Art of Adaptation: Clash of the Titans

„Clash of the Titans“ aus dem Jahr 1981 ist nicht nur der letzte Film, an dem Stop-Motion-Legende Ray Harryhausen mitgewirkt hat, sondern war auch ein prägender Streifen meiner Kindheit, für den ich starke nostalgische Gefühle hege. Ausgelöst von Disneys „Hercules“ war meine späte Grundschulzeit geprägt von einer (bis heute anhaltenden) Liebe zur griechischen Mythologie, die „Clash of the Titans“ noch einmal stark befeuerte. Doch wie viel hat „Clash of the Titans“ tatsächlich mit der Perseus-Sage zu tun, die er adaptiert?

Die Perseus-Sage

Wie bei fast allen Sagen finden sich auch von der Perseus-Sage viele verschiedene Versionen, Abweichungen etc. – DIE einheitliche Geschichte gibt es nicht, und antike Erzähler wie moderne Autoren haben immer wieder kleinere und größere Details geändert. Perseus, Namensgeber und Protagonist, ist ein Sohn des Zeus und der Danaë. Diese ist die Tochter des Akrisios, seines Zeichens Königs von Argos, den ein Orakel davor warnt, dass sein Enkel ihn eines Tages töten wird. Aus diesem Grund sperrt er Danaë ein, damit sich ihr kein Mann nähern kann, was Zeus aber wie üblich nicht aufhält, der Göttervater besucht die Prinzessin in Form eines goldenen Regens. Akrisios ist nicht amüsiert und sperrt Mutter und Sohn in eine Holzkiste, um sie auf dem Meer auszusetzen, aber in Zeus‘ Auftrag sorgt Poseidon dafür, dass die beiden die Fluten überleben und auf der Insel Seriphos landen. Dort werden sie von dem Fischer Diktys entdeckt, der sie bei sich aufnimmt. Polydektes, Bruder von Diktys und Herrscher der Insel, hat es auf Danaë abgesehen, der inzwischen erwachsene Perseus steht diesem Ansinnen aber im Weg. Unter einem fadenscheinigen Vorwand bringt er Perseus dazu, aufzubrechen, um ihm das Haupt der schlangenköpfigen Medusa zu bringen, die alle Lebewesen mit einem Blick in Stein verwandeln kann.

Als Sohn des Zeus hat Perseus allerdings die Götter auf seiner Seite: Athene erscheint ihm und schenkt ihm einen spiegelnden Schild, der ihm dabei helfen kann, das Monster mit dem tödlichen Blick zu bezwingen und verrät ihm, dass die drei Graien, menschenfressende alte Frauen, die zusammen nur einen Zahn und ein Auge haben, ihm verraten können, wo die Nymphen (in manchen Versionen auch die Hesperiden) zu finden sind, die über weitere Artefakte verfügen, mit denen Perseus Medusa besiegen kann. Die Graien sind nicht allzu willig, können aber schließlich überlistet werden. Von den Nymphen erhält Perseus Flugsandalen, einen Sack, in dem er den Kopf der Gorgone unterbringen kann, und eine Tarnkappe, die ihn unsichtbar macht. So gerüstet kann Perseus es mit Medusa aufnehmen und schafft es, sie zu köpfen. Aus dem Leib des Monsters entspringen das geflügelte Ross Pegasus und der Riese Chrysaor.

Auf dem Heimweg probiert Perseus das Haupt der Medusa am Titanen Atlas aus, der ihm die Gastfreundschaft verweigert, weshalb der Halbgott ihn in das gleichnamige Gebirge verwandelt (was nicht unbedingt zu Atlas‘ Auftritten in anderen Sagen passt). Äthiopien liegt ebenfalls auf der Route, dort entdeckt Perseus eine junge Frau, die an einen Felsen gekettet ist. Bei ihr handelt es sich um die Prinzessin Andromeda, die dem Seeungeheuer Ketos geopfert werden solle, weil ihre Mutter Cassiopeia damit geprahlt hat, Andromeda sei schöner als die Nereiden, was Poseidon erzürnte. Das Ungeheuer ist dem Blick der Medusa allerdings nicht gewachsen und wird zu Stein, Andromeda ist frei und kann ihren Retter heiraten. Andromedas Onkel Phineus hätte seine Nichte allerdings ebenfalls gerne geheiratet und stört mit seinen Männern die Hochzeit, Perseus bedient sich jedoch abermals des Kopfes der Gorgone, und schon ist die Angelegenheit geregelt. Auch Polydektes darf Medusa bald in die Augen schauen. Und natürlich wäre es keine griechische Sage, wenn sich der Orakelspruch vom Anfang nicht erfüllen würde: Später nimmt Perseus an Wettkämpfen teil, bei denen auch Akrisios zugegen ist. Völlig ohne böse Absicht tötet Perseus den Großvater durch einen fehlgeleiteten Diskuswurf, um anschließend beschämt seine göttlichen Geschenke zurückzugeben, den Kopf der Medusa Athene zu vermachen (die ihn fortan an ihrem Schild trägt) und diverse griechische Dynastien zu begründen.

Anpassung der Handlung

Die grobe Handlung des Films, dessen Drehbuch von Beverley Cross stammt und bei dem Desmond Davis Regie führte, auch wenn Ray Harryhausen der Name ist, mit dem er primär verknüpft wird, stimmt mit der der Sage überein, es wurde allerdings versucht, den Plot stringenter zu gestalten und die einzelnen Episoden stärker miteinander zu verknüpfen. Wie in der Sage versteckt Akrisios (Donald Houston) Danaë (Vida Taylor) vor der Welt und Zeus (Laurence Olivier) besucht sie, um Perseus zu zeugen, allerdings ist der Grund ein anderer, es gibt keinen Orakelspruch, Akrisios hütet seine Tochter nur eifersüchtig. Nachdem er sie erzürnt in der Kiste ins Meer geworfen hat, befiehlt Zeus seinem Bruder Poseidon (Jack Gwillim) den Kraken loszulassen und Argos samt König zu zerstören. Polydektes und Diktys spielen im Film gar keine Rolle und auch Danaë kommt nicht mehr groß vor, stattdessen wird Perseus (Harry Hamlin) von der Göttin Thetis (Maggie Smith) nach Joppe versetzt. Diese ist wütend darüber, dass Zeus ihren Sohn Calibos (Neil McCarthy), der eigentlich Andromeda (Judi Bowker), die Prinzessin von Joppe, heiraten sollte, stattdessen in ein Ungeheuer verwandelt hat, weil er die geflügelten Pferde, bis auf eines, ausrottete. Calibos hat kein direktes Gegenstück in der Sage, am ehesten nimmt er Phineus‘ Platz als Perseus‘ Nebenbuhler ein. Seit er verwandelt wurde, ist Andromeda verflucht: Sie kann nur heiraten, wenn der Interessent ein Rätsel zu lösen vermag, andernfalls wird der Freier verbrannt.

