Spoiler!
Es wird langsam unübersichtlich, denn die Anzahl der verschiedenen, parallel laufenden DC-Kontinuitäten wächst immer weiter. Die beiden primären Vertreter sind das „Arrowverse“, die miteinander verknüpften Fernsehserien des Senders „The CW“ (darunter „Arrow“, „The Flash“ und „Supergirl“) und natürlich das durch „Aquaman“ mehr oder weniger wiederbelebte DC Extended Universe. Davon losgelöst sind die Serien „Gotham“ und „Krypton“, die Prequel-Geschichten zu Batman und Superman erzählen, aber weder dem DCEU noch dem „Arrowverse“ zugehörig sind. Warners hauseigener Streamingdienst „DC Universe“ macht munter weiter. Die erste Eigenproduktion trägt den Titel „Titans“ und basiert (eher lose) auf den „Teen Titans“ und den diversen Ablegercomicserien wie „New Teen Titans“, „The Titans“ etc. Auf den ersten Blick wirkt „Titans“ ein wenig, als versuche Warner damit, ein Gegenstück zu den Marvel-Netflix-Serien zu kreieren. Ob das wirklich so ist lässt sich natürlich nur schwer sagen, in jedem Fall ist „Titans“ aber ein ziemlich merkwürdiges Konglomerat, das einige der selben Eigenheiten und Schwächen aufweist wie die frühen DCEU-Filme – primär „Batman v Superman“.
Handlung

Robin alias Dick Grayson (Brenton Thwaites) hat genug davon, Batmans Handlanger zu sein und macht sich in Detroit Selbstständig. Mehr oder weniger zufällig läuft ihm die 16-jährige Rachel Roth (Teagan Croft) über den Weg, deren Mutter ermordet wurde und der merkwürdige Gestalten hinterherjagen. Nicht weniger merkwürdig ist Kory Anders (Anna Diop), die völlig ohne Erinnerung zu sich kommt und feststellen muss, dass sie über auf Hitze basierende Superkräfte verfügt. Ihr einziger Anker ist Rachel – ohne dass sie wüsste, weshalb. Es kommt, wie es kommen muss: Robin, Rachel, Kory und ein grünhaariger Gestaltwandler namens Garfield Logan (Ryan Potter) schließen sich zusammen, um hinter das Mysterium zu kommen und natürlich Rachel vor Bedrohungen zu beschützen. Dabei stoßen auf diverse andere Superhelden, etwa die Doom Plyatrol, das Duo Hawk (Alan Ritchson) und Dove (Minka Kel), Jason Todd (Curran Walters), Dicks Nachfolger als Robin, und das ehemalige Wonder Girl Donna Troy (Conor Leslie).
Die (Teen) Titans – ein kurzer Abriss
Die Teen Titans existieren bereits seit dem Jahr 1964 (erster Auftritt in The Brave and the Bold #54) und bildeten eine Art Junior-Justice-League. Das ursprüngliche Team setzte sich aus den drei Sidekicks Robin (Dick Grayson), Kid Flash (Wally West) und Aqualad (Garth) zusammen, bald darauf kamen Wonder Girl (Donna Troy) und Speedy (Roy Harper) hinzu. In gewisser Weise kann man die Entwicklung der Titans sehr gut mit Marvels X-Men vergleichen: In beiden Fällen handelt es sich um Teams, die sich in ihrer ersten Inkarnation aus Teenagern zusammensetzten und anfangs nur bedingt erfolgreich waren. Erst in den 70ern und 80ern gewannen sie enorm an Popularität, als sich bestimmte Kreativteams ihrer annahmen (bei den X-Men Chris Claremont und John Byrne, bei den Titans Marv Wolfman und George Pérez). Und sowohl bei den X-Men als auch bei den Titans gelten die Storys besagter Kreativteams als die die im Grunde definitive Version, auf die sich alle nachkommenden Geschichten und Adaptionen immer wieder beziehen. Das gilt ganz besonders für „The Judas Contract“, quasi das Titans-Gegenstück zur „Dark Phoenix Saga“. Wolfman und Pérez machten aus Dick Grayson Nightwing und schufen die Figuren Starfire, Cyborg, Raven und Deathstroke, ohne die die Titans heute kaum mehr denkbar sind.

