Der Rahmen des Superbowl ausgestrahlte Trailer für den kommenden Film „The Flash“ zeigte eine ganze Reihe von Rückkehrern aus bisherigen DC-Filmen – neben Ben Afflecks Batman und Michael Shannons General Zod ist der „Hingucker“ des Trailers natürlich vor allem Michael Keatons Batman. Zudem wird, sollte der Trailer ein Indikator sein, auch Danny Elfmans Batman-Thema ein weiteres Revival feiern. Dabei handelt es sich freilich nicht um das erste – immer wieder griffen Kreativschaffende auf dieses Leitmotiv für den Dunklen Ritter zurück. Obwohl es noch eine Vielzahl an weiteren Batman-Themen gibt, kann doch eines mit Fug und Recht behauptet werden: Wenn es so etwas wie ein definitives Thema für die Figur gibt, eine musikalische Repräsentation für das abstrahierte Konzept „Batman“, dann ist es dieses. Interessanterweise liegt das letzte Revival dieser Melodie (das kurze Cameo in „DC League of Super Pets“ nicht mitgerechnet) noch nicht allzu lange zurück. Es geschah im Rahmen des Spiels „MultiVersus“, eines Crossover-Kampfspiels, in welchem Figuren diverser verschiedener Franchises gegeneinander antreten. Die Musik für dieses Spiel schrieben Stephen Barton, Gordy Haab, Kevin Notar und Edouard Brenneisen. Vor allem die ersten beiden sind SW-Fans definitiv keine Unbekannten und komponierten u.a. die Musik für „Jedi: Fallen Order“. Gerade Haab besitzt zweifellos eine Begabung dafür, John Williams Stil zu imitieren und tat das nicht nur im Rahmen von „Fallen Order“, sondern u.a. auch bei Spielen wie „Star Wars: The Old Republic“, „Star Wars Battlefront“, Star Wars Battlefront II“ oder „Star Wars: Squadrons“. Für „MultiVersus“ galt es nun allerdings, eine ganze Reihe von Stilen und musikalischen Einflüssen miteinander zu vereinen.
Das zum Spiel veröffentlichte Soundtrackalbum beinhaltet eine größere Zahl von Themen-Suiten, von denen zwei Batman gewidmet sind. Batman: From Shadow Reborn orientiert sich stilistisch sehr an der Musik, die Hans Zimmer und James Newton Howard für Chris Nolans Dark-Knight-Trilogie komponierten, ohne allerdings tatsächlich Material aus diesen Scores zu zitieren. Im Gegensatz dazu handelt es sich bei Batman: The Caped Crusader um eine über sechs Minuten lange Verarbeitung von Elfmans Thema, die sich stilistisch allerdings doch deutlich von den Scores der beiden Burton-Filme unterscheidet. Was hier fehlt, ist die düster-gotische Verspieltheit, die die Musik der Filme von 1989 und 1992 ausmacht. Das Ganze klingt freundlicher, positiver und heroischer als Elfmans Version in Burtons Filmen, ohne Zweifel der etwas kindlicheren bzw. parodistischen Natur des Spiels geschuldet. Mitunter fühlt man sich ein wenig an Elfmans Verwendung des Themas in „Justice League“ erinnert. In der ersten Hälfte des Tracks wird primär das aus fünf bzw. sechs Noten bestehende Kernmotiv bearbeitet und variiert, die oben erwähnten Eigenschaften treffen primär auf diesen Teil zu. Ab der Vierminutenmarke nehmen sich Haab und Co. des Marschteils an, dessen primäres Statement sich tatsächlich sehr eng am Original orientiert. Zusätzlich lassen die Komponisten Elfmans Thema vor allem in der zweiten Hälfte des Tracks immer wieder mit dem MultiVersus-Hauptthema interagieren, was erstaunlich gut funktioniert. Ursprünglich wollte ich diese wirklich gelungene Bearbeitung des Danny-Elfmans-Themas in „Das Soundtrack-Jahr 2022“ aufnehmen, habe das dann aber schlicht vergessen, darum wird der Track nun stattdessen zum Stück der Woche.
Richard Wagners Opernzyklus „Der Ring des Nibelungen“ dürfte schon allein aufgrund des Umfangs eines der fordernsten Werke der klassischen Musik sein – zum Glück gibt es Möglichkeiten, sich diesem Mammutwerk zu nähern, ohne sich durch vier Opern von insgesamt gut 14 Stunden zu arbeiten. Einige davon habe ich bereits vorgestellt, etwa das Instrumentalalbum „Der Ring ohne Worte“, das aus dem Zyklus praktisch ein Filmmusikalbum macht, oder die 2022 ausgestrahlte Hörspielserie des RBB. Wer hingegen eher einen visuellen Zugang bevorzugt und es zudem auf ein hochwertigeres (und teureres) Objekt abgesehen hat, kann zur kürzlich von Cross Cult in einem Hardcover-Sammelband auf Deutsch herausgebrachten Comic-Adaption von P. Craig Russell aus den frühen 2000ern greifen.
Wie so viele amerikanische Comicschaffende arbeitete auch der 1951 geborene Russell im Lauf seiner Karriere für die beiden großen Verlage DC und Marvel, für die er sowohl als Texter als auch als Zeichner und Inker tätig war. Bereits in den 80ern schrieb und zeichnete er die Anthologieserie „Night Stories“, in deren Rahmen er nicht nur Literaturklassiker, sondern auch Opern adaptiert. Besonderes Letztere sollten sein Comicschaffen immer begleiten, bis er sich in den frühen 2000ern für Dark Horse Wagners „Ring des Nibelungen“ annahm. Die epische Geschichte des deutschen Komponisten, basierend auf diversen mittelalterlichen Quellen, darunter primär die nordische Völsunga saga, aber auch (in geringerem Maße) das mittelhochdeutsche Versepos „Das Nibelungenlied“, setzt er in 14 Ausgaben um, vier für „Das Rheingold“, jeweils drei für „Die Walküre“ und „Siegfried“ und noch einmal vier für „Götterdämmerung“.