Perseus freundet sich derweil mit dem Theaterschauspieler Ammon (Burgess Meredith, eine weitere Figur ohne Gegenstück in der Sage) an und bekommt diverse Geschenke von den Göttern: Ein Schwert von Aphrodite (Ursula Andress), den Tarnhelm von Athene (Susan Fleetwood) und einen Schild von Hera (Claire Bloom). Mit dem Tarnhelm bestückt sieht sich Perseus in Joppe um und landet schließlich unsichtbar in Andromedas Schlafgemach (ganz der Vater), wo er mit ansieht, wie Andromedas Seele von einem riesigen Geier entführt wird. Um dem Geier zu folgen, fängt Perseus Pegasus, das letzte der geflügelten Pferde, das hier definitiv nicht Medusa entspringt, ein. Seit „Clash of the Titans“ kann man fast von einer Tradition sprechen: Jeder Held, der es gerade braucht, bekommt Pegasus – Disneys „Hercules“ verwendet das geflügelte Ross auf dieselbe Weise. Der Held, der das geflügelte Ross in der Mythologie reitet, ist allerdings Bellerophon, der auf seinem Rücken gegen die Chimäre in die Schlacht zieht.

In den Sümpfen stellt Perseus fest, dass Andromeda die Rätsel von Calibos bekommt. Die beiden geraten aneinander und Perseus kann Calibos die Hand abschlagen, verliert dabei aber den Tarnhelm im Sumpf. Da er die Antwort direkt gehört hat, kann Perseus das Rätsel lösen. Unglücklicherweise ist Calibos‘ Mutter Thetis nach wie vor nicht begeistert und nimmt, wie in der Sage, Prahlerei von Andromedas Mutter Cassiopeia (Siân Phillips) zum Anlass zu fordern, dass Andromeda dem Kraken geopfert wurde, andernfalls werde es Joppe ergehen wie Argos. Gemeinsam mit Andromeda, Ammon und einigen Soldaten bricht Perseus nun auf, um von den Graien zu erfahren, wie man den Kraken denn besiegen kann. An der Konzeption des Aufbaus zeigt sich sehr gut, wie man versuchte, die Handlungselemente stärker miteinander zu verknüpfen – Perseus fliegt nicht einfach an der gefesselten Andromeda vorbei, sie ist bereits Motivation, um überhaupt nach Medusa zu suchen.

Die Nymphen wurden ebenfalls gestrichen, die nötigen magischen Utensilien besitzt Perseus ja bereits, wobei Pegasus die Flügelsandalen ersetzt und er von Athene als Ersatz für den verlorenen Helm eine mechanische Eule bekommt. Die Graien, hier als stygische Hexen bezeichnet, verraten Perseus stattdessen, dass nur Medusas Blick das Seeungeheuer vernichten kann. Die Gorgone befindet sich am Rand der Unterwelt, Perseus lässt Ammon und Andromeda zurück und macht sich mit den Soldaten auf, den Styx zu überqueren. Wie in der Sage gelingt es Perseus, das Monster zu köpfen und mit dem Haupt zurückzukehren. Anstatt Atlas in ein Gebirge zu verwandeln, muss sich Perseus ein letztes Mal mit Calibos auseinandersetzen, der die Begegnung dieses Mal nicht überlebt, sodass Perseus rechtzeitig zu Andromedas Rettung eintreffen und den Kraken wie geplant versteinern kann. Ende gut, alles gut.

Götter und Monster

Die Götter spielen, bis auf Zeus und Athene, eigentlich keine größere Rolle. Sie sind natürlich immer als Hintergrund der erzählten Welt vorhanden ¬– Poseidon ist im Grunde für mehrere Ereignisse indirekt verantwortlich – sind in der Geschichte selbst aber kaum präsent. „Clash of the Titans“ hingegen wechselt immer wieder zum Olymp und zeigt, wie die Götter die Geschicke der Sterblichen beeinflussen und sie wortwörtlich als Spielfiguren verwenden. Die Olympier sind, nebenbei bemerkt, äußerst prominent besetzt. Ur-Bond-Girl Ursula Andress mimt Aphrodite (und gibt gerade mal einen Satz von sich), Shakespeare-Darsteller Laurence Olivier gibt den Zeus und Maggie Smith spielt Thetis, die hier als primäre Widersacherin von Perseus fungiert. Thetis gehört in der griechischen Mythologie allerdings nicht zu den zwölf olympischen Kerngottheiten, sondern ist „nur“ eine Nymphe, die den Sterblichen Peleus heiratet und mit ihm Achilles zeugt.

Die diversen Monster, die Ray Harryhausen geschaffen hat, sind natürlich das Herzstück des Films, allerdings muss man sagen, dass die HD-Auflösung der BluRay den Effekten nicht unbedingt guttut – wobei es nicht einmal so sehr die Stop-Motion-Kreaturen sind, die unangenehm auffallen, sondern die Bluescreen-Effekte und Zusammenschnitte. Einige Monster wurden spezifisch für den Film geschaffen, dazu gehören primär die Riesenskorpione, der Geier und natürlich Calibos, der visuell am ehesten an einen Faun oder Satyr erinnert, in dieser Gestalt aber sicher auch Satan-Assoziationen wecken soll. Der Krake hat mit seinem mythologischen Gegenstück nur die Identität als Seeungeheuer gemein, da er eigentlich der nordischen Mythologie entstammt. Ketos ist ein riesiger Fisch oder Wal, kein humanoider Tintenfisch.

Unter all den Kreaturen des Films ist Medusa ohne Zweifel die beeindruckendste, was auch an der hervorragend inszenierten Szene liegt, in der sie auftaucht. Hier beschlossen Davis und Harryhausen, die Horrorelemente zu betonen, die Szene arbeitet exzellent mit Schatten, um die Spannung zu erhöhen, und wenn Medusa dann tatsächlich zu sehen ist, enttäuscht sie nicht – die Gorgone sieht tatsächlich grausig aus. Medusas Schwestern, die anderen beiden Gorgonen Stheno und Euryale, die im Gegensatz zu Medusa unsterblich sind, tauchen nicht auf und werden auch nicht erwähnt. Bei den Gorgonen zeigt sich sehr schön, wie mehrere Geschichten, die eigentlich nicht zusammenpassen, miteinander verschmolzen werden: Die Gorgonen sind einerseits Kinder des Gottes Phorkys und des bereits erwähnten Ungeheuers Ketos, andererseits wird Medusa aber als Sterbliche identifiziert, die mit Poseidon ein Verhältnis beginnt (oder von ihm vergewaltigt wird) und zwar in Aphrodites Tempel. Die Göttin ist erzürnt, kann aber nichts gegen Poseidon tun, weshalb sie Medusa in ein Monster verwandelt – diese Version übernimmt „Clash of the Titans“. Optisch wurde Medusa allerdings angepasst, in der Sage hat sie nicht nur Schlangenhaare, sondern auch die Hauer eines Ebers und ist zudem geflügelt.

