Me.

Neben diesem starken neuen Thema kehren auch einige bekannte Leitmotive zurück. Primär sind das das X-Men-Thema, das bisher in jedem von Ottman vertonten X-Men-Film zu hören war, sowie das verdächtig nach Inception klingende Xavier-Thema, das in „Days of Future Past“ sein Debüt feierte. Letzteres ist u.a. in Just a Dream und Contacting Eric/The Answer zu hören, während Ersteres, wie bereits in „Days of Future Past“, primär als Eröffnung (Pyramide Collapses/Main Titles) und Abschluss (You’re X-Men/End Titles) des Films fungiert, was bedeutet, dass es wieder nur zwei volle Statements gibt. Immerhin hat Ottman dieses Mal noch ein paar zusätzliche, wenn auch sehr kurze und fragmentarische Varaitionen in seinen Score eingebaut. In New Pyramide ist es kurz am Anfang zu hören, in The Message bei 1:04, in Great Hero/You Betray Me bei 4:08 und schließlich noch einmal in Like a Fire bei 3:04 und 3:40 – der mit Abstand stärkste Einsatz außerhalb der Main Titles und des Abspanns. Darüber hinaus glaube ich, dass Ottman sein Magneto-Motiv aus „X2“ reaktiviert hat (eventuell kam es auch in „Days of Future Past“ vor) – da bin ich mir allerdings nicht wirklich, weil ich schon beim X2-Score mit diesem Motiv Wahrnehmungsprobleme hatte. In Eric’s Rebirth und Great Hero/You Betray Me gibt es Phrasen, die zumindest recht ähnlich klingen.

Obwohl nach wie vor einige RCP-Anleihen vorhanden sind, ist der Apocalypse-Score viel stärker von einem traditionell orchestralen Sound geprägt, was ihm definitiv gut tut. Nach wie vor problematisch finde ich allerdings, dass die Musik abseits der Themeneinsätze oftmals sehr anonym daherkommt. Das betrifft sowohl die ruhigeren Tracks der ersten Hälfte als auch die Action-Tracks in der zweiten. Letztere sind zwar durchaus gut komponiert und unterstützen die Szenen, gleichzeitig bleiben sie aber ziemlich austauschbar, nur selten ist man wirklich dazu geneigt zu sagen DAS ist Ottman oder DAS ist X-Men-Musik. Ich hätte mir gewünscht, dass Ottman seine Themen in der Actionmusik besser integriert. Während En Sabah Nurs Thema zu Beginn des Films beispielsweise noch sehr vorherrschend ist, kommt es in der zweiten Hälfte definitiv zu kurz.

Und nach wie vor hört man mitunter noch die Eigenheiten anderer Komponisten heraus, deren Arbeit wohl als Temp-Track diente, nur ist es eben dieses Mal nicht mehr Hans Zimner. Die emotionalen Stücke klingen mitunter ein wenig nach Thomas Newman, die Action-Tracks erinnern an Michael Giacchino, das Ende von Moira’s Discovery/Apocalypse Awakens gemahnt an Philip Glass und in Jet Memories gibt es ein paar Blechbläserfiguren, aus denen man ein wenig Elliot Goldenthal heraushören kann. Das alles sind weitaus subtilere Parallelen als es noch bei „Days of Future Past“ der Fall war und Anleihen bei Giacchino und Newman sind mir weitaus lieber als bei Zimmer (dessen Methodologie ist derzeit leider immer noch die dominante in Hollywood), aber sie verhindern doch, dass Ottmans Score wirklich eine eigene Idenität entwickeln kann.

Apropos Arbeit anderer Komponisten: Wie schon in „X2“ arbeitete Ottman auch hier wieder ein klassisches Musikstück ein, nämlich den zweiten Satz aus Beethovens siebter Sinfonie (Allegretto). Auf dem Album ist es, wie könnte es anders sein, im Track Beethoven Havok zu hören, zuerst sehr originalgetreu, nach und nach verwandelt es sich aber in moderne Actionmusik mit großem Chor und wummernden Percussions.

Fazit: „X-Men: Apocalypse“ ist gegenüber dem Vorgängerscore eine deutliche Verbesserung. Zwar ist Ottmans dritter X-Men-Soundtrack kein Meisterwerk und leidet nach wie vor an einer gewissen Anonymität, allerdings besticht er durch ein gelungenes neues Thema und zumindest solider Actionmusik, die nicht mehr allzu sehr nach Hans Zimmer klingt. Kompetent, wenn auch streckenweise eher uninspiriert und ein wenig zu sehr von anderen Komponisten beeinflusst.

Siehe auch:
X-Men: Apocalypse
Marvel-Musik: X-Men
X-Men: Days of Future Past – Soundtrack

X-Men: Apocalypse

apocalypse
Story: Im Jahr 1983 erwacht der erste Mutant En Sabah Nur alias Apocalypse (Oscar Isaac), ein uraltes und gottgleiches Wesen aus dem alten Ägypten, um die Erde nach seinen Vorstellungen umzuformen. In den Mutanten Psylocke (Olivia Munn), Storm (Alexandra Shipp), Angel (Ben Hardy) und Magneto (Michael Fassbender) findet er Verbündete. Magneto sorgt allerdings dafür, dass sowohl Mytique (Jennifer Lawrence), als auch Charles Xavier (James McAvoy) und Hank McCoy (Nicholas Hoult) auf Apocalypse aufmerksam werden. Und so muss sich eine neue X-Men-Generation, u.a. bestehend aus Jean Grey (Sophie Turner), Cyclops (Tye Sheridan), Nightcrawler (Kodi Smit-McPhee), Quicksilver (Evan Peters) En Sabah Nur entgegenstellen, um die Welt vor ihm zu retten…

Kritik: Im zweiten Akt von „X-Men: Apocalypse“ besuchen einige der jungen Mutanten eine Kinovorstellung von „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ und streiten sich darüber, welcher Star-Wars-Film der Beste ist. Während sie sich diesbezüglich nicht auf Episode IV oder V einigen können, sind sie doch alle der Meinung, dass der dritte Teil der Schlechteste ist. Primär sollte dieser Kommentar wahrscheinlich als Seitenhieb auf Brett Rattners ungeliebten „X-Men: The Last Stand“ verstanden werden, ironischerweise lässt er sich allerdings auch auf „Apocalypse“ anwenden, da es sich hierbei um den dritten Teil der zweiten X-Men-Trilogie handelt. Und leider trifft er zu. Während „Apocalypse“ keinesfalls wirklich schlecht ist, hat er doch einige Schwächen, die dafür sorgen, dass er hinter „Days of Future Past“ und „First Class“ zurückbleibt.

Diese Probleme betreffen vor allem Apocalypse und Magneto. Ersteren fand ich zugegebenermaßen schon in den Comics und Zeichentrickserien nicht besonders interessant, wenn es um gottgleiche Erzschurken geht, ziehe ich persönlich Darkseid oder Thanos vor. Oscar Isaac spielt ihn hier zwar keinesfalls schlecht, er und Bryan Singer schaffen es für mich aber auch nicht, En Sabah Nur wirklich als mitreißenden und einnehmenden Schurken zu inszenieren. Magneto wird von Michael Fassbender natürlich nach wie vor grandios dargestellt, seine Charakterentwicklung erweist sich hier allerdings als ziemlich repetitiv. Der arme Mann muss schon wieder eine Familie verlieren und schon wieder treibt ihn das zur Rache und zum Bösen – sein Handlungsstrang in diesem Film wird der Figur leider nicht gerecht. Ich hätte es weitaus interessanter gefunden, wenn Xavier zu einem von Apocalypses Reitern geworden wäre und Magneto dann die X-Men hätte anführen müssen, ähnlich wie es in der Comicvorlage „Age of Apocalypse“ (mit der dieser Film ohnehin kaum Gemeinsamkeiten hat) der Fall war. Leider bleiben auch die anderen drei Reiter der Apokalypse ziemlich blass, obwohl sie optisch definitiv eine gute Figur machen.

Neben Magnetos Handlungsstrang gibt es noch zwei weiteree Element aus den bisherigen Filmen, das sich hier unnötigerweise wiederholen. Da wäre der Ausflug nach Kanada, der zum Plot eigentlich nichts beiträgt und nur deshalb im Film ist, um einen bestimmten Cameo-Auftritt unterzubringen, den der letzte Trailer ohnehin schon gespoilert hat. Und: Die X-Men müssen schon wieder als Team zusammenfinden. Beides raubt dem Film Zeit, die er auf ein besseres Ausspielen der Charakterdynamik und eine bessere Ausarbeitung der Schurken hätte verwenden können. Allerdings fand ich die diversen Cast-Neuzugänge sehr gelungen und es war schön, mal wieder den X-Men-Schulalltag zu sehen – gerne mehr davon. Überhaupt ist es herrlich, wie sehr die verschiedenen Darsteller in ihren Figuren aufgehen und wie mühelos und natürlich sie sie verkörpern.

Für „Apocalpyse“ spricht ebenfalls, dass der Film enorm kurzweilig ist und die zweieinhalb Stunden wie im Flug vergehen. Im Gegensatz zu den frühen X-Men-Filmen scheint Singer nun auch keine Angst mehr zu haben, die Comicursprünge seiner Figuren und der Welt des Films offen darzustellen: Optisch waren die X-Men kaum je näher an der Vorlage. Auch bezüglich der Action wird einiges aufgefahren. Zwar legen hier Superschurken schon wieder Großstädte in Schutt und Asche, aber immerhin ist das Zentrum der Verwüstung keine amerikanische Großstadt und En Sabah Nur baut auch einen Ersatz (gewissermaßen). Zu den Highlights gehören außerdem definitiv jede Szene, in der Quicksilver zu sehen ist, sowie das Finale, das zwar die emotionale Tiefe des Gegenstücks aus „Days of Future Past“ vermissen lässt, aber gerade uns Comicfans eine Andeutung dessen gibt, was in „The Last Stand“ gefehlt hat. Wenn Singer sich nun endlich einmal dazu durchringen könnte, uns auch noch einen Team-Shot á la Avengers mit passender thematischer Untermalung zu geben. Apropos: Der Score, abermals komponiert von John Ottman, ist besser als der von „Days of Future Past“, bleibt aber über weite Strecken leider immer noch ziemlich anonym und uninspiriert.

Fazit: „X-Men: Apocalypse“ ist trotz seiner Länger ein kurzweiliger Superheldenfilm, kommt aber an die beiden Vorgänger nicht heran und bleibt hinter seinen Möglichkeiten zurück, weil er zu viele Elemente aus den anderen Filmen der Reihe wieder aufgreift.

Siehe auch:
X-Men: First Class
X-Men: Days of Future Past

Blogparade: Buch vs. Film

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In den letzten beiden Wochen hatte ich recht wenig Zeit zum Schreiben, eine Blogparade ist da genau der richtige Anreiz, besonders, wenn es zum Thema so viel zu sagen gibt wie zu diesem. Initiatorin ist Miss Booleana, und der Titel lautet „Buch vs. Film“. Adaption ist ein Thema, das mich grundsätzlich sehr interessiert und mit dem ich mich auch immer wieder beschäftige. Viel zu oft hört bzw. liest man Sätze wie „Das Buch ist immer besser“, was freilich eine völlig unreflektierte, verallgemeinerte und pauschalisierte Aussage ist, und derartigen Aussagen kann ich einfach nichts abgewinnen.