Anders als beispielsweise die französische Serie „Götterdämmerung“, die sich zwar an Wagner orientiert, viele Elemente aber sehr frei umsetzt und u.a. noch deutlich mehr nordische Mythologie einarbeitet, handelt es sich bei Russells Werk um eine sehr vorlagengetreue Umsetzung, weshalb Wagners Name auch das Cover ziert. Auf eine ausführliche Handlungswidergabe werde ich in diesem Kontext verzichten und verweise dafür auf meinen Artikel zum RBB-Hörspiel – sowohl dieses als Russells Comicadaption sind jeweils äußerst nahe an der Vorlage, die Abweichungen und Änderungen sind minimal. Diesbezüglich am interessantesten ist wahrscheinlich Russells Gestaltung des Endes. Im Finale der „Götterdämmerung“ sterben praktisch alle wichtigen Figuren und die alte Ordnung der Götter Walhalls endet, aber es liegt zumeist im Ermessen des jeweiligen Regisseurs, ob dieser Umstand positiv oder negativ bewertet wird. Russell zeigt nach dem eigentlichen Ende, wie Wotan nach der Rückgabe des Rings an die Rheintöchter Loge mit seinem Speer ersticht, woraufhin Walhall in Flammen aufgeht. Anschließend sehen wir Siegfried und Brünhild in ätherischem Licht, das einer verwüsteten Landschaft neues Leben bringt, die entstehende Pflanze könnte sogar als neue Weltesche interpretiert werden. Russell geht also von einem positiven Neuanfang nach dem Ende der alten Ordnung aus. Deutlich interessanter als die Handlungsabweichungen – bzw. der Mangel an denselben – ist die visuelle Umsetzung.
Wer moderne Operninszenierungen, in denen die Figuren in moderner Kleidung durch ein minimalistisches Bühnenbild rennen, absolut nicht ausstehen kann, dürfte mit dem von Russell gewählten visuellen Stil wirklich seine Freude haben, denn sein „Ring des Nibelungen“ sieht exakt so aus, wie man sich eine stereotype Wagner-Oper vorstellt. Russell inszeniert die Welt des deutschen Komponisten als romantisch verklärte Mischung aus Pseudo-Völkerwanderung, Pseudo-Mittelalter und Pseudo-Wikingern, will heißen: Es finden sich viele Flügel- und Hörner-Helme. Das Ganze mutet einerseits, vor allem für eine Leserschaft des Jahres 2023, die eine andere Darstellung von Mythologie, Wikingern und Fantasy gewohnt ist, reichlich kitschig an. Wenn Russell es sich allerdings zum Ziel gesetzt hat, den „Ring“ so in Szene zu setzen, dass er Wagners Idealvorstellung am nächsten kommt, kann das Ergebnis zweifelsohne als durchschlagender Erfolg bewertet werden.
Den romantisch-kitschigen Aspekt außen vorgelassen sind Russells Zeichnungen, Bildkompositionen und Panelanordnungen keinesfalls anspruchslos oder simpel, im Gegenteil. Russell bemüht sich um eine ausgeprägte Bildsprache und zeigt zudem eine stilistische Vielseitigkeit – so werden beispielsweise Rückblenden oder „Handlungsbrücken“, die in den Opern nur verbal vermittelt werden, als nicht kolorierte Bleistiftzeichnungen gezeigt. Mehr noch, Russell versucht auch, Wagners Musik visuell umzusetzen, spezifisch die Leitmotivik. Wagner ist nicht nur der Vorreiter dieser musikalischen Erzähltechnik, tatsächlich hat ihm bislang kaum ein Komponist diesbezüglich das Wasser reichen können, zumindest im Hinblick auf den „Ring“. Das liegt primär daran, dass Wagners Leitmotive im „Ring“ einer ständigen, von der Handlung bestimmten Entwicklung und Metamorphose unterworfen sind. Siegfrieds Thema, wie es am prominentesten in Siegfrieds Trauermarsch erklingt, entwickelt sich beispielsweise über den Verlauf der Tetralogie langsam und ist eine Ausarbeitung des Schwert-Motivs, beinhaltet eine invertierte Version des Ring-Motivs etc. Im Gegensatz dazu bleiben die Leitmotive und Themen in der Filmmusik zumeist relativ starr, um einen besseren Wiedererkennungswert zu gewährleisten. Zugegebenermaßen haben Filmkomponisten auch nur zwei bis drei Monate, um einen Film-Score zu schreiben, während Wagner mehrere Jahrzehnte an den vier Opern des „Rings“ arbeitete. Wie dem auch sei, Russell versucht, diese motivische Entwicklung immer wieder bildlich darzustellen, etwa wenn am Ende des „Rheingolds“ Wotan das Schwert Notung als zentrales Element seines Weltrettungsplanes ersinnt und Russell es in ein Geflecht aus visuellen Motiven einbindet, das Wagners leitmotivischer Entwicklung gleicht.
Ich muss allerdings zugeben, dass ich nicht jede grafische Gestaltung Russells vollauf gelungen finde. Vor allem der Drache Fafner wirkt nicht allzu einschüchternd oder schrecklich, sondern sieht primär aus wie ein großes Krokodil – die drachenartige Riesenschlange, in die sich Alberich im „Rheingold“ mithilfe der Tarnkappe verwandelt, ist da deutlich besser gelungen. Allgemein wirken die schurkischen Figuren, Alberich, Mime und Hagen, visuell äußerst uninteressant, gerade im Vergleich zu den Helden und Göttern. Während die Nibelungen meistens spärlich bekleidet durch die Gegend rennen, mutet Hagen an wie eine mit Hörnerhelm ausgestattete Version von Gríma Schlangenzunge. Ich denke, da wäre mehr drin gewesen. Absolut keinen Grund zur Klage liefert die Aufmachung der deutschen Ausgabe: Hardcover mit Lesebändchen und umfangreichem Bonusmaterial, darunter Cover, Skizzen P. Craig Russells sowie Kommentare und Erläuterungen zu seinem Adaptionsprozess, die mir das Verfassen dieses Artikels deutlich erleichtert haben.
Fazit: Gelungene, sehr vorlagengetreue Comicadaption des „Ring des Nibelungen“ in ansprechender Prachtausgabe, visuell verwurzelt in der Romantik des 19. Jahrhunderts, die aufwändig und komplex darstellt, wie Wagner selbst sich den „Ring“ vorgestellt haben könnte.
