Mit „At the Sign of the Prancing Pony”, dem neunten Kapitel von „The Fellowship of the Ring”, kehren wir zur Filmhandlung zurück und lernen mit Bree gleich einen neuen Handlungsort kennen. Im Vergleich zu den Auslassungen und Abänderungen, die sich in den Auenlandkapiteln finden, kann man hier getrost von kleineren Anpassungen sprechen.
Bree und das Pony
Wie man es von Tolkien gewohnt ist, beginnt auch dieses Kapitel mit ein wenig Exposition und Hintergrundinformationen bezüglich des neuen Handlungsortes, die ein Film auf diese Weise nur schwer vermitteln kann. Weder wird deutlich, dass zum Breeland neben Bree selbst noch drei weitere Dörfer gehören, noch gehen Jackson und Co. auf die genauen Bevölkerungsverhältnisse ein. Allerdings scheinen im Film kein Hobbits gezeigt zu werden, obwohl diese einen signifikanten Teil der Bevölkerung Brees ausmachen – tatsächlich sind Bree und die zugehörigen Dörfer Archet, Schlucht (Comb) und Stadel (Staddle) relativ einzigartig darin, dass Hobbits und Menschen hier Seite an Seite leben und man zudem auch Elben und Zwerge häufiger antrifft – es handelt sich quasi um einen multikulturellen Sammelpunkt. Natürlich ist das Tänzelnde Pony das Vorbild für das archetypische Gasthaus der Fantasy-Literatur, in dem man als Abenteurer herumhängt, bis es wieder losgeht. Erst in „The Desolation of Smaug“ bekommen wir dann auch tatsächlich die Hobbit-Bewohner des Ortes zu sehen.
Besonders bemerkenswert ist, dass Bree im Film als deutlich ungemütlicher und feindseliger dargestellt wird als im Roman – das beginnt bereits beim Wetter. Bei Tolkien ist die Nacht ausdrücklich sternenklar, während es bei Jackson ordentlich schüttet. Auch Bree selbst wirkt groß, düster, dreckig und einschüchternd. Diese Wahrnehmung ist nicht völlig aus der Luft gegriffen, entspricht aber primär Sams Perspektive, der allem, was nicht zum Auenland gehört, sehr kritisch gegenübersteht und deshalb Bree auf diese Art und Weise sieht. Er hat auch Hemmungen, ins Gasthaus zu gehen, während Frodo damit keine Probleme zu haben scheint. Im Tänzelnden Pony werden die Hobbits erst in einem separaten Raum bewirtet, bevor sie sich in die Schankstube begeben. Der Wirt, Gerstenmann Butterblume (Barliman Butterbur) taucht im Film natürlich auf, gespielt von David Weatherley, seine beiden Hobbit-Hilfskräfte Nob und Bob allerdings nicht. Nur Frodo, Sam und Pippin begeben sich im Roman schließlich auf Bitten Butterblumes in den Schankraum, Merry hingegen bleibt zurück, um später noch einen Spaziergang zu machen, während im Film alle vier direkt im Schankraum landen.
Wirtshausumtriebe
Wo die Hobbits bei Jackson größten Teils für sich bleiben, geben sich Frodo, Sam und Pippin deutlich geselliger und kommen u.a. mit lokalen Hobbits ins Gespräch, darunter einige, die Frodos Decknamen „Unterberg“ („Underhill“) teilen und der Meinung sind, er müsse ein entfernter Verwandter sein, da sie sich pure Namensgleichheit nicht vorstellen können. Im Film wie im Roman wird Frodo auf eine ominöse, im Schatten sitzende Gestalt aufmerksam und erkundigt sich bei Butterbier nach ihr. Und in beiden Versionen der Geschichte erklärt ihm Butterbier, es handle sich um einen Waldläufer, der als „Streicher“ bekannt ist: Aragorns Debüt fällt in beiden Medien sehr ähnlich aus. Im Roman kommt es allerdings bereits an dieser Stelle zu einem ersten kurzen Gespräch zwischen Frodo und Aragorn, in welchem der Waldläufer darauf hinweist, dass Pippin eine zu große Klappe hat. Hier plappert der jüngste Hobbit allerdings nicht direkt Frodos tatsächlichen Nachnamen aus, sondern erzählt stattdessen von Bilbos Geburtstagsparty, was natürlich ebenfalls Aufmerksamkeit erregt, besonders unter potentiellen Spitzeln der Ringgeister. Wo Frodo sich im Film einfach nur ins Gespräch einmischt, stolpert und fällt, wobei der Ring auf höchst dramatische Weise auf seinem Finger landet, setzt sein Roman-Gegenstück erst zu einer kleinen Rede an und stimmt dann, angefeuert von den Wirtshausgästen, ein kleines Liedchen an. Dieses trägt den Titel The Man in the Moon Stayed up too Late und wurde von Bilbo komponiert. An dieser Stelle taucht das Lied in der Filmversion von „The Fellowship of the Ringc nicht auf, allerdings gibt Bofur (James Nesbitt) in der Extended Edition von „The Hobbit: An Unexpected Journey“ einige Strophen in Bruchtal zum Besten. Das lädt natürlich zur Spekulation ein: Hat Bilbo ihm dieses Lied in der erzählten Welt des Films beigebracht, hat er es vielleicht sogar während der Reise geschrieben, oder ist es in Wahrheit tatsächlich ein Zwergenlied?
Als Frodo den Ring im Film auf den Finger bekommt, ist der Effekt sofort massiv, er bekommt Einblick in die Zwielichtwelt der Nazgûl und sieht sogar Saurons Auge, das seiner gewahr wird. Im Roman passiert nichts dergleichen, derartige Effekte tauchen erst weit später auf. Bei Jackson ist diese Szene deutlich dramatischer, Frodo wird von Aragorn sofort ins Nebenzimmer gebracht, während er bei Tolkien im Schankraum verleibt, versucht die Situation zu erklären und sich eine Standpauke von Butterblume anhören muss. Das Kapitel endet mit Butterblumes Bitte, sich in Kürze mit den Hobbits in ihren Räumlichkeiten zu treffen, da er ihnen noch etwas wichtiges mitzuteilen habe.
01. Can’t Fight City Halloween
02. Mayoral Ducting
03. It’s Raining Vengeance
04. Don’t Be Voyeur With Me
05. Crossing the Feline
06. Gannika Girl
07. Moving in for the Gil
08. Funeral and Far Between
09. Collar ID
10. Escaped Crusader
11. Penguin of Guilt
12. Highway to the Anger Zone
13. World’s Worst Translator
14. Riddles, Riddles Everywhere
15. Meow and You and Everyone We Know
16. For All Your Pennyworth
17. Are You a Kenzie or a Can’t-zie?
18. An Im-purr-fect Murder
19. The Great Pumpkin Pie
20. Hoarding School
21. A Flood of Terrors
22. A Bat in the Rafters, Pt. 1
23. A Bat in the Rafters, Pt. 2
24. The Bat’s True Calling
25. All’s Well That Ends Farewell
26. The Batman
27. The Riddler
28. Catwoman
29. Sonata in Darkness (performed by Gloria Cheng)
Wenn es um Batman geht, war Hans Zimmers Methodologie die letzten grob 15 Jahre vorherrschend. Nicht nur bekam Zimmer (zusammen mit James Newton Howard bzw. Tom Holkenborg) die Gelegenheit, gleich zwei Inkarnationen des Dunklen Ritters seinen musikalischen Stempel aufzudrücken, viele andere Projekte imitierten zudem den Sound und die kompositorischen Eigenheiten der Dark-Knight-Trilogie. Ich persönlich war nie der größte Fan von Zimmers Herangehensweise an Batmans Welt, nicht zuletzt, weil ich mit den Batman-Scores von Danny Elfman, Shirley Walker und (nicht zu vergessen) Elliot Goldenthal aufwuchs, die meine Meinung, wie Batman zu klingen hat, nachhaltig prägten. Insofern war ich sehr darauf gespannt, wie Michael Giacchinos Ansatz wohl aussehen würde, besonders im Hinblick auf das Thema der Titelfigur. Als Giacchinos neues Thema dann in Trailern und schließlich als Preview veröffentlicht wurden, war ich erst einmal enttäuscht: Es handelt sich dabei um ein aus vier Noten (und nicht einmal vier verschiedenen) bestehendes Konstrukt, eher Rhythmus denn tatsächliches Motiv, geschweige denn Thema, dass sich relativ gut in die Zimmer’sche Methodologie der Bat-Vertonungen einreiht – wir erinnern uns an die Zwei-Noten-Identität aus der Dark-Knight-Trilogie oder das zusammen mit Tom Holkenborg komponiert „Bat-Stampfen“ aus „Batman v Superman: Dawn of Justice“. Vor allem von Letzterem ist Giacchonis Repräsentation Batmans wirklich nicht allzu weit entfernt. Ich beschloss allerdings, die ganze Angelegenheit nicht im Voraus zu verurteilen, sondern abzuwarten, bis ich das Motiv im Kontext des Scores und den Score im Kontext des Films gehört haben würde. Und das erwies sich als die richtige Entscheidung, denn Giacchinos Kompositionen für „The Batman“ sind stilistisch definitiv weit von Zimmer und Co. entfernt, aber ebenso auch von der Musik, die Giacchino zum MCU beigesteuert hat, seien es die drei Spider-Man-Scores oder „Doctor Strange“. Die Musik von „The Batman“ ist geprägt von Brutalität und orchestraler Dissonanz, oftmals klingt sie eher wie der Score eines Horrorfilms denn der eines Werks über einen Superhelden – gewisse Parallelen zur Musik von „Let Me In“ oder den beiden Planet-of-the-Apes-Filmen lassen sich nicht leugnen. Angesichts von Matt Reeves‘ Herangehensweise ist das natürlich überaus legitim. Dennoch baut Giacchino mitunter subtile Verweise auf die Scores der vorherigen Batman-Filme ein, die Streicherfiguren in der zweiten Hälfte von Escaped Crusader klingen beispielsweise stark nach Zimmer, immer wieder verleiht Giacchino seinen Orchestrierungen die gotischen Anklänge eines Danny Elfman, etwa wenn in Can’t Fight City Halloween Kirchenglocken erklingen und selbst Elliot Goldenthals Musik wird nicht ausgelassen, aus den brutalen Blechbläserfiguren in Highway to Anger Zone (definitiv das Action-Highlight des Albums) lässt sich deutlich sein Einfluss heraushören.
