Dank der D23 ist Star Wars mal wieder in aller Munde, wenn auch nicht unbedingt positiv. Zwar sieht der Trailer zu „The Mandalorian“ wirklich nicht schlecht aus – das könnte was werden – die Promotion zu „The Rise of Skywalker“ bekleckert sich jedoch nicht unbedingt mit Ruhm. Sei es der Teaser, der zur Hälfte aus alten Szenen besteht und kaum etwas offeriert außer einem Schweizer Taschenlichtschwert oder das Poster, bei dem eine Hot-Toys-Figur statt Ian McDiamirds edler Gesichtszügen eingebunden wurde. Aber in diesem Artikel soll es weder um die positiven, noch um die negativen Aspekte der D23-Präsentationen und -Enthüllungen gehen. Stattdessen möchte ich das anhaltende Medienecho nutzen, um noch einmal, einige Monate vor dem Kinostart von Episode IX, über die Konzeption der Sequel-Trilogie sprechen.
Rückblick: Konzept der OT und PT
Werfen wir zuerst einen Blick auf die Konzepte der bereits bestehenden Trilogien. Der Handlungsbogen der OT dürfte klar sein: Rebellion gegen Imperium, der Fall einer totalitären Diktatur und, auf einer persönlichen Ebene, die Erlösung Anakin Skywalkers. Allerdings war vor allem Letzteres nie von Anfang an Teil der Konzeption. So sehr George Lucas auch behauptet, die OT sei von Anfang an so geplant gewesen, es ist inzwischen deutlich geworden, u.a. aus den ersten Drehbuchentwürfen für „The Empire Strikes Back“, in denen Anakin Skywalkers Machtgeist auftaucht, dass der Handlungsbogen um Darth Vaders Rückkehr zum Licht und die allgemeinen Verwandtschaftsverhältnisse Elemente sind, die erst nach Episode IV Teil der Handlung wurden. Mehr noch, zu Anfang war Palpatine laut des Prologs von Alan Dean Fosters Romanadaption von „A New Hope“ ein schwacher Diktator und mit Sicherheit kein Machtnutzer. Hin und wieder gibt es bei der Gesamtbetrachtung der OT die eine oder andere Diskrepanz, aber insgesamt ist sie ziemlich gut zusammengewachsen und funktioniert als die Saga, als die sie wahrgenommen wird. Dieser Aspekt des Zusammenwachens ist jedoch etwas, das man im Hinterkopf behalten sollte.
Rein konzeptionell ist die Prequel-Trilogie am dichtesten, auch wenn das Konzept nicht immer ganz gelungen umgesetzt wurde. Die Prequels schildern den Fall Anakin Skywalkers, die Vernichtung der Jedi, den Aufstieg Imperator Palpatines und die Umwandlung der Republik in das Imperium. Es war von Anfang an klar, wo es hingehen würde – was den vielgescholtenen Prequels ironischerweise den Status der am besten geplanten und konzipierten Trilogie verleiht, denn anders als bei den anderen beiden wussten die Verantwortlichen genau, wo die Reise enden würde.
Als Disney Lucasfilm 2012 erwarb, waren die Möglichkeiten, die Saga fortzusetzen, vielfältig. Das alte Erweiterte Star-Wars-Universum, inzwischen als „Legends“ gebrandmarkt, hat einige Blaupausen geliefert, die wir uns etwas näher betrachten werden, bevor wir uns mit dem Weg, der für die Sequels gewählt wurde, auseinandersetzen.