Bei all den vielen Göttern und Monstern ist eine Gruppe allerdings erstaunlich abwesend: Die titelgebenden Titanen. Entgegen der Behauptung der stygischen Hexen handelt es sich weder bei Medusa, noch beim Kraken tatsächlich um Titanen, diese sind nämlich die Götter, die vor den Olympiern über den Kosmos herrschten. Die Geschichte dürfte ja relativ bekannt sein: Kronos, König der Welt und Herrscher der Titanen, fürchtet, seine Kinder könnten ihn usurpieren, wie er einst seinen Vater Uranus (den Himmel) entthronte. Also verschlingt er alle Kinder, die ihm seine Frau (und Schwester) Reha gebiert: Hades, Poseidon, Hera, Hestia und Demeter. Nur Zeus entgeht dem Schicksal, statt seiner bekommt Kronos einen Stein vorgesetzt. Einem erwachsenen Zeus gelingt es schließlich, seine Geschwister aus Kronos‘ Magen zu befreien und mit ihnen die Herrschaft der Titanen zu beenden und die meisten von ihnen in den Tartaros zu verbannen. Nichts von alldem spielt in „Clash of the Titans“ irgendeine Rolle, wahrscheinlich war man einfach nur der Meinung, dass die Titanen im Titel nicht nur cool, sondern auch nicht so austauschbar wie „Monster“ klingt.

Das Remake

Wir schreiben das Jahr 2010, Hollywood im Allgemeinen und Warner Bros. im Besonderen suchen immer noch einem würdigen Nachfolger der LotR-Trilogie bzw. einem Franchise, das die bald endende Harry-Potter-Reihe beerben könnte – warum es dann nicht einmal mit griechischer Mythologie probieren, nachdem man in den 90ern die Rechte an „Clash of the Titans“ erworben hat? Das Remake des Harryhausen-Klassikers ist ein typischer, seelenloser Blockbuster dieser Ära, inklusive massivem CGI-Einsatz und einem nach „Pirates of the Caribbean“ klingenden Score von Ramin Djawadi aus der Prä-GoT-Ära. Dennoch muss ich zugeben, dass dieser Film, obwohl er ein weiteres Beispiel für nachhaltige Studioeinmischung ist und Regisseur Louis Leterrier dazu brachte, sich von ihm zu distanzieren, für mich ein Guilty Pleasure darstellt. Sicher, der Film ist strukturell unausgegoren und trashig, aber gerade das macht ihn amüsant, zusammen mit dem beeindruckenden Cast. Neben Liam Neeson als Zeus, Ralph Fiennes als Hades, Gemma Arterton als Io und Sam Worthington, der aufgrund von „Avatar“ gerade als der nächste große Name gehandelt wurde, aber quasi dieselbe Rolle spielt wie in besagtem Cameron-Film, als Perseus sind es primär die Nebenrollen, die zum Teil nur ein, zwei Dialogzeilen haben: Mads Mikkelsen, Liam Cunningham, Rory McKann und Nicholas Hoult gehören zu Perseus‘ Garde, die ihn auf seiner Reise begleitet, Danny Houston und Luke Evans glitzern auf dem Olymp als Poseidon und Ares, Kaya Scodelario rennt einmal als Andromedas Zofe durchs Bild und Pete Postlethwaite mimt in den ersten fünf Minuten Perseus‘ Ziehvater – diese Liste war 2010 schon beeindruckend und ist es heute in noch weit größerem Ausmaß.

Storytechnisch geht das Remake mit seiner Vorlage etwa so sorgsam um wie diese Vorlage mit der Perseus-Sage. Der Grundplot ist derselbe: Der Kraken droht eine Stadt (hier, anders als im Harryhausen-Film, Argos, nicht Joppe) zu zerstören, weil die Götter beleidigt wurden. Um das zu verhindern, soll ihm Andromeda (Alexa Davalos) geopfert werden. Also zieht der Halbgott Perseus aus, um von den stygischen Hexen zu erfahren, wie der Kraken getötet werden kann. Nebenbei bemerkt: Die tatsächlichen Titanen und die Kronos-Geschichte wird Vorspann kurz erzählt, hier wurde der Kraken von Hades als Waffe gegen die Titanen erschaffen, was ebenso merkwürdig wie unschlüssig ist – man wollte wohl den Titel irgendwie rechtfertigen. Wie dem auch sei, Medusas Kopf ist wie schon im Original das einzige Mittel, mit dem man den Kraken bezwingen kann.

Louis Letterier und die Drehbuchautoren Travis Beacham, Phil Hay und Matt Manfredi ändern sowohl die äußere als auch die Figuren-interne Konfliktsituation. Im Original war der Streit unter den Göttern eher spielerisch, man benutzt eben die Menschen als Spielfiguren, die Autorität der Olympier wird in letzter Konsequenz aber nie in Frage gestellt. Im Remake dagegen lehnen sich die Menschen gegen die Götter auf und Akrisios (Jason Flemyng) belagert den Olymp, weshalb Zeus seine Frau (und nicht Tochter) Danaë (Tine Stapelfeldt) schwängert. Die Kiste im Meer überlebt dieses Mal nur Perseus, dafür wird Akrisios aber von Zeus entstellt – er ist quasi das Gegenstück zu Calibos, der dem Helden folgt und auf der Reise Probleme macht. Perseus‘ Gegenspieler unter den Göttern ist Hades, den Ralph Fiennes als bärtige Version von Voldemort spielt. Ohnehin erinnern Zeus und Hades hier mehr an Gott und Satan, während die anderen Olympier lediglich Staffage sind. Hades als Schurke hat in der griechischen Mythologie keine Tradition, sehr wohl aber in der modernen Popkultur, die ihn ständig zum altgriechischen Äquivalent Satans macht – sei es in Disneys „Hercules“ oder in der Animationsserie „Justice League“. Der Gott der Unterwelt hat vor, Zeus zu entthronen und die Herrschaft zu übernehmen – es steht für die Götter bzw. für Zeus also einiges mehr auf dem Spiel, als es im Original oder der Sage der Fall ist.