Kommen wir nun aber zurück zum Batman-Thema: Gerade weil es „nur“ eine recht simple rhythmische Figur ist, kann es eine ganze Reihe an Assoziationen wecken, sei es der Imperiale Marsch, Chopins Trauermarsch, der Rhythmus bzw. die Begleitung des Nirvana-Songs Something in the Way (sehr naheliegend, da Matt Reeves diesen nicht nur beim Drehbuchschreiben hörte, er ist auch in einem Trailer und im Film selbst prominent vertreten) oder eben, wie bereits erwähnt, das von Zimmer und Holkenborg komponierte Motiv aus „Batman v Superman: Dawn of Justice“. Der Unterschied zu Letzterem liegt in der Verwendung. Zimmer und Holkenborg hatten die Tendenz, dem Zuhörer dieses Motiv jedes Mal ebenso unsubtil wie gnadenlos um die Ohren zu hauen, mit Ausnahme der Klaviervariationen im Track Beautiful Lie. Nicht so Giacchino, der das Motiv auf extrem kreative und vielseitige Art und Weise einsetzt und nebenbei über den Verlauf des Films auch einmal quer durch das gesamte Orchester jagt. Oft nutzt er es beispielsweise auf ähnliche Art und Weise wie Zimmer die langgezogene Note des Jokers in „The Dark Knight“ oder, vielleicht ein passenderer Vergleich, John Williams das Thema des weißen Hais in „Jaws“: Als Ostinato, das von der bedrohlichen Aktivität kündet und sich langsam aufbaut, sehr schön zu hören im ersten Track des Albums Can’t Fight City Halloween, aber auch in It’s Raining Vengeance. Tatsächlich finden sich nur wenige Stücke auf dem Album, in denen das Motiv nicht zumindest subtil in die Begleitung eingearbeitet wurde, beispielsweise in Crossing the Feline nach der 20-Sekunden-Marke und in Riddles, Riddles Everywhere. Es finden sich allerdings auch brachiale Action Statements, etwa in Highway to Anger Zone (gleich mehrfach bei 1:35, 1:42, 2:06 und 2:13) oder direkt am Anfang von A Bat in the Rafters, Pt. 2. Nun handelt es sich bei diesem Motiv um ein äußerst aggressives und bedrohliches, das weit entfernt ist von den Heldenthemen, mit denen Batman sonst bedacht wird. Man bedenke auch, in dem Film, dessen musikalische Repräsentation des Dunklen Ritters dieser hier am ähnlichsten ist, fungiert er als Antagonist. Giacchinos Motiv klingt eher wie das Leitmotiv eines Schurken, ich verwies bereits auf die Parallelen zu John Williams‘ Jaws-Thema und dem Imperialen Marsch, zur weiteren Verwandtschaft könnte man auch Khans Thema aus „Star Trek Into Darkness“ (ebenfalls von Giacchino) rechnen. Im Verlauf des Scores arbeitet Giacchino allerdings noch mit einem zweiten Thema für die Figur.
Bereits im Vorfeld wurden zu Promotionszwecken drei Themen-Suiten veröffentlicht, die sich auch auf dem Album finden: The Batman, The Riddler und Catwoman. The Batman beinhaltet neben dem Vier-Noten-Motiv, das zu diesem Zeitpunkt bereits aus den Trailern bekannt war, besagtes sekundäres Thema, bei dem es sich um eine weitaus positivere, aufsteigende, ja mitunter gar verletzliche Angelegenheit handelt, die deutlich melodischer ist. In der Suite entwickelt sich das Thema aus dem Batman-Thema, erst zurückhaltend von Streichern gespielt, dann sogar mit Blechbläsern in der Begleitung. Wie viele andere auch interpretierte ich dieses Thema im Vorfeld als Leitmotiv für Bruce Wayne, da Bruce aber in diesem Film quasi nicht vorhanden ist, bin ich eher dazu geneigt, es als Thema für Batman als Symbol der Hoffnung zu sehen, während das Vier-Noten-Motiv Batman als Symbol der Vergeltung repräsentiert, da das die wahre Dualität dieses Films ist. Die Bruce-Wayne-Interpretation lässt sich allerdings auch nicht völlig von der Hand weisen, da das Thema im Score sein Debüt während der Beerdigungsszene absolviert, in welcher Bruce zum ersten Mal zumindest formal in seiner bürgerlichen Identität auftritt (Funeral and Far Between). Der stärkste Einsatz findet sich in All’s Well That Ends Farewell.
Das dritte essentielle Leitmotiv des Scores gilt dem zentralen Schurken. Das Thema des Riddlers klingt nur allzu bekannt, basiert es doch auf Schuberts Ave Maria, was definitiv kein Zufall ist, besagtes Stück erklingt auch mehrmals diegetisch im Film, einmal sogar von Paul Dano selbst gesungen. Die tatsächliche inhaltliche Verknüpfung ist mir nach wie vor nicht völlig klar (ich meine, es wurde im Waisenhaus, in dem Danos Edward Nashton aufwächst, gesungen, aber weshalb es für ihn eine so große Bedeutung hat, erklärt der Film nicht). Wie dem auch sei, die Themen-Suite gibt einen schönen Querschnitt durch die Variationen, tatsächlich eignet es sich sehr gut als Leitmotiv für einen psychotischen Serienkiller; zu Beginn subtil und enervierend, gesungen von einem Knabensopran, später brutal und dissonant. Auch im Film selbst taucht das Thema durchaus häufig auf, in Mayoral Ducting wird es vorgestellt und untermalt die Aktionen des Riddlers äußerst gekonnt, eine besonders verstörende Streichervariation dominiert die zweite Hälfte von A Flood of Terrors und seinen brutalen Höhepunkt beschert ihm Giacchino in A Bat in the Rafters, Pt. 1.
Und schließlich hätten wir noch Catwomans Thema. Sowohl Danny Elfman als auch Hans Zimmer versuchten, jeweils auf ihre ganz eigene Art Selina Kyles Katzenhaftigkeit hervorzuheben – das scheint nicht Giacchinos nicht Herangehensweise zu entsprechen. Stattdessen betont er in diesem Score, der, wie erwähnt, oft eher wie ein Horrorfilm klingt, über Selina die Noir-Aspekte der Geschichte. Ihr Thema ist das mit Abstand melodisch ansprechendste, bereits die Klavierklänge am Anfang der Catwoman-Suite rufen sofort Femme-Fatale-Assoziationen hervor, die von den bald darauf einsetzenden Streichern nur noch verstärkt werden. Oft werden Vergleich zur Musik John Barrys gezogen, denen ich definitiv zustimmen würde. Vorgestellt wird das Thema in Don’t Be Voyeur With Me (sehr streicherlastig), in Gannika Girl findet sich eine faszinierende Interaktion mit dem Leitmotiv des Riddlers, während An Im-purr-fect Murder ein ähnliches, wenn auch actionreicheres Zusammenspiel mit dem Batman-Thema ermöglicht. Die mitreißendste Variation erklingt dann zweifelsohne in der zweiten Hälfte von Meow and You and Everyone We Know.
Das kommerzielle Album bietet mit einer Länge von fast zwei Stunden eine äußerst üppig Präsentation dieses Soundtracks, zusätzlich zum Score und den drei Themensuiten findet sich am Ende auch noch die Sonata in Darkness, ein Medley bzw. eine Weiterverarbeitung der Themen für Klavier, gespielt von Gloria Cheng, die einen schönen Abschluss darstellt. Die Länge des Albums ist dabei durchaus gerechtfertigt, da es kaum einen Moment gibt, in dem Giacchino nicht mit seinen vier Themen jongliert, diese entwickelt oder miteinander interagieren lässt. Zugegebenermaßen ist das Batman-Motiv vielleicht ein wenig zu präsent, aber hier kann definitiv nicht über den Mangel an einem einprägsamen Titelthema geklagt werden. Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass „The Batman“ nicht unbedingt ein angenehmer Score ist, die dominanten Horror-Elemente und komplexen Orchestrierungen machen diesen Score zu einer von Giacchinos forderndsten, aber auch wirkungsvollsten Arbeiten.
Fazit: Ich muss zugeben, ich bin ein wenig enttäuscht darüber, dass es nicht endlich mal wieder ein etwas komplexeres und aufwändigeres Batman-Thema gibt, gleichzeitig kann ich die Effektivität von Giacchinos Ansatz allerdings nicht leugnen. Darüber hinaus entfernt sich der Score von „The Batman“ erfreulicherweise weit sowohl vom Zimmer’schen Wummern und Dröhnen als auch vom Sound, der gemeinhin mit Superhelden assoziiert wird und besticht stattdessen durch Stilmittel aus dem Horror- und Noir-Bereich und ebenso komplexe wie kreative und befriedigende Orchesterarbeit.
Spoiler nach dem ersten Absatz!