Die Soundtrack-Bestenliste des vergangenen Jahres war früher ein konstanter Bestandteil meines Blogs, in den letzten paar Jahren hatte ich allerdings kaum Zeit oder Muße, ein derartiges Unterfangen anzugehen. Zwar bin ich auch für 2022 weit davon entfernt, einen wirklich umfangreichen Überblick über die Score-Veröffentlichungen zu haben (von den zugehörigen Filmen gar nicht erst zu sprechen), aber zum ersten Mal seit längerem reizt es mich wieder, das, was ich gehört habe, in Listenform zu rekapitulieren. Von einem Ranking der größten Enttäuschungen habe ich dieses Mal abgesehen, stattdessen möchte ich mich auf die positiven Aspekte konzentrieren. Dementsprechend finden sich auf dieser Liste wohl auch nicht allzu viele überraschende Einträge; wer meinen Filmmusikgeschmack kennt, kann wahrscheinlich sehr gut erraten, welche Scores es geschafft haben. 2022 war interessanterweise ein erstaunlich gutes Jahr für Superheldenscores und ein ziemlich enttäuschendes für Star-Wars-Musik. Wie schon zuvor gibt es neben der eigentlichen Liste auch Honourable Mentions in Form herausragender Einzelstücke sowie zwei besondere Erwähnungen, die interessanteste Neuentdeckung, die nicht spezifisch etwas mit 2022 zu tun hat, ich habe sie nur in diesem Jahr gemacht, und die beste Neuauflage eines bereits veröffentlichten Scores, der endlich das Album bekommen hat, das er verdient.
Interessanteste Neuentdeckung: Hostel & Hostel Part II (Nathan Barr)
Nun gut, dieser erste Beitrag ist praktisch purer Zufall und hat, wie erwähnt, nicht per se etwas mit dem Jahr 2022 zu tun. Neben der Saw-Reihe sind die Hostel-Filme von Eli Roth wahrscheinlich der bekannteste Auswuchs der Torture-Porn-Welle der 2000er. Ich habe beide aus mir nicht wirklich ersichtlichen Gründen gesehen, sie für schlecht befunden, aus meinem Gedächtnis verbannt und an die Musik keine weiteren Gedanken verschwendet. Zu Unrecht, wie ich im vergangenen Jahr festgestellt habe, denn Komponist Nathan Barr hat wirklich beeindruckende Musik für die beiden Ausflüge in den Folterkeller komponiert. Keine Spur vom unhörbaren elektronischen Sounddesign, das ich wohl im Score dieser Filme erwartet hätte, sondern solide, orchestrale Kost, die in ihren Suspense- und Horror-Techniken hin und wieder an Christopher Young und ziemlich oft auch an Bernard Herrmann erinnert. Angereichert wird das durch eine Anzahl erstaunlich lyrischer und melodischer Passagen, exemplarisch sei hier der Eröffnungstrack des zweiten Teils, Suite (Amid a Crowd of Stars) erwähnt. Ich wäre angesichts dieser beiden Scores fast geneigt, mir die Filme noch einmal anzusehen, um Barrs Musik im Kontext zu erleben. Fast…
Beste Neuauflage: Tomorrow Never Dies (David Arnold)
Lange überfällig, endlich da: Während die anderen beiden Scores, die David Arnold für Pierce Brosnans James Bond geschrieben hat, bereits vor einigen Jahren vom Label La-La-Land Records vernünftige Alben bekamen, ließ Arnolds Debüt als 007-Komponist, „Tomorrow Never Dies“, viel zu lange auf sich warten. Über die ursprüngliche Albensituation und die Großartigkeit dieses Soundtracks habe ich an anderer Stelle bereits sehr ausführlich geschrieben, darum nur so viel: Das neue La-La-Land-Album erfüllt alle Erwartungen. Nicht nur wird der komplette Score auf zwei CDs geboten, es gibt auch eine Reihe an alternativen Tracks, zusätzlich zu einem sehr informativen Booklet. Absolute Kaufempfehlung, nach wie vor der beste Soundtrack der Filmreihe. Mehr
Einzelstücke
Hekla aus „The Northman” (Robin Carolan und Sebastian Gainsborough)
Für „The Northman“ hat das Komponistenduo Robin Carolan und Sebastian Gainsborough einen sehr authentischen und rohen Score komponiert, der den Ansprüchen eines Robert-Eggers-Filmes definitiv gerecht wird, abseits des Films aber nicht unbedingt besonders gut hörbar ist. Das Werk kulminiert gewissermaßen in Hekla, dem Track, der das finale Duell von Amleth und seinem Onkel Fjölnir untermalt. Hier zeigen Carolan und Gainsborough durch massiven Choreinsatz sowohl die ungezügelte Wildheit dieser beiden Nordmänner als auch die nicht minder ungezügelte Wildheit der Natur. Zudem habe ich ein besonderes Faible für schicksalhafte Duelle vor vulkanischem Hintergrund, untermalt von beeindruckenden Chorpassagen. Mehr
The Hammer of Thor aus „God of War: Ragnarök” (Bear McCreary)
Noch mehr Wikinger. Unter „normalen“ Umständen wäre dieser Game-Score mit Sicherheit auf der „Hauptliste“ gelandet, aber ich wollte sie nicht mit McCreary fluten und es gibt zugegebenermaßen ziemlich große Ähnlichkeiten zwischen „God of War: Ragnarök“ und einem bestimmten anderen Soundtrack. Dennoch soll er nicht unerwähnt bleiben. Ich persönlich finde McCrearys zweiten God-of-War-Score etwas schwächer als den ersten, was vielleicht daran liegen könnte, dass seine Aufmerksamkeit von dem bereits erwähnten anderen Projekt gefesselt wurde. The Hammer of Thor ist, ähnlich wie Hekla, ein chorlastiger Actiontrack, in seiner Konzeption aber deutlich traditioneller, mit vollem Orchester, angereichert durch einige nordische Spezialinstrumente . Zudem baut McCreary diverse Themen ein, unter anderem eine äußerst beeindruckende Variation seines Kratos-Themas, das als Höhepunkt dieses Stückes fungiert. Mehr
Lake Baikal aus „Black Adam” (Lorne Balfe)
So wie es aussieht, neigt sich das filmische DC-Universum, wie wir es kennen, nun endgültig dem Ende entgegen. Einer der letzten Auswüchse ist das nun beinahe ein Jahrzehnt lang vorbereitete Dwayne-Johnson-Vehikel „Black Adam“. Der Score stammt von Remote-Control-Veteran Lorne Balfe und ist eine ziemlich massive Angelegenheit, Action-Musik von Anfang bis Ende. In vielerlei Hinsicht versucht Balfe hier, die Stilmittel von DC-Scores wie „Man of Steel“ und „Batman v Superman: Dawn of Justice“ mit einer klassischeren Genre-Sensibilität zu verknüpfen, für meinen Geschmack ist das alles aber immer noch deutlich zu prozessiert und mit viel zu vielen elektronischen Effekten versehen. Das Thema der Titelfigur finde ich persönlich auch eher suboptimal, aber das Leitmotiv der Justice Society hat es mir durchaus angetan – wären da nur nicht die ganzen elektronischen Effekte und Dance-Beats in der Themen-Suite oder dem Debüt-Track Introducing the JSA. Im Track Lake Baikal präsentiert Balfe das Thema dieses Superheldenteams allerdings in einer deutlich klassischeren Ausprägung, die eher an die Zimmer-Power-Hymnen der späten 90er und frühen 2000er statt an seine DC-Musik der 2010er-Jahre erinnert. Mehr
Such Sights to Show You aus „Hellraiser” (Ben Lovett)
David Bruckners Hellraiser-Reboot kann aus mir unerfindlichen Gründen hierzulande nach wie vor auf keinem Streamingdienst begutachtet und auch nicht käuflich erworben werden, was mich geringfügig frustriert. Der Score von Ben Lovett hingegen ist verfügbar, aber aus anderen Gründen etwas frustrierend. Stilistisch handelt es sich hierbei eher um einen Horror-Score moderner Prägung, sehr elektronisch, bedacht auf Atmosphäre und Sound-Design. Zugleich haben Bruckner und Lovett allerdings beschlossen, das musikalische Vermächtnis des Franchise zu ehren, was im Klartext bedeutet, dass im Score durchaus üppiger Gebrauch von Christopher Youngs Themen gemacht wird, was mir als Fan leitmotivischer Kontinuität (und Christopher Youngs) natürlich zusagt – wie man an den späteren Hellraiser-Filmen feststellen konnte, funktioniert dieses Franchise mit Youngs Themen deutlich besser als ohne. Frustrierend ist, dass die beiden Aspekte des Scores, modernes, eher elektronisches Sounddesign auf der einen und Youngs Themen auf der anderen Seite nie so recht zusammen finden wollen. Zudem sind Lovetts Variationen dieser Themen den originalen, sehr viel besser orchestrierten deutlich unterlegen. Am nächsten kommt Lovett dem Vorbild in Such Sights to Show You; hier erlaubt er dem Hauptthema des ersten Films zumindest annähernd in die bombastischen Gefilde aufzusteigen, in denen Young seine Themen präsentierte.