Letztendlich stellt sich die Frage: Was macht eine gute Adaption aus? Ich will ungern allgemeingültige Aussagen treffen, denn letztendlich sollte man sich jedes Werk individuell betrachten, aber ich will dennoch versuchen, etwas Umfassenderes zu dieser Frage zu sagen. Einerseits gibt eine Adaption, die sich so genau wie möglich an die Vorlage hält, meistens kein besonders gutes Werk ab. Wann immer man eine Geschichte von einem Medium ins andere überträgt, muss man zwangsläufig Abstriche machen. Stilmittel, die in der Literatur funktionieren, wirken in Filmen oft bestenfalls komisch. Innere Monologe sind dafür ein gutes Beispiel. Natürlich gibt es Ausnahmen, in „Sin City“ funktionieren diese beispielsweise auch im Film (dazu später mehr), aber meistens läuft es doch wie bei David Lynchs Adaption von Frank Herberts „Dune: Der Wüstenplanet“. Dort wurden die inneren Monologe auch in den Film integriert – und das Ganze funktioniert einfach nicht.

Andererseits hat die Adaption gegenüber der Vorlage schon eine gewisse Verantwortung. Wenn ein Studio bzw. ein Filmteam sich dazu entscheidet, ein Werk zu adaptieren, dann sollen sie doch bitte auch das Werk adaptieren und nicht einfach irgendetwas machen, das mit der Vorlage nichts mehr zu tun hat, denn wieso sollte man dann überhaupt adaptieren, wenn man ohnehin sein eigenes Ding dreht? Eine Adaption kann und soll der Vorlage nicht minutiös folgen, doch ich denke, der „Geist“ des ursprünglichen Werkes sollte erhalten bleiben. Ob und in wie weit das der Fall ist, ist natürlich wieder sehr diskutabel.

Freilich sollte man auch hier ein wenig differenzieren: Wie die meisten anderen Menschen auch messe ich mit mehreren Maßstäben; wenn mir das ursprüngliche Werk egal ist, ich es nicht kenne oder nicht schätze, stört mich eine freie Adaption nicht besonders und dann interessiert es mich nicht, ob der Geist der Vorlage erhalten geblieben ist. Auch bei Werken, die schon mehrfach adaptiert wurden, kann eine freiere Interpretation interessant sein – ich meine hiermit klassische Geschichten, die seit Jahrzehnten, Jahrhunderten oder gar Jahrtausenden in verschiedener Form immer und immer wieder erzählt wurden, von der Odysee über Dracula bis hin zu Batman. Ein gewisse Gemeinsamkeit mit der Vorlage, ein gemeinsamer Nenner, sollte aber auch hier vorhanden sein.

„Der Herr der Ringe“ vs. „Der Herr der Ringe“
Beginnen wir mit einer Adaption, die gemeinhin als positives Beispiel für den Wechsel einer Geschichte von Buch zu Film gilt. Freilich gibt es da Tolkien-Puristen, die dem vehement widersprechen würden, ich persönlich teile allerdings die Ansicht, dass es sich bei Peter Jacksons HdR-Trilogie um eine hervorragende Adaption von Tolkiens Werk handelt. Grundsätzlich scheuen Jackson und seine Drehbuch-Co-Autorinnen Fran Walsh und Philippa Boyens sich nicht davor, einige Abläufe und Elemente doch recht stark zu verändern. Manches davon ist fast schon unumgänglich: In „Die Gefährten“ funktioniert der lange Anfang im Auenland in Filmform einfach nicht, speziell, wenn der Film nicht sechs bis sieben Stunden lang sein soll. Ähnlich verhält es sich mit Tom Bombadil, der zur eigentlichen Geschichte praktisch nichts besteuert. Oftmals gehen Jackson und Co. allerdings noch einige Schritte weiter, was letztendlich mit der Natur der Vorlage zusammenhängt. Professor Tolkien ist ein genialer Sprach- und Weltenschöpfer, der seine Sekundärwelt mit einem Detailgrad ausgestattet hat, den man in anderen Werken selten findet. Dramaturgie zählt allerdings nicht unbedingt zu seinen Stärken – wobei das ein wenig vereinfacht ausgedrückt ist. Vielmehr sollte man sagen: Tolkiens Sinn für Dramaturgie war sehr eigen, geprägt von den nordischen Sagen und Epen, auf denen Mittelerde letztendlich basiert. Sowohl im „Herrn der Ringe“ als auch in seinen anderen Werken tut Tolkien Dinge, vor denen Standardwerke über Literatur und Grundkurse für kreatives Schreiben warnen und die heute wohl kein Lektor mehr akzeptieren würde. Gerade deshalb ist der „Herr der Ringe“ ein ziemlich einzigartiges Werk – aber viele dieser Kniffe, etwa die strikte Trennung zwischen Frodo und Sam und dem Rest der Gefährten in „Die zwei Türme“, funktionieren in einem Film einfach nicht, weshalb stärkere Anpassungen nötig sind.

Schließlich und endlich würde ich behaupten, dass Jackson Tolkiens Roman nicht nur einfach adaptiert hat, er hat ihn auch, gerade was Struktur und Charaktere angeht, zugänglicher gemacht und ergänzt ihn somit. Zwar geht an einigen Stellen Tolkiens Liebe zum Detail und die inhaltliche Komplexität der Vorlage verloren, allerdings haben die Filmemacher ihren ganz eigenen Sinn für Komplexität, der sich an den Kulissen, den Kostümen oder der Musik (ganz besonders der Musik) zeigt. Und die Vereinfachungen und Änderungen haben in meinen Augen letztendlich keine Auswirkungen auf Geist oder Botschaft der Vorlage. Mehr noch, die Filme folgen der Handlung im Groben ziemlich gut, besonders wenn man bedenkt, was ein „normaler“ Filmemacher vielleicht mit der Geschichte getan hätte (in Tom Shippeys „Der Weg nach Mittelerde“ findet sich hierzu eine passende Anekdote).
Sieger: Unentschieden

„Der Hobbit“ vs. „Die Hobbit-Trilogie“
Die Hobbit-Trilogie ist ein sehr interessanter Fall, gerade, weil sie von denselben Machern kommt wie die HdR-Trilogie und auch weil es nicht die üblichen Faktoren sind, die die Schwächen dieser Adaption ausmachen. Normalerweise geht es darum, was geändert oder weggelassen wurde: Filme haben gemeinhin weniger inhaltliche Kapazität als Romane, weshalb beides unumgänglich ist. In der Hobbit-Trilogie wurde allerdings kaum etwas weggelassen, und selbst die Änderungen sind nicht größer als bei den HdR-Filmen. Hier sind es die Dinge, die Jackson und Co. hinzugefügt haben, die Probleme bereiten, sodass man sich letztendlich fragt, wer die eigentlichen Hauptfiguren sind: Thorin und Bilbo oder Legolas, Tauriel und Alfrid.

Das Scheitern der Hobbit-Trilogie ist insofern schade, da ich denke, dass das Vorhaben hätte gut gelingen können, hätte Jackson es bei zwei Filmen belassen und sich auf Tolkiens Material konzentriert statt Romanzen und sinnlose Action hinzuzufügen. Auch „Der Hobbit“ ist dramaturgisch nicht wirklich leicht umzusetzen, da er sich aus diversen Episoden zusammensetzt, die kaum zusammenhängen; die eigentliche Haupthandlung beginnt erst, nachdem Bilbo und die Zwerge in Esgaroth angekommen sind. Hinzu kommt die Tendenz des Professors, nur wenige Figuren wirklich zu charakterisieren. Diesbezüglich gibt es bei Jackson einige sehr gute Ansätze, besonders bei Bard und Thranduil. Auch an anderen Stellen ist immer wieder die alte Magie zu spüren, aber dann…

Bereits in der HdR-Trilogie arbeitete Jackson oftmals konträr zu Tolkiens Sinn fürs Dramatische: Wo der Professor eher dazu neigt, Ereignisse ein wenig undramatisch zu gestalten, tendiert der Regisseur zur Überdramatisierung. Beim „Herrn der Ringe“ hält sich das bis auf ein, zwei Ausrutscher aber noch in Grenzen, in der Hobbit-Trilogie übertreibt er es aber wirklich mit geradezu exzessiven Szenen, die jeglicher Logik und jeglichen Gesetzen der Physik spotten.

Die Verfilmung des „Hobbit“ war letztendlich ein ambitioniertes Projekt, das gescheitert ist. Der Roman war weitaus weniger ambitioniert, eine Abenteuergeschichte für Kinder, aber letztendlich funktioniert er, besonders, wenn man ihn sich vom Rest Mittelerdes losgelöst betrachtet, einfach besser.
Sieger: Buch

„Watchmen“ vs. „Watchmen“
Alan Moores „Watchmen“ gilt zu Recht als Meisterwerk der graphischen Literatur, als Meilenstein des Medium Comics und als gelungene Dekonstruktion des Superheldengenres. Die gleichnamige Filmadaption gilt ebenfalls zurecht als Zack Snyders bester Film – wobei ich gestehen muss, dass Letzteres weitaus weniger beeindruckend ist als Ersteres, denn Snyders Œuvre ist doch eher durchwachsen. „300“ funktioniert noch ganz gut als Guilty Pleasure, der Rest dagegen ist optisch zwar meistens ganz interessant, aber inhaltlich doch eher mau (nun gut, auf „300“ trifft das eigentlich auch zu, ich habe nur eine gewisse Affinität dafür). Ich denke, Snyders Problem ist vor allem, dass er zwar weiß, wie man coole Bilder auf die Leinwand zaubert, diese aber stets reines Gimmick bleiben und er keine Ahnung hat, wie er seine Stilmittel einsetzen muss, um eine gute Geschichte zu erzählen, egal ob es sich dabei um die Zeitlupe in „300“ oder die Shaky-Cam in „Man of Steel“ handelt; der Einsatz seiner Stilmittel wirkt stets ziemlich willkürlich.

Die beste und gleichzeitig schlechteste Entscheidung von Snyder war es, sich sehr eng an die Vorlage zu halten. Die beste, weil „Watchmen“ einfach eine verdammt gute Geschichte hat und Snyder trotz allem ein relativ gutes Händchen dabei beweisen hat, diese Geschichte visuell umzusetzen und den eigentümlichen Stil bzw. die Farbgebung des Comics gelungen in Filmform zu bringen. Nach wie vor gibt es diverse stilistische Gimmicks, die im Grunde sinnlos sind, aber auch (zumindest mich) nicht weiter stören. Ebenfalls gelungen ist die Darstellung der Figuren; Snyder verzichtete darauf, „Watchmen“ mit großen Namen zu besetzen, sodass die Figur und nicht der Schauspieler im Vordergrund steht, was vollständig aufgeht. Die Tatsache, dass die Vorlage wirklich außergewöhnlich tiefgründig, hochkomplex, perfekt durchdacht und umgesetzt ist, verhindert, dass der Film der Graphic Novel ebenbürtig ist. Kein Film hätte alle Facetten des Werkes umsetzen können, weshalb immer etwas fehlt, der Vergleich zur Vorlage aufgrund der Nähe aber kaum umgangen werden kann. Auf gewisse Weise ist die Adaption gleichzeitig zu dicht und nicht dicht genug am Comic dran.

Auch fehlt dem Film die zeitgeistliche Komponente. „Watchmen“ war, in Bezug auf Weltgeschehen und Comiclandschaft, extrem aktuell und brachte viele Neuerungen, die zum Erscheinen des Films freilich schon lange bekannt waren. Insofern ist der Film in gewissem Sinne veraltet, er ist, anders als der Comic, nicht revolutionär oder bahnbrechend. Aber angesichts dessen, wie eine Adaption dieses Werkes hätte aussehen können, ist Snyders Verfilmung des Kultcomics trotz allem eine ziemlich gelungene Umsetzung, der man die Liebe zur Vorlage anmerkt.
Sieger: Buch (bzw. Comic)

„X-Men: Days of Future Past“ vs. „X-Men: Days of Future Past“
Der letzte X-Men-Film steht hier im Grunde stellvertretend für alle Superheldenadaptionen. Sehr, sehr selten wird ein ganz bestimmter Superheldencomic wirklich direkt umgesetzt. „Watchmen“ ist eine der wenigen Ausnahmen, es gibt auch noch ein paar Zeichentrickfilme, die sich ebenfalls eine bestimmte Vorlage aussuchen und diese ziemlich genau umsetzen. Die meisten Live-Action-Filme dieses Genre vermengen dagegen zumeist Elemente mehrerer Storylines oder Einzelgeschichten. „Batman Begins“ kombiniert beispielsweise Versatzstücke aus „Batman: Year One“, „Batman: The Man Who Falls“ und „Batman: The Long Halloween“, „The Dark Knight“ bedient sich der Comics „Batman: The Long Halloween“ und „Batman: The Killing Joke“ sowie „Batman 1“ aus dem Jahr 1940, während man in „The Dark Knight Rises“ Versatzstücke aus „Batman: The Dark Knight Returns“, „Batman: Knightfall“ und „Batman: No Man’s Land“ findet. Zumindest in dieser Hinsicht ist die Nolan-Trilogie geradezu stereotyp für das Genre.