Unglaublich, aber wahr: Matt Reeves „The Batman“ ist der erste Solofilm mit dem Dunklen Ritter seit 2012 „The Dark Knight Rises“ ins Kino kam, zumindest was Realfilme angeht. Natürlich gab es diverse Animationsprojekte, von denen einige sogar auf der Leinwand zu sehen waren, etwa „The Lego Batman Movie“ oder „Batman: The Killing Joke“ – Letzterer hatte zumindest einen begrenzten Release. Und es gab genug Filme mit Batman, aber Ben Afflecks eher unrühmliche Amtszeit als Dunkler Ritter beinhaltet eben nur Filme, in denen Batman zwar meistens eine, aber eben nicht DIE Hauptrolle spielt. Tatsächlich startete „The Batman“ als Film für Afflecks Inkarnation der Figur, bei dem er auch selbst Regie führen und am Drehbuch mitschreiben sollte. Daraus wurde bekanntlich nichts, Affleck zog sich als Regisseur zurück, Matt Reeves, Regisseur von „Dawn of the Planet of the Apes“, „War for the Planet of the Apes“, „Cloverfield“ und „Let Me In“ kam an Bord und kurz darauf wurde klar, dass Affleck hier auch nicht Batman spielen würde. Matt Reeves hatte kein Interesse daran, an das DC Extended Universe gebunden zu sein oder das Drehbuch eines anderen zu verfilmen, stattdessen wollte er seine eigene Version Batmans umsetzen und einen noch eher jungen und unerfahrenen Dunklen Ritter zeigen, ohne dabei aber noch einmal groß auf die Origin einzugehen. Dementsprechend verfasste er zusammen mit Peter Craig auch das Drehbuch. Eine gewisse Pandemie sorgte für einige Schwierigkeiten, besonders als Robert Pattinson, dessen Casting als Bruce Wayne die üblichen Wellen schlug, an Covid-19 erkrankte. Aber trotz Corona und allen weiteren Hindernissen kann Reeves‘ Vision seit letzter Woche im Kino begutachtet werden. Um es kurz und knapp zu machen, bevor wir in den Spoilerbereich abtauchen: Reeves‘ „The Batman“ hat mir außerordentlich gut gefallen. Nicht, dass es nicht die eine oder andere Schwäche gäbe, gerade der dritte Akt sowie einige Subplots sind ein wenig holprig erzählt, aber im Großen und Ganzen funktioniert Reeves Ansatz exzellent. Diesen als Mischung aus Burton und Nolan mit einer kräftigen Dosis David Fincher zu beschreiben greift zwar ein wenig zu kurz, gibt aber einen ganz guten Eindruck. Wie sich „The Batman“ in meinem persönlichen Ranking gegen die diversen anderen Umsetzungen des Dunklen Ritters schlagen wird, muss sich allerdings erst noch zeigen.
Handlung und Konzeption
An Halloween wird Don Mitchell (Rupert Penry-Jones), der Bürgermeister von Gotham City, auf grausame Art und Weise ermordet, wobei der Killer, der bald als „der Riddler“ (Paul Dano) bekannt wird, ein Rätsel am Tatort hinterlässt. Um ihm bei diesem Fall behilflich zu sein, zieht der ermittelnde Lieutenant James Gordon (Jeffrey Wright), trotz des Widerstands seiner Kollegen, den seit knapp zwei Jahren aktiven Vigilanten Batman (Robert Pattinson) zu rate. Der Riddler scheint es auf die korrupte Elite Gothams abgesehen zu haben: Sein zweites Opfer ist Police Commissioner Peter Savage (Alex Ferns). Die erste Spur, das Foto einer jungen Frau, mit der Mitchell offenbar eine Affäre hatte, führt Batman zum Nachclub „The Iceberg Lounge“, der von Oswald Cobblepot (Colin Farrell), genannt „der Pinguin“, der rechten Hand des Mafiabosses Carmine Falcone (John Turturro), betrieben wird. Nach einem recht fruchtlosen Gespräch mit dem Gangster wird Batman auf Selina Kyle (Zoë Kravitz) aufmerksam, die besagte junge Frau namens Annika (Hana Hrzic) in ihrer Wohnung versteckt. Kurz darauf verschwindet Annika, weshalb Batman und Selina ein wackliges Bündnis schließen, in Batmans Auftrag kehrt Selina in die Iceberg Lounge zurück, um weiter zu ermitteln. Dabei erfahren sie, dass auch Bezirksstaatsanwalt Gil Colson (Peter Sarsgaard) auf Carmine Falcones Gehaltsliste steht – dieser wird dann auch das nächste Opfer des Riddles.
Batman (Robert Pattinson)
In seiner zivilen Identität als Bruce Wayne besucht Batman Don Mitchells Begräbnis, um dort weiter zu ermitteln. Das Begräbnis wird jedoch von Colson, der vom Riddler mit einer Bombe versehen wurde, gestört. Nur wenn es ihm gelingt, drei Rätsel zu lösen, stoppt der Riddler den Countdown. Colson weigert sich allerdings, die dritte Frage nach der Person zu beantworten, die den entscheidenden Hinweis zur Festnahme des Gangsterbosses Sal Maroni gab. Über den Pinguin kommen Batman und Gordon darauf, dass mit Maronis Festnahme etwas nicht stimmt, da seine kriminelle Operation ungehindert weiterläuft, und nicht nur das: Weitere Polizisten und städtische Beamte sind involviert. Durch weitere Hinweise muss Batman erkennen, dass auch sein eigener Vater Thomas Wayne in die Angelegenheit verstrickt ist. Und mehr noch: Der Riddler hat es auch auf Bruce Wanye selbst abgesehen, eine für ihn bestimmte Bombe bringt seinen Butler Alfred (Andy Serkis) ins Krankenhaus. Kann Batman herausfinden, wer in diese Verschwörung verwickelt ist und wie der Riddler mit all dem zusammenhängt?
Anhand dieser Inhaltsangabe zeigt sich bereits, dass die Detektivarbeit und die Ermittlungen dieses Mal – und zum ersten Mal in einem Batman-Realfilm – eindeutig im Vordergrund stehen. Ein wenig Detektivarbeit hier und da leisteten sicher auch die anderen filmischen Inkarnationen der Figur, man erinnere sich beispielsweise an Christian Bales Rekonstruktion des Einschusslochs in „The Dark Knight“ (wobei die ganze Aktion nicht unbedingt in sich logisch war), aber keiner der bisherigen Batmen kann guten Gewissens als „the world’s greatest detective“ bezeichnet werden – ironischerweise fällt dieser Titel, mit dem Batman in den Comics gerne bedacht wird, sogar in Reeves‘ Film, wenn auch ironisch-spöttisch. Wie dem auch sei, mehr noch als Nolans Batman-Filme entfernt sich Reeves bezüglich des Genres so weit vom typischen Superheldenfilm, wie es gerade möglich ist, ohne den kostümierten Rächer völlig zu entfernen, wie es Todd Phillips in „Joker“ tat. Ja, es gibt einige Actionszenen, doch diese sind verhältnismäßig selten und relativ geerdet, gerade im Kontrast zu den üppigen CGI-Schlachten der MCU-Filme. Und mehr noch, Action ist selten, die Ermittlungen und der Serienkiller- sowie der mit ihm verknüpfte Verschwörungsplot stehen ohne Zweifel im Fokus des Films. „The Batman“ ist ein waschechter Noir-Thriller und bedient sich der üblichen Konventionen.
Selina Kyle (Zoë Kravitz)
Mit einer Laufzeit von 176 Minuten ist „The Batman“ noch einmal zehn Minuten länger als „The Dark Knight Rises“, insgesamt aber sehr gelungen strukturiert, sodass eigentlich keine Längen aufkommen: Reeves gelingt es, seine Zuschauer direkt in diesen finsteren Moloch einer Großstadt hineinzuziehen und nicht mehr loszulassen, zumindest für die ersten beiden Akte, obwohl man zugegebenermaßen hier und da etwas beschleunigen könnte; für manche Szenen nimmt sich Reeves sehr viel Zeit. Zumindest mich hat das allerdings kaum gestört, ich war immer voll investiert. Erst im letzten Drittel bekommt das Konstrukt einige Risse, da auf die Szene, die sich zuerst wie ein Finale anfühlt, noch einmal mindestens eine weitere halbe Stunde und auch ein weiteres Finale folgt. „The Batman“ ist nun bei weitem nicht der einzige Film mit einem derartigen „Doppelfinale“, weitere Beispiele wären „Casino Royale“ oder „Red Dragon“. Sowohl bei diesen Beispielen als auch hier wirkt das Ganze etwas holprig erzählt, wie in „Casino Royle“ ist diese Struktur zumindest bezüglich der Figurenentwicklung und des Handlungsabschlusses allerdings durchaus essentiell. Dennoch fragt man sich unweigerlich, ob es nicht eine Möglichkeit gegeben hätte, das alles etwas eleganter zu lösen.
A Serious City on a Serious Earth: Matt Reeves’ Gotham
Wir haben schon viele Versionen von Gotham City auf der Leinwand gesehen, von Tim Burtons gotisch-expressionistischer Metropole über Joel Schumachers Neon-Alptraum bis zu Zack Synders völlig undefinierter Großstadt. Natürlich ist den meisten Zuschauern vor allem Nolans Version noch im Gedächtnis; diese Inkarnation von Batmans Heimatstadt wandelte sich allerdings von Film zu Film: In „Batman Begins“ war Gotham noch leidlich gotisch, zwar relativ realistisch, gerade im Vergleich zu Burton oder Schumacher, aber immer noch etwas überzeichnet. Dieser Aspekt verschwand in „The Dark Knight“ fast völlig, hier wirkte Gotham wie eine normale Großstadt und orientierte sich stark am Drehort Chicago – tatsächlich einer der wenigen Kritikpunkte, die ich an „The Dark Knight“ habe. Nun denn, Matt Reeves bringt das „Goth“ in Gotham City zurück. Zwar bemüht er sich ebenfalls, zumindest einen gewissen oberflächlichen Realismus zu bewahren und zieht sein Gotham nicht so überdreht auf, wie es die Filme der 90er taten, zugleich zeigt er aber eine völlig heruntergekommene Stadt, die noch einmal deutlich stilisierter daherkommt als etwa das Gotham aus „Joker“, obwohl sich beide Städte zweifellos am New York der 70er und 80er orientieren. Wie Burton bemüht sich Reeves auch, sein Gotham zu seinem einzigartigen, markanten Ort zu machen, bei dem sich nicht nur um irgendeine Großstadt handelt. Seien es Pinguins Nachtclub, die Bathöhle oder Bruce‘ Wohnräume im Wayne Tower (Wayne Manor wurde bereits im Vorfeld zum Waisenhaus umfunktioniert) – meine Güte, ich will auch so ein Esszimmer.