The Escape aus „Fantastic Beasts: The Secrets of Dumbledore” (James Newton Howard)
So ziemlich der einzige lohnende Aspekt des dritten Fantastic-Beasts-Films ist schon, wie beim Vorgänger, der Score von James Newton Howard. Während auch der dritte Eintrag dieser inzwischen gescheiterten Harry-Potter-Prequel-Serie zu überzeugen weiß, ist er aus meiner Sicht doch der schwächste der drei. Während die lyrisch-elegischen Passagen nach wie vor zu überzeugen wissen, fehlt hier das Abenteuer-Element, das vor allem „Fantastic Beasts and Where to Find Them“ zu einem so unterhaltsamen Soundtrack machte. Mein Lieblingsthema ist Newt Scamanders heroisches Leitmotiv, das mich an die klassischen Western-Scores von Elmer Bernstein erinnert – leider erklingt dieses in „The Secrets of Dumbledore“ nur äußerst selten, aber immerhin spendiert Howard diesem Thema in The Escape noch einmal einen glorreichen, wenn auch kurzen Auftritt. Mehr
Protector of the Realm aus „House of the Dragon” (Ramin Djawadi)
Der Score der ersten Staffel von „House of the Dragon“ bot relativ wenig Überraschungen: Nicht nur verpflichtete HBO den GoT-Komponisten Ramin Djawadi, dieser knüpfte stilistisch und leitmotivisch direkt an die Mutterserie an. Gerade im Vergleich zu den späteren GoT-Staffeln fällt dieser Score allerdings deutlich unspektakulärer aus, da „House of the Dragon wieder deutlich mehr komplexe Dialogszenen hat, in denen die Musik in den Hintergrund tritt – über weite Strecken passiert leider nicht allzu viel, immer wieder gelingt es Djawadi allerdings, den emotionalen Kern der Geschichte genau zu treffen. Protector of the Realm ist ein gutes Beispiel. Dieser Track wirkt ohne Kontext vielleicht nicht allzu beeindruckend, im Geflecht von Djawadis Motivarbeit und im Zusammenspiel mit der zugehörigen Szene entfaltet er aber seine volle Wucht. Die Kombination aus Viserys‘ persönlichem Leitmotiv und dem aus GoT bekannten Königsthema untermalt den letzten Gang des todkranken zum Eisernen Thron wirklich perfekt und betont die gesamte Tragik dieser Figur. Mehr
Top 13
Platz 13: The Pale Blue Eye (Howard Shore)
Neue Scores von Howard Shore sind inzwischen eine Rarität geworden, das Mastermind hinter der Musik der LotR-Trilogie vertont nur noch sehr ausgewählte Filme – wobei auch erwähnt werden muss, dass er in den 2020ern aktiver war als in der zweiten Hälfte der 2010er. Vom Fantasy-Genre hält sich Shore, mit einer offensichtlichen Ausnahme, zudem eher fern. Für den Netflix-Film „The Pale Blue Eye“ komponierte Shore einen Score, der nahtlos an seine früheren, atmosphärischen Thriller wie „The Silence of the Lambs“ oder „A History of Violence“ anknüpft. Shores effektive Suspense-Techniken sorgen für eine düstere, bedrückende Atmosphäre. Dabei ist „The Pale Blue Eye“ für Mittelerde-Fans durchaus interessant, da es immer wieder Anklänge an das Mordor-Material gibt, besonders in den, zugegebenermaßen recht wenigen, Action-Tracks wie Attack on the Road. Da ich „The Pale Blue Eye“ noch nicht gesehen habe, weiß ich nicht, wie der Score im Film-Kontext wirkt, aber in jedem Fall funktioniert er ideal als Untermalung bedrückender, düsterer Lektüre – was als Kompliment zu verstehen ist.
Platz 12: Wednesday (Danny Elfman, Chris Bacon)
Als großer Fan der beiden Addams-Family-Filme aus den 90ern war ich natürlich sehr neugierig auf die neue Inkarnation, nicht zuletzt wegen der Beteiligung Tim Burtons. Der überwältigende Erfolg von „Wednesday“ will sich mir, ehrlich gesagt, nicht völlig erschließen; zwar ist diese Staffel durchaus unterhaltsam und anschaubar, aber doch auch ein recht typisches, konventionell konstruiertes YA-Mystery-Drama mit ziemlich vorhersehbarer Handlung, eindeutig zu wenig Addams Family und, zugegeben, sehr guten darstellerischen Leistungen, vor allem von Jenna Ortega. Wie dem auch sei, Tim Burtons Mitwirken an einem Projekt wie diesem garantiert natürlich die Beteiligung Danny Elfmans. Die Musik der Serie komponierte Elfman zusammen mit Chris Bacon; herausgekommen ist genau das, was man erwartet: gotisch-düstere Extravaganz, ebenso verspielt wie unterhaltsam mit einem sehr eingängigen Titelthema. Im Vergleich zu, sagen wir „Sleepey Hollow“ oder „The Wolfman“ kommt der Score von „Wednesday“ etwas unfokussierter daher, was aber auch mit dem Serienformat und dem doch sehr umfangreichen Album zusammenhängen mag. Soweit ich gehört habe, zitieren Elfman und Bacon weder das klassische Thema der 60er-Serie von Vic Mizzy noch die Musik von Marc Shaiman aus den 90ern, bewegen sich aber in ähnlichen Bereichen und tänzeln mitunter regelrecht um die vertrauten Melodien herum.