„Days of Future Past“ ist in diesbezüglich interessant, weil Bryan Singer eine ganz bestimmte Geschichte als alleinige Grundlage verwendete. Von dieser einen Geschichte benutzte er allerdings ausschließlich den Grundplot (dystopische Zukunft, Mutanten stehen kurz vor der Auslöschung durch die Sentinels, ein Mutant wird in die Vergangenheit geschickt, um einen Mord zu verhindern, der die dystopische Zukunft auslöst) sowie den Titel. Das ganze Drumherum ist allerdings radikal anders, weil das X-Men-Filmuniversum sich eben stark vor X-Men-Comicuniversum der 80er unterscheidet und eine genaue Umsetzung einfach nicht funktioniert hätte. „Days of Future Past“ ist eine freie Adaption, die es allerdings schafft, die Vorlage zu übertreffen; der Film bleibt dem Geist des Comics treu, macht die Geschichte aber gleichzeitig größer, emotionaler, epischer und holt schlicht alles aus dem Grundkonzept heraus, was man herausholen kann.
Sieger: Film

„Star Wars Episode III: Die Rache der Sith“ vs.
„Die Rache der Sith“

Drehen wir den Spieß doch einmal um. Romanadaptionen von Filmen sind zwar auch in Deutschland nicht wirklich eine Seltenheit, aber doch weitaus weniger verbreitet als im angloamerikanischen Raum, wo wirklich sehr viele Exemplare dieser Gattung erscheinen, von denen lediglich ein Bruchteil übersetzt wird. Romanadaptionen von Filmen (bzw. von Filmdrehbüchern, evtl. unter Einbeziehung von Rohschnitten, Konzeptzeichnungen etc.) genießen zumeist keinen allzu guten Ruf, da sie sich oft darauf beschränken, das Drehbuch nachzuerzählen, wobei sie eventuell noch ein paar geschnittene Szenen oder Gedanken der Charaktere einfügen. Das Problem dabei ist, dass sie auch der Narrative des Films sehr genau folgen und schnelle Szenenwechsel, Montagen etc. direkt umsetzen. Im Film können diese Wunder wirken, in einem Roman sind sie dagegen fehl am Platz.

Matthew Stovers Romanadaption von „Die Rache der Sith“ dagegen ist ein Idealbeispiel dafür, wie ein Roman zum Film sein sollte. Stover beschränkt sich nicht nur darauf, die Handlung nachzuerzählen und ein paar geschnittene Szenen zu integrieren, er nutzt gezielt die Stärken des Mediums Roman, da er ja auf die Stärken des Mediums Film (Musik, Optik etc.) verzichten muss. Stover lässt die Figuren reflektieren, geht detailliert auf ihre inneren Prozesse ein, konzentriert sich auf die Charaktere als Kern der Geschichte und scheut sich auch nicht davor, Dialoge abzuändern oder Dinge, die rein visuell sind, einfach auszulassen. Während der Film beispielsweise immer wieder nach Kashyyyk schneidet, unterlässt Stover dies, da die Schlacht um Kashyyyk zur eigentlichen Handlung kaum etwas beiträgt und vor allem als Fanservice fungiert („Hey, da ist Chewie“). Letztendlich sorgt Stover dafür, dass alles, was im Film nicht so ganz passt, nahtlos ineinander greift. „Die Rache der Sith“ erzählt nicht einfach nur die Geschichte des gleichnamigen Streifens, der Roman ergänzt den Film, wertet ihn auf und macht ihn logischer, verständlicher und nachvollziehbarer.
Sieger: Buch

„Harry Potter und die Heiligtümer des Todes“ vs. „Harry Potter und die Heiligtümer des Todes Teil 1 und 2“
Ich bin seit meiner Grundschulzeit Harry-Potter-Fan; im Grunde habe ich die Bücher ziemlich genau im richtigen Alter entdeckt, um bei allem hautnah dabei zu sein; ich bin quasi mit Harry, Ron und Hermine zusammmen aufgewachsen, habe den Büchern und Filmen immer entgegengefiebert, war Teil des Fandoms etc.; tatsächlich bin ich acht Tage Jünger als Daniel Radcliff und habe am selben Tag Geburtstag wie Harry Potter und J. K. Rowling – das muss doch fast schon Schicksal sein. Leider ändert das alles nichts daran, dass ich von „Harry Potter und die Heiligtümer des Todes“ maßlos enttäuscht war. Nach dem ersten Lesen war das noch nicht der Fall, weil mich der Roman da noch fesseln konnte. Sobald ich allerdings über das Gelesene nachzudenken begann… Mit gefällt nicht, wie die Geschichte endet, mir gefällt nicht, wie sich die wichtigen Figuren entwickeln, und vor allem gefallen mir die massiven Logiklöcher und der furchtbar konstruierte Plot um die Deus-Ex-Heiligtümer absolut nicht. In meinen Augen ist der siebte Harry-Potter-Band als Abschluss der Reihe unwürdig.

Und dann ist da die zweiteilige Verfilmung, die einen Trend begründet hat, der immer noch anhält. Erfreulicherweise ist das Verhältnis zwischen Roman und Filmadaption hier ähnlich wie bei „Die Rache der Sith“: Die Adaption nutzt die Stärken des Mediums, um die Vorlage aufzuwerten. Zwar wird die Geschichte nicht besser oder logischer, aber der Film schafft es, viele der Schwächen ganz gut zu kaschieren und profitiert von der gelungenen Optik, der Musik, kleinen Änderungen und natürlich den grandiosen Schauspielern. Ralph Fiennes sorgt allein durch sein Spiel dafür, dass Voldemort im Film funktioniert, was er im Roman nicht tut. Trotz all seiner Schwächen gelingt es dem Film, mich emotional mitzureißen, was das Buch nicht schafft.
Sieger: Film

„Der Kunde hat immer recht“, „Stadt ohne Gnade“, „Das große Sterben“ und „Dieser feige Bastard“ vs. „Sin City“
Für gewöhnlich funktionier eine eins-zu-eins-Adaption kaum oder gar nicht. „Sin City“ ist gewissermaßen die Ausnahme, die die Regel bestätigt. Es gibt wohl kaum einen Film, der so nahe an seiner Vorlage ist wie dieser. Natürlich, ein paar winzige Änderungen gibt es, hier eine Szene, die der Schere zum Opfer gefallen ist, da eine kleine Ergänzung, aber insgesamt folgt Robert Rodriguez‘ und Frank Millers Episodenfilm der Handlung der drei adaptiert langen und des einen kurzen Comics sehr genau, und das sowohl inhaltlich als auch optisch. Rodriguez heuerte dazu nicht nur Miller als Co-Autor und –Regisseur an, tatsächlich wurden die Comics als Storyboards verwendet und die meisten Dialoge und Einstellungen fast eins zu eins übertragen.

Was den Film so interessant macht ist, dass er trotz allem eine Eigendynamik entwickelt, die den Comics in dieser Form fehlt. Diese Eigendynamik entsteht, eigentlich ganz simpel, durch die clevere, nonlineare Anordnung der einzelnen Episoden. Die Comics erzählen jeweils eine Geschichte von Anfang bis Ende. Der Film schneidet die Geschichten in nicht chronologischer Ordnung ineinander, ohne sie zu verändern. Wir beginnen mit „Der Kunde hat immer recht“ als Prolog, gefolgt vom Anfang von „Dieser feige Bastard“. Es folgen „Stadt ohne Gnade“ und „Das große Sterben“, bevor der Film mit „Dieser feige Bastard“ und einem extra für den Film verfassten Epilog, der „Der Kunde hat immer recht“ und „Das große Sterben“ auf ironische Weise verbindet, endet. Das mag chronologisch nicht stimmen („Dieser feige Bastard“ spielt in seiner Gesamtheit vor allen anderen Geschichten), funktioniert dramaturgisch aber hervorragend. Der Extended Cut, der im Grunde aus vier separaten Kurzfilmen besteht, ist für Fans der Vorlage interessant, weil er fast alle geschnittenen Szenen des Comics enthält; Dynamik und Dramaturgie der Kinoversion gehen allerdings verloren.
Sieger: Unentschieden

„A Song of Ice and Fire“ vs. „Game of Thrones“
Hätte ich diese Liste vor etwa zwei Jahren angefertigt, wäre das Urteil für „Game of Thrones“ wohl anders ausgefallen, denn bis zur dritten Staffel war die Serie eine sehr gelungene Adaption mit ähnlichen Stärken wie Peter Jacksons Herr-der-Ringe-Verfilmung. Staffel 4 und 5 (besonders Staffel 5; ich bemühe ich, Spoiler für diese zu meiden und das Ganze auf allgemeine Aussagen zu beschränken) haben mich allerdings dazu gezwungen, dieses Urteil zu revidieren. Insgesamt muss man den Serienmachern zugestehen, dass besonders „A Feast for Crows“ und „A Dance with Dragons“ enorm schwer zu adaptieren sind, weil die Handlung immer weiter zerfasert, King’s Landing als zentrale Örtlichkeit wegfällt und jede der Hauptfiguren im Grunde anfängt, ihr eigenes Süppchen zu kochen. Dennoch: Gerade in Staffel 5, und in geringerem Maße auch in Staffel 4, haben Benioff und Weiss wirklich sehr viele sehr schlechte Entscheidungen getroffen. Staffel 4 hat immerhin noch einige Höhen, um die Tiefen auszugleichen, in Staffel 5 dagegen ist kaum noch etwas von George R. R. Martins Geschichte übrig geblieben. Man kann über Martin sagen, was man will, aber „A Song of Ice and Fire“ ist eigentlich immer nachvollziehbar, die Figuren handeln passend, die Abläufe sind in sich logisch, die aufgestellten Regeln werden befolgt und es gibt Wirkung und Ursache. Staffel 5 dagegen ist, gerade was die Drehbücher angeht, im Niveau sehr stark gesunken. Subplots wurde auf das Minimum reduziert, die Komplexität wird billigem Drama geopfert, die Handlungen der Figuren wirken an den Haaren herbeigezogen und die Schockmomente, für die GoT berühmt ist, die sich aber bisher logisch aus der Handlung ergaben, verkommen zum Selbstzweck. Staffel 5 entfernt sich insgesamt sehr weit von der Buchvorlage – das muss per se erst einmal nichts Schlechtes sein, aber leider hat sich nun erwiesen, dass Benioff und Weiss sehr viel schlechtere Geschichtenerzähler als George R. R. Martin sind. Ich hege aber nach wie vor die Hoffnung, dass sich GoT mit Staffel 6 wieder erholt.
Sieger: (Buch bzw. Bücher)