Der Riddler (Paul Dano)
Wie oben beschrieben scheint „The Batman“ atmosphärisch mitunter wie ein Kompromiss zwischen den Ansätzen von Burton und Nolan zu sein, während die Tatorte, die Konzeption des Riddlers und die Morde stark an David Finchers „Seven“ und in Ansätzen auch an „Saw“ erinnern. Da „The Batman“ ein PG-13-Rating hat, fällt das Ganze natürlich deutlich weniger blutig aus, aber wie schon Nolan in „The Dark Knight“ reizt Reeves das PG-13-Rating praktisch bis zum Anschlag aus. Selbstverständlich sollten bei den visuellen und inszenatorischen Einflüssen die diversen Batman-Medien abseits der Filme nicht ausgeklammert werden, von „Batman: The Animated Series“ über die Arkham-Spiele bis hin zu den Comics – den diversen Quellen widme ich mich weiter unten separat.
Nicht nur visuell zeigt Reeves sein Gotham als völlig kaputte Stadt. Wie schon bei Nolan ist diese Metropole völlig korrupt, und das noch in deutlich größerem Ausmaß. Vor allem in „Batman Begins“, aber auch in „The Dark Knight“ sahen wir primär korrupte Cops, aber auch Richter und städtische Beamte, neben Gordon schienen allerdings auch der Bürgermeister und der Police Comissioner sauber zu sein. Nicht so bei Reeves: Die komplette Führungsriege der Stadt steckt mit Carmine Falcone unter einer Decke, sodass er der de facto Bürgermeister der Stadt ist. Reeves thematisiert die Korruption noch in deutlich stärkerem Ausmaß und inszeniert sie weitaus erdrückender und allgegenwärtiger, als Nolan das tat. Während in „Batman Begins“ die eigentliche Bedrohung, Ra’s al Ghul und die Gesellschaft der Schatten, letztendlich von außen kommt, dreht sich in „The Batman“ alles um die Stadt selbst, der Riddler ist diesem Sumpf ebenso entwachsen wie Batman selbst, beide sind direkte Reaktionen.
„I’m Vengeance“: Robert Pattinsons Batman
Nachdem in der Dark-Knight-Trilogie die Tendenz vorherrschte, alles zu erklären und auch ordentlich Selbstanalyse zu betreiben, kehrt Reeves eher zum Burton’schen Ansatz zurück: Woher hat Batman sein Training und seine Spielzeuge? Wissen wir nicht, spielt keine große Rolle. Reeves geht sogar noch weiter, was manchmal sehr gut funktioniert, manchmal aber durchaus Lücken hinterlässt, die man hätte schließen müssen. Beispielsweise zeigt Reeves nicht noch einmal die Ermordung der Waynes – zum Glück, nach „Batman“, „Batman Begins“, „Batman v Superman: Dawn of Justice“, „Gotham“ und „Joker“ haben wir diese in den letzten Jahrzehnten wirklich oft genug gesehen. In manchen Aspekten verlässt sich Reeves einfach darauf, dass sein Publikum mit der Figur vertraut ist, um sich voll auf den Plot dieses Films konzentrieren zu können, ganz ähnlich wie es ein Batman-Comic tun würde, der nicht spezifisch die Origin der Figur behandelt. Bruce‘ Eltern werden zwar thematisiert, aber eben nur insofern sie für die Handlung relevant sind, es spielt also vor allem Thomas Waynes Verstrickung mit Carmine Falcone eine Rolle. Manche Elemente müssen einfach als selbstverständlich hingenommen werden. Die Entscheidung, die Fledermaus als Totem zu verwenden oder nicht zu töten wird weder inhaltlich noch psychologisch erklärt, es ist Batman, das gehört dazu, weshalb wird zumindest in diesem Film nicht erläutert. Ein wenig erinnert dieser Ansatz an „Batman: The Animated Series“: In der ersten Folge „On Leather Wings“ verhält es sich sehr ähnlich, Details bezüglich Batmans Vergangenheit, Motivation etc. werden erst später nachgereicht.
Alfred Pennyworth (Andy Serkis) und Bruce Wayne (Robert Pattinson)
„The Batman“ ist dennoch eine Origin-Story für die Figur: Robert Pattinsons Bruce Wayne mag bereits seit fast zwei Jahren aktiv sein, ist aber trotzdem noch nicht der Batman, der er sein muss. In vielerlei Hinsicht ist „The Batman“ eine Geschichte von Batmans Scheitern, ein Scheitern, das nötig ist, um ihn zu einer essentiellen Erkenntnis zu bringen. Zu Anfang kümmert sich dieser Batman primär um die kleinen Verbrechen, Raub, Mord, Vandalismus, wobei er nur mäßig erfolgreich ist – zwar kann er einzelne Verbrechen verhindern, insgesamt geht die Kriminalitätsrate aber nach oben, nicht nach unten. Der Film beginnt mit einer ähnlichen Montage, wie wir sie auch zu Beginn von „The Dark Knight“ nach dem Banküberfall sehen: Das Batsignal am Himmel, verängstigte Verbrecher und schließlich Batman im Einsatz. Der Unterschied: In „The Dark Knight“ sorgt die Furcht vor Batman bereits dafür, dass Verbrechen nicht begangen werden, in „The Batman“ hingegen nicht. Auch der Fokus ist ein anderer: Korruption und organisiertes Verbrechen scheinen diesen Batman zumindest zu Anfang nicht zu kümmern. Wo Nolans Dunkler Ritter bei seinem ersten Einsatz sofort gegen Carmine Falcone vorgeht, interessiert sich Reeves‘ Version der Figur nicht groß für die Mafia, sofern sie keine aktiven Verbrechen begeht. Es sind tatsächlich die Morde des Riddlers, die Batman überhaupt erst auf das Ausmaß an Korruption aufmerksam werden lassen.
Den Fokus auf die Detektivarbeit erwähnte ich bereits, aber gerade hier wird Batmans Versagen deutlich: Trotz seiner Beobachtungs- und Kombinationsgabe, von der Technik gar nicht erst zu sprechen, gelingt es ihm nicht, auch nur einen der Riddler-Morde tatsächlich zu verhindern, ebenso wenig wie er es schafft, den finalen Anschlag abzuwenden. Batman geht in seinem Kreuzzug gegen das Verbrechen mit einem absoluten Tunnelblick vor, ohne auf den Kontext zu achten, er sieht nur das aktuelle Verbrechen, nicht das große Ganze. Das zeigt sich auch an der Rolle, die Bruce Wayne in diesem Film spielt – nämlich so gut wie keine. Bezüglich Batmans bürgerlicher Identität verzichtet Reeves auf die übliche Dualität zwischen Playboy und Vigilant, die vor allem in der Dark-Knight-Trilogie sehr betont wurde. Selbst Michael Keatons Batman zeigte sich hin und wieder in der Öffentlichkeit und gab Wohltätigkeitsfeste, obwohl er deutlich introvertierter und zurückgezogener war. Im Vergleich zu Robert Pattinsons Bruce Wayne ist selbst Keatons Inkarnation der Figur eine Frohnatur: Selten zuvor wurde Bruce als derartig obsessiv und kaputt gezeigt. Dementsprechend fällt auch Robert Pattinsons Performance aus, seiner Darstellung ist recht stoisch, Pattinson erreicht mit kleinen Regungen und vor allem seinen Augen extrem viel und deutet eine emotionale Tiefe an, die nur selten an die Oberfläche kommt.
Das Batmobil
Trotz des Mangels an Bruce Wayne arbeitet Reeves mit einer eindeutigen Dualität, allerdings einer anderen als der üblichen: Batman als Symbol der Vergeltung vs. Batman als Symbol der Hoffnung. Das ist es auch, was Batman durch sein Scheitern in diesem Film lernt: Vergeltung reicht nicht aus, um wirklich etwas zu verändern, benötigt Batman einen systematischen Ansatz. Nur, wenn er sowohl Angst bei den Kriminellen als auch Hoffnung bei denen erweckt, die es zu beschützen gilt, kann er wirklich etwas verändern. Das zeigt sich besonders schön zu Beginn und zum Schluss: Die Person, die Batman am Anfang vor der Straßengang rettet, hat ebenso viel Angst vor ihm wie vor der Gang. Am Ende hat eine andere Person, die er aus den Trümmern rettet, keine Angst mehr, sondern möchte ihn nicht loslassen. Reeves‘ Bildsprache diesbezüglich ist nicht subtil, aber effektiv: Der Vigilant, der sich zu Anfang als Teil der Schatten bezeichnet, bringt das Licht.
Batmans Ausrüstung in diesem Film ist deutlich unausgereifter und weniger „poliert“ als etwa Christian Bales oder Michael Keatons, sondern stärker zweckgebunden. Das neue Batmobil sieht zwar verdammt cool aus und hat ordentlich Power, ihm fehlen aber die ganzen eingebauten Gadgets wie Maschinengewehre, Bat Pod, Sprungvorrichtung etc. Anstatt des Capes mit Gedächtnisstoff, das seinen Weg aus der Dark-Knight-Trilogie in die Comics und die Arkham-Spiele gefunden hat, verfügt Robert Pattinson über einen noch eher unausgereiften Fluganzug. Einzig der Suit scheint den anderen Modellen deutlich überlegen zu sein, offenbar steckt er so ziemlich alles weg, selbst Schüsse aus nächster Nähe. Das eine oder andere Mal hat das eher an Din Djarins Beskar-Rüstung aus „The Mandalorian“ als an Batmans typische Körperpanzerung erinnert. Etwas weniger wäre hier mehr gewesen – stattdessen hätte man Batman vielleicht den einen oder anderen Ermittlungserfolg gönnen und ihn beispielsweise den Riddler finden lassen können, ohne dass dieser sich selbst aufgibt.