In den 90ern und 2000ern machten die Titans einige Wandlungen durch und wurden immer wieder neu aufgelegt. Ironischerweise lernte ich das Team in einer Inkarnation kennen, zu der keines der ursprünglichen Teammitglieder gehört. Auch die Teen Titans fielen dem Trend der 90er-Neudefinitionen zum Opfer, für seine Teen-Titans-Serie schuf Autor und Zeichner Dan Jurgens vier brandneue Figuren, denen er den verjüngten Justice-League-Helden The Atom an die Seite stellte. Im Verlauf der Serie spielten die diversen Titans-Inkarnationen dann aber trotzdem noch eine überaus wichtige Rolle. Weitere nennenswerte Titans-Serien sind „Titans“ von Devin Grayson und „Teen Titans“ von Geoff Johns – vor allem Erstere gilt als eine der besten Darstellungen des Teams.
Die Animationsserie „Teen Titans“ darf natürlich nicht übergangen werden. Auch wenn sie gut zehn Jahre danach lief (von 2003 bis 2006) finden sich auch hier wieder Parallelen zu den X-Men, denn in beiden Fällen sorgten die Zeichentrickserien dafür, dass das jeweilige Team einem größeren Publikum bekannt wurde. Ich persönlich habe immer gewisse Probleme mit der Teen-Titans-Serie, sie ist mir ein wenig zu knallig und überdreht und die Interpretation des Auftragskillers Deathstroke (Slade Wilson) als Meisterverbrecher „Slade“ sagt mir nicht wirklich zu, aber insgesamt ist es definitiv keine schlechte Serie, vor allem wenn die Bezüge zu Wolfman und Pérez in den späteren Staffeln größer werden.
Thema verfehlt
In den vielen Jahrzehnten, die die Titans nun schon existieren, hat sich ein Thema in so gut wie jeder Inkarnation immer deutlich abgezeichnet: Familie. Die ursprünglichen Titanen waren ein Zusammenschluss junger Helden, die etwas Abstand von ihren Mentoren suchten und dabei andere junge Helden anzogen. Spätere Teams setzten sich oft aus einigen ursprünglichen, inzwischen erwachsenen Titans mit Mentorfunktion und einer Gruppe an neuen Junghelden zusammen.

Die Serienentwickler Akiva Goldsman, Geoff Johns und Greg Berlanti nehmen dagegen Figuren und einige Plotelemente und schaffen daraus keine Superhelden-Teamserie, in dem die Dynamik oder das Verhältnis der Mitglieder im Vordergrund steht, sondern eine Mystery-Serie mit snyderesquen Superheldenelementen. Eines der Hauptanliegen von „Titans“ scheint es, dem Publikum zu zeigen, wie kaputt die Superhelden sind. Nicht, dass das nicht ein Thema wäre, das man grundsätzlich verarbeiten könnte (auch wenn „Watchmen“ das nun einmal bereits sehr ausführlich und gelungen getan hat), es hat nur nichts mit den Titans zu tun. Das wirklich traurige ist, dass die Titans in dieser ersten Staffel nicht einmal auftauchen. Die einzelnen Mitglieder der klassischen Formation der Animationsserie (minus Cyborg) tauchen zwar alle als Hauptfiguren auf, agieren aber nie wirklich als Team. Wenn man ohne Vorkenntnisse an diese Serie herangeht, fragt man sich, wieso sie überhaupt „Titans“ heißt.
Die Lösung wäre eigentlich relativ simpel, wollte man sich der Thematik wirklich annehmen: Johns, Goldsman und Berlanti hätten das Ganze als Outsiders-Serie aufziehen müssen. Die Outsiders, ursprünglich von Batman in den 80ern ins Leben gerufen, später in diversen Inkarnationen von Nightwing/Dick Grayson und Red Hood/Jason Todd (in seinem Fall nennt sich das Team „Outlaws“) angeführt, sind thematisch weit weniger gebunden und eignen sich weitaus besser, um grimmige Geschichten mit kaputten Helden zu erzählen. Zu allem Überfluss gibt es viele Helden, die zum einen oder anderen Zeitpunkt sowohl Mitglied der Titans als auch der Outsiders waren, diesbezüglich könnte es also durchaus Überschneidungen geben.
Handlungsaufbau und Figuren
„Titans“ greift einen zentralen Handlungsstrang der Wolfman/Pérez-Ära auf. Deren Serie „New Teen Titans“ begann mit dem Auftauchen Ravens, die im Kampf gegen ihren Dämonenvater Trigon Hilfe sucht und so die Neuformierung der Titans veranlasst. Die Serie basiert in sehr, sehr groben Zügen auf diesem Handlungsbogen, zieht ihn aber, wie bereits erwähnt, eher als Mystery-Serie mit Superheldenelementen auf. Strukturell scheint man sich dabei durchaus ein wenig an der Netflix-Serie „Daredevil“ orientiert zu haben. In dieser wurde die eigentliche Haupthandlung zugunsten ausführlicher, charakterbildender Einschübe und Flashback-Episoden angehalten – „Titans“ macht gerne dasselbe. Der Unterschied ist, dass bei „Daredevil“ letztendlich alles zusammenkam und eine stringente Geschichte erzählt wurde (zumindest in den Staffeln 1 und 3). „Titans“ dagegen mäandert ziemlich. Ironischerweise gehören die Episoden, die abschweifen, etwa die beiden, die sich mit Hawk und Dove beschäftigen, oder die Doom-Patrol-Episode, zu den besten der Serie. Gerade die Doom Patrol, die in Kürze in dieser Besetzung ihre eigene Serie bekommt, war sehr vorlagengetreu umgesetzt (zumindest, soweit ich das sagen kann, da ich nur eine Handvoll Comics mit ihr gelesen habe) und Hawk und Dove waren zumindest interessant.

