Art of Adaptation: Dracula in der Gruselserie

In meinem ursprünglichen Artikel zum Thema Dracula-Hörspiele habe ich mich auf drei sehr werkgetreue Adaptionen konzentriert, heute werfen wir stattdessen einen Blick auf etwas freiere Umsetzungen von Stokers Graf, die sich in H. G. Francis „Gruselserie“ finden. Bei H. G. Francis handelt es sich um einen profilierten, 2011 verstorbenen Roman- und Hörspielautor, der eigentlich Hans Gerhard Franciskowsky hieß und u.a. für seine Mitarbeit an der Perry-Rhodan-Serie bekannt war. Bereits in den 70ern war er für die Produktion einiger Gruselhörspiele verantwortlich, die er zwischen 1981 und 1982 im Rahmen der Reihe „Gruselserie“ neu auflegte und um weitere Hörspiele anreicherte. Viele dieser Hörspiele bedienen sich bekannter Figuren oder Motive aus klassischen Horrorfilmen oder -romanen, wobei das Ganze zumeist eher simpel und mit Pulp-Anleihen aufgezogen ist. Nicht wenige der Folgen erinnern bezüglich ihrer Konzeption oder ihres Handlungsaufbaus an Universal- oder Hammer-Filme. Dracula darf da natürlich nicht fehlen und taucht direkt oder indirekt in einigen Episoden der Serie auf – natürlich nur selten vorlagengetreu. Trotz eines gewissem Mangels an erzählerischem Anspruch und einigen, sagen wir, Defiziten in Sachen Dialoge kann sich die Sprecherriege dieser Serie durchaus sehen lassen, man konnte eine ganze Reihe profilierter Hörspielstimmen gewinnen, darunter Hans Paetsch, Reinhilt Schneider, Andreas von der Meden, Horst Frank, Marianne Kehlau oder Wolfgang Völz, um nur ein paar wenige zu nennen.

Dracula und Frankenstein, die Blutfürsten
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Bereits in der zweiten Folge der Serie darf der Graf seinen ersten Auftritt absolvieren. Der Titel deutet es bereits an, es handelt sich hierbei um ein Crossover, in dem sich zwei Horror-Legenden treffen. Protagonisten dieses Hörspiel ist ein Pärchen, bestehend aus dem Reporter Tom Fawley (Horst Frank) und seiner Verlobten Eireen Fox (Brigitte Kollecker), die in einem Hotel in Transsylvanien (wo auch sonst?) auf merkwürdige Vorkommnisse stoßen: Ein Mann fällt aus dem Fenster, bald darauf verschwindet seine Leiche und nur ein Haufen Staub bleibt zurück. Etwas beunruhigt brechen die beiden zum nahegelegenen Schloss auf, wo sie ein gewisser Dr. Stein (Hans Paetsch) erwartet, der seine Forschungen mit der Weltpresse teilen möchte. Dort begegnen sie allerdings zuerst dem ominösen Graf Cula (Gottfried Kramer). Dr. Stein enthüllt schließlich, dass er und seine Partnerin Dr. Finistra (Jo Wegener) an der Erschaffung eines künstlichen Menschen arbeiten. Dementsprechend hält sich der Schock auch in Grenzen, als enthüllt wird, dass es sich beim Doktor und beim Grafen um Frankenstein und Dracula handelt. Die Geschichte ist recht merkwürdig aufgezogen und will nie so recht zusammenkommen, entsprechend wenig verbindet den hier auftauchenden Vampir und den verrückten Wissenschaftler mit den tatsächlichen Romanfiguren von Bram Stoker und Mary Shelley – es handelt sich eher um Verkörperungen der allgemeinen Konzeption dieser beiden Figuren, ohne dass sie, trotz der sehr guten Sprecher, allzu spezifisch anmuten. Allerdings gibt es ein wirklich interessantes kleines Detail in diesem Hörspiel: Der Name meines Blogs stammt zumindest partiell daraus. Der Name meiner „Vampiridentität“, die ich mir irgendwann zwischen Kindheit und Teenagerzeit bastelte, tauchte in einigen Hörspielen auf, die ich als Heranwachsender konsumierte, dazu gehört neben diesem hier auch eine John-Sinclair-Episode sowie die Drei-???-Folge „Vampir im Internet“. In „Dracula und Frankenstein, die Blutfürsten“ ist Hemator ein Bote der Hölle, der Dracula als Herrscher der Vampire ablösen soll – unglücklicherweise handelt es sich bei ihm um die Figur, die zu Anfang aus dem Fenster stürzt und anschließend als Ersatzteillager für Frankensteins Monster dienen muss. Konzeptionell ist das alles durchaus interessant, nur macht das Hörspiel leider nicht allzu viel mit dieser Idee. Tom Fawley und Eireen Fox tauchen im Verlauf der Serie noch in zwei weiteren Folgen auf und werden dabei auch weiterhin von Horst Frank und Brigitte Kollecker gesprochen. Die siebte Folge der Gruselserie, „Das Duell mit dem Vampir“, passt sogar thematisch ganz gut zu „Dracula und Frankenstein, die Blutfürsten“, da die beiden es auch hier nicht nur mit einem, sondern gleich mit zwei legendären Monstern zu tun bekommen. Zusätzlich zu Vampiren (dieses Mal allerdings mit weit weniger bekannten Namen) müssen die beiden sich hier in Spanien mit einem Werwolf herumschlagen. Beide Folgen erinnern konzeptionell recht stark an einige der späteren Universal-Crossoverfilme.
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Dracula, König der Vampire
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Bereits in der dritten Folge kehrt der Graf zurück, eine inhaltliche Verbindung zu „Dracula und Frankenstein, die Blutfürsten“ gibt es allerdings nicht – wohl aber zu Stokers Roman. Tatsächlich handelt es sich bei „Dracula, König der Vampire“ um eine partielle Adaption der Transsylvanien-Episode zu Anfang des Romans, mit einem großen Unterschied: Anstatt alleine zu Dracula (Charles Regnier) zu reisen, wird Jonathan Harker (Günther Ungeheur) von Mina (Reinhilt Schneider) begleitet. Die meisten Ereignisse dieses Abschnitts von Stokers Roman spielen sich dennoch so ab, wie man es gewohnt ist: Als es Jonathan nicht gelingt, Dracula in seinem Rasierspiegel zu sehen, ist Mina gerade auf ihrem Zimmer und während Jonathan von Draculas Bräuten (Ingrid Dreier, Elise Gruber, Dörthe Kiesling) attackiert wird, versteckt sie sich im Schrank. Einige spätere Elemente des Romans werden ebenfalls aufgegriffen: Wie bei Stoker wird Mina auch hier ein Opfer des Grafen. Da Abraham Van Helsing in diesem Hörspiel genauso wenig auftaucht wie Jack Seward, Quincey Morris oder Arthur Holmwood, ist es Jonathan selbst, der Mina mit einem Kreuz statt mit einer Hostie kennzeichnet. Zudem gelingt es Jonathan auch, mit dem Grafen und seinen drei Gefährtinnen verhältnismäßig einfach im Alleingang fertig zu werden. Die technische Umsetzung ist durchaus nicht übel, angesichts der vielen Hörspielfassungen, besonders der drei, die ich im entsprechenden Artikel vorgestellt habe, ist diese Kurzfassung der berühmten Geschichte aber relativ unnötig, besonders, da ich Charles Regnier als Graf nicht unbedingt passend besetzt finde. Bereits als Kind gefiel mir das Hörspiel des WDR deutlich besser als dieses hier, und daran hat sich nichts geändert.
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Gräfin Dracula, Tochter des Bösen
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Der Titel der achten Folge erinnert automatisch an das erste Universal-Sequel zu „Dracula“, „Dracula’s Daughter“, rein inhaltlich finden sich allerdings nicht allzu viele Parallelen. Statt Transsylvanien ist dieses Mal Spanien Ort der Handlung. Die vier Reisenden Amalia (Katharina Brauren), Angelo (Horst Stark), Pedro (Ernst von Klipstein) und Maria (Gabriele Libbach) verschlägt es aufgrund eines durch ein Unwetter verursachten Kutschenunfalls zu einem alten Anwesen, wo sie einer Person begrüßt werden, die sich als Gräfin Dracula (Marianne Kehlau) vorstellt. Später wird sie zudem als Draculas Tochter identifiziert. Darüber hinaus finden sich allerdings nicht allzu viele Verweise auf Stokers Roman. Wie schon in „Dracula und Frankenstein, die Blutfürsten“ wird hier weniger mit spezifischem Material gearbeitet, sondern mit der abstrahierten Assoziation – der Name fungiert als Marker für das „Vampirböse“. Als solches tritt Gräfin Dracula hier auch auf, ganz im Unterschied zur von Gloria Holden gespielten Marya Zaleska im Universal-Film, die eine deutlich interessantere und differenziertere Figur war. Recht gelungen finde ich allerdings den Sprachduktus bei ihrem ersten Auftritt, dieser erinnert tatsächlich an Stokers Worte aus „Dracula“. Zudem werden sie von Marianne Kehlau sehr gelungen herübergebracht.
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Draculas Insel, Kerker des Grauens
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Geographie ist nicht unbedingt meine Stärke, aber soweit ich weiß hat zwar Rumänien einen Zugang zum Schwarzen Meer, die Region Transsylvanien aber definitiv nicht. Wie dem auch sei, in Folge 10 der Gruselserie darf der Graf wieder selbst auftreten und dieses Mal besitzt er sogar eine eigene Insel „vor der Küste Transsylvaniens“. Abermals verschlägt es eine Gruppe Reisender (dieses Mal per Schiff und nicht Kutsche), bestehend aus Peter Griest (Gernot Endemann), Hammand (Gottfried Kramer), Doran (Wolf Rahtjen), Elenor (Heidi Schaffrath) und Professor Dark (Friedrich Schütter), seines Zeichens Vampirforscher, zur Draculas Unterschlupf, wo sie sich mit dem Blutdurst des Grafen und seiner Schergen herumärgern müssen. In gewisser Hinsicht kulminieren in dieser Episode inhaltlich alle bisherigen Dracula-Folgen: Der Handlungsentwurf erinnert an „Gräfin Dracula, Tochter des Bösen“, Charles Regnier ist hier, wie in „Dracula, König der Vampire“, abermals als Graf zu hören und wie in „Dracula und Frankenstein, die Blutfürsten“ ist abermals ein künstlicher Mensch an der ganzen Angelegenheit beteiligt – dieser trägt den Namen Hummunk (Hannes Messemer). Dementsprechend ausgelutscht kommt die Handlung dann aber auch daher, ähnlich wie in den späteren Hammer-Filmen wirkt die ganze Angelegenheit wie ein stupides Abarbeiten der Tropen: Schon wieder wird Dracula mit improvisierten Kreuzen ziemlich schnell in seine Schranken gewiesen.
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Dracula – Tod im All
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2019 wurde die Gruselserie von Sony bzw. dem Label Europa wiederbelebt, Drei-???-Veteran André Minninger ist dieses Mal für die Skripte verantwortlich. In der fünften Folge darf Dracula innerhalb dieser Revival-Serie seinen Einstand feiern. Die Handlung erinnert sehr stark an Ridley Scotts „Alien“: Die Crew eines Raumschiffs, bestehend aus Valentina Alexandrowna (Gertie Honeck), Stella Dupont (Merete Brettschneider), Björn Hellström (Romanus Fuhrmann), Tarik Thomalla (Peter G. Dirmeier), Diana Labahn (Anna Carlsson) und Walther Beenstock (Jürgen Uter), erhält einen merkwürdigen Notruf und findet im All einen noch merkwürdigeren Sarg, den sie unglücklicherweise an Bord bringt. Dem Sarg entsteigt Dracula (Udo Schenk) persönlich, der nun in bester Xenomorph-Manie die Crew dezimiert und die Mitglieder nach und nach in Vampire verwandelt oder tötet. Das Revival der Gruselserie ist etwas moderner, deshalb aber kaum weniger pulpig inszeniert. Abermals weiß vor allem die Sprecherriege zu überzeugen – aus den bereits genannten sticht natürlich primär Udo Schenk, bekannt als Stammsprecher von Gary Oldman und Ralph Fiennes, als Graf hervor, der sichtlich Spaß daran hat, Draculas Bösartigkeit genüsslich auszuwalzen. Nicht unerwähnt bleiben sollte auch Christian Brückner, die deutsche Stimme von Robert De Niro, als Erzähler. Die Verknüpfungen zu Stokers Roman sind abermals eher dünn, aber immerhin wird erwähnt, dass die Vampirjäger-Dynastie Van Helsing in letzter Konsequenz dafür verantwortlich ist, dass Draculas Sarg ins All geschossen wurde. Gerade aufgrund von Udo Schenks herrlicher überdrehter, vor Bösartigkeit triefender stimmlicher Performance als Vampirfürst ist „Dracula – Tod im All“ wahrscheinlich das unterhaltsamste der hier besprochenen Hörspiele.
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Siehe auch:
Geschichte der Vampire: Dracula – Bram Stokers Roman
Geschichte der Vampire: Dracula – Der gehörte Graf
Geschichte der Vampire: Dracula – Universals Graf