„You Are Part of this, too”: Batmans Verbündete
Batmans Unterstützer sind nur allzu bekannt: Andy Serkis übernimmt als treuer Butler Alfred Pennyworth, Jeffrey Wright spielt James Gordon, hier noch nicht Comissioner, sondern nur Lieutenant, und Zoë Kravitz mimt die neue Version von Selina Kyle/Catwoman. Alle drei Figuren wurden bereits mehrfach hervorragend von exzellenten Darstellern verkörpert, sodass sich automatisch die Frage stellt, wie diese drei sich in ihren Rollen machen. Den geringsten Eindruck hinterlässt tatsächlich Andy Serkis‘ Alfred, was aber nicht daran liegt, dass er der Herausforderung nicht gewachsen wäre – trotz der Laufzeit von drei Stunden taucht Alfred verhältnismäßig selten auf. Reeves versucht, ihm mit Bruce einen eigenen kleinen Subplot zu geben und ihre Beziehung etwas zu entwickeln, zu Anfang des Films verhält sich Bruce eher abweisend und erklärt ihm, er sei eben nicht sein Vater, nachdem Alfred jedoch dem Angriff des Riddlers zum Opfer fällt, revidiert er diese Aussage. Dennoch bleibt die Beziehung zwischen Bruce und Alfred ziemlich oberflächlich, vor allem natürlich im Vergleich zu dem Verhältnis, das die beiden in „Batman Begins“ hatten.
Im Gegensatz dazu spielt Gordon eine deutlich größere Rolle. Weshalb er mit Batman zusammenarbeitet und ihm, anders als alle anderen Polizisten, die mit dieser Zusammenarbeit massive Probleme haben, bedingungslos vertraut, verrät uns Reeves nicht. Dafür fällt die Zusammenarbeit deutlich enger aus als in fast allen bisherigen Filmen: Gordon kontaktiert Batman nicht nur mit dem Batsignal, sie untersuchen gemeinsam Tatorte, ermitteln zusammen und verhören gemeinsam den Pinguin. Jeffrey Wrights Version der Figur erinnert dabei sehr an die beiden, von Brad Pitt und Morgan Freeman gespielten Ermittler David Mills und William Somerset aus Finchers „Seven“, sogar der Sprachduktus scheint ein sehr ähnlicher zu sein. Gordons familiäres Umfeld, das in den Comics eine wichtige Rolle spielt – seine Tochter Barbara ist bekanntermaßen Batgirl, sein Sohn James jr. wird zum Widersacher und seine zweite Frau Sarah Essen Gordon wird vom Joker ermordet – taucht hier zumindest noch nicht auf. Dementsprechend zweckgebunden fällt Wrights Performance aus, wie üblich ist Gordon einer der wenigen nicht-korrupten Polizisten, und obwohl wir seinen genauen Antrieb nicht kennen, ist doch eindeutig, dass er mit voller Leidenschaft bei der Sache ist.
James Gordon (Jeffrey Wright) und Batman (Robert Pattinson)
Das Verhältnis zwischen Batman und Catwoman, die hier, wie schon in „The Dark Knight Rises“, nur ihren bürgerlichen Namen trägt und bestenfalls einmal als „cat burglar“ bezeichnet wird, ist wie üblich recht ambivalent. Selina ist gleich doppelt in die Mafiaverschwörung verwickelt, zum einen ist ihre Freundin Annika eine potentielle Zeugin, die später vom Pinguin und seinen Leuten beseitigt wird, und zum anderen ist sie Carmine Falcones Tochter und möchte sich an ihrem Vater rächen. Dieser Subplot wirkt ein wenig unausgegoren und konstruiert, die einzelnen Elemente wollen alle nicht unbedingt wirklich zusammenpassen, vor allem am Ende wird das deutlich. Über den Film hinweg wird immer wieder der Eindruck erweckt, Carmine Falcone habe ein gewisses Interesse an Selina, weil er weiß, dass sie seine Tochter ist, jedenfalls scheint er sie „väterlich“ zu behandeln. Dann gibt es allerdings eine Enthüllungsszene, in welcher Selina ihn aufklärt, wer sie ist und die nicht so recht zum Rest passen will. Davon abgesehen ist Selina allerdings ein exzellenter Bestandteil des Films, ich würde sogar noch weiter gehen und Zoë Kravitz die beste Performance des Films attestieren. Während Pattinsons Rolle eher stoisch angelegt ist und er sehr viel über die Augen vermittelt, ist es bei Kravitz die Körpersprache, die die Figur definiert, sei es in den Kampfszenen, wenn sie die Rolle einer Kellnerin schlüpft oder wenn sie sich tatsächlich ehrlich und verletzlich gibt. Mit dem finalen Urteil möchte ich noch bis zur Zweitsichtung warten, aber ich denke, ich habe meine Lieblings-Catwoman gefunden – was angesichts der Konkurrenz durch Michelle Pfeiffer und Anne Hathaway wirklich eine beeindruckende Leistung ist.
„Riddle me this”: Schurken und Widersacher In „The Batman“ bringt Matt Reeves drei (sofern man Catwoman nicht dazurechnet) klassische Batman-Widersacher zurück auf die Leinwand. Wie schon in der meisterhaften Miniserie „Batman: The Long Halloween“ sowie in „Batman Begins“ und „Gotham“ fungiert Carmine Falcone, in „The Batman“ gespielt von John Turturro, als Symbol des „alten Gotham“, das von klassischen Gangstern beherrscht wird, die aber nach und nach von exzentrischen Freaks abgelöst werden. Um ehrlich zu sein, John Turturro konnte mich als übermächtiger Mafia-Don nicht wirklich überzeugen, die Gravitas, die Ausstrahlung, die man von einer derartigen Figur erwartet, schafft er einfach nicht zu vermitteln. Hier wäre etwas mehr „show, don’t tell“ angebracht gewesen – man wird immer wieder darüber informiert, wie mächtig und gefährlich Carmine Falcone ist, aber weder bekommen wir wirklich eine Kostprobe seiner Macht, noch wird es auf andere Art vermittelt. Was bleibt ist ein recht jovialer John Turturro.
Oswald Cobblepot, der Pinguin (Colin Farrell)
Oswald Cobblepot ist das genau Gegenteil: Der Pinguin fungiert hier als Carmine Falcones Unterboss und rechte Hand, als solcher wird er deutlich aktiver als sein Chef. Nicht nur ist Colin Farrell unter dem beeindruckenden Make-up absolut nicht wiederzuerkennen, er geht völlig in seiner Rolle auf, spielt grandios und sorgt für einige der besten, wenn auch grimmigen, Momente des Humors. Farrell gibt einen deutlichen besseren und exzentrischeren Gangster ab als Turturro und reißt gnadenlos jede Szene an sich, in der er auftaucht, sei es das erste Zusammentreffen mit Batman oder die wilde Verfolgungsjagd (Batmans asozialer Fahrstil ist über die verschiedenen Inkarnationen hinweg sehr konsistent).
Schließlich und endlich hätten wir den Riddler, den eigentlichen Antagonisten des Films, der sich in der Reeves-Interpretation so weit wie nur irgendwie denkbar von Frank Gorshin oder Jim Carrey entfernt hat und eher an den Zodiac-Killer, John Doe aus „Seven“ oder Jigsaw aus „Saw“ angelehnt ist. Wie so oft bei Batman handelt es sich um ein dunkles Spiegelbild des Helden: Sowohl Bruce Wayne als auch Edward Nashton sind Waisen, die sich mit Gothams Korruption und Kriminalität nicht mehr abfinden wollen. Anders als Bruce Wayne verfügt Edward Nashton allerdings nicht über unbegrenzte finanzielle Mittel, weshalb er Bruce als „keine echte Waise“ betrachtet. Wie Bruce beschließt er, Vergeltung zu üben. Wo Batman allerdings Nacht für Nacht auf die Straße geht und Verbrecher verprügelt, ohne dabei das Gesamtbild zu sehen, kommt Nashton hinter die Verschwörung, die Carmine Falcones Macht sichert, ihm fehlen aber die Mittel, etwas dagegen zu tun. Batman fungiert für ihn als Inspiration, tatsächlich glaubt er, sie stünden auf derselben Seite. Als Riddler möchte Nashton Batman die Augen für das Gesamtbild öffnen, was ihm auf gewisse Weise auch gelingt, nachdem er dem Dunklen Ritter allerdings seine Sichtweise enthüllt, ist dieser nicht etwa erfreut, sondern aktiv abgestoßen. Ab diesem Zeitpunkt ändert sich Riddlers Vorgehensweise, denn im Finale agiert er weniger wie der Puzzle-verrückte Serienkiller, als der er bis dahin dargestellt wurde, sondern eher wie ein Terrorist aus den Nolan-Filmen, was mir persönlich wie ein Bruch vorkommt. Auch die neuen Anhänger des Riddlers, die plötzlich fast wie aus dem Nichts auftauchen, erscheinen etwas merkwürdig, ein recht unsubtiler Kommentar auf Social-Media-Follower. Auf der einen Seite wirkt das Finale ein wenig wie angeklebt, um noch etwas Spektakel und Action unterzubringen, andererseits ist es für die Entwicklung Batmans und den thematischen Überbau sehr wichtig. Wie dem auch sei, Paul Dano überzeugt in der Rolle des Riddlers auf seine Art ebenso wie Colin Farrell, auch wenn er deutlich weniger unterhaltsam ist (wie es auch sein sollte). Über den Masterplan des Riddlers sollte man dagegen vielleicht nicht allzu genau nachdenken, sonst offenbaren sich die üblichen Lücken.
Carmine Falcone (John Turturro)
Mit dem Joker, gespielt von Barry Keoghan, hat darüber hinaus ein weiterer, klassischer Batman-Schurke einen kleinen Cameo-Auftritt, den es meinem Empfinden nach aber absolut nicht gebraucht hätte – die Szene wirkt unpassend und stört den Fluss des Endes. Zudem hatten wir in letzter Zeit so viel Joker, dass er durchaus mal eine Weile pausieren kann. Laut Reeves war eine weitere Szene mit dem Joker geplant und wurde sogar gedreht, in welcher Batman den Joker aufsucht, damit dieser ihm auf Hannibal-Lecter-Art bei der Ergreifung des Riddlers hilft – diese Szene fiel (glücklicherweise) der Schere zum Opfer. Ich könnte mir allerdings vorstellen, dass die Ergreifung des Jokers das Ereignis war, das Batman und Gordon zusammengeschweißt hat. Zudem wird noch der etwas neuere, in den frühen 2000ern von Jeph Loeb und Jim Lee geschaffene Hush angedeutet. Der Reporter, der droht, Thomas Waynes Geheimnisse zu enthüllen, trägt den Nachnamen Elliot, was natürlich sofort an Thomas Elliot, Hushs bürgerliche Identität denken lässt. Zudem steht das Wort „Hush“ auch noch auf dem Foto besagten Reports – ich bin sicher, sowohl Thomas Elliot als auch die Frage, wie korrupt Thomas Wayne tatsächlich war, werden in Zukunft noch eine Rolle spielen.
