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Story: Als der Heerführer Böri Khan (Jason Scott Lee) mit seiner Armee und der Hexe Xianniang (Gong Li) China angreift, befiehlt der Kaiser (Jet Li), dass ein Mann aus jeder Familie dem Heer des Reiches der Mitte zur Verteidigung beitreten muss. In der Hua-Familie kommt dafür nur das gealterte Familienoberhaupt Hua Zhou (Tzi Ma) in Frage, weshalb seine Tochter Mulan (Yifei Liu) den Platz ihres Vaters einnimmt, sich als Mann verkleidet und unter dem Decknamen Hua Jun der Armee beitritt. Neben den üblichen Gefahren des Soldatenlebens muss sie besonders darauf achten, dass ihre Identität nicht aufgedeckt wird, da dies den Tod für sie und den Gesichtsverlust für ihre Familie bedeuten würde…
Kritik: Als das Live-Action-Remake von „Mulan“ angekündigt und die ersten Trailer gezeigt wurden, war ich tatsächlich der Meinung, dass diese Neufassung Potential hat. Offensichtlich wollte man nicht, wie es bei „Aladdin“ oder „The Lion King“ der Fall war, nur eine verwässerte Neuauflage des Originals produzieren, sondern sich, wie bei „The Jungle Book“, um eine Art Kompromiss zwischen dem Animationsfilm und der Vorlage bemühen. Diese Version von „Mulan“ sollte mehr Action- und Kriegsfilm und kein Musical werden. Trotz dieser durchaus sinnvollen Herangehensweise versagt „Mulan“ leider vollständig. Zusätzlich hierzu gibt es noch eine ganze Menge an kontroversem Kontext, vom kostenpflichtigen Anschauen auf Disney Plus wegen Corona bis hin zum problematischen Anbiedern an die chinesische Regierung, was in dieser Rezension allerdings außenvor bleiben soll – der Film ist auch so schlecht genug.
Die Änderungen gegenüber der animierten Version sind Legion und oft nicht per se schlecht. Abseits der Titelfigur wurden beispielsweise kaum Figuren direkt übernommen, sei es namentlich oder charakterlich. Das beginnt bei Li Shang, der aufgespalten wurde; Mulans Ausbilder und ihr Love Interest sind nun zwei verschiedene Figuren, zum einen der von Donnie Yen gespielte Tung und zum anderen Chen Honghui (Yoson An), der „nur“ ein einfacher Soldat ist. Die komödiantischen Sidekicks wie Mushu oder Cri-Kee fehlen völlig. Auch unter den Schurken gibt es einige Veränderungen, Böri Khan nimmt den Platz von Shan Yu ein, während die Gestaltwandlerin Xianniang als neue Figur an seine Seite gestellt wird. Der Umstand, dass sie sich gerne in einen Falken verwandelt, ist immerhin eine nette Anspielung an den Animationsfilm. Ansonsten sind diese beiden Schurken aber relativ enttäuschend. Shan Yu mag nicht gerade der beste Disney-Schurke sein, hinterließ aber aufgrund seiner grimmigen, zielgerichteten Vorgehensweise und seiner stillen Grausamkeit durchaus bleibenden Eindruck, was man von Böri Khan leider nicht sagen kann. Xianniang ist theoretisch interessanter, da sie als Mulans dunkles Spiegelbild dient. Wie Mulan wurden ihr Dinge verwehrt, weil sie eine Frau ist, weshalb sie drastischeren Mitteln greift, um das zu bekommen, was ihr zusteht. Das inszeniert der Film allerdings fürchterlich plump und unsubtil, am Ende opfert Xianniang spontan ihr Leben für ihre Widersacherin, weil sie so beeindruckt davon ist, dass diese die chinesische Armee kommandiert.