Platz 11: DC League of Super Pets (Steve Jablonsky)
Bei Superhelden-Scores von RCP-Komponisten bin ich immer erst einmal vorsichtig (siehe „Black Adam“), aber bei „DC League of Super-Pets“ ist diese Vorsichtig nicht angebracht, denn der parodistisch anmutende Animationsfilm besinnt sich auf die klassischen Genre-Tugenden und besticht durch schöne Orchester-Arbeit und aufregende Action-Passagen sowie eingängige Themen. Stilistisch erinnert mich Jablonskys Arbeit stark an Danny Elfmans „Justice League“ – ein Score, der meinem Empfinden nach sehr unfair behandelt wurde. Wie „Justice League“ ist auch „DC League of Super Pets” zweifelsohne ein moderner Action-Score, der sich aber zugleich an den Klassikern des Genres orientiert und dem die Balance deutlich besser gelingt als „Black Adam“. Zudem verschafft Jablonsky sowohl Danny Elfmans Batman-Thema als auch den Themen für Krypton und Superman von John Williams Gastauftritte, zwar kaum mehr als musikalische Cameos, die aber dennoch sehr willkommen sind. Wer also nach einem geistigen Nachfolger zu Elfmans „Justice League“ sucht, wird hier zweifellos fündig.
Platz 10: Avatar: The Way of Water (Simon Franglen)
Bereits an „Avatar“ arbeitete Simon Franglen eng mit James Horner zusammen, ebenso wie an den nachfolgenden Horner-Scores. Als Horner 2016 bei einem Flugzeugabsturz verstarb, war es Franglen, der Horners letzten Soundtrack, „The Magnificent Seven“, vollendete. Insofern war es nur logisch, Franglen das Avatar-Sequel vertonen zu lassen, nicht zuletzt, da er bereits für die Musik der Disney-World-Attraktion „Pandora – The World of Avatar“ verantwortlich war. „Avatar: The Way of Water“ ist eine beeindruckende Errungenschaft, Franglen knüpft an die Stilmittel und Leitmotive Horners direkt an, sorgt aber zugleich dafür, dass der Score nicht zur reinen Pastiche verkommt; Franglens eigener Kompositionsstil ist durchaus präsent. Immer wieder finden sich Passagen, die Horner auf diese Art wohl nicht komponiert hätte, die aber trotzdem nicht wie Fremdkörper wirken. Diese Balance zu halten ist eine schwierige Aufgabe, die Franglen mit Bravour meistert. Ich könnte mir vorstellen, dass meine Meinung zu diesem Score noch positiver wird, wenn ich ihn im Kontext erlebt habe.
Platz 9: Thor: Love and Thunder (Michael Giacchino, Nami Melumad)
Der Donnergott ist neben Iron Man wohl das größte Opfer des Mangels an leitmotivischer Kontinuität im MCU: In jedem, wirklich jedem seiner Solo-Filme wird er mit einem neuen Thema bedacht. Dass Mark Mothersbaugh in „Thor: Ragnarok“ einmal das Patrick Doyle-Thema zitiert, hilft da nur bedingt. „Thor: Love and Thunder“ ist keine Ausnahme. Obwohl Michael Giacchino (der hier zusammen mit Nami Melumad komponiert) sich in einigen seiner bisherigen MCU-Scores durchaus geneigt zeigte, bereits etablierte Themen zumindest zu zitieren, verwirft er hier ein weiteres Mal alles vorher Dagewesene. Giacchinos Thor-Thema gilt dem Konzept, unabhängig davon, wer welchen Hammer schwingt, und wird deshalb sowohl für die von Chris Hemsworth dargestellte Version als auch Natalie Portmans Jane-Foster-Thor verwendet, was mich nur noch mehr frustriert. Giacchino hätte sein neues Thema ausschließlich für Jane Foster verwenden und für die altbewährte Inkarnation auch eines der vorher etablierten Themen verwenden können – idealerweise das von Doyle. Wie dem auch sei, von diesem Faktor abgesehen ist Giacchinos Score schlicht brachial unterhaltsam. Das Thema für die beiden Thors ist absolut eingängig und gelungen und vor allem die völlig überdrehten Action-Passagen, inklusive Einsatz von Chor und E-Gitarre, wissen zu gefallen. Giacchino und Melumad knüpfen somit teilweise an Mothersbaughs Arbeit an, verzichten aber größtenteils auf die Retro-Synth-Effekte, was mir persönlich nicht ganz unrecht ist, aber eben auch auf Mothersbaughs Verweise auf die vorherigen Scores. Mehr
Platz 8: Doctor Strange in the Multiverse of Madness (Danny Elfman)
Selbst ein Michael Giacchino ist nicht davor gefeit, durch einen anderen Komponisten ersetzt zu werden, wenn es einen Regisseurwechsel gibt. Als Sam Raimi nach Scott Derricksons Ausscheiden das Doctor-Strange-Sequel in Angriff nahm, brachte er Danny Elfman an den Start. Anders als Giacchino und Melumad bei „Thor: Love and Thunder“ greift Elfman durchaus auf das bereits etablierte leitmotivische Material zurück und zitiert nicht nur das Doctor-Strange-Thema, sondern auch das Titelthema aus der Serie „WandaVision“ von Kristen Anderson-Lopez und Robert Lopez, Alan Silvestris Captain-America-Marsch und sogar die Titelmelodie der X-Men-Animationsserie aus den 90ern. Allerdings verpasst Elfman Doctor Strange ein zusätzliches neues Thema, das in meinen Augen nicht nur deutlich schwächer als das alte, sondern auch ziemlich unnötig ist, und er nimmt leider keinerlei Rücksicht auf die spezielle Instrumentierung, die das hervorstechendste Merkmal des ersten Strange-Scores war und auch prominent in „Spider-Man: No Way Home“ zum Einsatz kam. Stattdessen ist Elfmans „Doctor Strange in the Multiverse of Madness” fest in Elfmans modernem Action-Stil verankert, mit Anleihen aus seinen Horror-Arbeiten. Obwohl ich mir mehr stilistische Anleihen aus „Doctor Strange“ gewünscht hätte, bin ich doch ein großer Fan von Elfmans Stil, insofern ist dieses Werk, abseits dieser Aspekte, extrem unterhaltsam, dynamisch, lebendig und kreativ. Es mag merkwürdig wirken, dass sowohl „Thor: Love and Thunder“ als auch „Doctor Strange in the Multiverse of Madness“ angesichts meiner Kritikpunkte derartig hoch auf der Liste gelandet sind, aber trotzdem haben sie es geschafft, mich nachhaltig zu beschäftigen, zu unterhalten und wurden seit Erscheinen zudem sehr, sehr häufig angespielt, weshalb ich diese Platzierung für gerechtfertigt halte. Mehr