„The Hunger Games“ vs. „The Hunger Games“
Bei den Hunger-Games-Filmen handelt es sich um sehr werkgetreue Adaptionen. Ich habe seinerzeit den ersten Film gesehen, der mir ganz gut gefallen, mich aber nicht dazu gebracht hat, die Vorlage zu lesen – das habe ich erst im Zuge eines Uni-Seminars getan. Die Kenntnis der Vorlage hat allerdings für eine gesteigerte Wertschätzung der Filme gesorgt. Zwar hat Suzanne Collins interessante Ideen, allerdings schadet der Umstand, dass wir alles durch Katniss‘ Augen sehen, der Geschichte in meinen Augen. Während sie auch in den Filmen ohne Frage die Protagonistin ist, können diese es sich doch hin und wieder erlauben, sich von ihr lösen, Hintergründe zu beleuchten und die erzählte Welt plastischer zu gestalten. Hinzu kommt, dass ich Film-Katniss weitaus sympathischer finde als Buch-Katniss, was wohl auch mit Jennifer Lawrence zusammenhängt. Insgesamt würde ich sagen, dass die „Hunger Games“, ähnlich wie „Die Heiligtümer des Todes“, vom Medienwechsel und vor allem von den wirklich gut ausgewählten Schauspielern profitiert.
Sieger: Film (bzw. Filme)

„Vampire: The Masquerade“ vs. „Clan der Vampire“
Noch etwas eher Obskures zum Schluss. Außerhalb von Rollen- oder Computerspielkreisen ist das Pen & Paper-RPG „Vampire: The Masquerade“ nicht allzu bekannt, allerdings hat es einen meiner Meinung nach stark unterschätzten Einfluss auf die aktuelle Vampirlandschaft. Um nur ein Beispiel zu nennen: Der heute fast schon selbstverständliche Konflikt zwischen Vampiren und Werwölfen nahm hier seinen Anfang. Für mich persönlich ist V:tM immer noch die beste Version des Vampir-Mythos, weil er im Grunde jede andere Version mit einschließt, einen grandiosen, komplexen und mythologisch sehr vielseitigen Hintergrund hat und weil man mit ihm im Grunde jede Art von Vampirgeschichte erzählen kann, vom romantischen Twilight-Verschnitt über ein Action-Szenario á la „Blade“ oder „Underworld“ bis hin zur klassischen Gothic Novel nach Bram Stoker oder der Anne Rice’schen Charakterstudie.

In den späten 90ern gab es eine kurzlebige Serienadaption namens „Clan der Vampire“ (im Original „Kindred: The Embraced“), die sich einiger grundlegender Aspekte (und Bezeichnungen) der Vorlage bediente. Allerdings zeigte sich schnell, dass die Serienmacher die Vorlage nicht verstanden hatten. Dass die komplexe Vampirpolitik vereinfacht wurde, hätte ich ja durchaus verziehen, aber weder Atmosphäre noch erzählerische Grundlage oder Thematik wurden in irgendeiner Form umgesetzt. „Clan der Vampire“ gleicht eher einer zweitklassigen Gangster-Serie, in der die Gangster halt Vampire sind. Das, was V:tM eigentlich ausmacht, der persönliche Horror, das Ringen um Menschlichkeit, die Konfrontation mit dem Tier im Inneren, wurde nicht im geringsten integriert, die Charaktere bleiben flache, uninteressante Stereotypen und die Gothic-Punk-Amtosphäre, auf die die Vorlage sehr viel wert legt (und die Beispielsweise in „Underworld“ zu finden ist), verzichtet „Clan der Vampire“ ebenfalls völlig. Setzen, sechs.
Sieger: Buch (bzw. RPG)

Ergebnis:
Buch: 5
Film: 3
Unentschieden: 2

(Anmerkung: Man könnte, wegen „Die Rache der Sith“, auch nach Vorlage und Adaption abrechnen, in dem Fall wäre es unentschieden mit 4:4:2).

Die besten Song-Momente in Filmen und Serien

Hier kommt noch ein ziemlich verspätetes Stöckchen, geworfen von der singenden Lehrerin und inszeniert von taranKino. Gefragt wird nach den besten Songmomenten in Filmen und Serien (wobei der Fokus hier auf Filmen liegt). Es wäre mir natürlich ein leichtes, so eine Liste mit Scoremomenten zu füllen, aber das bedarf einer eigenen Parade und sollte dann auch so genannt werden. Aus diesem Grund gibt es hier auch keine Score-Beispiele. Hier zu finden sind entweder Lieder, die für den Film komponiert wurden, oder Musikstücke (sowohl Lied als auch Instrumentalstücke) die vorher bereits existierten. Die Liste ist wertfrei, die Anordnung der Einträge ist willkürlich.

Dies Irae (Wolfgang Amadeus Mozart, John Ottman), in „X2: X-Men United“

Ich liebe es, wenn eine Szenen bzw. Action-Choreographie genau auf die Musik abgestimmt ist, so wie es in „X2: X-Men United“ der Fall ist. Das Dies Irae aus Mozarts Requiem, wahrscheinlich sein bekanntestes Stück, das ohne einen Vogelfänger oder die Königin der Nacht auskommt, untermalt die erste Actionszene des Films. Die Verbindung zum Geschehen findet sich dabei nicht nur in der Choreographie, sondern auch im Inhalt: Nightcrawler ist eine zutiefst religiöse Figur, weshalb sich die Verwendung eines kirchlichen Stückes natürlich anbietet. Mozarts Original wurde von John Ottman minimal bearbeitet, um noch besser zur Szene zu passen. Da Ottman bei Bryan Singers Filmen nicht nur für die Musik, sondern auch für den Schnitt verantwortlich ist, hat er wirklich ein Händchen für derartige Momente, wie sich im Verlauf dieser Liste noch einmal zeigen wird.

The Verdict/Für Elise (Ludwig van Beethoven, Ennio Morricone), in „Inglourious Basterds“

Quentin Tarantinos Filme sind dafür bekannt, dass sie praktisch nie extra für den Film komponierte Scores haben; die Musik wird vom Regisseur selbst ausgewählt und meistens extrem passend in den Film integriert – ich denke mal, wenn ich behaupte, dass Tarantino wohl der Regisseur ist, der die Verwendung bereits existierender Musik in seinen Filmen am besten beherrscht, wird mir kaum jemand widersprechen. Obwohl es viele gelungene Momente in Tarantinos Filmen gibt, fiel mir doch die Wahl nicht schwer. „Inglourious Basterds“ ist in meinen Augen mit Abstand Tarantinos bester Film, denn schon die Anfangsszene weiß den Zuschauer in ihren Bann zu ziehen. Das dem klassischen Western entlehnte Holzhacken wird, wie könnte es anders sein, untermalt von einem Stück des klassischen Westernkomponisten Ennio Morricone (der zwar auch viele andere Sachen gemacht hat, aber vor allem, dafür bekannt ist). Bei The Verdict handelt es sich um eine Adaption von Beethovens Für Elise, dem Morricone ein Western-Setting verpasst, weshalb es zu dieser Anfangsszene natürlich perfekt passt: Eine an einen Western gemahnende Sequenz mitten im von den Nazis besetzten Frankreich.

The Times They Are A-Chanin’ (Bob Dylan), in: „Watchmen”

Mit Zack Synders Scorevorlieben kann ich nicht besonders viel anfangen, sowohl Tyler Bates‘ als auch Hans Zimmers Arbeit für den Watchmen- und Man-of-Steel-Regisseur finde ich ziemlich unterirdisch. Aber es lässt sich nicht leugnen, der Mann versteht es, passende Songs auszuwählen. „Watchmen“ insgesamt ist ein gelungenes Beispiel, aber in keiner anderen Szene wird dies so deutlich wie beim aufwendig gestalteten Vorspann, zu dem Bob Dylans The Times They Are A-Changin‘ erklingt, während die Montage genau auf die Musik abgestimmt ist.

„Amadeus“ (Wolfgang Amadeus Mozart, Antonio Salieri)

Ich konnte mich einfach nicht entscheiden. Miloš Formans „Amadeus“ gehört zu meinen absoluten Lieblingsfilmen und ist mit großartigen Musikmomenten randvoll. Und das liegt nicht nur an der Qualität der Musik (Mozart halt), sondern auch daran, wie meisterhaft diese integriert und zum bestimmenden Mittel der Narrative wird, egal ob sie gerade diegetisch oder extradiegetisch eingesetzt wird. Zu meinen absoluten Favoriten gehören: Mozart komponiert „ausversehen“ aus Salieris Willkommensmarsch das Non più andrai (aus „Le Nozze di Figaro“), die Don-Giovanni-Szene, der zur Stimmung passende Wechsel zwischen „Die Zauberflöte“ und dem Requiem, als Mozart beides parallel komponiert, und natürlich das Komponieren am Totenbett (Confutatis Maledictis). Ich hätte auch problemlos eine Liste nur mit Momenten aus „Amadeus“ füllen können, aber das wäre vielleicht etwas eintönig geworden.

Misty Mountains (Plan 9), in: „Der Hobbit: Eine unerwartete Reise“

Dieses Lied hat den ersten Hobbit-Trailer zu einem der besten Trailer überhaupt gemacht, es fängt die Stimmung der Szene perfekt ein, es wird zum Leitmotiv, es ist einfach rundum gelungen. Und ich habe an anderer Stelle bereits ziemlich viel darüber geschrieben.

Der Ritt der Walküren (Richard Wagner), in: „Apocalypse Now“

Definitiv kein schöner Songmoment, aber dafür perfekt inszeniert – und zwar so perfekt, dass Wagners Ritt der Walküren inzwischen immer zuerst mit „Apocalypse Now“ in Verbindung gebracht wird, bevor jemand überhaupt an „Die Walküre“ denkt, was auch daran liegen könnte, dass es so viele Anspielungen gibt; zum Beispiel verwendete Zack Snyder in „Watchmen“ für die Vietnam-Szene mit dem Comedian und Doctor Manhattan ebenfalls dieses Stück.

Time in a Bottle (Jim Croce), in: „X-Men: Days of Future Past“

Nochmal X-Men, nochmal Bryan Singer und John Ottman, nochmal eine zur Musik choreographierte Actionszene. So unzufrieden ich auch mit dem Score, den Ottman für „Days of Future Past“ komponiert hat, bin, so gelungen ist doch seine Schneidearbeit, gerade in dieser Szene und gerade in Bezug auf den hier verwendeten Song. Obwohl ich das Dies Irae Time in a Bottle vorziehe, ist doch die Quicksilver-Szene noch um ein gutes Stück stärker, da hier die Verknüpfung von Bild und Musik noch reibungsloser funktioniert. Darüber hinaus wird Quicksilver so perfekt charakterisiert, ohne, dass er ein einziges Wort verliert – es tut mir Leid für Aaron Taylor-Johnson, aber seine Version der Figur hatte quasi schon verloren, bevor sie überhaupt angetreten ist.

Vide Cor Meum (Patrick Cassidy), in: „Hannibal“

In einer Szene in „Hannibal“ besucht der Doktor in Florenz eine Oper, Ridley Scott entschied sich dabei allerdings dafür, keine existierende Oper zu verwenden, sondern heuerte den irischen Komponisten Patrick Cassidy an, um extra für den Film eine Arie zu komponieren die, passend zur Handlung, auf „La Vita Nuova“ von Dante Aligheri basiert. Diese Arie gefiel Ridley Scott übrigens so gut, dass er sie „Hannibal“ noch einmal extradiegetisch verwendete und auch in „Königreich der Himmel“ einsetzte. Für mich ist Vide Cor Meum der mit Abstand beste musikalische Moment aller Hannibal-Lecter-Adaptionen, und umso begeisterter war ich, als genau diese Arie auch in der finalen Szene der ersten Staffel von „Hannibal“ eingesetzt wurde. Was für ein perfekter Abschluss.