Titane

Titane_poster
Story:
Alexia (Agathe Rousselle), der als Kind nach einem Autounfall eine Titanplatte in den Kopf eingesetzt wurde, arbeitet als Showgirl bei einer Motorshow, fühlt sich sexuell von Autos angezogen und betätigt sich nebenbei als Serienkillerin. Besonders gerne tötet sie Männer, die sich ihr unsittlich nähern, mit ihrer Haarnadel. Als man ihr jedoch auf die Spur kommt, ist Alexia gezwungen, eine andere Identität anzunehmen und sich als Adrien, der verschollene Sohn des Feuerwehrhauptmanns Vincent (Vincent Lindon) auszugeben. Das alles würde ihr deutlich leichter fallen, wäre sie nicht von einem Auto schwanger…

Kritik: Die französische Regisseurin Julia Ducournau fiel erstmals mit ihrem Film „Raw“ auf, in welchem sie sensitives Charakterdrama mit kannibalischem Body-Horror verknüpfte. Im Vergleich zu „Titane“, ihrem neuesten Streich, mit dem sie in Cannes 2021 die Goldene Palme gewann, ist „Raw“ ein relativ zugänglicher und gut verständlicher Film. Viele Themen ihres Kinodebüts, primär Identität und Ausdruck derselben durch mentale und körperliche Metamorphose, finden sich auch in „Titane“ wieder, allerdings weitaus hemmungsloser inszeniert. Wo „Raw“ noch vergleichsweise geerdet war, schwelgt Ducournau hier in surrealen Bildern. Nach dem „Wie“ und „Warum“ bzw. der Funktionsweise der erzählten Welt des Films sollte man nicht fragen, denn es gibt keine Antwort darauf, Ducournau erklärt nicht, sondern zeigt nur, und das schonungslos. „Titane“ scheint oft einer Traumlogik zu folgen, Alexia fühlt sich zu einem Auto hingezogen, hat Sex mit ihm und wird dadurch schwanger, was u.a. zur Folge hat, dass aus diversen Körperöffnungen Motoröl tropft. Auch die Handlungen der Figuren folgen nicht per se einem logischen Muster. Während Alexias erster Mord im Film noch halbwegs nachvollziehbar ist, wirken die weiteren willkürlich und ohne Motivation. Alexias Tarnung als Adrien scheint als Handlungselement eher einer schlechten Soap entnommen, da die erzählte Welt des Films allerdings ohnehin mit surrealen Elementen und Traumlogik arbeitet, stört das im Grunde nicht weiter.

