Art of Adaptation: The Vampire Lovers

Ich werde nicht müde zu betonen, wie essentiell Sheridan Le Fanus Novelle „Carmilla“ für das Vampir-Genre ist, sei es direkt oder indirekt. Wie „Dracula“ wurde auch „Carmilla“ einige Male adaptiert, wenn auch bei Weitem nicht so häufig und so medienwirksam wie Stokers Graf. Dennoch finden sich einige Adaptionen, die nicht nur den Vergleich mit der Vorlage lohnen, sondern zugleich auch zeigen, wie sich der Umgang mit der Thematik von Le Fanus Novelle und die Darstellung des Stereotyps „lesbischer Vampir“ geändert hat. Die wohl prominenteste Adaption von „Carmilla“ stammt von Hammer Film Productions, dem Studio, das uns mehr Dracula-Filme als jedes andere beschert hat. Eine Umsetzung der Novelle, die Stoker massiv beeinflusst hat, schein da sehr logisch zu sein. Das Ergebnis trägt den Titel „The Vampire Lovers“ und erschien 1970. Basierend auf dem Erfolg des Films drehte Hammer zwei Pseudofortsetzungen, die zwar relativ wenig mit „Carmilla“ zu tun haben, aber zumindest die Thematik weiterführen und in denen zudem Vampire der Karnstein-Familie vorkommen. Aus diesem Grund bilden „The Vampire Lovers“, „Lust for a Vampire“ (1971) und „Twins of Evil” (ebenfalls 1971) die Karnstein-Trilogie.

Struktur
Ähnlich wie „Dracula“ ist auch „Carmilla“ als tagebuchartiger Erlebnisbericht konzipiert, dabei aber an nur eine Perspektive gebunden, nämlich die von Laura, Carmillas Opfer. Le Fanu bemüht sich um einen langsamen und subtilen Spannungsaufbau: Carmilla kommt als Gast auf das Schloss von Lauras Vater, die beiden jungen Frauen schließen Freundschaft und dann häufen sich langsam die merkwürdigen Ereignisse, primär Lauras Träume von einer großen, schwarzen Katze und ihre beginnende Anämie. Selbst wenn man mit der Handlung von „Carmilla“ nicht bereits vertraut ist, ist es, nicht zuletzt wegen der vielfach wiederholten Genrekonventionen, ziemlich einfach zu erraten, woran man als Leser ist. Die Enthüllung kommt allerdings erst gegen Ende, als General Spielsdorf, ein Bekannter von Lauras Vater, von den Umständen des Todes seiner Nichte Bertha berichtet, die den Erlebnissen Lauras stark gleichen. Auf diese Weise schildert „Carmilla“ das Schicksal zweier Vampiropfer, bleibt dabei aber stets Lauras Perspektive verhaftet: Als Leser erfährt man erst, was Bertha wiederfahren ist, als es Laura auch erfährt. Nicht so im Film: Regisseur Roy Ward Baker, der im Verlauf seiner Karriere eine Reihe von Filmen für Hammer inszenierte, darunter auch „Scars of Dracula“, und Drehbuchautor Tudor Gates, nehmen eine ganze Reihe struktureller Änderungen vor: The Vampire Lovers“ zeigt die Leidensgeschichte beider Vampiropfer in chronologischer Reihenfolge. Außerdem erfolgt ein an die Dracula-Filme erinnernder, relativ grundlosen Namenswechsels. Die Nichte von Genereal Spielsdorf (Peter Cushing) ist wie in der Novelle das erste Opfer, heißt hier jedoch Laura (Pippa Steel) und nicht Bertha. Die eigentliche weibliche Hauptfigur, analog zur Novellen-Laura, trägt stattdessen den Namen Emma Morton (Madeline Smith).

Zumindest im Groben entfalten sich die Ereignisse sehr ähnlich wie bei Le Fanu, die zentrale Vampirin, die auch im Film gerne mit Anagrammen ihres ursprünglichen Namens Mircalla (Ingrid Pitt) spielt, schleicht sich bei den Familien ihrer ausersehenen Opfer ein, nährt sich für längere Zeit an ihnen, wobei sich zusätzlich eine intime Beziehung entwickelt, und zieht dann zum nächsten Opfer weiter, wobei sie immer dieselbe Masche anwendet. Während viele andere Vampire mitunter fast schon willkürlich töten, gleicht Mircallas/Carmillas Vorgehensweise eher der eines Serienkillers – das aber nur am Rande. Diesen Aspekt setzt „The Vampire Lovers“ auch um, weicht in den Details aber deutlich von der Vorlage ab. Kaum eine der Szenen, die Le Fanu in seiner Novelle beschreibt, schafft es tatsächlich in den Film, und wenn doch, dann nur stark verfremdet. Ein ideales Beispiel ist das Gemälde von Mircalla von Karnstein, das einen frühen Hinweis auf Carmillas Vampirdasein und tatsächliches Alter gibt. Während es in der Novelle ein Erbstück aus dem Nachlass von Lauras Mutter ist, taucht es im Film erst im Schloss der Karnsteins auf und wird somit seiner ursprünglichen dramaturgischen Funktion als Foreshadowing beraubt. Stattdessen handelt es sich um eine im Grunde zu diesem Zeitpunkt unnötige Bestätigung der Vampirnatur Carmillas.