Hoist the Colours (Hans Zimmer), in: „Pirates of the Caribbean: At World’s End“

Zwar ist „At World’s End“ der Pirates-Film, den ich insgesamt am schlechtesten finde, allerdings ist er auch der Pirates-Film, der die besten Einzelszenen und mit Abstand die beste Musik hat. Ein hervorragendes Beispiel für beides ist die Eröffnungsszene des Films, in der eine Massenhinrichtung stattfindet. Die Piraten auf dem Weg zum Strick beginnen allerdings, ein Lied zu singen, das als Aufruf fungiert und gleichzeitig die Geschichte von Davy Jones und Calypso thematisiert. Im Verlauf des Films wird Hoist the Colours ähnlich verwendet wie Misty Mountains: Die Melodie fungiert im Score als Leitmotiv der Bruderschaft – und ist darüber hinaus das in meinen Augen beste Thema, das Hans Zimmer komponiert hat.

Also sprach Zarathustra (Richard Strauss), in: „2001: A Space Odysee“

Ganz ähnlich wie Der Ritt der Walküren ist auch Strauss’ Also sprach Zarathustra (zumindest der Anfang) inzwischen fast untrennbar mit einem Film verbunden. Die Szene mit dem Affen, dem Knochen und dem großen, schwarzen Monolithen gehört wahrscheinlich zu den ikonischsten der Filmgeschichte und wurde unzählige Male parodiert – sie auszulassen wäre fast schon kriminell.

The Rains of Castamere (Ramin Djawadi), in: „Game of Thrones“

Eigentlich wollte ich mich ja auf Filme beschränken, aber da mit „Hannibal“ zumindest teilweise eine Serie reingerutscht ist warum dann nicht noch eine zweite? Auch zu The Rains of Castamere habe ich schon einiges geschrieben. Die Lannisters sind das einzige Haus, das so etwas wie eine eigene Hymne besitzt, und da ist es natürlich nur logisch, die Melodie dieser Hymne zu ihrem Thema zu machen. Es existieren zwei Abspannversionen des Liedes, einmal von The National und einmal von Sigur Rós. Zweifellos am interessantesten sind allerdings die diegetischen Einsätze, die ab der zweiten Staffel immer wieder auftauchen. Mal wird das Lied von Tyrion gepfiffen, mal singt es Thoros von Myr, die Lannister-Soldaten nutzen es, um sich vor der Schlacht von King’s Landing Mut zu machen, und dann ist da natürlich der geradezu ikonische Einsatz bei der Roten Hochzeit…

X-Men: Days of Future Continuity

xaviermagneto
Ich hatte es ja schon angekündigt: „X-Men: Days of Future Past“ ist, vor allem Hinblick auf die anderen Filme des Franchise, interessant und kompliziert genug, um eine ausführliche Analyse nicht nur zu rechtfertigen, der Film fordert sie geradezu. Der Fokus liegt dabei nicht nur auf dem Streifen selbst, sondern vor allem darauf, wie er sich zur „Verwandschaft“ verhält.
Dieser Artikel ist zweigeteilt, die erste Hälfte beschäftigt sich mit dem Verhältnis des Films zur gleichnamigen Comicvorlage, während die zweite Hälfte die Kontinuität des X-Men-Filmuniversums und die Auswirkungen, die „Days of Future Past“ darauf hat, diskutiert. Ich muss wohl nicht extra erwähnen, dass ich auf Spoiler keine Rücksicht nehmen werde, wer den Film also noch nicht gesehen hat und nicht vorher wissen möchte, wie er endet, sollte stattdessen meine spoilerfreie Filmkritik lesen.

Vorlage ist Vergangenheit: Film und Comic
Die meisten X-Men-Filme basieren zumindest teilweise auf genau bestimmbaren Comicvorlagen, allerdings handelt es sich zumeist um eher lose Adaptionen oder sogar Vermischungen einzelner Handlungsstränge. „X-Men: The Last Stand“ basiert zum Beispiel auf der berühmt-berüchtigten Dark-Phoenix-Saga, während der Plot um das Heilmittel aus Joss Whedons (ja, der Joss Whedon) X-Men-Run stammt. Sowohl „X-Men: First Class“ als auch „X-Men: Days of Future Past“ gehen diesbezüglich noch einen Schritt weiter und sind sogar nach der jeweiligen Comicvorlage benannte, auf der sie allerdings abermals nur lose basieren.
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Das berühmt gewordene Cover von The Uncanny X-Men 141

Die in diesem Fall titelgebende Geschichte stammt aus dem Jahr 1981, wurde von Chris Claremont geschrieben und von John Byrne gezeichnet (Claremont/Byrne gilt als DAS X-Men-Dream-Team, zusammen haben sie einige der wichtigsten und einflussreichsten X-Men-Geschichten zu Papier gebracht, und ohne sie wären die Mutanten heute mit Sicherheit nicht so populär, wie sie es sind). Es handelt sich dabei interessanterweise weder um eine ausgekoppelte Miniserie oder Graphic Novel (wie es etwa bei „God Loves, Man Kills“, der Vorlage für „X2: X-Men United“, der Fall war), noch um einen größeren Handlungsbogen wie bei den oben erwähnten Beispielen. Die Geschichte zieht sich nur über zwei Hefte, The Uncanny X-Men 141 und 142, und fühlt sich beim Lesen ehrlich gesagt auch nicht so „groß“ an, wie man das vielleicht erwarten würde. Dennoch ist die Geschichte nicht nur enorm beliebt, sie hatte auch große Auswirkungen. Die düstere X-Men-Zukunft gehört zu den beliebtesten alternativen Marvel-Settings, es gibt mehrere Comics, die es wieder aufgreifen (etwa „Days of Future Present“ oder „Days of Future Yet To Come“) und auch in den diversen X-Men-Zeichentrickserien wurde sie mal mehr, mal weniger Vorlagengetreu umgesetzt.
Der Film adaptiert vor allem die Grundidee des Comics, passt diese dem Film-Universum an, erweitert und vergrößert sie. Besagte Grundidee lässt sich wie folgt zusammenfassen: In einer dystopischen Zukunft werden Mutanten von Sentinels gejagt und stehen kurz vor der Auslöschung. Um zu verhindern, dass dies geschieht, wird der Geist eines X-Man in seinen früheren Körper geschickt, um Mystique daran zu hindern, eine bestimmte politische Figur zu eliminieren, deren Tod die düstere Zukunft ausgelöst hat.
So weit so gut, alles andere unterscheidet sich allerdings fundamental vom Comic. Das beginnt schon bei der Auswahl der Figuren und der Zeitebene. Im Comic ist es Kitty Pryde, die vom Jahr 2013 aus in ihren Körper des Jahres 1981 geschickt wird, und zwar von Rachel Summers, der in dieser Zeitlinie existierenden Tochter von Scott Summers und Jean Grey. Im Filmuniversum funktioniert das nicht, da „Days of Future Past“ auch als Sequel zu „X-Men: First Class“ fungieren sollte und hauptsächlich im Jahr 1973 spielt, in welchem Film-Kitty noch gar nicht geboren ist. Aus diesem Grund wählte man Wolverine und gab Kitty dafür die Rolle von Rachel Summers. Die Begründung, weshalb es Wolverine und nicht Xavier ist, der zurückgeschickt wird, ist zwar ein wenig fadenscheinig, aber was soll’s, Wolverine ist nun einmal ein Fanliebling.
Die Gestaltung der Zukunft sowie die Konstellation der X-Men und der Bruderschaft unterscheiden sich ebenfalls stark von der Vorlage. Im Comic sind die Mutanten in einem Internierungscamp und tragen Halsbänder, die ihre Kräfte ausschalten. Im Film kämpfen sie, sind aber letztendlich unweigerlich dem Untergang geweiht, da die Sentinels hier nicht nur große fiese Roboter sind, sondern sich an alle Mutantenkräfte anpassen und diese sogar reproduzieren können.
sentinel
Ein Comic-Sentinel

Die Zukunfts-X-Men im Comic sind nicht mehr sehr zahlreich, zu diesen gehören Magneto, Shadowcat, Colossus, Franklin Richards (der Sohn von Reed Richards und Sue Storm) und Rachel Summers. Im Film dagegen kämpft, mit Ausnahme von Beast, fast alles, was in „The Last Stand“ nicht gestorben ist, zusätzlich zu neuen Gesichtern wie Bishop oder Blink. In den 70ern dagegen sind sowohl die X-Men als auch die Bruderschaft zu diesem Zeitpunkt nicht existent, Magneto sitzt mal wieder im Plastikgefängnis und Mystique arbeitet auf eigene Faust, während die X-Men praktisch nur aus Xavier, Beast und Wolverine bestehen. Im Comic sind beide Teams gut besetzt und aktiv.
Auch sonst unterscheidet sich der Handlungsablauf im Film stark von der Vorlage, wo es nicht Bolivar Trask ist, den Mystique umbringen will, sondern ein gewisser Senator Kelly – wir erinnern uns dunkel an die beiden Singer-Filme. Nebenbei bemerkt, in den Comics ist Trask nicht kleinwüchsig, aber ich denke, niemand außer den Hardcore-Puristen stört das, wenn Peter Dinklage die Rolle spielt. Viel interessanter ist, dass in „The Last Stand“ ebenfalls ein Bolivar Trask auftaucht (nicht kleinwüchsig, dafür aber Afroamerikaner, gespielt von Bill Duke), der mit den Sentinels allerdings nichts zu tun hat. Wahrscheinlich sollte man das als Zufall werten. Im Comic fehlt ebenfalls der ganze weltpolitische Überbau mit Nixon, JFK etc., ebenso wie Magneto, der lediglich in der Zukunftsrahmenhandlung auftaucht.
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Bolivar Trask in den Comics

Die vielleicht gravierendste Änderung findet sich allerdings am Ende: Für die Zukunfts-X-Men im Comic gibt es kein Happy-End; wie sich die Zukunft nach dem gescheiterten Attentat verändert, bleibt offen, während wir im Film eine kurze Szene zu sehen bekommen, in welcher noch alle X-Men auftauchen, die bisher noch nicht zu sehen waren, mit der Ausnahme von Nightcrawler und Angel.
Im Großen und Ganzen muss ich sagen, dass mir die Umsetzung des Grundplots im Film besser gefällt als im Comic. Die Idee ist heute noch mehr als damals alles andere als revolutionär, insbesondere, da es seit dem erscheinen der beiden Hefte vier Terminator-Filme gab, die einem ähnlichen Handlungsmuster folgen, aber die Geschichte hat zweifelsohne viel Potential, das in der Vorlage in meinen Augen bei Weitem nicht ausgeschöpft wird.