Mehr noch als „Raw“ ist „Titane“ geprägt von einer schonungslosen Körperlichkeit, Ducournau richtet ihre Protagonisten, primär natürlich Alexia, in geringerem Maße aber auch Vincent, regelrecht zugrunde und wir als Zuschauer dürfen hautnah dabei sein. Diese Szenen erreichen eine selten gekannte Intensität und Intimität. Alexias mentale und körperliche Metamorphose ist Dreh- und Angelpunkt der Handlung und fordert ihrer Darstellerin einiges ab – an dieser Stelle möchte ich meine Hochachtung für Agathe Rousselle aussprechen, die sich für ihr Debüt als Schauspielerin wirklich kaum einen physisch anspruchsvolleren und fordernderen Film hätte aussuchen können, wobei dazu gesagt werden muss, dass es eher Ducournau war, die sich Agathe Rousselle aufgrund ihrer androgynen Erscheinung ausgesucht hat und ordentlich Überzeugungsarbeit leisten musste. Alexia wird körperlich völlig zugrunde gerichtet; wo sie zu Beginn als Tänzerin übermäßigt sexualisiert dargestellt wird, bricht sie sich im Verlauf des Films selbst die Nase, wird rasiert, schwillt durch die Schwangerschaft an, das bereits erwähnte Öl quillt aus allen möglichen und unmöglichen Stellen und Metall bricht überall durch. Vincent hat seine eigenen körperlichen Probleme und injiziert sich immer wieder Steroide, um bei Kräften zu bleiben, was Ducournau nicht minder schonungslos zeigt. Besonders faszinierend ist der Umstand, dass beide Figuren mit fortschreitender Entstellung immer menschlicher werden. Wo Alexia zu Beginn gnadenlos tötet und sich um nichts und niemanden schert, scheint ihr Vincent am Ende wirklich etwas zu bedeuten. Vincent seinerseits akzeptiert Alexia schließlich als die Person, die sie ist und nicht als die, für die er sie hält, sein obsessives Verhalten schwindet langsam. Ironischerweise sorgt der Wandel der Hauptfigur dafür, dass sich „Titane“ mitunter anfühlt, als handle es sich um zwei verschiedene Filme: Die erste Hälfte scheint dem Horror- bzw. Exploitation-Bereich anzugehören, während die zweite eher sensitives Charakterdrama ist – meistens zumindest. Beide Hälfte werden durch Elemente des Body-Horror verbunden, deren Wirkung sich allerdings durch den veränderten Kontext massiv verändert.

Die vielleicht größte Schwäche von „Titane“ ist in diesem Zusammenhang, dass die Reizüberflutung und die geradezu surreale Absurdität der ersten halben Stunde die eigentliche Botschaft des Films in der Wahrnehmung unterminieren können, zugleich aber nötig sind, um sie zu vermitteln. So manch ein Kritiker hat „Titane“ in diesem Kontext unterstellt, das zentrale Thema des Films sei „der Körper als Feind“ oder ihm sogar Transfeindlichkeit attestiert, aber ich denke, beide Urteile treffen absolut nicht zu. Das Zugrunderichten der Körper ist eher Metapher für die Identitätsauflösung und z.T. auch Neufindung der Figuren, innere und äußere Metamorphose bilden einen Kontrapunkt. Laut Julia Ducournau ist das zentrale Thema des Filmes Liebe, und tatsächlich triumphiert die Liebe am Ende – wenn auch auf sehr bizarre und irritierende Art und Weise.

Fazit: Wie schon „Raw“ ist auch „Titane“ ein ebenso faszinierender wie fordernder Film, in dem Regisseurin Julia Ducournau sowohl ihren Figuren als auch ihren Zuschauern einiges abverlangt. Bizarrer, absurder und thematisch dichter Body-Horror mit Aussage in bester Cronenberg-Tradition mit beeindruckender schauspielerischer Leistung der Newcomerin Agathe Rousselle, wie üblich ist allerdings ein starker Magen nötig.

Trailer

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Siehe auch:
Raw

Art of Adaptation: In the House of Tom Bombadil

Bei den Kapiteln V bis VIII von „The Fellowship of the Ring” handelt es sich um die größte Auslassung in der Trilogie, mit Ausnahme vielleicht von einigen Kapiteln am Ende von „The Return of the King“ rund um die Säuberung des Auenlands. In diesem Teil des „Lord of the Rings“ ist die Struktur des „Hobbits“ noch relativ vorherrschend, hier erleben Frodo, Sam, Merry und Pippin zwei kleinere, von der Haupthandlung relativ separierte Abenteuer. Zu sagen, diese hätten gar keine Auswirkungen auf den Plot wäre zwar falsch, aber besagte Auswirkungen sind durchaus vernachlässigbar; sie für die Filme zu streichen war aus dramaturgischer Sicht definitiv die richtige Entscheidung – man erinnere sich nur, wie uneben die Hobbit-Filme sind, wenn sie besagte Struktur nicht nur umsetzen, sondern zusätzlich auch noch aufblähen. Trotz der Auslassung fanden zumindest einzelne Elemente und Details dieser Kapitel ihren Weg in die Filme, weshalb ich sie in einem Sammelartikel bespreche.

A Conspiracy Unmasked

Das fünfte Kapitel des Romans ist eines der gemütlichsten und bietet eine Pause für die Protagonisten. Nachdem die Hobbits in Bockland ankommen sind und der Erzähler ein wenig über diese Kolonie des Auenlands informiert hat, bekommen Frodo, Sam und Pippin die Gelegenheit, ein gemütliches Bad zu nehmen (Pippin sorgt für Überschwemmungen) und ein weiteres, üppiges Pilzgericht zu vertilgen, bevor es zur Lagebesprechung kommt. Gerade hier zeigt sich final, wie sehr Frodos Gefährten in den Filmen durch puren Zufall in die Ereignisse hineingeraten – Sam lauscht nur zufällig unter dem Fenster und wird von Gandalf dazu verdonnert, Frodo zu begleiten, Merry und Pippin laufen zufällig in Frodo und Sam hinein und beschließen, ihnen zu helfen. Bei Tolkien gibt es diesbezüglich keinerlei Zufälle, tatsächlich findet Merry Details bezüglich des Ringes bereits heraus, noch bevor Bilbo seinen Geburtstag feiert. Zusammen mit Sam, Pippin und Fredegar Bolger, dessen Anwesenheit hier noch einmal betont werden soll, schmiedet er eine Verschwörung (daher der Titel des Kapitels) mit dem Ziel, herauszufinden, was eigentlich vorgeht, um Frodo besser helfen zu können. Sams Lauschen unter dem Fenster ist also keinesfalls Zufall, sondern eine gezielte Aktion. Nachdem Sam von Gandalf verpflichtet wird, endet allerdings seine Tätigkeit als Spitzel. Frodo ist von diesen Enthüllungen ebenso überrascht wie erschüttert, zugleich sprechen ihm seine Freunde allerdings auch ihre unverbrüchliche Loyalität aus. Man schmiedet schließlich den Plan, früh am nächsten Morgen aufzubrechen und, um auf der Straße nicht den Ringgeistern zu begegnen, den Weg durch den Alten Wald zu nehmen. Lediglich Fredegar Bolger soll zurückbleiben, einerseits da er den Alten Wald mehr fürchtet als alles andere und andererseits, um zumindest für eine Weile die Illusion aufrechtzuerhalten, Frodo lebe in Bockland. Ein Detail dieses Kapitels hat es tatsächlich in den Film geschafft: Beim Baden singt Pippin ein von Bilbo gedichtetes Lied, das in abgeänderter Form in der Szene im Grünen Drachen als zweite Strophe des Liedes von Merry und Pippin fungiert.

Sing hey! for the bath at close of day
that washes the weary mud away!
A loon is he that will not sing:
O! Water Hot is a noble thing!

O! Sweet is the sound of falling rain,
and the brook that leaps from hill to plain;
but better than rain or rippling streams
is Water Hot that smokes and steams.

O! Water cold we may pour at need
down a thirsty throat and be glad indeed;
but better is Beer if drink we lack,
and Water Hot poured down the back.