Direkte Fortsetzung: Die Thrawn-Trilogie und „Dark Empire“
In den 90ern erwarben zwei Verlage, Bantam und Dark Horse, die Star-Wars-Lizenz und machten sich daran, die Saga in Form von Romanen und Comics fortzusetzen. Das jeweils erste Werk beider Verlage, Timothy Zahns „Heir to the Empire“ (gefolgt von „Dark Force Rising“ und „The Last Command“) und „Dark Empire“ (gefolgt von „Dark Empire II“ und „Empire’s End“) können jeweils als Versuch verstanden werden, die OT sehr direkt fortzusetzen. Im Kontext der Prequels erscheint vor allem „Dark Empire“ recht merkwürdig, aber natürlich konnten weder Tom Veitch noch Timothy Zahn wissen, was George Lucas in der Zukunft anstellen würde (Stichwort: Auserwählter). Wie dem auch sei, beide Werke setzen den Konflikt relativ direkt fort. Zahn erzählt dabei die besser konstruierte und auch deutlich kreativere Geschichte. Nach ihrem Sieg auf Endor hat die Rebellen-Allianz die Macht in der Galaxis übernommen, sodass die Rollen vertauscht sind: Die Helden sind nun die dominante Partei, während die Schurken aus dem Untergrund heraus kämpfen. Nach wie vor ist es das Imperium, das Luke, Han, Leia und Co. Probleme bereitet. Dieses Mal wird die Neue Ordnung durch Großadmiral Thrawn vertreten, der eine deutlich andere Art von Widersacher ist als Vader oder Palpatine, was sich natürlich auf die Geschichte auswirkt. Zahn fährt die mystischen Aspekte von Star Wars etwas zurück. Das Vermächtnis der Jedi und der Kampf gegen die Dunkle Seite sind zwar präsent – Letztere wird vertreten durch den verrückten Jedi-Klon Joruus C’baoth – man merkt den Romanen jedoch an, dass Zahn diesen Elementen weniger Bedeutung zuweist; er rückt Star Wars etwas näher an die „echte“ Science Fiction heran und entfernt sich von der märchenhaften Space Opera. Im Kern steht hier der Konflikt zwischen Imperium und Neuer Republik, dementsprechend ist Thrawn auch militärisches Genie und nicht böser Overlord. Gerade im Kontext der Erscheinungszeit ist die Thrawn-Trilogie wirklich eine exzellente Fortsetzung der OT, der eine gelungene Balance zwischen Altem und Neuem gelingt. Im Kontext der Prequels trifft das freilich nicht mehr zu, da diese das Konzept des Außerwählten und den Konflikt zwischen Jedi und Sith in den Mittelpunkt rücken. Diese essentiellen Elemente der Episoden I bis III finden sich in der Thrawn-Trilogie nicht wieder – wie auch?
Was die grundsätzliche Handlung angeht, eignet sich „Dark Empire“ besser als Fortsetzung der aus den Episoden I bis VI bestehenden Saga: Palpatine/Darth Sidious ist durchgehend der Oberschurke, da bietet es sich an, das Konzept an ihm als „dunkler Bedrohung“ festzumachen: Die Star-Wars-Saga als Kampf der Skywalker-Dynastie gegen Palpatine. Im Detail wusste Tom Veitch natürlich genauso wenig wie Timothy Zahn, was George Lucas mit den Prequels machen würde, weshalb vieles, was in „Dark Empire“ geschieht, im Kontext der Prequels reichlich merkwürdig oder schlicht unpassend wirkt. Zwar werden die Sith in den Fortsetzungen „Dark Empire II“ und „Empire’s End“ tatsächlich erwähnt, schließlich war Darth Vader von Anfang an laut Episode-IV-Drehbuch und -Romanadaption „Dunkler Lord der Sith“, aber was das bedeutete, wusste im Zeitraum von 1977 bis Mitte der 90er niemand. Bekanntermaßen wollte Zahn die Spezies, die für Vader und später auch Thrawn als Attentäter arbeitet, zu den Sith machen und Vaders Titel so erklären, bis Lucasfilm ihm das ausredete, sodass aus besagter Spezies schließlich die Noghri wurden.
Wo die Thrawn-Trilogie jedoch etwas geerdeter ist und sich eher auf die Sci-Fi-Aspekte konzentriert, geht Veitch den entgegengesetzten Weg: Bei ihm ist Palpatine mächtiger denn je, sein Geist kann von Körper zu Körper hüpfen, er kann gewaltige Machtstürme entfesseln und im Grunde ganze Flotten im Alleingang in Schutt und Asche legen. Die Dominanz der Neuen Republik wird von Veitch ebenfalls wieder rückgängig gemacht – insgesamt betont er in „Dark Empire“ deutlich stärker die Pulp-Elemente, die Dank Lucas‘ Vorliebe für „Flash Gordon“ natürlich schon immer Teil der Saga waren.