Der Konflikt zwischen Menschen und Göttern erstreckt sich auch auf unseren Helden. Während Harry Hamlins Perseus eigentlich weder mit sich haderte, noch ein Innenleben irgendwelcher Art besaß und seine göttliche Herkunft schon gar nicht in Frage stellte, ringt Sam Worthingtons Perseus ständig mit besagter Herkunft, weigert sich, die göttlichen Geschenke zu verwenden, brüskiert Zeus, als dieser in Kontakt mit ihm tritt etc. Interessanterweise ist Worthingtons Halbgott kaum weniger hölzern und spröde als Hamlins, er ist nur wütender. In beiden Fällen ist der Protagonist die mit Abstand uninteressanteste (und am schlechtesten gespielte) Figur. Bonuspunkte gibt es für den Versuch, dem Helden einen inneren Konflikt zu verpassen, durchaus, aber gut gemeint ist eben leider das Gegenteil von gut gemacht. Davon ausgehend ist das Thema des Remakes Selbstbestimmung, die Götter werden noch deutlich ambivalenter dargestellt, als das sonst der Fall ist, wobei viele Nuancen, die interessant hätten sein können, in den CGI-Materialschlachten, dem schwachen Drehbuch und den Studioeinmischungen untergehen. Immerhin gibt man Liam Neeson und Ralph Fiennes Gelegenheit, ein schönes Overacting-Duell hinzulegen – durchaus etwas, das für das Remake spricht.

Die meisten Handlungselemente des Originals tauchen in der einen oder anderen Form auf, meistens aber exzessiv überzeichnet. Statt ein paar übergroßer Skorpione tauchen nun eine ganze Menge auf, die Elefantengröße erreichen, die stygischen Hexen, im Film von 1981 optisch einfach drei blinde, schmutzige alte Frauen, sehen nun aus, als stammten sie aus einem Film von Guillermo del Toro und aus dem Kraken ist eine wirklich gewaltige, cthuloide Monstrosität geworden – alles sehr überdreht und trashig, aber wie gesagt, dieser Hang zum Exzess sagt mir hier irgendwie zu. Am enttäuschendsten ist tatsächlich Medusa selbst – weder das Design der Figur, noch die entsprechende Szene können dem Original auch nur ansatzweise das Wasser reichen. Es wird kaum verwundern, dass auch Medusa mit CGI umgesetzt wurde, als Basis fungierte das russische Model Natalia Vodianova – dementsprechend ist die Gorgone einerseits deutlich zu attraktiv und andererseits schlicht zu schlecht animiert, sodass sie sich mitten durch das „uncanny valley“ schlängelt.

Fazit: Weder „Clash of the Titans“ von 1981 noch das Remake aus dem Jahr 2010 sind eine adäquate Umsetzung der Perseus-Sage, noch sind sie hohe Filmkunst, dafür haben beide zu viele inhaltliche und strukturelle Probleme. Beide fallen für mich allerdings in den Guilty-Pleasure-Bereich: Für das Original habe ich starke nostalgische Gefühle, es lebt vom Charme der Harryhausen-Kreaturen, während der schiere Exzess, quasi „griechische Mythologie auf Steroide“ und der grandiose Cast des Remakes zumindest für gute Unterhaltung sorgen.

Art of Adaptation: Die Nazgûl

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„Nine for Mortal Men doomed to die” – die Nazgûl gehören zu den eindringlichsten und markantesten Antagonisten des „Lord of the Rings“. Noch bevor die Orks wirklich die Bildfläche betreten, sind die Ringgeister, zumindest in der ersten Hälfte von „The Fellowship of the Ring“, die Repräsentation des Bösen. Dementsprechend tauchen sie auch in den diversen Adaptionen auf – und werden zum Teil äußerst unterschiedlich umgesetzt. Wie schon im Artikel zu Saruman dem Weißen sollen auch hier die verschiedenen Interpretationen der Nazgûl miteinander und der Vorlage verglichen werden.

Die Nazgûl bei Tolkien
In „The Fellowship of the Ring” tauchen die Ringgeister langsam und schleichend auf, sind aber praktisch vom Beginn von Frodos Reise an in der einen oder anderen Form präsent. Bereits als Frodo, Sam und Pippin in Beutelsend aufbrechen, begegnen sie fast einem der Ringgeister, der sich mit dem alten Ham Gamdschie unterhält und nach „Beutlin“ sucht. Kurz darauf schaffen sie es unterwegs zwei Mal, einem Reiter auszuweichen, beim ersten Mal verstecken sie sich, beim zweiten Mal ist es eine Gruppe Elben, die den Ringgeist zum Rückzug zwingt. Bei beiden Malen wird das Verlangen Frodos, den Ring überzustreifen, betont. Auch Bauer Maggot, von dem die drei Hobbits später Unterkunft (und Pilze) erhalten, wird von den Reitern nicht verschont – in seinem Bericht betont Maggot vor allem das Unwohlsein und die Furcht, die die Präsenz eines Nazgûl auslöst. Bald darauf greifen die Ringgeister Bockland an, zu diesem Zeitpunkt haben sich die Hobbits allerdings bereits in den Alten Wald begeben. Erst in Bree kehren die Reiter als Bedrohung zurück, ihre Lakaien versuchen, sich der Hobbits im Gasthaus zu bemächtigen. Die tatsächliche Begegnung erfolgt dann auf der Wetterspitze, hier wird Frodo von ihrem Anführer niedergestochen. Mit der Hilfe des Elben Glorfindel gelingt es Frodo, auf dem Rücken des Pferdes Asfaloth zu entkommen und Bruchtal zu erreichen. Die Reiter werden von den Fluten der Bruinen fortgespült, in Bruchtal erfahren wir allerdings, dass das keinesfalls ihren Tod bedeutet. Zudem erzählt Gandalf, dass auch er eine Konfrontation mit ihnen hatte, was Aragorn bereits zuvor deduzierte.

Im weiteren Verlauf des „Lord of the Rings“ tauchen die Nazgûl eher sporadisch auf. Nach dem Verlust ihrer Pferde stattet Sauron seine Diener mit neuen, geflügelten Reittieren aus und setzt sie vor allem als Boten ein – auch hier wird immer wieder die Furcht und der Schrecken, die die Nazgûl verbreiten, hervorgehoben. Bei der Belagerung von Minas Tirith spielen sie ebenfalls eine essentielle Rolle, allen voran ihr Anführer, der Hexenkönig von Angmar. Als solcher wird er allerdings nur einmal in den Anhängen bezeichnet; im Roman ist meistens vom „Schwarzen Heermeister“ oder dem „Herrn der Nazgûl“ die Rede. Dennoch hat sich der Titel des Hexenkönigs durchgesetzt, wohl vor allem, weil er in den Filmen prominent von Gandalf verwendet wird. Der Hexenkönig kommandiert die Heere Mordors und auf seine Künste ist es zurückzuführen ist, dass das Tor der Stadt von der Ramme Grond zerstört wird. Der Schwarze Heermeister begegnet direkt im Anschluss an die Zerstörung des Tores in „The Return of the King“ Gandalf, das Eintreffen der Rohirrim verhindert allerdings ein Kräftemessen zwischen den beiden. Später auf dem Schlachtfeld gelingt es Éowyn und Merry, den Hexenkönig zu töten, sodass er „von keines Mannes Hand“ fällt, sondern von einer Frau und einem Hobbit getötet wird. Die anderen acht Ringgeister spielen im Rest des Romans eine untergeordnete Rolle und verenden schließlich zusammen mit Sauron und dem Einen Ring.