O! Water is fair that leaps on high
in a fountain white beneath the sky;
but never did fountain sound so sweet
as splashing Hot Water with my feet! (FotR, S. 132)

The Old Forest
Die Natur im Allgemeinen und Wälder im Besonderen sind in Tolkiens Werk letztendlich positiv konnotiert, das bedeutet allerdings nicht, dass sie nicht auch unheimlich und fast schon dämonisch sein können. Nur allzu gerne verwendet er den aus Mythen und Märchen bekannten verwunschenen Wald, der in verschiedenen Inkarnationen immer wieder auftaucht, sei es der Düsterwald im „Hobbit“, der Alte Wald in „The Fellowship of the Ring“ oder natürlich der Fangorn in „The Two Towers“. Wie wir von Baumbart erfahren, war der Alte Wald tatsächlich einmal Teil des Fangorn, als dieser noch einen weit größeren Teil von Mittelerde bedeckte. Wie dem auch sei, der Weg der vier Hobbits durch den Alten Wald erinnert stark an den Versuch Bilbos und der Zwerge, den Düsterwald zu durchqueren, beide Wälder beeinträchtigen die Wahrnehmung massiv, sodass ein Durchkommen ungemein erschwert wird und man sich verirrt. Im Alten Wald gibt es allerdings weder übergroße Spinnen noch Waldelben, stattdessen werden Merry und Pippin von den Wurzeln des Alten Weidenmanns, einem äußerst übelgelaunten Baum, fast erstickt, bis Tom Bombadil zu ihrer Rettung eilt. Beim Alten Weidenmann handelt es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um einen Huorn, wie sie auch im Fangorn zu finden sind. In der Filmversion von „The Two Towers“ baute Peter Jackson mehrere Verweise auf den Alten Wald ein. Als die Uruk-hai Merry und Pippin am Rand des Fangorn abladen, ruft Merry Pippin den Alten Wald in Erinnerung und erwähnt, dass die Bäume dort angeblich miteinander reden und sich sogar bewegen können. Das lässt zugleich darauf schließen, dass die vier Hobbits in der erzählten Welt des Films die Straße von Bockland nach Bree genommen haben und die Inhalte von „The Old Forest“ nicht einfach offscreen passiert sind, denn sonst würde dieses Gespräch anders verlaufen. Die Szene, in der Merry und Pippin vom Alten Weidenmann festgesetzt werden, taucht sogar relativ vorlagengetreu in der Extended Edition von „The Two Towers“ auf, nur dass es eben nicht im Alten Wald, sondern im Fangorn geschieht und Baumbart die Rolle Tom Bombadils einnimmt. Er benutzt sogar Bombadils Worte, um den Alten Weidenmann zur Ordnung zu rufen: „You should not be waking. Eat earth! Dig deep! Drink water! Go to sleep!“ Eine durchaus passende Anspielung auf dieses Kapitel.

In the House of Tom Bombadil

Tom Bombadil ist selbst den meisten Nicht-Lesern bekannt, wenn auch nur als die Figur, die aus fast jeder Adaption des „Lord of the Rings“ herausgekürzt wurde, sei es die Jackson-Trilogie, Ralph Bakshis Zeichentrickfilm oder die Dramatisierung der BBC. Lediglich im deutschen WDR-Hörspiel darf Tom Bombadil, gesprochen von Peter Ehrlich, auftauchen. Tatsächlich ist Bombadil eine recht kuriose und mysteriöse Figur, da seine Natur nie genau bestimmt wird. Ursprünglich gehörte er, ähnlich wie die Inhalte des „Hobbits“, nicht per se zu Tolkiens Legendarium, sondern war eine unabhängiger Charakter, der in einigen Gedichten Abenteuer erlebte, die später als „The Adventures of Tom Bombadil“ herausgegeben wurden. Erst während der Abfassung des „Lord of the Rings“ wurde Bombadil ein Teil von Mittelerde. Tolkien selbst gibt zu, dass er keinen wirklichen narrativen Sinn in der Geschichte hat, eher eine philosophischen, der ihm selbst nicht ganz klar ist. In einem Brief aus dem Jahr 1954 schreibt er: „Tom Bombadil is not an important person – to the narrative. I suppose he has some importance as a ‚comment‘. […] [H]e represents something that I feel important, though I would not be prepared to analyze the feeling precisely […] The story is cast in terms of a good side and a bad side, beauty against ruthless ugliness, tyranny against kingship, moderate freedom with consent against compulsion that has long lost any objective save mere power, and so on; but both sides in some degree, conservative or destructive, want a measure of control. but if you have, as it were taken ‚a vow of poverty’, renounced control, and take your delight in things for themselves without reference to yourself, watching, observing, and to some extent knowing, then the question of the rights and wrongs of power and control might become utterly meaningless to you, and the means of power quite valueless.” (Letters, S. 178). Tolkien bezeichnet Bombadil als “a natural pacifist” (ebd.).

Wie dem auch sei, ich denke, im Film hat Tom Bombadil tatsächlich nichts verloren. Wenn ich mich recht erinnere, gab es die Idee, die Hobbits aus der Ferne Tom Bombadils Hut samt Feder sehen und seinen Gesang hören zu lassen, um irritiert die Flucht zu ergreifen, man entschied sich dann aber wohl dagegen, sollte es sich so zugetragen haben. Wer dennoch neugierig ist, wie Tom Bombadil in den Jackson-Filmen ausgesehen haben könnte, kann zum Strategiespiel „The Battle for Middle-earth II“ greifen, dieses basiert sowohl auf der Film- als auch auf der Buch-Lizenz und es ist möglich, den lustigen Gevatter samt blauer Jacke und gelben Stiefeln für kurze Zeit zu beschwören. Ein Detail aus dem Kapitel „In the House of Tom Bombadil“ taucht allerdings im Film auf, Frodo träumt von Gandalfs Flucht vom Orthanc, diese Szene sehen wir natürlich später im Film.

Fog on the Barrow-downs

Das achte Kapitel von „The Fellowship of the Ring“ beinhaltet ein weiteres „kleines“ Abenteuer ohne direkten Kontext zur Haupthandlung, sehr wohl aber mit indirektem, was sich allerdings erst wirklich in den Anhängen offenbart. Die Grabhügel sind Zeugnisses des verlorenen Dúnedain-Reiches von Arnor und der Kriege die es bzw. die Nachfolgestaaten mit dem Königreich Angmar und dessen Hexenkönig führte, der im Verlauf des „Lord of the Rings“ bekanntermaßen noch eine essentielle Rolle spielt. Vor allem zeigt dieses Kapitel, was für ein exzellenter Horrorautor Tolkien sein kann, wenn er es möchte bzw. es seinen Absichten dient. Tolkien baut hier langsam, aber wirkungsvoll Spannung auf, die Grabunholde bleiben eine größtenteils unsichtbare, darum aber umso erschreckendere Bedrohung, weil sie kaum greifbar sind – mit „Fog on the Barrow-downs“ liefert Tolkien quasi eine sehr effektive Mini-Geistergeschichte innerhalb des „Lord of the Rings“, aus der die Hobbits ohne Tom Bombadils Hilfe nicht herausgekommen wären. Auch hier finden sich Visualisierungen in Film-verwandten Medien, etwa dem bereits erwähnten „The Battle for Middle-earth II“ bzw. dem zugehörigen Expansion „The Rise of the Witch-king“. Die Grabunholde, die dort auftauchen, sind eher enttäuschend, davon abgesehen ist die Kampagne allerdings eine schöne Umsetzung des in den Anhängen beschriebenen Aufstiegs und Niedergangs von Angmar.

Zudem finden sich in diesem Kapitel einige Details, die in der einen oder anderen Form in den Filmen zumindest eine kleine Rolle spielen. Da wäre zuerst der Traum, den Frodo zu Beginn des Kapitels hat. Dieser greift auf das Ende von „The Return of the King“ vor, als Frodo die Unsterblichen Lande erblickt; in besagtem Traum erhält er einen ersten kleinen Eindruck: „That night they heard no noises. But either in his dreams or out of them, he could not tell which, Frodo heard a sweet singing running in his mind; a song that seemed to come like a pale light behind a grey rain-curtain, and growing stronger to turn the veil all to glass and silver, until8 at last it was rolled back, and a far green country opened before him under a swift sunrise.” (FotR, S. 176). Mit fast denselben Worten macht Gandalf Pippin in Minas Tirith Mut und vermittelt ihm, dass der Tod nicht das Ende ist.

Erwähnenswert sind zudem die Dolche, die die Hobbits aus den Hügelgräbern mitnehmen – im Film bekommen sie sie später auf der Wetterspitze von Aragorn und die Herkunft der Waffen wird nicht näher ausgeführt. Bemerkenswert ist das, weil die Dolche speziell zum Kampf gegen den Hexenkönig und die Horden von Angmar geschaffen wurden, aus diesem Grund erweist sich Merrys Angriff auf den Herrn der Nazgûl in „The Return of the King“ auch als so erfolgreich – zumindest ist das ein Faktor. Dieses Detail entfällt in den Filmen natürlich. Und schließlich wäre da noch das Gedicht, das die Grabunholde zum Besten geben und das ich als Kind im WDR-Hörspiel verdammt unheimlich fand. Genau dieses Gedicht hören wir in der Filmversion von „The Two Towers“ von Gollum, als dieser Frodos Fragen nach seiner Vergangenheit ausweichen möchte, wenn auch in leicht abgewandelter Fassung.