Der Gordische Knoten: Die Kontinuität der X-Men-Filme
Die X-Men-Filme sind nicht gerade ein Musterbeispiel an stimmiger Kontinuität. Während die Trilogie noch halbwegs in sich konsistent ist, fangen die Probleme bei „X-Men Origins: Wolverine“ bereits an, wirklich problematisch wird es allerdings mit „X-Men: First Class“, da er sich einerseits an den bisherigen Filmen zu orientieren scheint (Hinweis hierauf sind Mystiques Aussehen, die Cameos von Hugh Jackman und Rebecca Romjin, die Reproduktion der Konzentrationslagerszene u.ä.), andererseits gibt es aber einige massive Kontinuitätsschnitzer. Selbst wenn man annimmt, dass „First Class“ nur die beiden Singer-Filme akzeptiert, gibt es einige Probleme, da Xavier in „X-Men“ beispielsweise behauptet, er hätte Magneto mit 17 Jahren kennen gelernt und dieser hätte ihm dabei geholfen, Cerebro zu bauen. In „First Class“ ist beides nicht der Fall, Xavier ist wesentlich älter, als er Magneto kennen lernt und Cerebro – zumindest der Prototyp – wurde von Hank McKoy gebaut. Ebenso ist Xavier in „X-Men“ überrascht, dass Magneto durch seinen Helm gegen Telepathie immun ist, während er in „First Class“ dabei war, als Magneto den Helm erwarb. Auch scheint es merkwürdig, dass Xavier und Mystique zusammen aufgewachsen sind, wo sie ihn in „X-Men“ doch bereitwillig vergiftet.
Manche der Kontinuitätsprobleme werden durch „X-Men: Days of Future Past“ gelöst, andere werden ignoriert (etwa der 17-jährige Xavier). Wer sich in der Film-Kontinuität allerdings nicht gut auskennt und mit Zeitreisen Probleme hat, der könnte nach der Sichtung von „Days of Future Past“ etwas verwirrt sein, denn Singers Film tut dasselbe wie J. J. Abrams‘ „Star Trek“: Durch Wolverines Reise in die Vergangenheit wird eine neue Zeitlinie gestartet.
Betrachten wir zuerst einmal, wo wir zu Beginn des Films stehen. Die dystopische Zukunft gehört zur ursprünglichen Zeitlinie, in der mit einer Ausnahme alle bisherigen X-Men-Filme spielen – Singer und sein Drehbuchteam machen im Verlauf des Films ziemlich klar, dass „X-Men Origins: Wolverine“ so, wie der Film ist, nicht mehr zur Kontinuität gehört, deswegen werde ich ihn im Folgenden auch nicht mehr beachten.
Die ursprüngliche Zeitlinie beginnt mit „X-Men: First Class“, die Welt wird durch die Kuba-Krise zum ersten Mal auf Mutanten aufmerksam. Danach spielen sich die Ereignisse so ab, wie Xavier und Magneto sie zu Beginn von „Days of Future Past“ schildern: Mystique tötet Bolivar Trask, wird gefangengenommen und mithilfe ihrer DNS werden die Sentinels weiterentwickelt – dieser Prozess erstreckt sich wohl über mehrere Jahrzehnte. Xavier erklärt, dass Raven Darkholme an dem Tag, an dem sie Trask tötet, erst wirklich zu Mystique wird. Ihre folgende Gefangenschaft, die Experimente etc. sorgen dafür, dass sie zu der kalten Killerin wird, die sie in der ursprünglichen Trilogie ist.
Das Serum, das Xavier sich spritzt, um seine Telepathie auszuschalten, sorgt auch dafür, dass die Rückblickszene mit dem laufenden Xavier zu Beginn von „The Last Stand“ wieder funktioniert: In der alten Zeitlinie muss Xavier seine Depressionen selbst überwunden haben (vielleicht ausgelöst durch den Mord an Trask?) und die Dosis zumindest reduziert haben. An Beast sehen wir ja, dass eine geringere Dosis seine Kräfte nicht völlig ausschaltet. Xavier nimmt das Serum bis in die 80er, reduziert dann aber irgendwann die Dosis immer weiter und entscheidet schließlich, dass er es überhaupt nicht mehr braucht oder will. Auch eine zeitweilige Versöhnung mit Magneto scheint zwar nicht besonders wahrscheinlich, aber immerhin nicht völlig ausgeschlossen.
Es folgen die Ereignisse von „X-Men“, „X2: X-Men United“ und „X-Men: The Last Stand“: Der Ellis-Island-Vorfall, die Sache mit Stryker und schließlich das Heilmitel und das Erwachen von Dark Phoenix. Ebenfalls zu dieser Zeitlinie gehört James Mangolds „The Wolverine“, das auf den Ereignissen von „The Last Stand“ aufbaut und in der Mid-Credits-Szene wiederrum auf „Days of Future Past“ hindeutet. Zwischen „The Last Stand“ (bzw. „The Wolverine“) und dem Anfang von „Days of Future Past“ fehlt nun praktisch ein Film – zumindest empfinde ich es so, denn es gibt ein paar Lücken. Die Lösung für Fragen wie „Warum lebt Xavier noch?“ wird zwar angedeutet (in der Post-Credits-Szene von „The Last Stand“ erfährt man, dass er sein Bewusstsein in einen anderen Körper transferiert hat), aber es wird doch auch vieles offen gelassen, etwa weshalb Kitty Pryde plötzlich Zeitreisefähigkeiten hat. Am Ende dieser primären Zeitlinie steht die finstere Zukunft, in der die Mutanten von den Sentinels gejagt und nach und nach vernichtet werden.
Dann wird Wolverines Geist in den Körper seines früheren Ichs geschickt, und damit beginnt die neue, sekundäre Zeitlinie. Während des Films laufen, vor allem aus dramaturgischen Gründen, sowohl die alte als auch die neue Zeitlinie parallel zueinander – ob das nun logisch ist sei einmal dahingestellt, aber immerhin wird es, im Gegensatz zu vielen anderen Zeitreisefilmen, wenigstens erwähnt und erklärt.
Zur sekundären Zeitlinie gehören nach wie vor die Ereignisse von „X-Men: First Class“ und der Teil von „Days of Future Past“, der im Jahr 1973 spielt. Alle anderen Filme gehören allerdings nicht mehr dazu.
Im Internet existiert noch eine weitere Theorie, um die oben erwähnten Kontinuitätsprobleme zu Erklären: Ihr zufolge gibt es nicht zwei, sondern drei Kontinuitäten. In der ersten, die von den anderen völlig losgelöst ist, spielen „X-Men Origins: Wolverine“, „X-Men“, „X2: X-Men United“ und „X-Men: The Last Stand“. Zur zweiten gehören „X-Men: First Class“, „The Wolverine“ und die Zukunftsteile von „Days of Future Past“. Zwischen „First Class“ und „The Wolverine“ finden Ereignisse statt, die denen der ursprünglichen Trilogie sehr ähnlich, aber nicht mit ihnen identisch sind. Die dritte Kontinuität ist die oben beschriebene, durch Wolverines Zeitreise veränderte. Vermutlich ist diese Theorie für den gemeinen Filmschauenden wahrscheinlich ein wenig zu pedantisch.
Am Ende von „Days of Future Past“ erhalten wir noch einen kleinen Ausblick auf die Zukunft der sekundären Zeitlinie, die nicht allzu viel verrät, die aber immerhin einige Schlüsse zulässt und zu Vermutungen anregt: Die Ereignisse von „X-Men“ und „X2: X-Men United“ könnten in groben Zügen in dieser Kontinuität ebenfalls passiert sein, allerdings nicht identisch wie in den alten Filmen. Das zeigt sich zum Beispiel daran, dass Wolverine Teil der X-Men ist und Rogue weiße Strähnen hat und mit Bobby Drake/Iceman zusammen ist. Die Ereignisse von „The Last Stand“ dagegen haben sich gar nicht oder zumindest anders abgespielt, da Jean und Cyclops noch leben. Ich persönlich glaube allerdings, dass man diesen Ausblick nur als mögliche Zukunft verstehen sollte, schon allein weil man nicht weiß, was in zukünftigen Filmen noch alles passiert.
Betrachten wir zum Schluss noch einmal, wie „Days of Future Past“ im Jahr 1973 endet und was das für die sekundäre Zeitlinie und die kommenden X-Men-Filme bedeuten könnte. Xavier eröffnet seine Schule wieder, was zu erwarten war. Das heißt, dass wir in „X-Men: Apocalypse“, dem bereits angekündigten Sequel zu „Days of Future Past“, wieder ein funktionsfähiges X-Men-Team unter Leitung des McAvoy-Xaviers zu sehen bekommen werden. Da Magneto entkommt, könnte auch die Bruderschaft wieder auftauchen, mögliche Kandidaten gab es im Film bereits zu sehen, etwa eine jüngere Version von Toad.
Die interessanteste Frage ist nun, wie sich Mystique wohl entwickelt. Sie hat weder Trask noch Magneto getötet und sich mit Xavier zumindest teilweise versöhnt. Vermutlich wird sie sich nicht erneut der Bruderschaft anschließen. Am Ende des Films hat sie die Gestalt des jungen William Stryker angenommen, was auch Fragen bezüglich Logans weiterem Schicksal aufwirft. Bekommt er nun kein Adamantium-Skelett?
Wie auch immer sich die neue Zeitlinie entwickelt, nun ist klar, wie Bryan Singer und Co. den Kontinuitätsknoten des X-Men-Filmuniversums gelöst haben, nämlich genau so, wie Alexander der Große es mit dem Gordischen Knoten getan hat: Sie haben ihn durchgehauen, in dem sie mit „Days of Future Past“ einen Quasi-Reboot initialisiert haben. Diese Lösung ist zweifelsohne reichlich unelegant, ermöglicht aber nun weitere X-Men-Filme ohne den Ballast der bisherigen Teile. Nun stellt sich allerdings noch die Frage, in welcher Kontinuität der dritte Wolverine-Film spielen wird, der für 2017 angekündigt ist und bei dem James Mangold wieder Regie führen soll. Wird er als Sequel zu „The Wolverine“ konzipiert und spielt damit in der primären Zeitlinie, oder spielt er in der sekundären Zeitlinie und steht in irgendeiner Form mit „X-Men: Apcoalypse“ in Verbindung? Only time can tell.

Siehe auch:
X-Men
X-Men: First Class
Wolverine: Weg des Kriegers
X-Men: Days of Future Past
X-Men: Days of Future Past – Soundtrack

X-Men: Days of Future Past – Soundtrack

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Tracklisting:

01. The Future – Main Titles
02. Time’s Up
03. Hope (Xavier’s Theme)
04. I Found Them
05. Saigon/Logan Arrives
06. Pentagon Plan/Sneaky Mystique
07. He Lost Everything
08. Springing Erik
09. How Was She
10. All Those Voices
11. Paris Pandemonium
12. Contacting Raven
13. Rules of Time
14. Hat Rescue
15. Time’s Up (Film Version)
16. The Attack Begins
17. Join Me
18. Do What You Were Made For
19. I Have Faith In You/Goodbyes
20. Welcome Back/End Titles
21. Time in a Bottle (written and performed by Jim Croce)
22. The First Time Ever I Saw Your Face (written by Ewan MacColl, performed by Roberta Flack)

Auf John Ottmans Rückkehr als X-Men-Komponist hatte ich mich sehr gefreut, denn wie kaum einem anderen Franchise mangelt es den X-Men-Filmen an musikalischer Identität, alle bisherigen Filme wurden von verschiedenen Komponisten vertont, ohne dass es je einen Rückbezug auf das leitmotivische Material der anderen gegeben hätte.
Die gute Nachricht: John Ottman schafft ein Minimum an musikalischer Kontinuität, da er sein X-Men-Thema aus „X2: X-Men United“ wieder aus der Versenkung holt. Er zitiert sogar einmal scheinbar Henry Jackmans Magneto-Thema (in der zweiten Hälfte von Time’s Up (Film Version)), wenn auch in einer Szene, in der Magneto gar nicht auftaucht – wahrscheinlich ist es lediglich ein ähnliches Konstrukt.
Die schlechte Nachricht: Der restliche Soundtrack taugt praktisch nichts. Ich weiß nicht, wem man hier die Schuld geben muss: John Ottman, weil er derartig uninspirierte, ja geradezu langweilige Musik komponiert hat oder Bryan Singer oder dem Studio weil sie wohl wieder einmal die Verwendung der Zimmer’schen Stilmittel befohlen haben.
„X-Men: Days of Future Past“ wirkt, als hätte Singer sich nicht von seinen Temp-Tracks trennen können, sowohl auf dem Album als auch im Film ist die Musik fürchterlich inkohärent, ein nicht wirklich zusammenpassender Mischmasch verschiedener Stile. So klingt Time’s Up stark nach Ramin Djawadis „Pacific Rim“ während Hope (Xavier’s Theme) eine kaum veränderte Einspielung des Stückes Time aus „Inception“ ist (welches von Hans Zimmer ohnehin ständig verwendet wird, u.a. in „12 Years a Slave“, „The DaVinci-Code“ und „The Thin Red Line“). Traurigerweise hört man John Ottmans kompositorische Stimme kaum heraus.
Leider findet sich auch sonst alles, was dafür sorgt, dass der Großteil der Filmmusik der heutigen Zeit völlig austauschbar klingt: Simple Konstrukte, gleichförmige Ostinati, das durch „Inception“ populär gewordene „Horn of Doom“, Wummern, Dröhnen und der übermäßige und unnötige Einsatz von elektronischer Orchestermanipulation und Percussion-Loops.
Und als ob das alles nicht schon ausreichen würde, ist „X-Men: Days of Future Past“ auch noch aus narrativer Hinsicht völlig uninteressant. Wie bereits erwähnt verwendet Ottman sein X-Men-Thema wieder, dies tut er allerdings nur in Vor- (The Future – Main Titles) und Abspann (Welcome Back/End Titles). Während des Films selbst wird das Thema nur ein, zwei Mal angedeutet (etwa in Do What Your Were Made For). Der Rest des Scores ist fast völlig austauschbar und substanzlos. Gerade im Vergleich zu Henry Jackmans Musik zu „X-Men: First Class“ fällt auf, wie anonym, unmarkant und schlicht langweilig diese Musik ist. Jackmans Arbeit war weit davon entfernt, ein Meisterwerk zu sein, aber die Verwendung seines X-Men- und seines Magneto-Themas war äußerst wirkungsvoll, und darüber hinaus hat seine Musik Spaß gemacht. Gerade das Magneto-Thema hätte in „Days of Future Past“ an einigen Stellen extrem gut gepasst, auch ein stärkerer Einsatz von Ottmans Hauptthema hätte diesem Film gut getan.
Fazit: Ottmans zweiter X-Men-Soundtrack ist eine kolossale Enttäuschung und bleibt weit hinter seiner Musik zum zweiten X-Men-Film sowie den Kompositionen John Powells oder Henry Jackmans für das Franchise zurück.

