Stück der Woche: Galadriel/Sauron

Amazons Mega-Projekt „The Lord of the Rings: The Rings of Power” rückt konstant näher, immer mehr Material wird veröffentlicht, vom Design der Orks bis hin zum Cameo-Auftritt eines sehr an die Jackson-Filme erinnernden Balrogs im jüngsten Trailer. Ich muss zugeben, dass ich dem Projekt eher zwiegespalten gegenüberstehe, manche sieht vielversprechend aus, anderes hingegen klingt hingegen eher…bedenklich (Bartlose Zwergenfrauen? So ein Blödsinn!) Dennoch halte ich absolut nichts davon, derartige Projekte hysterisch als zum Scheitern verurteilt abzutun, ich werde warten, bis die Serie startet, sie mir ansehen und sie anschließend ehrlich evaluieren. Wie dem auch sei, nicht nur für Filmmusik-Fans stellte sich lange die Frage: Wer ist für die Musik zuständig? Nach langem Warten und vielen Spekulationen und Gerüchten gab es in dieser Woche endlich die Antwort: Bear McCreary arbeitet bereits seit einem Jahr am Score der Serie, zusätzlich wird Howard Shore das Titelthema schreiben. Das klingt erst einmal sehr vielversprechend: McCreary und sein Team enttäuschen selten und die Tatsache, dass Howard Shore persönlich, der für mich und unzählige andere Mittelerde musikalisch definiert hat, beteiligt ist, scheint ebenfalls eine sehr gute Nachricht zu sein. Einige Aussagen, die McCreary in diesem Kontext tätigte, lassen allerdings stutzig werden: „As I set out to compose the score for this series, I strove to honor Howard Shore’s musical legacy. When I heard his majestic main title, I was struck by how perfectly his theme and my original score, though crafted separately, fit together so beautifully. I am excited for audiences to join us on this new musical journey to Middle-earth.” (Quelle) Das klingt ein wenig merkwürdig, tatsächlich scheint Shore erst spät dazugestoßen zu sein, als McCrearys Score schon sehr weit fortgeschritten war. Weiter impliziert diese Aussage, dass Shores Thema abseits des Intros nicht wirklich Teil des Soundtracks sein wird, vielleicht abgesehen von einigen späten Einspielern. Da werden zumindest bei mir gewisse Erinnerungen an die Komponisten-Konstellation von „Obi-Wan Kenobi“ wach… Dieses musikalische Arrangement scheint zugleich ein Gesamtindikator für diese Serie zu sein, die sich scheinbar einfach nicht entscheiden kann, ob sie nun ein Prequel zu den Peter-Jackson-Filmen sein will oder nicht.

Zusätzlich zu dieser Ankündigung wurden zwei Tracks aus McCrearys Score veröffentlicht, bei denen es sich um das eigentliche Sujet dieses Artikels handelt: Galadriel und Sauron. Die Titel der Stücke legen nahe, dass es sich hierbei um Themen-Suiten zu diesen beiden Figuren handelt. Sollte dem so sein, wird bereits deutlich, dass McCreary zwar vielleicht grob in eine tonal ähnliche Richtung geht wie Shore, wir aber wohl keine direkten Bezüge zu Shores Musik der beiden Jackson-Trilogien erwarten dürfen – beide Figuren sind in den LotR- und Hobbit-Filmen leitmotivisch en detail definiert. Galadriel wird für gewöhnlich durch das Lothlórien-Thema repräsentiert, während Sauron eine ganze Reihe von Themen, Motiven und Begleitfiguren hat, die mit ihm verbunden sind, von seinem eigentlichen Charakterthema über das Geschichte-des-Ringes-Thema (beide beginnen mit demselben Halbtonschritt), der absteigenden Terz bis hin zu den Nekromanten-Motiven aus der Hobbit-Trilogie usw.

Der Track Galadriel beginnt mit vage keltisch anmutenden Harfenklängen und sanftem Frauenchor, bevor die Hörner mit Unterstützung der Flöten eine sehr angenehme Melodie anstimmen (das Kernmotiv von Galadriels Thema?). Anschließend übernehmen Streicher und Chor die Melodie, die um die Zweiminutenmarke herum an Intensität gewinnt. Im letzten Drittel wird das Thema getragener und epischer, nicht zuletzt dank des Einsatzes mächtiger Pauken, bevor am Ende hohe Streicher, Harfe und Chor einen zärtlichen Abschluss anstimmen.

Sauron beginnt mit frenetischen Streichern und tiefem Chor, der wahrscheinlich in der Schwarzen Sprache Mordors singt – es würde mich schon sehr wundern, wenn McCreary und die Verantwortlichen nicht zumindest die Tradition, die Chöre in Tolkiens Kunstsprachen singen zu lassen, fortführten. Gewisse Parallelen zu Shores Musik für die Nazgûl lassen sich nicht von der Hand weisen, mehr klingt dieser Track allerdings wie eine Fortführung des Sounds von McCrearys „God of War“ – der Score dieses Spiels war ebenfalls sehr chorlastig. Eigenheiten aus Shores Musik für Mittelerde kehren hier in größerem Ausmaß zurück, sowohl die Streicherfiguren in der Begleitung als auch der Einsatz der Schlagzeuginstrumente rufen zumindest vage Erinnerungen an die Scores der Filme hervor. Ab der Hälfte wird der Männerchor von einem Frauenchor abgelöst und leitet in eine eher tragisch klingende, weniger finster anmutende Passage über, die aber nicht lange vorhält, schon ab 1:40 kehren Männerchor und donnernde Percussions zurück, die abermals Erinnerungen an die Nazgûl und Moria hervorrufen.

Siehe auch:
Stück der Woche: Learning to Ride
Obi-Wan Kenobi

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