Art of Adaptation: Ein Blick auf die Quellen
„The Batman“ folgt dem gewohnten Muster vieler anderer Superheldenfilme: Anstatt eine bestimmte Story zu adaptieren, arbeiteten Matt Reeves und Peter Craig mit einer Vielzahl an verschiedenen Story-Elementen aus diversen Werken der letzten Jahrzehnte und bauten zudem noch viele, viele kleine Anspielungen für Comic-Fans ein, die zeigen, wie gut sie sich in der Materie auskennen. Wie schon bei „Batman Begins“ und „The Dark Knight“ fungieren die beiden essentiellen Batman-Storys „Batman: Year One“ (von Frank Miller und David Mazzuchelli) und „Batman: The Long Halloween“ (von Jeph Loeb und Tim Sale) als primäre Inspiration für das Setting eines völlig korrupten, von der Mafia beherrschten Gotham, das von einem bestimmten Vigilanten und seiner (mehr oder weniger) farbenfrohen Schar an Widersachern nachhaltig verändert wird. Vor allem „The Long Halloween“ nannte Reeves immer wieder als eine seiner liebsten Batman-Geschichten, dementsprechend viele Verweise finden sich in der Handlung des Films. Während „The Dark Knight“ den Two-Face-Plot (zumindest in groben Zügen) adaptierte, scheint „The Batman“ stärker vom zentralen Kriminalfall inspiriert zu sein. In „The Long Halloween“ ist natürlich nicht der Riddler, sondern der Holiday-Killer der zentrale Antagonist, und er tötet Mitglieder der Mafia, nicht korrupte städtische Beamte, aber die Parallelen sind doch deutlich. Und zu allem Überfluss startet die Mordserie in „The Batman“ an Halloween, auch wenn sie kein ganzes Jahr andauert. Catwoman als Tochter Carmine Falcones stammt ebenfalls aus „The Long Halloween“, dieser Aspekt wird in den Fortsetzungen „Batman: Dark Victory“ und „Catwoman: When in Rome“ (beide ebenfalls von Loeb und Sale) weiter ausgeführt. Besonders erfreut war ich darüber, dass Selina Carmine Falcone auch im Film die ikonischen Kratzer verpasst, die er in „Year One“ bekommt. Und wo wir gerade von Catwoman sprechen: Ihr Kurzhaar-Look stammt direkt aus dem beliebten Run von Ed Brubaker und Darwyn Cooke, während sie in der finalen Konfrontation genauso aussieht wie bei ihrem ersten Auftritt in Millers „Year One“. Selinas Freundin Annika ist, so weit ich weiß, eine Neuschöpfung, erinnert aber an Holly Robinson, die in den Comics eine ähnliche Rolle spielt und ebenfalls getötet, von Ed Brubaker aber wieder zurückgebracht wurde.
Selina Kyle (Zoë Kravitz) und Batman (Robert Pattinson)
Eine weitere wichtige Inspiration dürfte die deutlich jüngere dreiteilige Graphic-Novel-Serie „Batman: Earth One“ von Geoff Johns und Gary Frank sein. In dieser Neuerzählung von Batmans Origin erleben wir einen ähnlich fehlbaren Batman, der erst lernen muss, was es heißt, ein Held und ein Detektiv zu sein. Die Interpretation Alfreds scheint ebenfalls auf „Earth One“ zu basieren, vom Gehstock bis hin zu seiner Rolle, die eher Trainer und Bodyguard statt Butler zu sein scheint. Ähnliches lässt sich auch über den Riddler sagen, der im zweiten Band der zentrale Widersacher ist und ebenfalls als Serienkiller inszeniert wird. Gewisse Parallelen zum Riddler aus den Arkham-Spielen lassen sich nicht leugnen, von der Agenda gegen Korruption in „Arkham Origins“ bis zu den Jigsaw-ähnlichen Fallen in „Arkham City“. Das Finale schließlich erinnert an Ed Brubakers und Greg Capullos „Batman: Zero Year“, eine weitere Origin-Erzählung im Rahmen der 2011 gestarteten New-52-Kontinuität. Wie in „The Batman“ tritt der Riddler hier als erster „echter“ Superschurke auf und zudem wird Gotham geflutet und von der Außenwelt abgeschnitten, etwas, das im kommenden Sequel von „The Batman“ thematisiert werden könnte. Eine ähnliche Situation hatten wir freilich auch in „The Dark Knight Rises“ und dem groß angelegten Handlungsbogen „No Man’s Land“, der sich Ende der 90er durch sämtliche Batman-Serien zog.
Mit der Idee, die Waynes könnten vielleicht nicht die guten Menschen sein, als die sie Bruce immer sah, spielen die Autoren in den Comics immer wieder. Die Verbindung zu Carmine Falcone stammt direkt aus „The Long Halloween“, und auch die Telltale-Spiele (die ich leider nicht selbst gespielt habe) greifen diese Idee wohl auf. Martha Wayne als Mitglied der vom Wahnsinn gezeichneten Arkham-Familie stammt aus „Earth One“ – normalerweise ist sie eine Kane – und in gewisser Weise scheint „The Batman“ auch an Todd Phillips „Joker“ anzuknüpfen, denn Phillips‘ Version von Thomas Wayne kandidiert ebenfalls als Bürgermeister und hat mit Sicherheit keine völlig weiße Weste. Den Pinguin als Handlanger und gewissermaßen Nachfolger Carmine Falcones sahen wir bereits in „Gotham“. Der gefesselte Colin-Farrell-Pinguin adaptiert sogar kurzzeitig das typische Watscheln der Robin-Lord-Taylor-Version. Als weitere zentrale Inspirationsquelle für Batmans psychischen Zustand nennen Reeves und Robert Pattinson zudem „Batman: Ego“ von Darwyn Cooke, ein kürzerer One-Shot, in welchem Bruce Wayne eine Art Zwiegespräch mit seinem Alter Ego führt, was angesichts des Mangels an Distinktion zwischen Bruce und Batman im Film ein wenig ironisch anmutet.
Fazit: Ist Matt Reeves‘ „The Batman” ein Meisterwerk, vielleicht sogar der beste Batman-Film? So weit würde ich definitiv (noch?) nicht gehen, aber zweifelsohne handelt es sich um eine extrem gelungene Neuinterpretation der Figur und ihres Kosmos mit einem wirklich grandiosen Cast, einem vor gotischer Atmosphäre triefenden Gotham City und leider einigen erzählerischen Schwächen im dritten Akt. Aber ich möchte definitiv gerne mehr sehen von dieser Inkarnation Batmans und Gothams.
Boba Fett ist zweifellos eine der beliebtesten Nebenfiguren des Franchise, bereits in „The Empire Strikes Back“ wusste der enigmatische Kopfgeldjäger viele Fans von sich einzunehmen. Über die Jahre hinweg versorgten Romane und Comics das Fandom mit mehr Fett, u.a. wurde in der Comicserie „Dark Empire“, verfasst vom kürzlich verstorbenen Tom Veitch und bebildert von Cam Kennedy, enthüllt, dass Boba seinen eher unrühmlichen Tod in „Return of the Jedi“ überlebt hatte. Mit „Attack of the Clones“ verpasste ihm George Lucas schließlich einen Hintergrund, der sich sehr von dem unterschied, was diverse EU-Autoren zuvor über seine Vergangenheit berichtet hatten. Dass Disney sich Boba Fetts Popularität nicht entgehen lassen würde, war von Anfang an ziemlich klar. Lange wurde spekuliert, bei dem Anthologie-Film, bei dem Josh Trank Regie führen sollte, handle es sich um einen Boba-Fett-Film. Sein Live-Action-Debüt in einem Disney-Projekt feierte Boba schließlich in der zweiten Staffel von „The Mandalorian“, gespielt von Jango-Fett-Darsteller Temuera Morrison. Dieselbe Staffel teaserte am Ende auch die zweite Star-Wars-Realserie „The Book of Boba Fett“ an. Und hier sind wir also: Die komplette erste Staffel (ob es eine zweite geben wird steht aktuell noch nicht fest) ist komplett auf Disney+ anschaubar und umfasst sieben Episoden.
Handlung
Nachdem Boba Fett (Temuera Morrison) seine Rüstung zurückbekommen hat, kehrt er zusammen mit Fennec Shand (Ming-Na Wen) nach Tatooine zurück und übernimmt Jabbas altes Territorium. Damit ist es aber nicht getan, als neuer Daimyo muss er sich erst einmal einen Namen machen und Verbündete finden, denn nur mit Fennec und Jabbas altem Folterdroiden 8D8 (Matt Berry) wird er nicht allzu weit kommen. Während einige einflussreiche Einwohner der nahe gelegenen Stadt Mos Espa, etwa die Cantinabesitzerin Garsa Fwip (Jennifer Beals) Bobas Anspruch akzeptieren, sind andere wie beispielsweise der Bürgermeister Mok Shaiz (Robert Rodriguez) und sein Twi’lek-Handlanger (David Pasquesi) weit weniger einsichtig. Zudem haben diverse Parteien ein gesteigertes Interesse an Tatooine, darunter die Spice schmuggelnden Pykes und die Zwillinge, zwei Hutts aus Jabbas Verwandtschaft. Verbündete findet Boba in zwei Gamorreanern, die zuvor für Jabba und Bib Fortuna arbeiteten, dem Wookiee Black Krrsantan (Carey Jones) und den Mitgliedern einer Cyborg-Gang.