Cold be hand and heart and bone,
and cold be sleep under stone:
never more to wake on stony bed,
never, till the Sun fails and the Moon is dead.
In the black wind the stars shall die,
and still on gold here let them lie,
till the dark lord lifts up his hand
over dead sea and withered land. (FotR, S. 184)

Zitiert nach:
– Tolkien, J. R. R.: The Lord of the Rings Part 1: The Fellowship of the Ring. London 2007 [1954].
– Tolkien, J. R. R.: Letter 144: To Naomi Mitchison, in: The Letters of J. R. R. Tolkien. A selection edited by Humphrey Carpenter. With the assistance of Christopher Tolkien. London 2006 [1981], S. 173-181.

Siehe auch:
Art of Adaptation: A Long-expected Party
Art of Adaptation: The Shadow of the Past
Art of Adaptation: Three Is Company
Art of Adaptation: A Shortcut to Mushrooms
Art of Adaptation: Tolkiens Erzählstruktur und Dramaturgie
Art of Adaptation: Saruman der Weiße
Art of Adaptation: Die Nazgûl
Lovecrafts Vermächtnis: Cthulhu in Mittelerde

Outlander

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Erst vor wenigen Tagen endete die erste Staffel der zweiten Star-Wars-Realserie. „The Book of Boba Fett“ verdient natürlich einen eigenen, ausführlichen Artikel, zuvor gilt es allerdings, ein deutlich älteres Werk aus dem Bereich Star Wars Legends zu besprechen, das „The Book of Boba Fett“ durchaus beeinflusst haben könnte, jedenfalls gibt es einige inhaltliche und thematische Parallelen. Es handelt sich dabei um „Outlander“, den zweiten Handlungsbogen der 1998 gestarteten Star-Wars-Comicserie, die später den Beinamen Republic erhalten sollte und Geschichten aus der Prequel-Ära erzählt. Diese Story füllte die Hefte 7 bis 12 besagter Serie und lief von Juni bis November 1999. Wie schon im ersten Handlungsbogen mit dem Titel „Prelude ot Rebellion“ fungiert der cereanische Jedi Ki-Adi-Mundi als Protagonist.

Die Story des von Timothy Truman geschriebenen und von einer Reihe verschiedener Zeichner umgesetzten Handlungsbogens konzentriert sich ganz auf Tatooine und die Tusken. Kurz nach den Ereignissen von „The Phantom Menace“ verhalten sich die Sandleute gegenüber den Feuchtfarmern und Siedlern der Wüstenwelt mit einem Mal deutlich feindseliger: Ihre Stämme haben sich unter einem Kriegsherrn vereint und führen gezielte, gut koordinierte Angriffe aus. Für die Jedi besonders beunruhigend ist der Umstand, dass besagter Kriegsherr ein Lichtschwert trägt. Und es ist nicht irgendein Lichtschwert, sondern die Waffe des legendären Ritters Sharad Hett, der seit vielen Jahren als tot gilt. Um dem nachzugehen, schickt der Jedi-Rat Ki-Adi-Mundi. Dieser soll auf Tatooine mit dem Hutten Jabba Desilijic Tiure Kontakt aufnehmen, wird von dem Gangster jedoch hintergangen und während eines Sandsturms in der Wüste zurückgelassen. In einer Höhle findet er Unterschlupf, diese gehört jedoch unglücklicherweise einem Kraytdrachen. Allerdings findet Sharad Hett Mundi hier und hilft ihm, zusammen mit seinem Sohn A’Sharad, die Bestie zu besiegen. Von Hett erfährt Mundi, dass der Konflikt zwischen den Farmern und den Tusken von Jabba provoziert wurde, damit dieser veraltete Blaster zu Höchstpreisen verkaufen kann. Auch Jabbas Rivalin Gardulla Besadii hat ihre Finger im Spiel, da beide Hutts die Vorherrschaft auf Tatooine erringen wollen. Ein finaler Konflikt zwischen den Tusken und den Streitkräften der Hutts scheint unausweichlich…

Während Jan Strnad bei „Prelude to Rebellion” das Problem hatte, nur auf sehr begrenzte Informationen bezüglich der Episode-I-Inhalte zurückgreifen zu können, da die ersten Ausgaben fast ein halbes Jahr vor Kinostart erschien, konnte Timothy Truman da deutlich mehr Inhalte, Designs und Figuren integrieren. Truman knüpft an die Charakterisierung Ki-Adi-Mundis durchaus an, verlagert aber den inhaltlichen Fokus: Die Geschichte, die in „Prelude to Rebellion“ erzählt wurde, war, da es sich um die Heimatwelt und Familie des Protagonisten drehte, deutlich persönlicher. Stattdessen erfahren wir bei „Outlander“, dass Ki-Adi-Mundi vom Jedi-Rat für diese Mission ausgewählt wurde, weil er gerade keine persönliche Beziehung zu Sharad Hett hatte. Ein wenig schwingen die Ereignisse von „Prelude to Rebellion“ dennoch nach, da Mundi auch hier Tatooine besuchte und noch eine offene Rechnung mit Jabba hat – letztendlich einer der Gründe, weshalb er von dem Hutt verraten wird. Obwohl „Outlander“ für den Protagonisten weniger persönlich ist und Ki-Adi-Mundi sich als Figur nicht wirklich weiterentwickelt, finde ich persönlich diesen zweiten Handlungsbogen doch um einiges spannender und unterhaltsamer als den ersten, er ist wendungsreicher, in seinen Actionszenen deutlich dynamischer und fühlt sich, aufgrund des oben erwähnten Umstandes, deutlich besser mit dem größeren Star-Wars-Universum verknüpft.

Inhaltlich stellt Truman hier die Tusken und ihre Kultur stärker in den Fokus, als das zuvor geschah, zumindest soweit ich weiß. Vor allem in Episode IV und I bleiben die Sandleute relativ typische, undifferenzierte „Wilde“. In „Outlander“ erfahren wir deutlich mehr über ihre Gebräuche, Traditionen und auch, dass ihnen vor allem von den Hutts mitunter sehr übel mitgespielt wurde. Ähnliche Bemühungen unternehmen auch die zweite Staffel von „The Mandalorian“ sowie „The Book of Boba Fett“. Obwohl „Outlander“ und „The Book of Boba Fett“ in zwei völlig unterschiedlichen SW-Ären spielen, gibt es doch einige Parallelen zwischen Sharad Hett und Boba Fett, die über die drei identischen Buchstaben im Nachnamen hinausgehen. Beide landen allein und auf sich gestellt in der Wüste Tatooines und werden schließlich von einem Tusken-Stamm „adoptiert“, lernen die Bedeutung ihrer Gemeinschaft kennen und steuern zugleich eine „Außenseitsicht“ bei. Und in beiden Fällen wird der Tusken-Stamm in letzter Konsequenz von kriminellen Elementen vernichtet. In „Outlander“ wird natürlich auch die Frage gestellt, ob die Philosophie der Jedi mit der Sichtweise der Tusken kompatibel ist. Obwohl Ki-Adi-Mundi die Figur ist, der wir folgen, ist Sharad Hett mindestens in gleichem Ausmaß Protagonist der Geschichte und hier auch die deutlich komplexere Figur, deren Hintergründe in einem ausführlichen Flashback geschildert werden. Natürlich könnte man sich beschweren, dass hier schon wieder Tatooine in den Mittelpunkt gerückt wird, aber immerhin dient „Outlander“ tatsächlich dazu, diesen essentiellen Star-Wars-Schauplatz besser kennenzulernen und ausführlicher zu erforschen. Im Kontext der Disney-Serien ist zudem das Auftauchen des Krayt-Drachen interessant, der hier deutlich mehr nach klassischem Drachen als nach übergroßem Sandwurm aussieht. Aber auch in „Outlander“ spielt die Kraytdrachenperle für die Tusken eine wichtige Rolle.