Siehe auch:
X-Men: Days of Future Past
X-Men: Days of Future Continuity
Marvel-Musik Teil 1: X-Men

X-Men: Days of Future Past

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Story: In naher Zukunft stehen die Mutanten kurz vor der Auslöschung, nur noch wenige, unter Führung von Charles Xavier (Patrick Stewart) und Magneto (Ian McKellen), können sich gegen die Sentinels, übermächtige, Mutanten-jagende Killerroboter, behaupten. Aus diesem Grund beschließen sie, mit der Hilfe von Kitty Pryde (Ellen Page), Wolverine (Hugh Jackman) in die Vergangenheit zu schicken, um zu verhindern, dass es jemals zu diesem Krieg kommt. Wolverine erwacht im Körper seines jüngeren Selbst im Jahr 1973 und muss nun sowohl Xavier (James McAvoy) als auch Magneto (Michael Fassbender) davon überzeugen, ihm dabei zu helfen das zu verhindern, was die düstere Zukunft ausgelöst hat: Zusammen müssen sie Mystique (Jennifer Lawrence) daran hindern, Bolivar Trask (Peter Dinklage), den Erfinder der Sentinels, zu töten…

Kritik: Der bereits siebte Film des X-Men-Film-Franchise (die beiden Wolverine-Filme mitgerechnet) markiert die Rückkehr von Bryan Singer auf den Regiestuhl, der die Filmreihe damals, vor langer, langer Zeit, startete. Während die ersten beiden X-Men-Filme fast durchweg positiv aufgenommen wurden, verhält es sich mit den diversen Nachfolgern und Spin-offs anders. „X-Men 3“ und „X-Men Origins: Wolverine“ werden von Fans der Filme und Comics fast rundheraus abgelehnt. „X-Men: First Class“ und „The Wolverine“ dagegen sind eher umstritten, für manche setzen sie den Abwärtstrend fort, für andere sind sie dagegen eine Rückkehr zu alter Stärke.
In diesem Zusammenhang hat sich Bryan Singer viel vorgenommen und auch viel versprochen. „X-Men: Days of Future Past“ sollte nicht nur alle anderen X-Men-Filme übertreffen, sondern auch die Fehler korrigieren, die man nach Singers Abgang gemacht hatte. Und was bietet sich da besser an als ein Zeitreiseplot? Dieser sorgt allerdings auch dafür, dass das Verhältnis dieses Films zu seinen Vorgängern ziemlich kompliziert ist, weshalb ich in absehbarer Zeit einen eigenen Artikel zur Kontinuität des X-Men-Film-Universums schreiben werde, auch, damit dieser Artikel spoilerfrei bleibt. Aus diesem Grund wird die Frage, ob Singer es geschafft hat, den Kontinuitätsknoten dieses Franchise zu entwirren, hier noch nicht beantwortet, stattdessen liegt der Fokus auf dem Film selbst.
Es freut mich sagen zu können, dass „X-Men: Days of Future Past“ mich im Großen und Ganzen überzeugt hat. Nach „The Amazing Spider-Man 2“ hatte ich schon befürchtet, dass man hier etwas Ähnliches veranstalten würde, da auch Fox auf ein großes filmisches Superheldenuniversum schielt. Dem ist allerdings nicht so.
Singer verbindet gekonnt die Stärken seiner X-Men-Filme mit denen von Matthew Vaughns „X-Men: First Class“. Die Rahmenhandlung, die in einer dystopischen Zukunft spielt, führt die eher düstere, farblose Herangehensweise der Singer-Filme zum Höhepunkt, während die Handlung in den 70ern ganz klar auf der Stimmung von Vaughns Film aufbaut.
Darstellerisch hat Singer ein enormes Ensemble versammelt. Viele der Figuren aus der ursprünglichen Trilogie haben wenigstens einen kurzen Cameo-Auftritt, selbst Brian Cox‘ William Stryker darf in einem Flashback kurz sein Gesicht zeigen. Trotz der vielen Figuren wirkt dieser Film allerdings nicht überladen und ist auch sehr angenehm strukturiert.
Der Fokus liegt allerdings eindeutig auf Wolverine, Mystique und den jungen Versionen von Xavier und Magneto. Dabei kann man durchaus bemängeln, dass es schon wieder Wolverine ist, der im Zentrum steht. Besonders Fans von Kitty Pryde/Shadowcat waren damit unzufrieden, da sie es in der gleichnamigen Comicvorlage (mit der dieser Film allerdings bis auf die Grundidee nur wenig gemein hat) ist, die in die Vergangenheit reist. Im Verlauf der Geschichte wird allerdings klar, dass Xavier die eigentliche Hauptperson ist – Wolverine ist während des Finales nicht einmal bei Bewusstsein. Die Darsteller sind alle solide bis sehr gut, vor allem die Chemie zwischen Fassbender und McAvoy, der sich gegenüber „X-Men: First Class“ noch einmal ordentlich gesteigert hat, ist hervorragend. Besonders erwähnenswert ist Evan Peters als Quicksilver, der während seines Einsatzes allen die Show stiehlt. Schade, dass er nicht öfter vorgekommen ist, allerdings hätte sein weiteres Mitwirken vieles zu einfach gemacht.
Ebenfalls erfreulich: Endlich mal wieder ein Superheldenfilm, in dem nicht eine ganze Stadt in Schutt und Asche gelegt wird. Die Action ist wohldosiert, an manchen Stellen etwas konservativ, an anderen aber, gerade im vergleich zu Singers anderen X-Men-Filmen, ziemlich kreativ und amüsant. Zu nennen wären hier vor allem die grandiose Szene mit Quicksilver und Blinks Portalkämpfe.
Einige Kritikpunkte gibt es dann allerdings doch: Viele der neuen Figuren sind zwar interessant, werden aber kaum beleuchtet. Am stärksten trifft dies Bolivar Trask. Peter Dinklage spielt wie gewohnt gut, aber die Figur bleibt zu blass, die Motivation zu unklar.
Auch mit dem Design der Sentinels bin ich nicht ganz einverstanden, allerdings haben sie mir in den Comics auch nicht wirklich gefallen, gerade die klassische Version fand ich immer leicht dämlich. Allgemein hätte ich gerne noch mehr über die finstere Zukunft erfahren, und es gibt wohl auch noch einiges an Material. Vielleicht wird irgendwann ein Director’s Cut veröffentlicht.
Und schließlich bekommt man noch den Eindruck, dass zwischen den Filmen zu viel geschehen ist, die Antworten auf manche Fragen werden nur angedeutet, andere werden gar nicht beantwortet und viele der First-Class-Figuren sind zwischen den Filmen einfach gestorben, was irgendwie schade ist. Dennoch sind all diese Kritikpunkte kaum der Rede wert.
Fazit: Gelungene Fortführung des X-Men-Filmfranchise, vielleicht in der Tat der bisher beste X-Men-Film, bei dem sowohl Fans der Singer-Filme als auch Anhänger von „First Class“ auf ihre Kosten kommen können. Eine ausführliche Analyse der Kontinuität der Filmreihe und ein Vergleich zur Vorlage folgt in Kürze.

Trailer

Siehe auch:
X-Men: Days of Future Continuity
X-Men: Days of Future Past – Soundtrack
X-Men
X-Men: First Class
Wolverine: Weg des Kriegers

Marvel-Musik Teil 1: X-Men

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Zum gegenwärtigen Zeitpunkt gibt es drei florierende Film-Franchises, die auf den Marvel-Comics basieren: X-Men, Spider-Man und das Marvel Cinematic Universe. Die ersten beiden stammen aus Zeiten, als der Marvel-Verlag die Filmrechte seiner Figuren noch an andere Studios verkaufte, das dritte ist das Produkt der äußerst erfolgreichen Selbstverwertung durch die Marvel-Studios. Über diese Filme, die Art und Weise, wie sie vermarktet werden und so ziemlich jeden anderen Aspekt kann man viel und noch viel mehr schreiben (was ich auch bereits getan habe). Über einen Aspekt habe ich bisher allerdings noch kaum gesprochen: Die Filmmusik. Wer seit längerem meinen Blog verfolgt, weiß, dass ich ein Fan der Leitmotivtechnik bin und es mag, wenn es innerhalb des fiktionalen Universums nicht nur inhaltliche, sondern auch musikalische Kontinuität gibt. Interessanterweise ist das etwas, worauf die Filmstudios kaum achten. Im Rahmen der Artikelreihe „Marvel-Musik“ werde ich mich mit der musikalischen Gestaltung der drei oben erwähnten erfolgreichen Franchises aueinandersetzen. Dies werden keine Soundtrack-Reviews im herkömmlichen Sinn, sondern eher subjektiv gefärbte musikalische Bestandsaufnahmen, deren Fokus freilich bei der thematischen Kontinuität liegt – aus diesem Grund ist das Ganze auch jeweils nach Komponisten und nicht nach einzelnen Filmen geordnet (was bei den X-Men allerdings ohnehin keinen Unterschied macht).
Die X-Men, vertrieben von Fox, sind nicht nur das älteste und langlebigste der Marvel-Film-Franchises, sondern auch das, welches am wenigsten Kontinuität besitzt, da jeder einzelne der bisher erschienenen sechs Filme von einem anderen Komponisten vertont wurde.

Michael Kamen

Der Film, der die noch immer anhaltende Welle an Superheldenverfilmungen startete, erwies sich musikalisch als recht problematisch. Regisseur Bryan Singer wollte ursprünglich John Ottman, mit dem er bereits an „Der Musterschüler“ zusammengearbeitet hatte, für die Musik, dieser war jedoch nicht verfügbar, weshalb schließlich der 2003 verstorbene Michael Kamen angeheuert wurde. Dessen erstes Konzept, ein sehr symphonischer, von Williams‘ „Superman“ und Elfmans „Batman“ beeinflusster Score, wurde vom Studio abgelehnt, das eine abstraktere und elektronischere Herangehensweise bevorzugte, möglicherweise angelehnt an Don Davis‘ Musik für „Matrix“. Zwar gibt es Themen, diese sind jedoch unterentwickelt – auf dem kommerziellen Soundtrack-Album noch mehr als im Film – dort ist nicht einmal ein „reines“ Statement des Hauptthemas zu finden. Stattdessen gibt es viel elektronisch verfremdetes Ambiente und düstere, abstrakte Klänge.
Kamen geht thematisch einen relativ einfachen Weg: Die beiden Hauptthemen des Soundtracks gelten den X-Men und der Bruderschaft. Das X-Men-Thema ist dabei ziemlich gut gelungen, denn es klingt einerseits durchaus heroisch, andererseits aber auch verzweifelt – es scheint mitunter fast, als müsse sich das Orchester zwingen, das Thema zu spielen, ebenso wie sich die X-Men zwingen müssen, Helden zu sein. Das Bruderschafts-Thema dagegen ist eine ziemlich merkwürdige, synthetische Marschkonstruktion, die wenig eingängig ist und sich nur recht schwer vom Rest unterscheidet. Das Hauptproblem beider Themen ist allerdings der Mangel an Entwicklung. Daneben gibt es noch einige weitere sekundäre thematische Ideen, u.a. für Logan und Rogue, deren Potential allerdings ebenfalls nicht ausgeschöpft wird. Kamens Musik und seine Themen wirken zusammen mit dem Film recht gut, aus dem Kontext gerissen allerdings weniger ansprechend. Und selbst im Film erschwert die elektronische Manipulation der Musik oftmals den emotionalen Zugang, sodass Kamens Musik zu „X-Men“ recht kalt daherkommt.