Boba Fett (Temuera Morrison)
Während sich Boba Fetts Syndikat und die Pykes für den Krieg gegeneinander rüsten, erfahren wir in Rückblicken, was sich in der Zeit zwischen „Return of the Jedi“ und Bobas Auftauchen in der zweiten Mandalorian-Staffel ereignet hat: Nachdem er sich aus dem Sarlacc retten kann, wird Boba von einer Gruppe Tusken gefangen genommen, deren Respekt er nach und nach erringt und der er hilft, gegen die Agenten der Pykes zu kämpfen. So wird Boba Teil des Stammes, doch die Zugehörigkeit hält nicht lange an, denn die Tusken werden augelöscht. So muss Boba nun eine neue Bestimmung finden. Nachdem er Fennec Shand davor rettet, in der Wüste zu sterben, beginnt sich ein Plan zu formen: Warum nicht Jabbas altes Imperium übernehmen?
Konzeption und Struktur
Mehr noch als „The Mandalorian“ arbeitet „The Book of Boba Fett” die Western-Elemente von Star Wars heraus, zusätzlich hat die zweite Star-Wars-Serie allerdings auch einen deutlich erhöhten Pulp-Faktor, der sich auf diese Weise im etwas geerdeteren „The Mandalorian“ nicht findet. Rückblickend betrachtet scheint es mir aber besonders eine Inspirationsquelle zu geben, die in der Rezeption allerdings eher selten erwähnt wird (Ming-Na Wen selbst verwies in einem Interview allerdings auf die Parallelen): Francis Ford Coppolas „The Godfather“ und „The Godfather Part II“ scheinen in mehr als einer Hinsicht (Achtung, schlechtes Wortspiel) Pate gestanden zu haben – und das nicht nur, weil Boba sich hier als Gangster statt als Kopfgeldjäger versucht. Gerade die Flashback-Struktur, derer sich die ersten vier Episoden bedienen, erinnert stark an „The Godfather Part II“, die Beziehung zwischen Boba und Fennec Shand hat Parallelen zu der zwischen Vito Corleone und Luca Brasi und letztendlich ist Vito Corleone das, was Boba Fett am Ende werden will bzw. werden soll: Der Gangsterboss, der mit Respekt herrscht. Wenn Boba in der finalen Szene durch die Straßen Mos Espas schlendert und von alle begrüßt wird, erinnert das unweigerlich sowohl an Don Fanucci als auch an Vito Corleone in den Rückblicken in „The Godfather Part II“.
Fennec Shand (Ming-Na Wen)
Leider funktioniert diese Herangehensweise hier nicht wirklich. Man verstehe mich nicht falsch: Ich habe es durchaus genossen, „The Book of Boba Fett“ anzusehen, ich habe mich nicht gelangweilt und hatte meinen Spaß mit der Serie, da sie viele coole Elemente und sehenswerte Bestandteile hat. Letztendlich ist „The Book of Boba Fett“ aber ein Werk, das nie über die Summe seiner Einzelteile hinauswächst und, anders als „The Mandalorian“, nie wirklich zusammenfindet. Mir erscheint es fast ein wenig, als wäre das Konzept dieser Serie als fixe Idee im Writers‘ Room entstanden: „Wäre es nicht cool, aus Boba Fett Vito Corleone zu machen?“, hätte dann aber nicht die entsprechenden Anpassungen erhalten. Das beginnt bereits bei der Ausführung dieser Idee, da nie völlig klar wird, wie Boba sein Vorhaben eigentlich wirklich durchzuführen gedenkt bzw. wie die kriminelle Unterwelt von Tatooine diesbezüglich funktioniert. Zu Beginn besteht Bobas „Organisation“ nur aus Fennec Shand und Jabbas altem Folterdroiden (was für eine Verschwendung des komödiantischen Talents von Matt Berry) – hat er Anspruch auf Jabbes altes Imperium, nur weil er Bib Fortuna getötet und sich im Palast breitgemacht hat? Immerhin erkennen ja einige der Bewohner von Mos Espa Bobas Autorität an, nur, weshalb?
Hinzu kommen einige massive erzählerische Probleme. Ich kann verstehen, weshalb man die Flashback-Struktur für die ersten vier Folgen wählte: Einerseits wollte man direkt an die Mid-Credits-Szene aus der zweiten Mandalorian-Staffel anknüpfen, andererseits aber auch erzählen, was zwischen „Return of the Jedi“ und „The Mandalorian“ geschehen ist. Aber auch hier will alles nicht so recht zusammenfinden, nicht zuletzt, weil es den Flashbacks nicht wirklich gelingt, zu vermitteln, dass sie eine Zeit von fünf Jahren abdecken – die Einteilung bleibt relativ schwammig, es gibt keinen Indikator dafür, wie lange Boba beispielsweise bei den Tusken war. Zudem haftet der Strukturierung der Flashbacks eine gewisse Willkür an. Das Idealbeispiel für eine derartige Struktur ist neben „The Godfather Part II“ für mich immer „Batman Begins“ wo die Rückblicke stets Fragen beantworten, die in der Gegenwartshandlung zuvor aufgeworfen werden.
Garsa Fwip (Jennifer Beals)
Und dann ist da natürlich noch der Umstand, dass „The Book of Boba Fett“ nach vier Folgen und dem Abschluss der Flashback-Handlung temporär jegliches Interesse am Protagonisten und seinem Wirken verliert und uns stattdessen gefühlt zwei Folgen aus der dritten Staffel von „The Mandalorian“ zeigt; in der fünften Folge kommt Boba überhaupt nicht vor, in der sechsten hat er das, was man gerne als „non speaking cameo“ bezeichnet – und das in seiner eigenen Serie. Die finale siebte Folge schließlich, in der die Schlacht um Mos Espa gezeigt wird, zeigt die Probleme der Serie noch einmal kondensiert: Wie die gesamte Staffel hat auch diese Abschlussfolge viele coole Ideen, seien es die Scorpenek-Droiden oder der Rancor in Aktion, in letzter Konsequenz will aber alles nicht so recht zusammenfinden, was zum Teil auch an der Regieführung liegt – hier schwankt die Serie mitunter stark. Gerade die inszenatorischen Schwächen der siebten Folge, die den Titel „In the Name of Honor“ trägt, hat mal wieder zu Übersprungshandlungen bei Star-Wars-Fans geführt, die per Petition erreichen wollten, dass Robert Rodriguez nie wieder im Franchise aktiv wird. So idiotisch ich derartige Reaktionen auch finde, Rodriguez‘ Folgen (eins, drei und sieben) waren definitiv die schwächeren dieser Staffel, und auch der sehr unfokussierten sechsten Folge, „From the Desert Comes a Stranger“, merkt man an, dass Dave Filoni im Regie-Bereich noch das eine oder andere lernen muss. Die diesbezüglich stärksten Folgen waren zweifelsohne Kapitel 2, „The Tribes of Tatooine“ von Steph Green und Kapitel 5, „Return of the Mandalorian“ von Bryce Dallas Howard. Letztere hat auch in den beiden Mandalorian-Staffeln sehr gute Arbeit geleistet und ein gewisses Händchen für die weit, weit entfernte Galaxis bewiesen; vielleicht wäre sie eine gute Kandidatin für einen wie auch immer gearteten Star-Wars-Film.
Boba und das Ensemble
Boba Fetts Charakterisierung war über die verschiedenen Medien hinweg nie besonders kohärent. Die Figur, wie sie in Episode V und VI auftaucht, gibt einem als Autor, der den Kopfgeldjäger weiterentwickeln soll, auch nicht allzu viel an die Hand. Selbst vor Episode II war seine Persönlichkeit über das Badasstum hinaus nicht unbedingt konsistent, mitunter wurden ihm sogar zolibatäre Tendenzen angedichtet. Nach „Attack of the Clones“ konzentrierte man sich in den Legends-Romanen und -Comics stärker auf Boba als Träger des mandalorianischen Vermächtnisses von Jango, er erhielt nicht nur eine Jugendbuchserie, die schildert, wie er mit dem Tod seines Vater umgeht und die Klonkriege erlebt, in der Buchreihe „Legacy of the Force“ macht ihn Autorin Karen Traviss gar auf seine alten Tage zum neuen Mandalore. „The Book of Boba Fett“ möchte uns nun einen Boba zeigen, der nach dem Ausflug in den Sarlacc endgültig genug davon hat, sich als Kopfgeldjäger seine Brötchen zu verdienen. Von seinem Tusken-Stamm lernt er den Wert der Gemeinschaft, um anschließend als ehrbarer Gangsterboss Mos Espa bzw. Tatooine (wie groß genau sein Einflussgebiet nun ist, wird nicht definiert) zu kontrollieren. Ob diese Entwicklung konzeptionell zu dem rücksichtslosen Kopfgeldjäger, den wir in Episode V kennen lernen, oder den vorherigen Darstellungen passt, ist sicher diskutabel, aber selbst wenn wir davon ausgehen, scheitert „The Book of Boba Fett“ letztendlich an der Umsetzung. Für mich persönlich ist Bobas Entwicklung einerseits zu plakativ und andererseits nicht unbedingt nachvollziehbar, was primär an der unsauberen Erzählweise liegt. In welche Richtung das gehen soll, zeigt sich bereits in Kapitel 2, und allein von dieser Folge ausgehend hätte das auch funktionieren können, hätte man nicht beschlossen, in den Schnellvorlauf zu gehen und die Tusken gleich in der nächsten Episode offscreen niederzumetzeln. Vielleicht wäre es besser gewesen, den Stamm stattdessen zur Grundlage von Bobas kriminellem Imperium zu machen. Erschwerend hinzu kommt Bobas schiere Naivität und Blauäugigkeit in der Gegenwartshandlung: Wie genau hat er sich seinen Weg zur Macht eigentlich vorgestellt? Selbst nachdem er zwei Gamorreaner auf seine Seite gebracht hat, ist er allen anderen Fraktionen nach wie vor gnadenlos unterlegen, ein erstes Attentat überlebt er durch schieres Glück. Boba scheint einfach nicht das zu haben, was man als Gangsterboss braucht, sowohl im Bezug auf Verstand als auch auf Rücksichtslosigkeit. Ich denke, hier liegt ein Problem vor, dass viele Geschichten haben, die vorgeben, einen Antihelden oder Schurken als Protagonisten zu haben: Die kreativen Köpfe haben Angst davor, zu weit zu gehen und ihr Publikum zu entfremden. Egal ob Maleficent im nach ihr benannten Film oder Dracula in „Dracula Untold“, beide Filme haben dasselbe Problem wie „The Book of Boba Fett“. Selbst die rücksichtslose Brutalität, mit der Boba in der zweiten Mandalorian-Staffel gegen die Sturmtruppen vorging, findet sich hier nicht. So ungern ich das sage, Boba Fett ist in seiner eigenen Serie einfach zu nett. Erschwerend hinzu kommt der Umstand, dass wir keinen wirklich Einblick in Bobas Charakter vor dem Sturz in den Sarlacc erhalten und so nicht einmal ein wirkungsvoller Kontrast etabliert wird – die Serie verlässt sich fast ausschließlich auf seinen im Fandom vorherrschenden Ruf.