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Éowyn gegen den Hexenkönig von John Howe.

Bezüglich der Beschreibung geht Tolkien selten allzu sehr ins Detail. Bei der ersten Begegnung schildert er das Aussehen der Schwarzen Reiter wie folgt: „Round the corner came a black horse, no hobbit-pony but a full-sized horse; and on it sat a large man, who seemed to crouch in the saddle, wrapped in a great black cloak and hood, so that only his boots in the high stirrups showed below; his face was shadowed and invisible.“ (LotR, S. 98). Die Nazgûl bleiben lange vage und mysteriös, eher unheimlich Präsenz denn physische Gegner. Das ändert sich auf der Wetterspitze, als Frodo in ihrer Gegenwart den Ring überstreift: „Immediately, though everything else remained as before, dim and dark, the shapes became terribly clear. He was able to see beneath their black wrappings. There were five tall figures: two standing on the lip of the dell, three advancing. In their white faces burned keen and merciless eyes; under their mantles were long grey robes; upon their grey hairs were helms of silver; in their haggard hands were swords of steel. Their eyes fell on him and pierced him, as they rushed towards him.”

Abseits der Haupthandlung des „Lord of the Rings“ verrät Tolkien in den Anhängen und diversen anderen Werken, etwa dem „Silmarillion“ und den „Unfinished Tales of Númenor and Middle-earth“ noch einiges mehr über die Neun. Nur zwei von ihnen werden überhaupt als Individuen hervorgehoben. Der Hexenkönig von Angmar ist natürlich der prominenteste Nazgûl und spielt auch die mit Abstand größte Rolle. Der Krieg, den der Hexenkönig gegen das nördliche Königreich von Arnor führt, wird in den Anhängen recht ausführlich geschildert. Im Rahmen dieses Krieges prophezeit Glorfindel außerdem, dass der Hexenkönig von keines Mannes Hand fallen wird – was dann ja auch eintrifft. Namentlich ist nur ein einziger der Ringgeister bekannt, da Tolkien den Hexenkönig nur mit Titeln versieht. Bei diesem handelt es sich um Khamûl, der den Spitznamen „der Ostling“ trägt. Er gilt als Stellvertreter des Hexenkönigs und fungiert als Kommandant der Festung Dol Guldur. Die Identitäten der anderen Ringeister werden nie enthüllt, es ist lediglich bekannt, dass alle von ihnen mächtige König, Anführer und Zauberer der Menschen waren, darunter drei sog. „schwarzer Númenorer“. Nach dem Tod des Hexenkönigs übernimmt ein gewisser Gothmog das Kommando über die Armeen Mordors. Während Peter Jackson aus ihm einen Ork machte, der visuell an John Merrick, den „Elefantenmenschen“ erinnert, spezifiziert Tolkien nie, ob es sich bei ihm um einen Ork, einen Menschen oder einen der Ringgeister handelt, es ist aber durchaus im Bereich des Möglichen, dass er tatsächlich einer der Nazgûl ist.

Im Grunde sind die Nazgûl in Tolkiens Werk die eindeutigste Verkörperung des boethianischen Verständnisses des Bösen. Diesem Verständnis, das nicht nur vom namensgebenden römischen Theologen und Philosophen Boethius, sondern auch vom Kirchenvater Augustinus vertreten wurde, zufolge handelt es sich beim Bösen nicht um eine eigene Kraft, auch wenn es so erscheinen mag, sondern einen Mangel, die Abwesenheit des Guten (bzw. Gottes). Auch die Nazgûl sind von Abwesenheit gezeichnet, sie scheinen vorhanden zu sein, reiten Pferde, tragen Kleider und können handeln, zugleich sind sie aber eine Verkörperung des Nichts, ein personifizierter Mangel. Auf metaphorischer Ebene könnte man die Nazgûl als das betrachten, was aus einem Menschen wird, wenn er dem Bösen anheimfällt – Tom Shippey spricht von einem Zustand der „Vergeisterung“, den er beispielsweise auch bei Saruman feststellt.

Ralph Bakshis „The Lord of the Rings”

Formal gesehen sind die Ringgeister in Ralph Bakshis Adaption recht Vorlagengetreu, sie reiten auf schwarzen Pferden, tragen dunkelbraune und schwarze Gewänder und alles, was man unter den Kapuzen sieht, sind rote Augen. Man merkt dem Film an, dass er versucht, den unheimlichen, fremdartigen Aspekt der Reiter zu vermitteln, was in der Debütszene allerdings ordentlich misslingt, primär wegen der merkwürdigen, eher lächerlichen Geräusche, die der dort auftauchende Nazgûl von sich gibt. Auch die merkwürdige, hinkende Fortbewegung wirkt eher absurd denn furchteinflößend. Man könnte Tolkiens Beschreibung durchaus derartig auslegen, sollte das aber vielleicht nicht tun. Im weiteren Verlauf verbessert sich das immerhin.

Nach der missglückten Attacke in Bree, die hier von den Neun persönlich durchgeführt wird, entfernen die Nazgûl ihre Mäntel und enthüllen Helme und Rüstungen. Wie so oft in Bakshis Film, wenn die echten Schauspieler unter den rotoskopierten Animationen durchschimmern, wirkt es auch hier reichlich merkwürdig, ausnahmsweise passt es aber, da es die surreale Atmosphäre der Zwielichtwelt, in der die Nazgûl operieren, durchaus gelungen unterstreicht. Auch das Design sieht nicht unbedingt schlecht aus, da hat sich die Bakshi-Verfilmung deutlich größere Patzer geleistet. Sowohl die Konfrontation auf der Wetterspitze als auch die Flucht zur Furt gehören tatsächlich mit zu den besten Szenen dieser Adaption, gerade weil sie die Surrealität der Schattenwelt gut darstellen. Hier wirken die Zeichentrick-Ringgeister am beeindruckendsten und furchteinflößendsten.