Platz 7: Violent Night (Dominic Lewis)
Es ist faszinierend, wie gut sich sowohl die Melodien als auch die Stilmittel klassischer Weihnachtslieder für verschiedene Genres adaptieren lassen, wie sich am Beispiel diverser Scores zeigt, seien es Komödien („Home Alone“), Superhelden („Batman: Arkham Origins“), Horror („Krampus“), Bibelverfilmungen („The Nativity Story) oder natürlich Action – man denke nur an „Arthur Christmas“ oder, das wohl populärste Beispiel, „Die Hard“. In eine sehr ähnliche Kerbe schlägt auch Dominic Lewis‘ „Violent Night“, ein extrovertierter, sehr überdrehter Action-Score, der nicht nur dank der melodischen Qualität seiner eigenen Themen, sondern auch durch die gelungene, um nicht zu sagen subversive Einbindung diverser Weihnachtslieder zu überzeugen weiß. Stilistisch ist Lewis nicht allzu weit von Alan Silvestri oder John Williams entfernt. Wer einen ebenso schönen wie absurden Weihnachts-Score sucht, macht mit „Violent Night“ sicher nichts falsch.
Platz 6: Paws of Fury: The Legend of Hank (Bear McCreary)
Ich habe eine besondere Schwäche für die Mischung von traditionellem Orchester und ostasiatischer Instrumentierung, egal ob „Mulan“, „The Monkey King“, „Kung Fu Panda“, „The Last Samurai“, „The Promise“ oder gar „World of Warcraft: Mists of Pandaria“. Bear McCrearys „Paws of Fury: The Legend of Hank“ stimmt ähnliche Töne an, vor allem zu den drei Kung-Fu-Panda-Scores von John Powell und Hans Zimmer finden sich eine Reihe von Parallelen. „Paws of Fury“ bietet genau die Art von aufwändig konstruierter musikalischer Extrovertiertheit, die sich gegenwärtig oft nur im Animationsbereich findet. Zusätzlich mischt McCreary auch noch Elemente aus Ennio Morricones Western-Scores und einer Prise Jazz in diese musikalische Suppe. Das Ganze ist ein faszinierendes Konglomerat, eine wilde Mischung, die deutlich besser funktioniert als sie eigentlich sollte. Wer 2022 einen zünftigen Powell-Animations-Score vermisst, findet in dieser Arbeit von Bear McCreary vielleicht einen angemessenen Ersatz.
Platz 5: Moon Knight (Hesham Nazih)
Unglaublich aber wahr, der beste MCU-Score des Jahres stammt von einem in westlichen Gefilden ziemlich unbekannten Komponisten, auch wenn man bei Hesham Nazih kaum von einem Newcomer sprechen kann, schließlich ist er nicht nur seit über zwanzig Jahren als Komponist tätig, sondern in seiner Heimat Ägypten auch sehr bekannt und populär. Anders als bei „Thor: Love and Thunder“ oder „Doctor Strange in the Multiverse of Madness” muss man hier keinerlei leitmotivische Abstriche machen, da „Moon Knight“ sehr vom restlichen MCU losgelöst ist. Für die Titelfigur liefert Nazih ein enorm starkes Thema, das er, analog zu den Persönlichkeiten Moon Knights, wunderbar spalten und fragmentieren kann. Der dominanteste und beeindruckendste Aspekt des Scores sind wohl die vielen, monumentalen Chorpassagen, die einen wirklich bleibenden Eindruck hinterlassen. Bedingt durch die Thematik der Serie und die dazu passende Instrumentierung klingt Nazihs Arbeit eher nach Hollywoods Orient-Sound als nach der typischen MCU-Musik, kommt dabei aber deutlich authentischer und weniger klischeehaft rüber, als es bei, sagen wir, „The Mummy“ oder „Gods of Egypt“ der Fall ist (die natürlich trotzdem beide exzellent sind). Ich jedenfalls hoffe, dass „Moon Knight“ Nazih viele Türen öffnet.
Platz 4: Interview with the Vampire (Daniel Hart)
Zuerst war ich bei dieser Neuauflage von „Interview with the Vampire“ recht skeptisch, nicht zuletzt wegen der massiven Abweichungen von Anne Rice‘ Roman. Und natürlich wäre da noch der Umstand, dass es sich beim Film von Neil Jordan um eine fast perfekte Adaption handelt. Aber trotz einiger erzählerischer und inhaltlicher Mängel war ich insgesamt durchaus angetan von dieser ersten Staffel. Einer der größten Pluspunkte der Serie ist zweifellos der Score von Daniel Hart, der wunderbar altmodisch, fast schon klassisch, melodiös und gotisch klingt. Der Vergleich zu Elliot Goldenthals Musik von 1994, immerhin einer meiner liebsten Horror-Soundtracks, drängt sich natürlich fast schon auf, und tatsächlich, es gibt gewisse Parallelen. Daniel Harts Fokus liegt allerdings, ebenso wie der der Serie, stärker auf den romantischen Aspekten, und weniger auf dem schieren Grandeur und der orchestralen Brutalität des Goldenthals-Scores. Natürlich haben wir es hier mit einer zutiefst toxischen und ungesunden Romanze zu tun, und auch das spiegelt sich in Harts Musik wider und entsprechend fällt die Entwicklung zum Ende hin auch aus.