Black Krrsantan (Carey Jones)
Die Charakterisierung der anderen Figuren lässt leider ebenfalls zu wünschen übrig. Wie bereits erwähnt stellt „The Book of Boba Fett“, gerade im Figurenbereich, eine Reihe wirklich cooler Konzepte vor, arbeitet sie dann aber kaum aus. Dafür, dass Fennec Shand beispielsweise neben Boba eigentlich die zentrale Figur der Serie ist, erfahren wir kaum mehr über sie, als wir aus ihren Auftritten in „The Mandalorian“ ohnehin schon wissen. Zudem bleibt ihre Beziehung zu Boba merkwürdig undefiniert. Mina-Na Wen tut mit dem Material, das sie bekommt, was sie kann, aber es ist einfach nicht besonders viel. Mit dem Wookiee Black Krrsantan, den Cyborg-Bikern oder dem von Danny Trejo gespielten Rancor-Trainer verhält es sich sehr ähnlich. Überall wäre sehr viel Potential vorhanden, aber Dave Filoni, Jon Favreau und Robert Rodriguez belassen es bei einer sehr oberflächlichen Ausarbeitung.
Noch schwerer wiegt der Mangel an wirklich eindringlichen Antagonisten – Bobas Feinde bleiben über weite Strecken undefiniert und gesichtslos. Zu Beginn scheinen die beiden Hutt-Zwillinge die primären Antagonisten zu sein, das hat sich aber nach ihrem zweiten Auftritt bereits wieder erledigt. Die Pykes, die wir bereits aus „The Clone Wars“ und „Solo“ kennen, rücken schließlich als die Unterweltfraktion an, die das größte Interesse an Tatooine hat, liefern aber kein wirkliches Gesicht mit: Weder der Bürgermeister von Mos Espa, noch der Sprecher des Syndikats eignen sich wirklich als funktionierender Antagonist. Natürlich ist da noch Cad Bane (Corey Burton), doch dieser taucht viel zu spät und zu wenig auf, um in dieser Rolle funktionieren zu können. Durch diese Gesichtslosigkeit verliert Bobas Sieg am Ende an Bedeutung. Es hätten ja nicht gleich Qi’ra und Crimson Dawn sein müssen, die sich viele Fans in dieser Rolle gewünscht haben, aber irgendjemand, der frühzeitig als funktionierender Antagonist aufgebaut worden wäre, hätte der Serie gut getan.
Mandalorian Staffel 2,5? Verordnung im Franchise
Manchmal könnte man fast den Eindruck bekommen, Filoni, Favreau und Rodriguez ging es weniger darum, tatsächlich eine Geschichte mit Boba Fett zu erzählen, sondern stattdessen eine ganze Menge an Vorarbeit für künftige Serien zu leisten. Die visuell extrem beeindruckende Ringwelt Glavis etwa wirkt für ihr kurzes Vorkommen in der fünften Folge beispielsweise zu aufwendig, weshalb wohl davon auszugehen ist, dass sie auch in zukünftigen Projekten wieder auftauchen wird. Neben derartiger Vorarbeit finden sich auch viele Rückbezüge. Im Guten wie im Schlechten ist „The Book of Boba Fett“ stark im Franchise verwurzelt. Prinzipiell ist das erst einmal positiv, gerade im Vergleich zur Sequel-Trilogie, wo man konstant versuchte, das Rad neu zu erfinden, anstatt sich existierender Ressourcen zu bedienen. Dass die Macher der Disney-Serien sehr wohl sowohl mit dem alten als auch dem neuen Kanon vertraut sind und keine Hemmungen haben, sich daraus zu bedienen, zeigt sich immer wieder, von subtilen Verweisen auf Comics aus den frühen 2000ern, etwa „Jango Fett: Open Season“ in „The Mandalorian“ Staffel 2 oder hier nun „Outlander“, bis hin zur Umsetzung von Figuren, die bislang nur in Romanen, Comics oder Animation auftauchten. Cobb Vanth (aus Chuck Wendigs Aftermath-Trilogie, gespielt von Timothy Olyphant) und Ahsoka (aus „The Clone Wars“ und „Rebels“, gespielt von Rosario Dawson) tauchten beide bereits in „The Mandalorian“ auf und dürfen auch in „The Book of Boba Fett“ vorbeischauen, zusätzlich gesellen sich nun Black Krrsantan (aus diversen Comics) und Cad Bane („The Clone Wars“) dazu – und ich bin sicher, dass wir beide nicht zum letzten Mal gesehen haben. Auch darüber hinaus ist die Liebe zum Detail wirklich beeindruckend. So taucht in der zweiten Episode beispielsweise die in Episode IV erwähnte Tosche Station auf, bei der es sich tatsächlich um eine exakte Nachbildung des Sets handelt, das in einer geschnittenen Szene aus „A New Hope“ zu sehen ist. Das nenne ich Hingabe.
Cad Bane (Corey Burton)
Leider kompensiert das nicht den Bruch nach den ersten vier Folgen. Man verstehe mich nicht falsch, die fünfte Folge, „Return of the Mandalorian“, ist zusammen mit der zweiten die beste der Staffel und besticht durch wirklich gelungene Regiearbeit von Bryce Dallas Howard und vielleicht eine Spur zu viel Fanservice (andererseits: viel Prequel-Liebe), aber in einer Serie mit dem Titel „The Book of Boba Fett“ ist eine Folge, die wunderbar als Auftakt für die dritte Mandalorian-Staffel hätte fungieren können, irgendwie fehl am Platz. Und wenn dann die darauffolgende Episode nochmal ihren Fokus auf Din Djarin (Pedro Pascal) legt und es zudem Auftritte von Grogu, Luke Skywalker (mit verbessertem, aber noch nicht optimalem CGI-Gesicht) und Ahsoka gibt, während der eigentliche Protagonist auf ein stummes Cameo reduziert wird, dann stimmt etwas ganz und gar nicht. Spätestens hier wird man den Eindruck nicht los, dass „The Book of Boba Fett“ letztendlich „The Mandalorian“ Staffel 2,5 ist und in erster Linie dazu dient, Dinge für Kommendes vorzubereiten. Offenbar wollte man zum Auftakt der tatsächlichen dritten Staffel Din und Grogu bereits wieder als Duo zeigen, weshalb ihre Wiedervereinigung als B-Plot ins Finale gepackt wird. All das lenkt nicht nur die Aufmerksamkeit von Boba Fett ab, sondern sorgt gleichzeitig dafür, dass auch die Mandalorian-Aspekte nicht ausreichend gewürdigt und eher „nebenbei“ abgearbeitet werden. Gerade das Auftauchen von Luke, Ahsoka und Grogu halte ich hier für höchst kontraproduktiv, da ihre Auftritte automatisch alles überschatten.
Soundtrack
Beim Soundtrack haben wir eine ähnliche Situation wie bei „Solo: A Star Wars Story“: Ludwig Göransson, der die Scores der beiden Mandalorian-Staffeln komponierte, steuerte ein Thema für die Titelfigur bei, während ein anderer Komponist, in diesem Fall der mir bislang unbekannte Joseph Shirley, der wohl vor allem als „Score Programmer“ (was auch immer das sein mag) an diversen Göransson-Scores mitarbeitete und dort auch zusätzliche Musik lieferte, die Ausgestaltung übernahm. Das Ergebnis ist leider bei weitem nicht so überzeugend wie John Powells Solo-Score: Wie nicht anders zu erwarten orientiert sich Shirley sehr stark am von Göransson kreierten Mandalorian-Sound, lieferte aber eine, man möchte fast sagen, verwässerte Version davon – im Guten wie im Schlechten weniger experimentell, aber auch weniger markant, zumindest abseits des Hauptthemas, das ein ziemlich eingängiger Ohrwurm ist, auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob es wirklich zu Boba Fett passt. Göranssons Mandalorian-Thema taucht zusammen mit Din Djarin natürlich ebenfalls auf und zudem dürfen zwei Williams-Themen in der sechsten Episode Gastauftritte absolvieren, während Grogus Training erklingen sowohl Yodas Thema als auch das Machtthema. Ohnehin rückt die Musik, die wir während des Aufenthalts auf Lukes bislang namenlosem Akademie-Planeten hören, stilistisch deutlich näher an Williams heran. Es ist allerdings schade, dass Williams‘ ursprüngliches Boba-Fett-Motiv aus „The Empire Strikes Back“ nicht ein einziges Mal erklingt, das wäre wirklich ein nettes musikalisches Easter Egg gewesen.
Fazit: Während „The Book of Boba Fett” viele coole Elemente, Figuren und Ideen hat, kommt das alles doch nie zu einem großen Ganzen zusammen. Strukturelle und erzählerische Probleme sowie die unausgegorene Entwicklung der Titelfigur und zwei Episoden, die eher aus „The Mandalorian“ Staffel 3 zu stammen scheinen, sorgen schließlich dafür, dass die Soloserie des allseits beliebten Kopfgeldjägers zu einer äußerst unrunden Angelegenheit mit sehr viel verpasstem Potential wird und deutlich hinter den beiden Mandalorian-Staffeln zurückbleibt.