Ein neuer Konflikt: Die „New Jedi Order“
Eine weitere konzeptionelle Möglichkeit für die Sequel-Trilogie wäre gewesen, ein völlig neues Kapitel aufzuschlagen. Das Imperium, die Sith und die Dunkle Seite der Macht sind besiegt, der Auserwählte hat seinen Job erfüllt, die Bedrohung kommt dieses Mal aus einer völlig anderen Richtung. Die Idee außergalaktischer Invasoren tauchte immer mal wieder im Erweiterten Universum auf; in den alten Marvel-Comics gab es die Nagai, in „Truce at Bakura“ die Ssi-ruuk und 1999 zeigten im Rahmen der Romanreihe „New Jedi Order“ natürlich die Yuuzhan Vong ihre nicht gerade ansehnlichen Gesichter. Diese neue Spezies, die die bekannte Galaxis in einen neuen, blutigen Krieg stürzt, ist enorm umstritten, nicht zuletzt, da ihre Mitglieder in der Macht nicht zu existieren scheinen, aber unabhängig davon sind sie ein Paradebeispiel für ein „neues Kapitel“: Es gibt keine Verbindung zwischen den Vong und dem Imperium, den Sith oder irgend einem anderen bekannten Widersacher. Ich denke nicht, dass sich die Vong wirklich für die Sequels angeboten hätten, dazu sind sie im Fandom zu umstritten und hätten auf den Mainstream wahrscheinlich zu un-star-warsig gewirkt, aber die „New Jedi Order“ wäre als sehr grobe Vorlage interessant gewesen. So hätte Disney bzw. Lucasfilm erklären können, dass sich die Episoden I bis VI mit dem Konflikt Jedi gegen Sith auseinandersetzen, und die Episoden VII bis IX (oder sogar XII?) mit dem Krieg zwischen der Neuen Republik und welchem völlig neuen Gegner man auch immer wählt.
The Next Generation: „Legacy“
Das Konzept der Comicserie „Legacy“ lässt sich mit einem Satz kurz und prägnant erläutern: Selber Konflikt, anderes Personal. Knapp 140 Jahre nach der OT stehen die Jedi (mal wieder) kurz vor der Auslöschung und (mal wieder) herrschen die Sith über das Imperium bzw. die Galaxis. Nur ist der Protagonist nicht mehr der aufrechte Bauernjunge, der sich zum strahlenden (wenn auch schwarz gewandeten) Ritter entwickelt, sondern ein Junkie, der am liebsten in Ruhe gelassen werden will – dummerweise trägt Cade den Familiennamen Skywalker und ist ein Nachfahre besagten Ritters. Etwas ähnliches hätte sich für die Sequels durchaus angeboten, besonders wenn Mark Hamill, Harrison Ford und Carrie Fisher nicht gewillt gewesen wären, noch einmal in ihre Rollen zu schlüpfen. „Legacy“ zeichnet sich dadurch aus, dass der Grundplot derselbe ist wie in der OT, aber von völlig anderen, zum Teil deutlich graueren und komplexeren Charakteren durchgespielt wird, was natürlich zu einer völlig anderen Handlungsentwicklung führt.
Das Nicht-Konzept der Sequels
Das größte Problem der Sequel-Trilogie ist, dass es eben kein die Filmreihe umspannendes erzählerisches Konzept gibt. Lucasfilm unter Kathleen Kennedy wollte sich alle Möglichkeiten offen halten und den individuellen Filmemachern so viel Freiraum geben wie möglich – grundsätzlich ein löblicher Ansatz, aber nicht, wenn er das „Große Ganze“ beschädigt. Aus diesem Grund entwickelte man nur ein Konzept für Episode VII, und das auch nicht auf einer inhaltlichen Ebene. Ich denke, man fragte sich in der Chefetage des Mäusekonzerns nie „Welche Geschichte wollen wir erzählen?“, sondern „Wie arbeiten wir gegen den schlechten Ruf der Prequels?“. Das macht aus Episode VII einen zutiefst reaktionären Film im eigentlichen Wortsinn, denn er ist in vielerlei Hinsicht ein genauer Gegenentwurf zu den Prequels. Bei all der berechtigten Kritik, mit der die Episoden I bis III bedacht werden, findet sich auch oft die in meinen Augen unberechtigte Kritik, dass sie eben nicht wie die OT sind. Genau dem versuchte Disney entgegenzuwirken. Was fanden die Fans an den Prequels schlecht? Zu viel CGI, zu wenig wie die OT, zu viel Politik etc. Also heuerte man mit J. J. Abrams einen bekennenden Episode IV-Fan und konzentriert sich auf diese Aspekte. Konzeptionell dagegen sitzt Episode VII quasi zwischen den Stühlen. Keine der oben geschilderten Möglichkeiten wird gewählt. In „The Force Awakens“ wird nicht derselbe Konflikt (Jedi gegen Sith, Rebellion bzw. Neue Republik gegen Imperium, alle gegen Palpatine) fortgesetzt, es ist aber auch nicht wirklich ein neuer Konflikt. Stattdessen gibt es Ersatzfraktionen, Widerstand, Erste Ordnung und Ritter von Ren, die formal ihren Gegenstücken, Rebellion, Imperium und Sith, nicht entsprechen, aber genau dieselben Story-Beats bedienen. In der Essenz wird nicht derselbe Konflikt weiter ausgetragen, wie es in der Thrawn-Trilogie oder in „Dark Empire“ der Fall ist, und es wird auch kein wirklich neuer Kampf gekämpft, stattdessen wird derselbe Konflikt noch einmal von Ersatzparteien ausgefochten. Das führt dazu, dass sie die Sequels wie ein merkwürdiger Epilog zum Rest der Saga anfühlen, nicht wirklich Teil davon, aber auch nicht losgelöst.