„The Return of the King” von Rankin/Bass

In der Zeichentrick-Umsetzung von „The Return of the King“ von Jules Bass und Arthur Rankin jr. tauchen die Nazgûl als weißhaarige Skelette auf geflügelten Pferden auf, eine, nennen wir es mal großzügig, freie Interpretation der Ringgeister, die leider nicht besonders furchteinflößend wirkt. Der Hexenkönig (gesprochen von John Stephenson) hingegen ist sehr buchgetreu umgesetzt, er reitet ein geflügeltes Untier, das an einen Pterodaktylus erinnert (Tolkien selbst stimme diesem Vergleich zu) und trägt eine Krone auf einem unsichtbaren Kopf, wie in „The Return of the King“ beschrieben: „The Black Rider flung back his hood, and behold! he had a kingly crown; and yet upon no head visible was it set. The red fires shone between it and the mantled shoulders vast and dark. From a mouth unseen there came a deadly laughter.“ (LoR, S. 1085). Im Animationsstil dieses Films wirkt leider auch dieses Design nicht besonders beeindruckend, sondern eher lächerlich. Unterstützt wird es durch die Stimme des Herrn der Nazgûl, die klingt, als würde er in eine Blechdose brüllen.

Peter Jackson LotR-Trilogie

Bei Jackson sind die Nazgûl deutlich „massiver“ als bei Tolkien oder in den beiden Animationsfilmen; dort waren sie oft weniger greifbar, kriechender oder schattenhafter. In der Trilogie dagegen tragen die Ringgeister ausnahmslos Rüstungen unter ihren schwarzen Mänteln und verbreiten zwar Terror und Schrecken, allerdings auf andere, deutlich martialischere Art. Dennoch muss ich sagen: Ich liebe das Design der Nazgûl in der Filmtrilogie. Man entschied sich, auf die im Roman beschriebenen roten Augen zu verzichten, was aber ziemlich gut funktioniert, da es die Ringgeister noch abstrakter und mysteriöser erscheinen lässt – mit den Augen hätten sie vielleicht zu sehr an Jawas erinnert. Besonders bemerkenswert ist, dass zwei Szenen aus „The Fellowship of the Ring“ eine direkte Referenz an den Bakshi-Film darstellen. Im Roman verstecken sich die Hobbits weder unter einer Baumwurzel, noch verwüsten die Nazgûl eigenhändig das Zimmer in Bree. Die Darstellung der Nazgûl in der Zwielichtwelt ist der bei Tolkien beschriebenen sehr ähnlich, bleiche, geisterhafte Könige, verzerrte Abbilder ihres früheren Selbst.

Ab „The Two Towers“ bedienen sich die Ringgeister ausschließlich der geflügelten Untiere – im Unterschied zum Roman, denn zumindest der Hexenkönig reitet bis zu seiner Konfrontation mit Éowyn noch ein Pferd. Besagte Untiere unterscheiden sich ebenfalls von Tolkiens Beschreibung, in den Filme erinnern sie weniger an einen Pterodaktylos mit Schnabel, stattdessen basieren sie auf einem Design von John Howe und haben größere Ähnlichkeit mit Drachen. In ihrer Botenrolle treten die Ringgeister hier weniger auf, stattdessen erhalten sie aber zusätzlich Präsenz beim Angriff auf Osgiliath, der bei Tolkien in dieser Form nie stattfindet – Frodo wird ein weiteres Mal direkt mit einem der Ringgeister konfrontiert und kann nur sehr knapp von Sam gerettet werden.

In „The Return of the King” wird der Hexenkönig (gesprochen von Andy Serkis) erstmals deutlich von den anderen acht Nazgûl abgegrenzt, man entschied sich allerdings gegen die Krone auf dem unsichtbaren Kopf, stattdessen verpasste man dem Schwarzen Heermeister einen ikonischen Helm, der vage an eine Krone erinnert und dessen Design ich persönlich grandios finde. Die Begegnung mit Gandalf findet hier nicht am Tor von Minas Tirith statt, sondern auf der Mauer. Interessanterweise wird der Hexenkönig hier als Gandalf überlegen dargestellt, ihm gelingt es, den Stab des Zauberers zu zerbrechen. Im Roman hingegen ist es ziemlich eindeutig, dass Gandalf es mit dem Schwarzen Heermeister zwar schwer hätte, ihn aber letzten Endes besiegen würde. Das Flammenschwert stimmt allerdings mit der Vorlage überein.

Im Roman schwingt der Hexenkönig eine Keule gegen Éowyn, im Film entschied man sich stattdessen für einen absurd großen Morgenstern, vielleicht um ihn von Sauron abzugrenzen. Tatsächlich erinnert ein ursprüngliches Design, das noch in der Spieleadaption begutachtet werden kann, sehr stark an Sauron, wie er im Prolog von „The Fellowship of the Ring“ dargestellt wird. Vermutlich wählte man ein distinktiveres Design, um zu verhindern, dass buchunkundige Zuschauer annehmen, es handle sich um Sauron persönlich. Ein kleines Detail ist noch erwähnenswert: Bei Tolkien führt Merry einen Dolch aus den Hügelgräbern, die sich in der Nähe von Tom Bombadils Haus befinden. Diese Dolche wurden in Arnor speziell dafür gefertigt, gegen die Gefolgschaft des Hexenreiches von Angmar zu kämpfen – aus diesem Grund erweist sich der Dolch als besonders wirksam gegen den Hexenkönig und kann dessen „Schutz“ durchdringen: „So passed the sword of the Barrow-downs, work of Westernesse. But glad would he have been to know its fate who wrought it slowly long ago in the North-kingdom when the Dúnedain were young, and chief among their foes was the dread realm of Angmar and its sorcerer king. No other blade, not though mightier hands had wielded it, would have dealt that foe a wound so bitter, cleaving the undead flesh, breaking the spell that knit his unseen sinews to his will.” (LotR S. 1105). Dieses nette kleine Detail geht durch die Auslassung der Hügelgräberhöhen in den Filmen leider verloren.

Peter Jacksons Hobbit-Trilogie

Im „Hobbit“ tauchen die Nazgûl bekanntermaßen noch nicht auf, in Peter Jacksons überlanger Adaption dagegen werden ihnen Gastauftritte gewährt, die aber, gelinde gesagt, etwas merkwürdig sind. Bei der Erforschung Dol Guldurs in „An Unexpected Journey“ läuft Radagast der Hexenkönig über den Weg, der hier in ähnlicher Gestalt erscheint wie auf der Wetterspitze – allerdings wabernder, mehr klassisches Gespenst als Tolkiens unsichtbarer Geist. Geschickterweise lässt er auch gleich eine Morgulklinge zurück. In „The Desolation of Smaug“ entdeckt Gandalf in Rhudaur die Gräber der Nazgûl – was, zumindest auf den von Tolkien etablierten Hintergründen basierend, Blödsinn ist. Hier wird der Anschein erweckt, die Nazgûl und besonders der Hexenkönig seien nach dem Fall von Angmar dort begraben und anschließend von Sauron wiedererweckt worden – in einem Flashback sieht man sogar, wie Körper in die Gräber gebracht werden. Das ist aus mehreren Gründen nicht mit der Vorlage konform, zum einen tauchten die Nazgûl bereits im Zweiten Zeitalter auf, lange vor der Etablierung des Hexenreiches von Angmar, und zum anderen sind die Träger der neun Ringe geschwunden – es gab nie Körper, die man hätte begraben können.