Platz 3: The Batman (Michael Giacchino)
Erstaunlich, was man mit vier Noten so alles anstellen. Nach Jahren der Zimmer-Dominanz im Batman-Bereich liefert Michael Giacchino endlich mal wieder einen Score für den Dunklen Ritter, der sich vom Wummern und Dröhnen distanziert, Gotham City mit den musikalischen Mitteln des Thrillers und des Film Noir darstellt und seinen Titelhelden fast schon wie ein Monster behandelt. Aber vor allem wird endlich einmal wieder ordentliche Orchesterarbeit geboten. Während Giacchinos Motiv für Batman in mancher Hinsicht ein wenig enttäuschend ist (ich hätte doch gerne mal wieder ein etwas komplexeres Batman-Thema), so ist es doch unleugbar effektiv. Dasselbe gilt auch für die anderen beiden dominanten Themen für Catwoman und den Riddler und die gesamte Tonalität. Mehr
Platz 2: The 13 Lords of Shogun (Evan Call)
Jedes Jahr seit 1963 strahl der japanische Sender NHK ein sog. „Taiga-Drama“ aus – dabei handelt es sich um eine ziemlich epochale Serie mit etwa 40 bis 50 Folgen, die sich einer Figur oder einer Thematik der japanischen Geschichte annimmt. Das Taiga-Drama des Jahres 2022 trägt den Titel „The 13 Lords of Shogun“ und thematisiert die Herrschaft von Hōjō Yoshitoki, der von 1205 bis 1224 Japan regierte. Die Musik komponierte der britische, aber in Japan ansässige Komponist Evan Call. Auf dieses umfangreiche Werk – „The 13 Lords of Shogun“ wurde in Form von drei äußerst üppigen Alben veröffentlicht – bin ich eher durch Zufall in einem Soundtrack-Forum gestoßen, die Serie selbst habe ich nicht gesehen, weiß also auch nicht, wie sie im Kontext wirkt. Was ich weiß ist, dass Evan Calls Arbeit ein wirklich episches, ja geradezu monumentales Werk ist, voll von grandiosen Melodien, beeindruckender Action-Musik, aber auch sehr ruhigen, lyrischen und mitunter verspielten Passagen. Das Ganze mutet zwar japanisch an, kommt aber, ähnlich wie „Moon Knight“, deutlich authentischer rüber, als es bei einem typischen Hollywood-Score der Fall ist.
Platz 1: The Lord of the Rings: The Rings of Power (Bear McCreary)
Mittelerde-Scores haben die Angewohnheit, in meinen Rankings an der Spitze zu landen. So viele Probleme ich auch mit „The Lord of the Rings: The Rings of Power” habe, der Score von Bear McCreary ist DAS Element, das vollauf und rundum überzeugt. Ähnlich wie Howard Shore arbeitet McCreary mit einer Vielzahl an Leitmotiven, die er konsequent entwickelt und miteinander agieren lässt. Dabei gelingt es McCreary sehr gut, auf einem schmalen Grat zu wandern: Zwar darf er sich nicht der Themen und Motive aus den beiden Jackson-Trilogien bedienen, verankert seine Version von Mittelerde aber dennoch in einer ähnlichen stilistischen und instrumentalen Palette (etwa Männerchöre für die Zwerge, keltisch anmutende Musik für die Hobbits/Haarfüße etc.). Zugleich handelt es sich hier aber unverkennbar um McCrearys Interpretation von Tolkiens Werk und nicht nur um eine bloße Nachahmung von Shores Arbeit. Eingängige Themen und Melodien, lyrische Schönheit und beeindruckende Action – zumindest auf musikalischer Ebene bietet „The Lord of the Rings: The Rings of Power“ alles, was man sich nur wünschen kann. Mehr
Spoiler!
Story: Die Nation Kahndaq wird von der Terrororganisation Intergang beherrscht, doch in der Bevölkerung regt sich Widerstand. Die Archäologin und Widerstandskämpferin Adrianna Tomaz (Sarah Shahi) hofft, mithilfe der der mystischen Kräfte der legendären Krone von Sabbac Intergang bekämpfen zu können, doch die Söldner sind ihr bereits auf der Spur. Beim Versuch der Parteien, die Krone an sich zu bringen, erwecken sie unbeabsichtigt Teth-Adam (Dwayne Johnson), ein uraltes Superwesen mit gewaltigen Kräften, das einst der Beschützer Kahndaqs war, aber aufgrund seiner Brutalität eingesperrt wurde. Dieses Ungleichgewicht ruft Amanda Waller (Viola Davis) auf den Plan, die die Justice Society, bestehend aus Hawkman (Aldis Hodge), Doctor Fate (Pierce Brosnan), Cyclone (Quintessa Swindell) und Atom Smasher (Noah Centineo), aktiviert, um Adam aufzuhalten…
Kritik: „Black Adam“ war ein Projekt, das in der einen oder anderen Form viele Jahre lang vor sich hinköchelte. Bereits 2014, also noch bevor „Batman v Superman: Dawn of Justice“ ins Kino kam, wurde angekündigt, dass Dwayne „The Rock“ Johnson die Rolle des Shazam-Widersachers in der von „Man of Steel“ gestarteten Inkarnation des DC-Universums spielen würde. Längere Zeit geschah dann erst einmal nichts mehr, und als „Shazam!“ 2019 schließlich ins Kino kam, war Black Adam, von einem Mini-Cameo abgesehen, nicht Teil dieses Films. Weitere drei Jahre sollten vergehen, bis Black Adam endlich sein tatsächliches Debüt auf der großen Leinwand feierte. Im Vorfeld wurde der Film zudem als große Neuausrichtung des wie immer vor sich hin mäandernden DC-Filmuniversums verkauft; es schien, als würde Johnson in Zukunft eine wichtige kreative Rolle spielen. Sogar Henry Cavill holte er für einen Cameo-Auftritt als Superman aus dem Ruhestand mit der Aussicht, dass sich Black Adam bald mit dem Mann aus Stahl messen würde. Mit der Übernahme von David Zaslav ist das natürlich bereits wieder passé, der neue Warner-Chef installierte bekanntermaßen James Gunn und Peter Safran als neue, kreative Köpfe der DC-Filme. Das Line-up, das die beiden Ende Januar 2023 vorstellten, beinhaltet weder Johnsons Black Adam noch Cavills Superman, sondern ist primär eine Neuausrichtung, auch wenn einige Elemente beibehalten werden, etwa Viola Davis als Amanda Waller.