Die Hammer-Formel
In vielerlei Hinsicht ist „Carmilla“ eine ziemlich typische Gothic Novel (bzw. Gothic Novella), sowohl Handlungsort als auch Plot und Figuren sind sehr genretypisch. Weniger typisch ist die für die Zeit fast schon progressive Darstellung von Homosexualität. Würde „Carmilla“ als Werk heute mit dem exakt selben Text erscheinen, würde man die Novelle mit ziemlicher Sicherheit als problematisch wahrnehmen, da Homosexualität und Vampirismus ziemlich eng und auf negative Weise miteinander verknüpft sind. Im Kontext des Jahres 1872 zeigt sich Le Fanu aber geradezu verständig, zumindest gemessen am Standard der Ära. Theoretisch ist die Queerness in „Carmilla“ Subtext, aber es ist derartig deutlicher Subtext, dass man schon fast verwundert ist, dass die Novelle keinen Skandal verursachte, wie es Beispielsweise bei den Werken Oscar Wildes der Fall war. Fast 100 Jahre nach Erscheinen hat sich die Lage natürlich geändert: In den 1970ern feierte der Exploitation-Film seine Triumpfe, Sex und Blut gehörten schon immer zum Erfolgsrezept der Hammer Studios. Dementsprechend ist „The Vampire Lovers“ in seiner Darstellung deutlich expliziter als die Novelle – aber auch deutlich fetischisierender. Gerade im Vergleich zur Dracula-Serie fällt auf, wie viel mehr „The Vampire Lovers“ zu zeigen bereit ist. Verließ man sich in Dracula-Filmen zumeist auf tiefe Ausschnitte, finden sich hier mehrere ausgedehnte Szenen mit den oberkörperfreien Darstellerinnen. Vielleicht noch schwerer wiegt der Umstand, dass „The Vampire Lovers“ der männlich-konservativen Perspektive noch einmal deutlich mehr Platz einräumt, als dies selbst Le Fanu tat – dieser verknüpfte schließlich alles mit Lauras Wahrnehmung. Alles in allem wirkt es fast, als habe „The Vampire Lovers“ Angst, zu lesbisch zu sein, weshalb sich Carmilla auch männliche Opfer sucht.

In vielerlei Hinsicht passt Hammer „Carmilla“ stärker an die erzählerischen Konventionen der Dracula-Filme an und verzichtet dafür auf den subtilen Spannungsaufbau und die detailliertere Charakterarbeit, die die Novelle ausmachen. So beginnt der Film mit dem Einsatz eines Vampirjägers namens Baron von Hartog (Douglas Wilmer), der ein weibliches Mitglied der Familie Karnstein (Kirsten Lindholm) tötet. Besagter Baron taucht am Ende des Films als deutlich älterer Mann wieder auf und nimmt in der Geschichte die Stellung ein, die bei Le Fanu Baron Vordenburg innehat. Dieser Umstand sorgt dafür, dass der Fokus der Geschichte stärker auf der Vendetta dieses Vampirjägers statt auf dem persönlichen Schicksals Lauras bzw. Emmas liegt. Diese ist im Film zudem noch einmal deutlich passiver, ihre Inszenierung als Vampiropfer erinnert stärker an Lucy Westenra. Zum Vergleich: In der Novelle ist Laura bei Carmillas endgültigem Tod zugegen, im Film nicht, stattdessen ist sie im dritten Akt die meiste Zeit regelrecht katatonisch. Baker und Gates haben relativ wenig Interesse an der tatsächlichen romantischen Beziehung zwischen Carmilla und Laura/Emma, die in der Novelle sehr viel Raum einnimmt. Der Fokus liegt in „The Vampire Lovers“ eindeutig auf den Vampirjägern, zu denen neben Baron von Hartog der von Peter Cushing gespielte General Spielsdorf (was natürlich seinerseits sofort Dracula-Assoziationen weckt) und Emmas Vater Roger Morton (George Cole) gehören. Darüber hinaus macht sich Carmilla einige Taktiken Draculas zu eigen: Wie der von Christopher Lee dargestellte Graf macht sie aus zuerst Unbeteiligten durch ihre vampirischen Kräfte willige Häscher, das betrifft vor allem die im Film deutlich jüngere Morton-Angestellte Mademoiselle Perrodot (Kate O’Mara) sowie den Butler Renton (Harvey Hall). Zudem wird die Geschichte noch um diverse, an die Dracula-Filme erinnernde Actionszenen angereichert, der Kampf des Barons gegen die namenlose Karnstein-Vampirin wurde bereits erwähnt, zudem findet sich gegen Ende eine recht intensive Szene, in der Carmilla versucht, mit einer bewusstlosen Emma aus dem Anwesen der Familie Morton zu fliehen.