Die Charakterisierung und Darstellung der eigentlichen Titans ist dagegen bei so ziemlich allen leicht bis ziemlich daneben. Beginnen wir bei Robin, der als Posterboy und Protagonist der Serie fungiert, was an sich schon ein Problem ist, da diese Serie nun einmal „Titans“ und nicht „Robin mit Anhang“ heißt. Der eigentliche Plot dreht sich um Raven/Rachel Roth, dient aber im Grunde nur als Aufhänger dazu, Robin in diverse Situationen zu bringen. In so ziemlich jeder der elf Folgen drängt sich Robin immer wieder in den Vordergrund, was dafür sorgt, dass so gut wie keine Teamdynamik entsteht. Und dann wäre da natürlich die eigentliche Charakterisierung von Batmans Ex-Sidekick. Wo die Serie letztendlich mit ihm hinmöchte, ist klar: Robin soll sich endgültig von Batman emanzipieren und zu Nightwing werden (wer sehen möchte, wie so etwas richtig gemacht wird, ziehe die Episode „Old Wound“ aus „Batman: The Animated Series“ zu Rate). Gleichzeitig wird er hier aber als ultrabrutaler vorgehender Vigilant gezeigt, was einfach nicht so recht zusammenpassen will. Es wird etabliert, dass Robin, wenn er das Kostüm trägt, immer in einen regelrechten Gewaltrausch verfällt. Der Teil von Robins Charakterentwicklung, der aus den Comics stammt, beißt sich mit den Elementen, die von den Autoren für die Serie hinzugefügt wurden. Insgesamt passt diese Robin-Interpretation besser zu Jason Todd, der, nebenbei bemerkt, in „Titans“ Gastauftritte hat, im Grunde aber relativ überflüssig ist, weil nun zwei psychopathische Robins durch die Gegend rennen, der eine hinterfragt sich ein wenig, der andere überhaupt nicht. Das wirft natürlich die Frage auf, mit was für einem Batman wir es in dieser Kontinuität zu tun haben – mit seiner Menschenkenntnis kann es ja nicht allzu weit her sein.
Die anderen Figuren sind aufgrund des Robin-Fokus sehr unterentwickelt und funktionieren primär über ihre Beziehung zu Robin. Dementsprechend ist Beast Boy quasi überflüssig; er stößt als letzter dazu und hat im Grunde keine Beziehung zu Robin, weshalb er ein bloßes Anhängsel bleibt. Raven/Rachel hat das meiste Potential und hätte eine gute Hauptfigur abgeben können, hätte man sie in den Fokus gerückt. So, wie es ist, fungiert sie aber primär als Plotkatalysator, was einfach zu wenig ist, wenn sie zumindest theoretisch Zentrum der Handlung ist. Mit der klassischen Comic-Inkarnation hat sie verhältnismäßig wenig zu tun, am ehesten erinnert sie an die relativ junge Raven aus Geoff Johns‘ und Judd Winicks „Teen Titans“ bzw. „Titans“.

Und dann hätten wir da natürlich noch Starfire, deren visuelle Umsetzung bereits im Vorfeld zu massiven Kontroversen führte. Und um das mal vorneweg klarzustellen: Mir (und ich denke den meisten anderen Fans auch) geht es nicht darum, dass Starfire von einer afroamerikanischen Schauspielerin dargestellt wird – tatsächlich denke ich, dass Anna Diop keine schlechte Besetzung ist. Es geht darum, dass die Figur in dieser Serie weder optisch noch charakterlich etwas mit der Comicfigur zu tun hat. Starfire ist ein Alien, das sich nie als Mensch tarnen konnte oder wollte. Darüber hinaus frage ich mich ernsthaft, weshalb sie in der Serie wie eine Vegas-Prostituierte herumläuft, denn einen handlungsrelevanten Grund dafür gibt es nicht. Ja, die Comicversion zieht sich auch gerne sehr freizügig an, aber in den Comics ist das tatsächlich mit ihrer Herkunft und der Natur ihrer Kräfte begründet. Ihr Look in der Serie dagegen ist einfach nur bizarr.