Wie dem auch sei, kehren wir zu Johnsons Prestige-Projekt zurück, das trotz der Präsenz des Ex-Wrestlers nicht nur finanziell hinter den Erwartungen zurückblieb, sondern auch von den Kritikern im Großen und Ganzen sehr negativ aufgenommen wurde – nicht unbedingt ein idealer Start für den bislang relativ unbekannten Black Adam. Ich selbst bin mit der Figur, deren Geschichte bis in die 1940er zurückreicht, schon deutlich länger vertraut und kenne sie primär aus der Maxiserie „52“ (2006 bis 2007). Diese Serie, geschrieben von Geoff Johns, Grant Morrison, Greg Rucka, Mark Waid und Keith Giffen, erschien über ein Jahr hinweg im wöchentlichen Rhythmus und knüpfte an die Ereignisse des Großevents „Infinite Crisis“ an, wobei man die bekannteren Helden, primär Batman, Superman und Wonder Woman, außen vor ließ und sich stattdessen vielen der deutlich weniger bekannten DC-Figuren wie Animal Man, Booster Gold, The Question und eben auch Black Adam widmete. Letzterer erhielt in dieser Serie eine durchaus komplexe Charakterisierung, von der in diesem Film allerdings nicht allzu viel geblieben ist. Von der Ambivalenz, der Vielschichtigkeit und der Tragik der Comicfigur findet sich kaum etwas. Zwar wird versucht, dies durch bedeutungschwangere Flashbacks und einen ungeschickt konstruierten Twist zu vermitteln, das funktioniert alles jedoch kaum. Leider merkt man „Black Adam“ sehr deutlich an, dass es sich hierbei primär um ein Vehikel für Johnsons Ego handelt, das dazu gedacht ist, ihn möglichst cool in Szene zu setzen. Über dieses Vorhaben hinaus haben es Regisseur Jaume Collet-Serra und die Drehbuchautoren Adam Sztykiel, Rory Haines und Sohrab Noshirvani leider versäumt, der Story oder den Figuren Substanz in irgendeiner Form zu verleihen.
„Black Adam“ fühlt sich in vielerlei Hinsicht an wie ein Konglomerat anderer, deutlich besserer Filme an. Der Prolog und grundsätzliche Story-Aufbau samt Stimmung erinnert beispielsweise stark an „X-Men: Apocalypse“ (nun auch nicht gerade ein Ruhmesblatt des Genres), die Inszenierung der Justice Society erinnert ebenfalls an die X-Men im Allgemeinen und die Beziehung, die sich zwischen Adrianna Tomaz‘ Sohn Amon (Bodhi Sabongui) und Adam entwickelt, hat viel von „Terminator 2: Judgment Day“. Dass Sabbac (Marwan Kenzari) als Schurke nicht nur völlig uninteressant, sondern gemäß DCEU-Tradition im dritten Akt auch zum schlecht animierten CGI-Monster wird, ist der Erwähnung kaum noch wert. Zudem gelingt des „Black Adam“ auch nicht, tonal konsistent zu bleiben. In einer Szenen ist alles in bester Zack-Snyder-Manier grimmig, düster und ernst, Adam tötet Intergang-Mitglieder so brutal, wie es das PG-13-Rating eben erlaubt (kein Vergleich zu seinen Exzessen in den Comics) oder ist tragisch und tief deprimiert, in der nächsten imitiert er einen Western, den er im Fernsehen gesehen hat, inklusive Morricone-Einspielung, oder übt mit Amon potentielle Catchphrases. Es wirkt, als wollte man mit „Black Adam“ einen Querschnitt des Superheldengenres schaffen, das jeden Geschmack in irgendeiner Form bedient. Herausgekommen ist ein Film, der wie Frankensteins Monster anmutet, zusammengebaut aus vielen verschiedenen Versatzstücken
Es ist nicht so, als wären hier keinerlei interessante Ansätze vorhanden, etwa der Umstand, dass die Justice Society nichts gegen Kahndaqs Besetzung durch Intergang tut, aber sobald Black Adam erwacht (und potentiell die Vereinigten Staaten gefährdet) rückt das Team aus. Diesem Ansatz wird aber nicht nur kaum Zeit gewidmet, er und jegliche Charakterisierung der Figuren, die über das absolut Notwendige hinausgeht, wird gnadenlos in der Materialschlacht erstickt. Das betrifft vor allem die Mitglieder der JSA. „Black Adam“ behandelt das Superheldenquartett nur als Archetypen, nie als eigenständige Charaktere. Vor allem Hawkman und Doctor Fate haben viele interessante Facetten und Hintergründe aus den Comics, die jedoch kaum berücksichtigt werden. Johnson und Co. benötigten nur einen gestandenen Anführer, einen Zauberer und zwei jüngere Helden, es gibt nur wenig Gründe, weshalb es gerade diese vier sind. Immerhin gelingt es Pierce Brosnan, Doctor Fate eine gewisse Gravitas zu verleihen, da er eben Pierce Brosnan ist, aber Drehbuch und Regie machen aus der Figur nie mehr als einen Doctor-Strange-Abklatsch. Angesichts der Tatsache, dass Fate über zwanzig Jahre älter ist als Strange ist das schon ein wenig ironisch
Zumindest erwähnenswert sind die diversen Versuche, „Black Adam“ solide im nun wohl endgültigen obsoleten DC Extended Universe zu verankern. Einmal mehr ist es die bereits erwähnte, von Viola Davis gespielte Amanda Waller, die die Verknüpfung darstellt und in einer Nick-Fury-artigen Funktion die Justice Society auf Black Adam loslässt, was angesichts ihres Status und ihrer bisherigen Taten nicht wirklich passt, aber sei’s drum. Jennifer Holland darf nach „The Suicide Squad“ und „Peacemaker” ein drittes Mal Wallers Handlangerin Emilia Harcourt darstellen und einen gefangenen Black Adam gegen Ende des zweiten Aktes entgegennehmen und natürlich wäre da noch der von Johnson hochgehypte Auftritt Henry Cavills als Superman, der wohl nun der letzte dieser eher unrühmlichen Karriere als Mann aus Stahl sein dürfte. Black Adams eigentlicher Gegner, Shazam, der 2023 mit „Shazam! Fury of the Gods“ seinen zweiten Leinwandauftritt absolviert, taucht zwar nicht auf, aber immerhin absolviert der von Djimon Hounsou gespielte Zauberer, von dem sowohl Black Adam als auch Shazam ihre Kräfte haben, und der ebenfalls den Namen Shazam trägt, einen Gastauftritt.
Fazit: „Black Adam“ ist ein katastrophal geschriebenes CGI-Gewitter, ein Idealbeispiel für genau die Art von völlig uninspirierten Superheldenfilmen, die eigentlich schon passé sein sollten, es aber leider immer noch nicht sind. Hoffen wir, dass James Gunn und Peter Safran das Steuer für DC endlich herumreißen können.