Eines muss man Lucasfilm/Disney allerdings lassen: Zumindest für Episode VII ist das Konzept „Anti-Prequel“ aufgegangen, denn „The Force Awakens“ hatte exakt die Wirkung, die man wollte. Star Wars als Marke wurde revitalisiert, Casual-Fans, die dem Franchise nach den Prequels den Rücken kehrten, fanden wieder in die weit, weit entfernte Galaxis und allgemein gab es viel Kritikerlob und natürlich spielte der Film schlicht und einfach verdammt viel Kohle ein.
Spätestens mit Episode VIII zeigt sich allerdings, dass der Mangel an Konzept eine schlechte Idee war. J. J. Abrams und Episode-VII-Mitautor Lawrence Kasdan arbeiteten in „The Force Awakens” mit Abrams’ berühmt-berüchtigter Mystery-Box-Methode und warfen viele Fragen auf. Vielleicht lieferten sie intern die Antworten mit, vielleicht auch nicht. Jedenfalls bekam Rian Johnson für Episode VIII freie Hand, mit bekanntem Ergebnis. Wenn Abrams und Kasdan Antworten lieferten, ignorierte er sie, und wenn nicht gab er sie nicht in ihrem Sinn. Ich möchte nun wirklich nicht noch einmal die Last-Jedi-Diskussion aufwärmen, doch selbst Befürworter dieses Films müssen zugeben, dass eine ziemliche Diskrepanz zwischen „The Force Awakens“ und „The Last Jedi“ existiert und dass Letzterer gegen Ersteren arbeitet. Auf gewisse Weise ist „The Last Jedi“ das „Anti-Force-Awakens“, ähnlich wie Episode VII das „Anti-Prequel“ war – und somit wieder ein zutiefst reaktionärer Film. Wo „The Force Awakens“ zwanghaft alle Erwartungen erfüllt, versucht „The Last Jedi“ genauso zwanghaft, alle Erwartungen zu unterwandern. Das ist das Konzept des Films – und abermals ist es kein erzählerisches Konzept.
Schon jetzt sind die Sequels die unebenste der drei Trilogien. Ja, George Lucas hatte auch nicht wirklich ein von Anfang an durchgeplantes Konzept bei der OT, was von Verteidigern der Sequels immer wieder gerne angeführt wird, aber der OT wurde erlaubt, organisch zu wachsen. Zwar gab Lucas den Regiestock für Episode V und VI an Irvin Kershner respektive Richard Marquand weiter, aber er war dennoch derjenige, der die Fahrtrichtung vorgab und dafür sorgte, dass kein Film gegen den anderen arbeitet.
Meine Begeisterung für Episode IX hält sich bislang ziemlich in Grenzen, ich bin eher fachlich daran interessiert, wie diese Trilogie nun zu Ende geführt wird. Obwohl „The Last Jedi“ bei Kritikern gut ankam und auch finanziell keine Wünsche offen ließ, spaltete dieser Film das Fandom wie kein anderer vor ihm und führte von Gegnern wie Befürwortern zu Extremreaktionen. Mit „The Rise of Skywalker“ scheint Disney nun zu versuchen, diese Spaltung zu überwinden und rückwirkend ein Gesamtkonzept wie das oben bei „Dark Empire“ geschilderte zu etablieren, in dem Palpatine als verbindender Faktor zwischen der PT, der OT und der ST eingesetzt wird – der Teaser, der zu Anfang Einstellungen aus allen bisherigen Filmen zeigt, verdeutlicht dieses Ansinnen. Da mag Kathleen Kennedy noch so sehr bezeugen, dass die Rückkehr des Imperators immer für Episode IX geplant war, das nehme ich ihr nicht ab.
Ironischerweise lässt sich nun doch ein vereinendes Konzept für die Sequels festlegen: Jeder Film der ST reagiert auf die Vorgänger-Episode und versucht, sich als entsprechende Antithese zu inszenieren. Natürlich kann eine Trilogie, in der jeder Film als Antithese zum Vorhergegangenen fungiert, niemals einen einheitlichen Eindruck hinterlassen.