John Ottman

Für den zweiten X-Men-Film konnte Singer schließlich seinen bevorzugten Komponisten gewinnen, mit dem er später auch zusammen an Filmen wie „Operation Walküre“ und „Superman Returns“ arbeitete. „X2: X-Men United“ verzichtet auf die Verwendung der elektronischen Elemente und ist rein orchestral. Von diesem stilistischen Merkmal einmal abgesehen unterscheidet sich Ottmans Herangehensweise allerdings nicht allzu sehr von der Kamens, obwohl er dessen Themen verwirft.
Abermals gibt es ein X-Men-Thema, das sogar eine gewisse Ähnlichkeit zu Kamens aufweist, allerdings eindeutiger heroisch ist. Mir persönlich gefällt dieses X-Men-Thema von den vier, die zur Auswahl stehen, am besten, das Problem ist allerdings abermals die Verarbeitung: „X2: X-Men United“ gibt, so gut er auch sonst ist, leider kaum Gelegenheit, dieses Thema wirklich sinnvoll einzusetzen, da die X-Men den Film über in Kleingruppen unterwegs sind. Meistens taucht das Thema nur fragmentarisch auf, es fehlen leider die wirklich heroischen Einsätze, die dieses Thema am Anfang des Films zu fordern scheint. Es gibt noch weitere Themen, u.a. für Magneto, Mystique und Lady Deathstrike, doch diese haben alle ähnliche Probleme wie das Hauptthema des Films: Sie wirken unterentwickelt. Darüber hinaus sind sie relativ schwer wahrnehmbar und nicht besonders markant. Möglicherweise spekulierte Ottman ja darauf, diese Themen im zweiten X-Men-Sequel weiterentwickeln zu können, wozu es aber nie kam. Trotz dieser Probleme ist der zweite Soundtrack der Reihe in meinen Augen weitaus zugänglicher und besser hörbar als der erste. Sehr viel mehr als bei Kamen wäre hier Potential gewesen, das hätte ausgebaut werden können…

John Powell

Da Bryan Singer statt eines dritten X-Men-Films lieber „Superman Returns“ drehen wollte (und John Ottman gleich mitnahm), sprang Brett Ratner ein und lieferte ein eher enttäuschendes Finale der Trilogie. Ein Aspekt von „X-Men: The Last Stand“, das jedoch absolut nicht enttäuschend ist, ist die von John Powell komponierte Musik, wenn man davon absieht, dass es abermals kaum Kontinuität zum Vorgänger gibt.
Powell gilt, wie sich an diesem speziellen Score zeigt, zurecht als einer der besten und innovativsten Abkömmlinge der Hans-Zimmer-Schule, aus der auch die nächsten beiden X-Men-Komponisten stammen. Als er an die Aufgabe, für einen X-Men-Film den Soundtrack zu komponieren heranging, entschied er sich wohl dafür, aus den Vollen zu schöpfen, denn seine Arbeit ist unheimlich komplex, beeindruckend und wartet mit tollen Themen auf. Vom zurückhaltenden, eher elektronischen Ansatz Kamens entfernte sich Powell noch weiter, als John Ottman dies Tat, und wartet stattdessen mit voller, orchestraler Wucht auf. Seine Musik wirkt dabei mitunter fast schon verschwenderisch, wie sich zum Beispiel an Angels Thema zeigt. Besagter Mutant hat im Film eigentlich nur drei, vier recht kurze Auftritt, bekommt aber ein brillantes Leitmotiv, das ohne Probleme einen Angel-Solofilm hätte stemmen können.
Für die X-Men komponierte Powell abermals ein neues Gruppenthema, das vage an Ottmans erinnert, allerdings ein wenig energetischer und dafür weniger heroisch ist. Und wie bei Ottman ist es ein wenig unterentwickelt, da es, aufgrund der Handlung, einfach nicht oft genug zum Einsatz kommen kann; dennoch gibt es die eine oder andere nette Action-Variation und auch einen angemessenen traurigen Einsatz bei Tod und Begräbnis von Charles Xavier.
Der eigentliche Star, und ebenso das dominanteste Leitmotiv, ist jedoch das Phönix-Thema, ein zugleich bedrohliches und tragisches Stück, das gekonnt in die Struktur des Soundtracks eingewoben und kreativ variiert wird.
Somit ist Powells Arbeit sowohl der thematisch befriedigendste als auch der komplexeste X-Men-Score – in der Tat bin ich der Meinung, dass dieser Soundtrack für dritten X-Men-Film zu gut ist.

Harry Gregson-Williams

Wie auch John Powell entstammt Harry Gregson-Williams der Hans-Zimmer-Schule und gehört in den Augen vieler zu den besten „Absolventen“ – allein schon wegen seiner Musik zu Ridley Scotts „Königreich der Himmel“. Seine Arbeit für das erste X-Men-Spin-off (Regie: Gavin Hood), in dessen Zentrum freilich kein anderer als der klauenbewährte Kanadier Wolverine steht, ist allerdings sowohl von „Königreich der Himmel“ als auch von den X-Men-Soundtracks von John Powell und John Ottmann qualitativ ziemlich weit entfernt; die Musik zu „X-Men Origins: Wolverine“ lässt sich am besten als „Gregson-Williams auf Autopilot“ beschreiben. Gregson-Williams wendet sich von den eher organischen Ansätzen seiner Vorgänger ab und baut mehr auf Elektronik. Leider ist das Ergebnis eher dröge. Am hervorstechendsten ist noch das Thema für Logan, das durchaus gut ins Ohr geht – für einen Helden wie Wolverine allerdings ein wenig unpassend klingt, da es sich irgendwie nach „Königreich der Himmel“ und „König der Löwen“ anhört. Davon einmal abgesehen ist „X-Men Origins: Wolverine“ leitmotivisch ziemlich uninteressant. Es gibt noch einige, kaum entwickelte weitere Ideen, etwa den Ansatz eines Liebesthemas, doch diese sind nicht wirklich hervorstechend.
Auch Gregson-Williams kümmert sich nicht wirklich um musikalische Kontinuität zu den anderen Filmen; zugegebenermaßen gibt allerdings auch so gut wie keine Gelegenheit, eines der Leitmotive von Kamen, Ottman oder Powell aufzugreifen.

Henry Jackman

Für den Ausflug in die Gründungszeit der X-Men wandte sich Regisseur Matthew Vaughn an einen weiteren Zimmer-Zögling. Mit Henry Jackman hatte er bereits an „Kick-Ass“ gearbeitet, und diese Partnerschaft setzten sie fort.
Jackman orientierte sich abermals nicht an bereits bestehenden leitmotivischen Konstrukten (mit einer Ausnahme, in dem Stück Mobilise for Russia zitiert er kurz Kamens X-Men-Thema), wählte aber einen ähnlichen Ansatz wie Michael Kamen: Der Soundtrack wird von zwei Themen dominiert, einem heroischen Gruppenthema für die X-Men und einem eher negativen Thema, das allerdings nicht Sebastian Shaw, dem eigentlichen Schurken des Films, gilt, sondern Magneto.
Jackmans Musik, die stark von der E-Gitarre dominiert wird, ist unterhaltsamer als Gregson-Williams‘ Wolverine-Material, allerdings ist es auch ein ziemlich stereotyper Remote-Control-Soundtrack, der seinen Zweck im Film erfüllt, darüber hinaus allerdings kaum etwas zu bieten hat. In der Tat teilt er viele Schwächen des derzeitigen RCP-Outputs: Die Themen klingen mitunter eher wie die Begleitung zu einem Thema als wie ein richtiges Leitmotiv (eine Schwäche, die zum Beispiel auch Ramin Djawadis „Kampf der Titanen“ plagt). Im Fall von Magnetos E-Gitarren-lastigem Thema trifft dies in der Tat zu. Das, was im fertigen Soundtrack Magnetos Thema ist, war ursprünglich die Begleitung, Matthew Vaughn gefiel die vorgesehene Melodie allerdings nicht, weshalb aus der Begleitung das Thema wurde. Interessanterweise funktioniert das bei Magnetos Thema allerdings noch recht gut, es ist zwar sehr simpel, aber unleugbar kräftig und distinktiv, während das Jackmans X-Men-Thema äußerst austauschbar und uneigenständig daherkommt, besonders, wenn man es mit den anderen drei von Kamen, Ottman und Powell vergleicht.

Marco Beltrami

Egal wie man zu Marco Beltramis Musik für Wolverines zweiten Solo-Film steht, eins ist nicht zu leugnen: Sie unterscheidet sich fundamental von allem, was bisher im Franchise zu hören war. Beltrami, der für The-Wolverine-Regisseur James Mangold u.a. die Musik für „Todeszug nach Yuma“ komponierte und mit „Hellboy“ und „Blade II“ auch schon Comicerfahrungen sammelte, wählte für diesen Film einen Ansatz, der das Hören dieses Soundtracks außerhalb des Films zu einer eher schwierigen Erfahrung macht. Beltrami setzt weniger auf Leitmotive und mehr auf extrem harsche orchestrale Strukturen, versetzt mit japanischen Instrumenten wie der Taiko-Trommel. Das Endergebnis ist zweifellos interessant und funktioniert im Film halbwegs akzeptabel, ist allerdings als reines Hörerlebnis ziemlich anstrengend.
Ein Thema für Wolverine existiert zwar, allerdings ist es recht fragmentarisch, unmarkant und sehr schwer herauszuhören, am deutlichsten kommt es im vorletzten Stück des Albums, Where To?, zur Geltung. Interessanterweise ist es Harry Gregson-Williams‘ Wolverine-Thema gar nicht so unähnlich – es stellt sich nur die Frage, ob das absichtlich oder zufällig ist.

Ausblick und Fazit
Durch die Komponistenwechsel existiert im X-Men-Film-Franchise leider fast keine stilistische oder leitmotivische Kontinuität. Kamen, Ottman, Powell, Gregson-Williams, Jackman und Beltrami versuchen gewissermaßen alle, das Rad jedes Mal neu zu erfinden, mit gemischten Resultaten. Das könnte sich allerdings ändern. Bryan Singer kehrt für „X-Men: Days of Future Past“ zu Marvels Mutanten zurück, und es wurde bereits bestätigt, dass er John Ottman mitbringt. Ich erwarte zwar nicht, dass Ottman die Themen der anderen Komponisten verwendet (obwohl ich es begrüßen würde), aber ich denke, die Chancen stehen nicht schlecht, dass er zumindest sein eigenes Material als Grundlage verwendet und so ein wenig Kontinuität ins X-Men-Universum bringt.

Siehe auch:
Marvel-Musik Teil 2: Iron Man
X-Men: Days of Future Past – Soundtrack
X-Men
X-Men: First Class
Wolverine: Weg des Kriegers