Familienbande
Einmal mehr erweisen sich die Abänderungen gegenüber der Vorlage als größte Schwäche: Viele Nuancen, die „Carmilla“ als Werk so interessant machen, gehen zugunsten des erhöhten Exploitationfaktors verloren. „The Vampire Lovers“ ist, im Guten wie im Schlechten, ein recht typischer Hammer-Film mit etwas mehr expliziter Nacktheit als gewöhnlich. Das bringt allerdings auch einige Vorteile mit sich: Die typische Hammer-Gothic-Atmosphäre steht Le Fanus Geschichte gut zu Gesicht und auch schauspielerisch gibt es wenig Beschwerden, lediglich Madeline Smith als Emma Morton wirkt für meinen Geschmack zu blauäugig, naiv und unschuldig. Peter Cushing ist natürlich über jeden Zweifel erhaben und auch Ingrid Pitt spielt die Hauptrolle wirklich gut, auch wenn ihr Spiel das eine oder andere Mal ein wenig überdramatisch ausfällt. Tatsächlich findet sich hier die größte Stärke des Films, denn es gelingt ihm tatsächlich, die komplexe und zerrissene Natur Carmillas gelungen zu vermitteln: Ihre eindeutige, ebenso besitzergreifende und obsessive Liebe zu ihren Opfern wirkt ebenso authentisch wie ihre alles verzehrende Blutgier. Zumindest in diesem Aspekt kann die Adaption durchaus als gelungen bezeichnet werden.

Ein besonders interessanter Aspekt dieser Adaption ist zudem der Umgang mit Carmillas Entourage. Wann immer sich die Vampirin in der Novelle in eine Familie einschleicht, ist ihre „Mutter“ beteiligt, die jedes Mal in einer Angelegenheit größer Wichtigkeit verreisen muss und ihre „Tochter“ deshalb in der Obhut der Familie des potentiellen Opfers zurücklässt. Beteiligt sind zudem ein finster aussehender Diener bzw. Kutscher und ein enigmatisches altes Weib, das sich kaum zeigt. Was es mit dieser Entourage auf sich hat, teilt uns Le Fanu nie mit: Handelt es sich ebenfalls um Vampire oder sind es nur menschliche Diener Carmillas, die ihr dabei helfen, die Scharade durchzuziehen? „The Vampire Lovers“ zieht definitiv die erste Auslegung vor und richtet den Fokus in deutlich stärkerem Ausmaß auf die Familie Karnstein. Wie erwähnt tauchen weder Baron von Hartog, noch seine Vendetta gegen die Vampirfamilie in der Novelle auf, die Natur der Karnsteins bleibt bei Le Fanu mysteriös und ungeklärt, während der Film weitere Karnstein-Vampire zeigt – vielleicht bereits mit Hintergedanken bezüglich weiterer Filme?

Fazit: „The Vampire Lovers“ ist die wahrscheinlich bekannteste Adaption von „Carmilla“ und kommt mit allen Vorzügen und Nachteilen eines Hammer-Films: Tolle, dichte Amtosphäre und gute schauspielerische Leistungen von Ingrid Pitt und Peter Cushing auf der einen, eine unnötige Banalisierung der Geschichte mit Fokus auf den Exploitationfaktor auf der anderen Seite. Gerade diese Banalisierung sorgt aber leider auch dafür, dass „The Vampire Lovers“ seiner Vorlage nicht gerecht wird.

Siehe auch:
Geschichte der Vampire: Carmilla
Geschichte der Vampire: Dracula – Hammers Graf
Scars of Dracula
First Kill – Staffel 1