Trotz dieser Änderungen leidet das Remake an einer Schwäche, die viele Filme dieser Machart plagen. Gerade im direkten Vergleich fällt auf, wie ökonomisch die Disney-Filme der 90er im Allgemeinen und „Mulan“ im speziellen mit ihrer Zeit umgehen. Das Original geht mit Abspann nur knapp 90 Minuten, verschenkt aber keine davon, Charakterisierung, Entwicklung und die Beziehung der Figuren zu einander sind exzellent. Das Remake ist mit 115 Minuten deutlich länger, es gelingt ihm aber nicht, diese Zeit sinnvoll zu nutzen, besonders wenn es darum geht, das Verhältnis der Figuren untereinander zu etablieren. Es reicht, das Verhältnis zwischen Mulan und ihrem Vater im Original und im Remake zu vergleichen. Ohnehin scheint Figurenchemie nicht unbedingt die Stärke von Regisseurin Niki Caro zu sein, zumindest nicht in diesem Film. Von der Kameradschaft zwischen den Rekruten bzw. Soldaten zu denen Mulan stößt, ist im Remake kaum etwas geblieben. Auch dramaturgisch ist der 2020-Film deutlich schwächer als das Original, die Handlung plätschert oftmals einfach so dahin.
Das größte Problem des Remakes findet sich aber bei der Titelheldin selbst. Diese ist im Animationsfilm sehr eindeutig charakterisiert: Wie so viele Disney-Helden und -Heldinnen der 90er fühlt sie sich ein wenig fehl am Platz. Ihre Zeit bei der Ausbildung wird als „Fish out of Water“ Story inszeniert, bevor sie dann am Ende ihren Platz auch tatsächlich findet, indem sie sich entwickelt, ihre Schwächen überwindet und lernt, sich selbst zu akzeptieren. Im Remake dagegen hat Mulan im Grunde keinen Handlungsbogen, weil sie bereits als Kriegerin beginnt und eigentlich nichts lernen muss. Mehr noch, aus irgend einem Grund verpasste man Mulan hier Superkräfte, verweigert ihr aber auch einen dementsprechend angepassten Handlungsbogen. Es ist eine merkwürdige Ansicht, die sich vor allem im letzten Jahrzehnt herausgearbeitet hat, dass starke weibliche Figuren keine Schwäche haben dürfen, nicht emotional sein sollten und am besten von Anfang an praktisch perfekt sind. Was die Entwicklung (oder den Mangel derselben) angeht, ist „Mulan“ kein Remake des Zeichentrickfilms aus den 90ern, sondern von „Captain Marvel“; hier herrschte dieselbe Geisteshaltung vor. Wo die von Ming-Na Wen (die im Remake immerhin einen kleinen Cameo-Auftritt erhält) gesprochene Mulan eine liebenswerte, intelligente und manchmal auch sehr ungeschickte Figur war, mit der man sich wunderbar identifizieren kann, wirkt die von Yifei Liu dargestellte Version meistens kalt, unnahbar und unemotional. Wie sehr man darauf bedacht war, diese Mulan keine Fehler machen zu lassen, zeigt sich bei der Heiratsvermittlung, die im Original primär wegen ihrer Tollpatschigkeit daneben geht. Im Remake dagegen ist ihre Schwester schuld, während man ihr selbst kaum etwas vorwerfen kann. Gerade diese Aspekte hätte man bei einer Neuinterpretation nicht ändern dürfen, insbesondere, wenn die Geschichte immer noch dieselben Stationen abarbeitet, die nun allerdings frei von Sinn und Emotionen sind.
Und was bleibt letztendlich? Einige beeindruckende Bilder und ein durchaus gelungener Score von Harry Gregson-Williams – wie üblich der beste Aspekt des Remakes, obwohl selbst dieser Score etwas hinter meinen Erwartungen zurückgeblieben ist. Eine Ausführliche Rezension findet sich hier. Ansonsten ist „Mulan“ ebenso seelenlos und unnötig wie fast alle anderen Disney-Remakes auch. Damit bleibt Jon Favreaus „The Jungle Book“ nach wie vor der einzige Film dieser Machart, den ich tatsächlich als gelungen bezeichnen würde.
Fazit: Leider reiht sich „Mulan“ in die Reihe der misslungenen Disney-Remakes ein. Ein guter Ansatz wurde leider katastrophal umgesetzt – das animierte Original ist diesem Machwerk in jeder Hinsicht überlegen.