Hellraiser: The Toll

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„The Scarlet Gospels“, Clive Barkers persönliche Abrechnung mit seiner Schöpfung Pinhead, bzw. wie Barker es vorzieht, dem „Hell Priest“, wurde und wird immer wieder gerne als Fortsetzung zur ursprünglichen Novelle „The Hellbound Heart“ bezeichnet. Diese ist zwar die Vorlage zu „Hellraiser“, beinhaltet aber bestenfalls eine Art Proto-Pinhead, der wenig mit seinem späteren Film-Gegenstück zu tun hat und nur eine sehr untergeordnete Rolle spielt. Zudem finden sich auch kaum inhaltliche oder thematische Anknüpfungspunkte. Die 2018 erschiene Novelle „Hellraiser: The Toll“ von Mark Alan Miller, nach einer Idee von Barker, klärt final auf, in welcher Beziehung „The Hellbound Heart“ zu „The Scarlet Gospels“ steht: In keiner. In meiner Rezension zu Barkers Roman schrieb ich, dass dieser am ehesten den ersten Hellraiser-Film als Grundlage verwendet, und tatsächlich erwies sich das als richtig.

In „Hellraiser: The Toll“ schildert Miller, was mit Kirsty in den 30 Jahren nach ihrem Zusammentreffen mit den Cenobiten getrieben hat. Da sie hier eindeutig als Kirsty Cotton identifiziert wird und zudem die Verwandtschaftsverhältnisse und Namen der Filminkarnationen der Figuren verwendet werden, ist eindeutig, dass es sich bei „The Scarlet Gospels“ um die Fortsetzung von „Hellraiser“ und nicht „The Hellbound Heart“ handelt. „The Toll“ miteingerechnet existieren inzwischen drei unterschiedliche Kontinuitäten, in denen sich Kirsty mit der Affäre um Frank, Julia und den Cenobiten auseinandersetzen darf. Zum einen hätten wir die diversen Hellraiser-Sequels, in zumindest zwei davon spielt Kirsty eine zentrale Rolle: In „Hellbound: Hellraiser II“ kommt sie durch die Machenschaften von Dr. Channard ein weiteres Mal mit Pinhead und Co. in Kontakt und, mehr noch, bekommt die „Gelegenheit“, die Hölle, bzw. das Labyrinth, zu erforschen. Schließlich opfert sie in „Hellraiser: Deader“ ihren untreuen Ehemann Trevor den Cenobiten. Die von Clive Barker mitkonzipierten Hellraiser-Comics des Verlags Boom! Studios ignorieren alles nach „Hellbound: Hellraiser II“, integrieren aber die dort inszenierte Version des Labyrinths und Leviathans und zeigen, wie Kirsty selbst zur Urlaubsvertretung für Pinhead wird.

In „The Toll“ verlaufen die Jahrzehnte hingegen äußerst ereignisarm; Kirsty scheint sich mental in einem ähnlichen Zustand wie in den Comics zu befinden, führt aber keinen „Privatkreuzzug“ gegen die Spuren der Hölle und die diversen Puzzleboxen überall auf der Welt, wie es in den Comics der Fall ist. Stattdessen reist Kirsty umher, versucht ihrem Trauma zu entkommen und landet schließlich doch wieder im Haus in der Ludovico Street. Natürlich kommt es zu einer weiteren Begegnung mit Pinhead, der von Kirsty mit einem eigenen Spitznamen bedacht wird: „The Cold Man“. Als Leser von „The Scarlet Gospels“ erfährt man, dass Harry D’Amour nicht der erste Zeuge von Pinheads Machtergreifung in der Hölle werden sollte; ursprünglich wollte der Cenobit Kirsty selbst in dieser Rolle sehen. Kirsty ist allerdings mehr als unwillig, und es gelingt ihr tatsächlich ein weiteres Mal, sich dem Einfluss ihres Widersachers zu entziehen. Der Epilog der Novelle schildert schließlich, sehr knapp, Kirsty Sicht auf die Ereignisse des Pinhead-Romans.

Da ich ohnehin kein allzu großer Fan von „The Scarlet Gospels“ bin, hatte ich auch an „Hellraiser: The Toll“ keine hohen Erwartungen, und tatsächlich: Es handelt sich um kaum mehr als ein Tie-in, das quasi nichts Neues anzubieten hat und lediglich einige Kontinuitätsfragen klärt. Mehr noch, ähnlich wie Barkers Roman greift Miller auch kaum die Thematik der ursprünglichen Novelle auf und selbst die Handlung von „The Scarlet Gospels“ wird nicht bereichert. Stilistisch ist das kleine Büchlein zwar kompetent, aber auch sehr anonym gestaltet; wirklich Spannung kommt selten auf und auch die Elemente, die kleinen subtilen Eigenheiten, die „The Hellbound Heart“ zu etwas Besonderem machten, fehlen.

Fazit: „Hellraiser: The Toll“ ist kaum mehr als ein redundantes Tie-in, im Grunde nur geeignet für absolute Fans von „The Scarlet Gospels“, die genau wissen wollen, in welchem Verhältnis Barkers Pinhead-Roman zum Rest des Franchise steht. Wer nach einer literarischen Anknüpfung an Barkers Novelle sucht, ist mit der Kurzgeschichtensammlung „Hellbound Hearts“ deutlich besser bedient.

Bildquelle

Siehe auch:
Art of Adaptation: The Hellbound Heart
The Scarlet Gospels
Hellbound Hearts
Sherlock Holmes and the Servants of Hell

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