Einen weiteren Auftritt absolvieren die Nazgûl in „The Battle of the Five Armies“, dieses Mal mit neuem, radikal verändertem Design. Statt der ursprünglichen bleichen Könige werden sie bei der Auseinandersetzung zwischen dem Weißen Rat und Sauron als hologrammartige Gestalten in Rüstungen gezeigt. Der Hexenkönig trägt dabei nicht seinen ikonischen Helm, dafür wurden bei einem der Nazgûl eindeutig Stilelemente der Ostlinge integriert, man kann also wohl davon ausgehen, dass es sich hierbei um Khamûl handelt. Letzten Endes erweisen sich die Neun hier als dem Weißen Rat unterlegen und flüchten mit Sauron nach Mordor. Während das Design der Nazgûl-Rüstungen durchaus gelungen ist, bin ich kein Fan dieser „Hologrammform“ – oder der Art und Weise, wie die Ringgeister hier gegen den Weißen Rat kämpfen. Leider wirkt diese Auseinandersetzung eher albern denn beeindruckend.

Potentielle Identitäten der Nazgûl

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Einer der individualisierten Nazgûl von Games Workshop. Hier: Der Ritter von Umbar mit einer eindeutig an Gondor erinnernden Rüstung.

In diversen Begleitmaterialien, seien es Pen&Paper-RPGs, Tabeltop- oder Videospiele, versuchte man, mal mehr, mal weniger gelungen, Tolkiens Geschichte zu erweitern und den Ringgeistern abseits des Hexenkönigs und Khamûls individuelle Identitäten zu verleihen. Eines der frühesten Beispiele hierfür dürfte das Pen&Paper-Regelwerk „Middle-earth Role Playing“ (kurz MERP) gewesen sein, in welchem alle neun Ringgeister nicht nur einen Titel wie „Ice-King“ oder „Dark Messenger“ bekamen, sondern auch einen individuellen Namen. Aus dem Hexenkönig wurde so zum Beispiel Er-Mûrazôr, ein Abkömmling Númenors. Das auf den Filmen basierende „The Lord of the Rings Roleplaying Game“ nummerierte die Nazgûl auf Quenya durch, dort wird der Hexenkönig als „Ulaire Minya“ (wörtlich: „Ringgeist Eins“), Khamûl als „Ulaire Attea“ („Ringgeist Zwei“) und so weiter bezeichnet. Den anderen sieben verpasste man ebenfalls Spitznamen wie „Black Assassin“, „Black Threat“ etc. Im LotR-Tabeltopspiel (auf der Filmlizenz basierend) von Games Workshop vermied man es ebenfalls, den Nazgûl Namen zu verpassen, individualisierte sie aber optisch, gab ihnen rudimentäre Hintergrundgeschichten und verpasste ihnen ebenfalls Spitznamen wie „Dark Marshal“, „Betrayer“ oder „Lord of Umbar“.

Nicht unähnlich arbeitete man im (ausschließlich auf der Buchlizenz basierenden) „Lord of the Rings Online“, hier erhielten die Nazgûl klingende Spitznamen wie „Bane of Rhûn“ oder „Black Blade of Lebennin“, also fast immer mit geographischem Bezug. Im Vergleich dazu gab das Expansion-Pack von „The Battle of Middle-Earth“, „Rise of the Witch-King” (sowohl Film- als auch Buchlizenz) nur einem der Ringgeister eine Identität: Morgomir, „Stellvertreter“ des Hexenkönigs. Die Kampagne besagter Erweiterung erzählt den Aufstieg des Hexenreiches von Angmar und den Untergang des nördlichen Dúnedain-Königreiches von Arnor sehr buchgetreu, zwar werden einige Figuren hinzugefügt und Angmar wird als Fraktion ausgestaltet, da Tolkien nie näher ins Detail ging, wie genau es aufgebaut war, aber davon abgesehen ging man mit der Vorlage sehr behutsam um.

Dasselbe lässt sich nicht über die beiden Spiele „Middle-earth: Shadow of Mordor“ und die Fortsetzung „Middle-earth: Shadow of War“ sagen, deren Geschichte eher an schlechte Fanfiction erinnert. Vieles von dem, was die Autoren hier anstellen, hat Tolkien zwar nicht explizit negiert, aber wahrscheinlich eher deshalb, weil er nicht auf diese Ideen gekommen wäre. Das „Amt“ eines Ringgeistes kann hier zusammen mit dem Menschenring weitergegeben werden, das heißt die Nazgûl, die in diesem Spiel auftauchen, sind nicht mehr die neun ursprünglichen, die im Jahr 2251 des Zweiten Zeitalters erstmals in Erscheinung treten. Nicht nur wird Talion, der Protagonist der Spiele, am Ende zum Ringgeist, sondern auch Mittelerde-Prominenz wie Isildur und Helm Hammerhand, den Namensgeber von Helms Klamm, machte man zu Nazgûl. Hinzukommen weitere „Originalschöpfungen“ wie die beiden weiblichen Rinngeister Yukâ und Riyâ. Eine List der diversen Nazgûl-Identitäten aus allen möglichen Begleitmedien, die nicht als „kanonisch“ gelten, findet sich hier.

Zitiert nach:
Tolkien, J. R. R.: The Lord of the Rings Part 1: The Fellowship of the Ring. London 2007 [1954]
Tolkien, J. R. R.: The Lord of the Rings Part 3: The Return of the King. London 2007 [1955]

Siehe auch:
Art of Adaptation: Tolkiens Erzählstruktur und Dramaturgie
Art of Adaptation: Saruman der Weiße

Bildquelle John Howe
Bildquelle Games Workshop

Stück der Woche: Surrender (Tomorrow Never Dies)

1995 begründete „GoldenEye“ erfolgreich eine neue Ära für James Bond, sowohl der Film selbst als auch Pierce Brosnan und der Titelsong von Tina Turner kamen gut bei Fans und Publikum an. Lediglich ein Aspekt konnte nicht überzeugen: Der Score von Éric Serra, der schlicht zu experimentell, zu synthetisch und zu wenig Bond war. Für Brosnans zweiten Bond-Film, „Tomorrow Never Dies“, der 1997 in die Kinos kommen sollte, folgte man bei Eon Productions deshalb einer Empfehlung des Bond-Maestros John Barry und engagierte den jungen, aufstrebenden Komponisten David Arnold, der sich mit den Roland-Emmerich-Filmen „Stargate“ und „Independence Day“ bereits einen Namen gemacht hatte. Für Bond hatte er sich allerdings durch das Album „Shaken and Stirred: The David Arnold James Bond Project“ empfohlen. Für dieses Album arbeitete Arnold mit diversen Künstlern wie Propellerhead oder David McAlmont zusammen, für die er die beliebtesten Songs des Franchise neu arrangierte.