Timothy Truman erweist sich als relativ geschickt darin, diverse Elemente sowohl aus „Prelude to Rebellion“ als auch aus „The Phantom Menace“ aufzugreifen, so finden sich mehrere Verweise zu den Ereignissen der ersten Star-Wars-Episode, die durchaus sinnvoll sind die Motivationen der Jedi in dieser Angelegenheit passend erklären. Besonders bemerkenswert ist „Outlander“ als erster Comic-Auftritt der Kopfgeldjägerin Aurra Sing. Diese tauchte in „The Phantom Menace“ kurz während des Podrennens auf, gespielt von Michonne Bourriague – nach bester Star-Wars-Tradition musste sie eine ausführliche Hintergrundgeschichte bekommen, die hier ihren Anfang nimmt. So erfahren wir, dass Aurra Sing nicht einfach nur eine Kopfgeldjägerin, sondern eine ehemalige Padawan ist und zudem noch von An’ya Kuro, der Jedi, die Ki-Adi-Mundi von Cerea holte, ausgebildet wurde. Aurra Sing entwickelte sich jedoch zur Jedi-Killerin – in „Outlander“ hat sie es, im Auftrag Gardullas, auf Sharad Hett abgesehen. Aurra Sing sollte noch ein einigen Comics dieser Reihe auftreten und später auch in „The Clone Wars“ auftauchen, gesprochen von Jaime King. In „The Clone Wars“ und im Disney-Kanon scheint Aurra Sing allerdings keine ehemalige Jedi zu sein und auch kein Lichtschwert zu führen.

Apropos Lichtschwert: Diesbzüglich gibt es in den vor Episode II erschienen Comics noch einige interessante Anekdoten. In dieser Zeit waren Lichtschwertfarben eine relativ willkürliche Angelegenheit – erst im Zuge von „Attack of the Clones“ wurde festgelegt, dass Jedi, mit einigen wenigen Ausnahmen, ausschließlich grüne und blaue Lichtschwerter führen, von den späteren Entwicklungen in „The Clone Wars“ und im Disney-Kanon gar nicht erst zu sprechen. Dementsprechend werden in „Outlander“ und den vor 2002 erschienene Comics die Farben relativ wild verteilt, Ki-Adi-Mundi führt ein violettes Lichtschwert und Sharad Hett, A’Sharad Hett und Aurra Sing bedienen sich roter Waffen, obwohl sie allesamt keine Sith sind. Die Assoziation der roten Klinge mit der Dunklen Seite war sicher Absicht, bleibt aber letzten Endes genau das, eine Assoziation und kein Statement bezüglich der Zugehörigkeit. Nach Episode II wurden Lichtschwertfarben deutlich restriktiver gehandhabt und selbst Figuren wie A’Sharad Hett und Aurra Sing hatten ab diesem Zeitpunkt nur noch blaue oder grüne Schwerter. Man kann wohl in diesem Kontext von einem rückwirkenden Farbgebungsfehler ausgehen und annehmen, dass diese Lichtschwerter auch schon zu Episode-I-Zeiten blau oder grün waren.

Grafisch ist „Outlander“ relativ divers geraten, nicht zuletzt, da mit Tom Raney (Ausgabe 7), Rod Pereira (Ausgabe 7 und 9), Rick Leonardi (Ausgabe 8 und 10) und Al Rio (Ausgabe 11 und 12) vier verschiedene Zeichner beteiligt waren, zum Teil mit Wechseln im selben Heft. Mir persönlich sagen Al Rios Zeichnungen am meisten zu, da sie äußerst detailliert ausfallen und die Dynamik der finalen Schlacht relativ gut einfangen. Aufgrund der vielen Zeichner kommt es jedoch zu dem einen oder anderen Kontinuitätsfehler. Sowohl bei Al Rio als auch bei all seinen späteren Auftritten fällt beispielsweise A’Sharad Hett besonders durch seinen langen schwarzen Zopf auf, dieser fehlt bei seinem ersten, von Rick Leonardi gezeichneten Auftritt jedoch.

Fazit: „Outlander“ ist gerade im Kontext von „The Book of Boba Fett“ eine äußerst faszinierende Story, da hier diverse Entwicklungen bezüglich der Tusken über zwanzig Jahre zuvor vorweggenommen werden. Auch im Kontext der Prequels ist Ki-Adi-Mundis zweites Abenteuer eine deutlich lohnenswertere und spannendere Lektüre als der Vorgänger „Prelude to Rebellion“.

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Siehe auch:
Prelude to Rebellion
Darth Maul
Jango Fett: Open Season

Dracula: Prince of Darkness


Story:
Trotz der Warnung des eigenwilligen Priesters Sandor (Andrew Keir) begeben sich die vier englischen Touristen Charles (Francis Matthews), Diana (Suzan Farmer), Helen (Barbara Shelley) und Alan (Charles Tingwell), die gerade Transsylvanien bereisen, nach Karlsbad. In Sichtweite eines ominösen Schlosses werden sie von ihrem abergläubischen Kutscher im Stich gelassen, eine herrenlose Kutsche bringt sie jedoch zum Schloss, wo sie einen gedeckten Tisch vorfinden. Begrüßt werden die vier vom enigmatischen Klove (Philip Latham), der ihnen von seinem verstorbenen Herrn Graf Dracula (Christopher Lee) berichtet. Keiner der vier Engländer ahnt, dass Klove darauf aus ist, seinen vampirischen Herrn wiederzuerwecken. Dies gelingt ihm auch, indem er Alan über Draculas Asche ausbluten lässt: Der Vampirfürst erwacht zu neuem Leben und lechzt nach dem Blut der verbliebenen Engländer…

Kritik: Nachdem „The Brides of Dracula“ ohne Christopher Lee auskommen musste, sollte er schließlich für „Dracula: Prince of Darkness“ 1966 zurückkehren. Dieses Mal war es Peter Cushing, dessen Van Helsing kein Teil des Films ist – mit Ausnahme der Prologszene, versteht sich, die als Rückblick aus Hammers erstem Dracula-Film stammt und die direkte Verknüpfung dieses Sequels zum Original verdeutlichen soll. Zudem verpflichtete Hammer abermals Regisseur Terence Fisher, der mit „Prince of Darkness“ seinen dritten und letzten Dracula-Film drehte (sofern man „The Brides of Dracula“ diesbezüglich mitrechnen möchte). Auch der Score von James Bernard knüpft direkt an die Musik des Originals an und macht ausgiebigen Gebrauch von dem aus drei Noten bestehenden Dracula-Motiv.

Mehr noch als die beiden Vorgänger bemüht sich „Prince of Darkness“ um einen sehr langsamen, schleichenden Spannungsaufbau; Fisher arbeitet in großem Ausmaß mit Andeutungen, visuellen Hinweisen und unheimlichen Kamerafahrten durch das Schloss. Bis zu Draculas tatsächlichem Auftauchen vergehen gut und gerne 45 Minuten. Der Dracula, den Fisher, Lee und Drehbuchautor Jimmy Sangster (hier unter dem Pseudonym John Sansom) dem Publikum präsentieren, ist noch brutaler und animalischer als der des Erstlings. „Prince of Darkness“ ist primär als der Dracula-Film bekannt, in dem Christopher Lee kein Wort spricht, sondern nur Fauchen und Knurren von sich gibt. Lee selbst behauptete einmal, er habe das Drehbuch als so schlecht empfunden, dass er sich schlicht weigerte, die Dialogzeilen zu sprechen, während Sangster dagegenhielt, er habe nie Dialoge für den Grafen verfasst und dieser sei von Anfang an als stummes Monster konzipiert gewesen. Wie dem auch sei, Lees ehrfurchtgebietende Leinwandpräsenz ist nach wie vor über jeden Zweifel erhaben und sein Dracula funktioniert auch ohne Worte.

Da Peter Cushing sich auf die ebenfalls von Hammer produzierten Frankenstein-Filme konzentrierte, bekommt Dracula es stattdessen mit Vater Sandor zu tun, der ein wirklich mehr als brauchbarer Ersatz ist. Andrew Keir gelingt es, seiner Figur dieselbe Hingabe wie Cushings Van Helsing zu verleihen, den stürmischen und wenig zurückhaltenden Priester aber zugleich zu einem Charakter zu machen, der sich nicht wie eine billige Van-Helsing-Kopie anfühlt. Tatsächlich finde ich es schade, dass Andrew Keir die Rolle im Verlauf der Filmserie nicht noch einmal spielen durfte. Im Gegensatz dazu bleiben die vier Engländer leider verhältnismäßig blass und uninteressant.