Umsetzung
„Titans“ ist die erste speziell für Warners DC-Streamingdienst produzierte Serie und nimmt somit eine Vorreiterrolle ein. In diesem Kontext fragt man sich, was sich die Verantwortlichen eigentlich gedacht haben. Selten findet man eine derart unebene Serie wie „Titans“. Da gibt es hin wieder wirklich gelungene Szenen, gerade im Action-Bereich, und dann sieht die Serie wieder aus wie ein Fan-Film. Das CGI ist zu Beginn ziemlich schlecht und wird im Verlauf der Staffel noch schlechter, so dass es wirkt, als wäre während der Produktion das Geld ausgegangen. Das trifft auch auf das allgemeine Niveau der Produktion zu: Manche Kostüme sind wirklich gut gelungen, andere dagegen sind einfach nur peinlich – besonders erwähnenswert ist der Batsuit in Episode 11. Noch gravierender sind die vielen Fehler und Merkwürdigkeiten, die sich einschleichen. In einer Szene verstecken sich die Figuren in einem Motel, in der nächsten sind sie plötzlich in einer Trainingshalle, um ihre Kräfte auszutesten, ohne dass das angemessen kontextualisiert würde. Es gibt eine ganze Reihe von ähnlichen Beispielen, oft greifen Szenen einfach nicht ineinander.
Gerade für Fans der Comics gibt es auch viele Anspielungen und Verweise, denn „Titans“ bemüht sich, mit geringen Mitteln ein relativ umfassendes DC-Universum zu etablieren. Der gesamte Batman-Kosmos wird immer wieder angerissen, die Doom Patrol, Hawk und Dove und Wondergirl haben Gastauftritte und Wonder Woman und Superman werden immerhin erwähnt. Dummerweise verheddert sich die Serie immer wieder in diesen Anspielungen und Verweisen, sodass sie letztendlich hohl bleiben und auch uns Comic-Fans keine Freude bereiten. Easter Eggs können eine gute Handlung bereichern, wenn sie sinnvoll eingebaut werden, aber sie können eine gute Handlung nicht ersetzen.
Man muss es „Titans“ allerdings lassen, dass es der Staffel dennoch trotz aller Widrigkeiten gelingt, einen gewissen Spannungsbogen zu erzeugen, der zumindest mich dazu veranlasst hat, alle elf Folgen in relativ kurzer Zeit anzuschauen. Nach jedem Lichtblick hofft man, dass es aufwärts geht, nur um dann immer wieder enttäuscht zu werden. Der Höhe- bzw. Tiefpunkt ist dann die finale Episode, die abermals einiges an Potential hat, dieses aber gekonnt in den Boden rammt. Tatsächlich sollte besagte Folge eigentlich die vorletzt sein, während die nun in die zweite Staffel verschobene zwölfte das eigentliche Staffelfinale hätte darstellen sollen. Nun endet die erste Staffel von „Titans“ mit einem ziemlich abrupten Cliffhanger, der dafür sorgt, dass sie sich wie eine Anhäufung verschiedener kürzer Geschichten, aber nicht wie eine narrative Einheit anfühlt.
Fazit: Es war ja schon abzusehen, aber „Titans“ ist ein ziemlicher Griff ins Klo, der auf Teufel komm raus versucht, aus den Titans etwas zu machen, was sie einfach nicht sind. Das immer wieder aufblitzende Potential und die eine oder andere gute Idee sorgen dazu für ziemlich große Frustration. Umso mehr verwundert mich der extrem hohe Rotten-Tomatoes-Wert und die vielen positiven Rezensionen, die man allenthalben liest.
Nicht nur war der Trailer ein unfreiwilliges Lachfest, (Rich Evans von Red Letter Media hat es mit seiner Reaktion perfekt zusammengefasst), ich musste nur einen Blick auf IMDb werfen und sobald ich Akiva „Ich ruiniere alles, was ich anfasse“ Goldsman sah, war das Ding endgültig für mich Gestorben.
Das Traurige ist ja, dass Geoff Johns, der ebenfalls an den Drehbüchern beteiligt war, ja mehrere Jahre lang selbst eine Teen-Titans-Serie geschrieben hat und eigentlich wissen müsste, wie der Hase läuft, was das Team ausmacht etc. Nun ja, immerhin gut für einen ausführlichen Verriss, das muss auch immer mal wieder sein.
Ich verstehe einfach nicht, wie Akiva Goldsman immer noch Arbeit findet. Er ist so eine Katastrophe! Sein Un-Talent zieht alle anderen mit runter.