Arnold ist nun bei Weitem nicht der erste Barry-Nachfolger im Franchise – während der 70er alternierte der Maestro mit Komponisten wie George Martin, Marvin Hamlish und Bill Conti und nach seinem endgültigen Ausstieg aus der Filmreihe folgten ihm Michael Kamen und der bereits erwähnte Éric Serra. Arnold dürfte allerdings der erste Barry-Fan sein, der einen Bond-Film vertonte – dementsprechend passt er seinen Kompositionsstil dem des Altmeisters in weitaus stärkerem Maße an, als es seine Vorgänger taten, ohne dass die Musik dabei jedoch zur reinen Pastiche verkommt. Zentrales Element eines jeden Bond-Scores von John Barry ist natürlich der Titelsong, an dessen Komposition Barry meistens beteiligt war, was zur Folge hatte, dass die Melodie des Songs oft auch eine starke Präsenz im Score hatte. Auch hier ging man bei den beiden direkten Vorgängern von „Tomorrow Never Dies“ andere Wege: Weder Kamen noch Serra waren an der Komposition der jeweiligen Lieder beteiligt und integrierten sie auch nicht in ihre Scores. David Arnold hingegen schrieb zusammen mit David McAlmont und Bond-Veteran Don Black nicht nur einen Song, der schließlich von k.d. lang eingesungen wurde, sondern integrierte die melodischen Bestandteile in bester Barry-Manier in den Score. Unglücklicherweise entschloss man sich dann allerdings bei Eon Productions, besagten Song in den Abspann zu verbannen und eine prestigeträchtigere Künstlerin für den Vorspann zu gewinnen: Sheryl Crow. Zusammen mit ihrem Produzenten Mitchell Froom komponierte Crow das Lied Tomorrow Never Dies, dessen Melodie schon allein aufgrund der knapp bemessenen Zeit keinen Eingang mehr in Arnolds Score fand. Ein wenig erinnert die Situation an „Thunderball“ – bei Sean Connerys viertem Einsatz als Bond wurde der ursprüngliche Song, Mr. Kiss Kiss Bang Bang, ebenfalls verworfen, allerdings war es hier Barry selbst, der Thunderball für Tom Jones als Ersatz komponierte.

Tomorrow Never Dies kann man nun beileibe nicht zu den schlechtesten Bond-Songs rechnen, gerade wenn man, sagen wir, Madonnas Die Another Day zu Vergleichszwecken heranzieht. Der von Arnold ursprünglich konzipierte Song, der nun den Titel Surrender bekam, ist Crows und Mitchells Komposition allerdings eindeutig überlegen. Dieser trieft geradezu vor „Bondismen“ und beginnt direkt mit den typischen, schnarrenden Goldfinger-Bläsern, die Melodie und k.d. langs Gesang erinnern an Shirley Basseys Beiträge zum Franchise und alles in allem verfügt Surrender über eine treibende Energie, die Tomorrow Never Dies leider fehlt. Zudem macht sich Arnolds Komposition exzellent als Thema im Score.

Hierbei gilt es zu beachten, dass Bond-Scores selten wirklich strikt leitmotivisch vorgehen – besonders, was die Song-Melodien angeht. Manchmal lassen sie sich zwar eindeutig zuordnen, so ist etwa You Know My Name in „Casino Royale“ James Bonds Leitmotiv, bis er sich das eigentlich Bond-Thema verdient hat, und nicht selten fungieren die emotionaleren Lieder als Liebesthema, oft aber dienen die Melodien nur als vage Story- oder Actionthemen. So ist es auch hier. Arnold bedient sich zweier Bestandteile des Lieds, der Brücke zwischen den Versen, bei der es sich um die bereits erwähnte, Golfinger-esque Fanfare handelt, und der eigentlichen Melodie. Beide tauchen gerne in den opulenten Actiontracks des Scores auf. Bereits im Eröffnungsstück White Knight, einem der besten Action-Tracks der gesamten Filmreihe, macht Arnold ausgiebig Gebrauch von beiden Motiven und lässt sie mit dem Bond-Thema interagieren. Bei 5:45 taucht eine besonders schöne Version der Fanfare auf, bei 7:02 eine weitere, hier unterlegt mit der chromatischen Akkordfolge des Bond-Themas. Kurz darauf, bei 7:10 ist schließlich die eigentliche Surrender-Melodie zu hören und erklimmt sofort epische Höhen.

Ebenfalls zu hören ist die Surrender-Melodie, dieses Mal zurückhaltender und fragmentierter, in 10 *-3-* Send. Deutlich beeindruckender sind allerdings die Versionen, die in Backseat Driver auftauchen. Hier kollaborierte Arnold nach seinem Album „Shaken and Stirred“ ein weiteres Mal mit Propellerhead – der Track beinhaltet denselben pulsierenden, elektronischen Rhythmus, der bereits in ihrem Remix des OHMSS-Themas zum Einsatz kam. Zusätzlich wirft Arnold diverse orchestrale Ausbrüche des Bond-Themas und der beiden Surrender-Motive in den Mix, die Fanfare erklingt etwa bei 0:35 und die Melodie taucht bei 1:40 auf und knüpft an den Einsatz aus White Knight an. Eine romantische Variation der Melodie findet sich darüber hinaus in Kowloon Bay (1:07), angereichert durch asiatische Instrumentierung, die den Handlungsort Saigon repräsentieren soll.

Erwähnenswert ist zudem das Album „Bond for Orchestra“, für das Carl Davis und andere orchestrale Arrangements der Bond-Songs aufbereiteten. Sheryl Crows Tomorrow Never Dies ignorierte man dabei nonchalant und schuf stattdessen eine schöne Surrender-Themen-Suite, die in keiner Tomorrow-Never-Dies-Playlist fehlen sollte.

Siehe auch:
Top 15 Variationen des James-Bond-Themas
The Musik of James Bond
Stück der Woche: On Her Majesty’s Secret Service Theme