Storytechnisch handelt es sich bei „Prince of Darkness“ zwar um eine Fortsetzung – und um das erste Mal, dass Dracula auf mehr oder weniger fragwürdige Art und Weise zurückgebracht wird – es finden sich aber erstaunlich viele Parallelen zum ersten Teil der Serie bzw. zu Stokers Roman. Tatsächlich greifen Sangster und Fisher das eine oder andere Elemente der Vorlage auf, das es nicht in den Film von 1958 geschafft hat. So erinnert Klove nicht von ungefähr an Renfield, Charles entdeckt den mit offenen Augen in seinem Sarg liegenden Dracula, Diana trinkt, genau wie Mina im Roman, Blut direkt von einer Wunde an Draculas Brust und am Ende kommt es zu einer Kutschenverfolgungsjagd. Im Finale wird zudem eine weitere klassische Vampir-Schwäche aufgegriffen: Fließendes Wasser. Ob das auf diese Art gelungen umgesetzt wurde, ist freilich diskutabel, aber ein wenig Variation beim Tod der Vampire ist durchaus begrüßenswert. Eine klassische Pfählung findet sich ebenfalls, die zur Vampirin gewordenen Helen, die getrost als Lucy-Gegenstück gesehen werden kann, ist die erste Hammer-Vampirin, die in wachem und nicht in schlafendem Zustand mit dem Holzpflock bearbeitet wird.

Was „Prince of Darkness“ hingegen leider fehlt, sind die beeindruckenden Sets und die dichte Atmosphäre, mit der „The Brides of Dracula“ überzeugen konnte. Hammer befand sich gerade auf Sparkurs, weshalb mit demselben Cast und denselben Sets gleich parallel „Rasputin: The Mad Monk“ gedreht wurde – selbstverständlich spielt Lee auch in diesem Film die Titelrolle.

Fazit: Alles in allem ist „Dracula: Prince of Darkness“ eine durchaus gelungene Fortsetzung und insgesamt sicherlich einer der besseren Hammer-Dracula-Filme. Gerade weil Christopher Lee im Film kein Wort sagt, kommt er umso bedrohlicher und raubtierhafter daher. Mit Andrew Keir als Vater Sandor wurde zudem ein passender Ersatz für Cushings Van Helsing gefunden.

Trailer

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Siehe auch:
Geschichte der Vampire: Dracula – Hammers Graf
The Brides of Dracula

Lovecrafts Vermächtnis: Howard Phillips Lovecraft – Chroniken des Grauens

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Da Lovecrafts Geschichten rechtefrei sind, bietet es sich durchaus an, sie als Vorlage für alle möglichen Dinge zu verwenden. Gerade im Hörspielbereich sind seine Erzählungen allerdings nicht unbedingt leicht umzusetzen, da sie oftmals sehr berichthaft und wenig szenisch und dialoglastig daherkommen. In der Serie „Gruselkabinett“ des Labels Titania Medien wurde eine ganze Reihe von HPL-Geschichten umgesetzt, mal mehr, mal weniger vorlagengetreu, gewisse Anpassungen mussten allerdings immer vorgenommen werden. „The Colour out of Space“ beispielsweise ist wirklich nah an der Geschichte, wurde aber um eine zusätzliche Figur erweitert, einfach nur, damit ein Großteil der Exposition im Dialog und nicht von einem Erzähler vermittelt werden kann. Die von Markus Winter ersonnene und von seinem Label WinterZeit 2020 gestartete Hörspielserie „Howard Phillips Lovecraft – Chroniken des Grauens“ wählt dagegen einen ganz anderen Ansatz. Am ehesten lässt sich diese, bislang fünf Episoden umfassende Serie mit der Hörspielreihe „Edgar Allan Poe“ vergleichen, die ich, zumindest in Ansätzen, in meinem Artikel zu Poes „The Masque of the Red Death“ besprach. In beiden Fällen werden nicht einfach nur Geschichten des jeweiligen Autors adaptiert, sie werden zudem durch eine umfassende Metanarrative miteinander verknüpfte. Wo in „Edgar Allan Poe“ der an Amnesie leidende Protagonist dieses Namens pro Folge eine klassische Poe-Geschichte träumt und in der verbleibenden Zeit nach der Bedeutung dieser Träume sucht, werden in „Howard Phillips Lovecraft – Chroniken des Grauens“ gleich eine ganze Reihe an Handlungssträngen über mehrere Zeitebenen hinweg aufgebaut, die es vor allem zu Beginn schwer machen, den Überblick zu behalten.

Im Kern jeder Folge steht eine Lovecraft-Geschichte, deren Namen auch als Titel der jeweiligen Episode verwendet wird, der Reihenfolge nach sind das „Dagon“, „The Tomb“ (beide 1917), „The Nameless City“, „The Music of Erich Zann“ (beide 1921) und „The Call of Cthulhu“ (1926) – diese fünfte Folge gehört allerdings bereits zur zweiten Staffel und wird im Rahmen dieses Artikels ausgeklammert. Als Protagonist der Geschichten fungiert Randolph Carter, eine Figur Lovecrafts, die wie so viele andere auch Züge des Autors aufweist und primär dadurch auffällt, dass er zwar in einigen Erzählungen Lovecrafts auftaucht, primär natürlich in „The Statement of Randolph Carter“ (1919), definitiv aber nicht in den fünf oben genannten. Carters Geschichte beginnt mit der Handlung von „Dagon“, 1917 wird er aus dem Meer gerettet und erzählt schauerliche Geschichten, um anschließend die Ereignisse der anderen Geschichten zu durchleben. Zusätzlich fungiert ein älterer Carter als Erzähler, zudem gibt es weitere Handlungsstränge im Providence der 50er und auf einer Fantasy-Convention im Jahr 2019. Vor allem dieser letzte Handlungsstrang sorgt für zusätzliche Metaelemente, da hier ein Manuskript von Lovecraft von einem Stand gestohlen wird, sodass der Schriftsteller aus Providence und sein Werk als Teil der Erzählten Welt etabliert werden.

Obwohl die vier Storys, die als Teil der ersten Staffel umgesetzt wurden, bestenfalls marginal mit dem „Cthulhu-Mythos“ zusammenhängen, ist dieser freilich ein wichtiger Aspekt, kristallisiert sich doch Nyarlathotep langsam als übergreifender Widersacher heraus. Mit dessen Darstellung habe ich hier allerdings ähnliche Probleme wie in Donald Tysons „Alhazred – Author of the Necronomicon“ – sie wirkt zu banal, zu sehr „typischer Schurke“. Zugegeben ist ein überzeugender Nyarlathotep aber auch schwer hinzubekommen.

Wer sich „nur“ eine Hörspiel-Adaption der Lovecraft-Geschichten wünscht, wird mit dieser Serie wohl nicht allzu glücklich werden, denn angesichts der Zeitsprünge und zusätzlichen Handlungsstränge verlagert sich der Fokus nur allzu oft weg von den eigentlichen Erzählungen und hin zu den übergreifenden Metaelementen. Zudem ist die Erzählweise äußerst modern und arbeitet mit vielen schnellen Szenenwechseln, wobei sich das mit Voranschreiten der Serie durchaus etwas entspannt. „Howard Phillips Lovecraft – Chroniken des Grauens“ ist ein äußerst ambitioniertes Projekt, dem es in der ersten Staffel aber noch nicht gelingt, wirklich das zu erreichen, was es erreichen möchte. Neben „Edgar Allan Poe“ erinnert die Konzeption durchaus auch an Alan Moores „Providence“, ist aber von der literarischen Qualität dieser Comicserie doch recht weit entfernt.

Die Sprecherriege, die Mark Winter hier versammelt hat, ist durchaus beeindruckend, Randolph Carter wird beispielsweise von Tommy Morgenstern (deutsche Stimme von Chris Hemsworth) gesprochen, die ältere Version der Figur, die als Erzähler fungiert, von Wolfgang Pampel (deutsche Stimme von Harrison Ford). Auch in den Nebenrollen weiß der Cast mit Sprechern wie Jürgen Thormann, Detlef Bierstedt, Greta Galisch de Palma oder Engelbert von Nordhausen zu überzeugen. Auch Produktion, Musik und das sonstige Drumherum müssen den Vergleich mit dem „Gruselkabinett“ durchaus nicht fürchten.

Fazit: „Howard Phillips Lovecraft – Chroniken des Grauens“ ist eine äußerst ambitionierte Hörspielserie mit herausragenden Sprechern, die sich gerade für den Anfang aber zu viel vorgenommen hat und zu viel auf einmal möchte. Angesichts der vielen Handlungsstränge und Metaelemente bleiben sowohl der übergreifende Plot als auch die eigentlichen Lovecraft-Storys mitunter auf der Strecke.

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Siehe auch:
Lovecraft im Gruselkabinett
Lovecrafts Vermächtnis: Providence
Lovecrafts Vermächtnis: Alhazred – Author of the Necronomicon
The Masque of the Red Death

Art of Adaptation: A Shortcut to Mushrooms

Selbst wir Fans des „Lord of the Rings“ kommen nicht umhin zuzugeben, dass Tolkiens Geschichte mitunter etwas arm an Spannung und Action ist, gerade zu Beginn. Ich schrieb bereits im letzten Artikel, dass der Anfang von Frodos, Sams, Merrys und Pippins Reise deutlich anders verläuft als im Film. Das Kapitel „A Shortcut to Mushrooms“ ist vorerst das letzte, das im Film auftaucht, bzw. hier werden die Hobbits noch gezeigt, wie sie denselben Weg wie im Buch zurücklegen, auch wenn es massive Unterschiede gibt. Die nächsten vier Kapitel haben kein Gegenstück in der Filmhandlung, weshalb ich sie wohl zusammenfassen werde, ganz auslassen kann und will ich sie allerdings nicht, denn kleine Schnipsel haben hier und dort, verteilt über die gesamte Trilogie, dann doch ihren Weg in die Filme gefunden.

Suspense vs. Action
Nachdem die Hobbits von den Elben bewirtet wurden, erwachen sie am nächsten Morgen in ziemlich ausgelassener Laune. Gildor und Co. sind zwar verschwunden, haben aber zusätzliche Verpflegung und gute Laune sowie Nachdenklichkeit bei Frodo und Sam hinterlassen. Nachdem sie bereits zwei Mal den unheimlichen schwarzen Reitern begegnet sind, hält Frodo es für sicherer, sich abseits der Straße zu bewegen. Doch selbst hier bemerken die Hobbits immer wieder aus der Ferne, dass sie verfolgt werden. Ein entfernter Schrei, den Frodo korrekt als Signal interpretiert, beunruhigt sie noch deutlich mehr. Schließlich kommen sie zu Bauer Maggots Hof, der die drei bewirtet und ihnen dabei erzählt, dass er ebenfalls eine Begegnung mit einem ebenso ominösen wie unheimlichen Berittenen hatte, der nach „Beutlin“ gefragt und Maggots Hunde in Angst und Schrecken versetzt hat. Maggot bringt die drei schließlich zur Bockenburger Fähre, wo sie zuerst glauben, einem schwarzen Reiter zu begegnen, der sich dann aber als Merry entpuppt. Es zeigt sich: In diesem vierten Kapitel des „Lord of the Rings“ passiert handlungstechnisch nicht allzu viel, Tolkien benutzt es primär zum Aufbau subtiler Spannung. Die Ringgeister sind noch weit entfernt, aber doch gegenwärtig, sie lauern immer hinter dem Horizont oder verpassen die Hobbits nur knapp. Dies steigert auch zugleich das Geheimnis, das sie umgibt. Peter Jackson, Fran Walsh und Philippa Boynes wählten für diesen Teil der Handlung allerdings einen anderen, actionreicheren Ansatz. Nachdem im Film gezeigt wird, wie Gandalf von Saruman festgesetzt wird, springt die Handlung zu Bauer Maggots Felder, wo Frodo und Sam noch allein unterwegs sind, um kurz darauf zufällig auf Merry und Pippin zu treffen. Theoretisch legen die Hobbits in Roman und Film von Maggots Hof bis zur Bockenburger Fähre denselben Weg zurück, bei Tolkien auf Maggots Wagen und relativ unproblematisch. Im Film dagegen werden sie nach einer ersten Begegnung mit dem Ringgeist von gleich mehreren gejagt. Der langsame Spannungsaufbau erfolgt in besagter Szene, in der sich die Hobbits unter der Baumwurzel verstecken, in der darauffolgenden zeigen Jackson und Co. stattdessen die Intensität und Rücksichtslosigkeit, mit der Nazgûl ihre Opfer verfolgen – etwas, das uns im Roman erst viel später verdeutlicht wird. Statt subtilem Suspense-Aufbau bietet der Film eine Action-Szene in Form einer rasanten Verfolgungsjagd, quasi antithetisch zu Tolkien, für den Action selten im Vordergrund stand und erst wirklich viele Kapitel später auf der Wetterspitze vorkommt.

Maggot, Merry und Pippin
Bauer Maggot ist bei Tolkien eine durchaus kuriose Gestalt, da er deutlich cleverer ist als der gemeine Hobbit, dem wir in Hobbingen begegnen. Mit relativ wenig Informationen errät er die diversen Zusammenhänge ziemlich treffend. Zudem trifft er sich immer wieder mit Tom Bombadil, wie wir in einem späteren Kapitel erfahren. All das taucht im Film aus Zeitgründen nicht auf, Bauer Maggot erhält nur einen kleinen Cameo-Auftritt. Die im vorherigen Artikel bereits erwähnten Szene, in der Khamûl nach „Shire, Baggins“ fragt und von Maggot nach Hobbingen verwiesen wird, ist sicher von ihrem Buchgegenstück inspiriert, Tolkiens Maggot zeigt allerdings deutlich mehr Eier als sein von Cameron Rhodes dargestelltes Filmgegenstück, er droht dem Ringgeist sogar und behält trotz der Wirkung des Nazgûl die Nerven.

Dieser Abschnitt des Films zeigt zudem größere Unterschiede zwischen den Film- und Roman-Versionen von Merry und Pippin. Im Film erwischen Frodo und Sam die beiden dabei, wie sie Gemüse von Maggot stehlen, was dieser nicht allzu gut aufnimmt. Im Buch dagegen erfahren wir von Pippin, dass Merry und Maggot gut befreundet sind und auch Pippin selbst gute Beziehungen zu dem Landwirt unterhält – durch ihn erhalten die drei überhaupt erst Hilfe. Stattdessen war es Frodo, der dreißig Jahre zuvor als Jugendlicher Maggots Pilze gestohlen und wegen der Konsequenzen eine ordentliche Angst vor dem Bauern entwickelt hat, die sich in besagtem Kapitel nun als unbegründet erweist. Merry und Pippin im Film sind deutlich unreifer und kindischer als ihre Romangegenstücke, während wir bei Tolkien erfahren, dass Frodo seinerseits in Jugendjahren ein Tunichtgut war, was die Filme nicht unbedingt vermitteln.

Zudem zeigt sich hier ein gewisses Faible von Jackson, Walsh und Boyens, die Kapiteltitel in irgendeiner Form im Dialog unterzubringen, denn der „Short Cut to Mushrooms“ wird direkt erwähnt, auch wenn damit eine andere Abkürzung gemeint ist – eine nette Anspielung; Derartiges taucht in allen sechs Mittelerde-Filmen auf. Das Lied, das die drei Hobbits bei ihrer Wanderung durch die Wälder singen, taucht ebenfalls in „The Fellowship of the Ring“ auf, wenn auch an anderer Stelle, nämlich deutlich früher im Grünen Drachen, kurz bevor Gandalf nach Beutelsend zurückkehrt. Im Roman lautet der Text wie folgt:

Ho! Ho! Ho! to the bottle I go
To heal my heart and drown my woe.
Rain may fall and wind may blow,
And many miles be still to go,
But under a tall tree I will lie,
And let the clouds go sailing by. (FotR, S. 118)

Im Film wird das etwas abgewandelt und um einige Verse ergänzt, die im folgenden Kapitel auftauchen:

Hey Ho to the bottle I go
To heal my heart and drown my woe
Rain may fall and wind may blow but there’ll still be
Many miles to go

Sweet is the sound of the pouring rain,
And the stream that falls from hill to plain.
Better than rain or rippling brook,
Is a mug of beer inside this Took.

Zitiert nach:
Tolkien, J. R. R.: The Lord of the Rings Part 1: The Fellowship of the Ring. London 2007 [1954]

Siehe auch:
Art of Adaptation: A Long-expected Party
Art of Adaptation: The Shadow of the Past
Art of Adaptation: Three Is Company
Art of Adaptation: Tolkiens Erzählstruktur und Dramaturgie
Art of Adaptation: Saruman der Weiße
Art of Adaptation: Die Nazgûl